Catch you if I can. von Jessa_ ([Itachi/Sasuke- Centric]) ================================================================================ Kapitel 3: how people do what they consider to be right. -------------------------------------------------------- Kapitel 3: how people do what they consider to be right. In any moment of decision, the best thing you can do is the right thing, the next best thing is the wrong thing, and the worst thing you can do is nothing. - Theodore Roosevelt Das letzte Mal hatte Itachi an Shizunes großen Tisch im Wohnzimmer gegessen, als sie das Curry gemacht hatte; an dem Tag, an dem sie auf Sasuke aufgepasst hatte. An dem Tag, an dem er raus ging, um ihm und ihr Zeit zu gönnen und um selber frische Luft zu schnappen. An dem Tag, an dem er in dieser Gasse von diesem Arschloch vergewaltigt wurde. Von dem Arschloch, das schon zuvor Sasukes Leben zerstört hatte. Heute saß nicht der verschüchterte und ruhige Sasuke mit ihm an diesem Tisch. Heute war neben Shizune, die ihn anlächelte, eine Gruppe Mädchen mit am Tisch, von denen ein Drittel eindeutig einen Kater hatte und mit brummendem Schädel am späten Frühstück saß. Die Blondine hatte wohl zu tief ins Glas geschaut; zu hart gefeiert. Er schaute auf die Teenager, wollte verstehen, was ihn an Sasuke – der ja auch ein Teenager war – so fasziniert hatte. Ob sich seine ganze Sorge und die Freundschaft die sie beide aufgebaut hatten nur darauf bezog, dass er für Sasuke eine Stütze sein wollte, da er wusste, was diesem zugestoßen war. Deswegen beobachtete Itachi in letzter Zeit eigentlich gerne Teenager. Und je mehr er das tat, glaubte er, es lag nicht nur an Sasukes Vergangenheit, warum er diesen jungen Kerl so gut leiden konnte. Viel mehr lag es daran, dass Itachi ein wenig hinter die traurige Schale schauen konnte, ein wenig hinein in den Sasuke, der einst darunter gelebt hatte. Auf einen aufgeweckten, intelligenten Jungen, der seinen Vater geliebt hatte und der einmal großen Spaß am Leben hatte haben können. Aber auch daran lag es nicht ganz. Am meisten lag es daran, dass Sasuke ihm einfach eine Chance gegeben hat. Itachi war nie ein großer Redner gewesen; nie jemand der sie gut um andere hatte kümmern können, aber durch Sasuke hatte Itachi sich selbst neu entdecken können und er hatte Seiten an sich kennen gelernt, die ihm unheimlich gefielen. Itachi mochte es, sich um Sasuke zu kümmern; er hatte ihn gerne bei sich gehabt, um sich herum. Genau konnte Itachi also gar nicht sagen, woran es lag, dass Sasuke der erste Teenager war, der Itachi berührt hatte, mit den Dingen die er gesagt und getan hat. Nie würde Itachi vergessen, wie er sich durch Sasuke gefühlt hat. Gebraucht. Gebraucht hatte er sich gefühlt. „Ich fühl’ mich so platt“, jammerte die Blonde, die am gestrigen Abend noch so enthusiastisch gewesen war. Wie war das noch mal gewesen? Der Abend musste einfach toll werden, genau. Der Morgen danach wohl nicht so. Itachi musste ein Grinsen unterdrücken. Er hatte als Jugendlicher auch den ein oder anderen schlimmen Kater gehabt. Itachi sah, wie Shizunes kleine Schwester Sakura ihre beste Freundin ein wenig umsorgte; ihr Saft eingoss und sogar ein Brötchen schmierte, obwohl sie wohl ein bisschen zu viel über den Durst getrunken hatte. Itachi hatte wach im Bett gelegen, Sasukes letzte SMS noch ein weiteres Mal gelesen und dabei gehört wie die Tür aufging. Es waren zwei paar hochhackige Schuhe gewesen, die unsicher getorkelt waren, eindeutig und zwei laute, stark angetrunkene Mädchenstimmen und eine, die sie sicher ins Gästezimmer bringen wollte. Das war TenTen gewesen, die Itachi auch schon am vergangenen Abend so verantwortungsbewusst vorgekommen war. Und TenTen saß nun grinsend am Tisch und verspeiste ein Nutellabrötchen. „Wir sollten uns ein Beispiel an Hinata und TenTen nehmen, huh?“, sagte Sakura nach einiger Zeit und kicherte ein bisschen. Sie schob ihrer blonden Freundin das Brötchen zu und machte sich selbst eines. „Pah“, machte die Blonde müde. „Hinata würde nichts vertragen und TenTen, du trinkst doch nur wegen Neji nicht. Weil der tooolle Neji das nicht haben will.“ „Sei ruhig, Ino“, zischte Sakura und stieß der Blondine in die Seite, doch es war TenTen die deren Sprüche locker abtat: „Ich trinke nicht, weil ich nicht trinken will. Neji und ich sind da nur einer Meinung. Und du Ino“, - TenTen Stimme wurde ein wenig schärfer – „solltest keine Urteile über meinen Freund fällen.“ Itachi kam nicht mehr mit. Mädchengezicke, schrecklich. Er lehnte sich zurück, trank einen Schluck Kaffee und erinnerte sich zurück an die erholsamen Frühstücke, die er gemeinsam mit Sasuke verbracht hatte. Er hatte sich immer gefreut, wenn er Junge was erzählt hatte und am Ende sich die Dinge, die er vom Frühstückstisch essen wollte, auch selber nahm, ohne ihn jedes Mal fragend anzusehen. Itachi war dann nicht einsam, aber auch nicht von Sasuke genervt gewesen. Es hatte ihn nicht gestört, wenn Sasuke so unsicher war, weil Itachi wusste, dass er da nie was für gekonnt hatte. Nein, Sasuke war nie nervig gewesen. Itachi trank noch einen Schluck Kaffee und stand dann auf. „Wo gehst du hin?“, fragte Shizune. Itachi fuhr sich kurz durch die Haare und meinte dann: „Bin `ne Runde joggen.“ „In den Klamotten?“ Shizunes Stimme war zweifelnd, die Aufmerksamkeit der Mädels hatten sie nicht – die waren miteinander beschäftigt. „Ne, geh mir noch was anderes anziehen Zuhause.“ „Wann bist du wieder da?“ Itachi mute sich zwingen nicht genervt aufzuseufzen. Die konnte Fragen stellen. „Weiß nicht, ein, zwei Stunden oder so. Bis nachher.“ Er küsste seine Freundin flüchtig auf den Mund, nickte den Mädchen zum Abschied zu, verschwand in den Flur und zog seine Schuhe an, bevor er zu seiner Wohnung fuhr, dort Sportsachen anzog und sein Iphone schnappte, es in die Hosentasche steckte und die Ohrstöpsel in die Ohren. Er musste seinen Kopf freikriegen, unbedingt. Die Luft war frisch, eigentlich ein wenig zu kalt zum joggen für seinen Geschmack, aber es ging und er wollte sich ja nicht beschweren. Sasuke hatte lange bei solchen Temperaturen draußen schlafen müssen; leben müssen. Er seufzte im Laufen. Immerzu dachte er an Sasuke. Der Junge hatte seine Gedanken eingenommen und Itachi vermisste ihn. Er vermisste es gebraucht zu werden und er sorgte sich, dass es Sasuke dort, wo er war, doch nicht so gut ging, wie er tat. Das Sasuke nur den Starken spielte, um ihm keine Sorgen zu machen. Itachi beschleunigte sein Tempo. Frische Luft und das Laufen hatten ihn eigentlich immer beruhigt. Nach einem der elenden Modeljobs waren lange Laufstrecken immer sein Ausgleich gewesen. Er hatte sich dann am Abend gefreut, wenn er beinahe hundemüde ins Bett gefallen war. In der Zeit wo Sasuke bei ihm gewesen war – wieder Sasuke, immerzu Sasuke – hatte er nicht joggen gehen müssen. Klar, manchmal hatte er Lust dazu gehabt, aber er hatte auch einfach andere Sorgen. Er glaubte, wenn er es wirklich hinbekommen hätte, dass Sasuke bei ihm hätte einziehen können – also, dass sie sich eine neue Wohnung gesucht hätten, dann hätte er sicherlich wieder Laufen gehen können, um es zu genießen, abends todmüde ins Bett zu fallen, aber das konnte er jetzt nicht ausprobieren; nicht mal mit Sicherheit sagen, denn er und Sasuke hatten nie die Möglichkeit bekommen, es zusammen zu probieren. In einer gemeinsamen Wohnung. Itachi seufzte erneut. Seit wann seufzt man beim Joggen? Egal, er schüttelte den Kopf zu sich selber, machte wieder ein bisschen langsamer, weil er sonst bald aus der Puste wäre, und grübelte weiter, weil er es nicht abstellen konnte. ~~ Sie hatten gut gegessen – ein frisches Krautgericht nach deutschem Rezept, meinte seine Großmutter, die sich mal wieder selbst übertroffen hatte. Sie konnte sehr gut kochen, dass hatte Sasuke in den letzten Wochen schon des Öfteren bemerkt, aber sie kochte häufig nur Gemüse in allen möglichen Variationen mit ein bisschen Fleisch oder Kartoffeln. Es war schon ein Unterschied zu dem was Itachi gekocht hatte. Bei dem gab es auch mal Nudeln, Aufläufe oder Pizza, ungesunde Dinge. Aber das war Sasuke eigentlich auch irgendwie egal. Er war immer noch, obwohl er jetzt schon ein paar Wochen bei seinen Großeltern lebte, froh über jede warme Mahlzeit, auch wenn es am Tisch nie sehr fröhlich zuging. Daiki war immer noch häufig betrunken, auch dieses Mal wieder und saß deswegen mit unbewegter Miene am Tisch, während Anko ihrem Vater, der noch immer krank war, das Essen hochbrachte, und Sasukes Großmutter den Tisch abräumte. Sie stellte das Geschirr in die Spüle, ehe Sasuke auch aufstand und zu seiner Oma ging, die das frische Krautgemüse in eine Tupperdose füllte. Sasuke lies seine Hände in das Schaumwasser gleiten, wischte mit dem Schwamm über einen Teller, denn er dann auf die Metallplatte legte, um es später abzutrocknen. Während er in seinem Tun weitermachte, blickte er kurz zu seiner Großmutter, die ihn zweifelnd ansah. „Du musst doch nicht immer abwaschen“, sagte sie und kam näher, um ihm die Arbeit abzunehmen, doch er schüttelte nur leicht mit dem Kopf und murmelte: „Ist doch… keine große Sache.“ „Na, gut.“ Die Stimme seiner Oma war zögerlich, ehe sie sich auch einen Lappen nahm, um über den Tisch zu wischen, an dem Daiki noch saß. Dieser nahm zunächst nur seine Arme von der Tischplatte, bevor er aufstand und, mit dem bedauernden Blick seiner Großmutter im Rücken, ins Wohnzimmer schlürfte. Sasuke wusste, dass es seiner Großmutter nicht sonderlich gefiel, dass er so viel im Haushalt mithalf. Über ein bisschen Hilfe war sie froh, vor allem da ihre eigenen Kinder kaum einen Finger rührten, aber Sasuke machte ihrer Meinung nach zu viel und dass wusste er, aber er war seinerseits der Meinung, solange sie es ihm nicht verbot, konnte er ihr so Arbeit abnehmen. Er könnte sich auch nach jedem Essen auf sein Zimmer verziehen und Musik hören oder sonst was machen, aber er half gerne. Nur so konnte er sich ein wenig erkenntlich dafür zeigen, dass er nun ein eigenes Zimmer und jeden Mittag, wenn er aus der Schule kam, was Warmes zum Essen hatte. Sasuke nahm sich den Topf vom Herd und spülte auch den sorgfältig, bevor er diesen zuerst abtrocknete und in den Küchenschrank räumte. Er ging nicht gerne an die Schränke. Nur wenn er sich was zutrinken nahm oder eben Dinge einräumte. Ganz selten nahm er sich eine Kleinigkeit aus dem Kühlschrank oder dem Schrank mit den Süßigkeiten; er fühlte sich einfach auch noch längst nicht heimisch genug hier, um das zu tun. Sasuke ging zurück zu dem Spülzeug, trocknete schweigend ab, ehe seiner Großmutter, die mit dem Abwischen des Tisches fertig war, zu ihm trat und interessiert fragte: „Wie war es denn gestern bei deinen Klassenkameraden?“ „… Gut“, murmelte Sasuke leise, war immer noch kein Meister im Führen von Unterhaltungen geworden und bezweifelte dass sich das in naher Zukunft ändern würde. „Möchtest du mir was über sie erzählen?“ Eigentlich wollte Sasuke nicht. Er stellte die letzten Teller in den Hängeschrank und wischte sich die Hände trocken, bevor er sich umdrehte und zu seiner Oma blickte. Aber dass konnte er ihr doch nicht sagen. Ein wenig musste er also erzählen, auch wenn er sich dabei nie besonders gut fühlte. „Sie heißen… Karin, Suigetsu und Juugo und sind… nun ja 16 Jahre. Sie sind… ziemlich nett und…“ „Das ist schön, wenn du dich gut mit ihnen verstehst“, fügte seine Großmutter ein und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer um dort ein wenig Staub zu wischen. Auf dien dunklen Möbeln sammelte sich dieser schnell an. Sasuke ging ihr hinterher, weil er sich irgendwie ziemlich verloren fühlte, allein in der Küche stehen zu bleiben. Er setzte sich mit ein wenig Abstand neben seinen Onkel, der Fußball schaute, auf das Sofa und bot nach einigen Momenten der Stille an: „Ich kann… dir helfen.“ Seine Oma, die gerade über eine Kommode strich, schüttelte nur den Kopf und meinte: „Schau ruhig ein wenig Fernsehen. Ich bin bald fertig.“ Sasuke nickte ergeben und blickte zu dem alten Fernsehgerät. Er mochte Sport nicht besonders. Weder wenn er es selber machte, noch wenn er es im Fernsehen ansah. Schon am Montag hatte er das erste Mal Schulsport. Er haderte ein wenig mit sich, ob er es schaffen konnte, sich vor den anderen Jungs in der Umkleide umzuziehen, ohne sich dämlich zu benehmen, aber das musste einfach klappen, sonst würden sie ihn sicherlich auslachen und verspotten, wenn er sich wie ein schüchternes Mädchen anstellte und sich nicht traute, Hose und Oberteil zu wechseln, während die anderen zusahen. Darauf konnte er eindeutig verzichten; er wollte in der Schule nicht als der komische Neue dastehen. Er wollte einfach so gut wie möglich gar nicht auffallen. Vor allem nicht negativ auffallen. Es war Sasuke anzumerken, dass er sich unwohl – vielleicht gelangweilt – fühlte; ihm anzusehen, dass er Sport nicht ansehen mochte. Doch Daiki wollte das spiel sehen. Wäre er nicht betrunken, hätte er sicherlich für seinen Neffen umgeschaltet, doch daran dachte er nun nicht. Sasuke den Fußball dennoch nicht aufzwingen wollend, entschied er mit dem Alkohol im Kopf naiv Sasuke einen anderen Vorschlag zu machen. Ohne zu lallen, weil er den Zustand des Betrunkenseins soweit schon gewohnt war, sagte er: „Möchtest du nicht etwas rausgehen und die Gegen angucken, Sasuke? Seit du hier bist hast du noch nicht viel davon gesehen.“ Es sollt gewiss kein Vorwurf an Sasuke sein, lediglich ein Vorschlag über den er nicht besonders gut nachgedacht hatte, denn was sollte Sasuke auch allein da draußen, wo es außer ein paar Häusern, Bauernhöfen und viel Wald und Wiese nichts gab? Aber in den Ohren des Teenagers hörte es sich schon wie ein Vorwurf an. Ganz so als wollten seine Großeltern, die Tante und der Onkel – allgemein einfach die Familie – ihn nicht immer hier hocken haben. Er musste zustimmen, dass er oft, einfach nur still im Wohnzimmer gesessen hatte oder allein in seinem Zimmer. Er hatte versucht niemanden zu stören, niemanden auf die Nerven zu gehen, aber anscheinend hatte seine bloße Anwesenheit schon ein wenig gestört. Sasuke biss sich auf die Lippe und erhob sich, als sogar seine Oma dem Onkel zustimmte. Das sei doch eine schöne Idee, sagte sie und fügte an: „Wenn du willst kann ich gleich auf einen Spaziergang mitkommen.“ Doch Sasuke schüttelte den Kopf und blickte auf den Boden, während er leise sagte: „Nicht… nötig. Ich bin... dann ein wenig draußen.“ Sasuke biss sich weiterhin auf die Lippe, verschwand in sein Zimmer, zog eilig seine Chucks an. Nur weil sein Onkel betrunken war, hatte er jetzt so gesprochen, als sei Sasuke lästig gewesen, so wie er still dort gesessen hatte. Dabei hatte er gar nichts gemacht. Er hatte nichts gemacht. Er hatte seine Klappe gehalten und sich kaum bewegt. Sasuke schnappte sich seinen Ipod und die Jacke, die über dem Holzstuhl gehangen hat. Verdammt, er ließ seine Klamotten noch nicht mal im Flur, selbst den Schal nicht – der hing im Schrank. Er machte sich nützlich und er war doch auch nicht der gewesen, der darum gebeten hatte, herzukommen und hier zu wohnen. Seine Lippe endlich in Ruhe lassend, wischte Sasuke sich fahrig über die Augen. Er würde jetzt nicht heulen, ganz sicher nicht. Sasuke steckte noch schnell den Schlüssel ein, den seine Großmutter ihm vor ein paar Tagen gegeben hatte und ging durch den Flur nach draußen. Die frische Luft brachte Ruhe in seine Gedanken, doch die schlechten Gefühle die aufkommen wollten, weil er wieder glaubte, nicht das recht zu haben innerlich wütend zu sein, verdrängte er. Er steckte die Ohrstöpsel ein, wählte ein Lied aus und lies den Ipod dann in der Hosentasche verschwinden, während er sich seinen Weg den Bürgersteig hoch bahnte. Das nächste Haus lag schon einige Meter entfernt von dem seiner Großeltern. Es war ein alter Bauernhof, hinter dem eine große Weide war, auf der ein paar Kühe standen. Sehr ländlich die Gegend, er hatte Glück, dass hier ein Schulbus fuhr. Sasuke wandte sich an einer Abzweigung ab, merkte sich den Weg, um auch wieder zurückzufinden und ging um die Weide herum, einen kurzen Feldweg lang und wieder an der Ecke einen Steinweg wieder seitwärts, sodass er nach etwa einer halben Stunde, in der er an Weiden mit Pferden und einem kleinen Teich vorbeigekommen war, wieder an bewohnten Häusern vorbei kam und glaubte, nun nicht mehr weit vom Haus seiner Großeltern entfernt zu sein. Aber er wollte noch nicht zurück, weswegen er, kurz vor deren Haus, eine andere Abzweigung nahm und am Wald vorbei auf dem Bürgersteig ging. Auf einer Bank vor einem alten Haus saß ein Mann und rauchte, während er mit einem anderen sprach, der am Gartenzaun stand. Ansonsten war wenig Leben auf den Straßen und nur ganz selten fuhr ein Auto. Ihm waren nur ein paar Leute mit ihren Hunden entgegengekommen und auf dem Rückweg zum Haus eine Frau mit Kinderwagen und einem zweiten Kind – so um die drei oder vier – das mit dem Dreirad voran fuhr. Sasuke musste, als er die letzte, kurze Runde drehte, bevor er zurück zum Haus seiner Großeltern gehen würde, unweigerlich an Weihnachten denken. An Itachi und an seine Familie, die ihn ohne weiteres akzeptiert hatte. Allen voran, neben Itachi natürlich, dessen Mutter, die ihn so gut behandelt hatte und das obwohl sie alles wusste. Sasuke musste an die Kinder denken, die so fröhlich durch das große Haus gelaufen waren. An lachende Männer musste er denken, an Itachis älteren Cousin, der getrunken hatte, um lustig zu sein. Er dachte zurück an diese Familie und konnte sich nicht erklären warum, aber Itachi und eben diese Menschen, waren für ihn in diesem Moment mehr eine Familie gewesen, als seine eigene nun. Schwachsinn, dachte er dann, du kanntest sie nicht einmal richtig und bezeichnest sie als eine Art Familie. Das war reiner Schwachsinn. Sei nicht dumm, sagte er sich. Aber auch wenn er das immer wieder in Gedanken wiederholte, konnte er nicht ändern, dass er in diesem Augenblick die Zeit bis Weihnachten zurückdrehen wollte. Er wollte wieder bei dieser Familie sein, wieder bei Itachi. Ja, er wollte in diesem Moment nirgendwo lieber sein als bei Itachi Uchiha. Er fragte sich seinerseits aber auch, wo Itachi gerade war; was er gerade tat. Das fragte Sasuke sich öfters. Er wollte, wenn er ganz ehrlich zu sich selber war, an Itachis Leben teilhaben und das konnte er von so weit weg einfach nicht, dabei vermisste er ihn wirklich. Es war nicht mal so sehr die Wohnung, in der Sasuke hatte leben können. Es waren auch nicht so sehr die Dinge, die sie unternommen hatten, denn so viel war das ja gar nicht gewesen, weil Sasuke teilweise eben ziemlich krank gewesen war. Am meisten vermisste Sasuke einfach Itachis Gegenwart, weil er sich dann immer irgendwie sicher gefühlt hatte. Irgendwie sogar gewollter, als er sich momentan bei seinen Großeltern fühlte. ~~ Itachi hatte seine dreckige Sportwäsche bei Shizune in den Wäschekorb geschmissen, dort geduscht und sich für den Abend fertig gemacht, bevor er entschied, er solle mal Sasuke anrufen. Dass hatte er seit gestern Abend schon gewollt. Hören, ob alles in Ordnung war. Hören, ob Sasuke in Ordnung war. Itachi ging auf Socken ins Schlafzimmer, wo Shizune im BH vor ihrem Schrank stand und was zum Anziehen raus suchte. „Wann bist du wieder da?“, wollte sie leise wissen, zog ein weites T-Shirt aus dem Schrank und zog es über. Sie knöpfte ihre Jeans auf und schaute Itachi daraufhin an. „Weiß nicht. Spät“, antwortete er. „Kannst ruhig schon schlafen gehen.“ „Aber du kommst?“, fragte sie. „Auf jeden Fall?“ „Klar.“ Er ging näher, schob ihr Haar beiseite und drückte ihr einen Kuss in den Nacken. Er lies sich nach hinten aus Bett sinken, saß auf der Kante und schaute seiner Freundin aus dem Augenwinkel dabei zu, wie sie sich die Hose von den Beinen zog und dafür eine kurze Jogginghose aus dem Schrank nahm, diese anzog und sich dann auf seinen Schoß setzte. „Hast du Lust morgen Essen zu gehen?“, fragte sie und lehnte sich vor um Itachi auf den Mund zu küssen. Er erwiderte nur halbherzig, lehnte sich ein wenig zurück und stützte sich mit den Armen auf dem Bett ab. Itachi brummte zustimmend, sah in Shizunes lächelndes Gesicht und wunderte sich, wie leicht sie glücklich zu machen war. Sie wusste, dass er sie nicht annähernd so sehr liebte, wie sie ihn. Sie hatte in den Wochen, in denen sie nun als Paar galten, kein einziges Mal die drei besonderen Worte von ihm gehört. Er konnte ihr einfach nicht sagen, dass er sie liebte, weil es eben nicht gänzlich so war. Er hatte Verlangen nach ihr, genoss den Sex und die schönen Abende, die sie miteinander verbrachten und die ihn von der Einsamkeit ablenken, aber er liebte sie nicht. Und obwohl sie dass ahnte, gab sie sich mit dem zufrieden, was er geben konnte. Shizune würde Itachi in dem zustimmen, aber sie war froh, dass er es nicht aussprach. Sie spürte, dass er so fühlte. Auch jetzt wieder und dennoch lehnte sie sich erneut nach vorne und rang ihm einen Kuss ab. Sie wollte, dass Itachi der Mann war, mit dem sie sich ein Leben aufbauen konnte. Sie wollte, dass er lernte, sie zu lieben, weil sie ihm eine wirklich gute Freundin war. Weil sie eine Menge für ihn tun würde. Sie wusste, sie war die Richtige für ihn. Deswegen gab sie sich mit dem zufrieden, dass er zu geben bereit war. Erstmal. „Soll ich dir noch ein Taxi rufen, Schatz?“, fragte sie, konnte den Kosenamen nicht unterdrücken, als sie sich von seinem Schoß erhob. „Nicht nötig.“ Er stand ebenfalls auf, zog sein Handy aus der Tasche und ging damit ins Wohnzimmer, setzte sich auf das Sofa und wählte Sasukes Nummer. Bevor er ging, musste er unbedingt noch mit dem Jungen sprechen. ~~ Sasuke war lange draußen gewesen, es hatte schon begonnen zu dämmern, als er wieder nach Hause gekommen war, aber er wollte einfach nicht nerven, seiner Familie ein wenig Ruhe von ihm gönnen, doch noch bevor er die Haustür wieder geschlossen hatte, hatte seine Oma auch schon vor ihm gestanden und voller Sorge gefragt, wo er denn so lange gewesen sei; sie und Daiki hatten sich Sorgen gemacht. Sasuke hatte sich entschuldigt, aufrichtig; aber er hatte zunächst nicht glauben können, dass sein Onkel in Sorge um ihn gewesen war. Doch dieser saß zusammengesunken auf dem Sofa, als Sasuke ins Wohnzimmer kam. Der Fernseher war aus und Daiki sah ganz so aus, als würde er sich selbst Vorwürfe machen. Das verstand Sasuke nicht. Der einzige der hier was falsch machte, war er, indem er überhaupt hier lebte und seine Großeltern und die Geschwister seines Vaters belästigte. „Ich verkackter, versoffener Idiot hab dich rausgeschmissen“, brummte dieser zu sich selbst, schaute hoch und sah, wie Sasuke den Kopf schüttelte. „Nur wegen diesem unsinnigen Spiel. Verdammte Scheiße.“ Daikis Hand ballte sich zur Faust, er zitterte vor Wut auf sich selbst und stand dann ruckartig auf, womit er Sasuke erschreckte. Der Junge trat eilig zurück, fürchtete sich vor dem breiten Mann und merkte, dass er schon mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Beherrsch dich, sagte er sich innerlich, benimm dich normal. Benimm dich wie ein Jugendlicher, der keine Angst davor hat, zusammen geschlagen zu werden. Daiki konnte es sehen. Die Angst. Er sah Sasuke an, dass er furchtbare Angst hatte. Vor ihm, seinem eigenen Onkel, der ihm kein Haar gekrümmt hatte. Warum war das dann so? Gut, klar, er war gerade unsagbar wütend, er war ein breiter, recht muskulöser und großer Mann, aber er war auf sich selber wütend und er war nicht mehr betrunken. Er würde Sasuke nichts tun. Nichts. Und weil er merkte, dass er sich beruhigen musste, um Sasuke die Angst zu nehmen tat er das. Er trat einen Schritt zurück, lockerte seine Faust und zwang das Zittern aus seinem Körper. „Entschuldige. Ich wollte dir keine Angst einjagen.“ Daikis Worte waren leise und gepresst, aber er versuchte die Wut aus seiner Stimme zu verbannen. Und obwohl ihm das recht gut gelang, blickte Sasuke ängstlich zur Seite, schien wohl aus dem Raum heraus zu wollen, fort von seinem Onkel, fort von der Angst. Daiki blickte seine Mutter an und machte ihr - die ja mit eigenen Augen sah, wie Sasuke da stand - ohne Worte verständlich, was sie tun sollte. Emi Nakano legte ihre alte Hand auf Sasukes Schulter und schob ihn in Richtung Flur. „Geh duschen, mein Junge. Ich koche derweil was, in Ordnung?“ Sasuke nickte nur kurz und ging dann ins Badezimmer. Er hörte die Geflüsterten Worte seines Onkels nicht, der diese am liebsten brüllen würde. Brüllen, was man seinem Neffen – dem geliebten Sohn seines kleinen, wunderbaren Bruders – angetan hatte. Der Teenager stand unter dem warmen Strahl der Dusche und brachte sich selbst und seine Gedanken dazu, sich zu beruhigen. Er wusste ja, dass er keine Angst vor Daiki haben musste. Dieser Mann würde ihm nichts tun und selbst wenn könnte er sich sofort an Itachi oder an seine Großmutter wenden. Aber Daiki würde ihm einfach nichts tun, sonst hätte er dass schon längst getan. Als sie allein im Auto gewesen waren oder sonst, wenn alle schon schliefen. Aber Sasuke wusste auch, dass seine Angst ganz natürlich war, weil Kabuto sie ihm jahrelang eingebläut hatte. Mit jedem Schlag; mit jeder weiteren Vergewaltigung; mit jedem Wort… Sasuke konnte diese Angst, die er zu Anfang auch vor Itachi gehabt hatte und vor fast jedem Anderen, einfach nicht abstellen. Dazu, war viel zu viel passiert und wahrscheinlich musste – wenn es überhaupt jemals so sein sollte, dass er auch zu Anfang keine Angst mehr hatte – sehr viel Zeit ins Land ziehen. Sasuke stieg aus der Dusche, trocknete sich genauso eilig ab, wie er geduscht hatte und band ein Handtuch um seine Haare, bevor er diese auch trocken rubbelte. Er schlüpfte in Schlafklamotten, Jogginghose und Shirt, und putzte Zähne, bevor er aus dem Badezimmer trat, in sein Zimmer ging und den Brief von der Schule aus seinem Rucksack nahm. Er hatte mit sich gerungen, ob er ihn überhaupt abgeben sollte, schließlich kostete die Klassenfahrt eine Menge Geld, das er selbst nicht hatte und seine Großeltern eigentlich nicht für sich ausgeben lassen wollte. Aber er hatte erfahren, dass schon alle den Brief abgegeben hatten und schon längst bezahlt hatten. Nur ihm als dem Neuen blieb die Verlängerung bis zum nächsten Montag. Da wollte seine Klassenlehrerin dann Bescheid wissen. Ob er mitkam oder nicht und das Geld musste schließlich auch dann im Laufe der nächsten Woche überwiesen werden, denn die Klassenfahrt was schon Anfang März. Sasuke haderte ein letztes Mal mit sich, ging dann aber mit dem Brief in der Hand in die Küche, wo seine Großmutter, die in einem Kochtopf rührte und eine Suppe zum Abendessen vorbereitete stand, während ihre beiden Kinder mit Kaffee am Küchentisch saßen. Daiki hatte keinen Alkohol mehr angerührt, schließlich wollte er heute Abend eine DVD mit seinem Neffen schauen, die er zuvor noch eilig in der Videothek ausgeliehen hatte. Das Bild des ängstlichen Sasuke hatte sich in Daikis Hirn gebrannt und er wollte ihm den Rest des Abends wenigstens noch schön machen, nach dem Essen, wollte Sasuke auch ein wenig die Angst nehmen, die dieser vor ihm hatte. Sasuke trat zu seine Oma, schluckte und sagte dann leise: „Ich muss… dir was zeigen.“ „Natürlich“, meinte diese nur, lies den Löffel im Topf, gab den Deckel drauf und wandte sich ihrem Enkel zu, der ihr zögerlich den Brief entgegen hielt. Sasuke beobachtete seine Großmutter dabei, wie sie den Brief an sich nahm, die Lesebrille, die an einem extra dafür angefertigten Kettchen immer um ihren Hals hing, aufsetzte und sich mit dem Brief an den Tisch setzte. Sie las langsam und Sasuke sah, dass auch seine Tante und sein Onkel einen Blick drauf warfen. Während Anko nur verächtlicht den Mund verzog, nickte Daiki und sagte, als die Großmutter den Brief beiseite legte: „Das ist doch schön. Eine Klassenfahrt ist immer eine tolle Erfahrung.“ „Ich würde ihn nicht nach Dublin fahren lassen“, warf Anko ein. „Vor allem ist das total überteuert. Ihr habt genug für den kleinen Scheißer ausgegeben.“ Sasuke senkte den Kopf und biss sich von innen auf die Wange. Eigentlich hatte sie ja Recht. Seine Großeltern hatten genug für ihn ausgegeben und auch wenn sie nicht arm waren, konnten sie das Geld auch nicht immer aus dem Ärmel schütteln. Sasuke wollte grad den Mund aufmachen, um zu sagen, dass es schon okay sei, wenn er die Woche zuhause blieb und in der Schule in einer anderen Klasse lernte, während die anderen auf Klassenfahrt waren, als gleichzeitig Daiki anfing seine Schwester anzuschreien und das Handy in Sasukes Hosentasche klingelte. ~~ Itachi wunderte sich, warum Sasuke nicht sofort ans Handy ging. Es tutete und tutete und er wurde immer angespannter. Sonst ging Sasuke so unheimlich eilig ans Handy, wahrscheinlich um keinen Anrufer je böse zu machen und weil er, Itachi, höchstwahrscheinlich der war, der sich am meisten meldete. Itachi seufzte lautlos. Er war total durchgedreht. Sasuke war vielleicht unter der dusche oder beim essen oder er schlief, was auch immer. Es musste ja grad gar nichts Schlimmes sein, außerdem hatte Sasuke doch gestern in seiner letzten SMS gemeint, es ging ihm gut. Nur hatte Itachi das da schon nicht glauben wollten und wollte es auch jetzt nicht. Durch das Aufhören des Tutens und Sasukes zögerlichem: „… Hallo“, wurde er aus seinen Gedanken gerissen und erschrak sofort, als er ein Brüllen in Hintergrund hörte. Itachi legte die Stirn in Falten, versuchte zu verstehen wer da was brüllte, vernahm aber nur Wortfetzen und fragte besorgt: „Was ist da los?“ Als Sasuke nicht antwortete und Itachi nur dessen Atem und die laute Stimme einer weiteren Person hörte, hakte Itachi nach: „Sasuke. Was ist los? Rede mit mir.“ Auch weiterhin hörte er nur das unverständliche Geschrei im Hintergrund, Sasuke jedoch blieb still; blieb ihm eine Antwort schuldig und das machte Itachi nervös. Er wollte schon erneut nachfragend, als er dann doch die leise Stimme am anderen Ende der Leitung vernahm. „Ähm… es ist… glaub ich meine… meine Schuld, dass sie streiten“, sagte Sasuke leise, wirkte unsicher; irritiert vielleicht sogar. Am liebsten wollte Itachi auch brüllen. Er wollte diesen Menschen sagen, sie sollten die Klappe halten und Sasuke verdammt noch mal nicht so ängstigen, denn das war der Junge nun. Das hörte Itachi durchs Telefon. Sasuke war eindeutig verängstigt. Die Stimmen wurden nur lauter. Itachi hörte Sasukes Schlucken und fragte versucht ruhig nach: „Warum deine Schuld?“ „Ich… Es ist schon… schon okay“ – Sasuke Stimme wirkte hektisch – „Ich… muss auflegen.“ „Hey… hey hey, halt“, meinte Itachi schnell und wurde noch eindringlicher, als er einen Knall vom anderen Ende der Leitung vernahm. „Was ist da los?“ „N-nichts“, antwortete Sasuke stockend. Itachi atmete schnaufend aus; das Gebrüll hörte nicht auf, Sasuke schluckte wieder nervös, sodass Itachi angestrengt versuchte, zu hören, was dort gebrüllt wurde. Er konnte immer noch nicht alles verstehen, aber das was er verstand, genügte um ihn innerlich rasend vor Wut zu machen. Wie konnten die es wagen, so über Sasuke zu sprechen, ihn als lästiges Balg zu bezeichnen, als jemanden, für den sie nur Geld verschwendeten. Itachi entschloss sich was zu unternehmen; er wollte nicht untätig rum sitzen und zuhören, deswegen sagte er mit versucht ruhiger Stimme: „Ich möchte deine Großmutter sprechen.“ „Nein… Nein, bitte, Itachi“, ertönte wieder Sasukes leise, unsichere Stimme. „Bitte. Ich ruf… ruf dich zurück.“ „Sasuke…“, sagte der Anwaltssohn noch, doch da war die Leitung auch schon tot. Sich übers Gesicht fahrend, behielt Itachi die Hand geschockt auf seinem Mund und blickte hoch an die Decke, während er mit der anderen Hand sein Handy wieder einsteckte. Er lehnte sich kurz zurück, war kurz davor erneut bei Sasuke anzurufen und dieser Familie mal die Meinung zu geigen, aber er zwang sich selbst dazu, die Ruhe zu bewahren – Sasuke würde ihn schließlich zurückrufen und er sollte die Entscheidungen des Jungen akzeptieren, oder nicht? Er ging in den Flur, zog seine Schuhe und den Mantel an und verschwand nur mit einem kurzen Abschiedruf zu Shizune, die wohl noch im Schlafzimmer war und sonst was machte. Itachi ging die Straße entlang, wandte an der Kreuzung ab und brauchte nur knapp eine Viertelstunde Fußweg bis er an dem Pub ankam, an dem er sich mit Kakashi treffen wollte. Er hätte auch locker ein Taxi bestellen können, aber er wollte gerne ein wenig gehen und der frischen Luft die Chance geben, seinen Kopf reinzuwaschen. Er zog eine Zigarette aus der Packung in seiner Hosentasche, zündete die an und wartete rauchend auf Kakashi, der schon bald kam, woraufhin Itachis diesen versucht locker begrüßte, seine Zigarette ausdrückte und mit seinem besten Kumpel in den Pub ging. Sie setzte sich an einen hohen Tisch und bestellten was zutrinken, was eilig gebracht wurde. Itachi nahm einen großen Schluck seines Guinness und schaute an Kakashi vorbei zur gegenüberliegenden Wand. Der Grauhaarige jedoch seufzte und fragte: „Was liegt dir auf der Seele?“ Itachi schnaubte, fuhr sich durch die langen, zum Zopf gebundenen Haare, nahm noch einen Schluck und stellte das große Glas dann mit einem scheppernden Laut auf den Kneipentisch. „Sasuke“, sagte er schlicht und sah, wie sich Kakashis Stirn in Falten legte. „Wie geht’s ihm?“ „Weiß nicht.“ „Wie du weißt nicht? Ihr habt doch noch Kontakt – das weiß ich aber.“ „Stimmt schon“, gab Itachi zu, trank von seinem Bier, sah das Kakashi es ihm gleich tat und erklärte: „Wir haben gerade telefoniert. Seine Familie… die haben rumgebrüllt und so ein Weib hat was gesagt von wegen, Sasuke sei lästig und sie würden Geld für ihn verschwenden.“ Er stoppte kurz, spürte dass seine Hände leicht zitterten, aber sprach weiter: „Ich hab ihn gefragt was los ist und er gab sich wieder für alles die Schuld und dann, als ich seine Großmutter sprechen wollte, hat er einfach aufgelegt.“ „Einfach aufgelegt? – Das hört sich aber nicht nach Sasuke an“, gab Kakashi zu Bedenken. „Na, nicht einfach aufgelegt. Er hat gesagt, er meldet sich. Aber ich…“, Itachi machte eine Pause, holte tief Luft und gab sein Bedenken seinerseits auch Kund. „Ich trau der Sache nicht.“ Kakashi traf wieder das schlechte Gewissen. Irgendwie jedenfalls traf es ihn. Wenn man es genau nahm, war er schuld daran, dass Sasuke nun bei seiner Familie lebte. Gut, konnte man da von Schuld sprechen oder schlicht von einer Art Verantwortung heraus, aus der er gehandelt hatte. Doch Itachi litt. Kakashi konnte sich nicht genau erklären, warum, schließlich hatte er immer geglaubt, es wäre nur Sasuke der Itachi brauchte, aber anders herum hatte wahrscheinlich auch Itachi den Jungen geglaubt. Wahrscheinlich, so schlussfolgerte Kakashi, um gebraucht zu werden und sich selbst zu beweisen, dass er kein Arschloch war. Der junge Lehrer seufzte. Und nun litt wohl auch Sasuke, so wie Kakashi es aus Itachis Erzählungen heraus hören konnte. „Er meldet sich also, ja?“, fragte Kakashi nach, verdrängte die eigene Schuld – oder wie auch immer man das nennen sollte – und sprach, auf ein Nicken Itachis hin, weiter: „Warum hast du nicht noch mal angerufen, wenn du dir so Sorgen machst?“ „Weil er… das nicht wollte“, antwortete Itachi leise, trank einen weiteren Schluck Guinness, stierte an die Wand und fing an sich den Nasenrücken zu massieren. „Ich dachte, ich sollte seine Entscheidungen gelten lassen.“ „Im Prinzip richtig“, gab Kakashi zu. Er lehnte sich auf dem stabilen Barhocker mit Lehne zurück und trank einen Schluck Bier. „Ich bin jetzt schon ein paar Jahre Lehrer, hab mit einigen Jugendlichen zu tun gehabt und eine entscheidende Sache dabei festgestellt. Im Grunde soll man diese fast erwachsenen Menschen ihre Entscheidungen selbst treffen lassen und diese dann auch respektieren, aber eben nur solange, wie sie zurechnungsfähig sind. Oder eben soweit zurechnungsfähig, wie es Jugendliche überhaupt sein konnten.“ Kakashi musste ein Auflachen unterdrücken und auch Itachis Mund verzog sich zu einem Grinsen, aufgrund der Worte seines Kumpels. „Bei Sasuke ist das noch mal eine völlig andere Sache. Ihm sind schreckliche Dinge geschehen und, wenn er sich selber die Schuld gibt, dabei vielleicht noch Angst oder dergleichen hat, dann ist er alles andere als zurechnungsfähig und dann sollten manchmal die Erwachsenen Entscheidungen für ihn treffen.“ „Also soll ich mich bei ihm melden?“ Itachis Stimme war zweifelnd. Er wusste nicht genau, was er tun sollte. Also im Grunde, wusste er was er tun wollte, aber er glaubte das wäre entschieden das Falsche. Eine Kurzschlussreaktion. Gut, im Grunde wäre es das Richtige, aber… Er wusste es einfach nicht genau. „Du solltest das tun, was du für richtig hältst“, sagte Kakashi da passend, trank mit einem letzten kräftigen Schluck sein Glas leer und schob es beiseite. Das was er für richtig hielt. Itachi presste die Lippen zusammen und nickte. Er sollte das tun, was er für richtig befand. Itachi legte sein Geld auf den Tisch, verabschiedete sich stumm von Kakashi und atmete draußen tief die frische Luft ein, bevor er ein paar Straßen weiter zu einem Taxistand ging und dort mit einem nach Hause fuhr. In seinen Gedanken waren Kakashis Worte. Das tun, was er für richtig hielt. Itachi stieg daheim aus, ging hinauf und packte einige Sachen in seine zweite, etwas ältere Reisetasche – die andere war ja bei Shizune – und ging wieder hinunter, in seine Garage und zu seinem Volvo. Er stieg ein, wollte das tun, was er für richtig hielt und fuhr zum Flughafen. Er parkte sein Auto im Parkhaus, bezahlte die Standgebühr für eine Woche, weil er nicht genau wusste, wie lange er fort sein würde und ging hinein, schaute sich kaum um und fragte an einem der vielen Schalter nach einem One Way Ticket nach London. Er hatte Glück, konnte das tun, was er für richtig hielt, denn im nächsten Flieger der schon in einer halben Stunde startete, war noch ein letzter Platz frei. Er bezahlte, nahm das Ticket an sich, beeilte sich durch die Sicherheitsschleusen zu kommen und dann, nach einigem Warten in einer Wartehalle, nahm er die Treppe hinauf ins Flugzeug, schaute noch einmal zurück in den irischen Nachthimmel und nickte sich selber zu. Ja, er tat gerade das, was er für richtig befand und er flog nach London um mit eigenen Augen zu sehen, ob es Sasuke gut ging, denn sonst – das wusste Itachi – würde er nicht mehr ruhig schlafen können. Wenn er Sasuke nicht genau in diesem Moment die Möglichkeit zu entscheiden abnahm und das tat, was für ihn die einzig richtige Entscheidung war, dann würde er sich das wohlmöglich nie verzeihen. Denn er stieg in diesen Flieger, weil Sasuke für ihn nicht einfach ein Jugendlicher war, denn er einfach so bei sich aufgenommen hatte, um ihn nach ein paar Wochen zu vergessen und sein Leben weiterzuleben. Auch jetzt noch, wo nicht mehr bei ihm lebte, fühlte er sich irgendwie verantwortlich für den Jungen. Bei den Dingen, die er für Sasuke getan hatte, war er nicht ersetzbar; durch ihn fühlte er sich gebraucht. Deswegen stieg er in den Flieger. to be continued by Jess- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)