Behind Closed Doors von Fairytale_x3 (can you find the truth?) ================================================================================ Kapitel 6: shelterless ---------------------- Kapitel 6: Shelterless Donnerstag Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie zur Tür und hob reflexartig die Arme vor das Gesicht, um die Augen vor dem hellen Licht, das den Raum durchflutete, zu schützen. Als sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatten, ließ sie die Arme sinken und erblickte einen Mann im Türrahmen, der etwas in der Hand zu halten schien. Mit langsamen Schritten setzte er sich in Bewegung und ging zielstrebig auf sie zu, was sie dazu veranlasste hektisch nach hinten zu rutschen, bis sie an die feuchte Holzwand stieß. Panisch fixierte sie die Person, verfolgte jeden ihrer Schritte und presste sich dabei fest gegen die Wand, als wolle sie damit erreichen, dass diese unter ihrem Gewicht nachgab und sie flüchten konnte. Zwanghaft rang sie nach Luft, während der Unbekannte weiter auf sie zu ging und einen halben Meter vor ihr zum Stehen kam. Ohne sie aus den Augen zu lassen, stellte er einen Teller zu Boden und entfernte sich wieder, bis die Tür wenig später ins Schloss fiel und der Schlüssel doppelt gedreht wurde. Als sie realisierte, dass die Tür verschlossen wurde, fing sie aus Verzweiflung und aus Wut erneut an zu schreien, bis ihre Stimme endgültig abbrach und ihr Hals furchtbar brannte. Weinend sackte sie in sich zusammen, kauerte sich in eine Ecke und schluchzte hemmungslos, bis sie selbst dafür zu schwach war. Ihre Gedanken wanderten zu ihrer Familie und ihren Freunden. Sie fragte sich, ob man bereits nach ihr suchte. Sie hatte doch nur einen kleinen Spaziergang machen wollen, um den Kopf freizubekommen, nachdem sie sich so schlimm mit ihrem Freund Steven gestritten hatte. Eine Lappalie hatte wieder einmal dazu geführt, dass sie sich in die Haare bekommen hatten und jetzt saß sie hier in diesem modrigen Raum ohne Licht und ohne zu wissen, wo sie sich befand. Ihr Vater fragte sich sicherlich wo sie blieb, er sorgte sich wenigstens um sie und ihren Bruder, was man von ihrer Mutter nicht gerade behaupten konnte. Durch ihre langjährige Alkoholsucht hatte sie das Familienleben nachhaltig gestört und sie war sich sicher, dass ihr Vater nur wegen ihr und ihrem Bruder noch bei ihnen lebte. In Gedanken konnte sie sich vorstellen, wie er unruhig im Wohnzimmer saß und auf die Uhr starrte, während er auf ihr Zurückkommen wartete. Dabei versuchte er sich wohl in Gedanken selbst zu beruhigen. Und ihre Mutter? Wenn sie überhaupt gemerkt hatte, dass sie nicht nach Hause gekommen war, wovon sie nicht aus ging, dann war es ihr egal. Sie hatte es vor einigen Jahren aufgegeben, auf Zuneigung ihrer Mutter zu hoffen. Irgendwann hatte sie die wiederkehrende Enttäuschung nicht mehr ausgehalten und hatte es aufgegeben. Ihrem Bruder ging es ähnlich, er sperrte sich in seinem Zimmer ein, um die ständigen Auseinandersetzungen zwischen ihren Eltern nicht miterleben zu müssen und wollte mit niemandem sprechen. Er und ihr Vater würden alles tun, um sie hier rauszuholen. Dessen war sie sich absolut sicher. Ein beruhigendes Gefühl breitete sich langsam in ihrem Körper aus und sie wurde ruhiger. Mit dem Handrücken wischte sie über ihre verweinten Augen und warf einen skeptischen Blick auf das Essen, das vor ihr auf dem Boden stand. Sie konnte es in der Dunkelheit nicht erkennen, aber als sie den Teller an sich nahm und ihre Finger vorsichtig über den Inhalt glitten, stellte sie fest, dass es sich um ein leeres Brötchen handeln musste. Sie nahm das Glas und nippte daran. Wasser. Was hatte sie auch anderes erwartet? Ein leeres Brötchen und ein Glas Wasser. Das war alles. Ihr knurrender Magen erinnerte sie lautstark daran, dass sie seit dem Mittagessen keine Nahrung mehr zu sich genommen hatte, worauf sie halbherzig in das trockene Gebäck biss. Das Wasser trank sie in einigen Schlucken aus. Nachdem sie gegessen hatte, übermannte sie die Müdigkeit und sie sank in einen unruhigen Schlaf. Gähnend betrat Daniel am nächsten Morgen das Department und rieb sich die müden Augen. Dunkle Augenringe zierten sein Gesicht und er hatte große Mühe nicht einzunicken. Die Nacht über hatte er nicht viel geschlafen, was daran lag, dass er sich über den Fall den Kopf zerbrochen hatte und sich um seine Schwester sorgte. Und ohne es zu wollen, hatte sich Sarah immer wieder in seine Gedanken geschlichen, was nicht gerade schlaffördernd gewesen war. Als er den Eingangsbereich betrat, herrschte dort reges Treiben und Molly saß bereits an ihrem Platz hinter dem Empfang. „Guten Morgen, Molly.“ „Morgen, Daniel. Wie siehst du denn aus?“ Besorgt musterte sie den Jüngeren, der auf dem Tresen lehnte und ihr müde entgegenblickte. „Ich hab nicht sonderlich viel geschlafen heute Nacht. Der Fall und meine Schwester haben mich davon abgehalten.“ „Geht es ihr besser?“ Molly hatte sich von ihrem Platz erhoben und war in den angrenzenden Aufenthaltsraum gelaufen, aus dem sie mit einer Tasse Kaffee zurückkam, die sie Daniel reichte. „Danke. Ja, ich denke schon.“ „Dann solltest du dir keine Sorgen um sie machen. Und jetzt beeil' dich besser. Du wirst bereits erwartet.“ „Chef?“ „Hmh, Sarah ist schon da.“ Er verabschiedete sich nickend und lief in Richtung des Büros seines Chefs. Mollys nette Art verwunderte ihn. Bisher hatte er sie als mürrische alte Frau eingeschätzt, aber sie meinte es wohl nur gut. Kopfschüttelnd vertrieb er die Gedanken, als er kurz darauf Alex' Büro erreichte, aus dem wütende Stimmen drangen. Er zog eine Augenbraue in die Höhe und seufzte hörbar auf, bevor er klopfte und den Raum betrat. Sofort verstummten die beiden und sahen erstaunt zu ihm. Sarah lehnte am Fensterbrett, die Arme vor der Brust verschränkt und senkte den Blick gen Boden, als sie Daniel erblickte. Scheinbar hatten sie sich gestritten, was ihn in Anbetracht des momentanen Verhältnisses der beiden nicht sonderlich wunderte. Dennoch versuchte er normal aufzutreten, um die angespannte Situation zu entschärfen. „Morgen“, grüßte er kurz, mehr an Sarah gerichtet, die ihm zunickte ohne aufzublicken. „Was ist hier los?“ „Nichts, ich musste Sarah nur klar machen, dass ihre absurden Vermutungen hier nichts zu suchen haben.“ Daniel wandte sich seiner Kollegin zu, die es weiterhin bevorzugte auf den Boden zu blicken. Ihre Fingerknöchel traten weiß hervor und ihre Finger bohrten sich tief in ihre Arme, so fest umklammerte sie diese. Innerlich musste sie vor Wut kochen und es überraschte ihn, dass sie es schaffte sich zu beherrschen und nicht wie gewohnt direkt dagegen zu halten. „Gut, da ihr das scheinbar geklärt habt, können wir anfangen? Was gibt es neues?“ Er wandte sich seinem Chef zu, der in seinem ledernen Bürosessel lungerte und ihn gelangweilt ansah. „Bei dem vermissten Mädchen handelt es sich um Brooke Coleman, 18 Jahre, blondes Haar, braune Augen, wohnhaft in Jacksonville. Laut den Angaben ihres Vaters muss sie gegen 19 Uhr das Haus ihres Freundes Steven Conner verlassen haben, nachdem sie sich heftig mit diesem gestritten hatte. Nach Hause kam sie nicht. Der momentanen Sachlage entsprechend, müssen wir davon ausgehen, dass der Mädchenschrei im Wald, den deine Schwester und ihre Freundinnen gehört haben möchten, im Zusammenhang mit Brooke Coleman steht, da beides im selben Zeitraum stattgefunden hat und die gefundene Jeansjacke von ihrem Vater als ihre identifiziert wurde“, erklärte Alex gelassen, während er sich in seinem großen Ledersessel nach hinten lehnte, der daraufhin geräuschvoll quietschte und die Hände auf dem Bauch faltete. Seine entspannte Haltung verwunderte Daniel und auch Sarah schien über sein Verhalten irritiert. Immerhin ging es hier um ein potentielles zweites Opfer. „Sie ist bis jetzt nicht wieder aufgetaucht?“ „Hätte ich wohl erwähnt, oder?“ Alex' genervte Stimme überhörte er gekonnt, als er nach der Mappe griff, die auf dem Tisch lag und mit Elenas Namen versehen war. Er war es gewohnt, dass sein Chef unfreundliche Antworten gab. Schweigend zog er sich einen der Stühle, die dem Schreibtisch gegenüber standen, heran und setzte sich, bevor er die Mappe öffnete und die einzelnen Dokumente durchlas. Dabei bemerkte er Sarahs stechenden Blick auf sich. Es schien, als wartete sie gespannt darauf, wie er reagieren würde, wenn er gelesen hatte. Die ersten Zeilen überflog er und zog eine Augenbraue in die Höhe. „Interessant, davon haben uns ihre Eltern gar nichts erzählt“, murmelte er, nachdem er das Schreiben der Schule durchgelesen hatte. „Von was?“ Alex gelangweilte Stimme trieb ihn beinahe in den Wahnsinn. Wie der es geschafft hatte Chief zu werden, wollte er besser nicht wissen, in seinen Augen war er mit Abstand die ungeeignetste Person für den Job, die es gab, zumindest was den Charakter anging. „Dass sie nicht mehr zur Schule gegangen ist. Letzten Freitag nicht und in den letzten Wochen hat sie auch des Öfteren unentschuldigt gefehlt.“ „Haben sie wohl für nicht wichtig empfunden. Wer weiß, was in solchen Eltern vorgeht.“ Daniel seufzte auf und besah sich das nächste Schreiben. Das von Elenas Frauenärztin. Mitten im Text stoppte er. „Sie hatte vor abzutreiben?“ Sein Blick wanderte von Alex zu Sarah, die entschieden den Kopf schüttelte. „Nein, dass denke ich nicht.“ „Sarah, verschone uns. Das hatten wir vorhin durch“, stöhnte Alex genervt und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. „Was denkst du denn?“ Daniel ignorierte die Worte seines Vorgesetzten und blickte seine Kollegin fragend an. „Sieh dir die Ultraschallbilder an. Das letzte entstand in der 16. Schwangerschaftswoche. Am Freitag, den 24.06.11, also vor knapp zwei Wochen.“ „Auf was willst du hinaus?“ „Das letzte Schreiben ist vom 27.06.11, also Montag letzte Woche. Darin wird ihr ein Termin für ein Beratungsgespräch am Mittwoch, den 29.06.11 angeboten, den sie nicht wahrgenommen hat. Am Montag darauf war sie tot.“ „Woher weißt du das so genau?“ „Ich habe vorhin dort angerufen.“ „Sarah komm endlich auf den Punkt, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit“, redete Alex übelgelaunt dazwischen und bedachte sie mit einem argwöhnischen Blick, den sie nicht minder böse erwiderte, bevor sie sich Daniel zuwandte. „Jedenfalls denke ich, dass sie das Kind behalten wollte, deswegen hat sie den Termin zum Beratungsgespräch nicht wahr genommen. Ihr war bewusst, dass ein Kind in der 16. Schwangerschaftswoche bereits lebt und hat eine Abtreibung aus diesem Grund abgelehnt.“ „Eine Abtreibung ist bis in die 24. Woche möglich, Sarah. Das ist Blödsinn.“ „Ist es nicht, verdammt! Das Kind lebte bereits und sie wusste das. Hätte sie es abtreiben wollen, hätte sie das schon viel früher getan. Aber das hat sie nicht, weil es nicht ihre Absicht war. Deswegen musste sie sterben!“ Zum Schluss hin wurde ihre Stimme immer wütender und nahm enorm an Lautstärke zu, doch Alex blieb völlig unbeeindruckt. „Schwachsinn. Wer hätte sie umbringen sollen? Ihre eigenen Eltern vielleicht?“ „Warum nicht?“, konterte Sarah, verschränkte demonstrativ ihre Arme vor der Brust und sah ihm herausfordernd ins Gesicht. „Warum sollten die Eltern ihr Kind umbringen? Weil dieses schwanger ist? Findest du nicht auch, dass das zu weit her geholt ist? Aber entschuldige, ich vergaß, von dir kennen wir es nicht anders.“ Sarah biss sich fest auf die Lippe und schluckte die brodelnde Wut in sich runter, die bei seinen stichelnden Worten hoch kam, bevor sie antwortete: „Vielleicht weil sie etwas zu verheimlichen haben?“ In Daniels Kopf begann es zu arbeiten. Krampfhaft versuchte er die gehörten Informationen zusammenzufügen und den Sinn dahinter zu verstehen. Auf was wollte Sarah hinaus? Alex hatte Recht, abtreiben hätte sie noch können, aber Sarahs Einwand gab ihm zu denken. Wenn Elena nicht abtreiben wollte, wieso dann der Termin zum Beratungsgespräch? Hatten ihre Eltern womöglich darüber bestimmt? Elena war minderjährig, ihre Eltern konnten theoretisch entscheiden. Aber Mrs. Wasilenko wirkte überrascht, als Sarah die Schwangerschaft erwähnt hatte. Hatte sie ihnen etwas vorgespielt? Und sie hatten es nicht bemerkt? Ihr Vater dagegen war die ganze Zeit über vollkommen gefasst. Beinahe zu gefasst, als wären die Informationen nichts Neues für ihn. Als Daniel begriff auf was Sarah hinaus wollte, lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Geschockt sah er zu seiner Kollegin, die ihren Chef noch weiterhin herausfordernd anstarrte und schluckte hörbar. „Du meinst...“, fragte er mit brüchiger Stimme. Der Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte, war so groß, dass es ihm schwer fiel seine Stimme gefasst klingen zu lassen. Er räusperte sich. „Das Kind könnte von ihrem Vater sein? Und als sie sich weigerte abzutreiben und womöglich damit zur Polizei gehen wollte, musste sie sterben?“ „Genau das.“ Alex sah überrascht zu Sarah und dachte über das Gesagte nach. Im nächsten Moment verzog sich sein Gesicht zu einer argwöhnischen Miene. Für ihn klang es abwegig, sie hatten keinerlei Hinweise, die den Verdacht auf den Vater lenken könnten und außerdem kam die Behauptung von Sarah. „Jetzt reicht es aber. Das sind nichts als an den Haaren herbeigezogene Behauptungen.“ Wütend setzte sich Alex in seinem Bürostuhl auf und blickte zornig von Daniel zu Sarah, die er mit seinem Blick fixierte. „Beweis mir das Gegenteil. Fordere einen DNA-Test des Embryos an und nimm von Mr. Wasilenko eine DNA-Probe für den Vergleich. Liege ich falsch, dann gut, aber sollte ich recht behalten, hat er ein verdammtes Tatmotiv“, erwiderte Sarah scharf. Alex dachte einen langen Augenblick über Sarahs Worte nach. „Gut, ich rufe dort an. Ihr fahrt los und bringt Mr. Wasilenko in der Zwischenzeit hier her. Aber sollte sich dein Verdacht als falsch erweisen, will ich davon nichts mehr hören, verstanden?“ „Ja“, murrte Sarah widerwillig. „Gut, dann könnt ihr jetzt gehen.“ Das ließ sie sich nicht zweimal sagen, machte auf dem Absatz kehrt und hastete aus dem Büro des Chiefs. Direkt schlugen ihr laute Stimmen entgegen und sie fragte sich einmal mehr, wie Molly diesen Lärm den ganzen Tag aushalten konnte, ohne wahnsinnig zu werden. Es war bereits zehn Uhr vormittags, um diese Zeit herrschte Hochbetrieb im Police Department und Sarah war froh, dass sie die Stimmkulisse hinter sich lassen konnte. Dass Daniel nach ihr rief, nahm sie nicht wahr. Ihr lag alles daran diesen Ort schnellstmöglich zu verlassen, nicht nur wegen der Lautstärke, sondern vielmehr, um ihre Wut nicht Überhand gewinnen zu lassen. Denn das würde dazu führen, dass sie zurück gehen und ihrem Chef die Meinung sagen würde, was mit Sicherheit Konsequenzen hätte. Es war klar gewesen, dass er ihren Verdacht im Ansatz ersticken würde, anstatt ernsthaft darüber nachzudenken. Schließlich kam er von ihr, er war nicht selbst drauf gekommen und konnte jetzt nicht zugeben, dass er eine Überlegung wert war, das hatte sie ihm angesehen. Aber sie wollte sich nicht aufregen, das hatte er nicht verdient. Demonstrativ verschränkte sie die Arme vor der Brust und starrte stur geradeaus auf die Straße, bis sie von hinten angesprochen wurde. „Mensch, Sarah, was rennst du so? Derart eilig haben wir es auch nicht.“ Sie warf Daniel einen vielsagenden Blick von der Seite zu und stampfte zum Auto, ohne die Haltung ihrer Arme aufzugeben. Es war nicht richtig, ihn so zu behandeln und das wusste sie. Sie wollte nur verhindern, dass er sie erneut über ihren Chef aufklärte und versuchte sie zu belehren. Das Gespräch würde wie jedes enden, dass sie geführt hatten. Er würde nicht verstehend den Kopf schütteln und sie würde auf Durchzug schalten, bis er es aufgab. Sie wusste, dass er recht hatte und dennoch schaffte sie es nur spärlich Alex aus ihrem Kopf zu verbannen. Zu Beginn, als sie im P.D. angefangen hatte, war die Welt noch in Ordnung gewesen, zumindest ansatzweise. Sarah war ein Cop wie jeder andere im Department und sie war gut. Das wussten alle zu schätzen. Doch mit der Zeit veränderte sich ihr Verhältnis zu Alex zunehmend und je mehr sie für ihn empfand, desto größer wurde seine Abneigung ihr gegenüber. Und sie vergaß dabei, dass es noch andere liebenswürdige Menschen in ihrem Umfeld gab. Verächtlich stieß sie die Luft zwischen ihren Lippen aus, was ihr einen verwirrten Blick seitens Daniels einbrachte, den sie nicht erwiderte. Sie hörte ihn aufseufzen, als er den Wagen aufschloss und sie sich auf dem Beifahrersitz setzte. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie er zum Sprechen ansetzte, gab ihm aber nicht die Chance einen Satz zu beginnen. „Stopp! Kein Ton über Alex, klar? Ich will es nicht hören. Ich weiß, ich soll mich über seine Worte nicht aufregen und das mach ich jetzt auch nicht mehr. Gib mir Zeit, bis wir da sind, dann bin ich wieder normal, versprochen. Aber bis dahin lass mich bitte.“ „Ist okay“, nickte er einverstanden und startete den Motor. Daniel zwang sich konzentriert auf die Straße zu sehen und nicht ab und an einen Blick zu seiner hübschen Kollegin zu werfen, welche den Ellenbogen auf der Armatur der Tür gestützt hatte und stur aus dem Fenster ins Nichts sah. Er hatte es versprochen und Versprechen brach er für gewöhnlich nicht. Nervös trommelte er auf dem Lenkrad, als sie an einer roten Ampel zum Stehen kamen. Woher die plötzliche Nervosität kam, wusste Daniel nicht. Es war wohl der Gedanke, gleich erneut das Haus der Wasilenkos zu betreten. Die sorgsam aufgebaute heile Welt, die es zum Schein darstellte und es in Wirklichkeit nicht war. Daniel fragte sich, ob Elenas Eltern wirklich etwas zu verbergen hatten oder ob lediglich die Indizien ungünstig gegen sie sprachen. Zumindest die Mutter erschien ihm glaubwürdig, was man von ihrem Mann nicht behaupten konnte. Seine ruppige, abweisende Art erinnerte ihn an Alex und den konnte er nicht sonderlich gut leiden. Das Hupen der Autos hinter ihm, riss ihn abrupt aus seinen Gedanken und er fuhr ruckartig an, bevor die Ampel umschaltete. „Alles in Ordnung mit dir?“, fragte Sarah skeptisch, den Kopf von dem Fenster abwendend. „Was? Klar, alles bestens, ich habe gerade nur an die Familie denken müssen.“ „An die Wasilenkos?“ Ihr Tonfall wurde noch skeptischer. „Hm. Ich weiß einfach nicht, was ich von ihnen halten soll. Irgendwas verbergen sie doch.“ „Egal was es ist, wir werden es herausfinden“, erklärte Sarah, als sie den Kopf wieder nach vorne drehte. Daniel nickte zustimmend. Als sie kurz darauf das Haus erreichten, verfinsterte sich seine Miene sofort. Er hatte ein ungutes Gefühl, wenn er sich dort mit Sarah aufhielt. Als wäre es gefährlich sie dort aus den Augen zu lassen. Als müsse er sie beschützen. „Okay, dann wollen wir mal“, sagte Sarah, die bereits die Autotür öffnete und im Begriff war auszusteigen. Er dagegen saß reglos hinterm Steuer und starrte ins Nichts. „Daniel? Daniel.“ Den Druck, den ihre Hand plötzlich auf seine Schulter ausübte, ließ ihn zusammenzucken. „Bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?“ Sie musterte ihn eingehend und ihr besorgter Tonfall entging ihm nicht. Er wollte nicht, dass sie sich um ihn Sorgen machte, das war nicht nötig. „Alles bestens. Ich bin heute einfach nachdenklich. Lass uns reingehen, ich glaube wir wurden schon gesehen.“ Er zeigte an ihr vorbei zu einem der Fenster, an dem schnell der Vorhang losgelassen wurde. Sarah folgte seiner Hand und stieg dann aus. „Ja, lass uns gehen.“ Sie liefen gemeinsam den gepflasterten Weg entlang und Sarah drückte zweimal kurz auf die Klingel, nachdem sie die große, weiße Haustür erreicht hatten. Von innen waren Schritte zu hören und wenig später wurde die Tür von Mrs. Wasilenko geöffnet, die ihnen fragend entgegen schaute. „Oh, guten Tag. Mit Ihnen habe ich nicht gerechnet.“ Daniel hörte heraus, wie sie versuchte ihre Stimme überrascht klingen zu lassen, was ihr aber nicht gelang. Die Nervosität war eindeutig zu vernehmen. „Guten Tag, Mrs. Wasilenko. Ist Ihr Mann zu Hause?“ Die Ältere schüttelte den Kopf. „Nein, aber kommen Sie erst einmal rein.“ Sie trat einen Schritt zur Seite und öffnete die Tür komplett, damit die beiden eintreten konnten. Daniel betrat nach Sarah das Haus und folgte den beiden Frauen ins Wohnzimmer. „Setzen Sie sich doch. Möchten Sie etwas trinken?“ Mrs. Wasilenko deutete erst auf das Sofa und beobachtete sie dann abwartend. „Nein, danke. Eigentlich wollten wir mit Ihrem Mann sprechen. Wissen Sie, wann er zurück sein wird?“, lehnte Sarah kopfschüttelnd ab, als sie sich setzte. Dabei behielt sie ein leichtes Lächeln auf den Lippen, um nicht auffällig zu erscheinen. Vorerst würden sie die Mutter nicht mit ihrem Verdacht vertraut machen. Erst mussten sie handfeste Beweise sammeln. „Er wird zum Mittag zurück kommen, er ist im Büro“, erklärte sie und setzte sich den beiden Polizisten gegenüber. „In Ordnung, hätten Sie etwas dagegen, wenn wir uns in der Zwischenzeit ein wenig in Elenas Zimmer umsehen würden?“ Mrs. Wasilenko schüttelte den Kopf. „Nein, gehen Sie ruhig. Die Treppe nach oben, zweite Tür links.“ Sarah bedankte sich lächelnd und gemeinsam verließen sie den Raum, um über die Treppe zu Elenas Zimmer zu gelangen. Wachsam sah sich Daniel jeden Zentimeter der Räumlichkeiten an. Das beklemmende Gefühl ließ ihn nicht los, deswegen folgte er Sarah auf dem Fuß und beobachtete sie durchgehend, was sie nicht zu bemerken schien. Vor der Zimmertür angekommen, stoppten sie kurz. Es war immer wieder aufs Neue komisch, so tief in die Privatsphäre eines Menschen einzudringen, auch wenn dieser tot war. Daniel ergriff die Initiative, zog sich Gummihandschuhe über und drückte die Klinke nach unten, worauf die dunkle Holztür knarrend nachgab. Der Raum war klein. Ein normales Bett, ein Schreibtisch, auf dem ein Laptop und eine Schreibtischlampe standen, ein kleiner weißer Kleiderschrank und eine gläserne Vitrine, in der sich Porzellanfiguren befanden. Die Wände waren weiß, lediglich ein kleiner Teil der Wand, an der das Bett stand, war in einem dunklen Lila gestrichen. „Sieht aus, wie ein ganz normales Mädchenzimmer“, stellte Daniel fest, als er durch den Raum geblickt hatte. „Ein bisschen klein, findest du nicht? Das Haus ist so groß und scheinbar haben ihre Eltern ein gutes Monatseinkommen. Das hier sieht mir nicht nach dem Zimmer einer 17-Jährigen aus, deren Eltern genügend Geld haben, um sich so ein prunkvolles Haus zu leisten.“ Sarah ging durch den Raum und besah sich die kleinen Porzellanfiguren, die akribisch angeordnet in der gläsernen Vitrine standen. „Stimmt, jetzt wo du es sagst. Aber vielleicht wollte sie es so? Vielleicht war ihr Geld nicht wichtig?“ Daniel öffnete den Laptop und startete ihn. „Wäre eine Möglichkeit.“ Sarah wandte sich von der Vitrine ab und lief durch den Raum. Einen Augenblick zögerte sie, dann zog sie sich ebenfalls Handschuhe an und öffnete die obere Schublade des Nachtkästchens. Das Zimmer war aufgeräumt, das Bett befand sich im selben Zustand, wie Elena es verlassen hatte, die Bettdecke lag zerknäult da und das Kissen war niedergelegen. Ihre Eltern hatten es wohl nicht fertig gebracht, etwas zu verändern. In der Schublade befand sich ein Päckchen Taschentücher, ein Ladekabel für ein Handy, ein Buch und ein Tablettenfilmstreifen. Sarah zog eine Augenbraue in die Höhe und entnahm den Tablettenstreifen. Sie drehte ihn in ihrer Hand, um den Namen des Medikamentes lesen zu können. „Night Time Sleep-Aid“, las Sarah laut vor und Daniel drehte sich ihr fragend zu. „Das sind Schlaftabletten“, stellte er verwundert fest und Sarah nickte. „Ja, bekommt man rezeptfrei. Ich frage mich eher, für was sie die genommen hat.“ Sie zog ein kleines Plastiktütchen aus ihrer Tasche und verstaute die Tablettenpackung darin. Anschließend wandte sie sich wieder dem Nachtkästchen zu. Irgendwas daran war komisch. Der Boden schloss nicht komplett mit den Seiten der Schublade und als sie ihn berührte, wackelte er. „Da ist ein zweiter Boden“, stellte sie überrascht fest. Mit dem Fingernagel fuhr sie in den Spalt und hob die Platte an. Darunter kam ein Buch zum Vorschein. Sarah legte die Platte auf den Boden und nahm das Buch an sich. Es hatte keine Beschriftung. Sie schlug es auf und bemerkte rasch, dass es sich um Elenas Tagebuch handeln musste. „Ich hab ihr Tagebuch gefunden. Es ist alles in kyrillischen Zeichen geschrieben. Wir werden es übersetzen lassen müssen. Vielleicht finden wir darin Antworten.“ Sie steckte das Buch ebenfalls in einen durchsichtigen Plastikbeutel. Daniel nickte zustimmend. „Ja, vielleicht erklärt das auch die Schlaftabletten, selbst wenn sie rezeptfrei sind. Sie muss einen Grund gehabt haben, wieso sie nachts nicht einschlafen konnte. An ihren Laptop komme ich nicht ran, der ist passwortgeschützt.“ „Egal, wir nehmen ihn mit. Ich bin mir sicher, dass wir dort noch mehr finden werden, was uns helfen könnte.“ Daniel wollte gerade antworten, als von unten laute Stimmen zu hören waren. „Scheinbar ist er daheim“, seufzte Sarah auf, als sie die Holzplatte zurück an ihren Platz in der Schublade legte und diese schloss. „Ja, lass uns runter gehen.“ Daniel klappte den Laptop zu, verstaute ihn in der dafür vorgesehen Tasche und verließ mit Sarah das kleine Zimmer. Je näher sie kamen, desto lauter und wütender wurden die Stimmen. Die meiste Zeit über war nur die von Mr. Wasilenko zu hören, der seine Frau anschrie und ihr Vorwürfe machte, wie sie es wagen konnte, Polizisten in ihr Haus zu lassen, wenn er nicht anwesend war. Als sie unten angekommen waren, beobachteten sie die Szene kurz, ehe Daniel sich räusperte, um auf sich aufmerksam zu machen. Scheinbar hatte sie bisher keiner bemerkt. Sofort drehte sich das Ehepaar in ihre Richtung und Sarah hatte den Eindruck, als würde Mr. Wasilenkos Gesichtsausdruck auf der Stelle noch wütender werden. „Sie! Was fällt Ihnen ein?“, wütete er los, ungeachtet dem, wer vor ihm stand und funkelte Daniel bitterböse an. „Wir tun hier unsere Arbeit. Und Sie würden wir bitten, uns auf die Polizeistation zu folgen, für eine DNA-Probe. Außerdem würden wir Sie gerne noch einmal befragen.“ Einen kurzen Moment schien der Ältere überrascht, dann brüllte er erneut los, sodass seine Frau neben ihm heftig zusammenzuckte und mit eingezogenem Kopf stehen blieb. „Einen alten Scheiß werde ich tun! Sie können mich nicht zwingen. Und ich werde Ihnen keine Probe abgeben, warum auch?“ „Oh doch, das werden Sie, und wenn ich Sie verhaften muss. Und die Probe bekommen wir so oder so. Wenn nicht freiwillig, dann mit richterlichem Beschluss, den kann ich innerhalb einer Stunde besorgen, die Zeit bis dahin verbringen Sie dann in einem der Verhörräume auf dem Revier. Sie können es sich aussuchen“, erwiderte Daniel ruhig und berechnend. Wasilenko schien einen langen Moment über das Gesagte nachzudenken, dabei ließ er Daniel nicht aus den Augen und bedachte ihn weiterhin mit zornesrotem Gesicht. „Gut, dann gehen wir“, knurrte er, wandte sich seiner Frau zu, die erneut zusammenzuckte und fauchte ihr etwas entgegen, dass weder Sarah noch Daniel verstehen konnten, doch sie nickte eingeschüchtert, verabschiedete sich verhalten von Daniel und Sarah und verschwand die Treppe nach oben. Sarah stutzte. Sie hatte nicht erwartet, dass Mrs. Wasilenko sich von ihrem Mann derart beherrschen ließ. Kurz blickte sie der Frau hinterher, bis sie im oberen Geschoss verschwand. Dann wandte sie sich zum Gehen, worauf ihr die beiden Männer folgten. Sarah reichte Daniel ein Röhrchen mit einem Wattestäbchen, welches er annahm und sich anschließend Mr. Wasilenko zuwandte, der mit verschränkten Armen am Tisch in einem der Verhörräume saß und stur die Wand anstarrte. Alex stand im anderen Ende des Raumes und beobachtete die Situation im Stillen. „Öffnen Sie bitte den Mund“, bat Daniel und der Ältere tat wie ihm geheißen, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Nachdem die Probe entnommen war, verschloss Daniel das Röhrchen und reichte es Sarah, die es in einem Kuvert verschloss. „Also“, begann Alex, stieß sich vom Fensterbrett ab und ging langsamen Schrittes durch den Raum. „Hatten Sie ein gutes Verhältnis zu Ihrer Tochter?“ „Was soll die Frage?“ „Antworten Sie einfach“, erklärte Alex unbeirrt und setzte sich dem Mann gegenüber. Sarah verließ den Raum, während Daniel zum Verhör blieb. „Meine Frau und ich waren nicht oft zu Hause, aber ja, ich habe meine Tochter geliebt.“ Das Wort ‚geliebt‘ hinterließ bei Daniel einen bitteren Beigeschmack, so wie Mr. Wasilenko es aussprach und Alex schien dies auch zu bemerken. „Inwiefern geliebt?“, fragte er nach. „Wie man sein Kind eben lieben kann. Sie war unser Einziges.“ Seine Stimme klang ruhig aber keineswegs traurig und Daniel fragte sich erneut, was in diesem Mann vorging. „Zur Tatzeit haben Sie und Ihre Frau ein Alibi. Ich frage mich aber, was es mit dem Beratungsgespräch zur Abtreibung auf sich hat.“ Er reichte ihm eine Kopie des Dokumentes. „Ich wusste nichts von der Schwangerschaft. Sie hatte es uns nicht erzählt. Wir haben es erst durch ihre Leute erfahren“, er nickte zu Daniel, als wolle er seine Aussage unterstreichen und schob Alex den Zettel zurück, ohne einen Blick darauf zu werfen. „Haben Sie eine Vermutung, wer der Vater des Kindes sein könnte?“, fragte Daniel unvermittelt dazwischen. Mr. Wasilenko drehte sich ihm zu und zuckte die Schultern. „Keine Ahnung, mit wem meine Tochter alles in der Kiste war.“ Überrascht zog Daniel eine Augenbraue in die Höhe und schwieg dann. Die Wortwahl schockierte ihn, aber das wollte er nicht preisgeben. „Also hatte sie auch keinen festen Freund?“ Mr. Wasilenko zuckte erneut die Schultern. „Keine Ahnung.“ „Niemand, mit dem sie sich traf oder den sie Ihnen gegenüber einmal erwähnt hat?“ „Warum fragen Sie das nicht meine Frau, die hatte Ihnen einen Namen genannt.“ „David Edwards?“ Alex‘ Gesicht verzog sich zu einer fragenden Miene. „Ja, genau den.“ „Kennen Sie David?“ „Nein, verdammt, ich habe Ihnen doch bereits gesagt, ich weiß nicht, mit wem sie verkehrte.“ „Uns liegt ein Schreiben der Schule vor, in dem steht, dass Elena in den letzten Monaten häufiger unentschuldigt gefehlt hatte. Wieso hatten Sie dagegen nichts unternommen?“ „Unentschuldigt gefehlt? Sie machen Witze, Elena war eine fleißige Schülerin, sie fehlte so gut wie nie.“ Daniel betrachtete den Älteren mit einem ungläubigen Blick. „Warum sollte die Schule so etwas schreiben, wenn es nicht stimmt?“, warf er dann ein. Mr. Wasilenko drehte sich über die Lehne seines Stuhls zurück. „Woher soll ich das wissen? Vielleicht in den Wochen, in denen nur meine Frau zu Hause war? Wenn ich da war, schwänzte sie auf jeden Fall nicht.“ Alex nickte kaum erkennbar und notierte sich etwas auf seinen Zettel, dann blickte er sein Gegenüber wieder an. „In Elenas Zimmer wurden Schlaftabletten sichergestellt. Wussten Sie davon?“ Er versuchte vom Thema weg zu kommen und reichte ihm die Tüte mit der Pillenpackung. Mr. Wasilenko schwieg einen Moment und schien über seine Worte nachzudenken, dann schüttelte er den Kopf. „Sind Sie sich sicher? Hat sie Ihnen gegenüber einmal erwähnt, dass sie nachts schlecht schläft?“ „Nein! Sie war 17 Jahre, keine fünf mehr. Glauben Sie vielleicht, ich gehe nachts in das Zimmer meiner Tochter, um nachzusehen, ob sie schlafen kann oder nicht und singe ihr gegeben falls etwas vor?“ Aufgebracht funkelte er Alex entgegen, der seinen Blick konstant erwiderte und nicht zuließ, dass jemand seine Gedanken erraten konnte. Irgendetwas an dieser Aussage beunruhigte ihn, er wusste nur nicht, was es war. Unauffällig schielte er zu Daniel, der scheinbar selbst über diesen Satz nachdachte. Unangenehme Stille breitete sich im Raum aus und die Spannung hing greifbar in der Luft. Einige Minuten vergingen, bis sich Mr. Wasilenko räusperte, worauf Alex aufschreckte. „Gut, dann können Sie jetzt gehen, bitte halten Sie sich für weitere Fragen bereit“, nickte er mit versucht sicherer Stimme, um sein unprofessionelles Auftreten zu überspielen und reichte seinem Gegenüber die Hand, die dieser nicht erwiderte und ohne ein weiteres Wort den Raum verließ. Kurz darauf trat Sarah erneut ein. „Er lügt“, stellte sie fest, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Ich bin mir sicher, dass es damit noch mehr auf sich hat. Ist der Abschlussbericht der Obduktion gekommen?“ „Nein, noch nicht. Nur die Informationen, die ihr bekommen habt. Andrea hat gesagt, sie beeilt sich“, erwiderte Alex gewohnt kühl und drehte sich dem Fenster zu, die Hände schob er in die Hosentaschen. „Was macht dich so sicher, dass er lügt?“, fragte Daniel. Sarah zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht. Es ist die Art, wie er auftritt. Dieses Selbstsichere. Und die Antworten auf Alex‘ Fragen. Als müsse er sich rechtfertigen.“ „Ja, da ist mir auch aufgefallen“, stimmte Alex zu, selbst wenn er das nicht gerne tat. Ihm ging es genauso. Sarah war überrascht über die plötzliche Zustimmung, sprach dann aber unbeirrt weiter: „Ich glaube ihm nicht, dass er diesen David nicht kannte. Wenn ihre Mutter das wusste, dann er sicherlich auch. Er hatte zu uns gesagt, es war immer einer von ihnen zu Hause, wenn Geschäftsreisen anstanden, sofern es möglich war.“ „Könnte sein. Vielleicht solltet ihr euch mal mit ihm unterhalten“, nickte Alex vom Fenster aus. „Und die Sache mit der Schule müssen wir überprüfen. Ich bin mir sicher, dass er in diesem Punkt ebenfalls gelogen hat.“ Wieder ein Nicken und Sarah sprach weiter. „Irgendetwas stimmt ganz gewaltig nicht an seiner Aussage. In Elenas Zimmer haben wir ihren Laptop, die Schlaftabletten und ihr Tagebuch sichergestellt. Das Buch ist auf Russisch geschrieben, wir müssen es übersetzen lassen. Der Laptop ist passwortgeschützt.“ „Ich werde mich darum kümmern“, nickte Alex, als er sich den Beiden wieder zuwandte, dann verließ er den Raum und ließ eine verwirrte Sarah und einen ebenso verwirrten Daniel zurück, die ihm fragend hinterher sahen. Dass ihr Chef einmal ein normales Wort an den Tag legen würde, damit hatten sie nicht gerechnet. Irgendwas musste ihm durch den Kopf gehen. Irgendein schrecklicher Verdacht. Gleichmäßige Schritte bewegten sich über den Holzboden, der ächzend unter dem Gewicht nachgab und rissen sie aus dem Schlaf. Brooke blinzelte einige Male und musste feststellen, dass die Tür geöffnet war. Ein schmaler Lichtkegel fiel in den Raum und erhellte ihn. Sie stützte sich auf und streckte die schmerzenden Glieder von sich. Der Boden war nicht gerade das, was man als bequeme Schlafunterlage bezeichnen konnte. Abrupt schreckte sie auf, als die Tür komplett aufgeschoben wurde und ein stämmiger Mann eintrat, dessen Gesicht sie im Schatten des Lichts nicht sehen konnte. Quietschend fiel die alte Holztür ins Schloss und nahm dem Raum alle Helligkeit. Panik beschlich sie, die Schritte näherten sich ihr unaufhaltsam, doch sie konnte in der Dunkelheit nicht erkennen, wie weit die Person noch von ihr entfernt war. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, hämmerte schmerzhaft gegen ihren Brustkorb und ließ sie angstvoll nach Luft schnappen. Plötzlich waren keine Schritte mehr zu vernehmen. Sie wollte gerade erleichtert aufatmen, als sie grob gepackt und zu Boden gestoßen wurde. Bevor sie realisieren konnte, was geschah, spürte sie einen harten Schlag im Gesicht und dann den stechenden Schmerz, der durch ihre Nase jagte. Blut floss ihr in den Mund, sofort begann ihr Magen zu rebellieren und sie musste würgen. Sie nahm seinen heißen Atem nahe ihrem Gesicht war und der Ekel breitete sich noch weiter in ihr aus. Der Schmerz in ihrem Gesicht wurde dabei in den Hintergrund gedrängt. „Nein!“, kreischte sie, als sie seine Hände fühlte, die über ihre Arme und ihr Dekolleté strichen. Sie versuchte ihn wegzustoßen, aber er legte sich mit seinem vollen Gewicht auf sie und presste ihr die Luft aus den Lungen. Reflexartig schnappte sie nach Luft, doch es war unmöglich normal zu atmen. Eine Hand umklammerte ihre Handgelenke und drückte sie über ihrem Kopf auf den Boden, die andere strich unter ihr Shirt. Vergeblich versuchte sie sich unter ihm zu winden, sie hatte keine Chance. „Hör auf!“, schrie sie erneut, als sie die rauen Finger an ihrem BH wahrnahm. Tränen schossen ihr in die Augen und verklärten ihre Sicht. Sie ahnte, was er mit ihr vorhatte und allein der Gedanke daran ließ alle Alarmglocken in ihr schrillen. Er erstickte ihren Schrei, indem er ihr sie grob küsste, seine Zunge drängte sich dabei gewaltsam durch ihre zusammengepressten Lippen. Sie schmeckte seinen Speichel, der sich mit dem Blut in ihrem Mund vermischte und sie musste erneut würgen. Als er den BH nach oben geschoben hatte und fest zugriff, biss sie ihm auf die Lippen. Unterdrückt stöhnte er auf, holte aus und schlug ihr die flache Hand ins Gesicht, sodass ihr Kopf zur Seite flog. Brennender Schmerz breitete sich auf ihrer Wange aus und vermischte sich mit dem Pochenden, der von ihrer Nase ausging. Die Tränen flossen in Bächen über ihr schönes Gesicht und die Panik, die sie ergriff, lähmte ihren Körper, sodass es ihr nicht möglich war, sich weiter gegen sein Tun zu wehren. Er atmete stoßartig und sie roch den Schweiß, der von ihm ausging. Brooke ekelte sich vor sich selbst, als sie seine raue, große Hand auf ihrer nackten Haut spürte, die ihr das Shirt und den BH vom Leib riss. Schamgefühl machte sich in ihr breit, sie kam sich entblößt vor, trotz der vorherrschenden Dunkelheit. Dann wanderte die Hand weiter nach unten, über ihren Bauchnabel zu ihrem Hosenbund. Sie schluchzte hörbar auf, als er an ihrer offenen Hose zerrte, in der Hoffnung, er hätte Mitleid mit ihr und würde von ihr ablassen, doch nichts dergleichen geschah. Und als er sich ihren Körper nahm, als wäre er sein Besitz, breitete sich stechender Schmerz in ihr aus. Sie unterdrückte den Drang zu schreien, als er sich immer wieder gegen sie drückte. Sein keuchender Atem beschleunigte zunehmend und ging in Stöhnen über. Als er nach Ewigkeiten von ihr abließ, schmerzte ihr ganzer Körper. Fest zog sie die Beine an sich und blieb so wie sie war liegen, den Blick starr ins Leere gerichtet, die Seele gebrochen. to be continued… by Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)