Lichtbringer von MilliBee (Der Fall des Lichkönigs einmal anders...) ================================================================================ Kapitel 15: Der Ruf des Königs ------------------------------ Schmerzen. Pochende, alles beherrschende Schmerzen waren das erste, was sich in Niamanees Bewußtsein brannte, als sie wieder zu sich kam. Schmerz, der von ihrem Bein ausging und den ganzen fiebrigen Körper zu verzehren schien. Aus der zähen Dunkelheit der allgegenwärtigen Pein tauchte sie langsam an die Oberfläche, stieß durch die dunklen Wolken der tiefen Bewußtlosigkeit, aus der sie allmählich erwachte. Ihre Augenlider flackerten auf und sie fand sich auf einem breiten Bett mit seidigen, weißen Bezügen liegen. Im Gegenlicht des flackernden Kerzenscheins stand ein ungewöhnlich hochgewachsener Mann halb mit dem Rücken zum Bett und sprach leise mit einer weiteren Person, verborgen von Schatten eines schweren Vorhanges. Bolvar! Es war Bolvar! Nimanaees Herz machte einen kleinen Sprung und die Schmerzen waren fast schlagartig verschwunden. Dann aber drehte der Mann sich zu ihr um. Hastig schloß Niamanee wieder ihre Augen. Es war nicht Bolvar. Zweifelsohne war da eine Ähnlichkeit. Nicht nur, daß er die Insignien eines Paladins der silbernen Hand trug,  er hatte dasselbe braune, halblange Haar und einen ähnlichen Bart, aber dieser Mann war deutlich größer. Für einen winzigen Augenblick hatte sie geglaubt aus einem endlos langen, fürchterlichen Traum aufzuwachen. Aber Bolvar war tot. Und die Erkenntnis, daß der Traum die Realität war, füllte ihre Augen wieder mit Tränen. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, während die Schmerzen in ihrem Bein wieder mit aller Macht in ihr Bewußtsein zurückkehrten. Die beiden Männer sollten nicht merken, daß sie wach war. „Ich kann es nicht.“ Die Stimme des unbekannten Mannes drang wieder an ihr Ohr. „Nicht, nachdem ich das gesehen habe.“ „Woher wißt ihr, daß eure Vision wirklich in die Zukunft gerichtet war?“ Die zweite, ebenfalls männliche Stimme klang älter. „Ich weiß es. Ich habe es gesehen. Wenn ich dieses Leben rette, wird unvorstellbares Leid über uns kommen, Tod und Verderben liegen in dieser Zukunft.“ Niamanees Herz machte einen erneuten Sprung, aber diesmal schien es nicht mehr weiterzuschlagen. Eine eisige Hand schloß sich um ihre Kehle. Wieder sprach die ältere Stimme. „Visionen können auch eine Warnung sein. Es muß nicht so passieren.“ „Dann soll das Licht entscheiden, was die Zukunft bringen wird. Ich werde nicht heilen.“ Sie spürte, wie der unbekannte Mann an das Bett trat. Für einen kurzen, flüchtigen Moment legte sich seine Hand auf ihre Schulter. Und obwohl sie nur einen Augenblick dauerte, hatte diese Berührung eine Intensität, wie sie es schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Dann entfernten sich seine Schritte. Die andere Person schien sie noch eine Weile zu beobachten, entfernte sich dann aber auch. Nachdem es eine ganze Weile ruhig geblieben war, schlug sie wieder die Augen auf. Sie lag immer noch in dem Bett, was ihr allerdings jetzt gar nicht mehr so breit vorkam. Und die so weichen Bezüge fühlten sich grob und rauh an. Etwas irritiert beobachtete sie das rötliche Leuchten eines verglimmenden Kaminfeuers. Die leise knisternde Glut war kaum hell genug, um etwas in dem Raum erkennen zu können und vor dem Fenster hing ein schwerer, dunkler Vorhang. Trotz der Glut war es kalt, es roch nach Frost und Schnee. Die Umrisse zweier schwerer Holztüren gaben sich allmählich im groben, dunklen Mauerwerk der Kammer zu erkennen. Eigentlich gab es nur eine Möglichkeit, wo sie war- man hatte sie in die Burg gebracht. Sie versuchte sich aufzusetzen- aber ihr Körper war wie Blei, schon das Drehen des Kopfes war eine Anstrengung. Erstaunlicherweise hatten die Schmerzen im Bein nachgelassen. Nur noch ein dumpfes Klopfen zitterte durch ihren Oberschenkel, wenn sie versuchte, sich zu bewegen. So beschloß sie, vorerst liegenzubleiben. Im Dämmerdunkel der Kammer stiegen Bilder aus der Schwärze. Ihr Blick schwebte durch die einsamen, frostigen Gänge und Räume der Eiskronenzitadelle, um dann immer tiefer und immer schneller in die Eingeweide des eisigen Grauens vorzudringen. Abrupt hörte der Bildersturm auf. Und sie stand schweigend in der kleinen Zelle. Der Anblick von Bolvar, der nun aus ihrer Erinnerung heraufstieg, verschloß ihr die Kehle. Sie spürte, wie ihre Hände zu zittern begannen, als sie wieder den Dolch in ihren Händen spürte, fühlte, wie der Stahl durch das weiche Fleisch stieß. Sie stöhnte auf, versuchte mit aller Macht die Bilder zurück in die Finsternis zu schicken. Aber es gelang ihr nicht, immer wieder sah sie sein Gesicht, sein letztes Lächeln. Es tat so weh. Wäre sie doch nur dort geblieben. Hätte doch die Dunkelheit des tiefen Schachtes sie geschluckt und nie wieder ausgespieen. Es wäre besser gewesen. Besser für sie und für alle anderen. Was gibt es hier noch in dieser Welt für mich In ihrem Kopf hallten die Worte des unbekannten Paladins wieder. Wenn ich dieses Leben rette, wird unvorstellbares Leid über uns kommen, Tod und Verderben liegen in dieser Zukunft. War es das, was ihr bestimmt war? Ihr Herz begann zu rasen, Verwirrung und Angst mischten sich in den Schmerz über Bolvars Tod. Ich weiß, wo du bist.    Er war immer noch in ihrem Kopf, eine ständige, lauernde Präsenz, die sie nie verlassen hatte. Sie schloß die Augen, preßte die Fingerspitzen an ihre Schläfe. Verschwinde aus meinem Gedanken! Aber wie ein spöttisches Echo hallte seine Stimme immer wieder und wieder in ihrem Kopf. Ich weiß, wo du bist. Stumm sah sie zur Kammerdecke hoch und versuchte ihre Gedanken in Nichts zu lenken. Zwischen den schweren Holzbalken waren grobe Filzmatten zu Wärmeisolation befestigt worden, deren gräulicher Faserpelz sich von der Dunkelheit ein wenig abhob. Niamanee starrte in das Grau und je länger sie starrte, desto mehr schien es ihr, als bewege sich die Oberfläche. Die Wollfasern begannen sich zu winden, wühlten und verknäulten sich ineinander, eine zuckende Masse grauer Würmer, deren Leiber immer weiter zu gallertartigen, weißen Maden aufquollen. Maden, wie sie in dem verwesenden Fleisch der abscheulichen Monstrositäten wimmelten, die sie erschlagen hatte und die nun wieder nur allzu lebendig auf sie zuwankten. Entsetzen und Ekel würgte in Niamanees Kehle und obwohl ein ganz schwacher, ferner Gedanke wußte, daß dies alles nicht real war, konnte sie sich nicht von dem widerwärtigen Anblick losreißen und starrte wie gebannt auf die Abscheulichkeiten,  die sie jeden Moment erreichen würden. Und dann änderte sich alles. Da waren immer noch die Monstrositäten, aber diese wankten nun unterhalb von ihr inmitten einer Armee von Untoten, furchten mit eisenernen Dornen bespickten Holzkeulen durch panisch flüchtende Menschen Zerfetzte Körper wirbelten wie Spielzeug durch die Lüfte. Aber kaum, dass sie auf den Boden prallten erhoben sie sich auch schon wieder und schlossen sich der Armee der Toten an. Umgeben von Rauch und dem Gestank verschmorten Fleisches wehte der durch die Hitze der brennenden Häuser angefachte Wind Rußpartikel in ihr Gesicht. Sie blinzelte, wischte sich eine weiße Haarsträhne von den Augen und beobachtete weiter den nicht verendenden Strom verwesender Leiber, der sich wie ein zuckender, in viele Richtung zerteilender Lindwurm unaufhaltsam durch die Häuserfluchten schlängelte. Gellende Entsetzensschreie mischten sich in das Bersten von Holz und Stein, getragen von dem Rhythmus der dumpfen Kriegstrommeln und abertausender, stampfender Füße. Sie gab ihrem Pferd die Sporen und das halbverweste Tier trabte gemächlich den Hügel hinab zur brennenden Stadt. Der Anblick war überwältigend, genußvoll sog sie den Odem des allgegenwärtigen Todes ein. Das unwiderstehliche Gefühl absoluter Macht drängte das Gefühl endlosen Entsetzens in die Tiefe ihres Bewußtseins zurück. Eine kleiner Gruppe Menschen rannte auf sie zu, dreckig, blutend, unbewaffnet, Männer, Frauen, Kinder, die nackte Angst weiß in ihren Augen leuchtend. Sie verharrten, als sie Niamanee erblickten, als hätte das Entsetzen für einen Moment die Zeit angehalten. Der kalte, süßliche Geruch von Angst berauschte Niamanees Sinne, erstickte nun auch noch den letzten Funken dessen, was sie mal gewesen war. Langsam zog sie ihr mächtiges Schwert, gab ihrem Streitroß die Sporen und hielt direkt auf den Haufen der Erstarrten zu. Als diese aus ihrer Schreckstarre erwachten lagen schon die ersten von ihnen von den eisenbeschlagenen Hufen des untoten Streitrosses zermalmt am Boden. Der Rest stob schreiend und stolpernd in alle Richtungen auseinander, die, die realisierten, daß es kein Entrinnen mehr gab warfen sich schützend über die Kinder. Niamanees Klinge tanzte wie von selbst, kein Leben entkam ihrer Gier und mit jedem Leben, daß sie nahm spürte Niamanee, wie sie stärker und stärker zu werden schien. Sie betrachtete das dunkle Blut, das die Klinge herabrann, das Blut unschuldiger Menschen, deren hingeschlachtete Leiber vor ihr lagen – und mit einem lauten, qualvollen Schrei brach das Entsetzen aus der Tiefe ihres Bewußtseins wieder empor. Ruckartig setzte sie sich auf, am ganzen Körper zitternd. Tränen liefen über ihre Wangen und egal, wie fest sie ihre Augenlider zusammenpreßte, diese Bilder hatten sich für immer in ihr Gedächtnis eingebrannt. War dies die Zukunft, die der Paladin gesehen hatte? Ihre Zukunft? Sie hatte das Zittern ihres Köpers nicht mehr unter Kontrolle. Im Raum war es eiskalt geworden, die letzte Glut im Kamin war erstorben. Ich weiß, wo du bist.    Er würde sie finden und in ein Monster verwandeln. Sie sah das eisblaue Glühen seiner Augen  jetzt direkt vor sich, das Glühen, daß sie verfolgte, seitdem Arthas in den Katakomben der Eiskronenzitadelle in ihre Richtung geschaut hatte. Ihr Schluchzen verebbte. Du hast es nicht verhindern können, daß ich Bolvars Seele rette! Du hast keine Macht über mich! Niemals werde ich wie du! Kerzengerade saß sie im Bett. Die grauenvollen Bilder waren immer noch in ihrem Kopf aber nun schürten sie ihre aufkeimende Wut noch um so mehr. Er war mein Freund, Arthas! Der einzige Freund, den ich je hatte! Und du hast ihn mir genommen! Wenn es in der Welt des Lichts eine Hölle gibt, dann wirst du in ihr brennen! Du wirst deiner gerechten Strafe nicht entkommen! Sie atmete aus. Jetzt fühlte sie sich besser. Deutlich besser. Die Bilder waren immer noch da, verblaßten aber in der Erkenntnis, daß dies Bilder einer möglichen Zukunft waren, die noch nicht begonnen hatte. Sie zitterte immer noch aber es war nur noch der Kälte geschuldet. Die Schmerzen in ihrem Bein hatten nachgelassen. Um ihren Oberschenkel war ein Verband gelegt worden. Offenbar hatte man sie entgegen der Ansage des unbekannten Paladins doch behandelt. Sie fühlte sich matt und erschöpft, aber keineswegs dem Tode nahe. Mit der Erlöschen der Glut im Kamin war es stockfinster in der Kammer geworden. Aber es dauerte nicht lange und ihre leuchtenden Augen hatten sich angepaßt – das bläuliches Sternenlicht, das kaum wahrnehmbar links und rechts des Wollvorhang  durchschimmerte reichte aus, um in der Kammer wieder etwas erkennen zu können. Auf einem grob zusammengezimmerten Schemel neben ihrem Bett stand eine erloschene Kerze neben einem Steingutbecher mit dunkler Flüssigkeit, von der noch eine kaum spürbare Wärme ausging. Sie kannte den Geruch. Rotsterntee! Schwach lächelnd ließ sie sich zurück auf das harte Kopfkissen sinken und zog die grobe Wolldecke bis zur Nasenspitze hoch. Wieder starrte sie auf den Wollfilz an der Decke. Sie würde wachbleiben, bis die Sonne aufging oder jemand in die Kammer treten würde. Und die Filzmatten würden Filzmatten bleiben!   Der kühle Herbstwind wehte den Gestank verwesenden Fleisches herüber. Das Krächzen der Krähen wurde nur noch selten von einem spitzen, abrupt brechenden Schrei unterbrochen. Sie spürte die schwere Rüstung, die auf ihren Schultern lag, fühlte die pulsierende Kraft, die von ihrem Schwert aus ihren Körper durchströmte. Aber diesmal wußte sie, daß sie träumte. Sie stand in einem einfachen, aber soliden Holzhaus, dessen Fenster man mit Brettern vernagelt hatte. Rötliches Herbstlicht fiel durch die Ritzen zwischen den Latten. Staub tanzte in den Sonnenstrahlen über den beiden leblosen Körpern, die umgeben von einer dunklen Blutlache am Boden lagen. Blut, das noch von Niamanees Schwert tropfte. Und vor ihr stand ein rothaariges Mädchen, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt. Panisch aufgerissene, braune Augen in einem schmutzigen Gesichtchen starrten die  blutige  Klinge an. Eine schmerzhafte, kaum greifbare Erinnerung stieg in ihr auf. Nein!  Langsam ließ Niamanee die Klinge sinken. Du hast keine Macht mehr über mich!   Einen langen Moment sah sie das kleine Mädchen an. Dann wanderte ihr Blick zu den einfallenden Sonnenstrahlen. Ihre Hand schloß sich noch fester um den Schwertgriff. Deine Zeit ist gekommen, Lichkönig!   Als sie wieder die Augen aufschlug schimmerte rosefarbenes Morgenlicht an beiden Seiten des dunklen Vorhanges vorbei. Im Kamin knisterten ein paar kleine Flämmchen auf bereits wieder halb verglühten, nachgelegten Holzscheiten. Etwas irritiert sah sie sich um. Sie war so tief wieder eingeschlafen, daß sie niemanden in die Kammer hatte kommen hören. Langsam setzte sie sich auf. Ein dumpfes Pochen im rechten Oberschenkel zeigte ihr deutlich ihren Bewegungspielraum an – richtig laufen würde sie erst einmal nicht mehr können. Den Anblick zweier offenbar rasch zusammengeflickte Krücken, die neben ihrem Bett lehnten quittierte sie mit einem trockenen Lächeln. Da war wohl jemand derselben Ansicht wie sie gewesen. Und da sie ihr eigenes Nachthemd unter einem ihrer Wollhemden trug, hatte sie auch keinen Zweifel, wer diese Person war. Sie nahm einen tiefen Schluck kalten Rotsterntees und prostete Jaelle innerlich zu. Die Albträume der Nacht waren verblaßt, aber immer noch präsent. Während sie auf der Bettkante saß, horchte sie nach innen. Nichts. Er schwieg. Wenn er überhaupt noch da war. Fast fühlte es sich an wie ein leiser Triumph. Was immer der Paladin da gesehen hatte- sie würde es nicht geschehen lassen. Unter den schweren Holztüren blitzte ein schwacher Lichtstreif hindurch. Sie drehte sich auf der Bettkante und setze ihre nackten Füße auf den kalten Steinboden. Aber sobald sie ihr rechtes Bein belastete, flammte ein stechender Schmerz durch ihren Oberschenkel. Leise ächzend verlegte sie ihr Gewicht auf das linke Bein und beugte sich zu den Krücken. Vorsichtig richtete sich auf. Die improvisierten Gehhilfen waren erstaunlich stabil und griffig und halfen Niamanee zum Fenster wo sie den Vorhang einen Spalt beiseite schob. Wie vermutet befand sie sich in einem der Burgtürme und sah hinab auf den weitläufigen Vorhof, der noch ruhig und verlassen im pastellfarbenen Licht der frostigen Morgensonne lag. Außer den vier wie angewurzelt stehenden Wachsoldaten an dem riesigen Tor war noch niemand zu sehen. Sie ließ den Vorhang wieder zurückfallen,  humpelte zu den Türen und lauschte. Alles war still. Vorsichtig drückte sie die schmiedeeiserne Klinke herunter und fand sie zu ihrer Überraschung unverschlossen. Fast lautlos schwang die schwere Holztüre in gutgeölten Angeln auf und gab den Blick auf den dahinterliegenden Raum frei. Es war eine weitere Kammer, deutlich größer als die ihre, deren unverhangenes Fenster direkt Richtung Osten lag und von den morgendlichen Sonnenstrahlen mit goldenem Licht geflutet wurde. Es standen zwei massive Truhen an der Wand, ein paar Stühle um einen größeren Tisch – aber all dies nahm Niamanee gar nicht mehr richtig wahr, als ihr Blick auf das riesige Schwert fiel, das in einer Halterung direkt gegenüber an der Wand hing und in dem gleißenden Sonnenlicht wie von innen heraus zu strahlen schien. Eigentlich war es eine recht klobige, nicht besonders hübsche Waffe – aber die scheinbar freischwebende, goldene Scheibe oben an der Aussenkante der einseitig geschärften Klinge verlieh ihr etwas übernatürliches, etwas magisches. Fast ehrfürchtig kam sie näher. Sie wußte genau, was dies für eine Waffe war. Dies war der legendäre Aschenbringer. Ohne die Klinge wirklich zu berühren ließ sie ihre Finger über das gemaserte Metall gleiten. Auch wenn es so aussah- es war kein Stahl. Es war ein geschmolzener Stern, der vor Äonen vom Himmel gefallen war. Jeder kannte die Geschichte der Zwillingsklingen von Valonezz. „Ihr könnt ihn in die Hand nehmen, wenn ihr möchtet.“ Ruckartig fuhr Niamanee herum. Im Schatten der hinteren Kammerecke saß ein älterer Mann mit eisgrauem Bart und schulterlangen, ebenso grauen Haaren und seine stahlgrauen Augen blitzen, als er sie interessiert ansah. Er mußte bereits dort gesessen haben, als sie in die Kammer getreten war. Niamanee hatte die Hand wieder sinken lassen. „Ihr seid Hochlord Fordring.“ Der ältere Mann nickte und blieb weiterhin ruhig auf dem Stuhl sitzen. „Und ihr wißt, wer ich bin.“ Wieder nickte Fordring. „Niamanee Nebeltänzer, Tochter von Kommandant Rasaziel Nebeltänzer, geflohen aus Silbermond.“ „Bolvar hat euch von mir erzählt.“ Ein erneutes Nicken. „Alles.“ Ihr Blick glitt von Fordring wieder zurück auf den Aschenbringer. Jetzt verstand Niamanee. Sie lachte hell auf. „Ihr glaubt, ich könnte den Aschenbringer führen!“ Ihr Lachen erstarb. „Woher weiß man, daß man das kann? “ „Die goldene Scheibe.“ Fordring hatte sich im Stuhl zurückgelehnt. „Sie beginnt zu leuchten, hell wie eine kleine Sonne. So hell daß es einen blendet, schaut man zulange hin.“ Niamanee sah ihn mit schrägem Kopf an. Dann verlagerte sie ihr Gewicht auf das linke, unverletzte Bein, drehte sich um, nahm mit beiden Händen den Aschenbringer am Griff und hob in aus der Halterung. Die Waffe war schwerer als erwartet, nur mit großer Anstrengung konnte die Elfe verhindern, daß sie vornüber kippte, ließ sich aber nichts anmerken. Der Aschenbringer blieb dunkel. Das einzige, was auf der goldenen Scheibe funkelte waren die Strahlen der Morgensonne. Für einen Moment huschte ein deutlicher Schatten der Enttäuschung über das Gesicht des alten Hochlords. „Ihr habt es wirklich gehofft, nicht wahr?“ Niamanee hängte die schwere Waffe wieder in die Halterung und war froh, sich wieder auf die Krücken abstützen zu können. Fordring nickte, erhob sich und kam langsam auf Niamanee zu. Entgegen seines hohen Ranges trug er nur einen einfachen, teilweise schon zerschlissenen Gambeson, der die Strenge seiner Erscheinung nur noch mehr unterstrich. Fordring war kein Mann, mit dem man lange diskutierte. Und irgendwie paßte es nicht zu ihm, daß er jetzt zum Tisch trat, einen Stuhl abrückte und ihr freundlich zunickte. „Setzt Euch, junge Dame. Ihr solltet mit Eurem Bein nicht solange stehen.“ Niamanee nahm seine Einladung an und ließ sich vorsichtig auf dem Stuhl nieder. Der Hochlord nahm auf dem gegenüberliegenden Stuhl Platz. Niamanee beobachtete ihn. Er wirkte unverbindlich, es war ihr unmöglich einzuschätzen, wie er zu ihr stand. Sie war sich ziemlich sicher, daß es seine Stimme gewesen war, die sie in der Nacht gehört hatte. Die ältere Stimme, welche die grauenvolle Vision des anderen Paladins relativiert hatte. Trotzdem war sie auf der Hut. Die Tatsache, daß sie hier war und das er sich die Zeit für sie nahm zeugte unzweifelhaft von dem großen Interesse, das er an ihr hatte. Welcher Natur dieses Interesse war, konnte sie nur spekulieren. Aber eines war gewiß- es hatte mit dem Splitter zu tun. Beinahe freundlich begegnete Fordring Niamanees forschenden Blick. „Ihr fragt euch, was ich von euch will, nicht wahr? Ich will ehrlich zu euch sein. Jetzt nachdem ihr mir nur allzu deutlich gezeigt habt, daß es keine Verbindung zwischen euch und dem Aschenbringer gibt weiß ich es selbst nicht so genau.“ Schwang da tatsächlich ein Hauch von Humor in seinen Worten mit? „Wie kommt ihr darauf, daß ich den Aschenbringer führen würde können? “ Langsam faßte Niamanee ein wenig Vertrauen zu dem alten Paladin. „Selbst mein Volk kennt die Geschichte der Zwillingsklingen. Die mächtigen Waffen der Menschen, die nur von denen geführt werden können, die das Blut der alten Könige in sich tragen.“ Fordring wirkte nun etwas offener. „Ihr interessiert euch für unsere alten Legenden?“ „Wir hatten eine gut sortierte Bibliothek in Silbermond.“ entgegnete Niamanee. „Dann wißt ihr bestimmt auch, was mit den Zwillingsklingen passiert ist.“ Die Elfe nickte. „So in etwa. Eine der Klingen fiel den Schatten in die Hände. Die Dämonen haben sie verdorben und für ihre Zwecke umgeschmiedet. Jetzt kennt man sie unter dem Namen Frostgram als Waffe des Lichkönigs. Der Aschenbringer fiel den Schatten in die Hände, als der letzte Träger des Aschenbringers von seinem eigenen Sohn an die Schatten verraten wurde.“ Fordring seufzte leise. „Renault Mograine war ein schwacher Mensch und es war einfach für die Schatten ihn zu korrumpieren. Fürst Alexandros hat nie damit gerechnet, daß sein eigener Sohn ihn in eine Falle locken könnte. Und Renaults Bruder Darion war damals einfach zu jung, um gegen den Geist des Lichkönigs bestehen zu können. Das Opfer, das er gebracht hat, um nicht in die Hände des Lichkönigs zu fallen werden wir nie vergessen. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wäre Uther Lichtbringer vor Ort gewesen. Uther und Alexandros hatten denselben Vater, aber Uther war ein Bastard, Resultat einer flüchtigen Liebelei zwischen Fürst Gillard Mograine und einer Unbekannten, deren Identität Mograine nie gelüftet hat. Immerhin hat er Uther als seinen leiblichen Sohn anerkannt. Und mit Verlaub, Uther wäre der bessere Erbe gewesen. Aber so lagen die Dinge nun mal nicht und die Schatten ergriffen ihre Gelegenheit als Uther zum fraglichen Zeitpunkt außer Landes war. Uther hat sich deswegen zeitlebens Vorwürfe gemacht. Er ist jahrelang auf der Suche nach dem Aschenbringer durch die halbe Welt geirrt. Der Mann, der von dieser Suche zurückkam, war nicht mehr derselbe.“ „Aber jetzt ist der Aschenbringer wieder da,“ stellte Niam fest und warf einen Blick auf die klobige Klinge. „Ein Vorwand, ein Trick;“ nickte Fordring. „ Arthas hat Darion geopfert um uns den Aschenbringer zuzuspielen. Nur ein Idiot hätte seine Truppen auf heiligem Boden angreifen lassen. Man kann von Arthas vieles sagen, aber ein Idiot ist er nicht.“ Niams spitze Brauen hüpften nach oben. „Warum sollte er das tun? Warum sollte er seinem Feind die einzige Waffe überlassen, die ihn vernichten kann? Das ergibt doch keinen Sinn.“ „Es macht Sinn, wenn man den Träger der Waffe für gefährlicher hält als die Waffe selbst. So ist der Aschenbringer nur ein Schwert wie viele andere auch. Erst die richtige Person macht die Waffe zur tödlichen Bedrohung für den Lichkönig. Und seid geraumer Zeit kursieren Gerüchte, das jemand kommen wird. Vielleicht nur Geschichten oder Wunschdenken eines verzweifelten Volkes – aber jede Geschichte birgt einen wahren Kern. Arthas hat uns einen Köder hinterlassen. Er wußte, daß wir suchen würden.“ Fordring sah die Elfe einen langen Moment an. „ Zwei, drei Abende vor der Schlacht an der Pforte des Zorns erzählte Fordragon mir von euch. Er hatte zuvor nie ein Wort über euch  verloren, aber an diesem Abend wurde er sehr redselig. Erst dachte ich, er hätte etwas getrunken, aber dem war nicht so, Bolvar trank niemals Alkohol. Ich glaube, er ahnte damals schon, daß er nicht zurückkehren würde. Jedem anderen hätte ich diese Geschichte nicht geglaubt, aber Bolvar war niemand, der Geschichten erzählt. Schon damals wuchs in mir die Hoffnung, wenn so etwas möglich war uns das Licht vielleicht wirklich jemanden schicken würde. Und dann kamt ihr.“ Ein sarkastisches Lächeln zuckte in Niams Mundwinkeln. „Das muß vorhin ja eine derbe Enttäuschung für euch gewesen sein.“ Fordrings Gesicht blieb gelassen. „Ihr wußtet, daß der Aschenbringer nicht für euch bestimmt ist. Was machte euch so sicher?“ „Die Tatsache, daß das Licht nicht so dumm sein kann jemanden auszusuchen, der gar nicht dazu in der Lage ist, diese riesige Waffe zu führen.“ Niams Lächeln wurde kurz zu einem etwas breiteren Grinsen und erstarb dann wieder. „Keine Ahnung. Ich wußte es einfach. Ich war doch nur das Bindeglied zwischen den Naaru. Sie waren es, die Illidan vernichtet haben.“ „Bolvar wähnte euch tot.“ Niam zuckte mit den Schultern. „Ich erinnere mich noch an den Schmerz, als Illidans Klinge in meinen Körper eindrang. Danach ist alles weg. Als ich wieder zu mir kam, lag ich weit vom eingestürzten Tempel entfernt – und die Wunde war vollständig verheilt. Ich kann euch nicht sagen, was passiert ist.“ Fordring sah sie ruhig an. „Aber ihr könnt mir sagen, was in der Zitadelle passiert ist. Und lügt mich nicht an oder verschweigt etwas. Ich würde es merken.“ Niamanee zögerte. Bolvar hatte ihm vertraut. Und er hatte in den dunklen Visionen des anderen Paladins offensichtlich keine akute Bedrohung gesehen. So beschloß sie, daß auch sie ihm trauen konnte. Wenn nicht ihm, wem sonst? Also berichtete sie dem alten Hochlord so ausführlich wie möglich, versuchte sich dabei auch an das kleinste Detail zu erinnern. Als die Bilder von dem sterbenden Bolvar wieder in aller Deutlichkeit in ihr Bewußtsein drängten, konnte sie es nicht verhindern, daß ihr wieder die Tränen in die Augen stiegen. Sie erzählte von Arthas, von dem Kampf in der Folterkammer, ihrem Sturz in die Tiefe. Jeden Moment versuchte sie so gut sie konnte aus ihrem Gedächtnis zu rufen. Tirion Fordring unterbrach sie kein einziges Mal. Und als ihr Bericht im Schnee bei den Holzfällern endete sah er sie noch eine ganze Weile schweigend an. Sein Gesicht war sehr ernst geworden und ein dunkler Schatten hatte sich über seine harten Züge gelegt. „Das ändert alles.“ Fordring erhob sich. „Ich werde mich umgehend um einiges kümmern müssen. Ihr werdet diese Räume derweil nicht verlassen, bis ich wieder zurück bin.“ Seine Reaktion beunruhigte sie. Irgend etwas stimmte nicht. Sie hatte sich nichts vorzuwerfen, hatte sie doch wahrheitsgemäß alles erzählt. Verunsichert sah sie ihn an. „Es ist, weil ich Bolvat getötet habe, nicht wahr? Ihr glaubt, daß es falsch war.“ Fordring hielt kurz inne, sah sie mit einem freudlosen Lächeln an und schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, ihr habt alles richtig gemacht.“   Es war für die frühe Uhrzeit ungewöhnlich voll im ‚Hängenden Prinzen’. Normalerweise trudelten jetzt die ersten Frühaufsteher und die letzten von den Nachtschichten ein, um sich aufzuwärmen und sich ein erstes, kräftiges Frühstück zu gönnen- zumindest die, die es sich leisten konnten. Um so überraschter war Jaelle als sie den schweren Wollvorhang  beiseite schob- und den Wirtsraum brechend voll vorfand. Die meisten Besucher hatten sich um einen der Tische in der Mitte gescharrt, es waren diesmal auffallend viele Zwerge darunter. Nur Lemmele, der hagere Buchhalter von Baron Varmont saß wie immer auf seinem Platz mit Blick zur Theke über seiner heißen Grütze. Eine poltrige, laute Stimme drang durch das leise Getuschel und Geraune der Besuchermenge und Jaelle hatte so eine Ahnung, zu wem die Stimme gehörte. Sie spähte über die Köpfe der Besucher und fand sich bestätigt. Am Tisch saß Muradin Bronzebart und gab wieder mal eine seiner Anekdoten von sich. Der Bruder von Zwergenkönig Magni kam gerne in das Wirtshaus der Kohlenfausts, wenn seine knapp bemessene Zeit es zuließ und es endete fast immer damit, daß er eine seiner Geschichten zum Besten gab, während die anderen Besucher staunend an seinen Lippen hingen. Die meisten von ihnen hatten noch nicht viel von der Welt gesehen, wohingegen Bronzebart viel gereist war und mit entsprechend illustren Abenteuern aufwarten konnte. Ob diese nun so der Wahrheit entsprachen hinterfragte niemand, für die meisten waren seine Geschichten einfach nur ein netter, kurzweiliger Zeitvertreib in der kalten Öde hier. Und Bronzebart genoß es, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Jaelle setze sich an einen der freien Tische und winkte Meira zu, die allein hinter der Theke stand und alle Hände voll zu tun hatte, da der Wirt in der Menge um Bronzebart stand und wie die meisten Zwerge fasziniert an seinen Lippen hing. Jemand setzte sich und ein Brett mit Brot und Butter wurde ihr zugeschoben. „Brot ist aus, gibt nur noch Hafergrütze.“ Mathis schenkte Jaelle ein schräges Lächeln. Jaelle hob überrascht die Augenbraue. „Du bist schon wach? Warst du nicht für die Nachtwache eingeteilt?“ Mathis nickte. „Ich konnte nicht mehr schlafen. Stimmt es, daß sie Niamanee gefunden haben? Sie haben dich doch in die Burg geholt.“ Jaelle bedachte ihn mit einem amüsierten, vielsagenden Blick. „Ich weiß nicht, von wem du sprichst.“ „Ach, komm schon, mir kannst du’s doch sagen,“ drängte Mathis. Jaelle schnitt sich eine Scheibe Brot ab, bestrich sie dick mit Butter und biß herzhaft hinein. Kauend sah sie Mathis an und dieser wußte, daß er keine Antwort von ihr bekommen würde. Aber eigentlich hatte ihr Blick schon alles gesagt. Niamanee war wieder da. Mathis nahm einen Schluck dünnen Bohnenbräus. „Dunkelschwinge soll verschwunden sein.“ Jaelle nickte. „Hab’ ich auch gehört. Der taucht schon wieder auf.“ Bronzebarts Stimme drang laut und deutlich zu ihnen herüber. Mathis verzog leicht den Mund. „Er hat heute mal wieder eine seiner Geschichten über Arthas am Start. Mir wäre es ja unangenehm, wenn ich zugeben müßte, mit diesem Schlächter befreundet gewesen zu sein. Bei Bronzebart hört es sich beinahe so an, als sei er auch noch stolz darauf.“ Jaelle zuckte sie mit den Schultern. „Nun ja, es kann nicht jeder von sich behaupten, Freund des Lichkönigs gewesen zu sein. Soweit ich weiß, hat er ihn sogar mit ausgebildet. Jeder kann sich mal irren, was Freunde angeht. Menschen verändern sich.“ Mathis stieß ein trockenes Lachen aus. „Das kann man wohl sagen. Hast Du ihn eigentlich mal getroffen?“ „Wen getroffen?“  „Arthas. Euresgleichen ging doch am Hofe ein und aus.“ Jaelle rollte mit den Augen. „Euresgleichen. Was soll daß denn schon wieder heißen? Nur weil ich das Pech habe aus einer adligen Familie zu stammen mußt du mich nicht mit denen über einen Kamm scheren! Und ja, ich habe ihn ein, zweimal getroffen.“ „Und?“ „Ja, nichts und. Wir wurden uns kurz förmlich vorgestellt und das war’s“ „Ich mein’ wie war er so?“ Jaelle lachte trocken. „Sehr zuvorkommend und ausgesprochen gutaussehend. Das wolltest Du jetzt nicht hören, oder?“ Ihr Grinsen wurde breiter. „Hm,“ schnaubte Mathis und wandte seinen Kopf wieder in Bronzebarts Richtung. „Und so standen wir da, umringt von unzähligen, halb vermoderten Skeletten, die uns alle an Leder wollten – das sah nicht gut aus!“ Die knorrige Stimme war klar und deutlich durch das Raunen der Zuhörer hindurch zu hören. „Ich hatte eigentlich nicht vor, Arthas von dem Schwert zu erzählen, nicht nachdem er das Ding mit den Söldnern durchgezogen hatte. Verbrennt seine eigenen Schiffe, um den Befehl des Königs nicht befolgen zu müssen und schiebt es den Söldnern in die Schuhe. Die Burschen hatten so wenig mit dem Dämon Mal Ganis am Hut wie ich mit Sylvanas Windläufer.“ Einige zustimmende Lacher wurden laut. „Nicht einen von denen haben sie leben lassen, die meisten hat Arthas selbst dahingemetzelt. Dieser von Rachsucht verzehrte Prinz war nicht mehr der Junge, den ich von früher kannte! Ich hätte ihm nie von dem Schwert erzählen dürfen! Aber damals erschien es mir als eine letzte, verzweifelte Option, die wir noch hatten, diese Angriffe überleben zu können.“  Bronzebart räusperte sich. „Es gelang uns zusammen mit meinen tapferen Pionieren und den lordischen Soldaten, auch diese Welle zurückzuschlagen, aber die Verluste waren hoch! Einen nächsten Angriff würden wir wohl nicht überstehen. Es sei denn, es würde uns gelingen, unsere Chancen zu verbessern. So sagte ich Arthas, das wir das Schwert tatsächlich gefunden hatten. Er war zunächst ganz schön wütend, daß ich ihn angelogen hatte, bestand dann aber darauf, daß wir umgehend aufbrächen. Als ich seinen Blick sah, ging mir damals schon kurz durch den Kopf, das dies eine ganz blöde Idee gewesen war- aber die Sorge um meine Jungs unten am Strand, die einen weiteren Angriff wohl kaum überstehen würden, machte mich blind. Wir machten uns also auf den Weg.“ Mathis sah mit einem recht zynischem Lächeln im Mundwinkel zu Jaelle, deren Gesicht sich deutlich verfinstert hatte und raunte. „Ich bin sicher, wenn Frostgram nicht viel zu groß für einen Zwerg gewesen wäre, hätte sich Bronzebart das Ding längst selbst geschnappt!“ Jaelle nickte leicht. „Das hätte der Geschichte eine interessante neue Wendung gegeben. Ein Zwerg als Lichkönig“.  Mathis kurzes Auflachen zog den einen oder anderen irritierten Blick der Zuhörer auf sich. „Es gelang uns, die Eishöhle, in der ich das Schwert gefunden hatte, unbemerkt zu erreichen. Es war noch so, wie wir es entdeckt hatten. Eingeschlossen in einem großen Eisblock glühte es uns von seinem Sockel aus entgegen. Aber diesmal waren wir nicht alleine. Eine Gruppe Eiselementare schwebte um den Sockel herum. Flieht, Sterbliche, grollten ihre düsteren Stimmen. Flieht, Sterbliche, hier wartet nur Tod und Verderben auf euch. Aber Arthas interessierte das nicht- er hatte nur noch Augen für das Schwert. Macht mir den Weg frei, rief er, bereit sich wenn nötig zum Schwert hindurchzukämpfen.  Dieses Schwert ist mein und ihr könnt es vor mir nicht schützen!“ Bronzebarts Theatralik hatte etwas von einem schlechten Schmierenkomödianten, aber es schien den Zuhörern zu gefallen, denn das Raunen der Menge war deutlich lauter geworden. Jaelle verzog ihren Mund und flüsterte. „Komisch nur, daß wir in der ganzen Zeit hier noch nie einem Eiselementar begegnet sind.“ Der Zwerg hatte kurz innegehalten um seine Worte noch ein wenig wirken zu lassen. Dann, mit einem gewichtigen Räuspern, setzte er seine Erzählung fort. „Aber die Elementare dachten nicht daran zu weichen. Ihr versteht nicht, Mensch. Wir schützen euch vor dem Schwert. Aber Arthas sah sie nur an, nahm seinen Hammer in beide Hände. Inakzeptabel, sagte er. Und dann furchte sein Hammer durch die Elementare. Er hat sie verdammtnochmal alle erwischt. Ja, ich habe ihn gut trainiert, den jungen Prinzen. – besser als es mir in diesem Moment lieb war.“ Mathis grinste Jaelle an. „Was für ein arroganter Aufschneider, dieser Bronzebart. Jetzt weißt du, warum du noch keinem Eiselementar begegnet bist.“ Verärgertes Zischen in ihre Richtung lies Jaelle zunächst ihre Antwort wieder hinabschlucken und so zwinkerte sie Mathis nur zu. „Und nun stand er vor Frostgram und seine Hand reichte schon nach dem Griff! Da entdeckte ich die Tafel mit der Inschrift. Es waren alte Elementarrunen. Glücklicherweise bin ich sehr belesen, was alte Schriften angeht und ich konnte die uralte Sprache übersetzen. Ewige Macht dem, der sich meiner bedient. Aber sei gewarnt: Meine Macht hat einen Preis! Das hörte sich gar nicht gut an. Halt, rief ich. Nimm’ es nicht! Du weißt nicht, was du damit lostrittst! Aber Arthas lachte nur. Was könnte denn noch Schlimmeres kommen? Ich werde jeden Preis zahlen, um mein Volk zu retten. Jeden, hörst Du? Und dann griff er Frostgram.“ Das Rascheln und Raunen der Zuhörer war verstummt. Für einen Moment war es fast totenstill im Wirtshaus. Bronzebart schien die Stille noch eine ganze Weile wirken zu lassen, bevor er mit einem dramatischen Seufzer weitersprach. „In dem Moment, wo seine Hände den Griff umschlossen glühte die Klinge blau auf und mit einem ohrenbetäubenden Knall explodierte der Eisblock. Und dann traf mich etwas am Kopf und meine Welt wurde schwarz.“ Wieder schob Bronzebart eine kleine Pause ein. „Es muß ein Eissplitter gewesen sein – und das hat mir wohl das Leben gerettet. Der Moment, indem Arthas das Schwert griff, was der Moment, in dem sein ohnehin schon verwirrter Geist vollends in den Wahnsinn getrieben wurde und Frostgram die Kontrolle übernahm. Arthas muß mich für tot gehalten haben, sonst hätte er das ohne Frage selbst erledigt. Und dann nahm die Katastrophe endgültig ihren Lauf...“ „Und wäre die Gier der  Zwerge nach Artefakten nicht so groß, wäre Frostgram vielleicht nie gefunden worden,“ flüsterte Jaelle grimmig. Mathis nickte zustimmend. In diesem Moment wurde die Türe zum Schankraum mit einem lauten Knall aufgeschlagen, der Kälteschutzvorhang flog zur Seite und ein Zwerg mit hochrot überhitztem Kopf polterte in einer Wolke von aufgewirbeltem Schnee in die Wirtstube. „Herr Bronzebart! Ihr möchtet euch unverzüglich bei Hochlord Fordring einfinden!“   Die Nacht war nie lang genug. Auch wenn die Nächte hier im nördlichen Winter viel länger waren als im fernen Sturmwind, sie waren trotzdem stets schneller vorbei als ihm lieb war. Bald schon würde das erste Hornsignal zum Morgenappell ertönen. Varian Wrynn, König von Sturmwind schob die warme Steppdecke zur Seite, setze sich auf und blinzelte ins warme Licht, das die Morgensonne durch die pergamentbespannten Fenster warf. Dann wanderte sein Blick wieder zurück zum Bett und blieb auf dem grazilen Körper hängen, der neben ihm noch ganz unter der Steppdecke versteckt lag. Die Glut im Kamin war schon längst erloschen und es war empfindlich kühl im Raum, aber das war Varian egal. Vorsichtig schob er die Decke von der schlafenden Elfe und betrachtete ihre im Morgenlicht fast golden schimmernde Haut. Auch ihr offenes Haar, das in weichen Wellen ihren Körper umfloß glänzte wie gesponnenes Gold. Das Makeup auf ihrem Gesicht saß nicht mehr so akkurat wie am Abend zuvor, aber das verschmierte Rot auf ihren sinnlichen Lippen machte diese nur um so begehrenswerter. Allein dieser Anblick reichte aus, um den König von Sturmwind nur noch an das denken zu lassen, was sie mit diesen Lippen tun konnte. Dinge, die er bis dahin in dieser Form noch nie erlebt hatte und die ihn über das eine oder andere Mal fast in den Wahnsinn getrieben hatten. Dinge, von denen er nie genug bekommen konnte. Das, was ihn mit Valeera verband war keine Liebe. Er hatte Tiffin geliebt. Die wunderschöne, liebevolle Tiffin, Mutter seines einzigen Sohnes, die viel zu früh von seiner Seite gerissen wurde. Valeera hatte er auf seiner Flucht aus der Gefangenschaft in Durotar kennengelernt. Sie hatte ihm geholfen und irgendwann waren sie sich näher gekommen. Nein, Liebe war es nicht, was sie verband. Es war etwas Animalischeres, etwas Gefährlicheres. Es war ein Spiel, bei dem man genau abschätzen mußte, wie weit man sich dem Rausch, dem Kontrollverlust hingeben konnte ohne wirklich völlig wehrlos zu sein. Denn ein wehrloser König war schnell ein toter König. Varian liebte das Spiel mit der Gefahr. Varians Hand fuhr über die samtweiche Haut ihres Armes, glitt hinab zu ihrer kleinen, prallen Brust und seine Finger begannen, den kleinen, harten Nippel zu bespielen, erst sanft, dann immer fordernder. „Mein König, ihr seid schon wach.“ Verschlafen blinzelte Valeera in die Sonne und lächelte Varian an. Eine feine Gänsehaut begann sich auf ihrem nackten Körper abzuzeichnen und sie machte Anstalten, die Decke wieder hochzuziehen. „Es ist kalt.“ „Das können wir ändern,“ lächelte Varian, drehte Valeera auf den Rücken und schob seinen kampfgezeichneten Körper über die fragile Elfe. Jetzt war auch Valeera wieder hellwach, blitzte ihn mit ihrem leuchtenden Smaragdaugen verführerisch an und lachte leise. Ihre rechte, schlanke Hand fuhr durch seine ungekämmte Haarmähne, zog seinen Kopf zu sich hinab, während ihre Linke suchend nach unten zu seinen Lenden glitt – und fündig wurde. Varian atmete tief ein, seine Lippen wanderten von den ihren langsam ihren Hals hinab und verharrten zwischen ihren Brüsten und für einen langen Moment genoß er die fließenden Bewegungen ihrer Finger. Langsam hauchte er seinen heißen Atem auf ihre Haut. Dann aber entzog er sich ihr recht abrupt und richtete sich mit einem leichten Kopfschütteln über ihr auf. Valeera sah ihn mit gespielter Enttäuschung an und nahm die Decke, die er ihr reichte. „Was weißt du über diese weißhaarige Landsmännin von dir?“ Varians rechte Braue wanderte leicht in die Höhe. Valeera verstärkte ihren Schmollmund und ihre Rechte fuhr wieder in die königlichen Haare, um ihn an sich zu ziehen. „Müssen wir jetzt über die reden? Ich wüßte da etwas viel besseres.“ Varian ergriff ihre Hand und drückte sie ins Kissen. „Müssen wir. Das Bessere heben wir uns für danach auf.“ Valeera seufzte leise. „Alles, was meinen König glücklich macht.“ „Braves Mädchen. Und jetzt erzähle.“ „Viel gibt’s da sowieso nicht zu sagen. Ihr Vater war Kommandant von König Anasterians Königsgarde. Sie hat, soweit ich mich erinnere immer wieder versucht, ebenfalls in der Sonnengarde aufgenommen zu werden, ist aber immer gescheitert. Genauso wie ihr Vater gescheitert ist, als er Anasterian vor Arthas schützen wollte. Aber im Gegensatz zum König hat er’s überlebt. Und ist danach richtig merkwürdig geworden. Hat offen gegen Prinz Kael’thas opponiert, den Weg des Sonnebrunnens und der Blutmagie verdammt. Hat von der Rückkehr zum Licht gesprochen.“ Die letzten Worte kamen recht verächtlich von ihren Lippen. Varian runzelte seine Stirn. „Das hier ist nicht der Ort, an dem man das Licht in Frage stellen sollte.“ Valeera verzog ihren Mund. „Es war Prinz Kael’thas, der meinem Volk den Weg aus der Verzweiflung gewiesen hat, nicht das Licht.“ Sie sah ihn herausfordernd an. „Ihr glaubt doch selbst nicht daran.“ Varian schüttelte unwirsch den Kopf. „Das tut jetzt hier nichts zur Sache. Was ist jetzt nun mit der Weißhaarigen?“ „Sie hat's dann doch noch irgendwie geschafft, in die Sonnengarde zu kommen. Oder besser bei den Blutrittern aufgenommen zu werden, wie sie sich ja jetzt nennen. Wahrscheinlich, weil kaum mehr genug da waren, die man rekrutieren konnte.“ Valeera grinste spöttisch, wurde dann aber wieder ernster. „Ihr  Vater kam dann etwas später auf Patrouille in den Geisterlanden ums Leben. Sehr viel mehr weiß ich allerdings nicht. Kurz bevor ich selbst aus Silbermond verschleppt wurde hörte ich noch von einem Vorfall im Tempel der Blutritter, in den sie offensichtlich verwickelt war. Bevor ich euch in Durotar begegnete, traf ich dort noch auf zwei Kopfgeldjäger der Sin’dorei, die mich nach ihr befragten. Man hat in Silbermond ein verdammt hohes Kopfgeld auf sie ausgesetzt. Was immer da passiert ist, da scheinen einige ziemlich dringend ihren Tod zu wünschen.“ Der König wirkte jetzt nachdenklich. „Sie behauptet, mit Bolvar befreundet zu sein.“ Valeera antwortete mit einem frechen Lächeln. „Nun, vielleicht hat auch er herausgefunden, daß wir Blutelfen sehr besonders sind.“ „Wir sind aber heute ganz schön eitel, nicht wahr?“ Varian ergriff jetzt auch ihre linke Hand und drückte sie ins Kissen. Die Elfe funkelte ihn herausfordernd an. Varian bleckte seine Zähne. „Kommen wir doch wieder zurück zu dem Besonderen!“ Er beugte sich zu ihr hinab und biß sie so heftig ins Ohrläppchen, daß sie kurz aufquiekte. Dann nahm er ihre Rechte und führte sie wieder hinab zu seinen Lenden. In dem Moment klopfte es. Varian hielt kurz inne und sah verärgert zur Türe. „Kommt später wieder. Ich habe zu tun!“ Er vergrub sein Gesicht wieder unter der goldenen Haarflut. Es klopfte lauter, drängender. Varian stieß ein wütendes Knurren aus. „Jetzt nicht!“ Kleine Staubwölkchen stoben aus der Tür, als das Klopfen sich jetzt nochmals verstärkte. Varian fuhr hoch, sprang mit einem Satz aus dem Bett, eilte zur Türe und riß sie auf. „Was?“ Hätte er es gekonnt wäre Feldwebel Holthus sofort im Boden versunken – so aber blieb ihm nur, mit hochrotem Kopf seinen Blick verschämt von der zornbebenden Blöße seines Königs abzuwenden. „Hochlord Fordring wünscht eure sofortige Anwesenheit.“ Der Feldwebel wagte für einen winzigen Moment, den blauen Gewittern in Varians Augen zu begegnen. „ Und er sagte, egal was ihr sagen oder tun würdet, nichts wäre wichtiger als das!“                                                   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)