Lagoona von Devils_Daughter ================================================================================ Prolog: -------- Mit letzter Kraft schleppte sie sich an Land. Sie wusste, was auf dem Spiel stand, und sie wusste auch, dass es ein Risiko war. Aber ein Größeres war es, es bei ihr zu behalten. Sie konnte nicht weiter. Hier war zu flaches Wasser. Sie schürfte sich die Schuppen auf, während sie sich über die spitzen Steine quetschte. Sie hatte Beine, ja, aber sie hatte nie gelernt, zu laufen. Wie auch, im Pazifik. Es musste so gehen. Es musste. Eine Felsenwand schützte die kleine Bucht, in der sie jetzt lag. Sie zitterte. Sie war noch jung. Sie war zu weit geschwommen. Sie schrie auf, als eine scharfe Muschel ihre Flosse aufschlitzte. Sie musste es versuchen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht klammerte sie sich mit einer Hand an einen Felsen und hievte sich hoch, die andere umklammerte immer noch das Bündel aus Leinen in ihrem Arm. Ihre Knie schlotterten, ihre Beine zitterten, die Schwimmhäute zwischen den Zehen rissen auf, doch sie hielt nicht an. Dicht an den Felsen gedrängt kämpfte sie sich durch, bis sie die steinige Sandbank hinter sich gelassen und den weichen Sand erreicht hatte. Sie brach zusammen. Das Salz brannte in ihren Wunden, in den Beiden und in der Schnittwunde am Rücken. Mit sandigen Fingern tastete sie zwischen den Schulterblättern entlang und fand, wonach sie gesucht hatte. Die Wunde war nicht tief, doch sie brannte schmerzhaft. Sie fing an zu weinen, als sie an ihre Mutter denken musste. Aufgeschlitzt hatten sie sie, verbluten lassen am Pranger, genau wie die anderen. Nur weil sie anders waren. Nur weil ihre Beine mit Schuppen übersät waren, nur weil sie Schwimmhäute zwischen Zehen und Fingern hatten. Nur weil sie atmen konnten, wo SIE es nicht konnten: In Wasser UND Land. Neid. Neidisch auf ihre Gabe, hasserfüllt im Angesicht ihrer eigenen Dummheit. Neid. Hass. Neidisch. Hasserfüllt. Menschlich. Ja. Sie hasste die Menschen, hasste sie dafür, dass sie ihr das antaten, hasste sie für das, das sie ihrer kleinen Schwester antun musste. Vorsichtig wickelte sie das Bündel aus. Die Kleine schlief, wie schon die ganze Zeit vom Pazifik nach hier, ins Mittelmeer. Nach Spanien. Langsam streifte sie sich das Amulett über den Kopf. Ihre Mutter hatte es ihr geschenkt. Behutsam wickelte sie die Schnur um das Bündel, sodass der Schmuckstein auf ihrem kleinen Körper lag. Er glühte kurz auf, in Gelb, in Grün, dann verblasste er. Die Kleine begann zu weinen. "Sch", machte ihre große Schwester und strich ihr über die Stirn. "Kleines, wein doch nicht. Du gehörst noch immer zu uns, auch wenn du nicht mehr so aussiehst. Der Diamant hat dir Schuppen und Schwimmhäute genommen, aber deine Seele bleibt bei dir, genau wie er." Sie begann zu singen, eine zarte, luftige Melodie. "Stein der Treue bleibt bei dir, ist er da, so bist du bei mir, Meeresstein, er hält uns schier, Meeresvolk, das bleiben wir. Grün und Blau, als Farben da, erschaffen von Sirena und Salazar, Korallenstein, er hilft dir nun, gegen Trauer und Angst bist du emun. Freundesstein, den brauche ich gegen Wind und Wetter, raue Gicht. Felsen warn schon immer dar, Felsenstein hält´s Wasser klar. Meeresvolk wird auch regiert, doch wenn es seinen König verliert, beim Einzug der Zweibeiner, dann helfen kann nur einer. Der Friedensstein ist recht benannt, für Freude sorgt der Diamant. Den einen nur, macht er im nu, zum Mensch, den Retter, Lagoona Blue." Das Lied war zuende, ebenso wie ihre Kraft. Ihre Arme rutschten weg, sie landete im Sand. Da lag sie nun, auf der Seite, zusammengekauert wie ein sterbendes Tier. "Die Prophezeiung sagt es.", hauchte sie. "Fünf Steine gibt es, fünf Strophen. In der letzten bist du erwähnt, Kleines. Hundert Jahre gibt es dieses Lied schon, hundert Jahre wurde jedes Kind der Blues Lagoona genannt. Jedes Jahr wurde auf den Retter gewartet, und jedes Kind wurde in einen Menschen verwandelt. Alle sind sie gestorben, eingegangen wie Fische, nach Luft schnappend....", sie begann zu weinen. "Wir wollten bis zu deinem sechzehnten Geburtstag warten, Kleines, doch uns fehlt die Zeit. Sie werden uns ausrotten, einen nach dem anderen, bis wir vernichtet sind. ich habe solche Angst." Schluchzend verbarg sie das Gesicht im Bündel. Sie wusste, dass ihre Schwester sie nicht verstand, doch sie musste es loswerden. Dass, was sie nach dem grausamen Tod ihrer Mutter hatte loswerden wollen. Und warum nicht jetzt, wo sie eh bald sterben würde, und sie würde ihre Schwester nicht allein lassen, nein. Sie fuhr fort. "Dieses Amulett hat unsere Mutter angefertigt, Kleine. Nach deiner Geburt. Es fehlt noch ein Teil,", sie kramte in ihrer Tasche und holte einen kleinen Stein heraus, smaragdgrün. "Doch es klappt auch so. Nimm, und bewahre ihn gut. Die Hoffnung des Meervolkes hängt an dir, Kleines. Du bist eine Blue.". Den letzten Satz konnte sie nur noch flüstern. "Du bist Lagoona Blue." Und sie warf sich in die Wellen und sank zu Boden. Sie hatte endlich Ruhe gefunden, hier unten, wo niemand sie störte. Und sie schloss die Augen, um sie niemals mehr zu öffnen. Das Bündel lag jedoch da, mit dem Schatz in seinem Inneren. Die Kleine hatte nichts mitbekommen, sie schlief. Ihre kleinen Finger umklammerten das Amulett ihrer Schwester, schwimmhäutelos, doch ihre Seele war gefüllt mit Geräuschen ihres Meeres, ihre Augen mit Bildern ihres Reiches, ihr Herz mit den Hoffnungen ihres Volkes. Nun waren sie geschlossen, geschlossen für die neue Welt, die sie nicht kannte, doch dahinter träumte sie. Sie träumte von Korallenriffen, Muschelpalästen und einem Lied. Es war ein schönes Lied, gesungen von einem wertvollem Wesen, gesungen über ein Mädchen, dass die Welt nicht kannte, die es retten sollte. Das Lied von Lagoona Blue. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)