Sommerreise von DMC_Monkey (Sturkopf sucht Zuflucht) ================================================================================ Kapitel 1: "Verständnislosigkeit" --------------------------------- "Verständnislosigkeit" „IHR SEID DIE REINSTEN RABENELTERN!“ brüllte ich vom Treppenabsatz hinunter in den Flur. Es war so ungerecht! Erst schworen mir meine Eltern bei allem was ich tat Verständnis und dann meinten sie ich sollte in die Therapie gehen?! Verdammt, ich war schwul und nicht krank! Ich wusste auch nicht das Homosexualität ansteckend oder gar heilbar war. Warum konnten meine Eltern das nicht verstehen? Ich rannte in mein Zimmer, schmiss die Tür heftig zu und blieb dann stumm in meinem Zimmer stehen. Mein Blick glitt durch den Raum und ich hob meine Hände um mir mit ihnen fahrig durchs Haar zu streichen. Ich konnte meine Eltern hören, sie schrien sich gegenseitig laut an. Wahrscheinlich diskutierten sie jetzt aus wer der Beiden die meiste Schuld daran trug das ich anders war. Das konnte doch nicht wahr sein?! Träumte ich vielleicht schlecht? Bis vor einer halben Stunde war ich noch fest davon ausgegangen bei meinen Eltern auf Verständnis zu stoßen und nun? Alles kaputt und sicherlich hassten sie mich jetzt. Warum musste ich auch auf Jungen stehen? Konnte ich nicht normal sein?! Ich spürte wie sich meine Augen mit Tränen füllten und kurz darauf fand diese salzige Suppe ihren Weg über meine Wangen. Ganz toll. Musste ich jetzt noch so schwul heulen? Ein zucken durchfuhr meinen Körper als ich schnelle Schritte im Flur hörte, sie schienen die Treppen hoch zu kommen. Beinah reflexartig wand ich mich um zu meiner Zimmertür und griff nach dem Schlüssel. Rechtzeitig, denn kaum hatte ich diesen herumgedreht und mich in meinem Zimmer eingeschlossen rüttelte schon jemand an meiner Türklinge. „Fabian! Komm raus, ich will darüber noch einmal vernünftig reden!“ hörte ich die Stimme meines Vaters, es hörte sich so an als wäre er heiser durch das ganze Geschrei mit meiner Mutter. Zumal er komplett ruhig klang. „NEIN!“ mein Sturkopf war allerdings stärker und ich brüllte gegen die geschlossene Tür „ICH HASSE EUCH! GEHT ALLE WEG! IHR SEID NICHT MEHR MEINE ELTERN!“. Ich konnte mir denken, dass ich ihnen schon ein wenig Unrecht tat. Wenn ich mit der jetzigen Situation nicht einmal wirklich zu recht kam, wie konnte ich das von meinen Eltern verlangen? Dennoch stand der Entschluss für mich fest, ich würde jetzt sicher nicht mit meinem Vater darüber reden. „SCHREI MICH NICHT AN!“ brüllte mein Vater zurück „Lass ich mich von einem Kerl vögeln oder du?! Mach mich nicht für deine Scheiße verantwortlich!“ Ja, mein Temperament hatte ich definitiv von meinem Vater. „SIEHST DU! DU WILLST GAR NICHT ORDENTLICH REDEN!“ er machte mich wahnsinnig. Wohin sollte ein Gespräch führen in dem ich der Schuldige war? Ich konnte meine alten Herren schnaufen hören „Du hast bis heute Abend Zeit rauszukommen! Wenn nicht heble ich die Tür auf!“ drohte er mir gerade? Ohne weiter darüber nach zu denken hob ich mein Bein und trat gegen die Tür „ICH HASSE EUCH!“, mein Vater jedoch schlug dagegen „HÖR AUF MEIN HAUS ZU ZERSTÖREN!“. „Ich mach was ich will!“ pampte ich beinahe schon trotzig. „Fabian!“ „Ne nicht Fabian!“ „Duuuu!“ kam es drohend von der anderen seine der Tür und ich dachte dass mein Vater mich jetzt schon holen kommt. Aber nichts geschah, nur die unsicher Stimme meiner Mutter erklang „Thomas…bitte…lass ihn erst einmal….v-vielleicht kommt er ja wieder zur Vernunft…“ Da war es wieder! Wütend drehte ich mich weg und ging zu meinem Bett, ließ mich darauf fallen. Ich hatte das Gefühl einen riesigen Knoten im Magen zu haben. Was sollte ich jetzt nur tun?! Ich wollte nicht mit meinen Eltern reden und hier raus schon gar nicht. In die Schule musste ich ja jetzt Gott sei dank nicht, die Ferien waren wenigstens auf meiner Seite. Nur wohin? Das mein Vater mich hier zur Not auch mit harmloser Gewalt rausholte war mir durchaus bewusst und ich traute es ihm auch ohne weiteres zu. Hätte ich es ihnen doch bloß nie erzählt. Es wäre alles so viel einfacher. „Henny hatte mit ihren Eltern viel mehr Glück gehabt, als sie ihnen vor einem halben Jahr gestand bisexuell zu sein und ihre Freundin vorstellen wollte, es war alles okay gewesen. Klar ihr Vater ist erst einmal aus allen Wolken gefallen, aber sie haben kein einziges Mal die Worte krank oder Therapie in den Mund genommen. Warum war das bei mir so ein Problem, dabei waren meine Eltern doch angeblich so Tolerant. Jetzt wusste ich zumindest warum meine Familie kein Kontakt zu dem jüngeren homosexuellen Bruder meines Vaters hatte. Wie hieß der noch einmal…M-Mike…? Nein. Irgendwas ganz komisches…Mikel? Ach keine Ahnung, würde mir ja eh nicht weiterhel-. Moment mal! Ich hatte einen schwulen Onkel?! Auf einmal saß ich im Bett und schaute mich hektisch um. Hatte ich hier nicht irgendwo ein Fotoalbum von meiner Einschulung? Da war er doch da gewesen? Er war als Fotograph für meine Eltern tätig. Ich glaube es war sogar das einzige Mal gewesen dass ich ihm je begegnet war. Dennoch…auf meiner Glückwunschkarte…? War da nicht? Ich ging rasch zu meinem Bücherregal, hockte mich hin und begutachtete das letzte Fach. Hier waren einige Fotoalben. Viele wo einfach nur Fotos von mir und meinen Freunden waren. Und eines…genau! Meine Finger zogen ein Album mit dunkelblauem Umschlag hervor und mich prangten schon in großem silbernem Letter die Worte: Einschulung Fabian 2000 an. Ich machte es mir im Schneidersitz bequem und öffnete das Buch, blätterte es durch. Genau, das war er. Ein junger großer Mann mit blondem Haar und einem äußerst sympathischem Lächeln. Zudem er noch ziemlich jung aussah. Wann hatten seine Eltern ihn bitte rausgeworfen? War er überhaupt schon volljährig gewesen? Gruselig…ach nein. Stopp. Ich glaube ich hatte meine Großtante einmal darüber reden hören, dass er selbst gegangen ist. Dafür dass dieser Mann der Bruder meines Vaters war gab es in diesem Album kein Foto auf dem sie zusammen fotografiert waren. Mein Vater mochte ihn wohl wirklich nicht. Er erzählte ja auch nie von ihm. Irgendwann hatte ich dann die Seite gefunden auf der die Karte klebte. Ich öffnete die Karte und las sie mir durch. Ganz normale Wünsche die man so bekam zur Einschulung, nur die Unterschrift ließ mich stocken. Gut, ich wusste jetzt dass mein Onkel definitiv Mikey hieß – komischer Name – aber wer war Jake?! Sein Freund? Ich grinste leicht, hatte ja schon etwas Provokantes den Namen seines Freundes runter zu schreiben, wenn man wusste dass die Familie gegen diese Orientierung war. Er war mir gleich sympathischer. Vorsichtig begann ich die Karte abzupulen, denn wenn mich nicht alles täuschte war diese Karte mit Sicherheit…Ha! Ich hatte es doch gewusst. Auf der Rückseite stand der Name eines Fotostudios und der Inhaber war Mikey Witney. Ich musste schlucken, als ich las wo das Studio lag. Mein Onkel hatte das mit dem „Ich will so weit von dieser Familie weg wie möglich“ wohl sehr ernst genommen. Das waren bestimmt sechs Stunden Zugfahrt! Ich nahm die Karte und stellte das Fotoalbum zurück ins Regal. Ich weiß, abhauen war nicht die feinste Lösung, dennoch war es eine Lösung! Wahrscheinlich wären meine Eltern auch noch glücklich darüber! Ich will nicht einmal wissen wie meine ältere Schwester reagieren würde, wenn sie davon erfährt. Nun allerdings ab zur nächsten Frage…wie sah es mit dem Geld aus. Der Zug bezahlte sich ja nicht von alleine! Mit einem mulmigen Gefühl im Magen kramte ich meine Portmonee aus meinem Rucksack und als ich hinein schaute wurde das Gefühl nicht gerade besser. Nur dreißig Euro. Nicht gerade viel. Die Zugtickets konnte ich davon sicherlich nicht bezahlen. Und nun? Mein Blick glitt durch mein Zimmer. Es war eintönig und langweilig. Es hatte die typische Einrichtung eines Jugendlichen. Ein Bett, einen Schreibtisch – auch wenn meiner einen ziemlichen Durchmesser hatte -, eine Schrankwand, ein Bücherregal und in der Ecke gab es einen kleinen Tisch mit zwei Hocker. Alles in hellen Farbtönen. Meine Wand war in einem hellen türkis gestrichen und überall hingen Posten von irgendwelchen Bands an der Wand. Besonders von der Band „Trodat*“ – der Sänger war so verdammt geil! Zumal es ungewohnt ordentlich war für einen Jungen in meinem Alter. Wenn ich die Zimmer meiner Freunde sah, eines schlimmer als das Andere. Aber was soll’s. Mein Blick blieb an meinem Fensterbrett hängen…stimmt ja. Grinsend griff ich nach dem unschuldig aussehenden Sparschwein. Jetzt hab ich dich! Und ich werde dir nach harten fünf Jahren endlich das Leben nehmen müssen! Traurig…aber wahr. Ich griff nach einem ausgefransten Shirt das ordentlich über meinem Stuhl hin, wickelte das knallgrüne Porzellanschwein darin ein. Ruhe in Frieden! Mein Baseballschläger musste als Hammer herhalten. Zufrieden mit mir selbst und ausnahmsweise auch mit dem Sparzwang meiner Mutter, zählte ich die verschiedenfarbigen Scheine durch, dann das Kleingeld. Ich fand sogar noch ein fünf DM Stück. Konnte man die eigentlich nach elf Jahren immer noch in Euro umtauschen? Aber wie kam das überhaupt dort sein? Ich hatte das Schwein doch erst seit 5 Jahren und zu dieser Zeit gab es doch schon lange den Euro? Vielleicht sollte ich Henny noch einmal sagen, dass sie nicht immer irgendwelchen Mist in mein Schwein werfen sollte. Denn neben dem DM Stück waren auch noch Büroklammern, Sicherheitsnadeln und ein „Gegen Rassismus“ Button vorzufinden. Gut, jetzt brachte es eh nichts mehr – das Schwein war Tod. Am Ende hielt ich ganze 620,56 Euro in der Hand. Davon konnte ich glatt über sechs Mal zu meinem Onkel fahren. Allerdings hoffte ich es nicht zu müssen. Wieder war mir komisch zu mute. Was war wenn dieser Mikey gar nicht mehr dort lebte? Oder er mich gar nicht bei sich aufnahm? Oder ich bei dem Versuch aus meinem Zimmer zukommen von meinen Eltern erwischt werde? Und wie soll es generell weitergehen? Mein Kopf brummte, das reichte jetzt, ich durfte nur nicht zu viel darüber nachdenken. Ich würde jetzt sicher keinen Rückzieher machen! Mit einem Nicken stand ich auf, holte die Reisetasche unter meinem Bett vor. Es war beschlossene Sache! Einige T-Shirts, Pullover, Jeans und Shorts fanden ihren Weg in die Tasche. Mein Glätteisen, das ich von Henny zu meinem fünfzehnten Geburtstag geschenkt bekommen hatte würde auch mit mir reisen. Auch wenn ich es nie benutzte, es war quasi noch im Originalzustand. Ich denke dass meine beste Freundin es mir im Grunde auch nur geschenkt hat um sich bei mir zuhause die Haare zu glätten. Sie war eine kleine Egoistin. Aber ich hatte sie lieb! So, nun wurde noch mein Rucksack gepackt und das war es dann auch schon. Mein Zimmer verlassen um Zahnbürste und Sonstiges zu holen wollte ich nicht, ich hatte zu viel Schiss einem meiner überalles geliebten Eltern zu begegnen. Tief einatmend trat ich an mein Fenster heran. Sollte ich das jetzt wirklich tun?! Ich war doch immer so ein verdammter Angsthase wenn es um solche spontanen Aktionen ging. Gut, allgemein war ich nicht sonderlich mutig. Aber nein, ein Rückzieher war jetzt nicht drin! Ich würde nicht nachgeben! Meine Eltern hatten mich beleidigt und verletzt und ich würde ihnen sicher nicht so einfach verzeihen! Ich öffnete mein Fenster, warf meine Reisetasche auf das Dach unserer Garage. Erst hatte ich Panik, dass es zu laut gewesen sein könnte, als sich aber von drinnen nichts regte stieg ich mit meinem Rucksack auf dem Rücken hinterher. Hätte mir vorher keiner sagen können das es sich in engen Röhrenjeans scheiße klettern ließ? Fuck! Aber ich hatte es geschafft, erleichtert spürte ich Boden unter meinen Füßen – oder eher Ziegel. Wer war auch so blöd dem eigenen Kind das Zimmer direkt über der Garage zu geben? Für einen Moment hockte ich ruhig auf dem Garagendach, meine Eltern schienen immer noch in einer Diskussion über mich zu stecken. Aus dem geöffnetem Wohnzimmerfenster vernahm ich nur Wortfetzen wie: „Das kommt doch aus deiner Familie!“ oder „Du hast ihn verweichlicht!“ Hey! Ich war gar nicht verweichlicht! Nur weil ich auf mein eigenes Geschlecht stand hieß es noch lange nicht dass ich ein Mädchen war! Gut ich war jetzt nicht der größte und von Muskeln war auch keine Spur in Sicht – dennoch! Verärgert schnaufte ich und kletterte nun samt Gepäck von der Garage. Die werden noch ihr blaues Wunder erleben! Nach geschlagenen 32 Minuten hatte ich es endlich zu unserem Hauptbahnhof geschafft. Nervös stand ich in der Schlange der Deutschen Bahn und wippte nervös hin und her. Ich hatte noch keinen Anruf auf dem Handy gehabt, das hieß weder Mum noch Dad hatten mein Verschwinden bemerkt. Bis jetzt. „Junger Mann? Sie sind dran!“ rief mich die brünette Angestellte hinter dem Tresen zu sich. Ich schaute sie verwirrt an, hatte nicht bemerkt dass ich so lange in Gedanken versunken war. „T-Tut mir Leid…“ „Ach kein Problem“ sie lächelte mich freundlich an „Wie kann ich denn helfen“. „Ich hätte gerne ein Zugticket nach Hamburg…“ „Und für wann?“ „Ähm…heute?“ Ihr Blick traf auf meinem und irgendwie hatte ich Angst, dass man mir ansehen konnte, dass ich gerade von zuhause weglaufen wollte. Hatten meine Eltern es vielleicht doch schon bemerkt und überall in der Stadt Warnschilder aufgestellt? Nein, ich wurde einfach paranoid. Doch sie nickte nur. „Da hast du Glück, in bereits 15 Minuten fährt auf Gleis sieben ein IC ab. Willst du den nehmen?“ Ich nickte hektisch und sie lachte darauf leise. „Gut, das wären dann 45,00 Euro…willst du mit Rückfahrt?“ Rückfahrt? Wer wollte denn bitte zurückfahren? Ich schüttelte den Kopf „Brauch ich nicht…“ hoffte ich zumindest. Ich würde mit Sicherheit nie wiederkommen! Also gab ich der Frau das Geld und sie druckte mir das Ticket aus „Dann wünsch ich dir noch eine schöne Fahrt!“ ich nickte, warf noch einen Blick auf das Ticket, umsteigen musste ich nicht. Freude! „Danke…“ ich hob die Hand zum Abschied und verließ das Deutsche Bahn Center. Auf dem Gleis sieben angekommen, fuhr auch gleich der IC ein und erst jetzt bemerkte ich dass mein lauter Herzschlag wahrscheinlich jeder wild gewordenen Elefantenherde Konkurrenz machen könnte. Mir war schlecht. Aber trotzdem würde ich das jetzt durchziehen, es gab einfach kein zurück mehr. Ich weigerte mich und meine Eltern ekelten sich nun eh vor mir. Ich war ihr homosexueller Sohn. Wie toll. Ich stieg in den Zug ein, warf meine Reisetasche in eine Ecke und nahm darauf Platz. Also auf ins Abenteuer. ___________________________________________________ * Trodat, ist die Band aus dem FF einer Freundin Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)