Sechzehn Augen von AnnaBlume (Ein Schulprojekt) ================================================================================ Kapitel 3 --------- Uh… Was ist los? Alles ist so weich und flauschig…und warm… Ich blinzle. Am Morgen kann ich kaum etwas sehen, einerseits, da ich eine Brille trage und die beim Schlafen nicht aufhabe, und andererseits, weil ich meistens noch ziemlich verschlafen bin. Also reibe ich mir meine Augen, richte mich auf und schaue auf die andere Bettseite. Da liegt sie – mein Engel in Menschengestalt, meine Liebe des Lebens – Ella. Gestern habe ich mich endlich dazu überwunden, sie auf ein Date – oder wie man das eben heute nennt – einzuladen. Ich konnte mein Glück kaum fassen, als sie sofort darauf einging. Ich bin schon eine ganze Weile in diese Frau verliebt, wir sehen uns nämlich jeden Morgen im Tram. Seit ein paar Wochen sitzen wir auch immer nebeneinander und reden über alles Mögliche. So als Lehrer hab ich natürlich viel zu erzählen: Wie meine Schüler so sind, was wir gerade im Unterricht durchnehmen, ob sie sich auch für Mathematik interessiert, und, und, und. Aber auch sie hat kaum geschwiegen, von ihrem Hund erzählt, den sie sich vor kurzem zugelegt habe, dass sie eigentlich neu in der Gegend sei und sich noch nicht so richtig auskenne (und das, obwohl sie nun schon über zwei Monate im gleichen Tram wie ich sitzt!!) und ob ich ihr nicht etwas die Stadt zeigen könne. Hätte ich natürlich sofort getan, wenn ich damals nicht diesen plötzlichen Kloss im Hals gehabt hätte und kein Wort mehr herausbrachte. Und die Tage darauf war ich einfach zu schüchtern, sie nochmals darauf anzusprechen. Bis auf gestern. Allerdings hab ich ihr weder die Stadt noch sonst was zeigen können, kaum stand ich vor ihrer Haustür, um sie abzuholen, da ist sie mir um den Hals gefallen und hat begonnen, mich zu küssen! Einfach so! Danach sind wir dann nicht viel weiter gekommen als bis zu meinem Haus, wo wir nach ein paar Glas Wein nach oben…. „WAAAAAAAAAAS??? Schon SO spät?? Ach du meine Güte, ich bin viel zu spät, in sechs Minuten müsste ich in der Schule sein und Unterricht geben! Hilfe, ich bin viel zu spät!!!“ So gestresst wie noch nie springe ich aus dem Bett, falle beinahe über den Hund, der sich auf dem Fussboden zusammengerollt hatte, greife im Schrank nach irgendwelchen Hosen und versuche mit Lichtgeschwindigkeit hineinzuschlüpfen. Was ordentlich schief geht. Zuerst hab ich sie falsch herum an, dann falle ich beinahe wegen mangelnder Balance um und reisse schlussendlich auch noch eine Halterung für den Gürtel ab. So ein Mist. Da raschelt es plötzlich im Bett und Ella dreht sich zu mir um „Schatz, was hast du denn? Komm doch wieder ins Bett.“ „Ich kann nicht! Ich muss zur Arbeit und bin viel zu spät, ich hätte schon längst dort sein müssen!“, drücke ich mühsam zwischen dem ungetoasteten Toastbrot und meinen Zähnen hindurch. Ich schaue auf die Uhr, 8:36 Uhr. Die Klasse sitzt schon im Zimmer. Sollte sie zumindest. Und ich bin immer noch hier. Die werden nun bestimmt das Gefühl haben, auch jeden Tag zu spät kommen zu dürfen! So ein Mist, so – ein – Mist! Noch schnell meine Jacke überziehen, die Tasche schnappen und weg bin ich. Keine Zeit für einen Abschiedskuss. Wie schade. Zum Glück erwische ich gerade noch das 8:40Uhr Tram und bin vier Minuten später unten am Schulhaus. Obwohl es noch recht kühl ist, schwitze ich vor lauter Treppenlaufen, weshalb mein Klassenzimmer auch ausgerechnet im obersten Stock sein?? Dann, endlich, um 8:47Uhr reisse ich die Tür auf und die Klasse glotzt mich resignierend an. Die haben wohl gedacht, die Stunde falle aus! Etwas verunsichert und mit hochrotem Kopf schliesse ich die Tür hinter mir und trete an meinen rechtmässigen Platz vor der Wandtafel. Eine gute Viertelstunde zu spät. Endlich fertig. Erschöpft von diesem turbulenten Morgen mache ich mich am Mittag auf zum Würstchenstand. Da gehe ich eigentlich jeden Mittwoch hin, wenn ich nachher keinen Unterricht mehr zu geben habe. Der Verkäufer kennt mich mittlerweile schon und ist ein sehr freundlicher Mann. Und seine Würstchen sind einfach köstlich. Ich schicke gerade noch eine SMS an Ella, um ihr zu beschreiben, wo das Museum ist, in der wie uns heute Nachmittag treffen wollen, da sehe ich etwas sehr Unerfreuliches. Der Würstchenstand steht zwar an seinem Platz wie sonst auch, doch leicht verschoben und ziemlich schwarz überall. Die Plache, die normalerweise über dem Stand aufgehängt ist, liegt mit Löchern im Gras daneben, und der Verkäufer sammelt ein paar Würstchen vom Boden auf. „Was ist denn hier passiert?“, frage ich entsetzt und beginne, dem Mann beim Einsammeln zu helfen. Etwas bedrückt antwortet dieser: „Da kam dieser Junge, der ein Würstchen umsonst haben wollte. Ich hab ihm natürlich keins gegeben, Sie wissen ja, wie knapp ich bei Kasse bin. Dann hat der einfach meinen Gasherd getreten und gewütet, bis der ganze Stand gebrannt hat! Natürlich ist er dann sofort weggelaufen. Aber gleich darauf kam ein anderer Junge, der mir beim Löschen des Feuers half, als hätte er das Ganze beobachtet. Leider hat er sich dabei verbrannt. Und danken konnte ich ihm auch nicht, denn er ging gleich darauf wieder weiter.“ Das scheint ja so, als wäre ich nicht der einzige, dem ein ziemlich ungemütlicher Morgen beschert worden ist! Wobei mir eine Viertelstunde weniger Arbeit doch etwas angenehmer zu sein scheint als ein brennender Herd. Als die ganze Fleischkost aneinander gereiht und kohlenschwarz auf dem nun wohl defekten Herd liegt, verabschiede ich mich hungrig vom Verkäufer und mache mich auf zum Museum. Um etwas anderes essen zu können, reicht meine Zeit nicht mehr aus. Dort angekommen, warte ich auf Ella. Minuten vergehen, der abgemachte Zeitpunkt kommt, weitere Minuten vergehen. Ella kommt einfach nicht. Hat sie etwa die SMS nicht gelesen? Ich lehne mich mittlerweile am Eingangstor an, meine Beine sind noch etwas müde vom morgendlichen in-die-Schule-Sprinten. Doch plötzlich – Ella hätte schon vor einer halben Stunde hier eintreffen müssen – höre ich schnelle Schritte, irgendwo hinter dem Gebäude. Es scheint, als wären da in unterschiedlichen Zeitabschnitten drei Personen an denselben Ort gerannt, ganz in meiner Nähe. Aber als chronischer Angsthase traue ich mich nicht nachzusehen und lausche einfach weiter. Ich strenge meine Ohren an und kann tatsächlich noch ein Geräusch wahrnehmen. Es hört sich an wie das Aufklatschen eines Gegenstandes. Was das wohl sein mochte? Ich bemerke meine Geliebte erst, als sie komplett ausser Atem und unmittelbar neben mir steht und mich geradewegs anbrüllt: „Sören! Hast du meinen Dackel gesehen??“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)