Schwarz wie Blut von abgemeldet ================================================================================ 1. Kapitel ---------- „Chrona, ist alles in Ordniung?“ Maka machte ein besorgtes Gesicht. „Ähm...“ Chrona wusste nicht, was sie sagen sollte. Einerseits wollte sie nicht, dass Maka sich ihretwegen Gedanken machte, andererseits wollte sie sie auch nicht anlügen. Das wäre aber offensichtlich besser gewesen, denn Chronas Zögern war alles andere als hilfreich und nun wirkte Maka nur noch besorgter. „Ja.“, sagte sie daher schnell, „Ich bin nur müde, ich hab nicht so gut geschlafen.“ Abgesehen von dem „Ja“ war das sogar wahr. „Achso.“ Maka schien beruhigt. „Ich mache mir nur manchmal Sorgen, wenn du so abwesend wirkst.“ Sie lächelte Chrona an. Dieses Lächeln war alles, was es brauchte, um die düsteren Gedanken, die sich eben noch in Chronas Kopf breitgemacht hatten, zu vertreiben. Jedesmal, wenn sie es sah, war es wie damals. „Lass uns Freunde werden!“, hörte sie Maka dann sagen, nachdem sie sich eben noch bekämpft hatten. Dieses Lächeln war ein Wunder, nach wie vor. Maka wandte sich wieder ihrem Buch zu und las weiter. Im Klassenraum war es sehr laut. Die Schüler sprachen über die Ereignisse der letzten Zeit, einige flüsterten und blickten dabei manchmal bewundernd zu Maka. Es war noch nicht lange her, seit der Alltag an der Shibusen (sofern man bei dieser Schule überhaupt von „Alltag“ sprechen konnte) wieder eingekehrt war. Für viele war es noch immer unglaublich, dass eine ganz normale Schülerin den Kishin besiegt hatte. Ein paar Blicke galten auch Chrona, allerdings drückten diese nicht gerade Bewunderung aus. Nicht jeder hatte ihren Verrat an Shibusen so einfach verziehen wie Maka und auch bei Death the Kid hatte sie manchmal den Eindruck er sei ihr gegenüber misstrauisch geworden. Er war nach wie vor freundlich, aber etwas an seiner Art mit ihr zu reden hatte sich verändert (auch wenn sie bis jetzt ohnehin eher selten mit ihm gesprochen hatte). Sie hätte auch von niemandem etwas anderes erwartet, schließlich war es bereits ein Wunder gewesen, als sie so freundlich an der Shibusen angenommen wurde. Dr. Stein betrat den Raum und die Gespräche verstummten allmählich. Anfangs hatte Chrona sich vor diesem schrägen Lehrer mit seiner Vorliebe für Sektionen gefürchtet und inzwischen hatte sie sich zwar an ihn gewöhnt, fühlte sich aber in seiner Gegenwart nach wie vor unwohl. Wahrscheinlich liegt dass an seinem Wahnsinn , dachte Chrona. Er ist immer da, er muss ständig dagegen ankämpfen und ihn in Schach halten. Es ist anders als bei mir, aber es erinnert mich trotzdem an Dinge, die ich am liebsten vergessen würde. Aber mit dem Vergessen war es nie so einfach. „Wir werden bald wieder die Seelenresonanz in der Gruppe trainieren.“, verkündete Dr. Stein nun, „Die von euch, die dieses Training bereits hinter sich haben, denken vielleicht, dass sie das Gleiche einfach nur wiederholen müssen, aber da irrt ihr euch. Ihr kennt bis jetzt bloß die Seelenwellen eurer Gruppe, aber im Notfall könnt ihr euch nicht immer auf eure bekannte Gruppe verlassen und müsst flexibler sein. Daher werden die Gruppen neu zusammengesetzt. Die Seelenwellen jeder Person sind anders und ihr müsst euch so gut es geht darauf vorbereiten.“ „Na toll.“, murmelte Ragnarög, „Jetzt müssen wir auch noch so eine bekloppte Übung mit den Idioten hier machen.“ Chrona antwortete nicht. Ihre Waffe sprach in letzter Zeit immer seltener mit ihr, aber wenn sie es tat, dann war sie nach wie vor nicht gerade freundlich. Chrona hatte keine Lust, sich zu streiten (oder eher etwas zu erwidern und daraufhin angemotzt zu werden), auch wenn das für gewöhnlich noch das kleinere Übel war. Denn wenn sie Ragnarög ignorierte, wurde es meistens nur erst recht wütend und regte sich furchtbar auf. Chrona konnte sich zwar inzwischen durchsetzen, doch diesen Stress vermied sie dennoch lieber. Heute allerdings erschien es ihr nebensächlich (glücklicherweise schien Ragnarög diesmal auf keiner Antwort zu bestehen oder gar keine erwartet zu haben), da sie größere Sorgen hatte. Eine Seelenresonanz in der Gruppe. Nein, das konnte sie nicht. Wenn sie mit Ragnarög eine Seelenresonanz bildete... Sie werden spüren, was ich spüre, und sie werden mich verachten. In dieser Nacht konnt Chrona nicht einschlafen. Vielleicht wollte sie es auch nicht, denn immer, wenn sie schließlich eingeschlafen war, hatte sie Alpträume, von denen sie immer wieder aufwachte, nur um gleich darauf wieder zurück in einen unruhigen, furchterregenden Schlaf zu fallen. Wenn Chrona die Augen schloss, war es dunkel, und im Dunkeln waren so furchtbare Sachen passiert. Eigentlich war es dumm, denn im Hellen war mindestens genauso viel Schlimmes geschehen, aber im Hellen fühlte Chrona sich jetzt (relativ) sicher, da waren Maka und ihre Freunde und alle waren nett zu ihr, netter als sie es verdiente. Sie hatte sich auch im Dunkeln immer sicherer gefühlt, bis zu der Nacht, als Medusa wieder auftauchte. Und plötzlich war alles wieder da: Die Dunkelheit ihres Zimmer, die Einsamkeit, der Horror. Seit dem hatte sie nicht mehr richtig geschlafen, auch wenn sie wusste, dass es nie wieder geschehen würde. Aber sie hatte schon einmal geglaubt, dass Medusa tot war und sie war wiedergekommen. Und sie konnte den Gedanken, dass es wieder so kommen könnte (dass Medusa noch lebte!), nicht einfach unterdrücken. Es war totenstill. Das Traurige war, dass Geräusche wohl genauso schlimm gewesen wären. Geräusche waren beängstigend, die Stille war erdrückend. Chrona ging am nächsten Tag nicht zur Schule. Sie konnte nicht. Sie wollte keinem das Grauen in ihrem Innern zeigen. Ragnarög sprach wieder, es langweilte sich, da Chrona nichts anderes tat, als dazuhocken und an die Wand zu starren. Wieder antwortete sie nicht und schon bald verebbte das Genörgel. Es war bereits dunkel, als Chrona von draußen Schritte hörte. Ihre Angst schien sich zu bewahrheiten – ein Geräusch war doch viel schlimmer als kein Geräusch. Kein Geräusch bedeutete zwar, dass sie alleine war, aber immerhin konnte sie sich dann sicher sein, dass niemand kommen würde, den sie nicht sehen wollte. Es klopfte an der Tür. „Chrona?“ Es war Makas Stimme. Chrona zögerte einen Moment, dann stand sie auf und öffnete die Tür. „Warum warst du heute nicht im Unterricht?“ Maka klang noch besorgter als gestern und wieder wusste Chrona nicht, was sie sagen sollte. Maka war die Person, die es am Ehesten verstehen würde. Ihr nichts zu sagen, wäre auf Dauer keine Option, erst recht nicht, wenn sie sich keine Sorgen machen sollte. Aber noch bevor Chrona schließlich etwas sagen konnte, meinte Maka auf einmal: „Du konntest wieder nicht schlafen, oder?“ Chrona nickte. „Manchmal glaube ich, sie kommt wieder.“ Maka wusste sofort, wer gemeint war. Auf ihrem Gesicht zeichnete sich der gleiche Zorn ab, den Chrona schon einmal gesehen hatte, als Medusa einfach wieder zur Shibusen gekommen war und, was noch schlimmer war, auch einfach wieder laufen gelassen wurde. Das war offensichtlich eines der wenigen Ereignisse, die Makas Vertrauen in die Shibusen erschüttert hatte. „Das wird sie nicht.“, sagte sie bestimmt. Chrona schwieg. Sie wollte Maka glauben und eigentlich wusste sie, dass sie Recht hatte. „Medusa war eine mächtige Hexe.“, fuhr Maka fort, als sie merkte dass Chrona vorerst nichts mehr sagen würde, „Sie konnte sich einen neuen Körper suchen nachdem ihr eigener zerstört war. Aber nun ist ihre Seele vernichtet und das ist ein Unterschied. Sie ist vernichtet.“ „Das weiß ich, aber wenn es dann dunkel ist und niemand ist da...“ sie brach ab. „Ich dachte ich hätte meine Angst besiegt als ich mich ihr gestellt habe. Doch ich werde wohl immer Angst haben.“ „Nein, so etwas dauert nur länger.“, Maka sah sie fest an, als sie das sagte, „Und bis es soweit ist, helfe ich dir.“ Und so kam es, dass sie seit Langem wieder richtig schlafen konnte. Maka legte sich neben sie und nahm sie in den Arm, sodass Chrona sich unmöglich anders als sicher und behütet fühlen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)