Something that I want von moonlight_005 (Alice & Albus) ================================================================================ Teil 6: He's been living in a pure illusion ------------------------------------------- Teil 6: He’s been living in a pure illusion ~ ♣ ~ Alice starb fast vor Nervosität. Ihr Magen fühlte sich flau an, ihre Hände waren schweißnass und immer wieder ertappte sie sich dabei, wie sie auf die Uhr blickte. Zehn Uhr Fünfzehn. Um elf Uhr war ihr erstes Spiel. Und um das Dilemma perfekt zu machen, hatte Phelps sie, auch wenn er es nicht beweisen konnte (und leider zu Recht), im Verdacht, ihn vor der ganzen Schule blamiert zu haben, denn die Geschichte vom quakenden Phelps hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Ironischer Weise hatte die Neuigkeiten, dass Phelps sie auf den ersten Platz seiner Hassliste gesetzt hatte, keinerlei Auswirkungen auf Rose Weasley. Die Kapitänin des Ravenclawquidditchteams saß seelenruhig mit ihr am Tisch der Hufflepuffs (ausgerechnet!), rührte geistesabwesend in ihrem Kakao, las den Tagespropheten und schien sich nicht im Geringsten von der allgemeinen Aufregung anstecken zu lassen. Im Verlaufe des Frühstücks hatte Rose mit ihr ganz normal geredet wie sie es immer taten und Alice dann klar gemacht, dass das Ergebnis des heutigen Spiels ihre Freundschaft in keiner Weise gefährden würde. Im Gegenteil. Auf eine verquere Art und Weise schien Rose ihren Spaß an der Sache zu haben und freute sich regelrecht auf das Spiel. Das konnte Alice von sich nicht gerade behaupten. Sie war das genaue Gegenteil von ihrer besten Freundin: nervös, eingeschüchtert und sie hatte eine tierische Angst sich, ihr Team und ganz Hufflepuff vor der versammelten Hogwartsbelegschaft zu blamieren. Da konnten Al und Camilla noch so oft sagen, dass sie Phelps locker in die Tasche stecken würden. Der war, wie Alice sich erinnerte, ein Jahr älter als sie, hatte mindestens drei Jahre mehr Quidditcherfahrung und wartete nur auf die Chance, sich an ihr zu rächen. (Und wieder wusste keiner, dass der Streich auf Al’s Mist gewachsen war und er sie genötigt hatte mitzumachen.) Und außerdem hatten ihr Dad und ihr Bruder Frank immer noch keine Ahnung, dass sie heute spielen würde. Alice wusste, dass Frank sie völlig entgeistert ansehen würde und ihr einen Vortrag darüber halten, warum man sich nicht ausgerechnet mit Quidditch beweisen musste. An ihren Vater wollte sie gar nicht erst denken. Der würde wahrscheinlich schon von ihrem Anblick auf einem Besen einen Nervenzusammenbruch erleiden. Es war fast ein Wunder, dass es noch nicht ganz bis zu ihm durch gesickert war, dass sie spielen würde. Oh, Merlin! Lass es ihn nicht vor dem Spiel herausfinden! Alice würgte ihr Toast herunter, als gerade die Post kam. Hunderte Eulen schwebten in die große Halle herein. Ein paar Erstklässler, die ohnehin wegen des bevorstehenden Spiels aufgekratzt waren, deuteten aufgeregt auf sie und zeigten stolz einen Brief herum, wenn denn eine Eule bei ihnen gelandet war. Alice erwartete sich nichts Großartiges. Ihre Mum hatte sie erst vor drei Wochen beim letzten Hogsmeadewochenende gesehen und da sie sowieso mit ihrem Dad im Dorf wohnte, schrieb sie ihr selten Briefe. Ihre Tante war irgendwo in Frankreich unterwegs und von dem Rest der Familie hörte sie nur unregelmäßig etwas. Umso verwunderter war sie, als eine hübsche, kleine Eule in den Sinkflug ging und ein winziges Päckchen auf ihren Teller fallen ließ. Rose sah auf. „Erwartest du Post?“, fragte sie, doch Alice schüttelte nur verwirrt den Kopf und betrachtete das Paket, das sauber mit ‚Alice Longbottom – Hufflepuff‘ beschriftet war und in Packpapier mit dem Dachs von Hufflepuff gehüllt war. Jetzt hatte sie Rose ganze Aufmerksamkeit. Sie legte die Zeitung weg und beugte sich über das Geschenk. „Los, Alice, mach schon auf“, drängte Rose und Alice tat ihr den Gefallen. Heraus fiel eine Blume. Es war keine schöne Blume. Nur ein Ast von dem viele kleine Blüten wuchsen. Der normale Hogwartsschüler würde damit nichts anfangen können, aber Alice, die einen Pflanzenfanatiker zum Vater hatte, erkannte sie auf den ersten Blick. Eine gelbe Akazie. Du bist meine heimliche Liebe. „Alice“, sagte Rose plötzlich, „da ist noch ein Zettel raus gefallen.“ Überrascht, immer noch verwirrt und irgendwie aufgeregt, nahm sie das Papier von Rose entgegen. Ich glaube an dich. Nur vier Wörter. Kein Absender. Nichts. Alice spürte wie sie rot anlief, immer noch entgeistert die gelbe Blume betrachtete und sich fragte, ob der Absender wusste, was er ihr da geschickt hatte. Das war eine Liebeserklärung. Die schönste und einzige Liebeserklärung, die sie je bekommen hatte. Wie viel Mühe sich derjenige wohl gemacht hatte, dass er sich sogar über Blumensprache informiert hatte… Denn wer ihr eine so merkwürdige, kurze Nachricht schickte, der musste wissen, dass sie die Nachricht verstehen, ihr erstes Quidditchspiel bestreiten würde und vor Nervosität fast umkam. Ich glaube an dich. Ich glaube an dich. Ich glaube an dich. Sie war verwirrt und aufgeregt und nervös und irgendwie geschmeichelt. „Alice! Was treibst du denn da? Du solltest schon vor fünf Minuten in der Kabine sein!“ Camilla kam angestürmt, den Besen schon in der Hand, und Alice ließ vor Schreck den Zettel fallen, den sie schnell wieder aufhob und unauffällig in ihre Tasche schob. „Entschuldige, Camilla, ich hab’s total vergessen!“, rief Alice, der eiskalt wieder einfiel, dass ihre Kapitänin eine letzte Teambesprechung vor dem großen Spiel angesetzt hatte. „Vergessen?!“, polterte Camilla in dem Moment in dem Rose: „Eine halbe Stunde lang? Wirklich Brooks, wir haben doch noch genug Zeit“, einwarf. Camilla warf Rose einen etwas zu giftigen Blick zu. „Nichts für ungut, Weasley, aber nicht jeder ist es gewohnt eine Siegesserie zu haben. Wir sehen uns in der Luft.“ Und damit packte sie Alice, die immer noch die Blume festhielt, am Handgelenk und schleifte sie Richtung Umkleidekabine. . . . „Wir haben härter trainiert als je zuvor, wir sind ein eingespieltes Team und die Chancen, dass wir gewinnen, standen noch nie so gut. Ravenclaw mag uns letztes Jahr weggeputzt haben, aber das war letztes Jahr. Damals ist damals, heute ist heute und heute können wir gewinnen!“ Camilla stieß die Faust in die Höhe, schaute jedem ihrer Mitspieler einmal tief in die Augen und griff dann nach ihrem Besen. Alice, die zwischen Dylan und Chloe auf der Bank saß, schrumpfte auf ihrem Platz zusammen. Ihre Anspannung hatte den Siedepunkt erreicht. Hinter der Tür, die zum Quidditchfeld führte, konnte sie bereits das Stimmengewirr der übrigen Hogwartsschüler hören, die sich eifrig unterhielten und darauf warteten, dass das Spiel begann. Alice blickte an sich herunter. Sie trug die Uniform der Hufflepuffs. Schwarz und Gelb. Nie hätte sie sich träumen lassen, einmal in eine solche Situation zu kommen. Verdammter Potter! „Was werden wir also tun?!“ „Gewinnen“, sagte Nathaniel halbherzig. „Ja, vorausgesetzt Phelps nimmt Alice nicht auseinander. Hast du seinen Blick beim Frühstück gesehen?“, fügte Alex hinzu. Alice zuckte zusammen. Aber Alex hatte recht. Das ganze Spiel schien darauf hinaus zu laufen, dass sie gegen den überragenden Phelps bestehen musste… „Wenn ihr nicht aufhört einen solchen Stuss zu reden, nehme ich euch auseinander“, schnauzte Camilla die beiden Jäger an. „Außerdem soll er das ruhig versuchen. Wenn er auch nur in Alice Nähe oder in die des Schnatzes kommt, werde ich ihm schon einen Klatscher um die Ohren hauen. Und jetzt hört gefälligst auf zu jammern und gewinnt dieses Spiel!“ Damit packte Camilla Alex und Nathaniel am Kragen und schleifte sie ins Stadium. Alice tauschte einen angespannten Blick mit Chloe. „Na los!“, rief Dylan, den die Anspannung anscheinend völlig kalt ließ, und packte begeistert seinen Besen, „wir werden gewinnen! Nicht wahr Alice?“ Wider Willen musste Alice lachen. Der kleine Dylan war einfach zu süß. Seit sie ihn zum Krankenflügel gebracht, sich um ihn gekümmert und sich Phelps offen entgegen gestellt hatte, war der Kleine noch anhänglicher und ein begeisterter Verfechter der Alice-ist-unschlagbar-Theorie geworden. „Ja“, sagte Alice, „wir geben unser Bestes, Dylan.“ „Dann los, sonst macht Camilla uns wirklich die Hölle heiß“, mischte sich nun auch Chloe ein, „kommst du Charlie?“ „Ich habe nur auf euch gewartet“, erwiderte der. ~ ♣ ~ „Willkommen zum zweiten Quidditchspiel der Saison: Ravenclaw gegen Hufflepuff!“, tönte die Stimme des Stadionsprechers Connor Hawkins durchs Stadion. Alice hatte nie viel mit ihm zu tun gehabt. Er hatte eine lässige Art, sah recht gut aus und obwohl er im fünften Jahr in Slytherin war, war er recht beliebt. Soweit sie wusste, kommentierte er seit seinem dritten Jahr sämtliche Spiele. „Nur zur Erinnerung, die letzte Begegnung endete mit 230 zu 70 für Ravenclaw nach einem atemberaubenden Schnatzfang von Mark Phelps – auch heute wieder dabei – doch natürlich sind beide Mannschaften auch heute heiß auf den Sieg. Und hier kommt die Aufstellung! Für Ravenclaw treten an: Weasley, Cartwright, Hadley, Dearing, Parker, Novak und Phelps!“ Alice blickte zum gegnerischen Team, das in bronzenen und blauen Quidditchumhängen bereits Aufstellung genommen hatte. Neben Rose stand Leanne Hadley, ein dunkelhäutiges Mädchen im vierten Jahr. Sie war offensichtlich Rose‘ Jägerkollegin, da sie mit Rose und Aidan Cartwright, einem cleveren Jungen aus Alice‘ Jahrgang, die Köpfe zusammen gesteckt hatte. Dann mussten Ian Parker und Caleb Dearing, die beide einen Schläger hielten, Camilla und Dylans Gegenspieler sein. Blieb noch Novak. Den kannte Alice fast gar nicht. Sie konnte sich nur noch daran erinnern, dass er genau wie sie eine unbekannte Größe war und von Rose in seinem Abschlussjahr verpflichtet worden war. Doch Gerüchten zu folge war Conan Novak so brillant, dass er neun von zehn Würfen hielt. Da würden Chloe, Alex und Nathaniel reichlich zu tun bekommen… Phelps hingegen wirkte ein wenig gereizt. Dauernd sah er zum Kasten, in dem die Bälle waren, als könnte er kaum abwarten bis das Spiel losging, aber wenn ihn jemand aus seinem Team ansprach, reagierte er aggressiv, sodass dieser schnell das Weite suchte. Genau in diesem Moment sah er auf. Alice, die davon völlig überrumpelt war, sah ihm direkt in die Augen. Die Schrift über Phelps Kopf war zwar verschwunden und auch der Frosch-Imitations-Trank, den Al in eine seiner Bohnen gemischt hatte, war abgeklungen, doch Phelps‘ Blick war so mörderisch, dass Alice sich fest vornahm, ihm aus dem Weg zu gehen bis sie wirklich mit ihm um den Schnatz kämpfen musste. Alice packte ihren Besen und ging mit Chloe und Charlie zu ihren Positionen. Mr Wilson, der an der Schule für Quidditch zuständig war, war gerade dabei den Kasten mit den Bällen zu öffnen, als Connor Hawkins die weitere Aufstellung bekannt gab. „Und hier kommt das Team der Hufflepuffs, angeführt von Kapitänin Brooks - sie sieht wirklich wild entschlossen aus - ihr folgen Prewett, Bradley, Miller, Adams, Clarks und Longbottom, die Neuentdeckung des Jahres! Sehen Sie sie, Professor?“ Alice hörte einen entsetzten Schrei, aber der wurde sofort von Connor und Mr Wilsons Pfiff übertönt. Sie stieß sich vom Boden ab. „Und Mr Wilson gibt die Bälle frei: Das Spiel beginnt! Ravenclaw im Quaffelbesitz. Rose Weasley leitet den ersten Angriff ein!“ Alice schoss gute sieben Meter in die Höhe, nur um noch beobachten zu können, dass Charlie nicht schnell genug vor Rose bei den Ringen ankam und das 10 zu 0 nicht mehr verhindern konnte. Der Auftakt war ein einziges Durcheinander. Rose, die vor allem auf Schnelligkeit und Taktik setzte, war das zupass gekommen, doch ihr Team, das sich erst langsam ein Spiel aufbauen musste, war hier eindeutig im Nachteil. „Hufflepuff am Ball. Das ist Prewett, dicht auf mit Miller, die jedoch von Cartwright und Hadley in die Zange genommen wird. Bradley kommt nicht nach und Prewett hat keine Anspielstation. Er muss es allein machen-“ Ein allgemeines Stöhnen seitens der Hufflepufffans ging durchs Stadion, als Caleb Dearing Alex mit einem gut gezielten Klatscher fast erwischte und der daraufhin den Quaffel fallen ließ. Leanne, die blitzschnell wendete, fischte sich den Ball aus der Luft und flog nun in die entgegengesetzte Richtung davon. Alice, die erst jetzt bemerkte, dass sie angespannt dem Spiel folgte und nicht wie von Camilla befohlen den Schnatz jagte („Kümmere dich nicht um uns, hol‘ uns den Schnatz, egal was es kostet!“), wandte sich schuldbewusst ab und stieg noch mal höher. Das mussten jetzt schon fast fünfzehn Meter sein! Tief unter ihr hörte sie ihre Mitschüler auf den Tribünen grölen, eins der beiden Teams anfeuern und gebannt das Spiel verfolgen. Die Menge war in Bronze und Blau eingeteilt. Doch anders als bei einer Begegnung von Gryffindor und Slytherin war es sehr ausgeglichen. Gryffindor hatte sich ungefähr zu gleichen Teilen für Hufflepuff und Ravenclaw entschieden, während sich der Großteil der Slytherins den Ravenclawfans angeschlossen hatte. Hufflepuffanhänger waren hier eher selten, nur vereinzelt blitze in den Reihen der Slytherins einmal Bronze und Schwarz hervor. Die Stimmung war bombastisch. Viele Schüler hatten Plakate und Banner gebastelt, einige hatten Pauken organisiert, mit denen sie den Takt schlugen und manche grölten einen einstudierten Anfeuerungsruf. „30 zu 0 für Ravenclaw! Weasley mit einem atemberaubenden Täuschungsmanöver, da hat Clarks nicht die geringste Chance – und noch immer kein Zeichen vom Schnatz!“ Alice zog eine weitere Bahn, während sie Phelps auf gleicher Höhe dasselbe tun sah. Langsam wurde sie immer nervöser. Rose‘ Team war in Bestform und auch, wenn Camilla und Alice‘ Team noch so sehr anstrengten, merkte man doch, wer hier die Favoritenrolle besaß. Sie musste den Schnatz vor Phelps finden. „Wunderbarer Klatscher von Brooks, hat Cartwright den Quaffel direkt aus der Hand geschlagen, Miller erwischt ihn, passt zu Prewett – Novak ist kurz abgelenkt – und er macht ihn rein! 30 zu 10!“ Jubel brach auf der Hufflepufftribüne aus, doch Alice konnte nicht ganz einstimmen. Novak war gut. Selbst mit Chloes und Alex‘ brillanten Passspiel war er noch mit den Fingerspitzen am Quaffel gewesen und irgendwas sagte ihr, dass sie beim nächsten Mal nicht mehr so viel Glück haben würden. „Phelps geht in den Sturzflug! Ist das der Schnatz?! Das ist nun die erste Bewährungsprobe für Alice Longbottom-“ Alice blieb fast das Herz stehen. Phelps war nur etwa sechs Meter vor ihr, aber er war schnell. Ohne zu überlegen stürzte Alice ihm nach, ließ sich fallen und schmiegte sich eng an den Besenstiel. Phelps war zwei Meter vor ihr, den Arm ausgestreckt. Alice sah es golden funkeln… Sie war mit ihm gleich auf. Durch die Wucht ihres Falles krachte sie in Phelps Seite, sie konnte förmlich hören wie das Stadion die Luft anhielt… „Verzieh dich, Longbottom“, zischte Phelps ihr zu und drängte sie ab. Alice kniff die Zähne zusammen, Phelps war größer und schwerer als sie und damit eindeutig im Vorteil, doch so schnell würde sie sich nicht geschlagen geben! „Sie rasen auf die Erde zu, beide gleich auf-“ Alice streckte die Hand aus. Der Schnatz befand sich gute zwanzig Zentimeter entfernt und mit ihrer Fallgeschwindigkeit würde der größere Phelps ihn zuerst erreichen. Sie musste das strategisch angehen. Sie war leichter. Das machte sie schneller und wendiger, darum hatte sie überhaupt erst aufgeholt und das musste sie sich zu Eigen machen. Mit aller Kraft rammte Alice Phelps‘ linke Seite und bugsierte ihn somit aus der Bahn. „Was macht Longbottom da?!“, rief Connor Hawkins durchs Mikrofon. „Achtung, da kommt ein Klatscher – und wo ist der Schnatz?!“ Plötzlich zischte besagter Klatscher durch die Luft, dem Alice nur entging, indem sie blitzschnell den Kopf einzog, doch schon donnerte der zweite an ihrem rechten Ohr vorbei und hätte fast Phelps hinterrücks erwischt. Drei Meter über dem Boden zog sich Alice aus dem Sturzflug, während Phelps nicht mehr abbremsen konnte. Das war ihre Chance, aber wo war der Schnatz?! Wo war der verfluchte Schnatz! „Na, das war wohl nichts!“, dröhnte Connors Stimme magisch verstärkt durchs Stadion. „Phelps und Longbottom entgehen beide dem Angriff der Treiber – sehr schön gespielt von Brooks und Adams - das dürfte Mark Phelps gar nicht gefallen haben. Es steht 70 zu 30!“ „Bist du in Ordnung?“, rief Camilla ihr zu, als sie gerade vorbei flog, doch Alice nickte nur. Schlimm genug, dass der Schnatz verschwunden war… Sie schraubte sich höher und sah gerade noch wie Nathaniel und Alex einen astreinen Angriff einleiteten, dicht gefolgt von Rose, die ihren Teamkollegen Anweisungen zubrüllte. Nach ein paar weiteren Metern war Alice über dem Spiel. Sämtliche Jäger hatten sich vor den Ringen Ravenclaws versammelt. Alex täuschte an, zielte auf den rechten Ring, doch Novak schaffte eine Glanzparade. Schon hatte sich das Spielfeld wieder verlagert und Alice zog darüber ihre Kreise. Nach einer Viertelstunde stand es 100 zu 60. Rose war einfach unschlagbar. Wie eine Schachspielerin dirigierte sie ihr Team über das Feld, war selbst überall und hatte mindestens die Hälfte der Tore erzielt. Wenn es ihr nicht gelang den Schnatz zu fangen, waren sie erledigt. ‚Du musst auf die Details achten‘, hatte Al ihr eingeschärft, ‚ein Sucher hat einen Blick für das Verborgene. Du musst aufmerksam sein und, wenn du den Schnatz siehst, verflucht schnell.‘ Al… Er hatte sie die ganze Zeit unterstützt, hatte sie bis zum Umfallen trainiert. Was würde er sagen, wenn sie mit leeren Händen vor ihm stand? Wenn Phelps den Schnatz fing… Das Verborgene sehen… Alice ließ den Blick wandern, beruhigte sich und suchte jeden Winkel des Stadions ab. „Wunderbares Tor von Leanne Cartwright. Damit steht es 110 zu 70. Ravenclaw führt.“ Und dann geschahen mehrere Dinge zugleich. Wie aus dem Nichts schoss ein Klatscher, der ursprünglich Chloe gegolten hatte, auf sie zu. Für einen Moment schien alles in Zeitlupe zu verlaufen. Alice warf sich zur Seite und schaffte eine Seitwärtsrolle mit ihrem Besen. Genau in diesen Sekunden, in denen sie kurz Kopf stand, sah sie den Schnatz. Er schwirrte gerade über die Tribüne der Slytherins. Niemand schien etwas mitzubekommen. Phelps war bei den Torringen der Ravenclaws. Alice beschleunigte, ihr Stardust wurde schneller. „Klatscher von Dearing – das hat weh getan – ja, es gibt einen Strafstoß. Miller führt aus.“ Sie war fünfzehn Meter vom Schnatz entfernt, als Phelps bemerkte, was vor sich ging. Mit einem Aufschrei stürzte er ihr nach und verringerte ihren Abstand in Windeseile. Die Tribüne kam immer näher und der kleine Schnatz, der seine Verfolger irgendwie bemerkt haben musste, flatterte im Zickzackkurs davon. „Aus dem Weg!“, brüllte Phelps und hieb ihr den Ellbogen in die Seite. Dann ging alles ganz schnell. Alice schnappte nach Luft, überschlug sich, driftete ab und nahm alles nur noch in einem Wirbel von Farben wahr. Himmelblau, Grasgrün, Blau, Bronze, ein Meer aus Blau und inmitten darin ein einzelner Tupfer Bronze. „130 zu 80! Hufflepuff im Ballbesitz, das ist-“ Sie fiel. So schnell, so lautlos, so frei. Alice konnte nicht sagen, wie es geschah, aber plötzlich flog sie wieder, raste dahin und dann spürte sie Phelps neben sich, den Schnatz vor Augen. Das war es. Entweder würde sie sich bis auf die Knochen blamieren oder sie würde gewinnen. Ich glaube an dich. Da waren sie wieder, die verfluchten vier Worte, die ihr nicht mehr aus dem Kopf gingen und plötzlich waren da ihre eigenen Gedanken von einem ungewohnten Selbstvertrauen getränkt. Ich kann das. Ich kann gewinnen. Ich will gewinnen. Gewinnen… „Wenn du gewinnst, besorg' ich uns einen Feuerwhiskey.“ Al grinste. „Und wenn ich verliere?“ „Dann besorg' ich uns trotzdem einen Feuerwhiskey und wir geben uns die Kante.“ Der Schnatz machte eine abrupte Kehrtwende. Alice griff gleichzeitig mit Mark Phelps nach dem filigranen fliegenden Ball. Sie flog einen Looping, bei dem ihr fast die Brille von der Nase rutschte, und konnte es gerade noch verhindern, dass sie in die Sitzreihen der Slytherins krachte. „Was ist da passiert?! Longbottom und Phelps im Kampf um den Schnatz. Doch wer hat ihn?!“ Alice blinzelte, atmete tief ein und versuchte ihren Herzschlag zu beruhigen. Das Spiel schien vergessen zu sein. Sämtliche Spieler musterten sie und Phelps in der Hoffnung einen Hinweis zu bekommen, wer gewonnen hatte. Ganz Hogwarts schien den Atem anzuhalten und dann sah Alice in Mark Phelps Gesicht, das zu einer Miene aus Fassungslosigkeit, Wut und verletztem Stolz geworden war. Erst dann bemerkte sie die glatte Kugel in ihrer Hand. Die Flügelchen des gefangenen Schnatzes flatterten hilflos und schlugen vergeblich gegen ihren Handrücken. Fassungslos sah Alice auf den goldenen Ball. Sie … hatte gewonnen? Zögernd hob sie die Hand mit dem Schnatz und dann brach die Hölle los. „Sie hat ihn!“, brüllte Connor ins Mikrofon und kam doch kaum gegen den Lärm an, der bei den Hufflepufffans entbrannte, die allesamt aufgesprungen waren und den Sieg feierten. „Das gibt es doch nicht! Was für ein Debüt! Alice Longbottom fängt den Schnatz und Außenseiter Hufflepuff besiegt Ravenclaw 230 zu 130! Was für ein Auftakt! Was für ein Spiel-“ Doch den Rest bekam Alice nicht mehr mit, da in diesem Moment Dylan samt Schläger auf sie zugerast kam und sie mitten in der Luft so fest umarmte, dass sie kaum atmen konnte. „Du bist die Beste, Alice!“, schrie er gegen den Tumult an. Zwischen dem ganzen Chaos bekam sie nicht mal mehr mit, wie sie eigentlich gelandet war. „Hab‘ ich es doch gewusst. Du-“, rief jemand anderes. „Alice-Schätzchen, geht es dir gut?!“, hörte sie ihren Dad rufen, der gar nicht bis zu ihr durch kam. „Alice!“ „Wir haben gewonnen!“ „Ich kriege fünf Galleonen, Fred!“, rief James. „Ich wusste, warum ich dich ins Team geholt habe!“ Das war Camilla. Die Erste, die Alice in dem Gewühl der ganzen Leute wiedererkannte, die sich um sie drängten und ihr allesamt zu dem Fang, von dem sie immer noch nicht wusste, wie genau er passiert war, zu gratulieren. Irgendwie schaffte sie es zu landen und fand sich eingehakt zwischen Camilla und Dylan wieder, die sie vollkommen siegestrunken zu allen möglichen Leuten schleppten. Auf einmal tippte ihr jemand auf die Schulter. Und dann war da Al, ganz in Bronze und Schwarz und mit einem Hufflepuffschal behängt, eine Flasche Feuerwhiskey haltend, die geheimnisvoller Weise noch von niemandem konfisziert worden war, und - sie angrinsend. . . . Über Hogwarts‘ Ländereien ging gerade die Sonne auf, als ein Vogel zwitschernd den Morgen ankündigte und über die Wipfel der Bäume des Verbotenen Waldes flog. Es war ein friedlicher Tag, nichts deutete auf etwas Ungewöhnliches hin. Alles war wunderbar ruhig. Alice Longbottom erwachte von dem Geräusch einer fallenden Feuerwhiskeyflasche. Zuerst dachte sie sich nichts dabei. Immerhin war es Samstag und Wochenende. Außerdem war das Euphoriegefühl vom gewonnen Quidditchspiel noch immer gegenwärtig und so drehte sie sich nur glücklich auf die andere Seite und versuchte wieder einzuschlafen. Ihr Bett roch frisch nach gemähtem Gras und Morgenluft und sie konnte sogar die Vögel vor dem Fenster zwitschern hören. Alice seufzte glücklich. Der letzte Abend war so wunderbar, so ereignisreich, so toll gewesen, dass sie endlich verstanden hatte, warum alle Quidditch so verehrten. Und nachdem Al… Und nachdem Al… Ja, was war dann eigentlich gewesen? Sie versuchte sich zu erinnern, doch da war nichts. Sie wusste nur noch, dass sie gemeinsam mit Al die Flasche Feuerwhiskey aufgemacht hatte. Aber was war dann gewesen? Wann war sie eigentlich ins Bett gegangen? Doch je mehr sie versuchte sich zu erinnern, desto stärker brummte ihr Schädel. „Uh“, murmelte Alice und öffnete halb ihre Augen. Sofort im nächsten Moment bereute sie es wieder, da ihr plötzlich so schwindelig wurde, dass sie beinahe einen Brechreiz spürte. Sie blinzelte vorsichtig. Einen Moment lang verspürte sie die blanke Panik. Das war nicht ihr Schlafsaal. Bei Merlin, das war noch nicht mal Hogwarts! Okay. Ruhig bleiben. Sie musste das rational angehen. Alice öffnete die Augen, doch das Bild, das sich ihr darbot, hätte sie am liebsten nicht gesehen. Ihr Kopf schoss in die Höhe (schlechte Idee!) und sie stieß ein schrilles Kreischen aus. „Wasn‘ los?“, murmelte ein schlaftrunkener Fred. „Mach’n Wecker aus‘, es is viel zu frühl zum Aufsteh’n…“ Damit drehte er sich auf die andere Seite und pennte weiter. Scorpius und Rose (dicht aneinander gekuschelt) lagen rechts von ihr im Gras. James, der eine Flasche Butterbier in der Hand hielt, hing über einem Baumstamm und schnarchte fröhlich vor sich hin. Lorcan hatte sich dicht vor dem Lagerfeuer zusammen gerollt, murmelte etwas, das verdächtig nach einem alten Oldie von Celestina Warbeck klang, und lag bäuchlings auf dem Boden. Von ihrem Team waren nur Nathaniel, Alex und Camilla da, die neben einem magischen Radio, das vor sich hin rauschte, friedlich schlummerten. Dann fiel ihr Blick auf Al. Der lag neben ihr und einer seiner Arme war über ihrem Bauch. (Trotz der Übelkeit wurde Alice knallrot.) Zu ihrem Entsetzen hob er just in diesem Augenblick den Kopf, schwenkte eine leere Feuerwhiskeyflasche und fragte offensichtlich nicht mehr ganz Herr der Lage: „Noch jemand nen‘ Schnaps?“ Alice, völlig fassungslos über so viel Dreistigkeit, konnte ihn nur wortlos anstarren. „Willst du nix‘?“, nuschelte Al, als Alice immer noch nichts sagte. „Al“, fragte Alice, die immer noch mit ihrer Fassung kämpfte, „was ist hier passiert?“ „Was passiert is‘?“, wiederholte Al total neben der Spur. „Party! Alice-Schätzchen!“, rief er, „un‘ dann ham‘ wa gesoffen! Un‘ dann-“ „Erspar‘ mir die Einzelheiten!“, rief sie entsetzt und fasste sich augenblicklich an den Kopf. Ihr war so übel… „Aber Alice, du hast doch am meisten mitgemacht!“, sagte Al mit einem dämlichen Grinsen im Gesicht. WAS?! „Ehrlich, du warst total blau un‘“ – „Halt die Klappe, Al!“, rief James und warf seine Flasche nach seinem Bruder, die ihn nur knapp verfehlte (Was ein Wunder war.). „Kann hier denn keiner seinen Rausch ausschlafen!“ Doch Albus kicherte nur mädchenhaft. „Aber Jamsie-“ „Schnauze!“, brüllte James. „Al?“ Rose war aufgewacht, richtete sich auf und schob vorsichtig Scorpius‘ Arm von sich weg. „Rosie!“, rief Al begeistert. „Der ist immer noch total voll“, grummelte Scorpius, der ebenfalls aufgewacht war. „Na, der hat ja auch noch fast zwei Flaschen Feuerwhiskey alleine leer gemacht, nachdem er Alice abgefüllt hat“, sagte Rose sachlich. „Wie bitte?!“ Alice packte Al am Kragen, ließ aber gleich wieder los. „Alice?!“, rief Rose, die schwankend auf die Beine kam. Alice packte sich an den Kopf. Irgendwie… drehte sich alles. „Alice?! Bei Merlin! Was ist denn hier passiert!“ War das… ihr Dad? „Pr…Professor?“ „Onkel Neville!“, rief Al. „Albus? Rose?“ „Ich kann alles erklären!“, stotterte Rose. „Ich fürchte da gibt es einiges, das-“ Doch den Rest bekam Alice nicht mehr mit, da sie sich in diesem Moment gepflegt auf Al’s Schuhe übergab. . . . „Und Sie werden allesamt Nachsitzen erhalten – ja auch du Fred - das ist ja wohl die Höhe! In meiner Zeit haben wir wenigstens noch im Gemeinschaftsraum gefeiert und nicht direkt vor dem Verbotenen Wald eine Grillparty veranstaltet!“ „Eigentlich war’s mehr ein großes Besäufnis, nicht wahr Bruderherz?“, warf James ein. „James Potter! Diese Idee ist doch nur auf deinem Mist gewachsen! Warte nur, wenn ich das deinem Vater erzähle!“ „Aber Onkel Neville-“ „Oder deiner Mum! Ja, ich wette Ginny hat einiges dazu zu sagen, was ihre Söhne treiben, wenn sie nicht ein Auge drauf hat. Du und Al, ihr könnt froh sein, dass Lily nicht auch dabei war-“ „Aber Onkel Neville-“ „Und nenn mich nicht Onkel, ich bin ein Professor!“ „Dad?“ Alice blinzelte. Vor ihren Augen war alles verschwommen, aber der Geruch war eindeutig der vom Krankenflügel. Steril und ein bisschen nach Medizin duftend. Alice wurde wieder übel. „Alice-Schätzchen!“, rief ihr Dad besorgt, „geht es dir gut? Was haben Albus, Fred und James nur mit dir angestellt?“ „Wieso bin ich eigentlich auch schuld?“, fragte Fred. „Frag‘ dich das doch mal selbst, du Schluckspecht.“ Das war eindeutig Scorpius. Diesen leicht arroganten Unterton hatte nur einer. „Du hast bloß keinen Kater, weil du die ganze Zeit mit Rosie geknutscht hast, Malfoy.“ „Du hast was?“, rief Lorcan dazwischen. „Immerhin habe ich jemanden, mit dem ich Knutschen kann, Weasley“, erwiderte Scorpius, der Lorcan vollkommen ignorierte. „Ruhe!“, donnerte ihr Dad, „ihr geht! Und zwar alle!“ Damit stand er auf und scheuchte Scorpius, Rose, Fred, Lorcan und James aus dem Krankenflügel. „Na endlich“, seufzte Professor Longbottom, „ihr Kids bringt mich noch mal um den Verstand. Aber was hast du dir dabei gedacht, Alice, du warst doch sonst immer so vernünftig.“ Ihr Bett senkte sich kurz, als ihr Dad darauf Platz nahm. „Ich weiß nicht“, murmelte Alice zur Antwort, „da ist so viel passiert. Wir haben Quidditch gespielt und dann habe ich gewonnen!“ Und wieder verspürte sie dieses euphorische Glücksgefühl, als sie sich daran erinnerte. „Oh, ja“, gluckste ihr Dad, „ich hatte keine Ahnung, dass du so gut spielst. Ich habe mir bei meinem ersten Flug das Handgelenk gebrochen. Du hättest mal deinen Bruder sehen sollen! Der hat zehn Galleonen auf Ravenclaw gesetzt und dann fängst du den Schnatz!“ Alice kicherte. „Ich wette, das hat ihm gar nicht gefallen, was?“ „Oh, nein. Ich fürchte Roxanne hat ihn ordentlich ausgelacht.“ Sie grinste. „Na ja, vielleicht setzt er die Galleonen ja das nächste Mal auf mich.“ „Vielleicht. Warte nur, bis ich das deiner Mutter erzählt habe, die wird Augen machen! – warte mal! Du versuchst gerade mich abzulenken, oder? Nichts da, Fräulein. Und jetzt erkläre mir mal, wie dieses ganze Desaster angefangen hat.“ „Na ja…“, begann Alice, „das war…“ Al’s Schuld… „meine Schuld. Al hat mich dazu überredet dem Quidditchteam beizutreten, nachdem Camilla mich fliegen gesehen hat und mich dann heimlich trainiert. Irgendjemand hatte diese Party organisiert und ich war so glücklich und stolz, dass ich für Hufflepuff gewonnen habe, dass ich mitgemacht habe. Alle haben getanzt und was getrunken, Dad.“ Ihr Vater sah sie lange an. Dann seufzte er erneut. Alice sah ihn fragend an, doch er schüttelte nur den Kopf. „Ich wusste ja, dass du früher oder später erwachsen werden würdest, aber sowas… Nur eins ist merkwürdig: Albus hat mir vorhin die gleiche Geschichte aufgetischt. Mit einem Unterschied: Er hat vehement darauf beharrt, dass alles seine Schuld ist.“ Neville Longbottom’s Blick wanderte zum Nebenbett, in dem Al, mit zerzausten Haaren und immer noch in Hufflepufffankleidung, friedlich schlief. Alice wurde warm bei diesem Anblick. Irgendwie… war es am schönsten gewesen, als Al mit dieser Feuerwhiskeyflasche vor ihr gestanden hatte. Seit seiner Erpressung, den gemeinsamen Streichen und ihrem Streit, war er irgendwie immer da gewesen und langsam fragte sie sich, warum sie ihn vorher immer wieder abgewimmelt hatte. Ihr Dad bemerkte ihren Blick. „Er muss dich wirklich gern haben“, sagte Neville. ~ ♣ ~ Von einen auf den anderen Tag war Alice Longbottom zur Berühmtheit geworden. Wo sie früher vielleicht jeder zehnte auf dem Gang gegrüßt hatte, wurde sie jetzt von allen möglichen Mitschülern belagert, die ihr zum Sieg gratulierten, oder wie in Mark Phelps Fall schnaubend an einem vorbei liefen. Der war offenbar tief beleidigt und ziemlich eingeschnappt, dass sie ihn besiegt hatte. Und plötzlich war da auch eine neue Alice Longbottom. Eine strahlende, schöne, selbstbewusste Alice Longbottom, die es sich nicht nehmen ließ, Rose und Scorpius auf den Arm zu nehmen und ihnen ein einwandfreies Beweisfoto, auf dem sie in einer sehr innigen Pose vertieft waren, unter die Nase zu halten. Das Foto hatte sie von Fred, der alles auf der Spontanparty festgehalten hatte. Rose erbleichte („Ich wollte es dir sagen, wirklich, Alice.“), während Scorpius nur mit den Schultern zuckte („Mach‘ nicht so einen Wind, das wissen doch eh‘ alle, Longbottom, außerdem muss ich mir jetzt keine Sorgen mehr machen, dass irgendein Idiot meine Freundin anbaggert.“). Damit war die Sache erledigt. Als Alice an diesem Tag zum Zauberkunstunterricht ankam, war sie schon Dylan auf dem Flur begegnet, der sie seinen Freunden vorgestellt hatte, hatte sich von fünf verschiedenen Leuten nach der Taktik gegen Gryffindor ausquetschen lassen und konnte sich von einem noch immer beleidigten Phelps im Vorbeigehen anhören, dass Gryffindor mit Lily Potter als Sucherin unschlagbar war. Obwohl Gryffindor im ersten Spiel hauchzart gegen den Erzrivalen Slytherin verloren hatte. (James hatte sich aus Protest geweigert eine Woche mit Al zu sprechen und hatte ihn ebenso lange als gemeinen Verräter betrachtet – bis sie auf dem Besäufnis einträchtig nebeneinander hockten und sich die Kante gaben.) Doch das plötzliche Aufsehen, das sie als Sucherin erregt hatte, hatte zu einer weiteren Veränderung geführt. Sie wurde bemerkt. Nicht als Professor Longbottoms Tochter, oder als Streberin. Nicht als unscheinbares Mauerblümchen, als Rose‘ beste Freundin, oder Al’s Streichopfer, sondern als Mädchen. Es war, als wäre die unsichtbare Grenze verschwunden, die Alice, die Professorentochter, und Alice, das Mädchen, voneinander trennte. Plötzlich und zu ihrer maßlosen Überforderung sprachen sie Jungs auf dem Gang an und pfiffen ihr hinterher (was sie höchst unangenehm fand und überhaupt nicht damit umgehen konnte). Rose schien mit einer solchen Behandlung keine Probleme zu haben, aber sie wusste sich schon immer besser durchzusetzen als sie und sämtliche Ravenclawjungs hatten einen Heidenrespekt vor ihr. Aber Alice, die die Jungs in dieser Hinsicht noch nie beachtet hatten, war von dieser Art der Aufmerksamkeit völlig erschlagen und schlichtweg überfordert. Sogar ihre Teamkollegen waren seit der Party irgendwie merkwürdig. Alex ließ manchmal eine zweideutige Bemerkung fallen und Nathaniel sah sie manchmal so an, als würde er stark über etwas nachgrübeln. Nur Dylan, der noch ganz andere Dinge im Kopf hatte, und Charlie, der wie sie vermutete ein Auge auf Chloe geworfen hatte, behandelten sie normal. „Sie haben endlich mal alle gecheckt, dass du total süß bist, Alice-Schätzchen“, hatte Rose geantwortet und ihr zugezwinkert, als sie ihr ihre Gedanken gebeichtet hatte. Trotzdem … trotzdem war es so ungewohnt. Es war zu viel. Zu viel auf einmal und irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, sich je in einen Jungen zu verlieben, der sie nur deshalb interessant fand, weil sie ein Quidditchass war. Wie sie Al gesagt hatte, wollte sie sich verlieben und Liebesbriefe bekommen und Dates haben und die berühmt berüchtigten Schmetterlinge im Bauch spüren. Aber irgendwie fühlte sich das, was sie gerade erlebte, nicht richtig an. Alles war so neu, so lebendig und sie zum ersten Mal mitten drin. Es machte ihr zwar ein bisschen Angst, aber gleichzeitig spürte sie wie sie dadurch erwachsener und mutiger wurde. Alice schrak aus ihren Gedanken, als es schellte und sie Al, Scorpius und Lorcan vor dem Klassenzimmer entdeckte. „Wo warst du solange?“, begrüßte sie Molly, die schon im Klassenzimmer Platz genommen hatte. „Lange Geschichte“, sagte Alice. Molly zog eine Augenbraue hoch und grinste dann. „Du hast in letzter Zeit ganz schön viel zu tun, was du Supersucherin?“ „Stimmt, ich glaube demnächst muss ich mir wirklich einen Zeitplan machen.“ Molly lachte. „Na ja, solange noch etwas Zeit für deine Freunde bleibt- apropos…“ Molly sah unauffällig Al’s, Scorpius‘ und Lorcan’s Richtung. „Trainierst du immer noch mit Al?“, flüsterte Molly. „Klar“, sagte Alice, „der Trottel hat sich in den Kopf gesetzt, dass ich James und Lily schlage.“ „Ich wollte eigentlich auf etwas anderes hinaus-“ „Guten Morgen!“, unterbrach sie Professor Sheffield gut gelaunt. Das Gerede verstummte und die Schüler sahen Professor Sheffield erwartungsvoll an. „Heute“, erklärte er, „werden wir uns mit dem Jahreszeitenzauber beschäftigen. Sie haben so gut mitgemacht, dass Sie eigentlich bereit dazu sein müssten. Der Spruch den Sie lernen werden, lautet: Concludere hora. Er ist sehr schwer und erfordert viel Konzentration. Kann mir jemand sagen, wo er seinen Ursprung hat und aus welchem anderen Zauber er hervorgegangen ist?“ Ein paar Hände schossen in die Höhe. Professor Sheffield fing Alice‘ Blick auf und lächelte. „Ja, Miss Longbottom?“ „Der Jahreszeitenzauber ist eine abgeänderte Variante des Zaubers, den man für die Erschaffung eines Zeitumkehrers benutzt. Nur ermöglicht der Jahreszeitenzauber im Gegensatz zu ihm die Zeit in einen Raum wie einem Glas einzuschließen und nicht in der Zeit zu reisen.“ „Ganz genau. Zehn Punkte für Hufflepuff. Wofür wird er heute verwendet? Ja, Mr Malfoy.“ „Früher war der Zauber so präzise, dass sogenannte Wettermagier mit dem Jahreszeitenzauber das Wetter und die klimatischen Veränderungen auf der ganzen Welt feststellen konnten. Das bewahrte die Zauberschaft oft vor schweren Naturkatastrophen und diente als eine Art Frühwarnsystem bei Unwettern. Heute ist kaum ein Zauberer oder eine Hexe in der Lage den Zauber so präzise auszuführen und so wird er meist nur noch als hübsches Geschenk gebraucht und ist ähnlich wie die Decke in der Großen Halle in der Lage das Wetter draußen wiederzuspiegeln.“ Professor Sheffield klatschte in die Hände und nickte Scorpius anerkennend zu. „Sehr gut, Mr Malfoy“, sagte er, „nehmen Sie ebenfalls zehn Punkte. Nun, der Unterrichtsplan sieht es nicht vor, dass wir uns so lange mit diesem Zauber beschäftigen, dass wir die Ergebnisse der Zauberer früher nachahmen können. Sie werden lediglich lernen ein solches Abbild dieses Zaubers, wie Mr Malfoy es korrekt beschrieben hat, herzustellen. Doch dafür… benötigen Sie eine gewisse Vorbereitung…“ Professor Sheffield schwang seinen Zauberstab und ließ eine kleine Schachtel auf sein Pult schweben, die sich im Nu selbst entpackte. „Kommen Sie näher!“, forderte er die Schüler auf und unter Stuhlrücken und Gedränge versammelten sie sich um den Tisch herum. Professor Sheffield nahm einen kleinen Gegenstand aus der Schachtel und hielt ihn gut sichtbar in die Höhe. Es war eine rotbraun glänzende Kastanie. „Der Jahreszeitenzauber“, sagte Professor Sheffield, „wurde von Wettermagiern der frühen Jahrhunderte in allerlei Formen angewendet. Der Zauber war so verfeinert worden, dass sie nur den Zauber zu sprechen brauchten und die Zeit in einer Kristallkugel, wie wir sie heute kennen, zu bannen. Somit hatten sie die Möglichkeit die projizierten Bilder, die der Zauber in der Kugel zeigte, zu deuten und für jede beliebige Landschaft der Erde herauf zu beschwören. Doch dieses Wissen ging im Laufe der Jahre verloren. Heute benötigen wir ein Medium, anhand dessen wir ablesen können. Dafür habe ich Ihnen Baumsamen mitgebracht.“ Er reichte die Kastanie herum und Alice beugte sich neugierig über die Schachtel. Da waren Eicheln, Kastanien, sogar eine Kokosnuss, Fichtenzapfen, Haselnüsse, Ahornsamen, Apfel- und Birkensamen und noch allerlei mehr. Kurz ein buntes Sortiment, dass Alice erahnen ließ, wofür sie die brauchten. „Nun sehen Sie genau zu.“ Der Lehrer legte die Kastanie auf das Pult, tippte einmal mit seinem Zauberstab auf sie und sagte dann laut und deutlich: „Crescere Castigo !“ Und vor den verblüfften Augen der Schüler wuchs die Kastanie. Es bildete sich ein dünner Stamm, erste Blätter traten hervor, doch alles geschah im Miniaturformat. Ähnlich einem Bonsaibaum entstand ein vollständig ausgebildeter Baum, der jedoch nur einen Bruchteil seiner normalen Größe ausmachte. „Oh“, hauchte Molly neben ihr, als man sogar noch winzige Kastanien erkennen konnte. „Wie schön“, murmelte auch Alice, als sie das kleine Wunder betrachtete. „Ich möchte, dass Sie sich nun einen Samen aussuchen. Mit diesem führen sie den Wachstumszauber aus, den ich Ihnen eben gezeigt habe und pflegen bis zur nächsten Stunde Ihren Baum. Beim nächsten Mal werde ich mit Ihnen den Jahreszeitenzauber üben. So sieht er aus.“ Der junge Lehrer hob abermals den Zauberstab, richtete ihn auf den Baum, führte eine komplizierte Bewegung mit dem Zauberstab aus und rief: „Concludere hora!“ Dann war es, als ob der Baum in Sekundenschnelle den Wandel eines ganzen Jahres durchleben würde. Zartgrüne Knospen wurden zu hübschen Blüten. Die verwandelten sich in winzige Kastanien, die ihrerseits auf das Pult kullerten. Die Blätter verfärbten sich in satte Rot-, Gelb- und Orangetöne und segelten dann langsam herab bis nur noch kahle Äste übrig blieben. Alice hatte kaum geblinzelt, da trug die Kastanie wieder zartgrüne Blätter. Professor Sheffield richtete den Zauberstab nun auf die Kristallkugel und begleitet von einem matten Lichtschein verschmolz der Baum mit dem Kristall, bis er sich in dessen Inneren befand und seine Blätter sich von einem unsichtbaren Wind sanft wiegten. „So“, sagte Professor Sheffield, „so sieht der Zauber. Suchen Sie sich nun eine Baumsorte aus.“ Alice, die immer noch den Baum in der Kristallkugel betrachtet hatte, kam langsam wieder zu sich. Immer schon hatte sie diesen Zauber lernen wollen und nun, da sie ihn endlich zu Gesicht bekommen hatte, kannte ihre Begeisterung keine Grenzen mehr. Aber welche Baumart sollte sie sich auswählen? Sicher eine Birke hätte diesen schönen weißen Stamm, aber ein Kirschbaum wäre sicher ebenso schön. Oder doch lieber Ahorn? „Ich nehm die hier!“, sagte jemand neben ihr. Als Alice aufsah, grinste Al ihr entgegen, der sich die Kokosnuss gesichert hatte. „Was?“, erwiderte er auf ihren fragenden Blick hin, „so kommt doch zumindest ein bisschen Urlaubstimmung auf.“ „Wenn du meinst“, sagte sie, „ich glaube… ich nehme… hm…“ „Überleg' nicht zu lange, sonst sind die besten weg. James hat gesagt, dass Sheffield das als Projekt sieht und die Note ziemlich viel Gewicht hat.“ „Hm…“, machte Alice erneut. „Nun komm schon, Alice“, drängte Al. „Na gut“, seufzte sie und griff nach einem Kirschkern, „nehm' ich eben den.“ „Passt zu dir“, kommentierte Al. Damit schnappte er sich die Kokosnuss und verschwand in Richtung Lorcan und Scorpius, die den Zauber schon eifrig probten. Für einen Moment schien alles wie in Zeitlupe zu verlaufen. In ihrer Hand spürte sie den kleinen Kirschkern. Doch in ihrem Kopf spielten sich immer und immer wieder Al’s Worte ab. Passt zu dir. Was wollte er ihr damit sagen, oder war das nur so dahin gesagt worden? Sie spürte wie ihr die Röte in den Kopf stieg. Warum? Warum wurde sie jetzt rot? Das war etwas völlig Alltägliches, nichts worüber man sich großartig Gedanken machen musste… „Alice? Hallo?!“ Molly wedelte vor ihren Augen mit ihrer Hand herum. Alice blinzelte. „Also echt“, sagte Molly, „du träumst am helllichten Tag.“ Damit knuffte ihre Freundin sie in die Seite und hielt ihr einen Ahornsamen unter die Nase. „Du bist doch sonst so gut in Zauberkunst, kannst du mir vielleicht helfen?“ „Sicher“, sagte sie, „wenn ich das hinkriege…“ „Nur Mut, Miss Longbottom“, warf der gerade vorbei gehende Professor Sheffield ein und lächelte sie aufmunternd an. Und wieder wurde Alice auf unangenehme Art und Weise an ihr Missgeschick erinnert. Wie lange konnte sie das verheimlichen? Und wie lange schaffte sie überhaupt das mit ihrem Gewissen zu vereinbaren… „Erde an Alice! Bist du noch da?“ „Uh… sorry Molly…“ „Wie auch immer“, winkte ihre Freundin ab, „zeig mal was du kannst.“ „Okay.“ Ein wenig nervös legte Alice ihren Kirschkern vor sich auf den Tisch. Dann richtete sie den Zauberstab auf ihn. Atmete tief ein. Crescere Castigo. Es war ganz leicht. Molly beobachtete sie abwartend. Sie konnte das schaffen. Natürlich konnte sie das. „Crescere Castigo.“, sagte sie laut und deutlich. Zuerst geschah nichts, dann sah es kurz so aus, als würde die Luft um den Kirschkern flimmern. Im nächsten Moment wuchs aus ihm ein schlanker Stiel, der immer größer wurde, Blätter und wunderhübsche Kirschblüten entwickelte. Der zarte Stiel wurde zur Rinde, die winzigen Äste verdichteten sich zu einer Krone. Ein Kirschbaum im Miniaturformat. Ein kleines Wunder. „Wow“, hauchte Molly, „dieser Zauber ist wirklich wunderschön.“ „Ja“, gab Alice ihr recht und berührte fast liebevoll den kleinen Baum, der kaum größer als ihre Hand war. Doch je länger sie ihn ansah, desto mehr kam ihr das Bild eines anderen Baumes in den Sinn. Eines Baumes in einer Kristallkugel, die im Sonnenlicht eines vergangenen Tages matt glänzte. Jenes Tages, der mit einem Mal ihr Leben umgekrempelt hatte, der dafür gesorgt hatte, dass sie über sich hinaus wuchs und das Leben aus vollen Zügen genießen lernte. Es schellte. „Kommt schon, Leute!“, hörte sie Lorcan rufen, „ich habe einen Riesenhunger.“ Jemand lachte und Alice starrte immer noch auf den Baum, während ihre Mitschüler schon zusammen packten. Molly hob ihren Kirschbaum in einen Umtopf, bevor sie bei ihrem Ahorn, bei dem sie ebenfalls den Wachstumszauber angewandt hatte, dasselbe tat. Molly seufzte. „Pause“, sagte sie geplättet, „ich bin wirklich froh, dass wir heute nicht auch noch Pflege magischer Geschöpfe haben. Nichts gegen Hagrid, aber der Unterricht ist ganz schön anstrengend.“ „Hm.“ „Alice? Also irgendwie bist du heute komisch, du hast dich seit Wochen so auf diesen Zauber gefreut und jetzt bist du auf einmal wie weggetreten.“ Alice schreckte auf. „Tut mir Leid.“ „Ach was“, winkte Molly ab, „aber ich mache mir schon ein bisschen Sorgen, nicht dass du dir mit dem Quidditch mehr Stress machst als nötig.“ „Das ist es nicht.“, sagte Alice, „es ist nur…“ Sie verstummte. Es ist nur, dass ich Professor Sheffields Vertrauen missbrauche, wo er doch immer an mich geglaubt hat, und ich zu feige bin, die Wahrheit zu sagen. Aber das konnte sie Molly nicht erzählen. „Ist schon okay“, riss Molly sie aus den Gedanken, „ich bin ganz schön neugierig, ich weiß.“ „Oh“, sagte sie nur. „Wie auch immer, wollen wir los zum Mittagessen? Ich wette Rosie zieht den Gulasch Scorpius vor, wenn sie davon Wind bekommt.“ Alice sah ihre Freundin an, die sie so offen anlächelte. Dann ließ sie ihren Blick durch das leere Klassenzimmer wandern. Sie waren die letzten. Sämtliche Tische waren ordentlich hinterlassen worden und im hinteren Teil des Raumes räumte Professor Sheffield gerade ein paar Unterrichtsmaterialien weg. Feige. So heiß wie Feuer brannte sich das Wort in ihr Herz. So war sie immer gewesen, hatte sich zu wenig zugetraut. Aber galt das überhaupt noch für die neue Alice? Die Alice, die mit Al den besten Streich plante, den Hogwarts seit einer Ewigkeit gesehen hatte. Die Alice, die ihre Angst überwunden hatte, nur damit Al ihr verzieh und die, die alles gab um zu beweisen, dass sie nicht so war, wie viele geglaubt hatten? Nein. Sie war nicht feige. Nicht mehr. Und sie hatte genug Mumm, um zu ihren Fehlern zu stehen. „Geh‘ du schon mal vor“, sagte Alice zu Molly, „ich muss noch etwas erledigen.“ ~ ♣ ~ Alice schloss die Tür des Klassenzimmers und atmete dann tief durch. Sie würde wohl zu spät zum Mittagessen kommen, doch trotzdem war es das Richtige gewesen. Endlich hatte sie den Mut gefunden zu ihren Fehlern zu stehen. „Was hat das solange gedauert?“ Alice zuckte zu Tode erschrocken zusammen. Al lehnte lässig an der Wand, hatte seine Schultasche geschultert und sah sie erwartungsvoll an. „Ich…“, stotterte sie und wusste beim besten Willen nicht, was sie sagen sollte. Wusste er, dass sie Sheffield soeben alles gebeichtet hatte?! „Nun mach‘ schon, Alice, ich habe nicht ewig Zeit und ich könnte einen ganzen Hippogreif verspeisen.“ „Warte doch mal!“, rief Alice hinter ihm her, nachdem sich Al schon umgedreht hatte, „warum hast du eigentlich gewartet?“ „Ach das“, winkte Al ab, „ich wollte dir nur sagen, dass du Samstag mit mir nach Hogsmeade kommen musst. Lorcan will sich da mit seinem Bruder und seinen Eltern treffen, Scorp hat ein Date mit Rose und ich kann ohne einen Vertrauensschüler nicht mit.“ „Wieso das denn?“, wollte sie wissen. Al wurde leicht rosa um die Nase und murmelte etwas Unverständliches. „Was?“, hakte Alice nach. „Verdammt, das hat mir Cole aufgebrummt, nachdem Fred, Lorcan und ich diesen Korridor unter Wasser gesetzt haben. Du weißt schon, das Nachsitzen.“ Er strich sich verlegen die Haare aus der Stirn. „Oh“, machte Alice. „Also kommst du mit“, bestimmte Al gut gelaunt und grinste sie an, „vergiss nicht, ich habe dich in der Hand, Miss Longbottom.“ Alice Herz machte einen Hüpfer. Nein, das hast du nicht. Er konnte sie nicht mehr erpressen, denn soeben hatte sie Professor Sheffield sämtliche Missetaten gebeichtet. Und selbst Al würde nicht so kleinlich sein, sie wieder zu ignorieren, nachdem sie sich gerade versöhnt hatten, oder? „Alice?“ „Was? Ja.-“„Oh, prima! Dann hol ich dich um fünf bei eurem Gemeinschaftsraum ab. Und jetzt habe ich Hunger!“ Ohne, dass Alice auch nur Luftholen konnte, hatte Al die Türen zur Großen Halle aufgestoßen (wie waren sie so schnell dorthin gekommen?) und Richtung Slytherintisch davon gestürmt. Hogsmeade. Eigentlich hatte sie vorgehabt mit Molly schon mal Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Warum hatte sie Al zugesagt? Warum hatte sie nicht abgelehnt? Jetzt, wo er sie endlich nicht mehr erpressen konnte… . . . „Super, Alice!“, brüllte Camilla über das Quidditchfeld, nachdem Alice in einem spektakulären Sturzflug den Schnatz gefangen hatte. Alice grinste stolz und ließ den Schnatz dann wieder frei, um erneut üben zu können. Das Match gegen Gryffindor rückte immer näher und wenn Phelps auch noch so beleidigt war, Lily war eine brillante Sucherin und James so besessen davon, das Spiel zu gewinnen, dass er selbst im Schlaf, wie Al berichtet hatte, Strategien vor sich hin murmelte. Aber sie hatten Ravenclaw geschlagen und sie waren super in Form. Außerdem hatte sie der historische Sieg im letzten Spiel eisern zusammen geschweißt. Alice wusste einfach, dass sie gewinnen konnten. „Genug für heute!“, rief Camilla noch einer weiteren halben Stunde. Erleichtert landete Alice auf dem Feld. Die sportliche Betätigung verlangte ihr wirklich einiges ab. Dazu kamen Vertrauensschülertätigkeiten und eine Unmenge an Hausarbeiten. Vielleicht hatte Molly doch recht und sie hatte sich wirklich ein bisschen viel Stress zugemutet. Andererseits stellte das Quidditch auch einen wunderwaren Ausgleich zum Schulalltag dar. „Hey, Alice!“ Sie sah auf und sah Al und Scorpius auf der Tribüne sitzen und ihr zuwinken. Spionierten die oder brauchten sie bloß einen Ort, wo sie ungestört ihren nächsten Streich planen konnten? Mit einem leichten Ruck landete Camilla neben ihr und es dauerte nicht lange, da hatte sich auch das restliche Team zu einer kurzen Besprechung, wie sie sie immer nach dem Training abhielten, bei ihnen eingefunden. „Also“, begann die Kapitänin, „Dylan wir müssen nächstes Mal noch an unserem Doppelpass üben. Wenn wir es schaffen, die Klatscher gezielt hin und her zu spielen, hauen wir sogar James Potter damit von seinem Besen.“ „Ja, Chef!“, rief Dylan und salutierte. Camilla fuhr unbeirrt fort: „Charlie, du hast einen leichten Linksdrall zum äußeren Ring, aber sonst warst du super. Alice, ich muss dir nicht sagen, dass du immer besser wirst, aber sieh zu, dass du noch ein klein wenig aggressiver wirst.“ Sie nickte und nahm sich vor, beim nächsten Mal mit noch mehr Motivation zu trainieren. „Alex, Nathaniel-“ „Sag‘ nichts, Chef, wir wissen beide, dass wir nach Hogwarts sofort in die englische Nationalmannschaft wechseln können, oder Nathaniel?“, rief Alex dazwischen „Klar“, gluckste Nathaniel. „Jungs!“, ermahnte Camilla genervt. „Okay, schon kapiert“, sagte Alex seufzend, „mach du nur unseren Traum zunichte, Brooks.“ „Chloe, du bist gut, aber ihr beiden- glaubt ihr wirklich, mit der Leistung könnt ihr gegen einen James Potter und dessen Team bestehen?“ „Bitte?“, empörte sich Alex. „Noch ein bisschen Training und dann wird das, Jungs“, sagte Camilla, „aber wir müssen echt noch was tun. Wir müssen noch viel, viel besser werden.“ Ein Glitzern trat in ihre Augen, bei dem Alice mit Chloe einen amüsierten Blick tauschte. „Ja, Chef!“, riefen Dylan, Alex und Nathaniel im Chor, was Alice und Chloe dazu brachte, laut los zu kichern, und bei dem Charlie die Augen verdrehte. „Das Training ist damit beendet!“, verkündete Camilla, die ein wenig rosa um die Nase geworden war und sich peinlich berührt in Richtung Umkleide aufmachte. Dylan, Chloe, Charlie und Alex folgten ihr, wobei Alex sich einen Spaß daraus machte, Dylan die Haare zu verwuscheln. Gerade wollte Alice ihnen folgen, als Nathaniel, der zurück geblieben war, um mit ihr die Ballkiste wegzuräumen, sie ansprach: „Alice? Hast du vielleicht einen Moment Zeit?“ Überrascht hielt sie inne und sah ihren Teamkollegen abwartend an. Eigentlich war sie ziemlich müde und wollte nur noch nach dem anstrengenden Tag schlafen gehen, aber sie war noch nie gut darin gewesen, jemanden einen Gefallen abzuschlagen. „Klar“, erwiderte sie, „was gibt’s denn?“ „Nun ja…“, begann Nathaniel, der nun gar nicht mehr so selbstsicher wirkte wie zuvor, „diesen Samstag ist doch das Hogsmeadewochenende…“ Alice wurde knallrot. Das… das passierte doch nicht wirklich, oder? „-und ich wollte dich fragen, ob du nicht vielleicht mit mir da hingehen möchtest.“ „Wa-was?“, stotterte Alice, „als… als ein Date?“ „Ja“, sagte Nathaniel, „du bist wirklich nett und eine gute Quidditchspielerin und… äh ziemlich hübsch.“ Er wiegte den Quaffel, den er in den Händen hielt, nervös hin und her. Wenn es möglich war, dann hatte ihr Gesicht bei diesen Worten noch mehr zu glühen begonnen. Das… das war … „Also?“, fragte Nathaniel. Er sah sie hoffnungsvoll an, was ihr die Situation noch unangenehmer machte. Sollte sie vielleicht wirklich annehmen? Nathaniel war ein netter Kerl, er hatte schöne haselnussbraune Augen, war recht groß, beliebt und es würde bestimmt nicht langweilig werden. Was sprach schon gegen eine Verabredung? Nathaniel schien wirklich ernsthaft interessiert zu sein und sie konnte nicht leugnen, dass sie ihn gut leiden konnte, aber… Ich wollte dir nur sagen, dass du Samstag mit mir nach Hogsmeade kommen musst. ‚Al!‘ , fiel es ihr siedend heiß wieder ein. Sie… sie hatte versprochen, mit ihm nach Hogsmeade zu gehen, damit er nicht da bleiben musste… Sie konnte ihren Kindheitsfreund nicht einfach so auflaufen lassen, wenn sie doch schon zugesagt hatte! Alice schluckte und wappnete sich dann für die nächste schwere Aufgabe, die sie zu bewältigen hatte. „Ähm…ich… ich fühle mich wirklich geehrt, Nathaniel, das … das hat noch niemand zu mir gesagt, aber… ich habe schon einem Freund versprochen mit ihm da hinzugehen. Tut mit wirklich Leid.“ „Oh“, machte Nathaniel, „okay…“ „Nathaniel, das tut mir wirklich Leid!“ „Ist schon in Ordnung, Alice“, beschwichtigte sie Nathaniel. „Ich bin ein Mann, ich muss auch mal mit einem Korb umgehen können“, grinste er. „Auch, wenn es wirklich schade ist“, fügte er dann hinzu, „du verpasst was.“ „Ähm…“ „Nur so aus Interesse“, fragte Nathaniel, „mit wem gehst du nach Hogsmeade?“ „Was? Warum willst du das wissen?“ Nathaniel hob die Ballkiste hoch und machte sich mit Alice, die ihn misstrauisch beäugte, auf den Weg in Richtung Abstellkammer, wo alle Quidditchutensilien gelagert wurden. „Ach na ja…“, erklärte Nathaniel, der seine liebe Mühe damit hatte, seine Last zu tragen, „ich würd‘ einfach nur gern wissen, wer schneller war und mich ausgestochen hat.“ Abermals wurde Alice puterrot und schielte mit klopfendem Herzen zur Tribüne, wo sie Al vorhin gesehen hatte. „Na?“, riss ihr Teamkollege sie aus den Gedanken. Er sah sie erwartungsvoll an und sie fühlte sich fast so, als könne er ihre Gedanken lesen und dabei wusste sie selbst nicht, was manche davon bedeuteten… „Al… Albus Potter“, flüsterte Alice und Nathaniel ließ vor Überraschung die Kiste fallen. „Was? Du gehst mit Potter? Kein Wunder, dass ich keine Chance habe!“ „Nein, so ist es nicht!“, rief Alice, die erkannte, dass Nathaniels Wortbedeutung von ‚miteinander gehen‘ sich ganz extrem von der Wirklichkeit ‚miteinander hin gehen‘ unterschied. „Willst du mir erzählen, Potter fragt einfach nur so, ob du ihn begleitest?-“ „Eigentlich hat er nicht gefragt“, murmelte Alice. „-Ich sag‘ dir mal was, Alice, kein Kerl fragt einfach nur so, ob ein Mädchen mit ihm ins Dorf geht. Wenn du schon mit ihm gehst, dann ist das ein Date und da kannst mir mit wer weiß wie vielen Erklärungen kommen.“ „Aber-“ „Ich wünsch dir dann viel Spaß!“, rief er, schulterte die Kiste und machte sich feixend auf, sie zu verstauen. Alice starrte ihm nach. Hatte Nathaniel recht? Hatte sie wirklich und wahrhaftig ein Date mit dem Jungen, den sie schon seit Kindheitsbeinen kannte? Al Potter, der Segen und Fluch zugleich war? Und wieso hatte er sie dann nicht direkt gefragt und ihr stattdessen einfach so eröffnet, dass sie mitzukommen hatte? Warum hatte er sie mit der Erpressung überzeugen wollen? War er nicht sogar rot geworden? Alice spürte wie ihr Herz anfing, heftig gegen ihren Brustkorb zu klopfen. War es… war es möglich, dass diese ganze Erpressungsgeschichte einen ganz anderen Grund hatte, als ihre Hilfe bei Hausaufgaben, Gefälligkeiten und irgendwelchen Streichen? War es möglich, dass… Nein, das konnte nicht sein… Verwirrt und innerlich komplett aufgelöst, blickte Alice zur Tribüne, doch Albus war verschwunden. . . . „Du hast doch überhaupt keine Ahnung!“ Die Stimme war aufgebracht, zornig und hallte wütend von den Wänden wider. „Beruhige dich, Mann!“ Eine zweite Stimme. Beherrscht. „Wie soll ich mich bitteschön beruhigen, wenn dieser… dieser Mistkerl… sie … einfach …“ Der erste Sprecher wurde mit jeder Silbe immer leiser. „Du weißt doch gar nicht, worüber sie geredet haben?!“ „Es reicht mir, wenn ich es sehe!“ „Du machst einen Fehler! Sie hat doch abgelehnt!“ „Ja, sie hat abgelehnt, aber sie hat gesagt, dass es ihr Leid tut. Was, wenn ich ihr diese Chance genommen habe? Mir hätte sie gar nicht absagen können, aber Bradley… verdammt sie wäre gerne mit ihm nach Hogsmeade gegangen!“ Stille. „Es… es hat einfach keinen Sinn… sie bemerkt mich einfach nicht… ich versuche alles, aber sie bemerkt mich nicht.“ „Bist du dir da sicher?“ „Wie könnte ich zweifeln, wenn sie mich nur als Freund behandelt und nichts weiter?“ Der zweite Sprecher schien eine Sekunde sprachlos. Doch dann brach die Wut aus ihm hervor. Seine Stimme nahm einen harten Klang an und hatte plötzlich eine gewisse Verachtung. „Hör‘ dich doch nur mal selbst reden! So spricht nicht mein bester Freund, sondern eine Memme, die zu feige ist, zu kämpfen!“ Stille. Dann: „Vielleicht bin ich das. Vielleicht bin ich nicht mehr als ein Loser, der es nicht zustande bringt, dem Mädchen, das er mag, zu sagen, dass er sich in sie verliebt hat.“ Erneute Stille, in dem sich die beiden Sprecher zu beäugen schien und abwarteten, wer zuerst etwas sagte. Der erste ungeduldig, der zweite nachdenklich. Ein Seufzen. Und schließlich das Geräusch von sich entfernenden Schritten. Doch die Stimme schallte durch den ganzen Gang. „Du hast recht. Das wirst du werden, wenn du mit dieser Farce weitermachst. Es liegt ganz an dir.“ Nach einer ganzen Weile folgte der erste Sprecher seinem Freund. Zurück blieb nur der leere Gang und Alice Longbottom, die mit klopfendem Herzen an der Wand herunter rutschte, und jedes Wort gehört hatte. Was auch immer das bedeuten sollte. ~ ♣ ~ Hallihallo :) Lang ist's her, aber ich bringe das hier zu ende. Es macht unheimlichen Spaß und der siebte und damit letzte Teil geht mir auch recht gut von der Hand. Bedanken muss ich mich diesmal bei Dahlie, die mir mit der Erklärung, dass Al Alice die Ausrede erzählt, dass er nur mit einem Vertrauensschüler nach Hogsmeade darf, geholfen hat. Danke, liebe Dahlie :D Ein weiteres Dankeschön wie immer an AyaPaya fürs Korrigieren, du bist echt super :) Nun, diesmal ist ja unheimlich viel passiert. Die Liebeserklärung (wie fandet ihr die Blumensprache? - ich habe recherchiert XDD), das Quidditchspiel (na???), das Besäufnis (meine absolute Lieblingsstelle XDD), der Jahreszeitenzauber (da hatte ich meine kreative Phase XDD) und Albus' und Alice Scheindate... Aber das kommt erst im nächsten und letzten Teil, daher will ich noch nichts verraten ^^ Aber auf eure Vermutungen wie alles zusammen hängt (jetzt kann man es ja erahnen), bin ich dann doch gespannt. Nur zur Erläuterung: Verwendete Zauber & Flüche: ●'Crescere Castigo' - Wachstumszauber, der das Wachstum minimiert und eingrenzt (lat. crescere = wachsen, castigo = einschränken) ●'Concludere hora'- Jahreszeitenzauber, der die Zeit in einer Kristallkugel einschließt (lat. concludere = einschließen, hora = Jahreszeit) So, ich hoffe, ich habe euch Vorfreude auf den letzten Teil gemacht und freue mich über alle Kommentare und Favoritenlisteneinträge. Alles Liebe moony Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)