Chronicles von Herzkirsche (Rose & Scorpius) ================================================================================ Kapitel 1: one -------------- Das St. Mungo glich in dieser Nacht einem Bienenstock. Wahlweise auch einem besonders großen Nest Acromantula. Die langen Gänge waren überfüllt, alle Betten belegt und durch die Luft schwirrte erstickendes Leid. Sie alle strömten übereinander und ineinander, verschmolzen zur immer gleichen, trügerisch bunten Masse der Verelendung. Wer einmal etwas auf sich gehalten hatte, der war nun tot oder hatte seine Maßstäbe zugunsten des Lebens verschoben. Nicht alle, die sich für die gute Seite entschieden hatten, waren daran unweigerlich zerbrochen. Man nenne als Exempel die Malfoys. Doch man musste denen, die der Dunklen Armee gefolgt waren, anerkennen, dass sie sich im ersten Moment für das bessere Leben entschieden hatten. In einem Etablissement wie dem St. Mungo fusionierten Gut und Böse zu einem grauen Mantel gegenseitigen, wenn auch kurzweiligen Einverständnisses. Niemand musste sich hier fürchten, denn wo auch viele Anhänger Ihresgleichen waren, da hütete man sich vor gezielten Anschlägen auf Andersdenkende. Doch den Großteil derer, die es hierhin verschlug, hatte man ohnehin an einem anderen Ort erwischt. »Was schreibst du denn da?«, flüsterte eine vertraute Stimme und im nächsten Moment schob Rose ihren Kopf neugierig an seiner Schulter vorbei, sodass Hugo das Notizbuch schnell zuschnappen ließ. »Geht dich nichts an«, antwortete er kühl und beobachtete mit angewiderter Miene, wie seine Schwester ihm eine neue Infusion setzte. »Wer will mich denn heute ruhig gestellt haben?«, fragte er und bemühte sich um einen möglichst gleichgültigen Tonfall. »Niemand. Aber dein Biorhythmus sollte dem eines normalen Menschen angepasst werden. Normalerweise schläft man nämlich um diese Uhrzeit«, sagte Rose zynisch, doch Hugo schenkte keinem ihrer Worte Glauben. »Ich hätte wirklich nie damit gerechnet, dass das Ministerium ausgerechnet mich in solchen Zeiten zum Staatsfeind degradiert – ich fühle mich ungemein geschmeichelt.« Der Zwanzigjährige verdrehte die Augen und streckte sich stöhnend in dem unbequemen Krankenhausbett aus, während seine Augen zielsicher über die neuen Patienten schossen, die gerade herein chauffiert wurden. Mit unter stellte er die Hygienebedingungen doch sehr infrage. »Wie lange arbeitest du nun gleich in der Aurorenzentrale? Und wie oft hast du es in diesen paar Monaten geschafft, hier zu landen?«, fragte Rose spitz und klopfte ihm das Kissen auf. »Okay, also ich tippe darauf, dass Mum dich bestochen hat, damit du mich extra lange ans Bett fesselst.« »Deine Aktionen und Alleingänge sich gemeingefährlich. Dein Horizont gleicht in Auseinandersetzungen mit der Dunklen Armee dem eines Flubberwurms. Dein Tod, den du ja offenbar anstrebst, bringt niemandem etwas, verstanden?« »Okay, Dad war‘s «, grinste er flegelhaft und Rose seufzte. »Du bist wie dein Mentor, Hugo. Genauso eigenwillig und selbstzerstörerisch. « »Ähm, ist nicht genau Al derjenige, der gerade den wichtigsten Muggel im Land beschützt? Also wenn mich eigenwillig und selbstzerstörerisch in die höchste Liga katapultiert, dann – warum nicht?« Rose schüttelte den Kopf und beugte sich zu ihm hinüber. »Irgendwann ist dein Glück aufgebraucht und wir beweinen womöglich deinen Tod, der auch vermieden hätte werden können. Tue das deiner Nichte bitte nicht an. Denk an die Personen, die du hier ungeschützt zurücklässt. Egal, was du auch immer versuchst – allein wirst du es nicht schaffen.« »Ich hab es geschafft Auror zu werden, nachdem ich ein Jahr lang in einem beschissenen Koma lag -« »Das ist bemerkenswert, aber das macht dich nicht zu einem Gott, Hugo«, erwiderte sie hitzig und senkte ihre Stimme, als sich glühende Augen in die Szenerie bohrten; man wusste nie, wo sich überall Beobachter unter die Menschen mischten. »Wenn du Lily finden willst, dann schlag dir das ganz schnell aus dem Kopf. Sie ist nicht mehr die, die wir einmal kannten.« Hugo verbiss sich jede weitere Antwort auf diese Unterstellung und selbst als seine Schwester schon eine Weile fort war, brannte ihm noch die Kehle von der bloßen Möglichkeit, er hätte laut gesagt, was er dachte. ~ Ein dumpfes Donnergrollen durchbrach die stille Nacht und zog sie wie eine Ertrinkende an die Oberfläche ihres Bewusstseins. Imogene sträubte sich nicht und so flatterten ihre Lider, als ein neuerlicher Blitz über den Himmel jagte und das nachtschwarze Schlafzimmer für einen Augenblick in helles Licht tränkte. Ihr Blick wanderte zu dem mit hellen Vorhängen zugezogenen Fenster, doch kein neuerliches Monster fegte über den Himmel, nachdem der nächste Donner verklungen war. Todesser hatten Gefallen daran gefunden, Unwetter heraufzubeschwören, sodass Imogene begonnen hatte, skeptischer gegenüber den Wettererscheinungen zu sein. Sie tastete nach der Wasserflasche, die normalerweise neben ihrem Bett stand, doch ihre Hand fasste ins Leere und unwillkürlich zog sie ihre glatte Stirn kraus. Das war seltsam. Aber wahrscheinlich hatte James trotz seiner Abneigung gegenüber ihrem Lieblingsgetränk einfach aus Durst ihren Vorrat ausgetrunken. Typisch Potter eben, dachte sie zähneknirschend und schielte zu dem jungen Mann hinüber. Er hatte im Gegensatz zu ihr einen gesunden Schlaf, rein gar nichts brachte ihn wirklich aus der Ruhe. Das war gut, das gefiel ihr. Das brachte ihr die Sicherheit, die sie brauchte. Doch dann polterte etwas in der unteren Etage auf den Boden und durchzuckte die Ruhe ihres Körpers wie Adrenalin. Imogene atmete tief aus, ehe sie vorsichtig aufstand, jedoch nicht ohne vorher mit dem Gedanken gespielt zu haben, James panisch auf den warmen, nackten Rücken zu hauen. Sie war zwanzig! Ein bisschen Courage und Furchtlosigkeit waren angebracht, immerhin war sie eine Malfoy. Ein Lichtstrahl schoss aus der Spitze ihres Zauberstabes, als sie mit klopfendem Herzen auf den Flur trat, und erhellte die Umgebung. James und sie hatten einen lächerlichen Schutzzauber über ihrem Haus in dem Londoner Vorort, doch es hatte sie nie gestört, selbst als Harry sie vor ihrer Leichtsinnigkeit gewarnt hatte. Denn lediglich ein Schutzzauber hielt keinen Todesser davon ab, ins Haus einzudringen. Allerdings hatte Imogene in diesem Punkt auch nie wie ihre Mutter sein wollen, die wirklich jeden Schutz kaufte - mochte dieser noch so sinnlos sein. Nun seufzte sie jedoch und schlich die Treppe hinunter, alle grausamen Geschichten über Raub und Vergewaltigungen im Hinterkopf, deren Tatorte sie besucht hatte. Die Dunkle Armee schikanierte Muggel seit jeher, doch sie wurden von Jahr zu Jahr grausamer in ihren Handlungen. Imogene gehörte als Vergissmich zu den ersten, die sich um Evakuierungen, Terroranschläge und Gewaltverbrechen kümmerten, insofern Muggel in die Geschehnisse involviert waren. Sie presste die Lippen angespannt aufeinander, als sie sich langsam dem Wohnzimmer näherte. Imogenes Augen suchten den Boden ab, flink nach jedem Anzeichen suchend, das den Lärm fabriziert haben könnte, während ihr Unterbewusstsein bereits flüsterte, dass alle Fenster geschlossen und kein Luftzug diesen hätte verursachen können. Trotzdessen vergewisserte sich die Zwanzigjährige mit jedem Blick in jede noch so kleine Ecke, ehe sie den Zauberstab schwang und das Licht sich auf die Lampen in der ganzen Etage verteilte. Sie wollte gerade erleichtert ausatmen, als sie hinter sich ein Knacken vernahm und jäh in ihren Bewegungen verharrte. Ihre Finger verkrampften sich um den Zauberstab und sie besann sich all dessen, was sie einmal über solche Situationen gelernt hatte. Todeskämpfe und dergleichen. Dann wandte sie sich schnell um und richtete den Zauberstab drohend auf ihren Gegenüber. Doch der Anblick dessen ließ sie inne halten, unaufmerksam sein, gar verwirrt. Und dann hatte er auch schon gewonnen. Ihr Zögern gefror unter seiner nonverbalen Beschwörung und sie war nicht mehr imstande, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Scheiße, dachte Imogene panisch und ihre Pupillen jagten durch den Raum, keinen Ausweg erkennend. Die Gestalt kam auf sie zu, beinahe nonchalant. Es hatte sie aus dem Konzept gebracht, eine große Gestalt in turmalinschwarzer Kutte in ihrem Wohnzimmer stehen zu sehen - unweigerlich hatte sie wertvolle Sekunden damit verschwendet, an Dementoren zu denken und die damit verbundene Wahrscheinlichkeit, den längst von dieser Erde verschwundenen Gestalten in ihrem Haus zu begegnen. Todesser zeigten sich ihren Opfern offen, seit man die meisten von ihnen überführt hatte und die Regierung Fahndungen verschickte. Ein Todesser, der nicht seine hässliche Visage zeigte, war schlichtweg untypisch. Er kam ihr so nah, dass sie den Atem anhielt und den Drang verspürte, sich zurückzubeugen, um nicht von der Dunkelheit seines nicht vorhandenen Gesichts aufgesaugt zu werden, doch der Fluch gab ihr keine Macht über ihren Körper. Seine kalten Fingerspitzen legten sich so plötzlich auf ihre Wange, dass feine Elektrizität durch ihre Adern rann und gerade, als sie glaubte, er würde seine Kapuze lüften, hämmerte jemand vehement gegen die Haustür und zerstörte die Trance, in der sie gefangen war. Mit dem nächsten Wimpernschlag war die Gestalt fort. Nur das kleine, ihre Glieder durchfahrende Kitzeln erinnerte sie daran, dass sie willenlos gewesen war. »Wer ist da?«, rief Imogene mit zitternder Stimme. Gerade das, was sie nicht brauchte – Besuch um zwei Uhr nachts, die Zweite. »Ich bin Albus Potter und bitte um Asyl. Komm schon, Imogene, stell die Frage und dann mach Lack – ich bin klitschnass!«, meckerte die heisere Stimme von James‘ Bruder und Imogene schluckte die Erleichterung hinunter, rief sich zur Wachsamkeit. Der Schreck saß ihr noch immer in den Gliedern. »Welches Mädchen hast du in deinem siebten Schuljahr als erstes geküsst?«, stellte sie die unkreativste und zudem peinlichste Frage des Jahrhunderts, doch lange Zeit für Überlegungen fand sich nicht. »Willst du, dass James mich umbringt?«, kommentierte die Stimme trocken, »dich, schätze ich.« Imogene seufzte, bevor sie den Riegel vor der Tür zurückschob und sie öffnete. Ein triefender Albus stolperte ins Haus, lediglich Boxershorts tragend - offenbar der Animagusgestalt soeben entsprungen. »Kann ich dir einen hilfreichen Tipp als Auror geben? Wenn du die Frage so stellst, dann ist jedem Gestaltwandler sofort klar, dass du selbst wohl die wahrscheinlichste Antwort bist«, sagte Al und fuhr sich durch das nasse Haar. Imogene funkelte ihn böse an, bevor ihre Augen musternd über seine Gestalt fielen. »Und du? Hat Alice dich – Merlin schenkte ihr eine Offenbarung – endlich vor die Tür gesetzt oder hast du ernste Probleme?« »Letzteres, aber höchstwahrscheinlich kommt meine Frau als Problem hinzu, wenn sie erfährt, was ich getan habe«, erwiderte Al wahrheitsgemäß und Imogene zog fragend eine Augenbraue in die Höhe, während eine verschlafene Stimme in ihr Gespräch einfiel: »Rede Klartext!« Albus blinzelte zerknirscht zu seinem älteren Bruder hinauf. »Ich hab Avery getötet«, leistete er dem Befehl ohne Umschweife folge und Imogene zog scharf nach Luft. James zog sich ein schwarzes T-Shirt über den Kopf, als er schnell die Treppe hinunterkam. »Du meinst den Todesser, der unseren Informanten nach bald potenzielle Chancen hatte, den Thron Georgiens zu erklimmen?«, vergewisserte er sich leise und rieb sich kurz den Schlaf aus den Augen. Albus‘ Miene sprach Bände, sodass James‘ flache Hand seinen Bruder hart am Hinterkopf traf. Imogene merkte sofort, dass es sich dabei dieses Mal nicht um eine brüderliche, neckische Geste handelte. Das war Ernst. »Dumm wie ein Flubberwurm«, knurrte der Ältere wütend und bedeutete ihnen mit einer Kopfbewegung, ihm in die Küche zu folgen. Sie vermied es bewusst, Albus anzusehen. Erst später, als er direkt Worte an sie richtete, sah sie ihn über den Rand ihrer warmen Tasse hinweg an. Warmer Kakao war ihr Allheilmittel. Imogene hatte das Glück besessen, James‘ und Als Großmutter Molly kennenlernen zu dürfen, ehe sie vor einem Jahr eines natürlichen Todes gestorben war – in ihrer Zeit unterschied man stets zwischen natürlich und unnatürlich. Molly hatte ihr gelehrt, dass den Körper nichts mehr akklimatisierte als eine Tasse Kakao. Es half wirklich. »Imogene, kannst du bitte jemanden beauftragen, Alice zu evakuieren? Wahrscheinlich lauert das Pack schon hundertfach vor unserem Haus und wartet darauf, dass ich ihnen in die Falle tappe. Es ist zu gefährlich für sie.« Langsam schüttelte sie den Kopf. »Seit den neuen Gesetzen, dürfen Vergissmich nur noch in Muggelangelegenheiten Aufträge weitertragen.« »Scheiß System«, fluchte der jüngere Potter und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Mach dir keine Sorgen, sie ist eine Hexe«, sagte sie beruhigend. Albus lachte kurz verzweifelt auf. »Auch wir sterben wie die Fliegen!« »Wie ist das mit Avery passiert?«, mischte sich James endlich ein und Albus zuckte zunächst nur mit den Schultern. »Ich habe ganz normal den Premierminister bei seiner Tour durch die Krankenhäuser bewacht, als Avery als getarnter Arzt hereinspaziert kam und sich mit ihm über die Zustände unterhalten hat. Die Terroranschläge und den ganzen Müll, den sie den Muggeln auftischen. Schließlich habe ich durch dummen Zufall bemerkt, dass an seinem Arm etwas schimmerte, das dem Dunklen Mal verdammt ähnlich sah«, er brach ab, denn ihnen allen war bewusst, wie sich die nächsten Sekunden ereignet haben mussten. Die Todesser waren äußerst gerissen in ihren Methoden; nicht mehr einzuschätzen, seit sie Tinkturen mit Gestaltwandlergift tranken. Aber das Dunkle Mal verbarg kein Zauber vollständig. »Es war knapp, aber ich habe gewonnen. Er ist besser geworden, seit Scorpius und ich das letzte Mal mit ihm zutun hatten. Ich meine, er war besser«, berichtigte sich Albus und blickte dann über den Tisch hinweg geradewegs in die Augen seines Bruders. »Kurz darauf hat er die Einheit gewechselt und stand unter Lilys Führung.« Imogene spürte, wie ihr Mund ganz trocken wurde. »Na, die wird sich freuen«, erwiderte James sarkastisch, dann schüttelte er den Kopf. Sie redeten noch eine Weile, bis James sagte, dass sie für den Moment nichts ausrichten konnten. Es sei besser, sich mit dem Orden kurzzuschließen, vor allem mit ihrem Vater. »Ich hole dir Bettzeug und Handtücher«, sagte Imogene müde und erhob sich. Ihr Kopf schwirrte. Bevor sie zu Bett ging, schob die Malfoy kurz die Vorhänge zur Seite und spähte aus dem Fenster. Im schräg gegenüberliegenden Haus brannte noch immer Licht; sie bedauerte die alte Madam Thurgood, die unter dem Imperiusfluch stand und Auftrag erhalten hatte, ihr Haus zu beobachten. Sie wurden alle überwacht. Hoffentlich hatte Albus daran gedacht, auf der Türschwelle zu apparieren. Ein kleiner Schauer lief ihr über den Rücken, als sie daran dachte, dass Albus klitschnass angekommen war und womöglich als Animagusgestalt auf ihr Haus zugehalten hatte. Höchstwahrscheinlich sogar. Eine dunkle Vorahnung ergriff von ihr Besitz, ehe sie sich ihrer Müdigkeit hingab und zu James ins Bett kroch. In der Winkelgasse würde sie die neuste Ausgabe der Schutzzaubersprüche besorgen. ~ Elfen tanzten über die Deckenlichter hinweg und ein seichtes, hypnotisierendes Flimmern legte sich auf die Umgebung, wenn immer die Dunkelheit versuchte, sich über den Raum zu betten. Lily entledigte sich achtlos ihres Morgenmantels und schritt in das warme, tiefseegrüne Wasser. Der Duft von Kamille und anderen Kräutern benebelte ihre düsteren Gedanken, die sich spinnennetzartig um ihre Hoffnungen webten, bis auch die letzte im Keim erstickt wäre. Wenn immer sie versucht war, ihrem manchmal so tristen Leben zu entkommen, so erlag sie dem Drang, diesen Ort aufzusuchen. Greg teilte ihre Liebe für das sanfte Nass nicht, seitdem er dem Tod vor langer Zeit in einem See gegenübergetreten war, sodass dieser von spiegelndem Marmor gefertigte Raum ihre Oase der Einsamkeit geworden war. Der Ort, an dem sie ungestört betrauern konnte, was sie verloren hatte, wenn immer ihr danach war. Aber dazu kam es nicht oft. Gedankenverloren verirrte sich ihr Blick auf dem Schauspiel der Elfen, bevor sie langsam auf eine Kolonie zu schwamm und ihre Hände nach einer besonders Zarten ausstreckte. »Ach, wie süß«, tönte in diesem Augenblick die ihr am meisten verhasste Stimme und Lilys Augen verengten sich, als die Elfen zurückzuckten und sich eilends auf und davon machten. »Was willst du, Kuprin? «, fragte Lily bissig. Sie schwamm sogar bereitwillig ein Stück auf Galina zu, denn wohl kaum hätte es sie an diesen Ort verschlagen, wenn es nicht auch wichtig wäre. Denn die Kuprin hasste Wasser ebenso sehr wie Gregory. In Lilys kühnsten Fantasien erlag Galina darum einem qualvollen Tod zu offener See. »Elfen schmecken das Blut, das an deiner Seele klebt, wenn du also hoffst, sie sprechen dir und dem Kind ihr Glück aus, dann ist das vergebene Liebesmüh.« »Sie sind recht vertraut mit mir, Galina. Ich bekomme immer, was ich will«, erwiderte Lily warnend. »Ich vergaß«, murmelte die Kuprin giftig. »Also – was willst du?«, wiederholte Lily leichthin und schwamm ein paar anmutige Kreise, ehe sie sich wieder neckisch der Kuprin näherte. Doch was sie sah, gefiel ihr nicht. In Galinas Augen hatte sich ein Funken Frohmut genistet. Und Lily wusste genau, wie gefährlich man so eine Gefühlsregung bei Galina zu deuten hatte. »Ich wollte dich darüber in Kenntnis setzen, dass Georgien wohl ein Weilchen ohne Thron bleibt. Du musst dir eine Alternative zu Avery überlegen, der ist nämlich tot. Tut mir Leid, war immerhin dein bester Mann.« Unverständnis mischte sich in Lilys Züge, Galina ein purer Genuss. »Warum ist er tot? Er hatte keine Aufträge von mir erhalten!«, rief sie erbost und wenn bis zu diesem Moment noch Elfen der Szenerie gelauscht hatten, so waren diese nun allesamt fort. Das Rot war gar kein Ruhepol, sondern gefährliches Feuer. Galina lächelte selig. »Mephisto hat ihm aufgetragen, noch einmal zu versuchen, den Premierminister zu töten. Er sieht gar nicht ein, weshalb wir unsere besten Leute in die anderen Länder ziehen lassen und Großbritannien noch immer nicht unterworfen ist.« Der Zorn, der von Lily Besitz ergriff, war in diesem Moment so überwältigend, dass ihr das Atmen schwer fiel. »Das wird ein Nachspiel haben«, zischte sie leise und schritt energisch aus dem Wasser. »Du könntest Weasley stattdessen ziehen lassen. Der Prinzessin hat er ohnehin besser gefallen als Avery«, meinte Galina unschuldig, doch durch Lilys Körper strömte neuerliche Wut. »Nein.« »Aber warum denn nicht? Etwa, weil ihr mal eine Familie wart?« Lily unterließ es, auf diese unverschämte Frage zu antworten und hüllte sich in ihren weichen Morgenmantel. Kuprin hatte ihre Oase der Ruhe gnadenlos vergiftet. »Und wie soll nun mit Averys Mörder verfahren werden?«, rief Galina ihr hinterher, das Feixen nur schwer unterdrückend. Lily verdrehte die Augen und warf einen eisigen Blick über die Schulter. »Freie Jagd«, fauchte sie und gnadenloser Hass funkelte der Kuprin entgegen. Genau damit hatte jene gerechnet, weshalb sich ein schmales Lächeln auf ihr Gesicht stahl, als Lily davon stürmte. Die Operation konnte nun endlich beginnen. ~ Ein beklemmendes Gefühl hatte sich in seine Kehle genistet und leichte Betäubung erstreckte sich von dem ausgehend in seine Glieder, alldieweil seine Gedanken ungebrochen wild zirkulierten. Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Das kam selten vor. Denn eigentlich hatte sich Fred Weasley einen Namen mit seiner blitzschnellen, stets streng durchdachten Handlungsweise gemacht, obgleich Lily dies noch immer beflissentlich ignorierte und ihn herumschickte wie einen Lakaien. Wohl hatte sie geahnt, welche Bürde sie ihm mit diesem Auftrag auf sein Herz schieben würde und Fred wusste nicht, was ihn mehr irritierte - dass Lily glaubte, er habe noch ein Herz oder dass sie annahm, sie müsse ihn zerstören, in die Knie zwingen, ihm begreiflich machen, wie wenig er doch imstande war zutun, obgleich er soviel von sich hielt. Oder sie wollte ihn einfach nicht ans Ausland verlieren wie viele andere ihrer Garde. Immerhin war er ihre einzige Verbindung zu einem Leben, das sie beide hinter sich gelassen hatten. Mochten seine Gedanken auch noch so wirr sein – sie alle mündeten in diesem Auftrag, alle endeten bei Dominique. Lilys Intention war nur ein müder Versuch der Ablenkung. Freds Blick lag auf einer Horde Ratten, die nun, da der Tag anbrach, durch die Nokturngasse jagten, als würde die Helligkeit sie ansonsten brandmarken. Die Klänge ihrer Konversation rauschten ihm in den Ohren und unwillkürlich schloss er die Augen. Vollste Konzentration war ihm die einzige Möglichkeit, die Viecher davon abzuhalten, an ihm emporzuklettern und ihn anzuknabbern. Er roch nach Tod wie jeder von seiner Art, was sie schneller herbeilockte als normaler Menschenduft. Selbst wenn das Blut unlängst von seinen Händen gewaschen war, ihr Gespür trübte sie nicht. Als das Getier marionettenartig von ihm fort trieb, öffnete Fred die Augen und blickte die Fassade eines der schäbigsten Bauten der Gasse empor, das in bedenklicher Schieflage an Borgin & Burke's lehnte. Hinter den unzähligen Fenstern, deren Augen allesamt mit roten Vorhängen zugezogen worden waren, flackerte seichtes Licht. Sein Blick verdunkelte sich, als er sich der Räume und ihrer Menschen darin besah. Die Sinne schärften sich mit dem Morden, doch seine eigentlichen Gaben hatte er Galina Kuprin zu verdanken. Ein schmales Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als er ein gleichmäßiges Atmen unter dem Dachzimmer vernahm, ein Seufzen, sich entfernende Schritte und das Klicken einer ins Schloss fallenden Tür. Er hätte niemals gedacht, sie nach all den Jahren an der Art zu erkennen, wie sie seufzte. Aber es war unverkennbar sie – traurig, stark, in gewisser Weise zuckrig. Er verzog den Mund und mit dem nächsten Schnipsen seiner Finger stand er in ihrem Zimmer. Etablissements dieser Art waren nicht sonderlich gut geschützt, vor Todessern schon gar nicht. Er vernahm das Rauschen der Dusche, doch dessen ungeachtet, richtete sich sein Blick auf das Bett, in dem eine äußerst fettleibige Gestalt lag, die Fred erst auf den zweiten Blick erkannte. Es musste sein Glückstag sein. »Hallo Finnigan«, sprach er gelassen und legte den Kopf schief, den Mann, der seine besten Tage längst erlebt hatte und vielmehr bloß noch ein Abbild seines ehemaligen Selbst war, aus den Tiefen seines Schlafs reißend. Der Ältere riss so abrupt die Augen auf und wich ans Bettende zurück, dass er Fred in diesem Moment an ein verschrecktes Tier erinnerte. »Du!«, stieß Finnigan atemlos hervor und es hätte nur noch gefehlt, dass er den Zeigefinger auf ihn richtete. Ein Feuerwerk aus Furcht schoss aus seinen Augen. »Was willst du von mir?« »Wer sagt, dass ich etwas von dir will?«, erwiderte Fred entspannt und vergrub die Hände in den Taschen seiner schwarzen Hose. Schwache Erkenntnis leuchtete in Finnigans Blick auf und das erleichterte Seufzen, das aus seiner Kehle drang, beflügelte sanft die Wut des Todessers. »Nichtsdestotrotz werde ich dich töten«, fügte er darum kühl hinzu und vergnügte sich an der rasch wiederkehrenden Angst in den Augen des anderen. »Aber ich habe doch nichts getan!«, rief Finnigan und wenn er vorgehabt hatte, zu seinem Zauberstab auf der Kommode zu jagen, dann fror Freds nonverbale Zauberformel dieses Vorhaben ein, fesselte ihn ans Bett. Verzweiflung brach aus jeder einzelnen Pore des Gefangenen. »Fred! Ich bitte dich! Erinner dich – als du klein warst, da hab‘ ich euch Karten für die Weltmeisterschaft besorgt! Jedes Jahr hattet ihr Karten für die Liga! Dank mir hast du die Cannons und die Prides getroffen!« Fred betrachtete geduldig und ausdruckslos, wie der Zauberer sich den Mund fusselig redete, doch seine Wut flaute bei diesen Kindheitserinnerungen nicht ab. Er trat noch einen Schritt auf das Bett zu und beugte sich sacht nach vorne. »Und heute steckst du deinen Schwanz in ein Mädchen, das du hast aufwachsen sehen. Also sag mir, ob meine Kindheit wirklich das ist, an was ich mich erinnern soll«, hauchte er gefährlich und Finnigan erstarrte. »Sie hat nicht gesagt, dass sie dir gehört!« Fred schüttelte leicht den Kopf, doch der Ältere redete schnell weiter. »Wenn du jeden umbringen willst, der was mit ihr hatte, dann töte doch erstmal in deinen Reihen! Was willst du tun? Die halbe Zauberergemeinschaft umlegen?« Fred zuckte nonchalant mit den Schultern. »Von mir aus. Mit dir fange ich an.« Und mit der nächsten Sekunde, gesellte sich ein weiterer Toter auf die Liste seiner Opfer. Es war nicht befriedigend, jedoch auch kein sonderlicher Verlust, insofern man ihn beurteilen ließ - das sich hinzu stehlende Gefühl, mit jedem Mord abgestumpfter zu werden, war nur noch lächerlich gering. Fred ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. Seine Augen verirrten sich in seinem Spiegelbild. Das ehemalige Blau seiner Augen war über die Jahre einem trüben Grau gewichen, das mit jedem Mord dunkler wurde, tiefer und unkontrollierbarer. Seine Arme hingen schlaff am Körper hinab und es wirkte allgemein so, als würde er alsbald zerbrechen. Sein Haar war nicht mehr rot, seine Haut nur noch ungesund fahl. Das Rauschen des Wassers im angrenzenden Raum verklang und er stand vor der Entscheidung, ihr gegenüber zu treten oder aber zu fliehen. Er hatte vorerst genug Verwirrung gestiftet, schätzte er. Also verschwand er, wie er gekommen war. ~ »Ich habe keinen blassen Schimmer, was das bedeutet, okay?«, betonte Dominique Weasley gereizt und kam dem Gesicht ihres Cousin James Potter gefährlich nahe, welcher sie nur mit ausdruckslosem Blick bedachte. »Ich habe dich nur nach deiner Vermutung gefragt«, erwiderte der Schwarzhaarige ruhig und Dominique verspürte den Drang, ihm mit einer rüden Geste zuzusichern, wie wenig sie von ihm hielt. Normalerweise traf sie ihre zerstückelte Familie nämlich nicht und dass diese selbstgewählte Tradition nun einen Abbruch hatte erleiden müssen, gefiel der jungen Frau ganz gewiss nicht. »Schön. Ich habe keine Vermutung, wer den Kerl ermordet haben könnte!«, zischte Dominique und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie wollte sich abschirmen von den Geschehnissen der frühen Morgenstunden, das erkannte der Fluchbrecher sofort. »Also Harry«, richtete sie die Worte an ihren Onkel, der mit seinem besten Freund fachmännisch über der Leiche lehnte und mit dem Zauberstab hantierte. Seine grünen Augen suchten sogleich ihre. »Kann ich bitte gehen? Ich habe bereits alles gesagt und der Anblick dieses Kerls fördert nun nicht gerade meine Gesundheit.« Harry und Ron tauschten schnelle Blicke, ehe der Potter zu einer wohl formulierten Antwort ansetzte. Sie würde keinesfalls darauf eingehen, schoss es ihr durch den Kopf. Vergebene Liebesmüh. »Dominique, vielleicht wäre es besser, wenn du die nächsten Tage im Hauptquartier des Ordens verbringst. Wir wissen noch nicht, wie dieser Mord zu deuten ist. Eventuell betrifft er dich mehr, als du ahnst. Zudem bin ich mir nicht sicher, ob du psychisch schon in der Lage-« »Ich kann nicht«, unterbrach sie ihn knapp und fuhr sich mit den Fingern durch das lange Haar, »und ich will auch nicht. Mir geht es gut, Harry, wirklich. Man nenne es eine Art Berufsrisiko.« Sie verdrehte die Augen und konnte ein leises Kichern nicht unterdrücken. Das war so absurd. Alles, was aus ihr geworden war. Einfach absurd. »Wie viele Todesser waren unter deinen – ähm -« Ron Weasley kratzte sich verlegen am Hinterkopf und widerwillig sah Dominique ihn an. »Ich weiß es nicht. Ein paar, schätze ich. Vielleicht aber auch keiner. Man redet nicht viel.« Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Von den namentlich erfassten Todessern – mit wie vielen hattest du vor der Teilung Kontakt?« Dominique seufzte. Die Zauberer sprachen von der Teilung und bezeichneten damit die Zeit vor etwa vier Jahren, als die Zaubererwelt zwischen Gut und Böse gewählt hatte. Nur wenige waren dabei neutral geblieben, fast alle hatten sich einem Pakt angeschlossen – dem Phönixorden oder der Dunklen Armee unter Gregory Grindelwald. Dabei war das Verständnis der zwei Gesinnungen verwischt. »Ich war in der Siebten kurzweilig mit Zabini zusammen«, antwortete sie mechanisch. Es galt als offenes Geheimnis, dass Adrian ein Todesser war und dennoch bekleidete er als Besitzer des Tagespropheten eine Position, deren Macht er durchaus einmal unheilvoll einsetzen könnte. Alles eine Frage der Zeit, wie Dominique vermutete. Doch da man Zabini kein Vergehen nachweisen konnte, blieb er in seiner Stellung, die ihm das Familienerbe und unzählige Galleonen eingebracht hatten. »Genauer hatte ich mit keinem weiteren zutun. Aber es kann gut möglich sein, dass viele Unnahbare oder Spione unter meinen Kunden sind.« »Okay, Dominique, ich denke Adrian Zabini lässt sich in diesem Fall ausschließen. Meinen Quellen nach befindet er sich momentan in Amerika. Wir haben aber natürlich versucht, herauszufinden, wer diesen Mord begangen hat und warten nun noch den Patronus vom Zaubereiministerium ab. Vielleicht haben wir ja Glück und haben es mit einem Todesser zutun, der seinen Geist nur amateurhaft verschließt«, sagte Harry sachlich und dennoch sah sie in seinem zermürbten Gesicht, dass er sich nur wenig Hoffnungen machte. Die Todesser ihrer Zeit hatten einfach zu viele Methoden, der magischen Wissenschaft zu entkommen. »Sie hat Fred vergessen«, meinte James nach einigen Sekunden der Stille und Dominique riss entgeistert den Kopf herum. »Was? Willst du mir unterstellen, ich hätte was mit Fred gehabt?«, rief sie erzürnt und James hob verblüfft eine Augenbraue. »Ich wollte lediglich anmerken, dass du ihn auch kanntest. Familie, schon vergessen?«, entgegnete er und Dominique sah mit neuem Unbehagen, wie ein Funken Erkenntnis sich bezüglich ihres vorangegangenen Ausbruchs in seinen Blick stahl. James musterte sie erneut. »Kann es sein, Dome, dass irgendwas zwischen euch vorgefallen ist?« »Nein«, sagte sie forsch und schenkte ihm einen angewiderten Blick. »Fred und ich? Cousin und Cousine? Bist du ein bisschen pervers, du Idiot?« Ein unangebracht charmantes Lächeln stahl sich auf James‘ Gesicht. »Du bist abgebrüht genug dafür«, er gestikulierte mit einem Nicken zum Bett, »Eine Zweiundzwanzigjährige und ein Kerl im Alter deines Vaters – das ist pervers, Schätzchen.« »Das ist ein Job, James!« »Der Kerl hat trotzdem noch einen Namen, Dome!«, sagte der jüngere Potter unvermittelt und fuhr sich hitzig durch das schwarze Haar, »Es ist Seamus, verdammt! Wir kennen ihn, seid wir Kinder waren! Und du -« »Es ist ein Job, James«, wiederholte Dominique langsam. »Nur eben einer, über den man nicht spricht.« »Wir können nur hoffen, dass Fred es nicht getan hat«, murmelte Harry und trat ans Fenster, die Streitenden beflissentlich ignorierend und dennoch legten Dominique und James ihr Wortgefecht nieder. »Sondern es wäre wie immer nur ein weiterer Mord, der ungelöst zu den Akten kommt«, fügte Ron müde hinzu und ließ sich ungeachtet der Vorschriften in den nächstgelegenen Sessel fallen. Er tippte sich gedankenverloren an die Schläfe. »Fred hat seit dem Beginn seiner Karriere keine Fehler mehr gemacht. Okklumentik ist sein Spezialgebiet. Wenn er es getan hat, wird das Zaubereiministerium es nicht herausfinden.« Es zerrannen etliche Minuten, in denen keiner von ihnen sprach. Erst als der Patronus in das Zimmer brach, wagte Dominique sich wieder zu bewegen. Sie kannte die Stimme, die aus dem Maul des Pferdes erklang, doch lag die Bekanntschaft mit dieser Person schon zu weit zurück, als dass die sich hätte erinnern können. »Der Zauberstab konnte erfolgreich identifiziert werden. 16 Zoll, Weidenholz, Hippocampusschuppe und Drachenherzfaser. Der Besitzer konnte erfolgreich zugeordnet werden. Mit 99prozentiger Wahrscheinlichkeit ist es der Zauberstab von Fred Weasley. Verbleib unbekannt.« Dominique schluckte. Ihr Herz wollte nicht wahrhaben, was ihr Verstand schon längst zu glauben übernommen hatte. Dieses Wissen änderte alles. Der Mord ging sie doch etwas an. Er war an sie gerichtet. Es war Freds makabere Art, sich in ihrem Leben zurückzumelden. Sie presste die Lippen aufeinander und verschränkte erneut die Arme vor der Brust, doch in diesem Moment nur, um das aufkeimende Zittern zu unterdrücken. Wenigstens hatte er seinen Sinn für faire Spiele noch nicht ganz verloren. Es wurde mit offenen Karten gespielt. ~ »Bist du nervös, Liebes?«, fragte Astoria Malfoy irritiert, als sie an Rose vorbeischwirrte, zahllose Mengen Geschirr und Töpfe im Schlepptau, die eifrig hinter ihr her schwebten. »Bescheuerte Frage, Mutter«, kommentierte Imogene trocken und nahm einen weiteren großen Schluck aus ihrem Glas mit Feuerwhiskey, ehe sie der starren Weasley schwesterlich ebenjenes anbot. Rose schüttelte matt den Kopf und eine rote Haarsträhne verirrte sich dabei in ihrem Gesicht. Ihre blauen Augen wanderten schutzsuchend hinauf in den weiten, wolkenlosen Himmel und die Sonne brannte an diesem Tag so sehr, dass Rose geradezu spürte, wie die Somersprossen in ihre Wangen zurückkehrten. »Scheint so, als wäre es für uns alle eine lange Nacht gewesen«, murmelte Imogene gedehnt, ehe sie das Glas erneut an ihre Lippen setzte und es austrank. »Seit wann trinkst du am Vormittag?«, fragte Rose mechanisch, den Blick auf die Ländereien gerichtet, die sich ringsum Malfoy Manor erstreckten. Sie nahm nur aus den Augenwinkeln heraus wahr, wie die junge Malfoy belanglos mit den Schultern zuckte. »Mir ist einfach gerade danach. Ich glaube, ich erzähle dir von den neusten Vorkommnissen erst, wenn du wieder einigermaßen normal bist.« Rose wollte gerade etwas erwidern, als Astoria zurückkam und den Platten mit Lachspastetchen genau anwies, wohin sie sich auf der langen Tafel zu sortieren hatten. »Ähm, Mutter, haben wir das ganze Ministerium eingeladen?«, fragte Imogene genervt, als sie schnell ihre Flasche Feuerwhiskey vor übereifrigem Geschirr in Sicherheit brachte. »Nur die Aurorenzentrale«, entgegnete Astoria gut gelaunt und überhörte den sarkastischen Unterton in der Stimme ihrer Tochter, der zuweilen daran klebte wie ein Objekt, das man mit Saubermanns Spezialhafter fixiert hatte. »Ach, ich vergaß, weil die zurzeit bei den ganzen Anschlägen ja auch nichts Besseres zutun haben«, flötete Imogene und obgleich sie vollends in ihrer Beschäftigung aufging, bemerkte Astoria die Spitze und ihre Augen verengten sich. »Gib mir die Flasche, du alte Sabberhexe«, wies sie ihre Tochter gnadenlos zurecht, doch Imogene setzte nur ein charmantes Lächeln auf und goss ihr Glas erneut voll. »Wenn ich das hier überleben soll, Mutter, dann lass mich lieber trinken, sonst kommt mir noch ein recht ungünstiger Fluch für mein Brüderchen über die Lippen.« Rose schluckte die Worte, welche ihr auf der Zunge lasteten, hinunter. Wenn es doch nur nach ihr ginge … dann säße sie nicht in diesem Schlamassel fest, sondern würde sich erstmal von ihrer Nachtschicht erholen und ausschlafen.Aber wie immer ging es nicht nach ihr. Astorias vertraute Züge schoben sich in diesem Moment vor ihr Gesicht und ihre Handfläche suchte Rose' Stirn. »Du siehst wirklich nicht gut aus, Rose. Du bist so blass und fahl.« »Das ist genau das, was sie jetzt braucht, Mutter. Immer rauf da!«, lachte Imogene und klopfte Rose auf die Schulter, welche nun endlich eine Regung zeigte. »Sorry, dass ich scheiße aussehe, aber ich habe die ganze Nacht gearbeitet, bin seit dreißig Stunden wach und kann gerade an nichts anderes denken als ein weiches Bett - von denen ihr hier bei Merlins Unterhose hundert oder mehr habt!« Leichte Feindseligkeit gegen diese Familie ergriff von Rose Besitz. Ganz leicht. Sich in Scorpius Malfoy zu verlieben war der Fehler ihres jungen Lebens gewesen. »Aber Schatz, wir wissen doch, was wir machen. Du sagst ihm, dass du es dir anders überlegt hast und du ihn nun doch endlich heiraten willst und dann wird sich alles wieder einrenken, das verspreche ich dir. Diese dahergelaufene Frau ist schneller weg, als du Azkaban sagen kannst! Mitnichten wird sie dir das Wasser reichen können.« Wenn Astorias Rede darauf abgezielt hatte, Motivation zu sähen, so verfehlte sie ihre Wirkung. »Und das Leben macht so verdammt viel Spaß«, kommentiere Imogene dumpf und schüttelte den Kopf vor lauter Missfallen an der Situation. »Weißt du, was ich richtig toll finde, Mutter?«, fragte die Malfoy ernst und nahm erneut einen Schluck aus ihrem Glas, »Wir haben diese riesige Terrasse seit Urzeiten, aber wir nutzen sie erst, seit Terroranschläge und Todesser an der Tagesordnung stehen. Ich finde sehr ergötzend, dass die Aurorenzentrale heute wie auf dem Präsentierteller sitzt.« Anstelle etwas zu erwidern, entriss Astoria ihrer Tochter den Feuerwhiskey und stürmte davon. Imogene seufzte theatralisch und ließ den Blick schweifen. Das blonde Haar hatte sie sich zu einem losen Zopf gebunden und wie üblich trug sie Jeans und ein schwarzes Tank Top. Ihr Bruder war keineswegs jemand, für den es sich in ihrer Welt aufzuhübschen galt. »Ich weiß nicht, was ich will«, sagte Rose in diesem Moment trocken und faltete ihre blassen Hände. »Definitiv gönnst du keiner anderen meinen Bruder, also liegt als Grund nahe, dass du ihn willst«, kombinierte die Malfoy schlicht und spielte mit einer losen Haarsträhne. Sie schwiegen eine kurze Ewigkeit, ehe ein lautes Jauchzen die Stille durchbrach, gefolgt von kleinen Füßen, die ausgelassen über den teuren Marmorboden tanzten. »Papa kommt!«, brüllte Lina in diesem Augenblick und so schnell, wie ihr Fußgetrappel gekommen war, verklang es auch wieder, als sich das kleine Mädchen entfernte. Rose seufzte leise, ehe sie sich erhob und gemeinsam mit Imogene die hellen Flure entlang schritt, die sie zur Eingangshalle führten. Alle Türen standen äußerst einladend offen, obgleich Rose in diesem Moment eher den geeigneten Fluchtweg suchte. Sie wollte ihm nicht entgegentreten, wenn er eine andere Frau kennengelernt hatte, aber sie wusste auch unweigerlich, dass sie keine Alternative besaß. Immerhin hatten sie ein Kind. Nie mehr würde sie in der Lage sein, sich von Scorpius Malfoy abzukapseln. »Ich wette, er trägt wieder irgendein teures Label und Krokodilleder-irgendwas-Schuhe und lässt mich in meinen Leggins richtig erbärmlich aussehen. Und natürlich ist seine neue Freundin das komplette Gegenteil zu mir, so perfekt und unerreichbar, dass ich Komplexe kriege«, prophezeite Rose düster und entlockte der jungen Malfoy so ein kleines Lachen. »Mich nervt ja am meisten, dass er fast sein ganzes Vermögen für Autos ausgibt. Ich meine, okay, wir sollen uns mit Muggeln beschäftigen, aber er hat das glaube ich etwas falsch verstanden. Sieh dir doch nur wieder diesen Schlitten an!« Ein anerkennder Pfiff entwich in diesem Moment Draco Malfoy, der hinter ihnen aus dem Haus trat und Lina auf dem Arm trug, sodass Imogene sich gezwungen sah, extra lange die Augen zu verdrehen. Scorpius Malfoy, der Lebemann, dachte Rose geplättet, als das teure Auto die Einfahrt zu Malfoy Manor hinauf rollte und dabei – für ein Objekt – pure Eleganz verströmte. Imogene entwich ein missbilligendes Geräusch und demonstrativ abweisend setzte sie sich ihre Sonnenbrille auf. Die Scheiben des Wagens waren so stark verdunkelt, dass Rose nicht imstande war, auch nur einen Blick auf dessen Fahrer zu erhaschen, sodass ihr unwillkürlich stark der Atem stockte, als das Auto zum Stehen kam und die Fahrertür aufgestoßen wurde. Linas bahnbrechender Aufschrei, der zwangsläufig auch einen Tinitus gut förderte, durchbrach die Stille und die Kleine hangelte sich von Dracos Arm und sprintete die Treppen hinunter. Er sah gut aus, sehr gut sogar. Aber das war beinahe normal, denn Rose hatte längst begriffen, dass ein Malfoy mit zunehmendem Alter nur noch attraktiver wurde. Scorpius umrundete elegant das Auto und fing lachend Lina auf, bevor er ebenso lässig die Beifahrertür öffnete. Er warf Rose ein schelmisches Grinsen zu und die Weasley erwischte sich dabei, wie sie zurücklächelte. Für einen Moment waren sie wieder siebzehn. Doch das Lächeln gefror ihr rasch in den Mundwinkeln, als sie sah, wer da aus dem Auto stieg. Und der Anblick sog ihr jegliche Luft aus den Lungen. »Das glaub ich jetzt nicht«, murmelte sie ungläubig und mit einem Mal fühlte sich die Weasley, als hätte man ihr einen Klatscher in den Magen gerammt. »Die Frau sieht aus wie ich – nur besser. Eben erfolgreich, mit Stil und ohne neun Monate Schwangerschaft!«, entrüstete sie sich leise und schüttelte leicht den Kopf, bis Scorpius sie erneut ansah und sie sich zu einem möglichst gleichgültigen Gesichtsausdruck zwang. »Darauf trink ich«, wisperte Imogene, »und du am besten auch.« ~ tbc. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)