Even if the morrow is barren of promisses von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 9: Corpus imperat Mens (Körper über Verstand) ----------------------------------------------------- Corpus imperat Mens (Körper über Verstand) Es dauerte etwas, bis es Sephiroth gelang, sich zu orientieren. Er hatte wie alle anderen versucht, etwas zu schlafen. Es war ihm nur zum Teil gelungen und er hatte gehofft, sich nach dem Aufwachen etwas besser zu fühlen. Doch zu der allgemeinen Erschöpfung kamen nun auch eindeutige Anzeichen einer beginnenden Dehydrierung dazu. Er hatte nichts getrunken, seit sie zu der Mission aufgebrochen waren. Und das war einen Tag und eine Nacht her. Der Silberhaarige atmete tief durch, um seine verbliebenen Kräfte zu vitalisieren. Er sah sich in ihrem Gefängnis um, zum hundertsten Male wie ihm schien. Das Loch in der Decke ließ wieder schwaches Licht hinein. Offenbar begann es zu dämmern. Die Dorfbewohner waren im hinteren Teil der Höhle kaum auszumachen. Sie mieden die Kämpfer ShinRas und hofften gleichzeitig, ShinRa würde kommen und sie befreien. Manche von ihnen schliefen, andere unterhielten sich leise. Hin und wieder schaute einer zu ihnen rüber und ließ die Augen schnell wieder sinken, wenn er Sephiroths Blick kreuzte. Der SOLDIER beschloss, sich so gut es ging, die Beine zu vertreten. Er hatte nach mehr als einem Tag Gefangenschaft in diesem gottverdammten Loch einen unglaublichen Drang, sich zu bewegen. Mit einem leichten Ächzen kam er zu stehen und wartete kurz, bis sich sein Kreislauf eingestellt hatte. Dann lief er ein paar Schritte bis zu der Aussparung an der Decke, diesem kleinen natürlichen Oberlicht, und stellte sich direkt darunter. Warme Luft strömte ihm entgegen. War es hier drinnen also tatsächlich kälter, als draußen? Als er hinauf blickte, erkannte er ein paar Grashalme, die sich über den Rand bogen. Ansonsten sah er nur den Himmel, der in ein helles, morgendliches Orange getaucht war. Was wohl draußen vor sich geht? Sephiroth erinnerte sich, dass die Infanteristen nicht mit in die Höhle gegangen waren. Also mussten sie in Ordnung sein. Was taten sie? Hatten sie ShinRa verständigt? Mit bloßer Manneskraft war dem verschlossenen Eingang nicht beizukommen, soviel war sicher. Und er sah ein, dass ihnen nichts übrig blieb, als zu warten und zu hoffen. Sephiroth atmete hörbar aus. Er hatte sich noch nie in einer solchen Situation befunden. Und er war weiß Gott schon lange im Dienste der Armee, genau genommen, soweit er zurück denken konnte. Er hatte bisher auch nie das Verlangen danach gehabt, sich zu fragen, was davor gewesen war. Wo er herkam. Es war immer in Ordnung so gewesen, SOLDIER werden, Feinde eliminieren, Missionen anleiten. Das Hinzukommen von Genesis und Angeal, nahezu zeitgleich, bereicherte sein Leben jedoch mehr, als er sich es je hätte vorstellen können. Er war sich nicht sicher, ob er wusste, was Freundschaft war. Keine Frage, er fühlte sich den beiden verbunden und nannte sich auch seine Freunde. Aber eine Beziehung derart, wie sie die zwei Commander miteinander verband, hatte er bisher weder zu dem einen noch zu dem anderen aufbauen können. Mittlerweile war er sich auch sicher, dass es nicht nur etwas damit zu tun haben könnte, dass Angeal und Genesis sich schon seit ihrer Kindheit kannten. Sephiroth hatte das Gefühl, einfach nicht dafür geschaffen zu sein, komplexere Beziehungen aufzubauen. Es gab Momente, in denen ihm das großen Verdruss bereitete. Jetzt gerade zum Beispiel. Sephiroth wandte sich um schritt auf seine Kampfgefährten zu. Er ging vor ihnen in die Hocke und war still und beobachtete einfach nur. Angeal schien zu schlafen. Der Silberhaarige konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob ihm nicht schon längst die Beine eingeschlafen sein mussten. Schließlich lag Genesis schon seit gestern Abend in seinem Schoß, nach wie vor schwer und rasselnd atmend. Genesis...Während er seinen rothaarigen Freund musterte, dachte er daran, wie schlimm es erst für ihn sein musste, ohne Wasser. Ihm war, als hätte sich der Zustand des Verletzten seit der Nacht verschlechtert. Seine Haut war nunmehr aschfahl und kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Im Kontrast dazu leuchteten seine Lippen rot. Blutrot. Mit Erschrecken erkannte Sephiroth ein dünnes Rinnsal Blut, das sich von einem der Mundwinkel über den Hals hinab zog. Er hielt es für besser, Angeal zu wecken und schüttelte ihn sanft an der Schulter. „Hey, wach auf.“, flüsterte er. Angeal wurde aus seinem flachen Schlaf gerissen. Das erste, was er wahrnahm, waren seine schmerzenden Beine. Er war lange in dieser einen Position verharrt. Und er hatte fürchterlichen Durst. „Sephiroth? Was...was ist?” „Ich glaube, es geht im schlechter.“ „Was, wem?“, entgegnete Angeal. Es kostete ihm Mühe, in einer geraden Linie zu denken, er fühlte sich benommen. „Genesis, wem sonst?“ Wie ein Reizwort durchzuckte dieser Name seinen ganzen Körper und ließ ihn endlich hellwach werden. Er schaute auf seinen Freund hinunter und sah sofort, was Sephiroth gemeint hatte. „Das war gestern Abend noch nicht!“, sagte er erschrocken. Sephiroth wies auf die Wunde, wo der Pfahl steckte. „Das auch nicht?“ Angeals Blick wanderte tiefer und er hob die Augenbrauen. Um den Splitter herum hatte es wieder zu bluten begonnen. Angst legte sich um sein Herz, als er sah, dass das Rot kleine Blasen schlug. Die Wunde war nicht mehr luftdicht verschlossen! Jetzt, beim genaueren Hinschauen konnte er auch erkennen, dass sich die rechte Brustseite nicht mehr mit hob und senkte! Er versuchte sich zu erinnern, was der Arzt damals zu Pfahlverletzungen gesagt hatte, während ihrer Fortbildung. Sephiroth kam eher darauf und sprach es aus: „Der Unterdruck im rechten Lungenflügel ist vermutlich durch die offene Wund verloren gegangen. Hatte der Arzt nicht irgend sowas gesagt, damals? Dass...dass die betroffene Lungenseite kollabieren kann, wenn der Unterdruck fehlt...und sich beim Einatmen nicht mehr weitet?“ Angeal nickte langsam, wie in Trance. Es ist genau das eingetroffen, weswegen man unter keinen Umständen Fremdkörper vorzeitig entfernen durfte, die in die Brust eingedrungen waren. „Wie konnte das passieren?“, flüsterte er ungläubig, „Sephiroth...“, Angeal sah den Silberhaarigen mit glänzenden, geweiteten Augen an. Es war ein Blick, der dem General durch Mark und Bein ging. So hatte er Angeal noch nie erlebt; sein Gesicht spiegelte pure Angst und Verzweiflung. „Er hat sich so gut wie gar nicht bewegt und ich mich auch nicht! Wie konnte das PASSIEREN?!“ „Shhh, Angeal, ich weiß es nicht, ich bin kein Arzt.“, versuchte der Angesprochene ihn zu beruhigen, „Angeal, hör mir zu!“ Sephiroth nahm das Kinn des Schwarzhaarigen und erzwang somit Blickkontakt. Er wollte gerade weitersprechen, als ein Geräusch sie alle verstummen ließ. ... Es war ein Geräusch, das die SOLDIER gut kannten. Sie hatten es oft gehört . Doch noch nie hatte es eine so befreiende, geradezu erleichternde Wirkung auf sie gehabt. Sie erkannten ganz deutlich die Motoren mehrerer Hubschrauber! Das waren Rettungskräfte ShinRas, es konnte gar nicht anders sein! Auch die Dorfbewohner sprangen auf, lauschten angestrengt und vielen sich sogleich in die Arme. Mit einem Mal schien sich eine immense Spannung gelöst zu haben. „Endlich!“, sagte einer. „Wir kommen doch noch raus!“, rief ein anderer. Nur Feby, die gestandene Frau des Dorfvorstehers, hob beschwichtigend die Arme. „Nun wartet’s erst mal ab!“, rief sie. „Dass Hilfe kommt ist das Eine. Dass die Leute auch zu uns durchdringen, das Andere! Oder habt ihr den riesigen Schutthaufen vergessen?“ Jäh aus ihrem Freudentaumel gerissen, mussten die Menschen ihr widerwillig recht geben. Wo gerade eben noch Erleichterung zu lesen war, spiegelte sich nun Enttäuschung in den Gesichtern. ’In der Tat die Einfühlsamkeit in Person’, dachte Angeal zum nunmehr zweiten Male. Dann richtete er sich an Sephiroth. „Entschuldige...ich...habe mich vergessen. Ich weiß, dass es niemandem hilft, wenn ich die Ruhe verliere.“ „Das ist schon in Ordnung. Nichts ist in deiner Situation legitimer.“ „Ich wage mir nicht vorzustellen, was wäre...wie ich reagieren würde, wenn Genesis...“. Angeal stockte urplötzlich, als er eine Bewegung in seinem Schoß wahrnahm. Genesis war wach! Seine Lider flatterten und kurz darauf öffnete er die Augen. Auf der Stelle beugte sich auch Sephiroth über den Verletzten. Hatte er den ganzen vorangegangenen Wortwechsel mitbekommen? Der Silberhaarige legte eine Hand auf die Stirn seines Freundes. „Hey, Kleiner.“, sagte er leise und sanft. Für Sephiroth war Genesis schon immer der „Kleine“ gewesen. Jünger als er war er allemal. Und in einigen Situationen wirkte er auch jünger als Angeal...ein bisschen ungestüm, manchmal etwas leichtsinnig... Aber vor allem erschien er von ihnen auch am zerbrechlichsten. Gerade jetzt. Womöglich war diese Bezeichnung aber auch schlichtweg der Ausdruck freundschaftlicher Fürsorge. Sephiroth war von sich selbst etwas überrascht. Genesis war schon lange eher wach als schlafend gewesen. Nachdem die Erschöpfung ihn übermannt hatte, wurde er immer wieder durch seine eigenen Atemgeräusche geweckt. Im Laufe der Nacht ging das Luftholen immer schlechter. Dann auf einmal kam ein Punkt, wo er sehr deutlich merkte, dass irgendetwas in ihm drin...kaputt gegangen war. Mit Mühe versuchte er die aufkommende Panik zu unterdrücken, versuchte sich nur aufs Atmen zu konzentrieren, sich zu beruhigen, sich irgendwie einzureden, dass immer noch die Möglichkeit der Rettung bestand. -Herzschlag, Atemzug. Herzschlag, Atemzug...- Das konnte doch nicht das Ende sein? Wenn er schon sterben sollte, dann im Kampf! Nicht hier in diesem dunklen Loch. Er wollte nicht elendig verrecken wie aufgespießtes Wild. Er wollte leben, verdammt! Er wollte seine Träume nicht aufgeben. IHRE Träume. Sie waren soweit gekommen...das alles konnte doch hier nicht einfach vorbei sein! Genesis vernahm Stimmen und Bewegung um sich herum. Aber er konnte dem Gespräch nicht folgen, sein Hirn war zu langsam, zu träge vom Sauerstoffmangel. Aus dem tiefen Wunsch heraus, bei sich, bei seinen Freunden zu bleiben, zwang er sich die Augen zu öffnen. Es war ihm ein großer Trost, dass sich beide Gesichter die er suchte, direkt über ihm befanden. Wenn er ihnen nur sagen könnte, wie dankbar er war, dass sie hier waren. Doch ein einziger Gedanke, ein einziger Satz begann nun langsam sein Denken auszufüllen. Er spürte, wie sein Körper und sein Instinkt zunehmend die Kontrolle übernahmen und den Verstand vernebelten. Sein Körper wollte überleben! Sein Körper diktierte ihm diesen einen Satz, wie ein immer wiederkehrendes Mantra und Genesis konnte nichts anderes, als zu folgen: -Herzschlag, Atemzug. Herzschlag, Atemzug...- „Genesis, hast du gehört? Lazard hat Hilfe geschickt. Sie sind vor der Höhle! Du wirst bald ärztliche Hilfe bekommen! Genesis!“ -Herzschlag, Atemzug. Herzschlag, Atemzug...- „Halt’ durch Genesis, hörst du uns?! Gen?!“ -Herzschlag Atemzug! Herzschlag! Atemzug! – Sephiroth und Angeal registrierten mit Angst, dass Genesis nicht mehr auf ihre Worte reagierte. Seine Augen standen nach wie vor offen, aber sein Blick ging ins Leere. Dennoch atmete der Rothaarige nun kräftiger und energischer als vorher. Sie wussten beim besten Willen nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Alles was ihnen blieb, war zu beten, die Hilfe möge nicht zu spät kommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)