Gefühle Widerwillen von robin-chan ================================================================================ Kapitel 24: Schmerz ------------------- Fassungslos zog sich Nami in ihre Kajüte zurück. Der Raum zeigte seine unfreundlichste Seite. Alles wirkte kalt, dunkel, verlassen. Schweren Herzens lehnte sie sich gegen die Türe, den Körper leicht vorgebeugt, wodurch die Haare ihr Gesicht unersichtlich machten. Ein Schluchzen durchdrang die Stille, während sie sich kraftlos auf den Boden sinken ließ. Dem Tränenfluss gegenüber fühlte sie sich machtlos, vergrub das Gesicht in ihren Handflächen und ließ es zu. Das regelmäßige Atmen erschwerte sich nach und nach. Ihr Innerstes zog sich schmerzhaft zusammen. Minuten verstrichen in denen sie sich nicht beruhigen konnte, geschweige wollte. Zu viele Gefühle und Fragen übermahnten sie. Nach all den Vorfällen, die sie zusammen durchgestanden hatten, wie konnte Robin sie bloß verlassen? Nami verstand ihre Entscheidung nicht. Ruckartig hob sie den Kopf an. Ein lautes, heftiges Klopfen holte sie aus den Gedanken. Tief sog sie die Luft ein, versuchte die Tränen und den Schmerz hinunterzuschlucken, während sie in jener Position verharrte. „Geh weg!“, fauchte die junge Frau. „Nami, ich bin es. Ruffy. Darf ich rein? Bitte“, meinte er mit traurigem Unterton und hielt die Faust geballt am Holz, seinen Strohhut tief ins Gesicht gezogen. Einer jener seltenen Momente, in denen Ruffy sich von einer ganz anderen Seite zeigte. Obwohl Nami darauf bedacht war, ihre Schwäche zu verbergen, gelang es ihr nicht. Ruffy konnte hören, wie ihr zumute war. „Was willst du?“, brachte sie merklich stiller zustande. Ihre Stimme brach. „Nach dir sehen,…, reden.“ Stille. Nami schaffte keinen richtigen Atemzug, ständig brach er ab, die Tränen bahnten sich weiterhin den Weg über ihre Wangen. Jeglicher Versuch das es aufhörte, ging ins Leere. Der Schwarzhaarige verweilte, wartete, egal wie lange er dort stehen musste, er würde nicht umkehren. Er machte sich Sorgen. Jeden an Bord traf die Nachricht wie einen Schlag ins Gesicht. Nach all dem, das diese Crew durchgestanden hatte, dachte niemand daran ausgerechnet Robin über diesen Zeitraum zu verlieren. Ihr Abschiedsbrief ließ die Bande mit offenen Fragen zurück. Besonders die Bemerkung der Blauhaarigen machte ihn stutzig. Normalerweise kümmerte er sich nicht um solche Sachen, da er sich nicht allzu sehr auskannte. In diesem Fall war es anders, er durfte nicht wegsehen. Aufmerksam lauschte er, hörte wie sich jemand bewegte. Schließlich öffnete sich langsam die Holztür und der Anblick, der ihm bot, nahm ihm den Atem. Ein einziges Mal hatte er seine Navigatorin auf diese Weise gesehen. Ihr tränenüberströmtes Gesicht kannte er bisher nur in Zusammenhang mit Arlong. Dem Ekelpaket, der sie all die Jahre über gequält hatte. Ihr Körper zitterte, jegliche Farbe schien aus ihrem Gesicht entwichen. Nami hatte ihm die Türe geöffnet, obwohl er ihr deutlich ansah, wie unwohl sie sich bei dem Gedanken fühlte, dass er sie auf diese Weise sah. Wieder senkte Nami ihren Kopf, warte bis er eintrat, ehe sie die Türe ins Schloss fallen ließ. Unsicher kratzte sich der Schwarzhaarige mehrmals am Nacken. Nami selbst lehnte sich seitlich an die Wand, den Blick ins Leere gerichtet. „Sie ist fort, für immer“, durchbrach sie wispernd das Schweigen. Ein verzweifeltes Lachen drang über ihre Lippen, als sie sich die Worte nochmals auf der Zunge zergehen ließ. Nie war ihr der Gedanke gekommen, ein erneutes Mal mit der Situation konfrontiert zu werden. Mit Robins Rettung aus den Fängen der Regierung hatte sie das definitiv von ihrer Liste gestrichen. Ein einmaliges Erlebnis. Zu früh gefreut. Dennoch, es laut auszuspreche, schnürte ihr in gewissem Maße die Luft zum Atmen ab. Robin gehörte zu ihnen, egal was geschah. Warum zog sie die Notbremse? Ihretwegen? Gaben ihr die zwei Jahre einen besseren Weg? Einen, den sie nicht ausschlagen konnte? Kopfschmerzen breiteten sich aus. „Ich versteh das nicht“, murmelte der Schwarzhaarige, ohne Nami aus den Augen zu lassen. Er hoffte, sie konnte ihm die Antwort geben, nach der er suchte. „Sie schrieb, es gibt kein Zurück, sie wolle die Revolutionäre begleiten. Es täte ihr leid. Wie kann der Arsch das zulassen?!“, schrie er gegen Ende hin förmlich. Seit er weiß, dass dieser Mann sein Vater war, hatte er kaum einen Gedanken an ihn verschwendet. Plötzlich allerdings verspürte er ihm gegenüber eine gewisse Wut. Zwar war ihm klar, dass Robin am Ende selbst die Entscheidung traf, aber dass er dem nachgab, war zu viel für ihn. Nami lächelte schwach, schüttelte mit dem Kopf. „Er trägt keine Schuld, schätze ich mal.“ Dennoch verstand sie seine Intention. Er brauchte jemanden, an dem er seine Wut auslassen konnte. Auch, wenn es ihm nicht weiter brachte. Ruffy zuckte mit der Schulter. „Und sonst?“, fragte Nami vorsichtig nach. Ihr Herz hämmerte wie wild gegen den Brustkorb. Eigentlich brauchte sie nicht mehr zu wissen. Robin war nicht da. Kein Wunder. Nami hätte es ähnlich gehandhabt. Würde sie auftauchen, dann hätten sie die Schwarzhaarige auf jeden Fall aufgehalten, mit allen Mitteln. „Zu wenig, um ihre Entscheidung zu verstehen“, meinte er nachdenklich und sah sich im Zimmer um. Näheres dürfte er auf wohl erst erfahren. Unschlüssig starrte er schließlich wieder zur Navigatorin. „Vivi hat erwähnt, dass ein zweiter Brief existiert, der an dich adressiert ist. Steht darin mehr?“ Sofort schnellte ihr Kopf in die Höhe. Ihre Aufmerksamkeit hatte er damit auf jeden Fall auf sich gezogen. Unwillkürlich glitt ihre Hand zu ihrer Gesäßtasche, spürte den Umschlag. Der Inhalt war ihr nach wie vor unbekannt. „Hat Vivi noch etwas erwähnt?“, zischte die Navigatorin. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, dass die Prinzessin darüber ein Wort verlor. Irritiert über ihre Reaktion neigte Ruffy seinen Kopf zur Seite. Trotzdem lächelte er. Lieber sah er Nami wütend, als traurig, auch wenn es zu keiner Besserung der Situation führte. „Nein. Lediglich, dass du eine eigene Nachricht erhalten hast. Nami,…“, sprach er ernst und trat näher. „Ihr seid immer gute Freundinnen gewesen, ihr hatte mehr miteinander zu tun, als wie mit uns Jungs. Du kennst sie besser als alle an Bord. Ist dir nie aufgefallen, dass sie sich vielleicht unwohl bei uns fühlt? Oder hatte sie erwähnt, dass sie irgendwann fort möchte?“ Unwohl. Angestrengt biss Nami ihren Kiefer aufeinander. Ein Grund kam ihr in den Sinn, der ausschlaggebend dafür sein konnte, ein einziger. Wenn ihre Vermutung richtig lag, dann hatte sie keinerlei Ahnung, wie sie damit umgehen sollte. Um die Antwort zu erfahren, gab es nur einen Weg. Einen Moment lang hielt sie inne, dachte darüber nach, ehe sie den Brief hervor zog, drehte ihn mehrmals, ehe sie ihn Ruffy entgegenhielt. „Ich kann nicht direkt sagen, was sie geschrieben hat, er ist noch verschlossen und,…“, brach sie ab und atmete, mit geschlossenen Augen, tief durch. Ein Versuch ihre Stimme, ihren Körper, ihre Gedanken unter Kontrolle zu bringen. „Ich habe Angst ihn zu lesen“, gestand sie schließlich, schluckte den Kloß, der sich erneut bildete, hinunter. Je länger sie an den Inhalt dachte, desto mehr sträubte sie sich dagegen ihn zu öffnen. Unbeholfen trat Ruffy von einem Bein auf das andere. „Die Nachricht ist nicht an uns, sondern an dich gerichtet. Ich will lediglich verstehen können, was genau sie zu diesem Schritt bewog.“ Er überspielte ihre letzte Bemerkung vorerst. Denn allmählich hatte er die dunkle Vorahnung, dass da etwas war, mit dem er nie gerechnet hatte. Namis Betroffenheit war zu stark, zu intensiv. Er spürte, dass da mehr dahinter steckte. Schwerfällig stieß sich die Navigatorin von der Wand ab. In seinen Augen erkannte Nami, dass er die Entscheidung ganz ihr überließ. „Lesen wir ihn zusammen?“, fragte sie ängstlich, wirkte verletzlicher denn je. Ihre Hand zitterte. Vorsichtig umfasste er diese und zog Nami, aus einem Impuls heraus, in eine Umarmung. Gern hätte er ihr gesagt, alles ginge gut aus, doch im Augenblick fühlte sich der Gedanke wie eine große Lüge an. Überrascht von seiner Geste, weiteten die Augen der Frau, ihr Körper erstarrte. Anstatt von ihr ab zu lassen, festigte er den Griff, spürte nach und nach wie sie sich hingab, ihr Gesicht in seiner Schulter vergrub, hörte ihr Schluchzen. Ruffy schwieg, strich ihr fürsorglich über den Rücken und gab ihr die Zeit, die sie brauchte. Es dauerte, doch irgendwann hatte sich Nami beruhigt, löste die Umarmung. Ihre Augen brannten leicht. „Wehe du erzählst den Jungs davon“, lächelte sie schwach, während sie sich durchs Gesicht fuhr, die letzten Tränen fortstrich. Ruffy lachte laut auf und nickte, ehe er sich zum Sofa begab, ließ sich dort nieder und klopfte lächelnd auf den freien Platz neben sich. „Versprochen“, gluckste er und behielt sie im Auge, während sie seiner Aufforderung folgte. Erneut hielt sie ihm das Kuvert entgegen, sah ihn beinah flehend an. Er schluckte schwer, nahm es nach einem kurzen Zögern allerdings entgegen. Wenn sie es wollte, dann hatte er gegen ihre Sturheit keine Chance. Langsam entnahm er den Brief, atmete durch und fing an zu lesen. „Sobald du denkst, du kennst den Weg, der vor dir liegt, erhaltest du eine Quittung, in Form der einen oder anderen Überraschung, die all dein Wissen ins Wanken bringt. Während deines Lebens triffst du auf andere. Wie du dich ihnen gegenüber gibst, ob du an ihren vorbei ziehst oder dich auf einer tieferen Ebene mit ihnen austauschst, liegt meist nicht in deiner Hand. Sekunden sind ausreichend, ob du ausweichst oder direkt darauf zugehst. Bewusst und unbewusst. Die Entscheidung das Schiff zu betreten, die Reise mit euch bestreiten, habe ich aus vollem Bewusstsein getroffen. Ich kann nicht sagen, woran es lag, doch einen Teil von mir zog es zu euch. Bis heute die schönste Erfahrung, die mir ermöglicht worden ist. Dich allerdings in mein Herz zu lassen, mich in dich zu verlieben, war ohne mein Wissen geschehen. Wann ich die Grenze erreicht habe, ist mir schleierhaft. Es war da, wuchs stetig, bis ich meine Gefühle nicht länger verleugnen konnte. Wann hat sich dieser Weg aufgetan? Mich in diese Abzweigung manövriert? Wo habe ich die Abzweigung genommen?“ Ruffy brach ab, las erneut, innerlich für sich selbst, die letzten Zeilen, machte sich Gedanken, ehe er entgeistert zur Seite sah. Sein Mund stand leicht offen. Ihre Blicke trafen sich. „Nami,…“ Schnell hob Nami ihre Hand, signalisierte ihn es zu lassen. „Da steht weitaus mehr“, entgegnete sie gepresst und deutete auf das Blatt. Um darüber zu reden, gab es später noch reichlich Zeit. Er strich sich über die Augen, drückte sich kurz in den Nasenrücken, ehe er ihrem Wunsch nachkam. Ihm war durchaus bewusst, worum es sich bei diesem Brief handelte und bekam den Gedanken, dass das all seine Fragen bezüglich Robins Verschwinden beantworten würde. „Empfindungen gegenüber bist du machtlos ausgeliefert. Sie unterstehen keiner Kontrolle, kennen kein rationales Denken, tun was immer ihnen lieb ist. Aus heiterem Himmel überströmen sie dich und bringen all das bisher Bekannte zu Fall. Als mir klar wurde, dass ich Gefühle habe, eröffneten sich mir zwei Wege, vielmehr zwei Sackgassen. Einerseits hieß es sie schweigend, still und heimlich für mich zu behalten. Dir weiterhin als gute Freundin zur Seite zu stehen, dich nicht damit zu belasten. Andererseits gab es den Weg die Karten offen auf den Tisch zu legen, mich dir zu offenbaren, deine Reaktion abzuwarten. Die Konfrontation mit der CP9 hatte mit die Entscheidung abgenommen. Ich konnte nicht gehen, ohne dich ein letztes Mal zu sehen, dir zu sagen, wie ich für dich empfinde. Heute, im Nachhinein, frage ich mich, ob es die richtige Entscheidung war. Womöglich eine Mischung aus gut und schlecht. Zwar fühlte ich in manchen Momenten eine unangenehme Spannung. Mein Innerstes war schier hin und her gerissen. Dich in meiner Nähe zu haben, ohne einen Schritt wagen zu können, raubte mir an manchen Tagen meine Nerven, meine Geduld und dennoch, ich war erleichtert.“ Ruffy brach ab, faltete das Papier behutsam zusammen und legte es auf den kleinen Tisch vor sich. Je mehr er las, desto größer wurde sein schlechtes Gewissen. Das hier war wahrlich keine Nachricht für ihn. „Nami, ich kann nicht weiterlesen. Diese Zeilen gehören dir,…, du solltest sie alleine lesen.“ „So ernst kenne ich dich gar nicht“, murmelte Nami vor sich hin und betrachtete den Brief. Bereits der erste Abschnitt sagte alles. Mittlerweile konnte sich Nami sehr gut vorstellen, was Robin noch alles geschrieben hatte. „Ich weiß“, antwortete er verlegen und nahm seinen Hut in die Hände, umspielte diesen nachdenklich. „Du liebst sie also nicht?“, fragte er nach einer kurzen Stille. Nami kaute auf ihrer Unterlippe und stützte die Arme auf ihren Knien ab. „Das ist das Problem. Ich habe Gefühle für sie“, wisperte sie und brachte ein schwaches Lächeln zustande. Ruffy legte den Kopf schief und verzog das Gesicht. „Warum ist sie dann fort?“, quengelte er in gewohnter Manier, woraufhin Nami ein Seufzen ausstieß. „Das ist, nun ja, kompliziert. Ihr Geständnis kam aus heiterem Himmel. Sagen wir, ich habe mich äußerst dumm angestellt. Wir einigten uns darauf, dass ich darüber nachdenke. Zwar wollten wir vor unserer Trennung einen Versuch starten, doch kam es nie dazu. Was genau vorgefallen ist, ist mir schleierhaft. Womöglich sah sie mein langes Zögern als Antwort und ich schätze Vivi trägt einen Anteil daran.“ Leicht kniff sie die Augen zusammen. Da Ruffy einen Teil gelesen hatte, hatte es keinen Sinn mehr um den heißen Brei zu reden. Viel zu lange hatte sie diesbezüglich geschwiegen, die Wahrheit musste endlich ans Licht. „Warum sollte Vivi etwas gegen Robins Rückkehr haben?“, fragte er verwirrt und verstand nicht ganz, worauf Nami hinaus wollte. Diese lehnte sich zurück und sah ihn von der Seite aus an. „Vivi ist vorwiegend meinetwegen hier. Wir waren für die Zeit, die sie hier an Bord war, ein Paar. Aus Angst haben wir die Angelegenheit für uns behalten. Mit ihrer Entscheidung zu bleiben, erübrigte sich das Thema automatisch. Allerdings hat Robin mich durchschaut. Die Zeit, in der ich versucht habe über Vivi hinweg zu kommen, hat sie mir geholfen. Da unsere Prinzessin nun hier ist und uns sogar die Briefe übergeben hat, zeigt mir, dass sie mehr darin verstrickt ist, als sie uns bisher mitgeteilt hat.“ „Irgendwie bekomme ich gar nichts mit, was sich hier abspielt“, meinte Ruffy schmollend. Anders als erwartet, fühlte Nami eine gewisse Erleichterung. Keine Abscheu, eher die lockere Art, die sie kannte und liebte, auch wenn sie ihr ab und an den letzten Nerv raubte. „Und? Stört es dich?“, fragte sie dennoch nach. Immerhin hatte sie sich stets vor diesem einen Moment gefürchtet, warum war ihr allerdings schleierhaft. Perplex sah er zu seiner Navigatorin, dachte angestrengt nach. „Klar stört es mich!“, sprach er drauf und wirkte wütend. Nami hob eine Augenbraue, nicht wissend ob er wusste, was sie meinte. „Robin gehört zu uns, sie kann nicht gehen, wir alle wollen sie zurück!“ Ein Glucksen war von der Navigatorin zu hören, ehe sie den Kopf schüttelte. „Nein. Ich bezog die Worte auf die Tatsache, dass ich auf Frauen stehe und das Ganze drum herum.“ Sein Gesicht entspannte sich und ein breites Grinsen machte sich auf seinen Lippen breit, ehe er laut auflachte. „Warum? Solange ihr glücklich seid, ist mir alles egal. Mehr will ich gar nicht.“ Erleichtert zog sie ihn zu sich und umarmte ihn. „Danke“, murmelte sie an seine Schulter. Unbeholfen erwiderte er die Geste und tätschelte ihr die Schulter. „Ehm, kein Ding. Geht es dir besser?“, entgegnete er, nachdem sich Nami von ihm löste und aufstand. Erneut ruhte ihr Blick auf dem Brief. „Vorerst ein wenig.“ Mehr ging im Moment nicht. Sie war sich sicher, der große Einbruch stand ihr noch bevor. Mit größter Wahrscheinlichkeit dann, wenn sie den gesamten Brief zu Ende las. „Behalt es bitte noch für dich. Mit dem Rest möchte ich selbst sprechen.“ Er nickte und sprang auf. „Einverstanden. Kommst du mit? Wir sitzen in der Kombüse und Sanji meinte, er würde uns später noch was zum Futtern machen.“ Von einer Sekunde zur nächsten war er wieder normal, wie sie ihn sonst kannte. Sorglos, glücklich und hibbelig. Insbesondere wenn um sein liebsten Hobby ging, dem Essen. „Gib mir einen Moment.“ „Beeil dich. Wenn du dich zu sehr verspätest, dann habe ich bereits alles aufgefuttert“, lachte er und stürmte aus dem Zimmer, von welchem Nami ihm lächelnd hinterher sah. Manchmal wünschte sie sich, er zeigte sich öfter von dieser Seite. Doch dann war er nicht mehr jener Hitzkopf, den sie kennen und schätzen gelernt hatte. Wieder trat diese bedrückende Stille ein. Allein in dieser Kajüte mit all den Erinnerungen an vergangene Tage, Momente mit der Schwarzhaarigen. Ohne sie hatte es nicht dieselbe Wirkung, Ausstrahlung. Sie griente und schüttelte abermals den Kopf. Das musste ein Traum, ein kranker Scherz sein. Über Wochen weinte sie der Prinzessin nach, ließ Robin nicht nah an sich und nun? Ihre Ex-Freundin war an Bord, doch die, die sie zu dieser Zeit begehrte war fort. Irgendwie sollte es nicht sein. Ächzend sank sie auf das Bett der Archäologin. „Ich kann dich nicht gehen lassen“, murmelte sie in die Stille hinein, während ihre Hand sanft über das Bettlaken strich. Obwohl zwei Jahre vergangen waren, war es als spürte sie weiterhin den Schatten der Frau, der sich im Zimmer festgesetzt hatte. Dieser verschwand nicht. Wie in Trance besah sie sich den Raum und an jeder Stelle sah sie alltägliche Kleinigkeiten, die die Schwarzhaarige tat. Solange sie diese Kajüte bewohnte, konnte sie diese niemals vergessen. Weder in ihren Erinnerungen, noch in ihrem Herzen. „Das Essen ist fertig, beeil dich, Ruffy hat großen Hunger“, sprach die Schwarzhaarige amüsiert und lächelte der Navigatorin sanft entgegen. Mehrmals blinzelte Nami, strich sich müde durchs Gesicht, ehe sie den Kopf erneut anhob. Dort stand tatsächlich jemand im Türrahmen. Im Gegensatz zu ihrer Einbildung handelte es sich nicht um die großgewachsene Frau, die ihr entgegenstrahlte, nein, dieses Mal erkannte sie Vivi, die besorgt wirkte. Der Unterschied zwischen ihnen konnte nicht größer ausfallen. „Hast du etwas gesagt?“, fragte Nami leise nach und erhob sich schwerfällig. Vivi sah einen Moment zur Seite, schloss die Türe und lehnte sich gegen die Wand. „Du siehst nicht gut aus“, bemerkte die Prinzessin und strich sich über den Oberarm, unsicher ob sie die Reaktion der Anderen hinterfragen sollte. Diese schnalzte mit der Zunge und schritt gemächlich durch den Raum. „Mein Äußeres passt sich lediglich meiner Stimmung an.“ Von der Seite her spähte sie zu Vivi, dachte an deren Intentionen. Glaube sie tatsächlich daran? Einfach aufkreuzen und alles war vergessen? „Ich kann mir vorstellen, dass das nicht einfach ist. Abgesehen von ihren Empfindungen dir gegenüber seid ihr wohl gute Freundinnen gewesen. Jedenfalls wenn ich an ihre Erzählungen denke.“ Nami runzelte die Stirn, trat näher. „Ach, aber aufgehalten hast du sie nicht?“, zischte Nami provokant und funkelte diese Blauhaarige an, die überrumpelt die Augen aufriss. „Sie ist eine erwachsene Frau. Wenn sie gehen will, dann geht sie. Ich habe ihr zwar gesagt, ob es nicht besser sei sich persönlich zu verabschieden, doch zog sie diesen Weg vor.“ Dabei versuchte sie ruhig zu bleiben, ohne Nami eine Angriffsfläche zu bieten. „Klasse, aber ich versteh schon. So gesehen bist du sie losgeworden und brauchst dir keinen Kopf darum zu machen. Die Konkurrenz zieht freiwillig von dannen und erschwert es dir nicht.“ Was sollte sie darauf erwidern? Natürlich trug sie den Gedanken in sich. Dennoch, die Worte schmerzten. Unruhig kaute sie auf ihrer Unterlippe, glaubte nicht, dass das der passende Moment für solch eine Unterredung war. „Wir sollten später reden, wenn du ruhiger bist. Sanji kocht und,…, du kennst ja Ruffy. Er futtert alles auf, wenn ihn niemand stoppt.“ Ein deutlicher Versuch der unangenehmen Situation zu entkommen. In dem Moment in dem sie die Türklinke umschloss, hörte sie erneut Namis Stimme. „Gott! Du machst mich fertig. Du kannst nicht jeder Konfrontation ausweichen! Genauso wenig wie plötzlich auf der Bildfläche aufzutauchen und denken alles wäre wie vorher.“ Tief atmete Vivi durch, ehe sie einen Blick über die Schulter war. Obwohl ihre Stimme deutlich Wut ausdrückte, zeigten ihre Augen eine ganz andere Empfindung. Schmerz. „Ich dachte, du würdest dich freuen“, flüsterte die Prinzessin. „Als mir Nico Robin sagte, wo ihr euch trefft, habe ich extra diesen Umweg genommen. Ich wollte dich sehen. Zuvor habe ich nur erahnen können, wohin euch euer Weg führt, nicht mehr. Hier hatte ich einen Anhaltspunkt“, erklärte sie betroffen und festigte den Griff um die Türklinke. Nami schluckte schwer. „Gratuliere. Dann sag mir doch, wie lange gedenkst du zu bleiben? Soweit ich gehört habe, geht es deinem Vater nicht gut. Das Land ruft nach seiner Königin.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)