Eine Weihnachtsgeschichte von abgemeldet (Nach Charles Dickens) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Roy Mustang hasste Weihnachten. Das war eine Tatsache, über die alle Mitglieder seines näheren Umfeldes informiert waren. Aber dennoch … dieses Weihnachten hatte bereits im Vorfeld Anspruch darauf erhoben, das schlimmste Weihnachten seines Lebens zu werden. Es war das Weihnachten nach Hughes’ Tod und Roy fühlte sich so, als hätte man auch ihn umgebracht. Feststimmung sah anders aus. „Schönes Wochenende, Sir“, sagte Riza Hawkeye, seine engste Vertraute und Assistentin, als er pünktlich um sechs seinen Mantel nahm, um nach Hause zu gehen. „Bleibst du noch lange?“, fragte er, während er die Knöpfe schloss. „Es ist ein Feiertag.“ „Davon wird die Arbeit aber auch nicht weniger“, sagte sie. „Keine Sorge, ich erledige nur noch diese Berichte und dann gehe ich auch nach Hause. Hayate wartet schon auf mich.“ „Pflichtbewusst wie immer“, grummelte er, während er sich auf den Weg nach Hause machte. Wie jedes Jahr hatte er sie eigentlich fragen wollen, ob sie nicht mit ihm zusammen feiern wollte, aber sie hasste Weihnachten fast so sehr wie er es tat. Vermutlich würde sie sich mit einem guten Buch an ihren Kamin setzen und Black Hayate würde um sie herumtollen. „Verdammt, und ich habe noch nicht mal einen Hund!“, sagte Roy, während er sich in seinen Sessel fallen ließ. „Ich habe gar nichts! Nur meinen Rang und meine Taschenuhr! Ich bin nichts!“ Plötzlich wurde es kalt im Raum und er sah zum Fenster, wo sich langsam eine Gestalt materialisierte, die seinem verstorbenen besten Freund glich. „Yo, Roy!“, rief besagte Gestalt und Roy wurde noch einmal schmerzlich bewusst, wie wenig er hatte. Und offenbar gehörte nun auch sein Verstand zu den Dingen, die er verloren hatte. „Hughes…“, sagte er leise und wandte sich voll und ganz dem Mann zu, der sich zusehends weiter materialisierte. „Was ist los? Solltest du nicht irgendwie … ich weiß nicht … tot sein?“ „Sondergenehmigung vom Boss, weil ich … gehen musste, bevor ich mein Werk vollenden konnte“, sagte sein bester Freund. „Schließlich bist du noch immer nicht verheiratet, du Idiot.“ „Wer ist dieser Boss, über den du sprichst, Hughes?“, fragte Roy leise. „Denkst du eigentlich einmal richtig nach? Gott natürlich!“ Hughes schnaubte. „Ich habe ihm den Fall darlegt und er hat mir und ein paar anderen erlaubt, dich zu besuchen, um das endlich hinter uns zu bringen. Zu diesem Zweck werden dich im Abstand von je einer Stunde drei Geister besuchen. Zuerst zwei andere und dann ich. Wir werden dich auf Kurs bringen. Noch irgendwelche Fragen?“ Roy nickte. „Ja“, sagte er dann. „Wieso habe ich das Gefühl, dass ich so eine Geschichte schon kenne? Hast du das irgendwo geklaut?“ Hughes sah ihn giftig an. „Falls du auf ‚Eine Weihnachtsgeschichte’ von Carlos Fattens anspielst, dann lass dir eines gesagt sein: Wir kommen nicht, damit du den wahren Geist der Weihnacht erkennst. Wir haben etwas vollkommen anderes im Sinn.“ Er lächelte wieder. „Wie dem auch sei, der erste Geist wird in einer Stunde erscheinen. Ruh dich solange ein bisschen aus, ich kann mir gut vorstellen, dass es dich ziemlich schocken könnte.“ Kapitel 1: Der erste Geist – Berthold Hawkeye --------------------------------------------- Roy konnte nicht einschlafen, weil er zu nervös war, um seine Ruhe zu finden. Eine Stunde lang ging er nervös in seinem Wohnzimmer auf und ab, während er immer wieder zur Uhr sah. Er stand kurz vor dem Nervenzusammenbruch und wünschte sich fast, dass er es hinter sich hätte. Endlich schlug es Mitternacht und mit einem Husten erschien ein Mann in seinem Sessel. Fahlblondes Haar fiel bis auf die Schultern des Mannes, doch auch wenn er gesünder aussah, als Roy ihn jemals lebend gesehen hatte, erkannte er ihn sofort. „Master Hawkeye!“, sagte er überrascht, nein, schockiert. „Ein Hund der Armee ist aus dir geworden, Roy…“ Master Hawkeye schüttelte den Kopf und sah ihn missbilligend an, „und du hast meine Tochter mit in diesen Höllensumpf hineingezogen … wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dich nie und nimmer als Lehrling angenommen…“ „Wir haben ihr Leben beide verpfuscht, Master Hawkeye“, erwiderte Roy trocken. „Da hast du wohl bedauerlicherweise Recht, Roy…“ Berthold seufzte schwer. „Nun, wir sollten den alten Zeiten nicht hinterher trauern. Es ist vorbei … und wir müssen sehen, wie wir damit zurechtkommen. Nun … besser gesagt … du musst sehen, wie du damit zurechtkommst, weil ich ja offensichtlich schon mausetot bin.“ „Hughes hat gesagt, dass Sie, er und noch jemand mir etwas zeigen wollen“, sagte Roy leise und sah seinen eigentlich toten Lehrmeister an. „Um was handelt es sich dabei?“ Berthold seufzte schwer. „Ich bin der Geist der vergangenen Jahre“, sagte er ruhig, „und ich bin hier, um dir zu zeigen, was du all die Jahre über nie zu schätzen wusstest … was du wieder und wieder zurückgewiesen hast, weil du zu blind warst, es zu sehen.“ Ein kalter Wind fuhr durch das Zimmer und Roy schloss für einen kurzen Moment die Augen, weil sein Haar in seine Augen geweht wurde. Als er sie wieder öffnete, war er zurück in Lanchester, zurück im Haus seines Lehrmeisters. Aber es musste vor seiner Ankunft sein, denn als er dort gelebt hatte, hatten längst keine Familienporträts von früheren Generationen der Hawkeyes in der Diele gehangen. „Es ist inzwischen zwanzig Jahre her“, sagte Berthold leise. „Meine Frau war gerade erst tot … und ich musste zu einem wichtigen Kongress. Ich … ich konnte Riza nicht mitnehmen.“ Roy folgte seinem Blick und sah das blonde Mädchen, das zusammengekauert am Fuß der Treppe saß, und bitterlich weinte. Es war unverkennbar eine deutlich jüngere Riza und er machte unbewusst einen Schritt auf sie zu, um einen Arm um sie zu legen, um sie zu trösten, aber Berthold hielt ihn zurück. „Sie kann uns weder sehen noch hören“, sagte er leise. „Du willst sie vielleicht trösten, aber für diese Riza kommt jeder Trost Dekaden zu spät. Die Chance, sie zu trösten und ihr ein neues Morgen zu zeigen, sind lange an dir vorbeigegangen.“ „Es … es tut mir leid…“, murmelte Roy. „Ich kann mich nicht daran erinnern, sie jemals weinen gesehen zu haben. Sie erschien immer so stark … fast so, als würde sie nichts und niemanden auf dieser Welt brauchen. Wie kann sie da tief in ihrem Inneren so … verletzt sein?“ Berthold zuckte mit den Schultern. „Möglicherweise weißt du es, kannst es aber zurzeit nicht in den Kreis der Hochverdächtigen aufnehmen“, sagte er trocken. „Fakt ist nur, dass sie schon lange zerbrochen war, bevor du auch nur einen Fuß in unser Haus gesetzt hast. Dein Selbsthass darüber, sie zerstört zu haben, den du seit Jahren kultivierst, ist daher nicht mehr als ein dummer Einfall, mit dem du sie mehr verletzt als dich selbst. Du solltest hin und wieder darüber nachdenken, welche Folgen dein Handeln auf andere hat.“ „Ist das alles, was ich lernen sollte? Wenn ja, dann würde ich jetzt gerne wieder nach Hause“, sagte Roy. „Okay, ich hab’s kapiert: ich treffe jeden Tag etliche Entscheidungen, die Miss Riza schaden. Ich werde mich ändern. Ich kann das … aber bitte … ich will sie nicht mehr weinen sehen. Das ist schmerzhaft…“ Berthold sah ihn grimmig an. „Nein … es ist nicht alles, was ich dir gerne zeigen würde“, sagte er. „Wie kommen Sie eigentlich damit klar, dass Riza ausgerechnet mir ihr Tattoo gezeigt hat?“ „Sie ist ein kluger Kopf, aber … ich wünschte, ich hätte eine Alternative dazu gehabt, ihren Rücken auf immer und ewig zu ruinieren“, sagte Berthold und biss sich auf die Zunge. „Ich war ein Idiot, was das anging, vielleicht der größte Idiot überhaupt.“ Ein erneuter Windstoß brachte sie an einen anderen Ort, zu einer anderen Szene. Riza war älter, diesmal, aber noch immer jung. Roy sah ihren Gesichtsausdruck und er wusste, dass es irgendwann nach seinem Weggang gewesen sein musste, denn er hatte sie selten so bitter gesehen. Die Sorgenfalten waren tief in ihre Stirn eingegraben und sie sah müde und völlig erschöpft aus. Berthold seufzte schwer. „Damals war ich schon krank“, sagte er, „aber wir hatten nicht das Geld, um eine Haushälterin oder so einzustellen. Riza hat alles machen müssen…“ Roy ging immer weiter, bis er direkt neben Riza war. Er ging neben ihr her und starrte ihr Gesicht an. Er war nicht überrascht, als eine Träne über ihre Wange lief. Er hatte nie gewusst, wie viel es ihr angetan hatte, dass er gegangen war, aber wenn er damals nicht weggegangen wäre, hätte er ihr helfen können. Er legte eine Hand auf ihre Schulter, aber er griff durch sie hindurch. „Es tut mir leid, Riza“, murmelte er. „Ich hätte nicht gehen dürfen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)