Zum Inhalt der Seite

Konoha Side Stories

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Regenmacher 3

Rückblende: Kishio vor sechs Monaten.
 

Es war Morgen in Konoha. Nicht früher Morgen, aber auch nicht später Morgen. Irgendwas um Acht rum, also eine Uhrzeit, zu der die Frühaufsteher bereits lange bei ihren Beschäftigungen waren und die Spätaufsteher sich ein vorletztes Mal umdrehten. Eine tolle Uhrzeit, wenn man gerade schlief.

Kishio no Moeru lag nicht gerade im Tiefschlaf, aber er schlief zufrieden, gleichmäßig atmend und von angenehmen Zeiten träumend. Er sah gut aus. Sein Gesicht war voller Farbe und von einem seligen Lächeln geschmückt. Was immer er träumte, es musste sehr angenehm sein. Alles in allem hatte ihm die einwöchige Zwangspause gut getan. Auch die Erkenntnis, wem er die Zwangspause verdankte, hatte sich nicht in schlechter Laune wiedergespiegelt. Im Gegenteil. Familie war für Kishio nun vielleicht ein nicht mehr ganz so abstrakter Begriff.

Alles hätte so schön sein können, wäre das Schicksal nicht ein grausamer Geselle. Manchmal war er auch ein Bursche mit geradezu furchtbarem Humor. Dieser Humor schien es zu sein, der dafür sorgte, dass ein Paar Beine mit orangen Wadenwärmern neben Kishios Bett erschienen. Wadenwärmer, die übrigens dazu dienten, ein halbes Dutzend sehr schwerer Metallplatten zu fixieren. Der dazugehörige Körper gehörte einem Shinobi, den sicherlich nicht wenige zu einem nervenden Idioten erklärt hätten. Aber sicher nicht vor seinen Freunden und bestimmt nicht von Angesicht zu Angesicht. Jene, die ihn besser kannten, und nicht nur von den exzessiven Trainingseinheiten mit seinem Meister, hätten andere Worte benutzt wie strebsam, ausdauernd, ernsthaft, aber auch begeisterungsfähig und übertreibend. Nicht wenige, darunter auch Freunde, gaben offen zu, dass er ein echter Schmerz im Arsch sein konnte. Aber er war immer mit Feuereifer bei der Sache. Zu Kishios Pech auch heute.

"GUTEN MORGEN, KISHIO-KUN!", brüllte Rock Lee aus voller Kehle.

Kishio fuhr vom Futon hoch, stand beinahe, hatte sofort ein Kunai in der Hand und stieß es nach dem Hals des Konoha-Nin. Dieser jedoch blockte den wilden, ungezielten, instinktiven Stoß mit zwei Fingern der Rechten mühelos ab.

Kishio blinzelte, blinzelte erneut und sah den anderen an. "Oh. OH! Lee-kun. Du bist das."

Der selbsternannte grüne Wirbelwind Konohas nahm die Hand zurück und grinste ein Heldengrinsen. Fast hätte man sich nicht gewundert, hätten dabei seine Zähne aufgeblitzt. "Ich bin das, Kishio-kun."

Irritiert sah der junge Moeru den anderen an und ließ die Hand mit dem Messer sinken. "Himmel, was TUST du hier? Ich hätte dich beinahe getötet!"

Ein wenig beleidigt schnaubte Lee. "Nein, hättest du nicht. Du bist schnell, zugegeben, aber nicht schnell genug, um mich in deinem schlaftrunkenen Zustand zu überraschen."

"Was uns gleich zum Thema bringt, dessu ne? Wirklich, was tust du hier?"

"Dich wecken, Kishio-kun."

"Was, bitte?"

Lee holte tief Luft und wollte erneut ansetzen, aber der Junge winkte ab. "Schon gut, ich habe verstanden. Warum hast du mich geweckt?"

"Dein Sensei hat mich darum gebeten."

"Wer?"

Nun schien Lee irritiert. "Na... Dein Sensei... Mein Sempai... Mamoru-sempai."

"Mamoru-sempai?", wiederholte Kishio verständnislos. Dann schien es bei ihm zu klicken. "Ach, Niichan! Und warum lässt mich Niichan aus dem Bett brüllen?"

"War ich so laut? Entschuldige bitte, das tut mir leid. Sempai hat gesagt, ich soll sichergehen, dass du auch wach wirst, da habe ich wohl übertrieben."

"Ich glaube dir keine Sekunde, dass es dir leid tut, Lee-kun", brummte Kishio ärgerlich. "Jetzt bin ich wach. Was also will er von mir?"

"Er hat einen Auftrag für dich. Du möchtest bitte aufstehen, frühstücken und dir anhören, was er von dir will", sagte Lee lapidar. "Ich soll dir übrigens heute helfen."

"Er hat einen... Du sollst mir... Hä?"

Lee seufzte. "Wasch dich, zieh dir was an und komm in die Küche, Kishio-kun. Okay?"

Der junge Moeru atmete stoßweise aus. "Okay. Muss ich mich beeilen?"

"Nicht mehr als sonst auch", erklärte Lee süffisant.

"Na toll, das hilft mir jetzt weiter." Er suchte sich ein paar Sachen zusammen und verließ das Zimmer, um das Bad aufzusuchen.

Lee grinste ihm hinterher und ging wieder in die Küche.
 

Als Kishio in die Küche kam, fand er Yuriko, die er Onee-chan nennen durfte, beim Kochen vor. Lee und Kou-san saßen am Küchentisch und aßen Pfannkuchen. Mamoru-sama las, während er einen Tee trank, in der Tageszeitung.

"Morgen", sagte Kishio.

"Morgen", erwiderten die Männer.

"Guten Morgen, Kishio", sagte Yuriko. "Wie viele Pfannkuchen möchtest du? Es soll ein langer Tag für dich werden, habe ich gehört."

"Wird es das?", fragte er interessiert. "Vier, bitte."

Mamoru sah von seiner Zeitung auf. "Setz dich bitte, Kishio. Nur zu deiner Information, ich habe Shinpa-chan schon weggebracht. Und ich werde ihn nachher von der Therapie zur Arbeitssitzung mit Kawada Nanahara von der Chakraforschungsgruppe bringen. Und ich hole ihn wieder nach Hause."

Kishio nahm Platz und bekam bereits den ersten Pfannkuchen aufgetischt. "Danke, Onee-chan. Gibt es einen Grund dafür, Niichan, dass du meine Pflichten erfüllst?"

"In der Tat", erwiderte er und faltete die Zeitung ein. Er sah Kishio direkt an. "Du hast heute viel zu tun. Ich denke, du hast dich die letzten Tage gut genug erholt, sodass ich kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn ich dich herumscheuche. Aber ich finde, es wird höchste Zeit für dich, einige Dinge über Konoha zu lernen. Und über den Clan der Nara, dem du nun angehörst. Es könnte sich eines Tages als wichtig erweisen."

"Aha", sagte Kishio verständnislos, bedankte sich für den Tee, den Yuriko ihm einschenkte und begann den Pfannkuchen mit der Gabel zu bearbeiten.

"Ich habe mit Shinpachi gesprochen", sagte Mamoru bestimmt. "Er sagte, neben deiner Ausbildung im Feuer-Element, die mir obliegt, wird er deiner Ausbildung in den Künsten der Moeru den letzten Schliff geben, sobald er das wieder auf eigenen Beinen erledigen kann. Das heißt, du wirst deine Fähigkeit, mit Hilfe deines Chakras zu töten, verfeinern und vervollkommnen. Tsunade-sama ist sehr interessiert daran, dass das schnell geschieht. Nicht zu schnell, aber in einem vernünftigen Rahmen. Man hat mir zu verstehen gegeben, dass sich die ANBU für dich interessieren. Nachdem du etliche Anfänger traumatisiert hast, hat man einige Erwartungen in dich."

"So, habe ich das?", fragte Kishio frech. "Dann war es wohl ihre eigene Schuld."

"Meine Rede, meine Rede", seufzte Mamoru. "Ich habe ihnen gegenüber deutlich gemacht, dass deine Arbeit für sie und für das Verhörteam eine freiwillige Aufgabe ist und dass deine Pflichten mir gegenüber - also Shinpachi gegenüber - immer Vorrang haben. ANBU haben aber meist eine natürliche Arroganz, die durchschlägt, wenn sie ihre Masken tragen. Du warst noch arroganter. Das will einiges heißen, Kishio."

Verlegen sah der junge Mann auf. "Niichan, es ist ja nicht, dass..."

"Wie ich schon sagte, Kishio no Moeru, Shinpachi geht vor. Immer. Hättest du dich von ihnen gängeln lassen und wärst gesprungen, dann hätte ich schon vor Wochen einschreiten müssen. Schlimm genug, dass mir das im eigenen Haus nicht aufgefallen ist, aber das ist eine andere Geschichte." Er seufzte. "Auf jeden Fall haben die ANBU Interesse an dir, gerade an den sensorischen Fähigkeiten. Aber auch die Attentatseinheit erwartet einiges von deiner Kunst. Ich habe allerdings klar gemacht, dass die letzte Entscheidung bei dir liegt, und bei niemandem sonst. Du hast mehr als genügend Betätigungsfelder in Konoha. Du musst nicht unbedingt einer Elite-Einheit beitreten."

"Niichan, würdest du beitreten, wenn sie dich fragen würden?"

"Aber sofort", erwiderte Mamoru grinsend. "Nicht bei den ANBU-Ne, versteht sich. Ich hasse Geheimlogen inmitten von anderen Geheimlogen innerhalb einer Geheimloge. Aber die regulären ANBU wären eine Versuchung für mich. Leider habe ich mir diesen Weg verbaut, als ich mein eigenes Team angenommen habe. Ich bin noch mindestens bis zum Chunin-Examen meiner Genin quasi an diese Aufgabe gebunden. Nicht, dass ich mein Team dreizehn nicht auch jederzeit über eine Verwendung als ANBU setzen würde. Außerdem bin ich mittlerweile ein Anführer, und man sagt zu Recht, dass ein Anführer nur schwer wieder gehorchen lernt. Vermutlich macht es keinen Sinn, mir gleich eine ANBU-Einheit zu unterstellen. Und um den Job von der Pike auf zu lernen, bin ich wohl mittlerweile zu arrogant. Für dich jedoch besteht da Hoffnung."

"Aha."

Mamoru entfaltete die Zeitung wieder und sah hinein. "Jedenfalls habe ich dafür gesorgt, dass du den Rest des Tages nichts zu erledigen hast. Du kannst tun und lassen was du willst, und das in deiner eigenen Geschwindigkeit, solange du nur mit Lee meinen einzigen Auftrag erfüllst. Ich selbst werde heute damit beschäftigt sein, Team dreizehn zu überwachen. Sie haben eine C-Rang-Mission unter Führung von Mai-chan bekommen. Offiziell bin ich verhindert. Inoffiziell will ich sehen, wie sie sich schlagen."

"Oh", machte Kishio. "Da wäre ich gerne dabei, Niichan."

Mamoru lachte leise. "Wie gesagt, du hast andere Pläne.

Lee-kun."

"Jawohl!" Der junge Chunin zog eine Karte Konohas aus seinem Gürtel und legte sie auf den Tisch. "Kishio-kun, dies ist eine Karte Konohas und der Umgebung. Wir werden den Stadtwald, das Gebiet rund um die Mauer, den Außenwald und einige andere Orte erkunden, darunter den Medizinwald der Moerus."

"Aha. Und warum soll ich das machen?"

Mamoru sah wieder auf. "Vor allem, damit du weißt, wo du welche Tiere finden kannst, sobald Shinpachi mit dir trainiert. Du musst dazu Tiere töten, wenn du keine Menschen verwenden willst, oder?"

"Na-natürlich!", sagte Kishio hastig.

"Und du sollst sehr genau wissen, wo der Medizinwald ist. Wir Nara gewinnen dort eine bestimmte Sorte Chakragesättigtes Horn von Hirschen, das für diverse Medikamente verwendet wird. Nicht auszudenken, wenn ein Nara dort eines der Tiere tötet. Die Herde wäre in heller Aufruhr."

"Oh." Betreten senkte Kishio den Kopf. "Du meinst, dort sollte ich besser nicht üben?"

"Üben, ja. Deine Kunst, mit deinem Chakra zu töten, nein." Mamoru faltete die Zeitung klein und legte sie auf den Tisch. Er erhob sich. "Das ist dein einziger Auftrag heute. Lerne Konohas Wälder kennen. Es wird dir sicher auch mal guttun, wenn du aus dem Lärm der vielen Menschen rauskommen kannst, obwohl ich es lieber sehe, wenn du dich so schnell es geht dran gewöhnst. Aber jeder hat eine Pause verdient. Allerdings... Sollte etwas Wichtiges dazwischen kommen, was ich aber nicht glaube, oder sollte dir jemand eine wichtige oder zumutbare Aufgabe anvertrauen, musst du entscheiden, ob du sie annimmst oder nicht. Lee-kun wird dich in jeder Beziehung unterstützen, so gut er kann und dir auch Arbeiten abnehmen. Nicht?"

"Genau!", rief der Chunin. "Mit der Kraft der Jugend und dem Elan der Lebendigkeit werde ich dir zur Seite stehen, Kishio-kun!"

Der junge Moero legte den Kopf schräg und sah den anderen Shinobi irritiert an. "Äh, danke?"

"Wie auch immer, ich muss los. Lee-kun kommt vor allem mit, weil er ein Ortskundiger ist. Wenn du Fragen hast, wird er sie beantworten. Und studiere die Karte gut, Kishio. Ich will, dass du alle markierten Orte aufsuchst. Verstanden?"

"Verstanden, Sensei", sagte Kishio ruhig.

Mamoru klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. "Dann ist ja gut. So, ich muss los. Lee-kun, pass gut auf ihn auf."

"Geht klar, Sempai."

"Kou, ärgere meine Schwester nicht zu sehr."

"Die zufällig meine Verlobte ist", erwiderte der Hyuuga.

Mamoru grinste. "Yuriko-neechan, danke für das Frühstück."

Die ältere Schwester Mamorus ließ sich an der Hüfte umfassen und hauchte ihrem kleinen Bruder einen Kuss auf die Lippen. "Alles nur, damit du wenigstens eine gesunde Mahlzeit am Tag bekommst. Viel Spaß da draußen, Mamo-chan."

"Werde ich haben." Er winkte noch einmal ins Rund, dann verschwand er per Step.

Kishio sah kurz noch auf die Stelle, an der sein Sensei verschwunden war, dann warf er einen Blick auf Lees Karte. Die Stadt kennenlernen, Trainingsgebiete erkunden, das war wichtig. Nicht besonders wichtig, aber es musste getan werden. Definitiv.

"Das wird heute ein spaßiger Tag, Kishio-kun!", rief Lee enthusiastisch.

Der Moeru sah den anderen mit Zweifel im Blick an. "Zweifellos interessant."

***

"Oh, das wird so ein Riesenspaß!", rief Lee aufgeregt, als er neben Kishio das Haus der Morikubos verließ.

Der Blick des jungen Moeros hingegen drückte Skepsis aus. "Ich bin mir da nicht so sicher. Andererseits ist es ja mal schön, einen ganzen Tag zum Spazieren gehen zu haben."

"Ich habe schon Pläne für das Mittagessen gemacht. Magst du Barbeque, Kishio-kun? Ich habe uns einen Tisch reserviert. Ich lade dich ein."

Konsterniert blieb Kishio stehen. "Äh, danke? Aber ich habe eigenes Geld, Konoha bezahlt meine Dienste in Morinos Stab recht gut, und..."

"Darum geht es doch nicht", tadelte Lee. "Es war meine Idee. Und ich werde für meine Missionen auch sehr gut bezahlt. Außerdem würde es mir eine Freude machen zu sehen, wie du wie ein Scheunendrescher reinhaust, Kishio-kun."

Dies schien den Moeru zu amüsieren. "Nun, ich muss eine Menge essen, um meinen Chakra-Haushalt stabil zu halten, das ist wahr."

"Also ist das abgemacht!", rief Lee und klopfte dem Rothaarigen auf die Schulter.

Der versteifte sich für einen kleinen Moment, entspannte sich aber sofort wieder. Auf seinem Gesicht erschienen weder Abscheu noch Anspannung. "Also Barbeque. Einverstanden. Aber..."

"Kishio-kun, hast du mal eine Sekunde?", klang eine bekannte Stimme an sein Ohr. Es war der Clanchef Shikaku. Er hatte die Rechte halb angehoben, die Handfläche nach oben und bewegte die Finger vor und zurück. Wieder war der junge Moeru irritiert. Bis er sich daran erinnerte, dass diese Geste, die in den meisten Ländern bedeutete, dass jemand gehen sollte, in Konoha das Gegenteil hieß. Worte und Geste stimmten überein. Er sollte näher kommen.

Interessiert trat der Junge näher. Lee folgte ihm selbstverständlich.

"Kishio-kun", sagte der Veteran, "ich weiß, du hast heute frei. Aber kannst du für mich etwas erledigen? Ein Schriftstück muss zur Hokage. Ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du das für mich erledigen könntest."

Kishio zuckte mit den Achseln. "Nun, wenn es weiter nichts..."

"Einen Augenblick, Nara-sama", mischte sich Lee ein. "War das eine Bitte oder war das ein Befehl?"

"Wie bitte?", fragte der Mann mit dem Spitzbart irritiert.

"Nun", erklärte Lee, "Mamoru-sempai hat Kishio für den heutigen Tag sehr klare Anweisungen gegeben. Wenn es eine Bitte war, kann er sie ablehnen. War es aber ein Befehl, den Sie, Nara-sama, als Mamoru-sempais Clansherr an dessen Untergebenen Kishio ausgeben, dann muss er ihn ausführen."

Entgeistert starrte Shikaku den Jungen in der grünen Trainingsmontur an. "Du verlangst, dass ich einen Befehl daraus mache?"

"Dann war es eine Bitte? Kishio-kun, wir haben wirklich nicht den ganzen Tag Zeit. Wir..."

"Ja, verdammt, es ist ein Befehl!" Er drückte Kishio eine Schriftrolle in die Hand. "Es handelt sich um die Liste mit der Einsatzbereitschaft meiner Leute. Tsunade-sama braucht sie für das kommende Quartal, um die Annahme von Missionen zu planen. Bring sie ihr so schnell wie möglich. Danach habe ich keine Anweisungen für dich."

Der junge Moeru nahm die Schriftrolle entgegen. Ein unsicherer Blick traf Lee.

Der zuckte mit den Schultern und verschränkte beide Arme hinter dem Kopf. "Wenn es auch ein direkter Befehl des Clanchef der Naras ist..."

Kishios Hände schlossen sich um die Rolle. "Ich beeile mich."

"Wir beeilen uns", sagte Lee bestimmt.

"Äh... Danke", murmelte Shikaku.

"Dewa, Shikaku-ouji." Kishio nickte ihm zu und verschwand per Step. Lee folgte ihm auf dem Fuß.
 

Mit einigen schnellen Steps schossen die beiden Ninjas über die Stadt dahin. "Du bist wieder gut in Form, Kishio-kun", lobte Lee.

"So, findest du?"

"Ja. Bevor du deinen Zwangsurlaub angetreten bist, warst du reichlich blass um die Nase. Aber ich dachte immer, das wäre dein natürlicher Teint. Dass du einer von denen bist, die sich auch totarbeiten, wusste ich nicht."

"Wieso auch?", fragte Kishio amüsiert. Zumindest bis Lee zu grinsen begann und dem Moeru wieder einfiel, was für ein Trainingsfanatiker Rock Lee war. Und um ehrlich zu sein war der Mann vor ihm für seine Disziplin zu beneiden. Kishio grinste und nickte Lee anerkennend zu, der die Geste erwiderte.

Vor dem Hokage-Haus kamen sie aus dem Step. Ohne zu zögern traten sie ein und suchten das Büro der Hokage auf. Shizune-chan kam ihnen entgegen.

"Ah, Shizune-tono, yokatta", rief Kishio. "Kann ich dir diese Rolle von Shikaku-ouji mitgeben? Sie enthält die Einsatzbereitschaft des Nara-Clans."

Das schwarzhaarige Mädchen mit den Kurzhaarschnitt lächelte bestätigend. In ihren Armen trug sie wie meist das kleine Schwein der Hokage. "Sicher, Kishio-kun. Du brauchst nicht selbst reinzugehen. Genieße deinen freien..."

"KISHIO? SOLL REINKOMMEN!", blaffte Tsunade-sama laut genug, dass man meinte, man würde neben ihr stehen und nicht durch eine Tür und eine Wand von ihr getrennt sein.

Shizune sah die beiden Jungs betreten an. Mist, formten ihre Lippen lautlos. "Na, dann geht mal rein, Ihr zwei", murmelte sie und öffnete die Tür zum Büro.

Tsunade-sama erwartete die beiden, über einem Berg an Dokumenten brütend. "Kommt rein, es dauert auch nicht lange", murmelte sie und hob dabei den Blick nicht einen Moment.

Lee und Kishio bauten sich vor ihrem Schreibtisch auf, während Shizune ihren Platz neben der Hokage einnahm.

"Ich weiß, Kishio-kun, es ist dein freier Tag. Mamo-chan war hier und hat ausdrücklich darum gebeten, dass die ANBU und Morino-tono dich heute mit Arbeit in Ruhe lassen, außer der vierte Ninjaweltkrieg bricht aus."

Kishio pfiff kurz anerkennend. Zumindest bis er merkte, was er tat und den Pfiff eilig abbrach. "Das hat er getan?", fragte er schließlich, um den peinlichen Moment zu überbrücken.

"Ja, das hat er. Kam hier rein und hat tatsächlich von mir verlangt, dass ich mich an seine Anweisungen halte." Tsunade grinste. "Aber er hat ja auch Recht. Wir haben dich viel zu sehr gescheucht, Kishio-kun. Ich werde versuchen, im Auge zu behalten, dass man dir Luft zum Atmen lässt, egal wie wertvoll du für Konoha bist."

Kishio zögerte einen Moment. "Dafür danke ich, Hokage-sama." Er wechselte einen erfreuten Blick mit Lee, der ihn mit erhobenem rechten Daumen angrinste.

Tsunade sah auf. "Aber da du ja quasi selbst zu mir gekommen bist, wirst du mir ein paar Fragen beantworten. Und ja, das ist ein Befehl. Nur damit keine Missverständnisse aufkommen."

Lee, den Zeigefinger bereits erhoben, ließ ihn enttäuscht wieder sinken.

"Natürlich, Tsunade-sama", sagte Kishio schnell, um das Geschehen zu überspielen. "Frag, was du willst."

"Hm." Sie sah ihn an. "Kishio no Moeru, als du diese sechs Jahre da draußen im Nordwesten warst, hast du da je etwas von einer Gruppe namens Akatsuki gehört?"

Kishio wurde blass. Es war allgemein bekannt, wer sie waren, die Akatsuki. Welche Mitglieder sie hatten. Was ihre Ziele waren. Alleine der Gedanke, dass der hochtalentierte und brandgefährliche Itachi Uchiha für sie arbeitete, ein Mann, den zu vernichten die Oinin-Teams der ANBU bis heute nicht geschafft hatten, war erschreckend. "Natürlich, Tsunade-sama. Ich habe viel von ihnen gehört. Genug, um sie zu fürchten."

Tsunade nickte. "Hattest du da draußen je Kontakt zu ihnen? Haben sie dir zum Beispiel wegen deinem Kekkai Genkai je ein Angebot gemacht, ihnen beizutreten?"

Kishio versteifte sich. "Tsunade-sama, ich versichere dir, dass meine volle und alleinige Loyalität Mamoru-sama und damit auch Konoha gilt, und ich..."

"Das war nicht meine Frage!", blaffte sie. "Wage es ja nicht, dir meine Worte so zu verdrehen, dass du glaubst, ich würde dir nicht vertrauen." Ein warmes Lächeln spielte um ihre Züge. "Denn das wäre nicht wahr, Kishio no Moeru. Ich vertraue dir ebenso sehr wie Mamo-chan es tut."

Irritiert sah er die Hokage an. Aber warum dann diese Frage?

"Du fragst dich sicher gerade, warum ich dich das frage, nicht?"

Kishio und Lee nickten unisono.

"Nun, vielleicht, weil ich verzweifelt bin", sagte sie und seufzte. "Wir wissen, dass die Akatsuki aus einigen der besten und gefährlichsten Nukenin der größten Dörfer bestehen. Wir wissen auch, dass Iwagakure sie als Söldner anheuert und für sich Aufträge erfüllen lässt. Wir wissen aber bei weitem zu wenig, viel zu wenig über sie. Und deshalb quetsche ich jede Informationsquelle aus, die ich finden kann. Du bist in einem Gebiet gewesen, das ihrem vermutlichen Kerngebiet sehr nahe ist. Daher ist es nicht auszuschließen, dass du mit ihnen oder einem ihrer Untergebenen zu tun hattest. Oder zumindest etwas über sie gehört hast, was noch nicht meine Ohren erreicht hat."

Gut, das war schlüssig. Kishio legte den Kopf schräg und dachte nach. Dann begann er alles zu erzählen, was er hier und da mitbekommen hatte. Shizune setzte das Schweinchen auf dem Fußboden ab und schrieb eifrig mit, um es später mit den bekannten Daten abzugleichen.

"Begegnet bin ich nie einem von ihnen. Nur einmal hatte ich es mit einer Untergebenen zu tun", sagte Kishio, bei der Erinnerung plötzlich stockend. "Eine merkwürdige Person, die ein ungewöhnliches Jutsu beherrschte. Sie verwandelte sich in ungezählte Lagen Papier. Ich bin ihr nur dank meiner sensorischen Fähigkeiten nach einer sehr langen Hatz entkommen."

Tsunade sah interessiert auf. "Und? Was wollte sie von dir?"

"Was sie von mir wollte?"

"Ja, was wollte sie von dir?", fragte nun auch Shizune.

"Ja, was wollte sie von dir?", fragte Lee.

"Ich..."

"Ja?"

"Ich habe es vergessen", sagte Kishio, streckte mädchenhaft die Zunge zum linken Mundwinkel raus und deutete eine Kopfnuss an, um sich zu bestrafen.

Ein kollektiver Seufzer der Enttäuschung ging durch das Büro.

"Viele Worte wurden ohnehin nicht gewechselt. Sie hat ziemlich fix ihr Jutsu ausgepackt, um mich einzufangen. Und da sowas meinen Fluchtreflex auslöst... Nun. Ich habe sie seither nicht wiedergesehen."

"Über diese Person gibt es vage Berichte über Sichtungen, Tsunade-sama", sagte Shinzune.

Sie nickte. "Schade, ich hätte gerne mehr Details gehabt. Aber wenigstens wissen wir jetzt, dass sie ihren ganzen Körper in Papier verwandeln kann, nicht nur einzelne Lagen."

Die Hokage sah Kishio zufrieden an. "Ich denke, mehr kannst du uns im Moment nicht sagen. Aber wenn dir noch etwas einfällt, und wenn es dir noch so unwichtig erscheint, sag es mir oder Shizune. Was für dich unwichtig wirkt, kann für uns das entscheidende Puzzleteil sein, das wir benötigen."

"Hai, Tsunade-sama", sagte Kishio und verbeugte sich ansatzweise.

"Eine Frage noch, Kishio."

"Ja?"

"Fühlst du dich wohl in Konoha?"

Irritiert sah er die Hokage an. "Hai?"

"Gefällt es dir hier bei uns?"

"Oh. Ja. Ja, Tsunade-sama. Es gefällt mir sehr gut in Konohagakure. Alle sind sehr nett zu mir und Shinpachi. Und meine Arbeit wird sehr gewürdigt, das finde ich großartig. Jedoch..."

"Jedoch?"

Er lächelte verlegen. "Ich muss wohl noch lernen, mehr "nein" zu sagen. Ach, und es ist immer noch so laut hier. Sensorisch, meine ich. In einer Stadt, die so groß wie Konohagakure ist, prallen viel zu viele Eindrücke auf mich ein, wenn ich orte. Aber ich gewöhne mich daran."

"Das freut mich zu hören. Immerhin ist dies ja jetzt dein Zuhause", sagte sie mit Wohlwollen in der Stimme. "Danke für eure Zeit, Kishio-kun, Lee-kun. Ihr könnt jetzt gehen."

"Hai!" Kishio schlug die geballte Rechte in die offene Linke und verbeugte sich leicht. Lee verneigte sich steif ein wenig aus der Hüfte. Kurz darauf hatten sie das Büro verlassen. Bevor Tsunade-sama noch mehr einfiel.

***

Als sie den inneren Stadtwald erreichten, also jenen Teil, der auf der Innenseite der großen Schutzmauer stand, entspannte Kishio seine sensorischen Fähigkeiten und versuchte, seinem ursprünglichen Auftrag nachzukommen. Er scannte nach Tieren, die es hier gab und ordnete sie in Kategorien ein. Hauptsächlich hatte er es mit alltäglichen Waldbewohnern zu tun, aber es gab auch ein paar verwilderte Haustiere. In der Regel Hamster, aber auch ein paar Ziervögel, die eigentlich in wärmeren Gefilden beheimatet waren, sich hier aber doch recht gut zu machen schienen, da sie offensichtlich brüteten. Ein paar streunende Hunde waren dabei - und ein paar Katzen. Kishio grinste. Eine der Katzen kannte er sogar persönlich. Er bedeutete Lee ihm zu folgen und jagte auf die Position dieser einen Katze zu. Direkt neben ihm kam er aus dem Step.

"Hallo, Neko-tono."

Der ANBU zuckte heftig zusammen, als Kishio direkt neben ihm aus dem Nichts auftauchte. Was auch daran lag, dass Kishio so gut er es vermocht hatte, seine eigene Präsenz verhüllt hatte.

"Ah! Moeru-sama! Wo kommst du denn her?"

"Äh, ANBU-san...", kam es zaghaft von Lee.

"Draußen vom Walde komme ich her, und ich muss euch sagen..."

"Keine Kalauer, bitte", tadelte der ANBU.

"Jungs? Ich meine ja nur, dass..."

"Ich komme ganz zufällig vorbei und dachte, ich besuche dich mal, wenn du nicht zu beschäftigt bist, Neko-tono."

"Oh, es geht. Ich transportiere gerade ein paar Katzen. Kein wichtiger Auftrag, aber ein ANBU erfüllt jede seiner Aufgaben mit Stolz."

"Genau das will ich doch die ganze Zeit sagen!", rief Lee außer sich. "Dein Korb ist dir runtergefallen, ANBU-san, und die Katzen hauen ab!"

Die Maske ruckte nach unten, zum Korb, der aufgesprungen war, als er auf dem Boden aufgekommen war. Gerade rappelte sich die letzte Katze auf, um aus dem Korb zu springen und das Weite zu suchen. "Mokuton: Daijurin no Jutsu!", rief der ANBU. Aus seinen Händen wuchsen Bauholzquader, mit denen er versuchte, die letzte Katze einzufangen, aber das Biest entkam ihm.

"Verdammt!"

"Autsch. Das war keine Absicht, Neko-tono. Es sind genau elf. Ich helfe dir, sie wieder einzufangen. Keine Sorge, ich habe ihr Chakra gespeichert und werde sie überall wiedererkennen."

"Danke für das Angebot, aber ich bin ohnehin schon überfällig. Besser, ich alarmiere ein Team ANBU und blamiere mich, aber erfülle wenigstens meinen Auftrag."

"Aber ich weiß doch, wo sie sind", beharrte Kishio. "Es wird vielleicht wirklich dauern, weil sie überall verteilt sind, aber du musst dich nicht vor den ANBU blamieren, Neko-tono."

"Ich habe bestenfalls eine Viertelstunde, Moeru-sama. Die Zeit nutze ich besser, um mir Verstärkung zu holen. Und selbst wenn du mir hilfst, du kannst auch nur eine Katze zur gleichen Zeit verfolgen. Und Lee und ich haben deine sensorischen Fähigkeiten nicht."

"Oh, ich bin verdammt schnell", versicherte Lee. "Das ersetzt bestimmt drei Kage Bunshin. Und wenn du noch Kage Bunshin erschaffst, können wir alle elf auf einmal verfolgen. Wie viele Kage Bunshin schaffst du, Kishio-kun?"

"Äh, drei", sagte er zurückhaltend.

"Damit haben wir vier Katzen sicher", frohlockte Lee. "Wie viele Kage Bunshin kannst du erschaffen, ANBU-san?"

"Sieben."

"Wir könnten ja Teams bilden. Ein Moeru begleitet zwei ANBU-Klone, oder so", schlug Lee vor.

"Oder aber..." Kishio runzelte die Stirn. "Hast du ein zweites Funkgerät mit Ohrstecker dabei, Neko-tono?"

"Zufällig ja." Er reichte es Kishio ohne zu fragen.

Der Moeru legte es an. "Kage Bunshin no Jutsu!" Ein zweiter Kishio entstand, der sein Funkgerät an Lee weitergab. "Lee-kun, Neko-tono, Ihr werdet nach den Katzen suchen. Ich werde euch koordinieren. Ich weiß wo sie sind und werde euch führen. Neko-tono, erschaffe bitte drei Klone. Fünf von euch zu koordinieren ist ein Wert, den ich gut schaffe."

"Das ist doch mal eine Idee!", rief der ANBU hoch erfreut. "Kage Bunshin no Jutsu!"

Nun waren vier Katzen-ANBU anwesend.

"Lee-kun, die Richtung. Neko-tono eins, da lang. Zwei, da lang, drei, dorthin. Vier, die Richtung."

Die ANBU und Lee spritzten davon. Kishio nahm es mit Zufriedenheit zur Kenntnis. Er sah seinen Klon an. "Und du wirst..."

"Hai, hai, wakata", sagte der Klon grinsend. "Die Katzen in den Korb packen, auf den Korb aufpassen und nicht mit den Katzen spielen."

"Genau." Kishio zwinkerte seinem Kage Bunshin zu. Dann ließ er sich in den Saiza nieder. "Beginnen wir also." Mit einem Klick aktivierte er das Funkgerät.

"Lee-kun, geh fünfzig Meter weiter nach Süden und suche nach einem Ginsterbusch. Neko-tono eins, rechts von dir ist eine Eiche. Spring auf den untersten Ast. Neko-tono zwei, geh..."
 

Exakt elf Minuten später waren alle Katzen wieder eingefangen. Sie hatten sich als zähe, findige Biester erwiesen, aber letztendlich hatten sie sich den Shinobi geschlagen geben müssen.

"Verdammt zähe Biester", keuchte Lee außer Atem. "Es war so, als würden sie so was ihr ganzes Leben machen, also Shinobi entkommen. Das war richtig gespenstisch."

Der ANBU nickte. "Und genau das ist der Grund, warum ich sie bringen soll. Wenn sie sogar einem Chunin Schwierigkeiten machen, geschweige denn einem ANBU, dann lohnt sich eine Verhaltensstudie." Er verbeugte sich, den Katzenkorb fest geschlossen, vor Kishio. "Moeru-sama, ich bedanke mich vielmals für deine Hilfe."

"Was denn, was denn? Ohne mein Auftauchen wäre dir der Korb gar nicht erst runtergefallen und die Katzen wären nicht entkommen, dessu ne? Sagen wir, wir sind quitt."

"Einverstanden, Moeru-sama." Er nickte ein letztes Mal und verschwand per Step.

Lee klopfte Kishio anerkennend auf die Schulter. "Das war ein anständiges Stück Arbeit an Menschenführung, Kishio-kun. Du hast uns sehr gut angeleitet. Und was noch wichtiger ist, du hast auch mal delegiert."

Kishio lachte für einen Moment. "Das kann man doch nicht delegieren nennen. Aber gesteuert habe ich euch, ne?"

"Ja, das hast du. Deine sensorischen Fähigkeiten sind sehr nützlich. Kein Wunder, dass man im Rat davon spricht, was für ein Glücksfall es war, dass ausgerechnet Mamoru-sempai dich gerettet hat."

"Sie sprechen im Rat über mich?", fragte Kishio. "Was sagen sie denn so?"

"Zum Beispiel, dass du unsere sensorischen Ninjas um Jahre voranbringen wirst. Du bist einer der größten Schätze, die Konoha hat. Das sagen sie."

"Oh, ich fühle mich geschmeichelt", sagte Kishio schroff. Aber seine Miene bewies, dass er nicht gelogen hatte.

"Wer hätte gedacht, dass der Tag so viel Spaß machen würde?", rief Lee gut gelaunt.

Kishio gab ihm im Stillen Recht.

***

Zum Mittagessen gingen sie tatsächlich in den Barbeque-Grill, den Lee erwähnt hatte. Etwas irritierend fand Kishio es schon, dass man sich sein Essen selbst zubereiten musste, und das in einem Restaurant. Allerdings war er es gewohnt, sein Essen selbst zuzubereiten. Und ihm schmeckte das marinierte Fleisch hervorragend. Auch Lee griff eifrig zu, sodass auf dem Grill nie wirklich Platz war. Dazu tranken sie kalten grünen Tee.

"Weißt du, Kishio-kun", sagte Lee, den Mund verschmiert von seinen vier dreifachen Portionen, die er bereits verdrückt hatte (und die Kishio erklärten, warum es schlau gewesen war, sich einladen zu lassen), "wir haben schon eine Menge hinter uns. Nur noch der äußere Wald und der Medizinwald der Moerus. Herr Ober, nochmal zwei Portionen für unseren Tisch!"

"Drei!", rief Kishio, während er gegartes Fleisch vom Grill abnahm und das letzte rohe Fleisch auflegte. Wirklich, es schmeckte ihm.

"Aaah! Lee, gut, dass ich dich zufällig treffe!", klang eine helle Frauenstimme auf.

Kishio sah hoch und erkannte Ino-chan, die Cousine von Hanako-sama.

"Ino-chan." Den Mund voller Fleisch sah Lee sie an. "Waff gibt efff?"

"Es gibt da ein paar Dinge, die wir besprechen müssen. Du weißt doch, Mamo-chans Geburtstag naht, und Neechan hat mich gebeten, ihr bei ein paar Sachen zu helfen. Und außerdem ist Ryu-kun bis kurz vor der Feier nicht in der Stadt... Ach, hast du nicht mal zehn Minuten?"

Lee sah von ihr zu Kishio herüber. "Tut mir leid, Ino-chan, aber ich bin heute nur für Kishio-kun da."

Ino sah den Moeru bittend an. "Kishio-kuuuuun, kannst du ihn mir nicht kurz ausborgen? Bittteeeeeeeee. Ihr macht doch ohnehin gerade Pause. Nur fünf Minuten!"

Kishio sah sie mit starrer Miene an. Schließlich sagte er: "Soll ich dir dein Fleisch schon auflegen, Lee-kun?"

"Ja, das wäre nett!", rief Rock Lee und erhob sich.

"Wir beeilen uns!", versprach Ino-chan.
 

Kishio seufzte, nahm die neuen Schalen entgegen und packte einen Teil des fertig gebratenen Fleischs von Lee auf eine nicht so heiße Ecke, bevor es verkohlte. Hoffentlich war das keine Masche, um ihn mit der Rechnung sitzen zu lassen. Aber so etwas würde Lee doch nie tun. Er nicht.

"Kishio. Was für ein Zufall. Was machst du denn hier?"

Der Moeru sah auf. "Shikamaru-sama. Ich bin mit Lee-kun hier. Wir essen zu Mittag." Er deutete an den Nebentisch, an dem er mit Ino saß. "Ich habe ihn gerade verliehen, wie es scheint."

"So, hast du." Shikamaru grinste. "Wo ich dich gerade sehe, kann ich dich ja gleich mal was fragen. Hast du nicht Lust, mit mir heute Abend Shogi zu spielen? Und an den darauffolgenden Abenden? Kenshiro-jii hat mich gebeten, dir ein paar Kniffe beizubringen, damit er mehr Spaß dabei hat, wenn Ihr zusammen spielt."

"So, hat er das?"

"Ja, das hat er. Also, hast du Lust?"

"Lust schon. Aber... Ist dies eine offizielle Anweisung? Ein Befehl?"

"Wieso Befehl?"

"Wenn es kein Befehl ist, würde ich gerne ablehnen. Ich habe genug zu tun, Shikamaru-sama. Es spricht nichts dagegen, Shogi zu spielen, wenn ich Luft habe. Aber es voraus planen ist mir doch zuviel. Entscheiden wir das spontan."

Shikamaru zögerte. Dann nickte er. "Einverstanden. Aber heute geht klar?"

"Ich melde mich", versprach der Moeru.

"Okay. Ist in Ordnung." Er nickte ihm zu und ging dann zum Tisch von Ino und Lee.

"Oh, Kishio-san, isst du das noch?"

Bevor er Einwände erheben konnte, hatte sich Choji auf Lees Platz gesetzt. Mit glänzenden Augen betrachtete er das fertige Fleisch von Lee. "Bevor das gute Zeug verbrennt..."

Kishio klopfte dem Jüngeren nachhaltig auf die Finger, als er zu den Stäbchen greifen wollte. Zwar war er der Cousin von Karin-sama, jener Frau, die gerade die besten Aussichten hatte, Mamo-chans Hauptfrau zu werden - und Familie verpflichtete - aber Choji war selbst für einen Akimichi recht fett geraten. "Lee-kun kommt gleich wieder. Und ich erkläre ihm nicht, warum sein fertiges Fleisch weg, ist, Choji." Spöttisch sah er den Jüngeren an. "Was wird wohl Karin-chan dazu sagen?"

"Musst du gleich gemein werden?", brummelte der Akimichi und rieb sich die schmerzende Hand. "Und seit wann kannst du überhaupt nein sagen, Kishio-san?"

"Oh", erwiderte er, "ich habe geübt. Mit ANBU."

"Mit ANBU? Wow."

"Choji, komm rüber. Wir wollen bestellen!", rief Shikamaru.

"Oh!" Der Junge sprang auf. "Wir sehen uns, Kishio-san! Wartet! Lasst mich auflegen! Ihr könnt das nicht!"

Zur gleichen Zeit kehrte Lee zurück. Misstrauisch musterte er den Grill. "Er ist nicht leer. Hat Choji sich beherrscht? Ach was, abwegige Idee. War er satt?"

Kishio kicherte. "Ich habe ihm verboten, sich zu bedienen, Lee-kun."

"Oh. Ich bin beeindruckt." Er ließ sich nieder und sammelte sein Fleisch ein. "Genau richtig. Gut, dass du gelernt hast, nein zu sagen, Kishio-kun."

Ja, das hatte er in der Tat.

***

Der Weg durch den Konoha-nahen Wald verlief relativ unspektakulär. Wenn man von dem Zusammenstoß mit einer Patrouille Konohas, einem verhinderten Raubüberfall und einem kleinen Mädchen absah, das sich verlaufen hatte und nach Hause wollte, absah. Es war schon ein wenig merkwürdig, dass das Mädchen Hanabi-chan so ähnlich sah, der zweiten Tochter des Hauptzweigs der Hyuuga-Familie, die Kishio durch Kou recht gut kannte, auch wenn sie nicht die üblichen weißen Pupillen der Familie hatte. Aber dafür wollte sie verdächtig nahe am Haupthaus abgesetzt werden. Und wenngleich sie sich mehrfach bedankte, Kishio war sich nicht sicher, ob ihre schönen blauen Augen tatsächlich echt gewesen waren.

Nach einer ganzen Reihe weiterer Aufgaben, die auf sie warteten - inklusive eines Bären, der Amok lief und den Lee und er besiegten, betäubten und etliche Kilometer von der Stadt entfernt wieder aussetzten - machten sie sich auf den Weg zum Wald der Nara.
 

"Also, das ist der Medizinwald?" Kishio musterte den Wald mit großem Interesse, sowohl mit seinen Augen, als auch mit seinen Fähigkeiten. Er war groß und voller Leben und... Er stutzte. So etwas hatte er noch nicht gesehen. Er konzentrierte sich darauf.

"Was ist los, Kishio-kun?", fragte Lee.

"Ich... Ich weiß es nicht. Ich sehe eindeutig das Chakra-System eines Tiers. Eines Hirschs. Ein großes Tier. Sehr kräftig und gesund. Aber das Chakra-System ist... Ist so anders. Es wirkt auf mich wie... Wie das Chakra-System eines trainierten Shinobi."

"Das ist cool. Schauen wir uns den Burschen an?" Lee eilte voran.

"Warte!" Automatisch eilte Kishio dem grünen Wirbelwind nach.

Der Wald war tiefer, als der Moeru gedacht hatte. Ihr Weg führte sie tief hinein. Erst nach zwei Kilometern erreichten sie den Ort, an dem Kishio das Chakra erspürt hatte.

Sie hielten inne. Eine Lichtung umgab sie, Lichtdurchdrungen und mit saftigem Gras bestanden. Unwillkürlich traf der junge Moeru Assoziationen mit jenem Ort, an dem Mamo-chan im Zentrum einer Falle zurückgelassen worden war. Auch dort hatte es Hirsche gegeben. Aber nein, dieser Ort war anders. Ganz anders.

Es dauerte einen Moment, bis er begriff, was anders war. Er spürte die Tiere nicht mehr. Er sah sie nicht mehr. Er wusste nicht mehr, wo sie waren.

"Kishio-kun...", hauchte Lee.

"Ich weiß, ich weiß. Sie sind..." Kishio fuhr herum, als er sich fixiert fühlte. Aber da war niemand! Er hätte, seine sensorischen Fähigkeiten so voll aufgefahren wie jetzt, selbst Mamo-chan spüren müssen! Dennoch, als er hinter sich schaute, sah er in die alten Augen eines großen Hirschs mit einem Geweih, das in zweiundzwanzig Spitzen endete. Und sicherlich wog er mehr als jeder männliche Hirsch, den er je zuvor gesehen hatte. Das Tier setzte sich anmutig und doch voller Kraft in Bewegung. Kishio wusste: Dies war der König dieses Waldes.

"Kishio-kun...", flüsterte Lee.

"Keine Sorge. Er ist nicht aggressiv", flüsterte Kishio zurück.

Das mächtige Wesen erschien von einer Sekunde zur anderen in seiner sensorischen Sicht. Kishio zuckte zusammen, als er sah, was er bis dato für unmöglich gehalten hatte. Dies war das trainierte Chakra eines Shinobi, eines Chunin, eines Jounin gar.

Dann war der Gigant heran, sah ihm in die Augen. Sein heißer Atem schlug ihm ins Gesicht, aber es war nicht unangenehm.

Was darauf kam, hätte Kishio so nicht erwartet. Der alte Hirsch probierte seine Haare.

Kishio musste lachen. Das war ihm wirklich noch nicht passiert.

Der alte Hirsch hielt inne, nahm den Kopf wieder zurück und sah Kishio an. Neugierig, wie es dem jungen Moeru schien. Sehr, sehr freundlich. So, wie sein Großvater es manchmal getan hatte, bevor seine Eltern gestorben waren. Es lag eine gewisse Güte darin, die er von Yuria-sama kennengelernt hatte. Und... Ein wenig Stolz.

Bevor sich Kishio versah, begann der alte Hirsch, ihn abzulecken. Das kitzelte, und so lachte er erneut.

"Kishio-kun...", flüsterte Lee erneut.

"Was denn? Er ist doch vollkommen friedlich." Er sah auf und erschrak. Sie waren von Hirschen, Hirschkühen, Rehen und einigen anderen Wildtieren umgeben. Es waren mehr als einhundert. Und Kishio verstand mehr, so viel mehr. Dieses einmalige Chakra in ihren Leibern, ihre Art, ihre Lebensweise, das, was er in ihnen erkannte... Dies war der Medizinwald der Nara. Die Nara aber waren hier nur Partner, keine Herren. Die Herren hatte er hier vor Augen. Und die Herren wollten Antworten.

Er räusperte sich. "Mein Name ist Kishio no Moeru. Ich bin erster Gefolgsmann von Mamoru Morikubo-sama und damit ein Gefolgsmann des Clans der Nara. Ich freue mich sehr, hier sein zu dürfen und mich vorstellen zu können."

Dies löste noch mehr Interesse aus. Die Tiere kamen näher, berührten ihn, stupsten ihn an und wechselten sich ab. Manche ließen sich streicheln, manche fuhren mit ihren weichen Lippen über seinen Körper oder leckten ihn ab. Sie hießen ihn willkommen, wollten ihn riechen, schmecken, fühlen. Sie nahmen ihn auf, erkannten ihn als Nara an. Es war ein unglaublicher Vorgang. Kishio genoss jede Sekunde.

"Kishio-kun..." Diesmal klang Lees Stimme drängender

Er sah auf. Lee wurde von fünf großen Hirschen mit mächtigem Geweih bedrängt. Sie waren nicht aggressiv, aber sie hatten sich zur Abwehr bereit gemacht.

"Ach ja. Und das ist Rock Lee." Er räusperte sich. "Rock Lee gehört zu mir."

Beinahe sofort ließen die Hirsche von ihm ab. Nach und nach, ihn aber immer noch misstrauisch beäugend, zogen sie sich von ihm zurück.

Kishio hätte beinahe gelacht, weil die Szene so witzig war. Auch seine Erleichterung brachte Kishio fast zum lachen. Allerdings war er sich ziemlich sicher, dass die Hirsche gegen Lee den Kürzeren gezogen hätten, hätten sie wirklich angegriffen. Aber diese Hürde hatten sie umschifft.

Und beinahe hätte er laut geseufzt, als eine Hirschmutter ihr Kalb in seine Richtung dirigierte. Das Tier war sehr interessiert und gnabbelte ebenfalls an seinen Haaren herum, aber ohne etwas abzubeißen. Und es leckte ihm ebenfalls über sein Gesicht. Beinahe hätte er sich dazu hinreißen lassen, das Kalb mit nach Hause zu nehmen, egal was die Herde davon hielt. Beinahe.
 

Als sie endlich den Wald verließen, ging die Sonne bereits unter. Er und auch Lee standen noch immer unter dem Eindruck dessen, was gerade geschehen war.

Während sie zurück nach Konoha eilten, sah Kishio zu Rock Lee herüber. "Ich bin sehr froh, dass wir das heute gemacht haben, dessu ne?"

Lee nickte heftig. "Ja, das war eine ganz besondere Erfahrung. Ich war das erste Mal im Nara-Wald. Ich hätte nicht gedacht, dass mir das Probleme bereiten würde. Aber wir haben es gut gemeistert, nicht?"

"Ja, das haben wir", sagte Kishio zufrieden. "Nein, wirklich. Ich bin sehr froh und sehr dankbar dafür, was wir heute gemacht haben. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass du mich heute begleitet hast, Lee-kun."

Er ging aus dem Step und Lee folgte ihm. "Wirklich, Lee-kun. Ich habe heute sehr genossen. Und ich würde mich freuen, dich eines Tages meinen Freund nennen zu dürfen."

Ein wenig konsterniert sah Lee den anderen an. "Sind wir das nicht schon längst, Kishio-kun? Freunde?"

Für einen Moment war Kishio so ergriffen, dass er kein Wort herausbrachte. Er vergaß sogar zu atmen. Erst als Lee ihm besorgt auf den Rücken klopfte, atmete er wieder ein.

Schweigend reichte er dem anderen die Hand. Lee ergriff sie. Ebenso schweigend schüttelten sie die Hände. Worte waren nun nicht mehr notwendig, um das Versprechen zu ihrer Freundschaft zu besiegeln. Die Gestik und die Blicke sagten genug. Kishio hatte seinen ersten Freund gefunden.

***

Müde, aber hochzufrieden kam Kishio zu Hause. Schon von weitem spürte er, dass Mamo-chan gerade Shinpachi abholte und nach Hause brachte. Und er spürte, dass Rock Lee zu seinen zusätzlichen zweihundert Runden um Konoha aufgebrochen war. Wie hielt der dürre Bursche das nur aus?

Im Haus selbst war niemand außer Otou-san. Erwartungsgemäß, denn im Restaurant war volles Haus. Noch immer beeindruckt von dem, was er erlebt hatte, kam er rein, zog seine Straßenschuhe aus und ging den Flur entlang. "Nabend, Otou", sagte er gähnend.

"Kishio. Sehr gut, dass du kommst. Hast du nicht Zeit, um mir bei..."

"Nein", kam es wie aus der Pistole geschossen vom jungen Moeru.

"Ups." Erschrocken sah Kenshiro Morikubo ihn an. "Nein?"

"Nein", bestätigte Kishio. Er griente. "Ich habe heute gelernt, wie man etwas ablehnt, was nicht unbedingt nötig ist."

"Oha. Ja, das ist gut. Und wichtig." Kenshiro kratzte sich am Haaransatz. "Und ich gebe zu, ich habe es wohl verdient, weil ich dich ein wenig rumgescheucht habe. Aber..."

"Aber?"

"Aber wer hilft mir jetzt dabei, diese Monsterpizza zu verspeisen?" Er deutete auf den Küchentisch, wo eine riesige Pizza wartete.

Kishio fing an zu lachen. "UND ich habe gelernt, Prioritäten zu setzen. Ich hole das Besteck, Otou."

"Das ist mein Kishio", lachte er.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Ace_Kaiser
2015-07-06T21:35:11+00:00 06.07.2015 23:35
Nein, die Tiere im Medizinwald haben nur beschlossen, Kishio nett zu finden und besonders gut zu behandeln. ^^
Lass ihm die Freude. Er kann es gebrauchen...
Von:  Miyu-Moon
2015-07-02T17:09:52+00:00 02.07.2015 19:09
Ich weiß das die Moerus via Mamoru zum Nara-Clan gehören, aber das Ihnen jetzt schon der Medizinwald gehört, ist mir doch neu.


Zurück