Geralt von Riva von Miezel ================================================================================ Kapitel 1: Hamalen ------------------ Hamalen Der Wald war sehr düster. Abgestorbene Baumstämme lagen wild übereinander gefallen auf dem Boden und behinderten ein flottes Vorwärtskommen. Es hatte schon Vorteile ein Pferd zu besitzen, doch manche Wege, die Geralt bis jetzt benutzt hatte, waren nun nicht mehr zweckdienlich wenn er nicht auf seine Beförderungshilfe verzichten wollte. Und das wollte er mit Sicherheit nicht. Geralt war auf dem Weg zum Meer. Hinter ihm lag ein seltsamer Kampf, bei dem er außer einigen Schrammen und blauen Flecken zwar ein Pferd aber kein Geld bekommen hatte. Doch Geld, benötigte er inzwischen dringend. Dabei hatte alles so gut angefangen. Wie üblich, wenn seine Taschen langsam leer wurden, zog er zu einer Stadt von der es hieß sie sei in Nöten. Er stellte sich breitbeinig, auf sein Schwert gestützt, vor dem Stadttor auf und wartete. Es dauerte auch nicht lange, als eine größere Anzahl Frauen mittleren Alters auf ihn zu kam, dicht gefolgt von ihren Männern, die versuchten ihre Frauen auf zu halten. Doch gegen die mütterliche Besorgnis, die in den Gesichtern der Frauen zu lesen war, hatten die Männer keine Chance. „Seid ihr ein Hexer?“, fragte eine stattliche Frau. Sie trug ein dunkelblaues, sehr elegantes Seidenkleid, doch die Haare hingen lose unter der Haube hervor. Die Sorge hatte ihrer Haut ein fahles Aussehen verliehen und dunkle Ringe unter die Augen gemalt. Durch die Frauenmenge drängte sich ein dicklicher kleiner Mann mit einer schweren Goldkette um den Hals. „Still Weib, sprich nicht mit ihm! Wir klären das allein!“, herrschte er sie an. Die Frau, eben noch ganz in Sorge, fuhr herum. Sie stemmte ihre Hände auf ihre üppigen Hüften und fauchte wie eine Wildkatze. „Still soll ich sein? Klären willst dus allein? Sag mir wie! Du schaffst es ja nicht einmal ohne Hilfe das Klo zu finden! Was hast du denn bis jetzt erreicht frag ich dich. Ist auch nur ein Kind zurück gekommen, du alter Geizhals? Du wirst mir nicht mehr den Mund verbieten. Der Hexer ist hier, also kann er uns auch helfen. Und jetzt pack dich!“ Die anderen Frauen schoben und drängten den Bürgermeister aus der Reichweite des Hexers und seiner erbost dreinblickenden Frau. Murrend kehrte er zu den etwas hilflos herumstehenden Männern zurück. Die Frau im dunkelblauen Kleid wand sich wieder an Geralt. „Ihr seid doch ein Hexer?“ „Bin ich.“ „Dann könnt ihr uns helfen, ihr müsst sogar, weil uns sonst keiner helfen kann.“ „Erzählt mir erst einmal, worum es geht.“, entgegnete Geralt ruhig. „Oh ja, verzeiht, wo bleiben nur meine Manieren. Ich bin völlig durcheinander. Kommt doch bitte mit. Bei einem guten Glas Wein lässt sich alles besser bereden.“ Die Frau nahm kurzer Hand Geralts Arm und führte ihn schnurstraks zum Bürgermeisterhaus. Es lag genau in der Mitte der Stadt dem Stadtheiligtum gegenüber. Das Haus war das bei weitem prächtigste in der ganzen Stadt. Die übrigen Frauen liefen Geralt und der Frau im blauen Kleid wie bei einer heiligen Prozession nach. Vor der Tür jedoch drehte sich die Hausherrin kurz um und wies die anderen Frauen an vor der Tür zu warten. Noch während sie sprach wurde die Türe von einem alten Männlein geöffnet. Er hatte große Mühe die riesig wirkende Tür zu bewegen. „Georg, hol eine Karaffe Wein, aber die vom Hausherren und nicht den für die Gäste.“, befahl die Frau im Vorbeigehen dem Männlein. „Sehr wohl, aber was wird der Herr dazu sagen? “, murmelte Georg, doch die Frau hatte es dennoch gehört. „Wenn er klug ist und weiß was gut für ihn ist, dann sagt er besser nichts!“, fauchte sie über die Schulter. Geralt wurde es ein wenig unbehaglich zu Mute. Er hatte es noch nie erlebt, dass eine verheiratete Frau derart energisch gegen ihren Mann aufbegehrte und das in aller Öffentlichkeit. „Kommt mein Lieber.“, ermunterte die Frau Geralt. Sie stiegen eine prächtige Treppe hinauf. Die Frau wandelte sich in eine liebenswürdige Gastgeberin und plauderte munter irgendwelche Belanglosigkeiten. Oben angekommen führte sie Geralt in einen luxuriösen eingerichteten Raum. Zwei hohe dunkelrot bezogene Sessel standen am Kamin, dazwischen ein kleiner Tisch, auf dem schon eine Karaffe mit funkelndem roten Wein und zwei kristallene Gläser auf die Besucher warteten. „Setzt euch, werter Herr!“, lud die Frau Geralt ein. Sie entzündete einige Kerzen, denn der Raum war wegen der schweren Vorhänge schummrig. Sie füllte die Gläser mit dem Wein und setzte sich. „Oh, schon wieder hab ich meine Manieren vergessen. Aber an allem ist mein geiziger Ehemann Schuld. Doch der Reihe nach. Ich will mich erst einmal vorstellen. Ich bin Brigitte und wie ihr sicher schon erraten habt, bin ich mit dem Bürgermeister dieser schönen Stadt verheiratet. Ach hätte ich nur auf meine Mutter gehört, aber nein und jetzt habe ich diesen fetten Geizkragen an der Backe. Doch das tut nichts zur Sache, oder doch schon irgendwie.“ „Liebe Frau Brigitte, wie soll ich euch denn nun helfen? Bei eurem Ärger mit eurem lieben Mann bin ich allerdings Machtlos, denn ich bin kein Mörder. Ich töte Biester. Menschen vernichte ich nur, wenn sie mein Leben bedrohen.“ „Mein Ehemann? Wieso töten, nein, den sollt ihr nicht töten, mit dem rechne ich selber ab. Soll er nur nach Hause kommen, dieser Knauser. Nein, ihr sollt uns unsere Kinder wieder zurück bringen.“ „Eure Kinder? Was ist geschehen?“ „Also, wir hatten hier ein Fest im Hause, wegen der Wähler, wenn du verstehst, die muss man bei Laune halten, wenn man wieder gewählt werden will. Wir hatten einen Barden hier, der ganz wundervolle Lieder zur Laute gesungen hat. Natürlich himmelten ihn alle jungen Mädchen an und er neckte zurück, alles ganz harmlos, selbstverständlich.“ „Selbstverständlich.“, Geralt unterdrückte ein Grinsen. Barden und harmlos, er dachte sich seinen Teil. Brigitte fuhr fort. „Doch mein Mann nahm diese Neckereien zum Anlass, als der Abend endete und der Barde sein Geld verlangte, ihm den versprochenen Lohn zu verwehren. Mein Mann sagte der Barde habe die Jugend verführt und das er nun kein Geld bekäme sei seine eigene Schuld und er solle froh sein, so glimpflich davon zu gekommen, denn wenn er noch weiter rumoren würde, werde er ihn in den Turm stecken lassen, wegen Unzucht um ihn dann vielleicht noch zu teeren und zu federn. Der Barde, wie hieß er nur gleich, irgendwas mit einer Blume, Hagedorn oder Liliensporn oder so ähnlich, dieser Barde jedenfalls gab sich geschlagen und ging. Draußen auf dem Marktplatz aber rief er laut, das ein jeder es hören konnte: Ich komme wieder und dann hol ich mir meinen Lohn. Und dann verschwand er wie ein Geist. Ein paar Tage später gingen unsere Jungfrauen zum Tausammeln an den Brunnen hinter den Wald und keine kam wieder. Einige Leute behaupten, sie haben die Laute und den Gesang des Barden in der Ferne vernommen, als die Mädchen verschwanden. Wir haben überall gesucht. Im Wald, hinter dem Wald, im See und im Sumpf. Nichts. Dann haben wir den heiligen Mann besucht, doch der konnte auch nicht helfen, weil es bei keiner heiligen Handlung geschehen war. Dann haben wir Anschläge an die Bäume im Wald gehängt, mit einer Belohnung für den, der uns sagen kann, wo unsere Mädchen sind. Das brachte auch nichts. Dann haben sich unsere Männer bewaffnet und sind noch einmal durch den Wald gezogen, mit dem gleichen Ergebnis wie beim ersten Mal. Die Jungfern sind und bleiben verschwunden. Kannst du uns unsere Töchter wieder geben und wenn du es kannst, würdest dus auch tun?“ Geralt dachte einen Moment lang nach. Er nahm sein Glas und drehte es gemächlich in der Hand. Der Wein funkelte in Schein der Kerzen wie ein Rubin. Geralt roch die phantastischen Aromen, die dem Wein entströmten. `Wie gekelterter Sommer`, dachte der Hexer: `Wenn er nur halb so gut schmeckt, wie er riecht ist es das reinste Geschmackserlebnis.` Vorsichtig, als wäre das edle Getränk heiß, nahm er einen kleinen Schluck. Der Geschmack stand dem Geruch wahrlich in nichts nach. Genießerisch schloss Geralt die Augen. Er nahm noch einen tiefen Zug. „Hähäm.“, räusperte sich Brigitte. „Nun Herr Hexer, was meint ihr?“ „Geralt, Geralt von Riva ist mein Name. Und ich will sehen, was sich machen lässt.“, antwortete Geralt mit noch immer geschlossenen Augen. „Schön, schön, dann trinkt aus und macht euch ans Werk.“ Brigitte stand auf und lief rasch zu einem der Raumhohen Fenster und öffnete es weit. „Der Hexer, Geralt von Riva, hat versprochen uns unsere Töchter zurück zu bringen. Gleich wird er los ziehen und Morgen, wenn sich die Sonne wieder auf den Weg nach Westen macht will er uns die Mädchen wohlbehalten zuführen.“, rief sie den wartenden Frauen zu. Jubel brach bei den Frauen los, doch die Männer knurrten dumpf und so manche geballte Faust war auch zu sehen. Geralt, der gerade noch einen großen Schluck des köstlichen Weines im Mund hatte, gelang es nur mit Mühe diesen auch die Kehle hinab zu zwingen. „Gute Frau Brigitte, so etwas habe ich nie versprochen!“, empörte er sich. „Nun dann seht zu euer nicht gegebenes Versprechen ein zu haltet, welches eben alle gehört haben. Ansonsten braucht ihr euch hier und auch im weiten Umkreis von Hamalen nicht mehr sehen zu lassen.“, erwiderte Brigitte mit einem kalten Lächeln. „Frau Brigitte, ihr seid eures Mannes durchaus würdig.“ Kapitel 2: Der Nök ------------------ Geralt hatte sich nach der wenig herzlichen Verabschiedung auf denselben Weg gemacht, den vor einigen Wochen die Jungfrauen, die zum Morgentausammeln gingen, gewählt hatten. Es war der Brauch in das gesammelte Wasser zu blicken und so ihren zukünftigen Ehemann zu sehen. Doch waren sie von dieser Sammelaktion nicht zurück gekehrt. Der Pfad führte Geralt vorbei an einem großen See, über eine sumpfige Wiese, dem Wald zu. Er lief immer den Bachlauf entlang, der den See speiste. Der Bach führte ihn durch einen lichtdurchfluteten Buchenhain, ließ ihn über ein paar Felsen klettern um endlich hinter dem Wald auf einem Plateau unter einer alten knorrigen Eiche zu verschwinden. Hier also hatte der Bach, welcher jetzt eher einem Rinnsal ähnelte, seinen Ursprung. Geralt sah sich um. Weit und breit war nichts Verdächtiges zu sehen und doch erwärmte sich sein Medaillon und ruckelte warnend an seinem Hals. Je näher er der Eiche kam, desto stärker wurde das Unbehagen. Endlich, nur ein paar Schritte vom Baum entfernt, halb unter dem Gras versteckt, entdeckte er auch die Ursache für die magische Energie, die dieser Platz verströmte. Um die Quelle und den Baum herum hatten Pilze einen Hexenkreis gebildet. „Na schau mal einer an. Also ein Nök oder ein Quellgeist treibt hier sein Unwesen.“, stellte Geralt fest. Damit hatte er lange nichts zu tun gehabt. Fast schien es, diese Wesen seien schon ausgestorben. Umso mehr freute es Geralt doch noch Spuren der letzten ihrer Art gefunden zu haben. Fast bedauerte er es die Sache weiter zu verfolgen, aber Auftrag war Auftrag auch wenn er mit nicht ganz sauberen Mitteln an den Mann gebracht worden war. Flink suchte sich Geralt die Kräuter zusammen, die er brauchte um das Tor zur wässrigen Welt zu öffnen. Diese wuchsen hier im Überfluss. Er konnte sich gut vorstellen, dass die Mädchen sich daraus Kränze oder Ketten gewunden hatten. Einträchtig nebeneinander wuchsen hier Mädesüß, Trollblumen, Brunnenkresse und Riedgras. In aller Eile pflückte sich Geralt die Blumen und Kräuter, machte ein Sträußchen daraus und steckte es sich an den Gürtel. Er holte tief Luft und betrat den Hexenkreis. Augenblicklich brauste es in seinen Ohren und die Welt um ihn herum wurde wässrig, blaugrün, kühl und weich. Ein Strudel erfasste ihn, schleuderte ihn herum, zerrte, schob und drängte ihn in Wildwassereile voran. Tausend Luftbläschen nahmen ihm die Sicht und bald schon verlor er jede Orientierung. Geralt ergab sich dem wilden Wasser. Er ließ sich einfach mittreiben, denn er hatte keine Chance gegen die Macht des Wassers. Als endlich das Wirbeln nachließ, fand sich Geralt mitten auf einer mit Seegras bewachsenen Wiese wieder. Über ihm glänzte die Wasseroberfläche. Der Hexer war eindeutig unter Wasser auf dem Grund eines Sees. Er sah sich um. In großen Umzäunungen weideten verschiedene Fische wie auf dem Land Schafe, Kühe Ziegen und Pferde. Die Fische waren auch hübsch unterteilt, eine jede Art für sich. Es gab sogar Wachfische, welche die Hechte mimten. Geralt schwamm auf ein wildes Dickicht zu. Es waren Binsen doch für Geralt sah es aus, wie ein himmelhoher Wald. Zwischen den Stämmen schwebten Luftbläschen empor. Vorsichtig pirschte sich der Hexer heran. An einen Stamm gelehnt saß da eine traurige Gestalt und jaulte, dass es einen Stein erweichen mochte. „Verflucht noch eins!“, geiferte die Gestalt. „Rittersporn?“, fragte Geralt erstaunt. „Geralt! Der Himmel hat meine Gebete erhört und sendet einen Bote, oh, du gesegnetes Wesen!“, plapperte Rittersporn los. Er sprang auf, schwamm auf den Hexer zu und umarmte ihn stürmisch. Geralt machte sich vorsichtig los. „Na mal ganz langsam. Was machst du denn hier? Wie kommst du hier her, nun sag schon!“ „Du wirst mir nicht glauben, was mir passiert ist. Es fing damit an, dass ich vor einem geistreichen, kunstinteressierten Publikum meine Laute erklingen ließ um die Herzen der geneigten Zuhörer zu erquicken und zu erfreuen.“ „Du hast also in einer Schänke gesungen, die Kurzform bitte!“ grummelte Geralt. Rittersporn warf ihm einen tadelnden Blick zu und fuhr fort. „Natürlich erntete ich jede Menge Lob und Ehrungen und auch so manches Glas Wein und Bier, wohl auch zwei oder drei Gläschen Branntewein. Ich war vom Singen reichlich durstig, die Luft in dem Etablissement war sehr trocken und du weißt, meine Stimmbänder bedürfen der Pflege und müssen immer gut angefeuchtet werden, sie sind schließlich mein Kapital, also trank ich, was mir angeboten wurde. Und natürlich, was oben rein läuft will auch irgendwann unten wieder raus.“ „Wie lyrisch.“ „Nee nur natürlich, nun spotte und unterbrich mich nicht.“ „Bitte sehr.“ „Danke sehr. Wie gesagt, ich musste mich dringend erleichtern. Ich verließ also mein dankbares Publikum. In der Nähe plätscherte munter ein Bächlein, was meinen Drang noch erheblich verstärkte. Ich weiß nicht was mich ritt,, welcher Teufel es mir einflüsterte, ich erleichterte mich genau in jenes Bächlein, als hinter mir eine wahrhaft grausige Gestalt auftauchte, mich übel beschimpfte und in den Bach schupsten wollte. Dabei wollte mir der Kerl auch noch meine Laute entreißen. Aber ich kämpfte wie ein Mann. Ich sage dir, du wärest stolz auf mich gewesen. Der Kampf ist eine Ballade, was sag ich eines wahren Heldenepos wert. Wie kämpften wie besessen. Mein Wams war voll von allen möglichen ausgerissenen Kräutrich. Eine Trollblume klemmte mir am Hut, Mädesüß hin mir an den Knöpfen und im Mund hatte ich den scharfen Geschmack von Brunnenkresse. Wir rollten über den Boden, die Böschung hinab. Ich griff nach den Binsen, aber sie hielten mich nicht und so plumpsten wir gemeinsam in den Bach. Ich muss wohl doch mehr getrunken haben als ich dachte, denn auf einmal wirbelte und strudelte alles um mich herum. Mir vergingen die Sinne. Als ich wieder zu mir kam, stand mir dieser Bursche, ganz in Seegras gewickelt und mit Hörnen auf dem Kopf, gegenüber. Er war im Gesicht ganz Orange vor lauter Wut und zwischen seinen Hörnern trug er Feuer. `Nun bist du in meinem Reich. Willkommen beim Nök.`, höhnte er. Ich war so erschrocken, dass ich mich nicht rühren konnte. Da nahm er mir meine Laute ab und meinte, `Die brauchst du hier nicht mehr!` Dabei hatte ich erst ein paar Tage zuvor in Hamalen Ovationen gefeiert mit meiner Kunst. Die Leute konnte gar nicht genug bekommen, sag ich dir.“ „Nur hast du da für umsonst gespielt.“ „Ach was, Applaus ist das wahre Brot des Künstlers. Was zählt da schon der schnöde Mammon?“ „Ah ja, und dem Fuchs sind die Trauben auch zu sauer, weil er sie nicht erreichen kann.“, spöttelte Geralt. „Wie dem auch sei,“, erwiderte Rittersporn säuerlich: „ich kann hier nicht weg. Dieser Lump hat mir mit meiner Laute auch meine Stimme gestohlen. Was teurer Freund soll ich ohne meinen Gesang da oben tun?“, lamentierte Rittersporn ausdrucksstark. „Nun ja, dann holen wir dir deine Sachen wieder zurück. Du könntest mir dabei helfen. Sag mir zunächst einmal, wohin dieser Nök verschwunden ist.“ „Er schwang sich, nachdem er mich beraubt und verlacht hatte auf seinen Fisch und verschwand in dieser Richtung.“ Geralt blickte in die gewiesene Richtung, doch trotz seiner scharfen Augen konnte er nicht besonders weit sehen. „Verflixt, du scheinst nicht der einzige zu sein, der hier seinen Dreck rein schmeißt!“, murmelte er: „Ich kann kaum bis zur nächsten Koppel sehen, alte Schmutzfinken…“ „Wie bitte?“, fragte Rittersporn, der nur etwas von Schmutz verstanden hatte. „Ach nichts weiter, ich meinte nur, dass es hier recht schmutzig ist.“ „Oh, das kommt sicher von den Nixen, die hierherum planschen. Vor ein paar Tagen schwamm hier ein ganzes Rudel vorbei, wobei mir einige davon irgendwie bekannt vor kamen.“, senierte Rittersporn. „Dann lass sie uns mal aus der Nähe betrachten.“; rief der Hexer schon im weg schwimmen. In der Ferne erklang helles Mädchenlachen. Geralt und Rittersporn waren noch gar nicht weit gekommen, als ihnen eine Gestalt, die auf einem stattlichen Fisch saß, entgegen kam. Der Hexer ließ sich auf den Grund sinken und sah dem Ankömmling gespannt entgegen. Sein Medaillon pulsierte heftig. Knapp vor dem Hexer zügelte der Nök den Fisch. „Was willst du hier in meinem Reich?“, dröhnte der Nök. „Nichts, sollte ich denn etwas wollen?“, fragte Geralt. Das brachte den Nök sichtlich aus dem Konzept. Er wurde noch blasser und nahm eine leicht grünliche Färbung an. „Aber du musst doch was wollen. Jeder will was, wenn er zu mir kommt.“ „Nö ich will nichts. Und jetzt werd ich weiter schwimmen.“, erwiderte Geralt gelangweilt. Doch da schaltete sich Rittersporn ein: „ Also wenn du nichts willst, ich will schon was! Ich will meine Laute und meinen Gesang wieder haben!“ „Hier, nimm. Ich mag sie nicht mehr.“ Beeilte sich der Nök zu sagen und warf Rittersporn die Laute zu. Dieser fing sie geschickt auf und ließ auch gleich seine Stimme erschallen. „Ja, sing du dir nur wieder den Ärger an den Hals, ich hab genug davon!“ Geralt wand sich an Rittersporn. „Hast du jetzt alles was du wolltest? Dann komm, ich will weiter schwimmen.“, kraftvoll stieß er sich ab. „So warte doch mal. Wenn du schon nichts von mir willst, kannst du mir vielleicht einen klitzekleinen Gefallen tun?“ Der Nök schwamm neben Geralt her. „Lass dich nicht bequatschen, der ist hinterhältig.“, raunte Rittersporn Geralt zu. Geralt tat als würde er Rittersporn nicht hören und drehte sich zum Nök. „Und was soll dieser klitzekleine Gefallen sein?“, fragte er scheinbar wenig interessiert. „Die Sache ist die, dieser Schmutzfink da hat in meinen Bach gepieselt und da hab ich ihn mir zur Brust genommen. Leider ist er dabei irgendwie hier gelandet. Da hab ich mir seine Laute geborgt…“ „Geborgt ist gut, du hast mich mit einem Schwertfischschwert bedroht und mir meinen Gesang und meine Laute geraubt!“ , meuterte Rittersporn. Geralt winkte ihm still zu sein. Unbeeindruckt fuhr der Nök fort. „Ich habe das Ding dann an der Quelle ausprobiert und platsch, schon stand da eine Horde junger Weiber, die alle in den Strudel sprangen und hier bei mir im See landeten. Am Anfang war das ja ganz amüsant. Sie hatten, warum auch immer, großen Respekt vor mir. Aber dann wurden sie immer frecher und ziemlich anstrengend. „Und was willst du da von mir?“ „Los werden will ich sie wieder, aber so, dass keine mehr hierher kommen mag.“ „Du willst also deinen Frieden wieder ohne dabei dein Gesicht zu verlieren. Das versteh ich. Doch ich arbeite nicht für umsonst.“ „Ich hab kein Geld.“ „Dann behalt auch die Weiber.“ Geralt wand sich ab. „Halt warte, und wenn ich dir einen Reitfisch als Lohn gebe?“, er wies auf einen dünnen Fisch auf der Koppel. „Mhm mager.“ „Such dir eben selber einen aus.“ „Gut, deinen Fisch.“ Der Nök wiegte seinen Kopf hin und her, doch schließlich willigte er ein. Geralt unterbreitete dem Nök einen Plan. „Pass auf, wir machen es so. Wir werden vor den Jungfrauen miteinander kämpfen und Rittersporn führt sie in der Zwischenzeit heimlich fort. Ich folge ihnen nach, du verfolgst uns und erwischst uns gerade beim Auftauchen. Du kannst dann schrecklich drohen, lass dir was Gruseliges einfallen, dein Gesicht bleibt gewahrt und keiner wird vor lauter Angst deinem See mehr zu nahe kommen. Und um ganz sicher zu gehen solltest du das obere Quellentor schließen. Rupf einfach einen Pilz aus dem Hexenkreis aus.“ „Jungfrauen ist gut.“, grinsten der Nök und Rittersporn gleichermaßen. „Also abgemacht?“ „Abgemacht!“ Der Nök wendete seinen Fisch und schwamm rasch davon. Geralt und Rittersporn folgten ihm langsam nach. Kapitel 3: Die Rettung ---------------------- In der Ferne tauchte ein prächtiges Korallenschloss auf. Auf der freien Seegrasfläche davor tanzte eine Anzahl Nixen grazil vor dem Nök herum. Der saß auf einer Art Thron, hatte die Augen halb geschlossen und grinste zufrieden. Eine der Nixen schubberte seine Glatze. Schließlich öffnete er seine Glubschaugen und starrte böse in die Richtung, aus der Geralt und Rittersporn heran schwammen. „Was wollt ihr hier?“, dröhnte der Nök bedrohlich. „Die Jungfrauen befreien, die du geraubt hast!“, donnerte Geralt genauso bedrohlich zurück. „Und wenn ich sie nicht hergeben will???“ „Dann stirbst du im Kampf!“ „Ha, das wollen wir doch sehen. Meine Rüstung Nixen, los, schnell!“ Im Nu stoben die Nixen auseinander und kamen rasch mit einer Muschelrüstung zurück. Schnell legten sie dem Nök die Rüstung an und halfen ihn auf seinen Fisch. Der Nök zog sein Schwertfischschwert und stürmte auf den Hexer ein. Rittersporn schlich sich zu den Nixen. „Folgt mir, solange sie kämpfen können wir fliehn!“ „Och nö, wir wollen hier bleiben, hier ist es lustig. Keiner sagt uns was wir tun oder lassen sollen oder schlimmer, wen wir zu heiraten haben. Uns geht es gut hier. Wir bleiben!“ „Aber eure Eltern sind in Sorge.“ „Das die gut Partie platzt oder was?“ „Aber die Sonne, die Bäume und die Blumen, das Rauschen des Windes, der Duft der Kräuter, all das Schöne da oben, vermisst ihr das nicht?“ Die Runde wurde stiller. Rittersporn schlug auf seiner Laute ein paar Töne an und sang leise, dass es das Herz schmelzen ließ. „Komm Feinsliebchen, komm zu mir Ein Bett aus Rosen mach ich dir. Komm Feinsliebchen, sag nicht nein, nur du kannst mir die Liebste sein. Lippen süß wie Honigseim, die Äuglein klar wie Sternelein die Haut so zart wie heller Schnee mein Herz verglüht wenn ich dich seh.“ Rittersporn setzte sich in Bewegung und wie in Trance folgen ihm die Nixen. Geralt und der Nök kämpften inzwischen verbissen weiter. Immer wieder drang der Nök auf Geralt ein, doch der Hexer duckte sich jedes Mal rechtzeitig und ließ den Nök auf seinem Fisch ins Leere schwimmen. Als die Nixen außer Sichtweite waren hielt der Nök an. „So, die bin ich los. Du kannst jetzt verschwinden.“ „Gut, dann gib mir den Fisch.“ „Nichts da, du hast die Weiber und wenn dus geschickt anstellst, wirst du sicher oben etwas für die kriegen. Verschwinde jetzt, bevor ich mich vergesse!“ „Moment Mal, wir hatten eine Abmachung. Ich befreie dich von den Jungfrauen und du gibst mir deinen Reitfisch zum Lohn!“ „Ich habs mir eben anders überlegt. Außerdem hab ich ja gesehen, wie du zu kämpfen verstehst, eher schlecht als recht. Ich bin dir weit überlegen, also sieh zu, dass du ein paar Wellen zwischen uns bringst sonst versohle ich dir den Arsch.“, drohend schwang er sein Schwertfischschwert. Geralt stand genau vor dem Reitfisch. Sanft strich er dem Fisch über das Maul und die Kiemen und flüsterte ihm etwas zu. Dann trat er einen Schritt zurück. Ruckartig hob er beide Arme. Der Fisch folgte der Bewegung und warf den Nök ab. Geralt zog blitzschnell sein Silberschwert und hielt es dem Nök unters Kinn. „Ich schätze es nicht, wenn man seine Versprechen nicht hält.“ Leicht ritzte er die Wange des Nöks. „Und noch eins, leg dich nie mit einem Hexer an, sonst versohlt er dir den Arsch.“ Geralt schwang sich auf den Reitfisch und ließ den schimpfenden Nök schnell hinter sich. Dieser spuckte zwar große Töne, folgte ihm aber vorsichtshalber nicht. Bald hatte Geralt Rittersporn und die Nixen eingeholt. Er stieg vom Reitfisch. „Nun, wie gings?“, fragte er Rittersporn. „Ich wusste ja, dass ich ein begnadeter Barde bin, doch heute scheint meine Musik geradezu magisch zu sein. Sie folgen mir brav wie Lämmlein.“ „Schön, du größter aller Barden, dann spiel weiter. Wir müssen nur noch ans Ufer, dann haben wirs geschafft.“, grinste Geralt unverhohlen. Gemeinsam erklommen sie das Ufer. Als sie durch die Wasseroberfläche stießen wurden sie wieder das was sie einmal gewesen waren. Aus den Nixen wurden die Jungfrauen und auch Geralt und Rittersporn waren wieder ganz die Alten. Das größte Wunder aber geschah mit dem Reitfisch. Sobald er aus dem Wasser kam wurde er ein richtiges Pferd. „Na das ist ja mal was. Eigentlich wollte ich heute lecker Fisch essen, aber so ist es auch nicht schlecht.“, kommentierte Rittersporn die Zauberei. „Wie willst du es nennen?“ „Plötze.“, erwiderte Geralt. „Plötze, du, das ist doch nun ein Pferd und kein Fisch mehr.“ „Aber es war mal ein Fisch und zwar eine Plötze, also soll es auch so heißen.“ Während die Beiden, bis zu den Knien im Wasser stehend, über den Namen von Geralts Reittier diskutierten, kamen aus der nahen Stadt die Eltern der Jungfrauen geeilt. Zuerst war der Jubel groß, doch als die Leute dann Rittersporn entdeckten schlug die Laune plötzlich um. „Seht, da ist der Barde, der unser Töchter entführt hat.“, kreischte der kleine dicke Bürgermeister. „Ja, genau, und er kam gemeinsam mit dem Hexer aus dem See!“, bestätigte seine Frau. „Die stecken unter einer Decke! Der Barde entführt Kinder und der Hexer tut so, als würde er sie befreien um dann bei den besorgten Eltern ab zu kassieren!“, schrie der Bürgermeister mit überschnappender Stimme. „Auf sie!“ Und schon prügelten die Bürger der schönen Stadt Hamalen auf Rittersporn und Geralt ein. Eine wilde Prügelei war im Nu in Gang, die Übermacht war groß und die Beiden hatten den See im Rücken, so dass sie lieber ihr Heil in der Flucht suchten. Geralt sprang auf Plötze und spornte sie an. Im Davonreiten hievte er Rittersporn aufs Pferd. Der lag nun quer vor Geralt auf Plötzes Rücken und lamentierte über die Ungerechtigkeit der Welt. Geralt hatte einige böse Hiebe abbekommen und sah reichlich zerschrammt aus, aber Rittersporn sah noch übler aus. Es war nötig einen Heiler oder eine weise Frau auf zu suchen, denn er blutete noch immer aus einer Wunde, die sich einfach nicht stillen lassen wollte. Sie folgten der Wegbeschreibung eines armen Holzfällers und fanden sich bald in Mitten eines wilden, düsteren Waldes wieder. Geralt wollte gerade umdrehen um sich einen anderen Weg zu suchen, als ein zarter Duft nach frisch gebackenem seine Nase kitzelte. „Da vorne muss es sein.“, murmelte er, doch Rittersporn antwortete nicht, ihm waren inzwischen die Sinne geschwunden. „Halt durch, wir sind gleich da.“ Vorsichtig führte er Plötze um einen dicken Baumstamm herum. Hinter dem Baum breitete sich eine Lichtung aus und mitten auf der Lichtung stand ein Häuschen aus dessen Schornstein lustige Rauchkringel in die Höhe stiegen. Vor dem Häuschen standen einige Blecke mit frisch gebackenen Kekse. Der Duft machte Rittersporn ein wenig munter. Er angelte sich einen Keks von einem der Bleche als auch gleich eine Stimme erklang: „Knusper, knusper, knäxe, wer klaut da meine Kekse?“ „Na das kann ja heiter werden.“, brummte Geralt während Rittersporn genüsslich kaute. Hosted by Animexx e.V. 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