Man sieht sich immer mehrmals im Leben - Part 2 von abgemeldet (...Fortsetzung folgt ...) ================================================================================ Kapitel 33: Neues von Roy und Riza ---------------------------------- Als Roy morgens erwachte, stellte er zuerst fest, dass seine Frau nicht mehr neben ihm lag. Er stand auf und fand sie in einem der Badezimmer, wo sie sich übergab. Er blieb wie angewurzelt in der Tür stehen. „Riza … bist du schwanger?“, fragte er vorsichtig. Sie hob den Kopf und sah ihn verärgert an. „Natürlich nicht“, sagte sie grimmig, bevor sie sich erneut übergab. „Das ist wahrscheinlich eine Lebensmittelvergiftung, weil irgendein Idiot gestern auf die Idee gekommen ist, dass ich am besten mal Austern probiere … dabei habe ich ja gleich gesagt, dass ich kein rohes Fleisch vertrage…“ Sie tauchte wieder ab. „Und jetzt geht es mir ziemlich dreckig. Ich wäre dir daher verbunden, wenn du losziehen könntest, um mir Ingwerwasser und trockenes Brot besorgen könntest. Danke sehr.“ „Und du bist dir wirklich sicher, dass du nicht schwanger bist?“, fragte er. Sie funkelte ihn wütend an. „Ja, Roy, ich bin nicht schwanger“, sagte sie düster. „Und ja, ich weiß auch, dass in jedem schlechten Buch die weibliche Hauptfigur erst entscheidet, dass sie einfach nur eine schwere Magenverstimmung hat, bevor sie nach einem Monat doch zum Arzt geht, der ihr mitteilt, dass sie schwanger ist. Und glaube mir, ich werde nicht zur allgemeinen Erheiterung beitragen, indem ich ebenfalls schwanger bin, es aber zu leugnen versuche.“ Sie stand auf, bevor sie die Toilettenspülung betätigte und den Mund ausspülte, bevor sie sich die Zähne putzte. „Wenn es dich glücklich macht, kann ich ja trotzdem mal zum Arzt gehen, um ihn zu fragen, ob ich schwanger bin…“ Er grinste sie an. „Ja, das würde mich glücklich machen“, sagte er, „denn wenn du schwanger wärst, könnten wir hier bleiben und müssten nicht arbeiten…“ Ihr eiskalter Blick sorgte dafür, dass er sich schnell eines besseren besann. „…aber leider ist es ja noch zu früh für Kinder“, sagte er hastig. „Wirklich, Riza, ich dachte immer, dass alle Frauen nur heiraten würden, damit es endlich gesellschaftlich akzeptiert ist, wenn sie Kinder haben…“ „Roy, wir leben nicht mehr im neunzehnten Jahrhundert“, sagte sie seufzend, während sie mit einer Hand durch sein Haar fuhr. „Frauen kümmern sich nicht mehr so groß darum, was die Gesellschaft ihnen vorschreibt. Wenn sie Kinder wollen, bekommen sie welche. Wenn sie weder heiraten noch Mutter werden wollen, heiraten sie nicht und werden auch nicht schwanger. Die Zeiten haben sich geändert. Noch vor dreißig Jahren wäre es der soziale Ruin für eine unverheiratete Frau gewesen, ein Kind zu bekommen. Heute ist man da eindeutig weiter … und das ist auch gut, nicht wahr?“ Er nickte hastig, bevor er Straßenkleidung anzog. „Ich mache dir noch eine Wärmeflasche, dann beschaffe ich dir dein Frühstück“, sagte er, während er die Küche ansteuerte. „Gute Idee“, sagte sie trocken, bevor sie unter die Dusche ging. Er tat, was er versprochen hatte, und zog seine Schuhe an, bevor er sich auf den Weg zum nächsten Laden machte. Er hatte ihn gerade betreten, als er eine vertraute Stimme hörte: „…und Sie können sich wirklich nicht erinnern? Es müsste etwa dreißig Jahre her sein…?“ Roy schielte in Richtung Kasse, wo der Freund seiner Cousine mit erstem Gesicht stand und der älteren Geschäftsinhaberin ein Foto unter die Nase hielt. Bendix wirkte seltsam angespannt, was nicht zu ihm passte. Roy kannte ihn eigentlich nur als so gelassen, dass es fast schon an Provokation glich. Nur wenige Personen aus Roys Umfeld war vergleichbar entspannt – und nur der Generalfeldmarschall und seine rechte Hand übertrafen ihn. Die ältere Dame schüttelte den Kopf, bevor sie schwer seufzte. „Es tut mir leid, aber das einzige Baby, das ich vor dreißig Jahren gekannt habe, war der kleine Sohn von Miss Lewellyn“, sagte sie schließlich. „Sie war untröstlich, als er gestorben ist, während sie fort war. Ihr Onkel stand ihr in dieser schweren Zeit bei…“ Roy entschied, dass es falsch wäre, länger zu lauschen, und kam hinter dem Regal hervor, bevor er Bendix leicht auf die Schulter schlug und lächelte. „Hi, Ben“, sagte er gutgelaunt. „Ich will nicht den Sklaventreiber raushängen lassen, aber solltest du nicht arbeiten?“ Der blonde Mann lächelte vorsichtig. „Normalerweise schon, aber Jade deckt mich“, sagte er nach einer kurzen Bedenkpause. „Ich habe hier in Lionnenburg einiges zu erledigen…“ Roy legte den Kopf schief, bevor er nach dem Foto griff, um es zu betrachten. „Bist du das?“, fragte er neugierig. „Du warst wirklich ein niedliches Baby.“ „Meine Eltern fanden mich wohl nicht süß genug, um mich zu behalten“, sagte Bendix trocken, bevor er mit den Schultern zuckte. „Ich bin hier, um herauszufinden, wer meine Eltern waren … und warum sie mich zur Adoption freigegeben haben.“ Roy sah ihn mitfühlend an. „Du bist hier geboren, richtig?“, fragte er. „Nun, wenn das so ist, dann solltest du es mal mit dem Krankenhaus versuchen. Dein Geburtsdatum wird sicher nicht verändert worden sein … wenn du Zugriff auf die Akten bekommen solltest…“ „Das ist eben der Knackpunkt“, sagte der blonde Mann seufzend. „Darauf bekomme ich eben keinen Zugriff. Ich habe sogar versucht, sie aus ‚Ermittlungsgründen’ zu beschlagnahmen, aber selbst das funktioniert nicht, weil die ärztliche Schweigepflicht sämtliche Regeln des Militärs übertrifft. Ich kann wirklich nichts machen.“ „Wir könnten es sicherlich zusammen irgendwie hinbiegen“, sagte Roy, während er seine Einkäufe auf dem Tresen abstellte. „Riza ist krank, deswegen wollten wir ohnehin heute mal ins Krankenhaus. Du könntest mitkommen und dich in einem strategisch sinnvollen Moment absetzte, um dir unerlaubterweise Zugriff auf die Akten zu verschaffen.“ Bendix zögerte einen Moment, bevor er zu schmunzeln begann. „Das gefällt mir“, sagte er. Roy nickte ihm kurz zu. „Okay, du kommst am besten mal mit und dann kannst du uns in Ruhe erklären, was eigentlich los ist“, sagte er, während er bezahlte. „Deine reizende Ex-Chefin hat uns ihre Familienvilla zur Verfügung gestellt, nachdem sie uns ‚aus Versehen’ völlig grundlos in den Westen gescheucht hat. Wir haben noch Platz für dich.“ Bendix lachte. „Danke für das Angebot, aber für mich hat sie eine Luxussuite im besten Hotel der Stadt besorgt, als ich ihr erklärt habe, dass ich vermutlich länger in der Stadt bleiben muss, weil ich einiges zu erledigen habe“, sagte er amüsiert. „Sie hat gesagt, dass sie erst darüber nachgedacht hat, mich auch in der Villa einzuquartieren, aber dann ist ihr wohl der Gedanke gekommen, dass ich euch bei der Beantwortung der N-Frage stören könnte.“ Roy verdrehte die Augen. „Wenn du unser letztes Interview gelesen hättest, dann wüsstest du, dass wir zurzeit noch keine Kinder planen“, sagte er trocken. „Riza behauptet, dass ihr Großvater nicht mehr lange Generalfeldmarschall bleiben würde, weil es ihn davon abhält, seinen Lebensabend mit der Frau zu verbringen, die er sein ganzes Leben lang geliebt hat.“ „Früher hätte ich jetzt sagen können, was Madame Lewellyn darüber denkt, aber seitdem sie mich im staubigen Hauptquartier abgeladen haben, damit ich keinen Unsinn machen kann, habe ich leider keine Insiderinformationen mehr über ihre Meinung. Das ist es, was ich wirklich vermisse – abgesehen davon, dass ich achtzig Prozent meiner besten Leute an den Osten verloren habe – und die übrigen zwanzig Prozent an den Norden. Es gab mal eine schöne Zeit, in der ich immer sofort wusste, wen ich anrufen muss, wenn es Stress gibt. Jetzt muss ich schauen, wie ich ohne Jade, Phil, Lynn, Martin und Serena zurechtkomme.“ „Tja, da siehst du mal, was ich durchmachen musste, als Bradley systematisch all meine Leute aus meiner Reichweite entfernt hat“, sagte Roy amüsiert. „Das ist wirklich übel.“ „Du konntest wenigstens darauf hoffen, dass sie irgendwann zurückkommen, wenn du nur brav genug bist“, sagte Bendix, während sie zurück zum Haus gingen. „Ich weiß, dass ich nie wieder ein so gutes Team haben werde, weil sie alle woanders bessere Karrierechancen haben. Okay, dein Cousin würde wahrscheinlich nicht mal für die Beförderung zum General unter mein Kommando zurückkehren, aber alle anderen … ich wünschte, ich hätte sie zurück. Es war eine wirklich schöne Zeit.“ Roy schmunzelte. „Weshalb bist du eigentlich eingetreten?“, fragte er interessiert. „Aus den üblichen Gründen“, sagte Bendix. „Jugendlicher Idealismus, könnte man sagen. Ich wollte etwas verändern, ich wollte revolutionieren. Meine Adoptivmutter hatte kein Problem mit dieser Entscheidung und – jetzt, wo du es sagst, erinnere ich mich daran, dass sie gesagt hat, dass es wohl in meinem Blut wäre. Vielleicht meinte sie damit, dass mein Vater auch ein Soldat war…“ Roy legte die Stirn in Falten, bevor er direkt vor der Haustür stehenblieb. „Ist dir eigentlich mal aufgefallen, dass deine Haarfarbe exakt die ist, die deine reizende Ex-Chefin, die uns allen unsere Urlaube verschafft hat?“, fragte er, bevor er eine von Bendix’ Haarsträhnen ins Sonnenlicht hielt. „Und ich habe so einen Farbton vorher auch nur bei ihr und … Riza gesehen…“ Er ließ die Strähne gerade in dem Moment los, in dem sich die Tür öffnete, und seine Ehefrau im Türrahmen erschien. Sie hatte die Stirn gerunzelt, aber ihre Lippen wurden von einem leicht hinterhältigen Lächeln umspielt, als sie hoheitsvoll in Bendix’ Richtung nickte, während ihr Blick permanent auf ihren Ehemann gerichtet war. „Ich habe mich schon gefragt, weshalb es so lange gedauert hat“, sagte sie ruhig, „aber du hast offensichtlich einen Freund mitgebracht, der für mich einspringen kann, nachdem du mich fast vergiftet hast.“ Sie sah Bendix an. „Danke, dass du mit ihm gekommen bist. Das erste, was ich heute Morgen zu hören bekam war: Bist du schwanger?“ Bendix lachte leise, während er den Kopf schüttelte. „Ich schätze, dass du gestern Austern hattest, Riza“, sagte er dann. „Ich kenne viele, die darauf allergisch reagieren. Madame Lewellyn und der Generalfeldmarschall sind ebenso unter ihnen wie meine Wenigkeit.“ „Und?“ Riza schmunzelte, während sie ihn zusammen mit Roy ins Wohnzimmer führte. „Hilft Ingwerwasser auch in diesem Fall oder muss ich Medikamente nehmen?“ „Ich persönlich schwöre auf Kamillentee, wenn ich versehentlich doch mal eine Auster erwische“, sagte Bendix. „Am besten kümmere ich mich darum, während Roy dir erklärt, weshalb er mich überhaupt mitgebracht hat. Bis später.“ Roy schmollte, sobald die Tür hinter dem blonden Mann zugefallen war. „Du magst ihn mehr als mich“, sagte er jammernd. „Seit wann duzt ihr euch eigentlich?“ Riza zuckte mit den Schultern. „Jade hat uns vor ein paar Monaten miteinander bekannt gemacht“, sagte sie dann sachlich. „Er ist wirklich freundlich, auch wenn er mich ein bisschen an Charlotte und Großvater erinnert, was wirklich unheimlich ist.“ „Thema Charlotte…“ Roy starrte aus dem Fenster. „Wusstest du, dass sie mehr als nur ein Kind hatte? Und das andere Kind, ein Junge, muss wohl sehr jung gestorben sein. Ich frage mich, wie sie jemals darüber hinweggekommen ist, auch wenn sie dreißig Jahre hatte.“ Riza senkte den Kopf. „Sie hat es einmal erwähnt“, sagte sie langsam. „Genaues weiß ich nicht, aber es muss dreißig Jahre her sein und als es passiert ist, war sie nicht da.“ „Wieso war sie nicht da, wenn das Kind noch so jung war?“ „Weil sie vorhatte, die Existenz des Kindes vor der ganzen Welt geheim zu halten“, sagte sie mit einem Hauch von Mitleid. „Vor dreißig Jahren war sie schließlich schon verwitwet. Es wäre ihr sozialer Ruin gewesen, wenn es jemals herausgekommen wäre.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Soweit ich weiß, sind außer mir nur Charlotte selbst und ihr Onkel eingeweiht gewesen. Sie hat es nicht einmal meinem Großvater erzählt – weiß der Teufel, warum.“ Roy legte den Kopf schief. „Nähern wir uns dem Problem doch mal von einer anderen Seite“, sagte er. „Wer kommt alles als Vater des Kindes in Frage?“ „Eigentlich nur der alte Catalina und mein Großvater, der mir aber gesagt hat, dass er meine Großmutter nie betrogen hätte“, sagte Riza, während sich ihr Kiefer anspannte. „Ich will gar nicht wirklich darüber nachdenken. Vor dreißig Jahren, das war die Zeit der Westlichen Krise. Großvater sagt, dass es die schlimmste Zeit seines Lebens gewesen wäre.“ Die Westliche Krise war nicht grundlos tief in das Bewusstsein der Beteiligten gegraben, zumal sowohl Charlotte als auch Leroy während dieser Zeit fast gestorben wären. Kein Wunder, dass keiner von ihnen gerne darüber sprach. Leroy hatte eine Kugel abbekommen, die ihn am Kopf gestreift hatte, und danach hatte er ernsthafte Schwierigkeiten gehabt, sich an irgendetwas zu erinnern. Hosted by Animexx e.V. 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