Geralt von Riva von Miezel ================================================================================ Kapitel 1: Hamalen ------------------ Hamalen Der Wald war sehr düster. Abgestorbene Baumstämme lagen wild übereinander gefallen auf dem Boden und behinderten ein flottes Vorwärtskommen. Es hatte schon Vorteile ein Pferd zu besitzen, doch manche Wege, die Geralt bis jetzt benutzt hatte, waren nun nicht mehr zweckdienlich wenn er nicht auf seine Beförderungshilfe verzichten wollte. Und das wollte er mit Sicherheit nicht. Geralt war auf dem Weg zum Meer. Hinter ihm lag ein seltsamer Kampf, bei dem er außer einigen Schrammen und blauen Flecken zwar ein Pferd aber kein Geld bekommen hatte. Doch Geld, benötigte er inzwischen dringend. Dabei hatte alles so gut angefangen. Wie üblich, wenn seine Taschen langsam leer wurden, zog er zu einer Stadt von der es hieß sie sei in Nöten. Er stellte sich breitbeinig, auf sein Schwert gestützt, vor dem Stadttor auf und wartete. Es dauerte auch nicht lange, als eine größere Anzahl Frauen mittleren Alters auf ihn zu kam, dicht gefolgt von ihren Männern, die versuchten ihre Frauen auf zu halten. Doch gegen die mütterliche Besorgnis, die in den Gesichtern der Frauen zu lesen war, hatten die Männer keine Chance. „Seid ihr ein Hexer?“, fragte eine stattliche Frau. Sie trug ein dunkelblaues, sehr elegantes Seidenkleid, doch die Haare hingen lose unter der Haube hervor. Die Sorge hatte ihrer Haut ein fahles Aussehen verliehen und dunkle Ringe unter die Augen gemalt. Durch die Frauenmenge drängte sich ein dicklicher kleiner Mann mit einer schweren Goldkette um den Hals. „Still Weib, sprich nicht mit ihm! Wir klären das allein!“, herrschte er sie an. Die Frau, eben noch ganz in Sorge, fuhr herum. Sie stemmte ihre Hände auf ihre üppigen Hüften und fauchte wie eine Wildkatze. „Still soll ich sein? Klären willst dus allein? Sag mir wie! Du schaffst es ja nicht einmal ohne Hilfe das Klo zu finden! Was hast du denn bis jetzt erreicht frag ich dich. Ist auch nur ein Kind zurück gekommen, du alter Geizhals? Du wirst mir nicht mehr den Mund verbieten. Der Hexer ist hier, also kann er uns auch helfen. Und jetzt pack dich!“ Die anderen Frauen schoben und drängten den Bürgermeister aus der Reichweite des Hexers und seiner erbost dreinblickenden Frau. Murrend kehrte er zu den etwas hilflos herumstehenden Männern zurück. Die Frau im dunkelblauen Kleid wand sich wieder an Geralt. „Ihr seid doch ein Hexer?“ „Bin ich.“ „Dann könnt ihr uns helfen, ihr müsst sogar, weil uns sonst keiner helfen kann.“ „Erzählt mir erst einmal, worum es geht.“, entgegnete Geralt ruhig. „Oh ja, verzeiht, wo bleiben nur meine Manieren. Ich bin völlig durcheinander. Kommt doch bitte mit. Bei einem guten Glas Wein lässt sich alles besser bereden.“ Die Frau nahm kurzer Hand Geralts Arm und führte ihn schnurstraks zum Bürgermeisterhaus. Es lag genau in der Mitte der Stadt dem Stadtheiligtum gegenüber. Das Haus war das bei weitem prächtigste in der ganzen Stadt. Die übrigen Frauen liefen Geralt und der Frau im blauen Kleid wie bei einer heiligen Prozession nach. Vor der Tür jedoch drehte sich die Hausherrin kurz um und wies die anderen Frauen an vor der Tür zu warten. Noch während sie sprach wurde die Türe von einem alten Männlein geöffnet. Er hatte große Mühe die riesig wirkende Tür zu bewegen. „Georg, hol eine Karaffe Wein, aber die vom Hausherren und nicht den für die Gäste.“, befahl die Frau im Vorbeigehen dem Männlein. „Sehr wohl, aber was wird der Herr dazu sagen? “, murmelte Georg, doch die Frau hatte es dennoch gehört. „Wenn er klug ist und weiß was gut für ihn ist, dann sagt er besser nichts!“, fauchte sie über die Schulter. Geralt wurde es ein wenig unbehaglich zu Mute. Er hatte es noch nie erlebt, dass eine verheiratete Frau derart energisch gegen ihren Mann aufbegehrte und das in aller Öffentlichkeit. „Kommt mein Lieber.“, ermunterte die Frau Geralt. Sie stiegen eine prächtige Treppe hinauf. Die Frau wandelte sich in eine liebenswürdige Gastgeberin und plauderte munter irgendwelche Belanglosigkeiten. Oben angekommen führte sie Geralt in einen luxuriösen eingerichteten Raum. Zwei hohe dunkelrot bezogene Sessel standen am Kamin, dazwischen ein kleiner Tisch, auf dem schon eine Karaffe mit funkelndem roten Wein und zwei kristallene Gläser auf die Besucher warteten. „Setzt euch, werter Herr!“, lud die Frau Geralt ein. Sie entzündete einige Kerzen, denn der Raum war wegen der schweren Vorhänge schummrig. Sie füllte die Gläser mit dem Wein und setzte sich. „Oh, schon wieder hab ich meine Manieren vergessen. Aber an allem ist mein geiziger Ehemann Schuld. Doch der Reihe nach. Ich will mich erst einmal vorstellen. Ich bin Brigitte und wie ihr sicher schon erraten habt, bin ich mit dem Bürgermeister dieser schönen Stadt verheiratet. Ach hätte ich nur auf meine Mutter gehört, aber nein und jetzt habe ich diesen fetten Geizkragen an der Backe. Doch das tut nichts zur Sache, oder doch schon irgendwie.“ „Liebe Frau Brigitte, wie soll ich euch denn nun helfen? Bei eurem Ärger mit eurem lieben Mann bin ich allerdings Machtlos, denn ich bin kein Mörder. Ich töte Biester. Menschen vernichte ich nur, wenn sie mein Leben bedrohen.“ „Mein Ehemann? Wieso töten, nein, den sollt ihr nicht töten, mit dem rechne ich selber ab. Soll er nur nach Hause kommen, dieser Knauser. Nein, ihr sollt uns unsere Kinder wieder zurück bringen.“ „Eure Kinder? Was ist geschehen?“ „Also, wir hatten hier ein Fest im Hause, wegen der Wähler, wenn du verstehst, die muss man bei Laune halten, wenn man wieder gewählt werden will. Wir hatten einen Barden hier, der ganz wundervolle Lieder zur Laute gesungen hat. Natürlich himmelten ihn alle jungen Mädchen an und er neckte zurück, alles ganz harmlos, selbstverständlich.“ „Selbstverständlich.“, Geralt unterdrückte ein Grinsen. Barden und harmlos, er dachte sich seinen Teil. Brigitte fuhr fort. „Doch mein Mann nahm diese Neckereien zum Anlass, als der Abend endete und der Barde sein Geld verlangte, ihm den versprochenen Lohn zu verwehren. Mein Mann sagte der Barde habe die Jugend verführt und das er nun kein Geld bekäme sei seine eigene Schuld und er solle froh sein, so glimpflich davon zu gekommen, denn wenn er noch weiter rumoren würde, werde er ihn in den Turm stecken lassen, wegen Unzucht um ihn dann vielleicht noch zu teeren und zu federn. Der Barde, wie hieß er nur gleich, irgendwas mit einer Blume, Hagedorn oder Liliensporn oder so ähnlich, dieser Barde jedenfalls gab sich geschlagen und ging. Draußen auf dem Marktplatz aber rief er laut, das ein jeder es hören konnte: Ich komme wieder und dann hol ich mir meinen Lohn. Und dann verschwand er wie ein Geist. Ein paar Tage später gingen unsere Jungfrauen zum Tausammeln an den Brunnen hinter den Wald und keine kam wieder. Einige Leute behaupten, sie haben die Laute und den Gesang des Barden in der Ferne vernommen, als die Mädchen verschwanden. Wir haben überall gesucht. Im Wald, hinter dem Wald, im See und im Sumpf. Nichts. Dann haben wir den heiligen Mann besucht, doch der konnte auch nicht helfen, weil es bei keiner heiligen Handlung geschehen war. Dann haben wir Anschläge an die Bäume im Wald gehängt, mit einer Belohnung für den, der uns sagen kann, wo unsere Mädchen sind. Das brachte auch nichts. Dann haben sich unsere Männer bewaffnet und sind noch einmal durch den Wald gezogen, mit dem gleichen Ergebnis wie beim ersten Mal. Die Jungfern sind und bleiben verschwunden. Kannst du uns unsere Töchter wieder geben und wenn du es kannst, würdest dus auch tun?“ Geralt dachte einen Moment lang nach. Er nahm sein Glas und drehte es gemächlich in der Hand. Der Wein funkelte in Schein der Kerzen wie ein Rubin. Geralt roch die phantastischen Aromen, die dem Wein entströmten. `Wie gekelterter Sommer`, dachte der Hexer: `Wenn er nur halb so gut schmeckt, wie er riecht ist es das reinste Geschmackserlebnis.` Vorsichtig, als wäre das edle Getränk heiß, nahm er einen kleinen Schluck. Der Geschmack stand dem Geruch wahrlich in nichts nach. Genießerisch schloss Geralt die Augen. Er nahm noch einen tiefen Zug. „Hähäm.“, räusperte sich Brigitte. „Nun Herr Hexer, was meint ihr?“ „Geralt, Geralt von Riva ist mein Name. Und ich will sehen, was sich machen lässt.“, antwortete Geralt mit noch immer geschlossenen Augen. „Schön, schön, dann trinkt aus und macht euch ans Werk.“ Brigitte stand auf und lief rasch zu einem der Raumhohen Fenster und öffnete es weit. „Der Hexer, Geralt von Riva, hat versprochen uns unsere Töchter zurück zu bringen. Gleich wird er los ziehen und Morgen, wenn sich die Sonne wieder auf den Weg nach Westen macht will er uns die Mädchen wohlbehalten zuführen.“, rief sie den wartenden Frauen zu. Jubel brach bei den Frauen los, doch die Männer knurrten dumpf und so manche geballte Faust war auch zu sehen. Geralt, der gerade noch einen großen Schluck des köstlichen Weines im Mund hatte, gelang es nur mit Mühe diesen auch die Kehle hinab zu zwingen. „Gute Frau Brigitte, so etwas habe ich nie versprochen!“, empörte er sich. „Nun dann seht zu euer nicht gegebenes Versprechen ein zu haltet, welches eben alle gehört haben. Ansonsten braucht ihr euch hier und auch im weiten Umkreis von Hamalen nicht mehr sehen zu lassen.“, erwiderte Brigitte mit einem kalten Lächeln. „Frau Brigitte, ihr seid eures Mannes durchaus würdig.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)