Nichts lieber als Das von Taka (Wir leben in einer wundervollen Welt) ================================================================================ Kapitel 1: Es ist besser Brot ins Wasser zu werfen als das herauszufischen was daraus entsteht. ----------------------------------------------------------------------------------------------- Die einzigen Menschen, die Schwäne mögen sind reiche Hotelgäste, die vom am Ufer liegenden Restaurant aus beobachten, wie sie anmutig durch das Wasser gleiten und Kinder, die das Grauen noch nicht am eigenen Leib erfahren haben. Da rannte ich also. Ohne Hose, mit nur noch einem Schuh und der Todesangst ins Gesicht geschrieben. Hinter mir hörte ich das markerschütternde Geschrei eines Amok laufenden Schwans. Eigentlich wollte ich nur zum Kiosk am See gehen, mir eine Cola holen und diese dann in meiner Hängematte am Campingplatz genießen. Eigentlich lief das auch ganz gut, bis ich mich, am Verkaufsstand angekommen, in eine ellenlange Schlange einreihen musste. Voll von schwitzenden Herren kurz nach ihrer Midlife-Crisis in hautengen Tanktops und Damen die nichts besseres zu tun hatten als mit der Kassiererin ein nettes dreistündiges Pläuschchen über die ach so wundervolle Hochzeit vom letzten Freitag zu halten. Hinter mir konnte ich an den tippelnden Schrittchen und den verboten schrillen Stimmen eine Clique an 'IT-Girls' erahnen. Ich stellte mir vor, wie Deo- und Parfümschwaden zu mir vor ziehen würden um sich an meine Klamotten und, viel wichtiger an meine Cola, zu klammern wie Kletten an einen Fleece-Pullover. Dazu entschlossen, eine derartige Katastrophe nicht zuzulassen, machte ich kurzerhalt eine 180 Grad Drehung um zu dem Kiosk auf der anderen Seite des Campingplatzes zu laufen. Der war zwar etwas weiter weg, aber meistens auch frei von jeglichen seltsamen Strandbesuchern. Es war 12 Uhr mittags und mein Erfrischungsgetränk war in unmittelbarer Nähe. Auf einer Bank am Seeufer saß ein Rentnerehepaar. Sie fütterten Vögel, Fische und all das undefinierbare, was in Wassernähe so lebte, mit altem Brot, das wahrscheinlich aus ihrer Jugend stammte. Ein Freund von mir hatte mir einmal in einem Vortrag, der wahrscheinlich die gesamte Star Wars Reihe an Länge übertroffen hätte, erklärt, dass es ein Vergehen gegen die Menschheit sei, Nahrungsmittel ins Wasser zu werfen. „Die Exkremente der Tiere sorgen für eine verschlechterte Wasserqualität, da deren Zersetzung zu einem Mangel an Sauerstoff innerhalb des Sees führt, was wiederum die Algenbildung anregt.“ Auf gut deutsch bedeutet das, dass Entenkacke schlecht für die Natur ist. Mein Freund hätte sich ruhig etwas besser, und vor allem kürzer 'artikulieren' können, als er mir den Verdauungsvorgang eines Federviehs erklärt hatte. All das störte die Zwei nicht, sie fütterten weiter. Auch die Enten störte es nicht, sie kamen in Schaaren herbei, was das Päärchen wiederum dazu ermutigte ihren gesamten Getreidevorrat in den See zu schütten. Das ging solange gut, bis ein kleines, schwarzes, flauschiges etwas gemütlich in den Entenhaufen schipperte. Mit seiner Niedlichkeit verzauberte es sofort alle Beteiligten, sogar das Jugend-Fußball Team, das gerade seine tägliche Runde um das Gewässer joggte. Unter Koffein-Entzug leidend war ich fürs erste immun gegen alles knuffige. Jedenfalls gab ich mir sehr viel Mühe, indem ich meinen iPod von peinlicher Pop-Musik auf düsteres Heavy Metall stellte, welches Tod und Verderben besang. Unterdessen versuchte das, wir nennen es einfach mal Wattebäuschchen, in der Entenmasse an Brot zu kommen. Das funktionierte nicht so wirklich. Genauer gesagt, überhaupt nicht, da es zwischen braunen und graugrünen Körpern wie ein Gummiball zusammengepresst wurde und letztendlich den Fluchtweg Unterwasser einschlagen musste. Es war 13 Uhr und meine Cola hätte ich beinahe vergessen. Ich besann mich eines besseren und lief den Rest des Weges zum anderen Kiosk. Hier musste ich glücklicherweise nicht lange auf meine Flasche voller Erholung warten. Glücklich machte ich mich auf den Weg zurück zum Campingplatz um mich auf die Hängematte zu legen. Als ich wieder an der Bank vorbei kam war der ältere Herr in heller Aufruhr. Seine Frau versuchte, ihn zu beruhigen während er unverständliche Laute von sich gab. Da ich nun ja meinen Schatz erbeutet hatte, fühlte ich mich emotional in der Lage, ein Drama zu verkraften. Die Dame erklärte mir, was eigentlich schon fast offensichtlich war. Aus Mitleid hatten sie versucht, Wattebäuschchen aus den Fängen der bösartigen Enteriche zu befreien. Dabei war dem Mann das Gebiss in den See gefallen. Ich blinzelte zweimal. Ich hatte schon von einigen Dingen gehört, die in Gewässern verschwinden. Schiffe, zum Beispiel, oder Menschen. Der ein oder andere Anker soll dank eines unaufmerksamen Crewmitgliedes auch schon mal weg gewesen sein. Aber ein Gebiss. Derjenige der dort hineinsteigen würde hätte immerhin eine Geschichte zu erzählen. Aber soweit sollte es nicht kommen. Scheinbar wurde ich von den Rentnern als jung und arbeitsfähig klassifiziert und ohne weiteres zu meiner ersten Unterwasser-Mission befördert. Viele Geheimagenten warten ja ein Leben auf derartige Einsätze. Es war 14:30 Uhr und meine Cola stand neben der Bank. Ich war triefend nass, als ich wieder aus dem See stieg. Das war zwar auch eine Art, sich zu erfrischen, aber nicht die, die ich mir vorgestellt hatte. Das Gebiss hatte ich jedenfalls wieder gefunden. Unter anderem. Denn bei dem Versuch, es aus dem Unterwasser-Gewächs zu entwirren war ich in eine Glasflasche gestiegen, die sich mit erstaunlicher Leichtigkeit durch meine Schlappen Sohle bohrte. Die hatte ich eigentlich angelassen um zu verhindern, dass ich meinen zu bergenden Gegenstand über die Fußsohlen entdeckte. Schließlich weiß doch jeder, dass Zähne, die die Füße durchlöchern äußerst unangenehm sein können. Jedenfalls gab ich dem Mann seine Vampirbeißer zurück und wurde mit einer Geschichte aus den 70er Jahren entlohnt. Dann zog ich meinen Schuh aus, um seine blutbefleckte, zerstörte Sohle zu begutachten. Der Schmerz an meinem Fuß war nichts im Vergleich zu dem Schmerz in meinem Geldbeutel bei dem Gedanken an die Reparaturkosten. Ich versuchte aufzutreten. Es fühlte sich irgendwie flauschig an. Es war Wattebäuschchen. Vorsichtig entfernte ich meinen Fuß von dem Federknäul und betrachtete das empörte Tier, dass mich lautstark über seinen Gefühlszustand aufklärte. Ich vermutete, dass eine Entschuldigung angebracht wäre. „Entschuldigung Wattebäuschchen, dass du meinen Fußgeruch aushalten musstest.“ Entweder beleidigt oder zufrieden gestellt zog es wieder ab. Es war kurz nach 16 Uhr und ich dachte es wäre vorbei. Das war es nicht. Wenige Sekunden nachdem der kleine Vogel im Schilf verschwunden war steuerte ein ausgewachsenes weißes Federvieh direkt auf mich zu. Ich musterte es leicht verunsichert. Es hatte sein Gefieder aufgestellt, seinen Hals herausgestreckt und seine Muskeln bis in die hinterste Ecke gespannt, bereit, um auf sein Opfer einzuschlagen. Das Ehepaar ließ kurz von seiner wahrscheinlich selbst gezüchteten Entenherde ab, um die Anmut des Tieres zu bestaunen. Das tat ich auch. Ich bewunderte die Anmut des Schwanes, der soeben wie ein Todesgott in meine Richtung schwebte. Vielleicht könnte ich ihn ja immerhin davon abhalten, mir die Augen auszuhacken. Testhalber warf ich meinen kaputten Schuh nach ihm. Ein neues Paar zu kaufen würde sicherlich billiger sein, als dieses reparieren zu lassen. Das stimmte den Schwan nicht unbedingt gnädiger. Nun völlig außer sich vor Wut raste er zu mir. Die Cola-Flasche, die eben noch neben der Bank stand, rollte, durch den Luftzug in Bewegung gebracht, zielstrebig in den See. Schiffe, Menschen, Anker und Cola-Flaschen. Aber das war mir gerade egal. Ich begann zu rennen. Der Vogel rannte hinter mir her. Aufgebaut, nun etwa so groß wie ich und in einem Affenzahn. Ich überholte den Fußball-Trupp und eine Gruppe Radfahrer. Mit einer Schlappe am Fuß und einem riesigen, aufgebrachten Schwan im Schlepptau. Warum dieser rannte und nicht flog wird mir immer ein Rätsel bleiben. Vielleicht machte es ihm Spaß mir zu zeigen, dass er dem Menschen auch an Land überlegen war. Ich hechtete zur Seite in ein Gebüsch und hoffte, dass er keine Infrarotsensoren irgendwo dort in seiner teuflischen Seele besaß. Denn die Hoffnung stirbt zuletzt. Und dann ist sie tot. Der Vogel musste ein Cyborg sein. Völlig unbeeindruckt von meinem Fluchtversuch nahm er das Gebüsch ins Visier. Ich musste dort unbedingt so schnell wie möglich wieder rauskommen. Aber dazu würden Opfer gebracht werden müssen. Meine Hose hatte sich im Geäst verhakt. Ich versuchte es mit rütteln. Dann versuchte ich es mit darauf einschlagen. Und dann versuchte ich es mit Zaubersprüchen. Beten hob ich mir für das auf, was vielleicht später noch kommen könnte. Es half alles nichts, dieses unnütze Stück Stoff musste weg. Hastig riss ich den Gürtel auf und schlängelte mich aus den Shorts während der Schwan Anlauf für seinen Todesstoß nahm. Demonstrativ schmiss ich ihm meine Hose ins Gesicht. Demonstrativ zerfetzte er sie noch in der Luft. Ich war hoffnungslos unterlegen. Ich katapultierte mich mit einem Rückwärtssalto aus der misslichen Lage und schleuderte den Schwan mit einem gezielten Karate-Kick in den See. Gut, eigentlich torkelte ich unbeholfen aus dem Gebüsch, direkt in eine Großfamilie, die auf dem Weg zum Strand war. Die Kinder waren belustigt. Die Eltern entsetzt. Und mir war es scheißegal, dass ich keine Hose mehr anhatte. Ich rempelte meinen Weg durch das Grüppchen. Vorbei an dem Rentnerpaar, dass nun auf dem Weg nach Hause war. Vorbei am Strandkiosk, an dem nun keine Schlange mehr war. Da rannte ich also. Ohne Hose, mit nur noch einem Schuh und der Todesangst ins Gesicht geschrieben. Hinter mir hörte ich das markerschütternde Geschrei eines Amok laufenden Schwans. Es war 17:38 Uhr und meine Cola lag am Grund des Sees. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)