Vampire Love (2) - Blutkuss von Chisaku (Zero Kiryu & Yume (Teil 1 muss zum Verständnis nicht bekannt sein)) ================================================================================ Kapitel 2: Regentropfen ----------------------- Regentropfen „Was hast du hier zu suchen?“ Zeros Stimme war kalt und abwertend wie immer. Doch, wenn Yume sich nicht täuschte, um ein vielfaches angespannter. Sein ganzer Körper schien unter einer enormen Anspannung zu stehen. Er stand so kerzengerade und unbeweglich vor ihr, dass man meinen konnte, dass er wie ein steifes Brett umfallen würde, wenn sie ihm einen Stoß verpasste. Doch das hatte sie natürlich nicht vor. „Ich habe mich nur etwas umgesehen, das ist nicht verboten, Zero.“ „Du hast Unterricht, geh gefälligst ins Gebäude!“ Er wollte heute keine Vampire hier draußen, er war ohnehin kurz davor durchzudrehen. Der Blutdurst quälte ihn schrecklich, doch er weigerte sich, schon wieder von Yuki zu trinken. Er verabscheute sich selbst dafür. Er hasste sich für seine Schwäche! Aber vor einem Vampir würde er sich gewiss keine Blöße geben! Yume sah ihn aus ihren klaren Augen lediglich an und legte den Kopf ein wenig schief. Wie eine Katze stand sie vor ihm und schien herausfinden zu wollen, was er vorhatte. Sie lauschte seinem unregelmäßigen Herzschlag, dem angestrengten Atem, den er ruhig zu halten versuchte. Sie ahnte, was an ihm nagte. Ehe Zero verstand, dass sie sich bewegt hatte, stand sie direkt vor ihm und legte ihre grazile Hand an seine Wange. „Du bist kalt, Zero. Das ist nicht gut. Die Krämpfe werden bestimmt bald folgen. Du solltest etwas trinken.“ Angewidert schlug er ihre Hand fort: „Das geht dich nichts an!“ Yume wollte das nicht tun, aber Misaki hatte ihr alles erzählt, was er über Zero wusste. Schon lange bevor sie auf die Akademie kam, hatte er ihr Interesse an dem jungen Hunter geweckt und sie hatte ihn gebeten, ihr mehr von ihm zu berichten. Also wählte sie ihre Worte mit Bedacht so, dass sie ihre Wirkung nicht verfehlen würden. „Wenn du so gehst, wirst du bis morgen früh so geschwächt sein, dass du mit Krämpfen in einer Ecke deines Zimmers liegst, unfähig noch an viel anderes als deinen Durst zu denken. Yuki wird sich sorgen. Sie wird zu dir kommen und sie wird dir wieder ihr Blut geben. Aber das willst du nicht, oder?“ „Was willst du von mir!?“ Zero griff nach seiner Bloody Rose, doch Yume war schneller. Sobald er den Mund geöffnet hatte, glitt sie mit ihrem Finger an einem seiner Fänge entlang und Zero erstarrte, als der erste Tropfen ihres Blutes mit seiner Zunge in Berührung kam. Einen Augenblick lang sahen sie sich schweigend in die Augen und nachdem sich Zeros blutrot gefärbt hatten, ging alles plötzlich sehr schnell. Seine Zunge fuhr über die kleine Wunde an ihrem Finger, dann riss er sie an sich und versenkte seine Reißzähne in ihrem Handgelenk. Yume lehnte sich an ihn und schloss ihre Augen. Ihr Kopf ruhte an Zeros Schulter, während dieser einen Arm um ihre Taille geschlungen hatte und mit der anderen Hand ihren Arm hielt, aus dem er trank. Mit jedem Schluck spürte er die Kraft in seine Glieder zurückkehren und seine Sinne schärften sich mehr denn je. Nachdem der schlimmste Durst gestillt war, nahm er auch den Geschmack ihres Blutes wahr. Es schwang eine sanfte Süße darin mit, die die darunter verborgene Würze nur schwach dominierte. „Zero, es ist genug, sonst verliere ich das Bewusstsein.“ Yumes zarte Stimme so dicht an seinem Ohr zu hören, holte Zero aus seiner Trance zurück und er hätte sich beinahe verschluckt. Er ließ sie so ruckartig los, als hätte er sich an ihr verbrannt und sah sie dabei mit einem Blick an, der Yume das Herz gefrieren ließ. Aber sie hatte auch nichts anderes erwartet. Erhofft, aber nicht erwartet. Sie schloss rasch ihre Wunde, damit sie niemandem auffiel und auch kein Blut an ihre Kleidung gelangte. Dann senkte sie den Blick und begab sich zur Tür. „Ich verstehe, dass du mich jetzt noch mehr hasst. Aber wenn du Yuki schonen willst, gilt dieses als Angebot, wenn du Blut zu dir nehmen MUSST. Die Schübe werden schwächer ausfallen und du wirst länger ohne eine neue Blutaufnahme auskommen, es ist deine Entscheidung. Gute Nacht, Zero, … verzeih mir bitte.“ Die letzten Worte hauchte sie nur noch in die Nacht, ehe sie in der Dunkelheit verschwand, doch der Silberhaarige verstand sie dennoch und sie verwirrten ihn. War er doch zornig, verzweifelt und fühlte sich verraten. Im gesamten Stall schwebte der Duft von Mohnblumen in der Luft, ihr Duft, und Zero, der das Gefühl hatte daran zu ersticken, ergriff die Flucht in die kühle Finsternis. Yume war froh, dass der Stall verhinderte, dass der Geruch ihres Blutes bis zum Schulgebäude und dem Haus Mond vordrang. Es gäbe sicherlich gewaltige Probleme, wenn jemand herausfand, dass sie Zero ihr Blut gegeben hatte. Aber sie entschied schon seit jeher, was sie tun wollte und was nicht und sie folgte Kaname Kurans Willen nur begrenzt. Sie respektierte die Akademie als sein Hoheitsgebiet, doch wenn er in ihren persönlichen Kreis eintrat, und der beinhaltete alle Personen, die ihr auf irgendeine Art wichtig waren, dann verteidigte sie diesen mit allen Mitteln. Die Night Class würde jeden Moment ins Wohnheim zurückkehren, also beeilte sie sich, so schnell wie möglich in ihr Zimmer zu gelangen. Dort streifte sie ihre Uniform ab und ein knöchellanges weißes spitzendbesetztes Nachtkleid über. Als sie ans Fenster trat, fand sie davor ein kleines Geländer, das ihr bis unter die Schulter reichte, wenn sie sich daneben setzte. Misaki war vermutlich während des Unterrichts hergekommen, um es anzubringen. Sie würde sich bedanken, sobald sie ihn sah. Ausnahmsweise entschied sie sich dazu ihr Haar offen zu lassen und blickte nachdenklich in die Sterne. Der Schmerz, den sie in Zeros Augen gesehen hatte, ließ ihr einfach keine Ruhe und sie begann leise und traurig vor sich hin zu singen. Zero traf pünktlich zum Unterrichtsschluss der Vampire wieder mit Yuki zusammen, die natürlich schnell merkte, dass etwas nicht stimmte. Allerdings nahm sie zunächst an, dass Zero wieder an Blutdurst litt. „Zero, du siehst angeschlagen aus, benötigst du vielleicht wieder…“ Ein Blick von ihrem Partner reichte, um sie augenblicklich verstummen zu lassen. Sie drehten ihre Runden um das Schulgelände und das Haus Mond bis sie sicher waren, dass sich sämtliche Vampire zurückgezogen hatten und trafen schließlich direkt unter Yumes Fenster wieder zusammen. Yuki stand bereits dort und sah nach oben, als Zero dazu kam. „Was machst du da, Yuki?“ „Ich habe ein so unglaublich trauriges Lied gehört, das dennoch wunderschön klang. Da bin ich dem auf den Grund gegangen, doch es wurde wieder ruhig, bevor ich den Ursprung gefunden hatte. Aber dann habe ich gerade Yume dort oben gefunden. Bestimmt hat sie so wundervoll gesungen.“ Zero blickte nicht nach oben, er wollte Yume auf keinen Fall sehen. „Sie schläft, aber sie sieht irgendwie traurig und einsam aus, findest du nicht? Chiyo-chan erzählte mir, sie sei schon lange so. Ein bisschen wie Shiki-senpai, aber doch ganz anders.“ Überrascht von Yukis Aussage, hob Zero nun doch den Kopf und bereute es sofort. Yumes Haar schwebte in einer sanften Brise um ihren blassen Leib und er musste im Stillen gestehen, dass Yukis Beschreibung zutraf. „Was interessiert es mich, wie die Blutsauger sich fühlen. Sie sind allesamt widerwärtige Ungeheuer.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und ging. „Komm schon, Yuki! Wir sind fertig für heute!“ „Ja, ich komme.“ Das Mädchen warf noch einen letzten Blick auf die Reinblüterin und eilte ihm dann nach. Zero lag nahezu die ganze Nacht wach und versuchte herauszufinden, wieso Yume ihm ihr Blut gegeben hatte. Normalerweise wurde jeder, egal welchen Ranges, der einen Reinblüter verletzte, und dann auch noch sein Blut zu sich nahm, mit dem Tod bestraft. Zudem waren reinblütige Vampire das königliche Geblüt ihrer Rasse und die Verkörperung von Arroganz, Egoismus und Kaltherzigkeit. Yumes Fürsorglichkeit Chiyo gegenüber passte in dieses Bild. Sie zählte zur Familie, ebenso Misaki. Ichijo gehörte zu Chiyo, Shiki und Rima waren adelige Vampire und konnten ihr durchaus einfach sympathisch sein, was aber nichts weiter bedeuten musste. Was Reinblüter allerdings ebenfalls alle gemeinsam hatten, war, dass sie ihre Umgebung dazu nutzten ihre eigenen Ziele zu erreichen und die Personen entsprechend lenkten. Das war die einzige Erklärung, weshalb Yume ihm ihr Blut gab. Sie bezweckte damit etwas. Kaname Kuran tötete ihn schließlich auch einzig und allein deshalb nicht, weil er als Schutzschild für Yuki diente. Doch was wollte Yume von ihm? In den frühen Morgenstunden fiel er schließlich in einen unruhigen Schlaf, in dem ihn die Alpträume seiner Vergangenheit wieder einholten. Doch anstelle von Shizuka Hio stand Yume vor ihm. So wachte er nach nur zwei Stunden schweißgebadet wieder auf und fuhr sich verzweifelt mit den Händen übers Gesicht. Schlafen konnte er nicht mehr, also stand er auf und ging duschen. Dann bereitete er sich allmählich auf den Unterricht vor und frühstückte eine Kleinigkeit. Als es endlich soweit war, begab er sich ins Schulgebäude. Yume erwachte ungefähr zur Mittagszeit und da sie die halbe Nacht geschlafen hatte, beschloss sie auch nicht ins Bett zu gehen. Nein, sie hatte einen ungewöhnlichen Einfall, für einen Vampir, aber einen, der ihrer Meinung nach ganz fantastisch war. Sie schwang sich von der Fensterbank, sprang unter die Dusche und schlüpfte schnell in ihre Uniform. Dann ging sie hinaus und direkt in das Büro des Direktors. „Was kann ich für dich tun, Yume?“ „Ich würde gerne am Reitunterricht der Day Class teilnehmen, wenn Sie es gestatten. Selbstverständlich nur gemeinsam mit Yuki und Zero. Sie sind schließlich die Guardians und Zero würde mich vermutlich erschießen, wenn er auch nur den kleinsten Verdacht hegt, ich würde jemanden anfallen wollen.“ Direktor Kurosu sah sie sehr überrascht an: „Also bislang habe ich noch nie erlebt, dass ein Vampir tagsüber zusammen mit Menschen am Unterricht teilnehmen möchte.“ Yume lächelte: „Aber es würde doch das Ziel der Akademie fördern.“ Kurosu strahlte regelrecht: „Ja das würde es sogar sehr. Du bist schließlich nicht irgendein Vampir. Aber du kannst tatsächlich nur teilnehmen, wenn einer der beiden Guardians ebenfalls dabei ist.“ „Selbstverständlich, Direktor.“ „Dann kannst du gleich zum Stall gehen, wenn du heute schon teilnehmen möchtest. Ich gebe dir eine Nachricht für den Lehrer und Zero mit, er könnte tatsächlich auf dich schießen.“ „Kyaaaa!!“ Zero wachte durch Yukis Schrei auf und sah, dass Lily gerade mit ihr durchging. Schon wieder! Das passierte wirklich regelmäßig, wenn sie die Stute reiten sollte. Er wollte ihr gerade zu Hilfe eilen, als sich eine rothaarige Person hinter sie schwang und das Pferd zum Stehen brachte. „Ruhig, Lily. Du darfst Yuki nicht so behandeln, sie könnte sich sehr wehtun.“ Yuki schnappte aufgeregt nach Luft und sah Yume mit einem unglaublich dankbaren Blick an: „Danke. Ähm, was tust du hier?“ „Ich nehme am Reitunterricht teil.“ „Aber du gehst in die Night Class.“ Das Mädchen war sichtlich verwirrt. „Der Direktor hat es genehmigt. Sie reichte das Schreiben direkt an Zero, der inzwischen neben ihnen stand und gerade den Mund öffnete, um sie zurückzuscheuchen. Er las es mit zunehmend finsterer Miene. „Tzz!“ Er gab es dem Lehrer weiter und würdigte sie keines weiteren Blickes. Yume hingegen sah ihm traurig nach. Wieso konnte sie ihm nur nicht helfen? Nachdem der Trubel um Yumes Teilnahme am Unterricht der Day Class sich wieder gelegt hatte und sie die Pferde noch einmal überbürsteten, beobachtete Yuki Yume dabei, wie sie liebevoll durch das Fell der Stute strich. „Wie stellst du das an? Bei Zero ist sie auch so handzahm, aber mich hasst sie regelrecht, glaube ich.“ Yume lächelte flüchtig: „Das glaube ich nicht, Yuki. Aber das ist genauso wie bei uns. Menschen brauchen jemanden doch manchmal auch nur anzusehen und der andere ist ihnen augenblicklich sympathisch oder sie können ihn nicht ausstehen. Bei Tieren kann es ganz genauso sein. Das muss mit dir selbst gar nichts zu tun haben.“ Yuki sah die Rothaarige verblüfft an: „Danke. Ähm, Yume? Ich will mich nicht aufdrängen, aber stimmt etwas nicht? Du hast Zero vorhin so bedrückt nachgesehen.“ Yume lehnte sich an Lilys Hals und blickte die Vertrauensschülerin nachdenklich an: „Das ist dir aufgefallen?“ „Du bist der einzige Vampir hier, der ihn so ansieht, das fällt natürlich auf.“ „Hm, ich vergesse manchmal, dass ihr Menschen zeitweilen genauso scharfsinnig seid wie wir. In eurer Gegenwart werde ich schnell leichtsinnig. Aber wenn du es schon ansprichst… Ich möchte dich um etwas bitten.“ Yuki grinste fröhlich: „Nur zu.“ Yume sah sie ernst an: „Hör auf ihm dein Blut anzubieten.“ „Was?“ Yuki sah sie entsetzt an. „Aber Zero verträgt die Tabletten nicht! Ich kann doch nicht zusehen wie er leidet. Wenn ein Unfall passieren würde, wäre das für ihn unerträglich.“ Sie sah bedrückt zu Boden. Wieso verlangte Yume nur so etwas von ihr? Sie hatte geglaubt, sie wäre um Zero besorgt. „Du verletzt Zero damit. Also lass es sein. Ich sage das nicht, weil ich dich nicht mag, Yuki. Bitte denke das nicht. Aber…“ Yume seufzte schwer. Sie wusste, dass sie es Yuki erklären musste, das war sie ihr schuldig, wenn sie schon verlangte, dass sie Zero zusah, wie dieser sich quälte. „Wenn ich Zero mein Blut gebe, hält das seine Verwandlung auf und es stärkt ihn weit mehr als das deine. Außerdem hasst er mich doch ohnehin schon für das, was ich bin. Es macht also keinen Unterschied, was das angeht. Aber dafür, muss er sich keine Vorwürfe mehr machen, weil er von deinem Blut trinkt.“ Yuki starrte die junge Reinblüterin überrascht an: „U…und was soll ich tun, wenn er zu mir kommt? Ich kann ihn doch nicht einfach...“ „Nein, dann ist es in Ordnung.“ Aber, dass das niemals geschehen würde, wussten sie beide. Yume gab Lily ein paar Leckerlis und lehnte sich dabei an sie, während Yuki sie beobachtete. Warum tat sie das alles? Sie sah nicht gerade glücklich aus. Yume blickte an Lily vorbei durch die offene Tür hinaus in den Regen, der unbemerkt eingesetzt hatte, und erschien Yuki plötzlich wieder so einsam wie nachts zuvor in ihrem Fenster. Sie wirkte verloren, irgendwie falsch an ihrem Platz. Gerade als die Vertrauensschülerin zum Sprechen ansetzen wollte, blickte Yume sie wieder an und ihre eisblauen Augen schienen auf einmal ganz leer zu sein: „Du solltest dich wieder zum Wohnheim begeben, die anderen sind auch schon weg und der Regen wird sicher noch stärker.“ „Ja.“ Yuki ging verwirrt zur Tür und warf ihr noch einen kurzen Blick zu. „Bis heute Abend.“ „Mhm.“ Yume schien sie gar nicht mehr wahrzunehmen, sondern beschäftigte sich damit, Lily immer wieder über die Nüstern zu streichen, also ließ Yuki sie allein. Aufgrund des strömenden Regens verlief der Klassenwechsel an diesem Abend recht ruhig und Zero würdigte Yume nicht eines Blickes. Sie hatte selbstverständlich auch nicht damit gerechnet, dennoch kostete es sie eiserne Selbstbeherrschung weder zu ihm noch auf den Boden zu sehen. Im Unterricht blickte sie dann jedoch die meiste Zeit aus dem Fenster und sah dem Regen zu. Sie wurde auch von niemandem zurechtgewiesen, sie war schließlich reinblütig. Sie konnte tun, was sie wollte. Nun ja, nicht ganz. „…me. Yume.“ Yume drehte sich um und sah verwundert in Ichijos Gesicht. „Der Unterricht ist zu Ende, wir gehen.“ „Oh. Entschuldigung.“ Sie stand auf und ging mit den anderen Vampiren zurück zum Haus Mond. Doch sie schlenderte mit Abstand und gedankenverloren hinter ihnen her und stand plötzlich allein mit Misaki im Regen. „Lässt du mich etwas allein?“ Misaki sah sie misstrauisch an: „Es regnet, Yume.“ „Ich mag den Regen.“ Misaki seufzte: „Also schön, was ist los?“ „Nichts, ich möchte nur ein wenig nachdenken.“ „Und das kannst du drinnen nicht?“ Er zog skeptisch eine Augenbraue nach oben. „Nein.“ Kopfschüttelnd ging der Schwarzhaarige zum Mondwohnheim: „Aber wehe du wirst krank, dann musst du sehn, wie du zurechtkommst.“ „Verstanden.“ Sie lächelte schwach, Misaki würde sich immer um sie kümmern, wenn sie krank wurde, das war seit jeher so. Er schimpfte lediglich aus Sorge um sie mit ihr. Langsam schritt Yume durch den Regen und setzte sich schließlich an den Rand des Springbrunnens. Sie ließ die feinen Tropfen auf ihr Gesicht fallen und genoss das feuchte kühle Gefühl, das sie hinterließen. „Bist du schon wieder hier?“, knurrte jemand neben ihr. Sie musste nicht die Augen öffnen, um zu wissen, dass es Zero war. „Warum bist du so wütend, nur weil ich gerne draußen sein möchte?“ Sie blickte ihn mit kristallklaren Augen an und Regentropfen perlten über ihre blasse Haut und aus ihrem nassen Haar. Zero musste bei ihrem Anblick unwillkürlich daran denken, was Yuki ihm am früheren Abend erzählt hatte, als sie gemeinsam das Unterrichtsgebäude beobachtet hatten. Yuki sah wie immer stets zu Kaname Kuran hinüber und himmelte ihn heimlich an. Allerdings fiel Zero auf, dass sie auch Yume regelmäßig einen kurzen Blick zuwarf. „Was schaust du dir da eigentlich an, Yuki?“ Yuki warf ihm einen missmutigen Blick zu: „Sei nicht so mies gelaunt, Zero.“ Er reagierte darauf nicht und sah sie nur abwartend an. „Ich habe das Gefühl, dass Yume etwas bedrückt. Sie sieht manchmal so verloren aus und ihre Augen blicken immer traurig in die Ferne, wenn sie sich unbeobachtet fühlt. Siehst du? Außerdem ist sie Chiyo doch sehr wichtig.“ Zero schüttelte ungläubig den Kopf: „Du machst dir viel zu viel aus diesen elenden Blutsaugern. Zudem solltest du es ignorieren, wenn Chiyo sich auch keine Gedanken um Yume macht.“ „Als würde sie uns das auf die Nase binden. Ganz besonders dir. Du bist zu ihr ja auch nicht besonders freundlich.“ Yuki warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, den er gekonnt ignorierte. Zero musste gestehen, dass auch er die Traurigkeit in Yumes Augen sehen konnte, auch wenn ihm das nicht gefiel. Doch viel weniger gefiel ihm die Tatsache, dass ihr verlorener Blick irgendwo tief in seinem Herzen einen Punkt berührte, den er eigentlich fest verschlossen hielt. „Nenn mir einen Grund, wieso ich dich hier draußen herumlaufen lassen sollte.“ Seine Stimme war nicht so schneidend, wie sie eigentlich hätte sein sollen. Yume blickte in den Himmel und als Zero schon nicht mehr mit einer Antwort gerechnet hatte, hörte er ihre leicht zittrige Stimme sagen: „Es ist das einzige Stück Freiheit, das ich habe.“ Dass Yume ihre Schwäche so offen vor ihm zeigte, erschreckte Zero zutiefst. Ein schwaches Lächeln huschte über ihre blutroten Lippen und sie erhob sich: „Entschuldige, dass ich dich damit belästigt habe. Ich gehe hinein.“ Was war mit diesem Mädchen nur los? Sie verhielt sich entgegen jedes Musters, das er von Vampiren kannte. Er hatte gesehen, wie sie Asato Ichijo eiskalt gedroht hatte. Sie hatte ihn mit einem Trick dazu gebracht, ihr Blut zu trinken. Sie hatte sich in den Reitunterricht der Day Class hineingeschlichen. Sie war ein Reinblut, dem ihre Rasse zu Füßen lag und das vermutlich so wohlhabend war, dass es sich niemals um seinen Lebensunterhalt sorgen musste. Aber dennoch schien ein kurzer Augenblick allein unter dem freien Himmel für sie kostbarer zu sein als aller Reichtum der Welt. Er verstand allerdings nicht, weshalb sie gerade ihm ihre Schwäche und Verletzlichkeit zeigte. Schließlich jagte er Vampire, um sie zu töten. Er war ihr Feind. Und man offenbarte seinem Feind niemals seine Schwachstellen. „Tzz. Welche Freiheit sollte dir schon fehlen. Du kannst schließlich tun, was du willst und dein Fußvolk verteidigt mit Hingabe jedes Verbrechen, das ihr teurer Reinblüter begeht.“ Yumes Schritte wurden langsamer bis sie schließlich vollkommen still dastand. Der Regen wurde stärker und prasselte erbarmungslos auf ihre zierliche Gestalt nieder. Das rote Haar hatte sich vom Wasser zu einem dunklen Blutrot verfärbt und als sie ihren Kopf ein Stück zur Seite drehte, sah Zero wie ihre Lippen sich öffneten, doch dann wieder schlossen, ohne einen Ton hervorgebracht zu haben. Stattdessen konnte er trotz des Regens erkennen, dass ihr Tränen über die Wangen liefen, denn ihre Augen waren ungewöhnlich gerötet. „Was…?“ Wie erstarrt blickte er ihr nach, während sie sich erneut in Bewegung setzte und die Stufen zum Wohnheim hinaufging. Für Zero wirkte sie aus der Entfernung plötzlich ziemlich klein vor dem großen Gemäuer, das vor ihr aufragte und es fiel ihm wie Schuppen von den Augen, was Yume mit Freiheit gemeint hatte, als sie die Tür öffnete und wie ein zerbrechlicher Vogel in ihren goldenen Käfig zurückkehrte. Er ließ seinen Blick über die Außenwände nach oben gleiten und blieb an einem Fenster hängen, durch das ihn ein Paar rotglühender Augen ansah. Misaki hatte Yume nicht aus den Augen gelassen. Von seinem Zimmerfenster aus hatte er beobachtet, wie Zero an sie herangetreten war. Es war nichts Besonderes. Doch als er beobachtete, wie verzweifelt sie ins Haus zurückkehrte, wallte Zorn in ihm auf und er fixierte den Silberhaarigen mit einem wütenden Blick. Keine zwei Minuten später pochte es zaghaft an seine Tür und als er sie öffnete, blickte er auf eine tropfende Yume hinab, die ihn aus tränenverschleierten Augen flehend ansah. Schweigend zog er sie hinein, wickelte sie in eine Decke und hielt sie fest in seinen Armen. Yume weinte nun hemmungslos und Misaki strich ihr hilflos übers Haar. „Was ist passiert, Yume? Was hat er getan?“ Sie schüttelte den Kopf: „Nichts. Er hat gar nichts getan.“ Nach einer Weile beruhigte Yume sich etwas und ihr Bruder schob sie sanft aber bestimmend ins Badezimmer. Dort ließ er Wasser in die Badewanne laufen und suchte ihr sowohl Handtücher als auch eines seiner gemütlicheren T-Shirts heraus. Das ganze legte er neben das Waschbecken und bedeutete Yume ins Wasser zu steigen, als er das Bad verließ. Die Reinblüterin tat wie ihr geheißen und nachdem sie ihre nassen Kleider ausgezogen hatte, ging sie vorsichtig in die Badewanne. Das Wasser wärmte ihren ausgekühlten Körper wieder auf und sie schloss entspannt die Augen. Doch sobald ihre Lider sich gesenkt hatten und die Welt um sie herum in Schwarz tauchten, erschien Zeros Gesicht vor ihr. Wieso hatte sie das nur getan? Warum hatte sie ihm den heimlichen Wunsch, den sie so tief in ihrem Herzen verborgen hatte, anvertraut. Wenn er wollte, war er in der Lage alle Hoffnungen, die sie sich auf eine Erfüllung ihres Traumes machen konnte, zu zerstören. Es bedurfte nur eines einzigen Wortes an ihren Großvater und sie würde für alle Zeiten hinter den weißen Mauern ihres Anwesens verschwinden. Stets bewacht, niemals allein und nur der Blick aus dem Fenster würde ihr noch bleiben. Zero konnte sie nun verletzen. Nein. Er hatte es schon zuvor gekonnt. Sie kannte es eigentlich, dass sie mit Blicken taxiert wurde, die bis oben hin gefüllt waren mit Neid, Abscheu, Angst, Ehrfurcht und Hass. Ja, sie kannte den Hass auf sie, aber Zeros Blicke spürte sie wie Dolche, die ihr im Leib herumgedreht wurden. Wieso? Alle anderen Blicke waren ihr doch auch schon immer egal gewesen. Aber Zero wollte sie helfen. Er wäre nicht der erste Mensch, den sie von der Klippe zum Level E retten würde, doch hatte sie es sich schon einmal so gewünscht wie bei ihm? Nein. Zero versuchte nicht ihr zu gefallen, er log sie nicht an, er setzte keine lächelnde Maske auf, um sie zu täuschen. Im Gegensatz zu allen anderen, zeigte er ihr seinen Hass ehrlich und offen. War es das? Sie wusste, er könnte sie zerschmettern und doch störte es sie eigentlich nicht. Nein, es war sogar so, dass er wohl der einzige war, dem sie erlauben würde, sie zu zerstören, doch wieso? Außer Misaki, Sakura, Chiyo und ihren zwei Schützlingen Yuri und Taiyo, traute sie eigentlich niemandem. Keiner außer ihnen zeigte sie, was in ihrem Herzen geschah. Sie fasste langsam Vertrauen zu Ichijo, Shiki und Rima, aber es würde noch einige Zeit vergehen, ehe sie sich ihnen tatsächlich öffnen würde. Und was war mit Yuki? Sie mochte das Mädchen. Sie besaß eine unbeschreibliche Güte, eiserne Loyalität und großen Mut. Als Yume merkte, dass das Wasser kalt wurde, stieg sie seufzend aus der Wanne, trocknete sich ab, zog Misakis Shirt über und trat zu ihm ins Zimmer. Sie hatte für eine Nacht genug nachgedacht und war müde und erschöpft. Misaki lag bereits auf seinem Bett und hatte alles soweit hergerichtet, dass sie bei ihm schlafen konnte. Das tat sie schon solange sie denken konnte, wenn sie traurig war oder sich einsam fühlte. Sie war dann stets zu den Zwillingen ins Bett gekrochen und Misaki und Sakura hatten sie schützend in ihre Mitte genommen. Besonders schlimm war es, als sie ihre Kräfte noch nicht kontrollieren konnte und unbeabsichtigt in die Alpträume anderer hineingefallen war. Yume legte sich neben ihren großen Bruder, zog die Decke eng um sich und vergrub ihr Gesicht anschließend an seiner Brust. „Schlaf gut, Onii-chan.“ „Gute Nacht, Nee-chan.“ Im Haus Sonne lag Zero derweil, wie nahezu jede Nacht, wach, doch zerbrach er sich heute den Kopf über Yume und nicht über all die anderen Dinge, die ihm sonst Sorgen bereiteten. Wieso hatte sie ihm diese Seite von sich gezeigt? Was brachte das Mädchen zu so viel Leichtsinn? Es konnte unmöglich Vertrauen sein, denn er gab ihr nun wirklich keinen Grund dafür. Ihr Verhalten passte einfach nicht mit dem zusammen, was sie war! Zero hatte das Gefühl, ihm würde der Schädel zerspringen. Wieso verhielt sich Yume anders, als sie es eigentlich müsste, sogar sollte!? Er wollte keinen gutherzigen Vampir in seiner Nähe haben, schon gar keinen reinblütigen! Es gab keine guten Vampire! Sie verfolgte ein Ziel! Das musste sie einfach, denn sonst würde sein Weltbild einen gewaltigen Riss bekommen! Ratlos raufte er sich das silberne Haar und setzte sich auf. Er starrte die Regentropfen an, die an seiner Fensterscheibe hinabglitten und Yumes Gesicht tauchte vor seinem inneren Auge auf. Wie sie ihre Lippen flüchtig bewegte und ihre Augen ihn geradezu angefleht hatten. Doch um was? Was wollte sie von ihm? Konnte ihr Käfig denn wirklich so klein sein, dass sie unbedingt daraus entfliehen wollte? Oder befand sich vielleicht noch etwas in diesem Käfig und sie wollte davor flüchten? Zu Yumes abweisender Art würde es passen. Mann musste immerhin kein Genie sein, um zu erkennen, dass sie ihre Mitschüler auf Distanz hielt. Sie war beim Klassenwechsel stets so abgeschirmt, dass niemand an sie herantreten konnte und es gingen immer dieselben Personen neben ihr. Wovor hatte sie Angst? Und wieso zum Teufel ließ ihm das einfach keine Ruhe? Es sollte ihm schließlich egal sein! Sie war verdammt nochmal ein elender Blutsauger! Zero erhob sich und riss das Fester auf. Dann streckte er die Hand hinaus und betrachtete die Regentropfen, die auf seine Haut trafen. Regen. Ob er ihn nun immer an Yume erinnern würde? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)