Digital Empire von Nellie (Die Machenschaften von Nellie und Nancy) ================================================================================ Kapitel 1: Türen in eine andere Welt ------------------------------------ Die zarte Melodie der Türklingel hallte durch die Villa der Familie Coleman. Träge hob Jason seinen Blick und überlegte, ob er aufstehen sollte, schließlich wusste er sehr wohl, wer sie besuchen kam. Der sonst so aktive und sportliche Jugendliche entschied sich aber dagegen und richtete seinen Blick wieder auf den Plasmabildschirm, der nur wenige Schritte vor ihm stand. Die Bediensteten würden den Besuch schon rein lassen, dessen war er sich sicher. So, wie er es erwartet hat, betrat eine blonde, junge Frau nur wenige Minuten später sein Zimmer. Ein liebevolles Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als sie mit langsamen Schritten zu ihm ging. "Seit wann liegst du nur faul auf dem Sofa?", lachte sie und setzte sich zu seinen Füßen, ihr Mitbringsel - ein Chihuahua namens Mindy - ließ sie dabei auf den Boden, wo der Hund sich erstmal schüttelte und schließlich in eine Ecke verzog. "Musst du den Köter immer mitbringen, Scar?", brummte Jason mit einem abschätzigen Blick zu Mindy, gab seiner Freundin aber dennoch einen Begrüßungskuss. Scarlett zog ein wenig schmollend die Unterlippe vor und murmelte: "Sei doch nicht immer so fies zu Mindy. Ich sage doch auch nichts gegen deine Schlangen." Dabei warf sie einen missbilligenden Blick zum Terrarium, was nur wenige Schritte von ihnen entfernt stand. Eine widerliche Gänsehaut durchfuhr ihren Körper, als sie an die kleinen Augen und den Schuppen der Reptilien dachte. "Meine Schlagen pinkeln dir aber auch nicht ans Bein", erinnerte er sie an einen Vorfall, der erst ein paar Monate zurücklag. "Da war sie noch ein Welpe! Jetzt ist sie stubenrein und macht soetwas nicht mehr", verteidigte Scar ihr Baby und als wüsste Mindy, worüber sie redete, sprang sie auf den Schoss ihrer Besitzerin und schaute Jason aus treuen Hundeaugen an. Dieser ließ sich allerdings nicht erweichen und wandte mit einem abfälligen Ton wieder den Kopf zum Fernseher, in dem gerade eine amerikanische Sitcom lief. "Schatz, lass uns doch etwas unternehmen, was meinst du?", sagte Scarlett auf einmal, nach kurzem Schweigen, und legte ihrem Freund ihre linke Hand auf den Arm, während sie mit der anderen ihre Hündin kraulte. Jason nickte, wobei er es sonst war, der sie immer zu irgendwelchen Aktivitäten überredete, sei es Sport oder ähnliche Dinge. "Und was möchtest du tun?" "Wir waren doch schon lange nicht mehr in diesem niedlichen Café, weißt du noch? Du mochtest doch deren Kuchen ganz gerne." "Mit dem Kuchen hast du mich überredet", grinste er und beide standen auf, dabei fügte er aber noch hinzu: "Aber den Köter bringen wir zu dir nach Hause." "Nenn sie nicht immer Köter, sie hat einen Namen!", schimpfte Scar wieder. "Ja, Köter ist mein spezieller Name für sie. Sie kann sich also geehrt fühlen." Da Scar beleidigt dreinschaute, nahm er sie versöhnlich in den Arm und gab ihr einen sanften Kuss auf den blonden Schopf. "Du musstest dir auch den schlimmsten Kläffer zulegen. Und nun komm." Scarlett sagte dazu nichts mehr, viel zu oft haben sie diese Diskussion bereits geführt und es brachte doch nichts. Als sie die Treppe zur Haustür hinunterstiegen, bog Jason noch ins Wohnzimmer ein, um einer Angestellten zu sagen, dass sie fortgehen würden. Währenddessen hat Scarlett Mindy ihre Leine festgemacht und sie draußen auf den Boden gelassen und kaum war das geschehen, da begann die kleine Chihuahuadame auch schon ganz aufgeregt herumzuschnüffeln. Scar beobachtete sie verwundert. Für gewöhnlich benahm ihr Hund sich nur so, wenn sie etwas ganz Interessantes entdeckt hat, aber dem blonden Mädchen fiel nichts ein, was in Jasons Garten so Besonders sein sollte. Doch während sie Jason mit einem liebevollen Lächeln begrüßte, der gerade durch die Doppeltür kam und sich seine teure Armbanduhr umtat, achtete sie nicht auf die Leine - war Mindy doch sonst immer ein braves Tier -, da riss sich die Hündin plötzlich los und raste davon. Scarlett schrie erschrocken auf und rief sofort nach Mindy, doch es nützte nichts, das Tier war schon um die Hausecke gerannt. "Jason", jammerte sie und sah ihn flehend an. Dieser seufzte entnervt. "Es gibt wirklich nur Ärger mit deinem so tollen Hund!" Doch trotz der Proteste joggte er los, um nach dem so verhassten Tier zu suchen. Auch Scarlett begann zu suchen, ging aber in die andere Richtung, um Mindy den Weg abzuschneiden. Doch kaum war sie an die Hinterseites des Hauses gelangt, da hörte sie auch schon, wie Jason nach ihrem Namen rief. Nun beschleunigte auch sie ihre Schritte, um zu sehen, was geschehen war. Hätte er Mindy gefunden, wäre er sicher einfach zurückgegangen und hätte sie nicht gerufen. Als sie noch einmal um die Ecke ging, sah sie endlich den Grund des Rufes und blieb keuchend stehen. Vor ihr und zwischen ihr und Jason, der nur fünf Meter von ihr entfernt stand, stand einfach eine Tür und schwebte scheinbar in der Luft. Mindy schnüffelte dabei ganz neugierig am Fuß des Holzgebildes. "Was ist das?", fragte Scar atemlos und versuchte zu ihrem Freund zu gelangen. Für einen Moment hatte sie die Befürchtung, dass eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen stand. Doch widererwarten konnte sie problemlos an dem hölzernen Tor vorbei und klammerte sich an Jasons Arm fest, rief dabei fast schon panisch nach ihrem Hund. "Das kann doch nicht sein", murmelte Jason, der das Mysterium nur kritisch beäugte. Mit langsamen Schritten ging er immer näher und legte schließlich eine Hand auf den goldenen Türknauf. "Tu das nicht, Jason!", rief Scarlett, da sie die schlimme Befürchtung hatte, dass das nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Doch Jasons Neugier war größer und so stieß er die Holztür schwungvoll auf. Vor ihnen erstreckte sich, wie in einem Gemälde eine grüne Landschaft mit Bäumen und Wiese. Er fasste seine Freundin fest an die Hand und ging mit ihr, die allmählich ihre Furcht verlor, durch die Tür. Scar dachte noch kurz an ihre Hündin, entschied sich aber, dass sie es in dem großen Garten gar nicht mal so schlecht hätte und die Bediensteten kannten sie bereits und würden sich sicherlich gut um sie kümmern. Als das Paar schließlich auf der Waldlichtung stand, schauten sie sich neugierig um. Soetwas hatten beide noch nie gesehen, waren sie doch immer in großen Villen aufgewachsen und das einzige Naturgebiet war der Park, der extra zur Verschönerung angebaut wurde. Plötzlich entdeckte Scar etwas und machte Jason mit einem festen Händedruck darauf aufmerksam. Ihnen kamen zwei merkwürdige Wesen entgegen. Das eine sah aus wie eine blaue Kaulquappe mit Beinen und das andere wie ein absurdverkleideter Junge, mit einer Dinosauriermütze und ebensolchen Schuhen. "Hallo", sagte die blaue Kaulquappe plötzlich, "wir haben auf euch gewartet. Schön, dass ihr endlich da seid." "Evan?", hallte es durch die kleine Wohnung und ein braunhaariger Lockenkopf stand eilig von seinem Schreibtisch, an dem er vorgab Hausaufgaben zu machen, auf und eilte zum Wohnzimmer. Dort wartete seine Mutter bereits auf ihn und hielt ihm einen Zettel mit ein wenig Geld vor der Nase. "Wärst du so lieb einkaufen zu gehen?", fragte sie bittend, "Ich weiß, du musst lernen, aber die Krämpfe von deinem Bruder wurden schlimmer und ich kann nicht weg." Evan lächelte und winkte ab. "Wirklich kein Problem, Mum, ich erledige das schon." Er schnappte sich ein paar Einkaufstaschen und verließ die Wohnung. Er und seine Familie lebten in einem Hochhaus, das beinahe vollkommen bewohnt war. Doch das war nicht unbedingt sehr angenehm, denn immer hörte man irgendwelche Geräusche, ob Fernseher, heruntergefallene Gegenstände, die Spülung der Toilette sowieso und manchmal auch einen Streit. Auch jetzt gerade, während er an seinen zwei Nachbarn vorbeiging, um zum Aufzug zu gelangen, hörte er wie einer rumschrie. Er hasste diese Umstände einfach. Die Wohnung war zu klein für sie alle und vor allem jetzt, wo sein kleiner Bruder geboren wurde, wurde es nur noch enger und ungemütlicher. Und da er nun auch noch Koliken hatte, war er beinahe nur noch am Schreien und Evan hat seit Tagen nicht mehr richtig schlafen können. Er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, schließlich hatte seine Mutter genug Arbeit, doch er wurde zunehmend gereizter und das mochte er nicht. Für gewöhnlich war er ein gut gelaunter, spassiger Typ, doch die Ablehnung gegen seine schlechte Stimmung, machte es nur schlimmer. Er liebte seine Eltern und seinen kleinen Bruder, doch langsam wurde ihm alles zu viel und er wünschte sich mehr Freiraum. Dazu kam die Schule, in der er zwar nicht der schlechteste Schüler war, doch seine Mitschüler zogen ihn ständig damit auf, dass seine Familie nicht die vermögenste war und sie jeden Cent umdrehen mussten. Leider waren Koliken nichts Ansteckendes, sonst hätte er einen Grund gefunden für eine Weile nicht zur Schule gehen zu müssen, aber das blieb nun wohl aus. Gedankenverloren ließ er den ganzen Weg bis zum Supermarkt hinter sich und packte schließlich alles, was auf der mitgegebenen Liste stand, in einen Korb. Der Einkauf an sich ging schnell von statten und so machte er sich auch schon auf den Weg zur Kasse. Dabei bemerkte er aber ein Videospiel, was er schon lange hat unbedingt haben wollen. Es war auch noch heruntergesetzt und Evan schöpfte wage Hoffnungen. Doch als er das Geld in seiner Tasche nachzählte, wurde sein Blick traurig und er schloss für einen Moment die Augen, um die aufkommende Enttäuschung zu verdrängen. Das Geld reichte gerade mal um die Lebensmittel zu bezahlen, seine Mutter kannte die Preise mittlerweile und hat alles perfekt berechnet. Resigniert ging er dann endlich zur Kasse. Er hatte Glück, dass kaum einer in der Schlange stand und er auch schon recht früh drankam. Weniger Glück war es jedoch, als er eine ihm nur all zu bekannte Stimme hinter sich hörte. "Hey, Carter, hast du wieder Geld zusammenschnorren können, um was zu essen zu kaufen?" Ein höhnisches Lachen erklang, doch Evan verdrehte darauf nur die Augen und ignorierte seinen Mitschüler geflissentlich, der munter weiterstichelte. Evan war froh, als er endlich bezahlen und nach draußen gehen konnte. Gedanklich über seinen Mitschüler spottend ging er weiter in Richtung seinem zu Hause und ignorierte alles andere um ihn herum. Beinahe wäre er sogar mit einem anderen Menschen zusammengestoßen, wäre der andere nicht noch rechtzeitig ausgewichen. Erst als er beinahe wieder an seinem Hochhaus war, hob er, als wenn er gerufen worden wäre, den Kopf und schaute in eine Sackgasse. Was er dort erblickte, ließ ihn staunen. Seit wann gab es in der Sackgasse eine Tür, die einfach so rumstand? Schnell schaute er sich um, um sicher zu gehen, dass er nicht beobachtet wurde, und ging in die Sackgasse hinein. Er stand schon vor der Tür und hob den Arm an, um diese zu öffnen, bis ihm die Tasche in seiner Linken auffiel, die er schleunigst nach Hause bringen musste. Entschlossen formte er die ausgestreckte Hand zur Faust und machte auf dem Absatz kehrt. Schnell rannte er zu seiner Wohnung, da ihn die Neugier einfach nicht mehr los ließ, und stellte die Einkäufe auf dem Küchentisch ab. Als er sich wieder zur Tür aufmachte, rief er noch schnell: "Mum, ich bin kurz spazieren!" Nach nur wenigen Minuten war er wieder in der Sackgasse angelangt und wie erwartet, war die Tür noch immer da. Es kribbelte ihn in den Fingern diese endlich zu öffnen und zu sehen, was sich dahinter verbarg. Und das tat er auch zügig, sodass er sich nach nicht mal einer weiteren Minute in einem dichten Wald befand. Um ihn herum waren nur dicke Bäume, deren Kronen sogar den Himmel beinahe verdeckten. Man erkannte nur durch kleine Lücken, dass der Himmel in einem hellen Blau leuchtete. Ein glückliches Lächeln stahl sich auf Evans Züge. Niemals hätte er damit gerechnet, in einen Wald zu gelagen, wenn er durch eine schwebende Tür trat. Eher ein Geisterschloss oder soetwas, aber ein Wald? Während er weiter rumstaunte, schreckte ihn eine Stimme auf. "Hey, du! Du hast ganz schön auf dich warten lassen." Evan drehte sich um und sah ein blaues, drachenähnliches Wesen, das freundlich grinste und ihm zuwank. Ein gelbes V prangte auf seiner Stirn und ebensolche Zeichen waren unter seinen Augen. Plötzlich begann Evan zu lachen. "Du bist ja ein komisches Vieh!" Die Schulglocke entließ eine Masse an Schülern in ihre vorläufige Freiheit. Und auch eine Gruppe aus sechs Mädchen begann sich am Schultor mit Luftküsschen zu verabschieden. "Bis später, Bay, ich ruf dich dann an", sagte eine von ihnen zu einem rothaarigen Mädchen, das ihren Freundinnen hinterher wank, während sie selber lächelnd zurückging. Als sie sich umgedrehte und bereits über eine Kreuzung gegangen ist, atmete sie erleichtert aus und murmelte zu sich: "Und noch einen Tag überstanden..." Nicht etwa die Schule machte ihr zu schaffen, nein, viel mehr ihre Freundinnen, die alle immer einen Haufen Taschengeld bekamen und ihre Eltern auch nicht auf etwas verzichten mussten. Bei Baylee allerdings war es genau das Gegenteil. Seit dem Tod ihrer Mutter, der nun schon sieben Jahre zurücklag, hat sie nur noch ihren Vater, der aber hart dafür arbeitete, um ihr alles zu ermöglich. Damit sie regelmäßig mit ihren Freundinnen shoppen gehen konnte und auch immer die beste Kleidung bekam. Friseurbesuche durften auch nicht zu knapp sein, vom Schmuck mal ganz abgesehen. Zuerst war er vollkommen dagegen gewesen, aber nachdem Baylee ihren Tochtercharme mehrere Male hat spielen lassen, wurde er doch erweicht und hat sich einen zweiten Job gesucht. Sie hatte Schuldgefühle deswegen, je älter sie wurde, wurde die Schuld auch stärker. Aber sie wagte es sich einfach nicht ihrer Clique die Wahrheit zu sagen, schließlich wusste sie, wie sie auf Mädchen und Jungen herabsahen, die arm waren und sich nichts leisten konnten. Natürlich hat sie sich auch oft gefragt, ob sie tatsächlich ihre Freundinnen wären, wenn sie sie verspotten würden, sollten sie die Wahrheit erfahren. Und auch ihr Vater hat ihr gesagt, sie solle sich lieber Freunde suchen, die nicht so oberflächlich waren. Aber Bay kannte diese Mädchen nun schon seitdem sie auf diese Schule kamen, also nun schon seit sechs Jahren und sie wollte sich nicht plötzlich jemand anderen suchen müssen, den sie Freundin nennen konnte. Ohnehin hatte sie nun schon auf ihrer Schule den Ruf der Zicke und wer würde sich schon mit ihr einlassen? Nach einer zehnminütigen Busfahrt war sie an ihrer Wohnung angekommen und rief, während sie sich ihrer Stiefeletten entledigte: "Bin zu Hause, Dad!" Doch keine Antwort kam und verwundert suchte Baylee ihren Vater in der kleinen zwei-Zimmer Wohnung. "Daddy?" Auf dem Wohnzimmertisch erkannte sie dann endlich einen kleinen Notizzettel, auf dem stand, dass ihr Vater plötzlich zur Arbeit gerufen wurde und er erst spät Abends Heim kommen würde. Traurig zerknüllte sie den Zettel und warf ihn im Vorbeigehen in den Mülleimer. Zu ihrem Mittagessen kochte sie sich einfach ein paar Nudeln ab und aß sie apettitlos, während sie auf dem Sofa saß und sich die Nachrichten ansah. Doch irgendwann verging ihr die Lust daran und sie verließ die Wohnung wieder. Die Einsamkeit in der mickrigen Wohnung wurde ihr mit der Zeit einfach zu viel. Hinter ihrem Haus stand ein verlassener Spielplatz, zu dem sie ging. Sie lebte in einer sehr unschönen und teilweise auch gefährlichen Gegend, weswegen irgendwann keine Kinder mehr auf diesen Spielplatz gehen durften, ohnehin waren viele Spielgeräte bereits beschädigt. Die Röhre der Rutsche war schon vollkommen abgeschafft worden und auch die Wippe bewegte sich nur noch unter ohrenbetäubendem Quietschen, den sich keiner freiwillig antat. Zögernd setzte sie sich auf eine der beiden Schaukeln und wippte leicht hin und her. Wie von selbst wanderten ihre blauen Augen zu dem Fenster, in dem sie ihr Zimmer wusste. Die graue Fassade drumherum wirkte so unfreundlich und abschreckend, dass sie unweigerlich böse drein blickte und dabei ihre Lider schloss, um den Anblick nicht mehr ertragen zu müssen. Sie hasste dieses Haus und vor allem diese Gegend, doch wusste sie, dass ihr Vater bereits alles tat, was er konnte. Und auch sie hat sich fest vorgenommen nach der Schule einen Job anzunehmen, um ihm alles zurückgeben zu können, was er ihr je geschenkt hat. Als Baylee ihre Augen wieder öffnete, stieß sie einen erschrockenen Schrei aus und wäre beinahe nach hinten gekippt, hätte sie sich nicht noch rechtzeitig an den Eisenketten der Schaukel festgehalten. Vor ihr im Sandkasten stand ganz plötzlich eine Holztür, die vor wenigen Minuten noch nicht da gewesen ist. "Was geht denn jetzt ab?", stotterte sie eine Oktave zu hoch. Sobald sie ihr Gleichgewicht wieder gefunden hat, stand sie ruckartig auf und ging mit großen Abstand an dem Sandkasten vorbei, die Tür immer fest im Blick, falls etwas darausspringen sollte. Gerade als sie schon fast am Ausgang des Spielplatzes angekommen war, zögerte sie doch noch und blieb stehen. In ihrem Kopf sagte eine Stimme, dass sie sofort nach Hause sollte, schließlich würde sie auch gleich angerufen werden und das durfte sie nicht verpassen. Aber da war auch etwas, was sie zu der Tür zog. Was wollte, dass sie die öffnete und hindurchging und dieser Drang gewann schließlich die Diskussion und Bay bewegte sich wieder auf den verdreckten Sandkasten zu. Wie hypnotisiert legte sie ihre Hand auf den Knauf und trat schließlich über die Schwelle. Als sie wieder zu ihrem vollen Bewusstsein kam, blickte sie sich überrascht um. Sie befand sich auf einer Wiese in einem Wald, überall um sie herum waren die buntesten Blumen und nur zwei Schritte von ihr entfernt, stand etwas, das aussah wie ein rosa Hase mit einem Schal und Kopfhörern. Es hob die Pfote zum Gruß und sagte freundlich: "Guten Tag! Ich bin..." Bevor es jedoch weiterreden konnte, fiel Baylee auch schon auf die Knie und umarmte es fest. "So süß!", rief sie dabei aus und lachte. Ein entnervtes Seufzten entfloh aus dem Mund eines blonden 19-Jährigen, während er eilig die große Treppe zum Erdgeschoss hinunterstieg. Hinter ihm hörte er schon kleine, trampelnde Schritte und ein langgezogenes: "Ryan!" Er seufzte erneut und beschleunigte seinen Schritt, um durch das riesige Wohnzimmer und die Glastür zu gehen und auf der Terasse zu landen. Kurz blickte er sich nach einem geeigneten Versteck um und bekam einen Geistesblitz. Hinter dem Pool stand eine Hecke, hinter der er sich sehr gut verstecken konnte. Gedacht, getan, Ryan joggte zu besagter Hecke und kletterte hinüber, um sich direkt dahinter sinken zu lassen. Erleichtert atmete er auf und hoffte zumindest für eine kurze Weile Ruhe zu bekommen. "Ryan, wo bist du?!", erklang erneut die helle Stimme seiner kleinen Schwester, die allmählich ziemlich gereizt klang, doch das störte ihn nicht weiter. Sie wurde ohnehin immer zickig, wenn sie nicht bekam, was sie wollte und genau das geschah gerade. Aus irgendeinem Grund hat sie einen Bruderkomplex oder soetwas entwickelt und hing an ihm dran, solange sie Zeit hatte, egal ob er das wollte oder nicht. Doch auch seine Eltern taten nichts dagegen, schließlich war Mary ihr kleines Prinzesschen und wenn es hieß, dass sie ihren einzigen Sohn an sie verfüttern sollten, würden sie es machen. Während die klackenden Schritte ihrer kleinen, rosa Schuhe sich entfernten, erinnerte er sich daran, wie es bis zu ihrer Geburt war. Bis dahin war er nämlich der Mittelpunkt der Familie und er hat die kleine Göre vom ersten Tag an nicht gemocht, da sie ab dahin alle Aufmerksamkeit für sich beanspruchte. Er war nun nichts mehr, als das Spielzeug seiner Schwester. Gerne wäre er ausgezogen, vielleicht hätten seine Eltern ihm ein kleines Haus gekauft, aber etwas hielt ihn einfach in seinem Elternhaus und er wusste nicht einmal genau, was es war. Gerade als er sich entspannt zurücklehnen wollte, hörte er auch schon ein: "Da bist du ja!", da Mary um die Ecke des kleinen Labyrinths bog und ihn entdeckte. "Verdammt", fluchte er, rappelte sich schleunigste auf und kletterte erneut über die Hecke. Darin lag sein Vorteil, er war groß genug um die Abkürzung zu nehmen, während das kleine Mädchen durch das Labyrinth laufen musste. Und schon wieder rief die Kleine ihm hinterher, er solle warten, worauf er nicht hörte. Allerdings musste er zugeben, dass sie für diese kleine Größe sehr schnell rennen konnte, weswegen er ihr immer nur knapp entkam. Auch dieses Mal versuchte er ein Versteck zu finden und quetschte sich in den Raum zwischen der Villa und einem Geräteschuppen, der gut und gerne als kleines Einfamilienhaus durchgehen konnte. Als er sich fest an die Wand presste und hoffte unsichtbar zu werden, sah er plötzlich an der Wand ihm gegenüber eine Tür. Er fragte sich zwar, seit wann an dieser sehr unpraktischen Stelle ein Eingang zum Schuppen war, doch als er die immer näher kommenden Rufe seiner Schwester hörte, fackelte er nicht lange, öffnete die Tür und trat hindurch. Zu seiner Verwunderung befand er sich an einem großen See, als er zurückblickte, sah er noch die Holztür und dahinter einen dichten Wald. Als er sich wieder nach vorne drehte, sah er auf einmal eine Mischung aus Frosch und Schildkröte mit einem orangenen Irokesenschnitt. "Hallo, schön dich zu sehen", sagte es freundlich, doch Ryan starrte es nur emotionslos an. Schließlich drehte er sich wieder der Tür zu, öffnete sie und sagte: "Ich verschwinde wieder", doch als er erneut die Stimme seiner Schwester hörte, schlug er die Tür zu und fügte hinzu: "Oder bleibe doch erstmal hier." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)