Herz aus Stein von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 8: Ein echter Schocker ------------------------------ VIII. Ein echter Schocker „Es ist Besuch für Sie da“, informierte ihn die Krankenschwester äußerst vorsichtig ihre Nase in sein Krankenzimmer reckend, als laufe sie in Gefahr, dass er sie ihr dann abbeißen werde. Sicher, er war ja der mit der Klatsche in dem sauteuren Einzelzimmer, da kam er endlich mal wieder so ordentlich zum Prassen wenn schon kein Armani. Zumindest das Problem hatte er nicht, die Portokasse war dick gefüllt, wenn die Wirtschaftswelt nicht durchdrehte, hatte er für sein Leben ausgesorgt, ohne auch je einen Finger dafür krumm machen zu müssen, Opas Erbe inklusive der Konten, Wertanlagen und Pachteinnahmen sei Dank. Wenn schon verrückt, dann mit Stil. „Ich will niemanden sehen“, informierte er sie möglichst gelangweilt. War garantiert seine Mutter – und die wusste haargenau, dass er sie nicht rein lassen wollte. Mondän, wie sie war, hatte sie ihn in seiner Kinder- und Jugendzeit Horden von amerikanischen Au pair-Mädchen überlassen, bis es Zeit fürs ritualisierte Gute Nacht-Küsschen gewesen war. Sie war ja schließlich keine Rabenmutter, sondern ganz innig mit ihrem Sohnemann… Oh, sie hatte ihn in der Tat gelehrt zu leben, allerdings nicht, auf die Fresse zu fallen, das war im Plan nicht drin. Dennoch hatte sie sich um ihn bemüht, auf ihre Art… aber auf ihre Art konnte er verzichten, erinnerte sie ihn doch ziemlich unangenehm an seine eigene. Und er war nicht mehr Mamas Mini-me, aus die Maus. Die wollte ihn garantiert wieder damit auf den Ohren liegen, dass er in die Psychiatrische solle, aber das war völlig sinn- und zwecklos – außer, dass es sich „so gehörte“, wenn man durchgedreht war. Irgendwie liebte sie ihn wohl schon, was das in ihren Kreisen eben so bedeutete… schrieb ihm immer stur diese ungeöffneten Briefe… und würde niemals damit aufhören, niemals. Wenn sie ihn liebte, dann ließe sie ihn in Ruhe, er wollte nicht zurück und die Regeln von einst waren ihm schnuppe. Dann hatte sie eben einen beknackten Sohn, dessen unmoralischer Lebenswandel ihn in einen – mental – zotteligen Einsiedler verwandelt hatte, das würde sie schon mit Haltung ertragen wie eben … alles, auch wenn es ausnahmsweise mal nicht nach ihrer Nase lief. „Der Herr da draußen sagt… also er sagt…“, holte ihn die Krankenschwester stotternd wieder in die Gegenwart zurück. Herr? Wie… Herr? War sein Vater etwa auch da? Oder Etienne? Oh bitte nicht auch das noch… Gepriesen seien die Erfinder abschließbarer Türen und der Krankenhausregeln. Das war das Letzte, das er mit seinem verpflasterten Brummschädel jetzt noch brauchte. Die hatten ihm stellenweise die Haare abrasiert, um ihn nähen zu können, er sah aus wie ein sehkranker Mönch… War auch egal, nur fürs Protokoll… „Was?“ würgte er hervor – ihm war immer noch übel, wenn auch nicht mehr chronisch zum Kotzen. „Also… er sagt… er habe ihr Grundstück für Globetrotter-Touristen frei gegeben, Teile davon zur Kuhweide umfunktioniert, feiere in ihrem Vorgarten Grillpartys mit Pferde-Tussis und Möchtegern-Druiden und habe die Steine von Graffiti-Künstlern verschönern lassen. Und zwar alle“, quetschte sie ängstlich heraus. Zu recht. Die Überbringer schlechter Neuigkeiten lebten traditionell gefährlich. Aber dennoch atmete er auf. Das war nur dieser blöde Heini von Lerchenfels, das ging ja noch, der hatte mit alledem immerhin herzlich wenig zu tun. Was wollte der denn? Dass er sich jetzt bedankte oder was? Wäre ja nicht ganz unverdient, ohne Lerchenfels hätten ihn jetzt wahrscheinlich schon die Hasen gefressen. Hasen? Fraßen die Aas? Zombie-Hasen garantiert. Zombie-Hasen… er war echt verrückt… aber zumindest in diesem Grad war er es wahrscheinlich schon vorher gewesen. Oder wollte der nur wieder etwas wegen seiner Kack-Steine? Hatte seine Mutter ihn etwa vom Grundstück gejagt? Zuzutrauen wär’s ihr. Aber das war sein Grundstück – und nicht ihrs. „Okay“, murmelte er. „Schicken Sie ihn rein.“ Die Krankenschwester schaute zwar verblüfft, aber spurte brav. Lerchenfels kam kurz darauf einmarschiert, recht geschmeidig für so einen Kasten von Mann, was ihn Cedric auch nicht wirklich sympathischer machte. „Hier!“ verkündete er und hielt Cedric ein ziemlich schiefes, buntes Bündel entgegen. „Das gehört sich doch so!“ Cedric starrte ihn wortlos an. Dieser Scheißer hatte ihm Blumen mitgebracht. Und nicht irgendwelche Blumen, nein, seine Blumen aus seinem Garten alias Steinfeld, eigenhändig ausgerupft, die armen Dinger. Ein Florist war an Lerchenfels definitiv nicht verloren gegangen. Aber immerhin rochen sie… nach zu Hause. Munter griff sich Lerchenfeld eine Krankenhaus-Vase – eventuell war das gar keine Vase… - goss Wasser aus dem Waschbecken im Bad in das Gefäß und stopfte seinen „Strauß“ hinein wie die Katze in den Sack. Wirklich ein ideales Geschenk für ihn, sie spiegelten seinen Zustand perfekt wieder, nur dass sie nicht kotzen konnten. „Danke“, murmelte er. „So etwas Scheußliches und Geklautes hat mir noch nie jemand geschenkt…“ „Aber gerne doch!“ strahlte Lerchenfels. „In Anbetracht der Tatsache, dass ich erst vor ein paar Tagen mit Volldampf gegen einen Menhir gebretzelt bin, wäre ich dankbar, wenn Sie sich kurz fassen würden“, würgte er heraus. „Klaro!“ nickte Lerchenfels und machte mal wieder einen auf tumber Barbar, aber die Nummer kaufte er ihm nicht mehr ab. „Wer kümmert sich eigentlich um Sie, wenn man Sie hier wieder rausschmeißt?“ fragte er freundlich. Cedric kniff die Lippen zusammen. „Ich komme allein klar, ich bin nicht drei!“ zischte er, so gut es sein Zustand erlaubte. „Sie sind ein wahres Wunder der Natur! Also mich hat vor zwei Jahren ein Pferd abgeworfen, dass ich einen Doppelsalto rückwärts gemacht habe – allerdings war die Landung nicht ganz olympiaverdächtig. Ein Shire-Horse, aber das ist Ihnen wahrscheinlich schnuppe. Jedenfalls mochte es mich nicht. Da hatte ich so ziemlich das, was Sie jetzt haben – mit dem Unterschied, dass ich zu Hause wen hatte, der mir etwas zu essen gemacht hat und notfalls den Arzt rufen konnte, wenn es kritisch geworden wäre.“ „Ihren untreuen Liebsten?“ presste Cedric hervor. Pfft… Treue… Heten-Gewäsch… aber er hatte gut reden, ihn ging das nichts mehr an. „Was wollen Sie überhaupt von mir?“ „Damals war er das noch nicht. Aber ich“, begann Lerchenfels zögerlich, während er brav schön weit weg blieb, „hatte das Vergnügen mit Ihrer Mutter.“ Cedric seufzte. „Sie hat kein Recht, Ihnen den Zugang zum Feld zu verwehren – genauso wenig wie ich…“, hob er an. „Nein, das ist es nicht!“ unterbrach ihn Lerchenfels. „Ich… muss völlig beknackt geworden sein… aber… Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie… dass sie Sie… nicht da lassen will, wo sie sein möchten. Auf ihrem Feld…“ Cedric schloss innerlich stöhnend die Augen. Eine weitere Woge des Kopfschmerzes klatschte über ihm zusammen. Seine Mutter hatte wirklich keine Zeit verloren. So direkt hatte sie das Lerchenfels garantiert nicht gesagt, aber sie war wohl deutlich genug gewesen, dass dieser eins und eins zusammen gezählt hatte. Und das konnte nur eines bedeuten, seine Mutter verplapperte sich nicht sinn- und zwecklos: Sie hatte Lerchenfels für ihre Ziele einspannen wollen. Ein Unbeteiligter, der vor Gericht bestätigte, dass er völlig verrückt und hilflos und latent gefährlich sei… perfekt, um ihm ihren Willen aufzuzwingen. Aber statt einen Deal zu machen, war Lerchenfels hier angedackelt gekommen… Warum? Um ihn in eine Falle zu locken… blöde irrationale Angst… Lerchenfels hätte ihn schon tausend Mal fertig machen können, keiner hätte es gemerkt. Vielleicht hätten sich die Leute im Dorf ein wenig gefragt, warum Kalteis nicht mehr über sein Feld lief, aber die hätten wahrscheinlich gefolgert, dass er abgedampft oder einer weiteren irren Idee gefolgt war… Stattdessen hatte ihn Lerchenfels artig ins Krankenhaus geschafft. „Das geht Sie doch alles gar nichts an!“ stemmte sich Cedric dagegen. Am besten sollte er jetzt die Schwester rufen und diese blonde Heimsuchung raus schmeißen lassen… Was mischte der sich ein, bitteschön? War doch nicht sein Bier. Und der trank garantiert nur Bier. „Stimmt. Tut es nicht“, gab Lerchenfels zu. „Aber… Ich weiß nicht, es stinkt mir, wenn jemand gegen seinen Willen zu etwas gezwungen werden soll. Ich habe ja eigentlich keine Ahnung… aber Sie kommen mir nicht wie jemand vor, der das nicht selber entscheiden kann, oder? Wenn sie auf ihrem Feld sein wollen, dann können Sie das doch machen… Vielleicht begehe ich hier auch gerade eine Riesendummheit… Aber ich kann nicht einfach danebenstehen…“ Cedric musterte ihn misstrauisch. Die blauen Augen waren auf ihn gerichtet und sahen ihn zögerlich an. „Was wollen Sie?“ fragte er erschöpft. „Ich… naja, ich brauche ja jemanden für die Vermessungen…“, murmelte Kunibert. „Und Sie haben den Dreh echt raus.“ „Das ist doch Blödsinn! Sie brauchen mich kein Stück! Sie tun das nur, weil Sie anscheinend wirklich so beknackt sind, wie Sie es gerade erläutern! Ich will kein Mitleid!“ protestierte Cedric, Übelkeit in sich aufwallen fühlend. „Tut mir leid… Ich meine das nicht herablassend… und Mitleid hat noch nie jemandem geholfen, das ist es nicht. Ich biete Ihnen meine Hilfe. Schieben Sie es auf egoistische Gründe: der wahnsinnige Wissenschaftler will eben weiter machen, wie wär’s damit? Oder schlechtes Gewissen: Ich nerve Sie wegen der Steine, da habe ich noch was gut zu machen?“ schlug Lerchenfels vor. Fassungslos starrte Cedric ihn an. Der war echt übergeschnappt, klarer Fall! Das brachte dem doch gar nichts, oder? Hilfe… erwuchs aus Verpflichtungen… und Lerchenfels war ihm in nichts verpflichtet. Heckte der irgendetwas aus? Aber was denn, das machte doch überhaupt keinen Sinn! Und außerdem… war der immer noch ein schwuler Riesenkerl… „Nein“, erwiderte Cedric und schloss die Augen. Lerchenfels atmete tief durch. „Ich… mache Ihnen Angst…?“ fragte er vorsichtig – statt einfach abzuhauen. Cedric kniff die Lippen zusammen und schwieg. Er wusste selber, wie irrational das war, Lerchenfeld hatte nichts getan, das das begründet hätte – eher in Gegenteil. Aber diese Erkenntnis brachte rein gar nichts. „Ich weiß… dass es egal ist, wenn ich das von mir weise… Das bringt nichts, oder…? Aber was wird aus Ihnen? Gibt es vielleicht jemand, dem Sie vertrauen, den ich rufen kann?“ fragte Kunibert. Cedric schüttelte erschöpft den Kopf. Sicher, sie würden kommen und ihm helfen – nach ihren Vorstellungen, nicht nach seinen genau wie seine Mutter. Und Etienne… das wäre noch unerträglicher als dieser fremde Typ da drüben. Aber das reichte nicht… „Sie… könnten doch eine Pflegerin bezahlen…?“ versuchte sich Kunibert weiter. Der Gedanke war ihm natürlich auch schon gekommen. Aber das wäre wie ein Eingeständnis. Schlimmstenfalls wartete seine Mutter nur darauf. „Ich will niemanden“, sagte er dumpf. Lerchenfels atmete tief durch. „Kalteis… Wenn Sie alle Hilfe verweigern, liefern sie nur Munition für die Kanonen derer, die Sie von Ihrem Feld jagen wollen. Und Sie riskieren ihre Gesundheit, Ihr Leben, wenn nachts etwas ist und Sie es nicht schaffen, Alarm zu schlagen oder so…“ Dieses Arschloch! Dieses dämliche Wildblumen klauende Arschloch! Wenn er nicht so verflucht Recht hätte! Er war im Eimer, er musste das Bett hüten, und es konnte immer etwas sein, bei dem er es nicht zum Telefon schaffen würde… und wenn, dann würden wieder Fremde kommen… in sein Heim… und er wäre noch hilfloser… und die Klapse wäre nicht mehr fern… Was sollte das? Was kümmerte den das so sehr? Die Befindlichkeiten Fremder waren doch egal… so hatte er es immer gehalten… und siehe, wohin ihn das geführt hatte. War das so einer, über den Etienne und er sich früher kringelig gelacht hatten…? „Ich will nicht in die Anstalt. Und ich will auch nicht verrecken. Alles, was ich will, ist endlich wieder meine Ruhe!“ stellte er so beherrscht dar, wie es ging. „Und ja, Sie haben Recht, Sie machen mir zuweilen Angst – wenn Sie nicht gerade in Scheiße fallen – und das ist nicht besonders logisch, denn Sie haben mir nichts getan nach landläufiger Auffassung. Aber… Sie wissen ja, mir ist etwas passiert… Etienne hat es ja laut und deutlich übers Feld gebrüllt, als Sie ihre Lauscher offen hatten, und meine Mutter hat das bestimmt auch nicht übergangen. Und das waren… ganz „normale“ Leute… Männer… von Ihrem Kaliber, wenn auch nicht ganz so. Nicht Sie. Aber wie Sie. Sie erinnern mich an Sie. Ich kann das nicht…“ „Das waren… Fremde?“ fragte Lerchenfels vorsichtig. „So halbwegs“, murmelte Cedric. „Ich kannte sie… oberflächlich…“ „Mmm…“, überlegte Lerchenfels. „Dasselbe trifft wohl auch auf mich zu… Ich kann nun mal nicht schrumpfen… Aber ich kann… was fänden Sie witzig?“ „Was?!“ fragte Cedric verdattert. „Sie fanden es doch saukomisch, als ich in die Scheiße gedonnert bin. Was fänden Sie noch komisch?!“ wollte Lerchenfels wissen. „Weiß nicht…“, nuschelte Cerdric planlos. „Ich bin eigentlich nicht so der Slapstick-Fan…“ „Na kommen Sie… Schadenfreude ist doch die beste Freude… Warten Sie… können Sie das?“ meinte Lerchenfels, fing plötzlich fürchterlich an zu schielen und parallel mit den Ohren zu wackeln. Der war wirklich vollkommen bescheuert… Himmel… sah das Scheiße aus… der wollte ihn doch nur ködern, damit er sich in Sicherheit wiegte… Aber das war doch Quatsch, die anderen hatten ihn einfach rückwärts in ein Auto gezerrt und ihn gefesselt, und Lerchenfels hatte auf dem Feld tausend Möglichkeiten gehabt… solange der Auslöser nicht kam… und den durfte er nicht bieten, nie wieder irgendwem… dennoch… die schiere Präsenz des anderen… „Bringt nicht viel, oder?“ fragte Lerchenfels, wieder geradeaus guckend. „Geht so“, murmelte Cedric. „Ich bin doch sowieso da… auf dem Feld“, grübelte Lerchenfels. „Kann ich nicht irgendetwas machen…? Was wäre… wenn Sie die Oberhand hätten…?“ „Häh?“ fragte Cedric ratlos. „Wenn Sie wüssten, dass ich Ihnen nichts kann… nicht bloß theoretisch, sondern praktisch?“ puzzelte Lerchenfels weiter. „Wie zum Geier soll das denn gehen?“ fragte Cedric irgendwo zwischen der Erkenntnis, dass der andere ihm an Wahnsinn graduell offensichtlich in nichts nachstand, und einem Hauch von Neugierde. „Naja… würde es Sie beruhigen, wenn Sie mir eins verpassen könnten, wenn Sie das für angemessen hielten?“ brütete Lerchenfels weiter. Cedric war versucht zu lachen, aber davon würde ihm schlecht werden. „Sicher, ich lasse mich zum Ultimate Fighting-Champion ausbilden über Nacht, kein Problem. Mir ist sowieso gerade total nach Training…“ „Nein, das meine ich nicht. Aber ich könnte was basteln… sowas kann ich gut… ein Knopfdruck von Ihnen und ich bekomme einen Schlag?“ schlug Lerchenfels allen Ernstes vor. „Wer sind Sie? Dr. Mabuse? Das ist doch völlig hirnrissig!“ stellte Cedric klar. „Würde es denn helfen?“ fragte Lerchenfels. „Öh… na ja… Sind Sie Masochist oder so…?“ erwiderte Cedric, allmählich das Gefühl habend, in einem völlig irren Schwank gelandet zu sein. „Nein. Und wenn Sie das nutzen sollten, um mit mir „Greenhorn spring!“ zu veranstalten, kann ich immer noch abhauen. Aber wenn Sie… Probleme mit meiner physischen Präsenz haben, dann wäre das vielleicht eine Möglichkeit…?“ blieb Lerchenfels weiter auf Kurs. „Sie sind ja völlig des Irrsinns!“ protestierte Cedric. „Und was ist, wenn ich schlafe und Sie deswegen zeitweise nicht rösten kann?!“ „Wir könnten etwas Offizielles hinterlassen, dass jemand informiert ist, dass ich mich um Sie kümmere? Der das regelmäßig kontrolliert, dass alles in Ordnung ist… ein Anwalt oder so, der regelmäßig angerufen wird? Okay… die absolute Sicherheit lässt sich so auch nicht erzielen, aber die gibt es nicht im Leben…“, sann Lerchenfels weiter. Cedric konnte ihn nur anglotzen. Der meinte das ernst. Er kannte sich wirklich aus mit Lügnern und Leuten, die ihn bequatschen wollten – aber der da meinte diesen ganzen Schwachsinn wirklich ernst. Von welchem Planeten kam der bitteschön?! Das war seine Alternative zur familiär verordneten Klapse?! Was hatte er dem Schicksal bloß getan… Lerchenfelds Aussehen schlug genau in die Kerbe… sein Verhalten weniger, das passte irgendwie zu gar nichts, das Cedric kannte. Klar denken… was war schlimmer… Anstalt oder der da… Anstalt war real, Lerchenfels im Killer-Modus weniger, aber das bekam sein Hirn nur partiell hin… Wer war Lerchenfels? Oder eher: Was war er? Konnte er das? Wäre es das Risiko wert…? Die Psychiatrische war eine konkrete Bedrohung, bei Lerchenfels war er sich nicht sicher, da kämpften Vernunft und Gefühl. Leute, die sich von ihren Gefühlen leiten ließen, hatten früher auch auf den ersten Plätzen seiner Spott-Liste gestanden, aber jetzt wusste er nur zu gut, wie das war. Er hatte diese alles beherrschende Panik und konnte sie nicht stoppen, wenn sie ausbrach. Lerchenfels hatte es bisher nicht fertig gebracht, ihn total ausrasten zu lassen, wessen Verdienst war das? Wenn er ihn doch immerhin irgendwie zu fassen bekäme… aber bei Lerchenfels passte irgendwie nichts so recht zusammen, zumindest so, wie er das kannte. Konnte natürlich sein, dass Lerchenfels auch eine Störung hatte – der mit seinem Steine-Fetischismus… aber auf jeden Fall war er damit bisher wohl durch gekommen. Aber wenn er das zuließe, würde er ihn mehr oder minder an sich heranlassen müssen… Er würde in Reichweite sein müssen, falls etwas wäre… Er konnte ihn schlecht im Keller einsperren – oder sich – das würde im Ernstfall ziemlich kontraproduktiv sein… Jemand in seinem Haus… der da… war der so ein Ich-Kämpfe-für-die-Gerechtigkeit-Supergermane oder ein Ich-hau-dich-ganz-besonders-raffiniert-in-die-Pfanne-Supergermane? Weder Gefühl noch Verstand kamen da zu Schlussfolgerungen. Er sah zu ihm hinüber. Lerchenfels stand ruhig da und musterte seinen Horror-Strauß. Cedric räusperte sich. „Ich… weiß nicht“, sagte er wahrheitsgemäß. „Ich will das nicht, aber ich habe auch gerade nicht die Wahl zwischen Nektar und Ambrosia. Vor allem weiß ich nicht, ob ich das kann – ihre Irrsinnsvorschläge mal zur Seite lassend.“ Lerchenfels nickte. „Denken Sie drüber nach. Ich gebe Ihnen meine Handynummer, dann können Sie mich erreichen, wenn Sie zu einer Schlussfolgerung gekommen sind, oder ich noch irgendetwas anderes für sie tun oder organisieren soll.“ „Okay“, nuschelte Cedric und sank benommen in die Kissen, als der andere endlich wieder durch die Tür trat. ………………………………………………………………………………………………. Kunibert konnte nur über sich selber den Kopf schütteln, während er die Krankenhausgänge in Richtung Ausgang durchschritt. Was tat er da eigentlich? Sich einmischen… aber leider tat er das gerne, war ja nicht das erste Mal, dass er irgendwo die Nase hinein steckte, das ihn direkt nichts anging, das er aber dennoch nicht einfach ignorieren konnte. Kalteis mochte zwar auf den ersten Blick eine ziemliche Giftspritze sein, aber ihm war Unrecht widerfahren… und jetzt sollte es wieder geschehen, indem man ihm noch das wenige nahm, das er noch hatte. Eine Therapie oder so dürfte ihm vielleicht wirklich guttun, aber darüber musste er doch selber entscheiden, so daneben war er doch nicht, dass er das nicht konnte? Oder maßte er selber sich hier etwas an, weil er das gar nicht beurteilen konnte? Doch eines wusste er schon: helfen konnte man nur dem, der auch Hilfe wollte. Kalteis in irgendeine Anstalt zu stecken würde da wohl gar nichts bringen – und er tat ja niemandem etwas dort auf seinem Feld, konnte sich sehr wohl selber versorgen, wenn er nicht gerade krank war… Aber das galt für viele Menschen, nicht nur für die psychisch lädierten. Sicher wäre das kein Herkulesakt für ihn, ein Auge auf den anderen zu haben und ihn ein paar Tage zu versorgen, schließlich hing er sowieso da rum. Doch für Kalteis dürfte es das sehr wohl sein. Da half es wahrscheinlich gar nichts zu beteuern, dass er keine Gefahr darstellte – warum sollte Kalteis ihm das schon abnehmen? Das war wahrscheinlich keine Frage der Logik, sondern des Vertrauen-Könnens, und um das schien es bei Kalteis nicht gerade gut bestellt zu sein. Mehr als das, was er gerade tat, konnte er wohl nicht machen. Es ihm anbieten… Himmel, war er bescheuert geworden…? Was hatte ihn geritten, dass mit dem Elektroschock-Teil vorzuschlagen? Irgendwie war er so in der Sache drin gewesen, dass es aus ihm heraus geblubbert war. Vielleicht wäre es doch besser, wenn Kalteis ihn zur Hölle jagte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)