I can´t live with or without you von Adiutrix ================================================================================ Kapitel 1: My life ------------------ I can´t live with or without you Ich sitze an meinem Schreibtisch und versuche vergeblich mich auf das Buch vor mir zu konzentrieren. Doch auch wenn meine Augen das Geschriebene erfassen, so verarbeitet mein Gehirn es nicht. Nichts von dem, was ich in den letzten Stunden gelesen habe, konnte ich behalten. Ich schiebe meine mangelnde Konzentration auf die bleierne Müdigkeit, die sich schon vor einigen Stunden über meinen Körper gelegt hatte. Doch so sehr ich mich auch versuche an diesen Gedanken zu klammern, so weiß ich trotzdem, dass es nicht stimmt. Das es bloß ein kläglicher Versuch meiner Selbst ist, mich zu belügen. Denn ich weiß ganz genau, woran es liegt, dass in meinem Kopf kein Platz ist für etwas derartig unwichtiges, wie der Inhalt eines Buches. Sei es noch so spannend oder lehrreich. Schließlich müsste ich für das Wissen dieses Buches, einen anderen Gedanken oder eine Erinnerung zurück stellen. Doch auch wenn ich es des Öfteren probiert habe, so war mein Vorhaben nie mit Erfolg gesegnet. Ich weiß selbst am besten, dass mein gesamtes Denken nur von einer einzigen Person eingenommen ist. Du ganz allein befindest dich in meinem Kopf und so sehr ich auch versuche dich daraus zu verbannen, so sehr klammere ich mich auch an dich. Du, dem ich alles geschenkt habe. Mein Vertrauen, meine Freundschaft, meine Liebe, meinen Geist, meinen Körper und mein Herz. Und trotzdem bin ich allein. Trotzdem sitze ich seit fast 10 Stunden allein in unserem großen Haus und warte. Warte darauf, dass du genug Spaß mit deinen Freunden hattest und wieder nach Hause kommst. Zu mir. Alles in mir erwartet deine Ankunft sehnsüchtig. Ich warte darauf, endlich wieder in deine Augen sehen zu können, seien sie auch noch vom Alkohol trüb und glasig. Ich warte darauf, deine Stimme zu hören, sei sie auch rau und kratzig von einer Nacht voller Lachen. Ich warte darauf, dich endlich wieder berühren zu können, sei dein Körper auch verschwitzt vom Tanzen. Auf all das muss ich warten, denn du willst mich ja nicht dabei haben. Ich weiß es. Erkenne es in deinen Augen, wenn du mir deine Pläne für den Abend mitteilst. Höre es an deiner Stimmlage, wenn du mir sagst, du triffst dich mit deinem besten Freund. Sehe es an deiner Schrift, wenn du mir nur einen Zettel hinterlassen hast. Du selbst weißt nichts von meinem Wissen. Habe ich es dir doch nie erzählt. So weiß ich doch genau, du würdest es abstreiten. Du würdest wütend werden, wenn du glaubst, ich vertraue dir nicht. Es würde Streit geben, den ich verlieren würde, egal wie er endet. Schließlich bin ich es immer, die leiden muss. Ich würde wieder zerstört in meinem Zimmer sitzen, während du deinen Frust mit Alkohol ertränkst und später ein anderes Mädchen mit nach Hause bringst, in der Hoffnung ich würde es nicht merken. Doch ich merke es immer. Jedes verdammte Mal! Und wieder schimpfe ich mich selbst einen Idioten. Wieso lasse ich mir das gefallen? Wieso tue ich mir das alles an? Doch noch bevor ich diese Gedanken zu Ende gefasst habe, kenne ich die Antwort schon. Weil ich dich Liebe. Manchmal wünsche ich mir, ich wäre dir nie begegnet. Wünschte, ich hätte mein Herz nie an jemanden verschenkt, der es so mit Füßen tritt und dem meine Liebe anscheinend so wenig bedeutet. Doch jedes Mal, wenn ich dich sehe, wenn du mir schwörst, du liebst mich ganz allein und du würdest in jeder Nacht, in der du nicht bei mir sein kannst, jede Minute nur an mich denken, glaube ich dir. Mein Herz glaubt dir, auch wenn mein Verstand mir mitzuteilen versucht, dass das alles eine große Lüge ist. Doch mein Herz weigert sich auf meinen Verstand zu hören, auch wenn es besser für es sein würde. Nein, mein Herz blüht unter deinen Worten auf, fühlt sich geliebt und verzeiht dir all die einsamen Nächte, in denen ich so nah am Abgrund stand. Es bildet sich ein, jetzt würde alles besser werden. Du würdest bei mir bleiben. Die Hoffnung erfüllt mein kleines Herz und trotzdem wird es nur wieder enttäuscht. Es muss immer wieder einsehen, dass es dir nicht wichtig genug ist, damit du dich um es sorgst. Und dann kommst du wieder. Ich höre es noch bevor ich dich sehe. Höre dein schallendes Lachen, wie es in das Gelächter deiner Freunde miteinstimmt. Auch wenn ihr noch mehrere Meter von unserem Haus entfernt seid, so trägt der kalte Wind eure Stimmen durch das offene Fenster über meinem Schreibtisch direkt zu mir. Mit einem Schlag bin ich wieder hellwach. Selbst nach einer schlaflosen Nacht, reicht deine Ankunft allein, um alle Müdigkeit aus mir zu vertreiben. Langsam wende ich meinen Blick von meinem Buch ab und richte ihn erwartungsvoll auf die Straßenecke, hinter der ich dich vermute. Und noch vor allen Anderen sehe ich dich, suche deinen Blick. Doch du bemerkst mich nicht, bist viel zu sehr auf deine Freunde fokussiert, die allesamt ziemlich angetrunken zu sein scheinen. Du scheinst noch der Nüchternste von ihnen zu sein, auch wenn ich weiß, dass du am meisten getrunken hast. Dem verführerischen Genuss von Alkohol konntest du noch nie widerstehen, auch wenn ich dich schon 100 mal gebeten habe, weniger zu trinken. Du weißt, ich hasse den Geruch von Alkohol und trotzdem sind es die Nächte in denen du getrunken hast, in denen du dich zu mir ins Zimmer legst, meine Nähe wünschst und mir ins Ohr flüsterst, wie viel ich dir bedeute. Ganz in dem Wissen, dass es dann um mich geschehen ist, egal wie stark mein Wille vorher gewesen sein sollte, wütend auf dich zu sein. Diese Wut spare ich mir auf. Speichere sie um sie gegen mich zu richten wenn ich am nächsten Morgen aufwache und du bist weg. Weg ohne eine Nachricht zu hinterlassen, wo du bist und wann du wieder kommst. Und jedes Mal folgt auf die Hoffnungslosigkeit und die Verzweiflung die Wut. Sie kommt immer. Nie hat sie mich vergessen. Sie kommt um mich von Innen zu zerfressen. Sie bleibt, um mich zu bestrafen. Und sie geht erst, wenn ich mich selbst bestraft habe. Erst, wenn mein Körper das bekommen hat, was er sich wegen seiner Schwäche verdient hat, erst dann verschwindet sie wieder und macht den Schmerzen platz. Den körperlich aber vor allem den Schmerzen, die sich tief in meiner Seele befinden. Die Schmerzen, die nur eine einzige Person auf der Welt stillen kann. Doch diese Person ist fort. Und sie wird erst wieder kommen, wenn ich die Schmerzen bereits verdrängen konnte. Dann bleibst du bei mir, beginnst die klaffenden Wunden zu verschließen nur damit sie wieder aufreißen können, sobald du wieder gehst. Und du wirst gehen, das wissen wir beide. Doch in dem Moment, in dem ich höre, wie du die Haustüre aufschließt und unser gemeinsames Haus betrittst, ist es mir egal ob du gehen wirst. Wichtig ist in diesem Moment nur, dass du da bist. Ich möchte aufspringen, dir entgegen laufen und dir sagen, wie sehr ich dich vermisst habe. Doch ich halte mich zurück. Klammere mich förmlich an das Buch vor mir. Ich konzentriere mich darauf, was mein Verstand mir sagt. Ignoriere das Verlangen dich zu sehen, zu hören, zu spüren. Denke nur noch daran, was ich mir mitten in der Nacht, mit einem Blick auf den vollen Mond, geschworen habe. Heute wollte ich stark sein. Heute wollte ich mir und auch dir beweisen, dass ich keine Marionette bin, die du zu lenken weißt. Ich kann hören, wie du am Fuß unserer Treppe innegehalten hast, ganz so als würdest du darauf warten, dass ich dir strahlend entgegen komme. Doch heute nicht! Als hättest du meinen Gedanken gelesen, setzt du deinen Weg fort. Steigst die Treppe hoch, ganz ohne Rücksicht auf deine Lautstärke. Für einen kurzen Moment kommt mir der Gedanke, du wolltest auf dich aufmerksam machen. Wolltest, dass ich aufwache um dich zu begrüßen. Fast, als sehntest du dich nach mir... Doch kurz bevor ich wirklich aufspringe, kommt ein neuer Gedanke in mir auf. Ich kann die Stimme meiner besten Freundin noch ganz deutlich hören, ganz so, als säße sie neben mir: „Er braucht dich. Er benötigt die Aufmerksamkeit die du ihm schenkst, damit er sich besser fühlt. Du darfst ihm diese Aufmerksamkeit nicht zuteil werden lassen! Sonst nutzt er dich nur aus.“ Damals hatte ich meine Freundin nur bestürzt angesehen und den Kopf geschüttelt. Heute, wo die Wut bereits vor der Verzweiflung kam, sehe ich die Wahrheit in ihren Worten. Ich bleibe wo ich bin und warte. Höre wie deine Schritte vor meiner Zimmertür verebben. Schneller als nötig wird diese aufgestoßen. Ich zucke merklich zusammen, bewege mich aber nicht vom Fleck. Warte. Lausche. „Schatz?“ Deine Stimme klingt verwirrt und trotzdem bilde ich mir ein, das Wissen, die Macht über mich zu haben, mitschwingen zu hören. Wut steigt in mir auf. Wut über meine eigene Dummheit. Doch dieses Mal ist noch etwas anderes dabei. Dieses Mal, richtet sich nicht all meine Wut auf mich. Auch dich trifft Schuld an meiner Situation. Ich merke wie ich beginne zu zittern doch es ist mir egal. Meine Konzentration liegt auf dir. Was wirst du tun? Als wäre alles in bester Ordnung setzt du dich in Bewegung und lässt dich genau wie sonst auch, einfach auf mein Bett fallen. Doch es ist nicht in bester Ordnung!  Merkst du das denn nicht? Noch immer trägst du deine Straßenkleidung, das merke ich auch ohne dich ansehen zu müssen. Der Geruch nach Zigarettenrauch, Alkohol und Schweiß hängt an ihr. Die Wucht mit der dieser Gestank mich trifft, ist wie eine Ohrfeige. Es schmerzt zu wissen, dass es dir egal ist, wie sehr ich diesen Geruch verabscheue. Es schmerzt zu sehen, wie wenig dir mein Wohlbefinden bedeutet, wo ich doch alles für deines aufgeben würde. „Na Süße, wie war dein Abend?“ Ich beiße mir kräftig auf die Lippe als ich deine Frage höre. Abend? Bereits die ganze Nacht sitze ich hier und warte auf dich! Ich reiße mich zusammen, dir das nicht ins Gesicht zu schreien. Stattdessen murmele ich nur ein kurzes „Nett“ ohne von meinem Buch aufzusehen. Kurze Zeit herrscht Stille zwischen uns. Ich kann nicht widerstehen, werfe dir trotz aller Ermahnungen meiner Selbst einen flüchtigen Blick zu. Doch es reicht, um jedes Detail von dir aufzunehmen und abzuspeichern. Etwas, das mir die ganze Nacht mit kaum einem Wort aus meinem Buch gelungen ist. Du liegst mitten auf meinem Bett, die Arme hinter deinem Kopf verschränkt. Du siehst in den engen schwarzen Jeans und dem lässigen roten Hemd einfach unverschämt gut aus. Und du weißt das. Dein Blick ist erwartungsvoll auf mich gerichtet. Ohne darüber nachzudenken, erfülle ich deinen stummen Wunsch: „Und deiner?“ Ich kenne die Antwort schon. Ich will sie nicht hören. Ich weiß, sie wird mich verletzten,  die Wut in meinem Inneren ersticken. Ersticken unter einem Berg aus Verzweiflung und Schmerzen, so wie ich es bereits gewöhnt bin. „Ein unglaublicher Abend war das! Ich hatte jede Menge Spaß! Ich wünschte nur, du wärst dabei gewesen.“ Ich sollte Recht behalten. Der Schmerz kam, genau wie ich es voraus gesehen hatte. Doch wider aller Erwartungen blieb die Wut. Sie wurde geschürt wie ein loderndes Feuer von der Dreistigkeit deiner Antwort. Ich weiß genau, dass du mich nicht dabei haben willst. Du wolltest mich noch nie dabei haben. Kein einziges Mal hattest du mich gefragt, ob ich mit wollte. Immer erst wenn du wieder nach Hause kamst, wurde dir dein Fehler anscheinend bewusst. Und ich habe dir immer geglaubt. Jedes Mal! Doch dieses Mal nicht. Heute würde ich dir nicht einfach so verzeihen, was du mir angetan hast. Doch noch fehlt mir der Mut. Noch überragt die Liebe einfach die Vernunft, die sich so mühsam vorzudringen versucht. Ich blicke stur auf mein Buch, kann deine Verwunderung förmlich spüren. Noch nie war ich so kalt zu dir. Noch nie habe ich so wenige Interesse gezeigt. Und plötzlich tust du mir leid. Ich will dich in die Arme nehmen und trösten. Möchte dir sagen, dass es mir Leid tut. Dass ich dich liebe. Doch irgendetwas hält mich davon ab. „Schatz, komm ins Bett. Du kannst auch noch nachher weiter lesen.“ Als ich dieses Mal meinen Blick auf dich richte, bleibe ich standhaft. Ich zwinge mich, dich mit all der Kälte anzusehen, die ich aufbringen kann. Auch du scheinst das zu bemerken. „Hey, bist du etwa sauer auf mich?“ Ich bemerke wie die Kälte in meinem Blick dem Erstaunen weicht. Eine so überflüssige -und vor allem dumme Frage- habe ich nicht von dir erwartet. Damit du die Veränderung in meinem Blick nicht sehen kannst, drehe ich meinen Kopf weg. Sehe aus dem Fenster. Du sollst nicht denken, ich würde schon wieder schwach werden. Du sollst nicht sehen, wie nah ich daran bin, meine Wut auf dich zu verdrängen und sie später wieder gegen mich selbst zu richten. „Also ja...“, erklingt deine Stimme von meinem Bett. Du klingst genervt. Ich höre, wie du dich seufzend aufrichtest und als ich wieder zu dir sehe ist dein Blick ungeduldig auf mich gerichtet. Du wartest darauf, dass ich dir sage was los ist. Du wartest darauf, dass ich wütend werde. Du wartest darauf, weil du weißt, dass es mir dann leid tun wird. Wir hatten dieses Thema viel zu oft. Damals, am Anfang unserer Beziehung. Damals, als ich wenigstens noch etwas Ich selbst war. Doch dieses Mal wartest du umsonst: „Wenn du nicht weißt warum, tut es mir Leid für dich.“ Nein um mich! Es tut mir so Leid um mich! Bitte verzeih mir! Ich höre wie mein Herz schreit, doch ich beachte es nicht. „Du kannst doch nicht sauer sein, weil ich mit ein paar Freunden unterwegs war! Ich bitte dich, was bist du? Meine Mutter?!“ Ich spüre die Wut in mir. Spüre wie sie mächtiger wird, wie sie beginnt sich nach außen zu fressen. „Doch das kann ich!“ Meine Stimme ist kalt. Noch nie habe ich so mit dir geredet. Deine anfängliche Überraschung wandelt sich schnell in Empörung und noch viel schneller in Wut. Ich kann es in deinen Augen sehen. In den letzten 6 Jahren habe ich gelernt jede deiner Gefühlsregungen zu erkennen. Ich wollte mich auf deine Stimmung einstellen um dir alles recht zu machen. Doch heute nicht. Heute ist alles anderes. „Was willst du eigentlich von mir? Willst du, dass ich aufhöre meine Freunde zu sehen? Willst du mich hier einsperren und mir jeden Spaß verweigern? Ist das dein Ernst?!“ Ich weiß nicht ob der Alkohol aus dir spricht, oder ob ich zu weit gegangen bin. Doch heute ist es mir egal. Was morgen sein wird, ist jetzt nicht wichtig. Heute werde ich nicht die Verliererin sein! „Nein, das will ich nicht!“ Ich nehme nur am Rand war, wie mir Tränen über die Wangen laufen. Doch dieses Mal sind es keine Tränen der Schwäche. Aus diesen Tränen spricht die Wut! „Ich wünsche mir, dass du auch mit mir Spaß hast. Ich wünsche mir, dass du Zeit mit mir verbringst. Ich wünsche mir doch nur ein bisschen Aufmerksamkeit!“ „Was kann ich dafür, wenn du dich an mich klammerst? Such dir Freunde mit denen du etwas unternehmen kannst wie ich und sitzt nicht den ganzen Tag voller Selbstmitleid zu Hause!“ Ich kann nicht glauben was ich da höre. Ist das dein Ernst? „Verdammt, ich hatte Freunde! Ich hatte Familie! Aber du wolltest ja unbedingt mit mir hierher ziehen! Wegen dir habe ich alle verlassen! Und hier? Wie soll ich hier Freunde finden, wenn ich doch zu Hause sein muss, wenn du jeder Zeit von einem anstrengenden Tag nach Hause kommen kannst? Wo ich doch in dieser Zeit wenigstens etwas Aufmerksamkeit von dir bekomme?“ „Ach sei doch still! Du bekommst genug Aufmerksamkeit von mir, du weißt sie bloß nicht zu schätzen.“ Ein ganzer Sturzbach aus Tränen läuft über meine Wangen. „Ich weiß jede Minute zu schätzen, die du mir schenkst. Ich sauge sie auf wie ein Schwamm das Wasser, doch was fehlt, ist die Liebe in deiner Aufmerksamkeit! Du tust mir mit jeder Nacht mehr weh, in der du weg bist. Aber noch viel mehr tust du mir weh, wenn du da bist und das einzige, was du von mir willst ist Trost, wenn etwas nicht so gelaufen ist wie du wolltest. Oder jemand, an dem du deine Wut ablassen kannst. Oder du willst Sex, wenn du gerade niemand anderes auftreiben konntest! Weißt du wie weh mir das alles tut? Du verletzt mich mit deinem Verhalten mehr als alles andere es je könnte!“ Meine Wut hat der Verzweiflung platzt gemacht. Endlich konnte ich dir alles sagen, was ich sagen wollte. Doch ich hatte mir nie ausgemalt, wie weh es tun kann. Ich dachte immer, es befreit. Aber das tut es nicht. Es schmerzt. Die Wut ist auch aus deinen Augen verflogen. Purer Selbsthass spiegelt sich jetzt in ihnen. Hast du endlich verstanden was du mir antust? „Liebling... Ich wusste nicht... Ich dachte... Es tut mir Leid...“ Mit diesen Worten springst du auf und flüchtest aus dem Zimmer. Ich sehe dir nach. Was habe ich bloß getan? Warum konnte ich nicht still sein? Du wirst mir diesen Ausbruch nicht verzeihen. Du wirst mich hassen, mich verlassen. Und dann? Wie soll ich ohne dich weiter leben? Langsam öffne ich die oberste Schublade meines Schreibtisches. Nehme gar nicht war, wie meine Hand sich automatisch um den kühlen Griff des Jagdmessers legt. Erst als ich es vor mir sehe, wie es in meiner Hand liegt, beschienen von der aufgehenden Sonne. Erst dann begreife ich. Der einzige Ausweg, ist die Flucht. Die Flucht aus diesem Leben, dass mir so viel Leid gebracht hat. Doch noch zögere ich. Ist das kein Zeichen der Schwäche? Wollte ich heute nicht stark sein? Leicht schüttele ich den Kopf. Ich wollte heute auch keine Verliererin sein und doch habe ich heute mehr verloren, als in meinem ganzen Leben zusammen. Ich habe dich verloren. Und dann höre ich die Haustüre ins Schloss fallen. Du bist gegangen. Und damit steht mein Entschluss fest. Ich betrachte das Jagdmesser genauer. Du hast es mir geschenkt. Zum Schutz. Welche Ironie. Die Waffe, die du für mich als Schutz gedacht hattest, würde meinem Leben heute ein Ende setzten. Von meinem Fenster aus sehe ich, wie du den schmalen Weg durch unseren Vorgarten gehst. Und plötzlich spüre ich die kalte Messerspitze durch mein dünnes Nachthemd genau an der Stelle, an der eigentlich mein Herz sitzen müsste. Doch ich bin mir sicher, falls ich das Messer genau an dieser Stelle ansetzten sollte, würde ich kein Herz finden. Denn mein Herz ist bei dir. Egal wo du bist. Egal wie weh du mir getan hast. Mein Herz folgt dir überall hin. Ich sehe, wie du auf die Straße trittst und den Weg einschlägst, den du gekommen bist. Den Weg zu den Clubs, in denen du dich noch in den frühen Morgenstunden weiter betrinken kannst und in denen du ein anderes Mädchen finden kannst. Eines, dass du verdient hast. Ich setzte die scharfe Klinge an mein Handgelenk. Zögere. Doch als ich sicher bin, dass du dich nicht mehr umdrehen wirst, drücke ich zu. Spüre, wie sich die kalte Klinge in mein Fleisch bohrt. Spüre den Schmerz, fühle mich gut. Der Schmerz in meiner Hand, nimmt mir den in meiner Seele. Ich übe mehr Druck auf das Messer aus. Spüre, wie das warme Blut über mein Handgelenk fließt. Reiße das Messer nach hinten und schiebe es mit aller Kraft immer tiefer in mein Fleisch. Ich merke, wie mich mit dem Blut auch die Kraft verlässt. Und plötzlich drehst du dich um. Schaust nach oben. Zu mir. Unsere Blicke treffen sich. Mit letzter Kraft murmle ich ein allerletztes „Ich liebe dich“ und weiß, es ist die Wahrheit. Ich habe nie einen anderen geliebt und ich werde es jetzt auch nicht mehr können. Dann schließe ich die Augen. Ich bemerke, wie ich nicht mehr die Kraft habe, mich auf dem Stuhl zu halten. „Ich bin schon wieder die Verliererin...“ Ein letzter Gedanke. Wie ich auf dem Boden aufschlage spüre ich bereits nicht mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)