Herz aus Stein von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 17: Cedric Kalteis: Superstar ------------------------------------- XVI. Cedric Kalteis: Superstar Kunibert beschlich ein ziemlich maues Gefühl, als er einparkte. Zu Hause. Seine Stadt, seine Straße, das Haus, in dem er seit drei Jahren mit Jakob in einer Wohnung im dritten Stock lebte. Nicht berauschend schön, aber Kiel war während des zweiten Weltkrieges auch ganz schön zerbombt worden. Immerhin war es nah an der Uni, und auch in die Innenstadt gelangte man schnell – aber Kiel war auch nicht Bangkok. Er hatte von unterwegs kurz durch geklingelt, dass er im Anmarsch sei, aber es war nur der Anrufbeantworter ran gegangen. Kam er in eine leere Wohnung zurück? Er wusste es nicht, aber ihm graute bei aller Unsicherheit davor. Er stieg aus und schnappte sich sein Gepäck aus dem Kofferraum, dann lief er mit immer schwerer werdenden Gliedmaßen die Treppen hinauf. Da stand es neben dem Klingelschild: Lerchenfels & König. Er und Jakob. Eine Wohnung, ein Leben, eine Zukunft… und jede Menge echter oder vorgegebener Neid von den Solo-Freunden und Freundinnen jeder sexuellen Orientierung. Seufzend schloss er auf und trat ein. Im Wohnzimmer rumpelte es, dann kam Jakob um die Ecke geschossen. Er hatte wirklich abgenommen, Kunibert war verblüfft. Auf seinem hübschen Gesicht lag ein strahlendes Lächeln, aus dem echte Freude, aber auch eine gewisse Unsicherheit sprach. Ohne nachzudenken breitete Kunibert die Arme aus, und schon lag der andere darin, um seinen Nacken geschlungen und lachte und drückte ihn. Kurz flackerte es in ihm auf. Er war zuhause, er war bei Jakob… Dann straffte er sich und schob den anderen von sich. Dieselben Augen, derselbe Mund, der vertraute Geruch… aber so einfach ließ sich das nicht vom Tisch wischen, was zwischen ihnen stand, auch wenn die Versuchung groß war. Doch wenn sie jetzt schwiegen, würde es wahrscheinlich im Dunklen weiter wachsen. „Jakob“, sagte er sanft. „Ich bin zwar ziemlich alle von der Fahrt… aber… lass uns ins Wohnzimmer gehen, okay…?“ Jakob nickte und griff nach seinem Koffer, um ihm zu helfen, eine selbstverständliche Geste, ohne Angst oder Bedenken. Sie räumten Kuniberts Fracht und die Taschen mit dem Vermessungswerkzeug und dem Handgepäck übergangsweise beiseite, dann traten sie hinein. Jakob hatte aufgeräumt und geputzt, ein Teller mit Kuniberts Lieblingsplätzchen stand auf dem Tisch, Jakob flitzte los und servierte ihm dazu ein eisgekühltes Bier, als sei er plötzlich eine übereifrige Hausfrau, deren Gatte gerade von seinem harten Tagwerk zurückkehrte. Plätzchen und Bier… andere mochten das zwar für grenzwertig halten, aber er mochte das. Jakob gab sich hier gerade richtig Mühe, das war nicht zu übersehen. Er blieb sitzen und wartete, bis der andere endlich zur Ruhe gekommen war. Jakob verrenkte etwas nervös die Finger und sah ihn an. „Kunibert…“, begann er. „Es tut mir leid! Ich war ein Riesenidiot, und ich kann es verstehen, wenn du mir einen Arschtritt verpassen willst. Ich… ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist. Torschlusspanik wahrscheinlich. So ein dummes Gefühl, dass das doch noch nicht alles gewesen sein kann, dass es mehr geben muss, dass ich es so richtig krachen lassen muss, solange ich noch jung bin… aber das ist ein Fliegenschiss gegen das, was ich bereits hatte. Ich habe es nicht zu schätzen gewusst, und das ist mir erst jetzt richtig klar geworden. Obendrein war ich ein Riesenfeigling und ein Drecksack, dich obendrein noch zu belügen, um mich durch zu schummeln… und irgendwie auch auf das zu treten, woran ich sonst immer geglaubt habe. Nicht allein dich, sondern auch auf mich… mich fetten Langweiler, so bin ich mir vorgekommen. Ich weiß, du hast es mir immer wieder gesagt… aber nur weil es meine Ohren gehört haben, ist es in meinem Hirn leider noch lange nicht angekommen. Ich war ein verblendeter Egoist, daran ist nichts zu schönen – ich kann dich nur bitten, mir zu verzeihen, wenn dir das möglich ist… Ich weiß es nicht…“, schloss Jakob und ließ niedergeschlagen den Kopf hängen. Kunibert sah ihn an. Sein Freund, sein Partner… hatte Scheiße gebaut, aber richtig… und bat jetzt um Vergebung… „Ich weiß nicht, ob ich das kann“, antwortete er ehrlich. „Das ist schon… Du bist nicht der Einzige, der sich dabei fühlt wie der letzte Dreck. Vertrauen… ist mir wichtig, und du hast es mit Füßen getreten.“ „Ich weiß“, erwiderte Jakob geknickt. „Ich kann es nicht ungeschehen machen. Ich kann dich lediglich um eine zweite Chance bitten. Wir haben’s in letzter Zeit ziemlich auf Sparflamme laufen lassen, als seien wir seit zwanzig Jahren verheiratet. Das entschuldigt mein Verhalten sicher nicht, aber… wenn du es versuchen willst… wir könnten probieren, es besser zu machen.“ „Wie meinst du das?“ fragte Kunibert, obwohl er durchaus begriff, was der andere ihm sagen wollte . „Statt im Trainingsanzug jeden Sonntag auf dem Sofa DVDs zu gucken… weiß nicht… was unternehmen. Raus fahren, Sachen tun, wie früher“, murmelte Jakob. „Wir sind ziemlich in die Alltagsfalle gegangen“, gestand Kunibert. Jakob nickte und sah ihn mit seinen schönen leicht grünlich-braunen Augen fast dankbar an und nickte. „Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass du mich, statt mal was zu sagen, nach Strich und Faden betrogen und belogen hast“, kochte es in Kunibert wieder hoch. „Ich habe mich selber nicht verstanden… warum ich das mache, war so ein… Gefühl. Hat eine Weile gedauert, bis ich geschnallt habe, dass das Selbstsabotage ist… irgendwie auch… um mich über dich zu erheben und gleichzeitig zu zeigen, dass ich deiner nicht Wert bin. Verrückt, ich weiß…“, sagte Jakob und schloss die Augen. Soviel zu dem Thema, dass Leute, die als „normal“ durchgingen, nicht auch alle verrückt waren. Aber das hier war kein Fremder, jemand, den er nur flüchtig kannte, sondern sein Lebenspartner… wollte er das? Konnte er das? Die Fragen blieben nach wie vor. Welche Grundlage hatten sie überhaupt noch? Die Macht der Gewohnheit? Nicht nur. Aber der Rest hatte durch Jakobs Betrug einen ordentlichen Knacks abbekommen. „Ich… ich weiß nicht Jakob. Ich kann nicht einfach sagen: Okay, Schwamm drüber, alles neu macht der Mai“, erklärte Kunibert. „Wenn ich dich ansehe, sehe ich die Person, die ich kenne – und zugleich jemanden, von dem ich gar nicht weiß, was ich von ihm zu halten habe und wie ich zu ihm stehe. Ich wünschte, ich hätte eine klare Antwort für dich, habe ich aber nicht. Zum einen wünsche ich mir, dass alles wieder gut ist und so wie früher, zum anderen möchte ich einen Strich ziehen.“ „Ich… verstehe“, erwiderte Jakob langsam, starrte die Kekse an, doch widerstand. „Kann ich auch kaum etwas gegen sagen, außer: bitte! Uns verbindet so viel, nicht nur Zeit, und ich hoffe, das ist mehr als das, was uns trennt. Die Wohnung ist groß… wir könnten umräumen, getrennte Zimmer, und dann schauen, ob wir wieder eine Ebene finden können? Oder willst du, dass wir… getrennt wohnen…?“ fragte er zögerlich. Kunibert blickte seine Bierflasche an. „Ich weiß es einfach nicht. Vielleicht wäre es besser, aber vielleicht würde es auch bedeuten, einfach aufzugeben wie irgend so eine oberflächliche Null, die bei Schwierigkeiten immer gleich davon rennt, um sich den Nächsten zu angeln. Abstand hatten wir ja erst mal genug. Aber ich kann einfach nicht sagen, was ich momentan noch für dich empfinde. Ich kann dir nichts schwören, aber versuchen… kann ich es“, meinte Kunibert. Auch um seiner selbst willen… Wenn er herausfinden wollte, was an seiner Beziehung noch dran war, dann würde es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts bringen, einen riesigen Bogen um Jakob zu machen. Aus der Ferne hatte er geschaut, ohne etwas zu erkennen, dass ihn hätte klarer sehen lassen, vielleicht tat es das aus der Nähe. Hatten Jakob und er ein gemeinsames Fundament, nur das Haus darauf war rissig und musste renoviert werden? Oder war ihr Beisammensein nur noch auf Sand gebaut? „Danke“, stieß Jakob erleichtert hervor. „Ich… ich liebe dich wirklich Kunibert. Ich war nur so fürchterlich dumm, das eine Weile lang nicht zu schätzen, und das ist wohl das Dämlichste und Verletzendste, das ich je getan habe. Danke, dass du mich nicht zur Hölle jagst.“ „Mmm“, murmelte Kunibert nur. Das war wohl die Frage: Was war denn mit ihm? Liebte er Jakob noch? Trotz dem, was er getan hatte, empfand er eine ganze Menge für den anderen. Aber Liebe…? Irgendwie hatte alles seine Sicherheit verloren. Wahrscheinlich half da wirklich nur Zeit. „Und“, wechselte Jakob das Thema, bevor sie noch erneut begannen, sich im Kreis zu drehen, da schien er dazu gelernt zu haben, „wie war es in der Bretagne?“ „Interessant“, erwiderte Kunibert, was wahrscheinlich eine leichte Untertreibung war. „Dieses Steinfeld auf Privatgrund, hinter dem du her warst – hat das geklappt?“ fragte Jakob und reichte ihm ein weiteres Bier. „Ja… Ich konnte eine Übereinkunft mit dem Besitzer treffen, war nicht ganz einfach“, erzählte Kunibert. „Ach ja, ich hatte dir ja noch geholfen, den heraus zu bekommen… Alain Kalteis, nicht wahr?“ erinnerte sich Jakob. „Der ist vor zwei Jahren schon gestorben, wie sich rausgestellt hat. Ich habe es mit seinem Enkel zu tun bekommen“, warf Kunibert ein. „Naja, solange das nicht Cedric Kalteis war“, lachte Jakob. Kunibert starrte ihn mit offenem Mund an, was Jakob natürlich nicht entging. „Kunibert?!“ fragte der ihn entgeistert. „Du bist doch nicht allen Ernstes Cedric Kalteis in die Fänge gerannt? Rote Haare, Sommersprossen…?“ „Woher kennst du denn Cedric Kalteis?“ fragte Kunibert nicht weniger verwirrt. „Oh mein Gott!“ fuhr Jakob auf. „Das sollte ein Witz sein! Der Name ist schließlich kein Unikat! Das kann doch echt nicht wahr sein!“ „Äh?!“ stammelte Kunibert völlig irritiert. „Irgendwie komm ich nicht mehr mit? Woher kennst du Cedric?!“ „Ich war ein Jahr lang in Paris, kurz bevor wir uns kennen gelernt haben, das weißt du doch! Die Frage wäre eher: Welcher Schwule in Paris – oder Frankreich oder weiß der Himmel – kennt Cedric Kalteis nicht?!“ regte sich Jakob auf. „Äh – ich“, meldete sich Kunibert. „Mir hat der Name überhaupt nichts gesagt, bevor ich ihn getroffen habe.“ Jakob verfiel in ein fast irres Kichern. „Willst du mir etwa sagen, dass du die letzten Wochen das Vergnügen mit Cedric Kalteis höchstpersönlich hattest? Und ich krieche hier zu Kreuze!“ „Hey“, fuhr ihm Kunibert etwas erbost dazwischen, „willst du mir etwa irgendetwas unterstellen?!“ Jakob atmete tief durch und kam anscheinend wieder auf den Teppich. „Nein“, murmelte er, „will ich nicht. Wenn du mir sagst, da war nichts, dann glaube ich dir. Wirklich. Tut mir leid. Mein Fehler ist ja nicht deiner… aber… Cedric Kalteis!“ „So viel zum Thema Vertrauen“, seufzte Kunibert. „Ich vertraue dir! Aber bei Cedric Kalteis… glaube mir, da würde wahrscheinlich auch der beste Freund der Welt, der ich nun leider nicht bin, ein hektisches Zucken bekommen“, meinte Jakob und ließ sich leicht ächzend wieder in den Sessel fallen, sich jetzt auch ein Bier öffnend. „Dann sag ich dir lieber klipp und klar: da war gar nichts mit Cedric. Und ehrlich gesagt leuchtet mir auch nicht recht ein, warum Cedric so eine Reaktion bei dir auslöst“, gestand Kunibert. „Kunibert… du lebst doch auch nicht auf einem anderen Planeten… du hast ihn doch gesehen“, versuchte sich Jakob. „Sicher. Und?“ hielt Kunibert dagegen. „Und wie sieht er aus?“ bohrte Jakob. Ängstlich, wütend, gefasst, resigniert… und er lacht, wenn er beim Monopoly gewinnt… „Er ist ganz hübsch, sicher, aber das gilt für Tausende andere auch. Ziemlich mickrig ist er“, gab Kunibert zum Besten. Jakob verdrehte die Augen. „Also manchmal beginne ich zu zweifeln, ob du wirklich schwul bist… Cedric Kalteis war der absolute König der Pariser Szene, als ich da war. Die Meute hat ihn in den Himmel gehoben, die Typen hätten ihre rechten Arme gegeben für eine Nacht mit ihm und seinem Freund. Er war der Inbegriff von allem: reich, sexy, absolut verdorben… und er hatte die Macht, dich vor den Augen aller steigen oder fallen zu lassen, nur mit einer Geste, einem Wort. Dasselbe galt für die Läden, die er besucht hat: Wo Cedric war, war das Zentrum – der Rest konnte dicht machen. Und er blieb nie lange an einem Ort. Er war berüchtigt für seine Launen und seine Unberechenbarkeit. Eben warst du noch der tolle Typ von Cedrics Gnaden – dann der von allen gemiedene Abschaum, und das hat ihn nicht die Bohne gekümmert, er hat höchstens auch noch darüber gelacht. Das war Teil seines… Mythos, wenn man so will. Der eiskalte Regent wie ein absolutistischer Herrscher. Cedric der XIV. Es konnte jeden erwischen – im Guten wie im Argen“, erzählte er. Kunibert konnte nur starren. Cedric hatte ja so etwas angedeutet, aber das, was Jakob da erzählte, war ja total… krank. „Der wusste schon, seine eigene Legende zu schreiben“, erzählte Jakob weiter. „Jeder, den er sich mal raus gepickt hat, hat geschworen, dass er das niemals vergessen werde, sogar nachdem Cedric denjenigen weggeschmissen hatte, als sei er Müll. Niemand hatte zweimal das Vergnügen. Und Chancen hatte nur, wer groß war, dominant und ordentlich Muskeln zu bieten hatte, nur Tops – jeder andere durfte nur träumen. Diese ganzen Riesenkerle haben ihm aus der Hand gefressen wie die dressierten Eichhörnchen! Ich erinnere mich… er stand ganz oben auf der Brücke der Disco, die gerade dank seiner Anwesenheit angesagt hat, hinter ihm sein Freund. Und sie haben Fleischbeschau getrieben und sich dabei kringelig gelacht – und diese ganzen Idioten da unten hatten nichts anderes zu tun, als sich so viele Klamotten vom Leibe zu reißen, wie irgend ging, damit er sie bloß nahm! Das war… entwürdigend, und ich schwöre Stein und Bein, dass er es genossen hat. Und dennoch… irgendwie hatte er etwas, dass selbst ich kurz davor war, mich dieser Bettlerprozession anzuschließen. Er war irgendwie… wie aus einer anderen Welt. Wie einer dieser griechischen Götter, völlig amoralisch, absoluten Genuss verheißend und absolute Demütigung, als seien die Welt, die Menschen lediglich Spielzeug, als stünde er Meilen über ihren Niederungen. Verstehst du jetzt, warum ich einen ziemlichen Schrecken bekomme, wenn ich höre, dass du Cedric Kalteis vor der Nase hattest, diesen Obermanipulator, dieses machtgeile Sexmonster, wo du garantiert voll sein Typ bist! So unberechtigt es ist, aber bei Cedric Kalteis bekomme ich Gänsehaut!“ Kunibert war sicher, dass sein Mund so weit offen stand, dass ein Zug ihn leicht mit einem Alpentunnel verwechseln konnte. Cedric, die kleine, traumatisierte Giftspritze – sowas? Rückwirkend wurde ihm einiges klarer. Cedrics Schuldgefühle… die Ähnlichkeit zu seiner kalten Mutter… das Bestreben der Familie, den Skandal unter den Tisch zu kehren… Wenn sogar Jakob von Cedrics Verhalten in der Subkultur wusste, der nie zur Aufreißer-Fraktion gehört hatte - bis zur jüngsten Krise, in der er das anscheinend hatte nachholen wollen - wie mochte das auf Cedrics großbürgerlichen Hintergrund gewirkt haben? War das alles nur Fassade, alles nur Gerücht? Wer war Cedric… gewesen, jetzt? Cedric selbst hatte ja davon erzählt, als die Angst vor dem Dunklen ihn eingeholt hatte, aber der Bezugsrahmen und die Relationen seines Treibens waren Kunibert sehr diffus geblieben. Auch jetzt waren es nur Schemen, aber – Cedric hatte anscheinend nicht übertrieben. Er räusperte sich und meinte: „Der Cedric Kalteis, den du da beschreibst, ist nicht der, den ich kennengelernt habe. Da war nichts mit Sexbombe oder machtgeil. Und er hat auch nicht die Spur irgendeines intimen Interesses an mir auch nur angedeutet“, stellte er klar. „Vielleicht ist das doch ein anderer?“ überlegte Jakob. „In diesen französischen Stinkereich-Sippen gibt es ja häufig Namen, die mehrfach verwendet werden, weil sie irgendwie zur Tradition gehören? Vielleicht ein Cousin oder so?“ Nein, wohl eher nicht. Es gab nur einen Cedric Kalteis. Aber er konnte Jakob auch nicht von dem erzählen, was Cedric da durchlitten hatte und durchlitt. Das käme ihm vor wie ein leichtfertiger Vertrauensmissbrauch, auch wenn sein eigenes Vertrauen in Jakob keine Risse hätte. Aber es ging niemanden etwas an, was er erfahren und was Cedric ihm anvertraut hatte. Kunibert schüttelte den Kopf. „Glaube ich nicht… Aber das Leben scheint er hinter sich gelassen zu haben“, sagte er bestimmt. „Okay“, nickte Jakob. „Sollen wir… umräumen…?“ fragte er vorsichtig. Kunibert seufzte in sich hinein. Es wäre so leicht, das jetzt einfach vom Tisch zu wischen, und ins gemeinsame Bett zu kriechen, endlich wieder den Bedürfnissen seines Körpers freien Lauf zu lassen, es war so lange her… Und in Cedrics Gegenwart hatte er sich stetig darauf konzentriert, Gedanken in die Richtung zu bändigen. Aber wenn er sich notgedrungen dann im stillen Kämmerlein doch einen runter geholt hatte, waren es nicht Jakob gewesen, an den er gedacht hatte oder Cedric, sondern irgendwer. Irgendwer ohne Geschichte, ohne Probleme, der sich mit dem Erreichen des Gipfels in Staub auflöste. Kein Mensch, nur eine leere Fantasie… Waren die ganzen Kerle das für Cedric gewesen? Vielleicht… auch. „Ich bin echt alle“, gestand er. „Können wir das Morgen machen? Ich kann auf dem Sofa schlafen.“ „Lass mal“, lehnte Jakob ab. „Du hast eine anstrengende Fahrt hinter dir. Nimm das Bett. Ich habe Morgen frei in der Bank, da haben wir dann Zeit.“ „Okay, danke“, murmelte Kunibert und fühlte sich plötzlich so erschöpft, als habe ihm jemand Bleikugeln an die Gelenke geschmiedet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)