How to save a life von Sahm ================================================================================ Kapitel 1: Mr Curiosity ----------------------- Diese Geschichte ist eine Art Fortsetzung zu meinem One Shot „Nur ein Shot”. Es wäre hilfreich, ihn gelesen zu haben, um zu wissen, wie Rouven tickt, aber ist keine Voraussetzung. Hier trotzdem noch mal der Link dazu, falls jemand reinschauen will :) Leider klappt's nicht mit der Verlinkung, daher nur so: http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/530860/253536/ Diese Geschichte widme ich . Für sie hab ich überhaupt erst die Fortsetzung geschrieben und zu Weihnachten geschenkt. Kocham cie und danke für alles ♥ Die Personen gehören alle mir, ich verdiene damit kein Geld, blabla. Die Geschichte ist schon fertiggestellt und ich stell wohl alle paar Tage was hoch, je nach Reviews und Laune :) Genug jetzt mit dem Gerede und Geschreibsel. Viel Spaß mit der „Fortsetzung“ und Rouven und Bene und überhaupt. http://www.youtube.com/watch?v=lW_JMBWd-c4 “Hey, Mr Curiosity, is it true what they’ve been saying about you?” Kapitel 1 Hilflos drehte Benedikt die Wodkaflasche in seinen Händen herum und seufzte unhörbar, während um ihn herum alle tanzten und feierten und sich besoffen. Angeekelt fiel Benes Blick zu seiner Freundin Rhia hinüber. Nein, Exfreundin, berichtigte er sich. Exfreundin. Exfreundin seit... zwei Tagen und acht Stunden. Rhia warf ihre langen Haare im Raum herum und klammerte sich an einem Typen fest, der Bene manchmal in der Schule über den Weg lief. Wie hieß der noch gleich? Marian? Marius? Er wusste es nicht und eigentlich kümmerte es ihn auch nicht wirklich. Langsam schraubte er den Deckel der Flasche ab, setzte an und trank einen vorsichtigen Schluck. „Igitt.“ Er hasste Wodka und die sinnlose Sauferei noch mehr. Aber wenn ihm das half, die Schmerzen zu vergessen, konnte er gerne auch mal einen über den Durst hinaus trinken. Rhia ließ ihre Hände ziemlich extrem über Marius’ (Marians?) Rücken gleiten und ihre Finger stoppten nur eine Elle über seinem Po. Bene schnaubte verächtlich und drehte den Kopf weg. Das tat sie doch ohnehin nur, um ihm zu zeigen, wie dumm er gehandelt hatte. Wie dumm und blöd und verantwortungslos er doch gewesen war, die Beziehung nach über eineinhalb Jahren so zu gefährden. Dabei war sie schon nach zwei Wochen kaputt gewesen. Kaputt und gestört und scheiße. Und es war ohnehin doch alles nur Rouvens Schuld. Benes Gesicht verzog sich automatisch zu einer wütenden Grimasse, als er an Rouven dachte, Rhias älteren Bruder. Rouven. Zwei Jahre älter. Weiser. Attraktiv. Eingebildet. Hübsch. Witzig. Schlagfertig ohne Ende. Der wahre Grund dafür, dass der schlimmste Streit überhaupt zwischen Rhia und Benedikt losgebrochen war, der letztendlich dazu geführt hatte, dass Bene Schluss machte. Und wieso bereute er das jetzt so? Rhia hatte ihm eine ewige Zeit lang nichts mehr bedeutet. Gar nichts. Sie war für ihn nur noch eine Last gewesen, die Freundin, die sich wie seine Mutter aufführte und sich sogar fürs Hemdenbügeln nicht zu schade gewesen wäre. Einen Tag und achtzehn Stunden lang war er erleichtert gewesen, dass es endlich vorbei war. Er hatte die Klamotten ausgegraben, die Rhia immer gehasst hatte und er hatte sich mit seinem besten Freund getroffen, den Rhia nicht mochte. Dann jedoch fing er auf einmal an zu begreifen. Er begriff, dass Rhia nun weg war. Für immer. Und nicht nur das. Mit ihr war auch die Chance verschwunden, Rouven regelmäßig zu treffen, zu sehen, mit ihm zu reden, sich von ihm verarschen zu lassen. Alles weg. Nach einem Tag und neunzehn Stunden war ihm klargeworden, dass er wirklich das war, was Rouven ihm die ganze Zeit hatte klarmachen wollen: Schwul. Er, Benedikt, war schwul. Rouven hatte es gewusst. Immer. Und er hatte keine Gelegenheit versäumt, es Benedikt mitzuteilen. Dass er schwul war. Dass er auf ihn ansprang. Dass er gefälligst endlich über seinen Schatten springen sollte. Dass er Rhia nicht liebte. Benedikt rieb sich über die Nase und betrachtete noch einmal den Kellerraum, in dem die große Party stattfand. Irgendein Achtzehner oder so. Oder Siebzehner? Bene kannte nicht einmal das Geburtstagskind und war nur hergekommen, weil ihn ein Kumpel mitgeschleift hatte. Begründung? Er solle gefälligst nicht schmollend in der Ecke hocken, immerhin hätte er die Beziehung beendet und nicht sie. Bene wusste, dass sein Kumpel recht hatte. Und trotzdem beobachtete er eifersüchtig, wie Rhias Arme sich immer dichter um Marian oder Marius schlossen. Gleich würde sie damit beginnen, ihm etwas ins Ohr zu flüstern, damit sie ihm näher war. Und dann käme wahrscheinlich sein Mund dran. So machte sie es immer. Bene kannte sie einfach zu gut. Er schüttelte den Kopf und stand langsam von der Couch auf, die er während der letzten Minuten für sich beansprucht hatte. Beim Gehen schwankte er schon ein wenig. Zusätzlich zu der halben Flasche Wodka hatte er schon eine halbe Flasche Tequila intus, die er beim Vortrinken mit seinen Freunden am liebsten ganz alleine geleert hätte. Rhia warf Benedikt einen süffisanten Blick zu und zog die Augenbrauen hoch, als sie sah, dass Bene sie anstarrte. Dann flüsterte sie Marian – Marius? – noch etwas zu, indem sie ihre Lippen ganz nah an sein Ohr drückte, ließ von ihm ab, strich jedoch mit ihren Lippen noch leicht an seinen Lippen vorbei und drehte sich zu Bene hin. „Na? Bereust du’s schon?“, brachte sie spöttisch und sofort heraus. Ihre geradlinige Art erinnerte Benedikt dermaßen an ihren Bruder, dass er ein wenig aus dem Takt kam. „Äh, was?“, fragte er verwirrt nach und spielte am Verschluss des Wodkas herum, drehte ihn auf und zu, auf und zu, auf und zu, auf und zu, bis Rhia laut seufzte und ihre Hand auf seine Hand legte. Sie war meist genervt davon, wenn sich Menschen in ihrer Gegenwart nervös bewegten und diverse Ticks brachten sie schnell von null auf hundertachtzig. Mit so einem Bruder war es wohl logisch. „Bene“, sagte sie sanfter und der bemerkte, dass die Leute in ihrem Umkreis anfingen zu tuscheln und sich verstohlene Blicke zuwarfen. Klar. Rhia und er waren das Traumpaar gewesen. Wer es schaffte, zwanzig Monate zusammenzubleiben, und das in ihrem Alter, ging in die Geschichtsbücher ein. Fanden zumindest die Leute, mit denen sie so verkehrten. „Was?“, fragte Benedikt noch einmal. Trotz des Alkohols konnte er noch ziemlich gut sprechen. Sein Sprachzentrum wurde immer erst zuletzt angegriffen, wenn alles andere schon nicht mehr ging. Rhia lächelte ganz kurz. „Können wir irgendwo hingehen, wo es nicht so laut ist?“ Benedikt nickte verwirrt und fragte sich, was sie jetzt genau wollte. Dachte sie, nur weil er sie ansah, wollte er wieder zu ihr zurück? Seine Exfreundin lächelte jetzt einige Sekunden länger und nahm Bene den Wodka ab. „Den brauchst du nicht, glaube ich.“ Bene wollte protestieren, doch er überlegte es sich anders. Er wollte jetzt keinen Streit wegen irgendeiner Wodkaflasche – die übrigens innerhalb von Sekunden von irgendwelchen Alkis leergesoffen wurde. Rhia zog ihn weg. Weg von all den Besoffenen, die das Ende ihrer Schulferien feierten oder den Siebzehner oder was sonst so anstand. Weg von all dem Alkohol, der Benedikt beim Vergessen helfen könnte. Weg von der widerlich lauten Musik, deren DJ offensichtlich null Ahnung und null Musikgeschmack hatte. Ziemlich viele Leute blickten ihnen nach, als Rhia ihren Exfreund die Treppe hinaufzog. Wahrscheinlich würde Bene morgen ziemlich oft die Frage „SEID IHR WIEDER ZUSAMMEN?“ vereinen müssen. Seine Ex zog ihn ins Wohnzimmer des Typen, der feierte und platzierte ihn auf einem Sessel. Sie selbst setzte sich auf die Couch ihm gegenüber und strahlte ihn an. Unterkühlt jedoch, da sie anscheinend die Angst hegte, er wolle doch nur abhauen. „Also“, fing Rhia an und warf ihre dunklen Haare zurück. Dann wusste sie jedoch offenbar nicht mehr weiter und schwieg. Benedikt nickte mit dem Kopf vor und zurück. Vor und zurück. Vor und zurück. „Also...“ Er sah, wie Rhia seinen Bewegungen folgte und wie ihr Blick härter wurde. „Sorry“, nuschelte er und hielt augenblicklich still, bis Rhias Blick wieder weicher wurde. „Also...“, startete Bene einen neuen Versuch, „hast du... die letzten zwei Tage über gut verbracht?“ Er hätte es wissen müssen. Ihre Augen wurden schmal und ihre Finger gruben sich in den weichen Stoff des Sofas. „Was ist das denn für eine dumme Frage?“, keifte sie und klang mehr denn je wie ein altes Waschweib. „Äh... ich wollte nur... höflich sein“, versuchte Benedikt, die Situation zu entschärfen und beschloss dann, dass es sicherer wäre, auf seine Schuhe zu sehen. „Ja, wie höflich du bist, weiß ich ja schon“, sagte Rhia nachdenklich und leise. Natürlich. Sie spielte auf den schlimmen Streit an, den sie gehabt hatten. Worum war es eigentlich genau gegangen? Benes Gehirn war durch den Alkohol wie ein schlimmes Sieb. „Wenigstens hast du den Anstand, verlegen zu sein.“ Sie spielte auf sein rotes Gesicht an. Dabei hatte er das nur bekommen, weil ihm der Grund für den Streit doch wieder eingefallen war. Vor genau sieben Monaten hatte Rouven ihm klargemacht, was für eine Lüge er wirklich lebte. Vor genau sechs Monaten hatte Benedikt beschlossen, seine Lüge mit Rhia nicht zu beenden. Vor genau fünf Monaten hatte Rouven ihn mit in sein Zimmer geschleppt, als Rhia zum Duschen gegangen war und hatte ihm dort den berauschendsten Kuss seines Lebens gegeben. Vor genau fünf Monaten und achtundzwanzig Tagen hatte Benedikt beschlossen, nicht mehr zu Rhia nach Hause zu gehen. Vor genau fünf Monaten und siebenundzwanzig Tagen hatte er diesen Beschluss gebrochen. Vor genau fünf Monaten und sechsundzwanzig Tagen hatte er endlich Rhias Sehnsüchte endlich erfüllen können und mit ihr geschlafen. Vor genau fünf Monaten und fünfundzwanzig Tagen hatte Rouven davon erfahren und sprach seitdem nicht mehr mit Benedikt. Und vor zwei Tagen und neun Stunden hatte Rouven seiner Schwester ins Gesicht gesagt, dass Benedikt doch nur ein verfickter Schauspieler war und sie ihm nichts bedeutete, weil er nämlich einen anderen Menschen liebte. Nur wäre er zu feige und dumm, es zu verstehen und deshalb wäre es nur fair, wenn er, Rouven, es Rhia endlich stecken würde. Woraufhin Benedikt vor lauter Wut den Streit anfing, in dessen Verlauf sie Schluss machten. Was war Rouven doch für ein Idiot... „Es tut mir leid, Rhia“, murmelte Benedikt und sah sie schief an. „Ich wollte dir nicht dumm kommen bei dem... Streit.“ Sie nickte leicht und bedächtig. „Ist... okay.“ Stille. Auf Benedikts Bein landete eine Fliege und mit einem Mal fand Bene es interessanter, die Fliege zu beobachten als in Rhias Gesicht zu schauen. Das Insekt summte und hüpfte auf und ab. Wie es wohl wäre, eine Fliege zu sein? Benedikt beugte sich näher zu ihr hin – wobei sicherlich auch der Alkohol eine Rolle spielte, dass er das tat – und versuchte, sie genauer zu beobachten. Da schwirrte das verdammte Ding auf einmal weg und Bene konnte ihr nur noch verzweifelt nachschauen. „Benedikt?“ Er schaute wieder in Rhias Richtung und sah, dass sich ein leichtes Lächeln auf ihr Gesicht geschlichen hatte. „Was?“ Sie lehnte sich zurück. „Ach, gar nichts.“ Aber das Lachen auf ihrem Gesicht verriet sie. Bene lächelte jetzt ebenfalls. „Gib’s zu, du lachst doch über mich.“ Rhia wandte sich ab und biss sich auf die Lippe. „Nicht direkt. Ich hab nur gerade dran gedacht, wie wir uns kennengelernt haben. Du warst besoffen ohne Ende und hast einer Spinne nachgejagt, vor der ich panische Angst hatte. Erinnerst du dich?“ Bene nickte. „Ja, und zum Dank dafür, dass ich sie aus Versehen zertrampelt habe, hast du mich zum Essen eingeladen.“ Sie seufzte. „Ja. Damals war alles noch so einfach.“ Rhia verstummte und Bene schaute schnell wieder woandershin. Er wusste jetzt ganz genau, was sie wollte. Sie wollte mit ihm sprechen. Das hatten sie bisher versäumt. Sie wollte noch mal ganz in Ruhe wissen, ob das wahr war, was Rouven gesagt hatte. Sie wollte über ihre Beziehung sprechen, darüber, dass es eigentlich gut gewesen war. Benedikt wusste, wie es ausgehen würde. Am Ende würde er verneinen. Er würde ihr nicht sagen, dass er in Rouven verknallt war. Oh nein. Er würde wieder mit ihr zusammenkommen und seine Lüge leben. Erneut. Er wusste es ganz genau. Und so war es auch. Kapitel 2: Airplanes -------------------- Dankeschön für zwei Kommentare Ich hätte mir, ganz der “arme Schreiberling”, der ich eben bin, mehr gewünscht, aber ich bettel hier jetzt nicht nach Reviews xD Viel Spaß mit dem zweiten Kapitel! http://www.youtube.com/watch?v=07a2h06kMSw “There comes a time when you fade to the blackness.” Kapitel 2 Rouven blinzelte. Ungläubig starrte er seine Schwester und Benedikt an. Dann blinzelte er erneut. „W... wie soll ich das denn jetzt verstehen?“, fragte er dann nach und seine Stimme klang schärfer als beabsichtigt. Benedikt und Rhia fuhren erschrocken auseinander. Rouven stand da und spürte, wie sein Herz heftig klopfte. Seine Schwester fand die Sprache als erste wieder. „Wie sollst du was verstehen?“ Rouven zog die Augenbrauen hoch und zeigte mit dem Finger verwirrt und hektisch zwischen Benedikt und Rhia hin und her. „Das mit euch hier. Vor zwei Tagen habt ihr euch noch gehasst und euch angeschrieen und keiner hätte gedacht, dass ihr jemals wieder miteinander reden würdet. Und jetzt auf einmal sitzt ihr hier rum und vögelt beinahe auf unserem Sofa?“ Er verstand die Welt nicht mehr. „Wüsste nicht, was dich das angeht, Rouven“, bemerkte Rhia spitz und umklammerte Benedikts Hand so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. „Interessiert mich auch nicht“, fand Rouven seine Fassung wieder und strich sich mit einer schnellen Geste die Haare aus dem Gesicht. Dann warf er einen Blick zu Benedikt hinüber, der jedoch auf den Boden starrte und nichts sagte. Feigling. Sie wussten doch beide, dass es nicht Rhia war, was er wollte. „Dann reagier nicht so scheiße darauf, dass wir uns küssen und verpiss dich.“ „Ich reagier überhaupt nicht scheiße. Bist du eigentlich dumm?“ Rhia schüttelte kurz und heftig den Kopf. „Nein. Und du führst dich hier auf wie ein Affe. Was ist dein Problem?“ MEIN PROBLEM IST, hätte Rouven gerne gesagt, DASS DEIN VERDAMMTER FREUND SCHWUL UND IN MICH VERKNALLT IST! Aber ganz so lebensmüde, es noch mal zu versuchen, war er nicht. Schon das letzte Mal, als er Rhia klarmachen wollte, dass Benedikt in jemanden verliebt war, hatte sie ihn hinterher beinahe erwürgt. Sie sah nicht so aus, aber wenn sie richtig wütend war, konnte sie selbst einen 120-Kilo-Mann töten. „Ich hab kein Problem“, sagte Rouven mit verächtlicher Stimme und rümpfte die Nase, „ich steh nur nicht so drauf, dir beim Sex zuzusehen, Schwesterherz. Nachdem ihr das wenigstens mal geschafft habt, was ich nie gedacht hätte, wenn ich euch nicht unmittelbar nach dem Sex gesehen hätte.“ Die bloße Erinnerung daran ließ Benedikt wohl unruhig werden, denn er hob den Kopf und Rouven konnte eine leichte Röte auf seinem Gesicht ausmachen. Befriedigt grinste Rouven und ließ sich schwungvoll auf einen Sessel fallen. „Also, nur zu, weshalb macht ihr wieder rum? Habt ihr doch beschlossen, nächste Woche zu heiraten oder wie? Bist du schwanger, Schwesterlein? Ich hab dir doch geraten, immer Kondome zu benutzen, denn alles andere wäre beschissen.“ Rhias Augen wurden schmal und Rouven registrierte erfreut, dass sie gleich explodieren würde. Ihre Fingernägel hatten wahrscheinlich schon tiefe Wunden in Benedikts Hand gerissen, doch der verzog keine Miene, sondern musterte jetzt die Wand hinter Rouven. Ob das wohl interessanter war als er? Rouven lachte kalt auf. „Schon gut, Rhialein, ich verschwinde ja schon. Dann könnt ihr mit der Familienplanung weitermachen.“ Rouven stand auf und schritt aus dem Raum. Sein Herz drohte zu zerspringen. „Hey, was sollte das?“ Er hatte gerade mal einen Schuh an und war im Begriff, sich den anderen überzustreifen. „Was sollte was?“, fragte er, ohne seine Tätigkeit auch nur eine Sekunde lang zu unterbrechen. Rhia schnaubte. „Na, das. Dein Auftritt eben. Was kümmert es dich, ob Bene und ich wieder zusammen sind? Ein normaler Bruder würde sich dafür freuen.“ Rouven seufzte und ließ die Hände sinken. Dann deutete er auf die Treppenstufen neben sich und Rhia setzte sich hin widerwillig hin. Er rang nach Luft und überlegte, wie er es ihr klarmachen konnte. Sollte. „Weißt du“, setzte er an, brach dann jedoch sofort wieder ab. „Ja?“, fragte Rhia mit leiser Stimme nach und Rouven begann, nervös mit einem Schuhbändel herumzuspielen. „Ich find das einfach nicht richtig. Ihr streitet euch ununterbrochen. Wo ist denn da die gute Seite eurer Beziehung?“ Seine Schwester seufzte und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Es ist lieb von dir, dass du dich so um mich sorgst, aber... das stimmt nicht. Ich liebe Bene und er liebt mich. Klar? Du sollst dich nicht bei uns einmischen und es sollte dich auch nicht interessieren, ob wir uns streiten oder nicht. Das geht nur uns etwas an, Bene und mich. Ich will das nicht, dass du bei uns reinplatzt und uns blöd anmachst, nur weil wir uns küssen.“ Rouven lachte trocken auf und in ihm kamen wieder die Erinnerungen an Benes Küsse auf. „Weißt du, Schwesterlein, ich weiß, dass es eure Sache ist, aber ganz so geil find ich es trotzdem nicht. Punkt.“ Das hätte er besser nicht gesagt. Wütend stand Rhia auf und stampfte mit dem Fuß so laut auf, dass es im ganzen Haus knallte und oben irgendeines ihrer Geschwister die Tür aufriss und hinunterbrüllte, dass es ja wohl das Letzte sei, wie sich die Leute in diesem Haus verhielten. „Rouven, zum letzten Mal: Es geht dich einen Scheißdreck an, was ich tue und was ich nicht tue. Lass mich endlich in Ruhe und kümmer dich um deinen eigenen Scheiß! Soweit ich weiß, kannst du in deinem Liebesleben schon seit Monaten nichts mehr vorzeigen.“ Das saß. Rouven machte den Mund auf, um zu widersprechen. „Und wag es ja nicht, jetzt irgendwas zu antworten“, keifte Rhia wütend. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und stürmte zu Benedikt zurück, der immer noch still auf dem Sofa saß und wahrscheinlich sein Leben verfluchte, während Rouven fluchend seine Schuhe anzog und die Haustür hinter sich zuknallte. „Verdammt, die macht mich blöd an, obwohl sie genau weiß, dass es stimmt, was ich sage? Ich verstehe sie nicht. Wie konnte die nur so dumm werden? Wie?“ Schimpfend und fluchend lief Rouven durch die Straßen und kümmerte sich nicht groß um die Menschen, die ihn verwirrt ansahen. Er ließ einfach ziellos umher und wusste nicht, was er noch tun sollte. „Wenn er es nicht einsehen will, kann ich ihm doch eigentlich auch nicht helfen, oder? Das ist doch der totale Schwachsinn, dass mich das so aufregt. Ich sollte mich eigentlich für die beiden Idioten freuen, aber stattdessen nervt mich Bene einfach nur. Ah, das gibt’s doch nicht.“ Wütend fletschte Rouven die Zähne und ballte die Fäuste. Die Menschen machten inzwischen einen großen Bogen um ihn herum, was ihn nicht weiter interessierte und sie auch nicht. Immerhin waren sie in einer Großstadt. Da gab es oft solche Menschen. Rouvens Wut auf Benedikt und auf sich selbst wurde immer noch größer. Wieso hatte er Benedikt nicht klarmachen können, dass er wirklich schwul war? Wieso glaubte Benedikt immer noch, er würde Rhia lieben? Er kochte innerlich. Sein Mund verzog sich zu einem schmalen Strich und er wusste, dass er sich schnell abreagieren musste. Wenn er wütend war, wurde er Rhia sehr ähnlich. Zumindest bei den Handlungen. Rouven setzte sich auf einen Treppenaufgang und vergrub den Kopf in den Händen. Er verstand die Welt nicht mehr. Wieso musste Benedikt auch so dämlich sein? Wieso konnte er nicht einfach mit Rhia Schluss machen und es dabei belassen? Wieso war der so ein Freak? Und wieso hatte sich Rouven ausgerechnet in ihn verknallt, Benedikt, den Freund seiner kleinen Schwester?? Rouven setzte sich auf und schüttelte den Kopf. Wieso war das alles so kompliziert? Wieso konnte nicht einmal etwas normal laufen? Wieso... Sein Handy klingelte. Seufzend versuchte Rouven, es aus der Tasche zu ziehen, doch irgendwo steckte es fest. Wütend verdrehte er die Augen und zog kräftiger, doch anscheinend hatte irgendein Faden sich mit dem Handy verhakt oder so. Rouven verzog den Mund und zerrte noch einmal daran. Es gab nicht nach. Er holte tief Luft und spürte, dass die Wut wieder da war. Schlimmer als zuvor. Er sprang auf und zog das Handy mit einer solchen Wucht heraus, dass seine Tasche ein lautes Reißgeräusch machte und tatsächlich kaputtging. Rouven warf einen Blick auf das Display. Würde es leben, wäre es unter diesem Blick wahrscheinlich zusammengeschrumpft und verdampft. Natürlich hatte der Anrufer schon längst aufgelegt. Auf dem Bildschirm stand, dass es seine Schwester gewesen war. Rouven holte noch einmal tief Luft. Dann schleuderte er das Handy zu Boden, wo es in tausend Teile zerschmetterte. „Rouven! Du warst ja schon eine Weile nicht mehr hier. Alles okay mit dir?“ Rouven nickte nur grimmig und zog seine Handschuhe ein wenig fester. Hoffentlich bot ihm niemand an, mit ihm zu trainieren, denn er konnte für nichts mehr garantieren. „Gut, ich lass dich mal allein. Mit dir scheint ja heute nichts in Ordnung zu sein“, befand sein alter Trainer und zog sich zu einem Knirps zurück, der wohl das erste Mal in seinem Leben ein Boxstudio betreten hatte. Rouven erinnerte sich noch gut an sein erstes Mal in der Halle. Er war gerade fünf geworden und wollte unbedingt sehen, was sein großer Bruder und sein Vater da eigentlich ständig machten. Also besorgten sie ihm Sportkleidung, damit er sich ein wenig wohler fühlte, und schleppten ihn mit, damit er es sich mal ansehen konnte. Er war ziemlich klein für seine fünf Jahre gewesen und viel zu schüchtern. Das erste Problem ließ sich lange Zeit nicht lösen, aber das zweite war schnell gesessen. Wahrscheinlich war Rouven nur durch sein Training zu dem geworden, der er war. Und das war gut so. Bis vor zwei Jahren hatte er regelmäßig zweimal die Woche trainiert, doch als ihm alles zu viel wurde mit der Schule, der Oberstufe und den Wettkämpfen, hatte er beschlossen, dass es genug war. Nun war er nur noch sporadisch in der Halle und das gefiel ihm. Außerdem mochte er es, hinterher mit seinem alten Trainer zu plaudern, weil der sich mit dem Leben besser auskannte als jeder andere. Heute also nur ein Boxsack. Rouven schloss die Augen und stellte sich vor, dass in diesem Boxsack all seine Probleme verborgen waren. Die ganze Scheiße mit Benedikt. Der Streit, den er ständig mit Rhia hatte. Die Probleme mit seinen Eltern, die nicht verstanden, wie er sein Leben führte. Die wachsende Wut auf seine Geschwister, weil sie ihm ständig zeigen wollten, wie alles besser ging. Die Wut auf seine Freunde, die nicht verstanden, dass er nichts fühlte, wenn er mit einer Frau schlief. Diese ganze Zivisache, die ihm langsam über den Kopf wuchs. Die Probleme bei der Studienplatzsuche, die er trotz seines guten Schnitts hatte. Benedikt. Als er noch einmal an ihn dachte, spürte er, wie sich etwas in ihm bewegte. Es tat weh. Er öffnete die Augen und sah wieder den Boxsack vor sich, der jetzt jedoch Benes Bild in sich trug. Rouven hob die Hand, ballte sie erneut zu Faust und schloss die Augen wieder. Er konnte Benedikt jetzt ganz genau vor sich sehen. Rouven lächelte und holte aus. „Das ist für dich, du Wichser.“ Irgendwann stand Christian neben ihm. „Du hast ja heute einen ordentlichen Schlag drauf, Rou“, sagte er nachdenklich und beobachtete, mit welcher Wut und Verzückung der Schwarzhaarige vor ihm auf das Übungsgerät eindrosch. „Ja“, keuchte Rouven, „ich brauch das heute mal.“ Sein alter Trainer nickte. „Ja, man sieht es. Aber du weißt doch, dass man mit Wut nicht alles lösen kann, oder?“ Rouven schnaubte nur verächtlich. „Heute schon. Du glaubst gar nicht, wie gut das tut.“ Er hielt inne und rieb sich den Schweiß von der Stirn. Chris lächelte leicht. „Ich glaub’s dir ja. Aber weißt du, was auch gut ist?“ Als Rouven nicht reagierte, seufzte er. „Mit jemandem zu reden. Das ist manchmal viel effektiver.“ „Kann sein. Aber hier nicht“, erwiderte Rouven leise. „Ach nein? Wie kommst du darauf? Nur, weil hier geboxt wird, heißt das nicht, dass hier nur emotionslose Klumpen sind, die sich niemals mit jemandem austauschen, wenn sie Probleme haben.“ Er legte eine Hand auf Rouvens Schulter. Der hieb verbissen weiter auf den Boxsack ein. „Rouven. Komm mal runter.“ Rouven wirbelte herum. „Verdammte Scheiße, ich kann nicht! Ich kann es einfach nicht, kapiert? Ich brauch kein Gespräch, ich brauch kein Mitleid, ich brauch das alles nicht. Alles, was ich will, ist alleine gelassen zu werden und hier weiterzumachen! Aber wenn das nicht geht, kann ich ja auch nach Hause gehen. Ah, wie mich das alles ankotzt!“ „Rouven, hör mal...“, sagte Christian ruhig, doch Rouven wehrte ab. „Nein, ich hör nicht zu. Lass mich einfach in Frieden.“ Und er warf die Handschuhe auf den Boden und verschwand aus der Halle. Verschwand von da, wo er sich eigentlich abreagieren hatte wollen. Stattdessen war er jetzt noch wütender. Und das war alles nur Benedikts Schuld. Alles. Und das Schlimmste war doch, dass Rouven Benedikts Lippen trotz allem immer noch spüren wollte. Kapitel 3: Call it Karma ------------------------ Viel Spaß mit diesem Kapitel, vor allem mit dem Ende :))) Muhahaha xD http://www.youtube.com/watch?v=ZdblwEI0ZcE “Blame it on the weather, but I’m a mess.” Kapitel 3 Rouven war kaum verschwunden, als Rhia wieder vollkommen normal tat. „Tut mir leid, Schatz“, säuselte sie. „Ich weiß auch nicht, was der jetzt gerade hatte.“ Sie lächelte gequält, legte die Arme um Bene und zog ihn zu sich hin. Benedikt lächelte nicht. Er hatte Rouvens Worte gehört und Rhias ebenfalls. Soweit ich weiß, kannst du in deinem Liebesleben schon seit Monaten nichts mehr vorzeigen. Bene machte sich von Rhia los und lächelte bitter. „Was ist los?“, fragte Rhia verwirrt nach und lehnte sich ein Stückchen zurück. Kein Laut war mehr zu hören. Rhia fixierte Benedikt verwirrt und der griff nach ihren Händen. Im Hintergrund brummte der Kühlschrank und ein Glockenspiel, das Rouven beim Hinausgehen versehentlich berührt hatte, klirrte noch ganz leise vor sich hin. Soweit ich weiß, kannst du in deinem Liebesleben schon seit Monaten nichts mehr vorzeigen. Nicht so ganz. „Sorry, Rhia. Ich bin nur etwas durcheinander.“ Rhias Lächeln wurde sanfter. „Ist doch in Ordnung, mein Schatz.“ Benedikt spürte, wie ihre Finger über seine Hand strichen und er fragte sich, ob und wie er reagieren sollte. Er mochte es nicht wirklich, berührt zu werden. Zumindest nicht von Rhia. Er sah ihr Gesicht und ihre Lippen, die denen ihres Bruders so ähnlich waren, wenn sie wütend war. Sie beugte sich nach vorne und er löste seine Hände von ihren, um sie um Rhias Hals zu legen. Rhias Gesicht wurde sanfter und ihre Lippen berührten sich leicht. Rhias Zeigefinger streifte Benes Wange und ihre Hand legte sich auf seine Schulter. Rhia öffnete ihren Mund und Benes Zunge drang in sie ein. Schlagartig brach Rhia ab, grinste und zog Benedikt hoch. Verwirrt folgte er ihr und wusste doch sofort, was sie wollte. Rhia schob ihn in ihr Zimmer und schloss die Tür. Dann drehte sie sich zu Benedikt um, lächelte verschwörerisch und öffnete ihre Bluse. Zwei Minuten und siebenunddreißig Sekunden später lagen sie beide nackt übereinander auf Rhias Bett. Benedikt schloss die Augen und dachte an Rouven. Benedikt hatte Angst, sich zu bewegen. Er wusste nicht, ob Rhia schlief oder einfach nur keine Lust hatte, mit ihm zu reden. Das Bettlaken raschelte, als er seinen Arm hilflos bewegte. Er hörte Rhia schnauben. Also war sie wach. Benedikts Augen brannten und als er sie schloss, zuckten Blitze hindurch. Das war ihm schon einmal passiert. So hatte es damals angefangen. Die Sache mit Rouven... Soweit ich weiß, kannst du in deinem Liebesleben schon seit Monaten nichts mehr vorzeigen. Pff. Damals war es auch so gewesen. Nur hatte er Rouven dann so verdrängt, dass es wieder ging. Das Laken raschelte lauter und Benedikt spürte Rhias warmen Körper an seinem. Er presste die Augen weiter zusammen. Er konnte ihren Atem unangenehm an seinem Hals spüren. Dann fing sie an. „Bene, was ist los? Das hatten wir doch schon, oder?“ Bene seufzte nur und riss die Augen auf. Das helle Licht blendete ihn und er kniff die Augen wieder zusammen. Benedikt schwieg. Rhia klang genervt, als sie weitersprach. „Mann, woran liegt’s? Nicht an mir, oder? Oder doch? Bin ich dir nicht attraktiv genug?“ Benedikt verzog das Gesicht und beschloss, dass es keinen Sinn hatte, sie zu ignorieren. Sie würde doch nur noch weiter nerven. Langsam richtete er sich auf und stand auf, um sich seine Boxershorts anzuziehen. „Hallo? Ich rede mit dir.“ Jetzt war sie wirklich gereizt. Bene zog sich seine Klamotten über und drehte sich zu Rhia um, die sich eben dazu bequemt hatte, aufzustehen und die Decke um sich wickelte. „Ja, und ich will nicht mit dir reden“, wagte Bene sich vor, „zumindest nicht darüber, okay? Ich weiß auch nicht, was da los ist, aber ich will. Nicht. Darüber. Reden.“ Rhia stemmte die Hände in die Hüften und verlor dadurch die Decke beinahe komplett. Sie hing jetzt irgendwo in ihrer Bauchgegend und Bene schaute überallhin, nur nicht auf Rhias freiliegende Brüste. „Ach so? Und worüber willst du dann bitteschön reden? Ich dachte, die Potenz sei so ziemlich das Wichtigste im Leben eines Mannes? Oder hab ich mich da getäuscht und es geht doch nur um seine Meerschweinchenzucht?“ Benedikt zuckte zusammen. „Ich hab nur zwei verfickte Haustiere. Und im Übrigen kann es dir doch scheißegal sein, ob mein Schwanz will oder nicht.“ „Tja, normalerweise kann es mir wirklich egal sein, aber nicht, wenn ich gerne gefickt werden würde!“ „Ach so, dir geht es also nur ums Ficken?“, fragte Bene mit hohler Stimme und beobachtete, wie sie blass wurde. „Du spinnst doch. Das hab ich nie behauptet. Ich find es nur unverschämt von dir, dass du so tust, als wäre es meine Schuld, wenn du keinen mehr hochkriegst und dass du nicht mal darüber reden willst. Das ist schlichtweg dumm.“ Benedikt schüttelte den Kopf. „Das hat doch keinen Sinn, oder?“ „Was?“, fragte Rhia entrüstet und rückte ihre Decke wieder zurecht. „Das hier.“ Er deutete im Zimmer herum und Rhia folgte seinen Händen verwirrt. Bis sie es begriff. Ihre Augen verdunkelten sich. „Benedikt Timm Wagner, willst du etwa schon wieder mit mir Schluss machen??!“ Soweit ich weiß, kannst du in deinem Liebesleben schon seit Monaten nichts mehr vorzeigen. Er sollte ja sagen. Er sollte Rhia sagen, was es für eine Scheiße war, was sie abzogen. Er sollte ihr sagen, dass er ihren Bruder mehr mochte, als es normal war. Er sollte sagen, dass sie einfach nicht zusammenpassten. Er sollte ihr klarmachen, dass es bessere Typen für sie gab als ihn. Er sollte ihr flüstern, dass er seit Monaten nur noch mit ihr schlafen konnte, wenn er dabei an Rouven dachte. Er sollte ihr sagen, dass er nur aus Mitleid und wegen etwas, was er nicht bestimmten konnte, wieder mit ihr zusammen war. Aber... „Nein, Rhia. So meinte ich das nicht. Ich mein damit, dass es keinen Sinn macht, darüber zu reden, denn davon krieg ich auch keinen hoch. So war das noch nie. Ich glaub, ich hab einfach zu wenig geschlafen und gestern hatten wir wohl auch zu viel davon oder so. Da geht es eben nicht mehr.“ Er lächelte gequält. „Ich... muss nur nach Hause und es tut mir leid, dass ich’s versaut habe, okay?“ Sie kniff die Augen zusammen und sah ihn scharf an. Benedikt hielt die Luft an und hoffte, dass sie die Lüge verstehen würde. Sie tat es. Und nickte. Dann gab sie ihm einen Kuss. „Bis morgen.“ Er musste es gestehen: Er hielt Ausschau nach Rouven. Er wusste, er müsste in der Nähe sein. Irgendwo. Ein paar Minuten lang hielt er sich in der Nähe des Boxstudios auf, in dem Rouven manchmal war, bis er sich selbst peinlich fand und ging. Dann setzte er sich im nächsten Park auf eine Bank und beobachtete ein paar Enten dabei, wie sie sich um Futterbrocken stritten, die ihnen ein kleines Mädchen hinwarf. Sie kreischte jedes Mal auf vor Vergnügen, wenn ihr eine Ente zu nahe kam. Versunken beobachtete Benedikt sie einige Minuten lang, bis irgendwann eine besorgte Stimme eine harsche Worte schrie und das Mädchen wie von der Tarantel gestochen aufsprang und weglief. „Na, endlich, Jule, ich hab dich schon blöd gesucht“, hörte Bene noch, dann hatte die Mutter ihr Kind hinters Tor geschleift. Was war nur mit ihm los? Sonst benahm er sich doch nicht so dumm, oder? Bene starrte auf das Gras zu seinen Füßen, das von der Sonne ausgetrocknet war und seine Farbe verloren hatte. Ihn wunderte es, dass Rhia nicht gepeilt hatte, was los war. Normalerweise roch sie eine Lüge auf tausend Kilometer Entfernung. Ob sie einfach nur froh war, dass Bene wieder mit ihr zusammen war, dass sie beschlossen hatte, ihm alles so zu glauben, wie er es sagte? So musste es sein. Bene spürte einen Tropfen auf seiner Haut. Dann noch einen. Und noch einen. Benedikt schaute auf und bekam gleich noch ein paar Tropfen ins Gesicht. Er verzog den Mund und wischte sich mit der rechten Hand über die Augen. Der Regen prasselte nun gleichmäßig auf den See und er lauschte einige Sekunden lang, ehe er langsam aufstand und übers rutschige Gras zum Ausgang lief. Der Regen wurde immer stärker und Bene zog die Schultern ein, während er hastig in Richtung seines Zuhauses lief. Seine Füße platschten durch die Pfützen und seine Schuhe waren schon komplett durchweicht. Er rannte immer schneller, während der Regen so laut wurde, dass er nicht einmal mehr seinen eigenen Atem hören konnte. So entging es ihm auch, dass sich jemand hinter ihm befand und er erschrak beinahe zu Tode, als jemand nach seinen Armen griff. Bene schnappte nach Luft und verlor den Halt. Der Jemand hinter ihm spürte, dass er taumelte und hielt ihn so fest, dass Benedikt nicht hinfallen konnte. Er rappelte sich wieder auf und seufzte leicht. „Danke, Mann.“ Benedikt drehte sich um... ... und starrte direkt in diese unheimlich dunklen Augen, von denen er in der letzten Zeit so oft geträumt hatte. Rouven lächelte verträumt. „Hallo, Bene. Wieso rennst du vor mir weg? Ich laufe dir schon seit drei Straßenblocks hinterher.“ Benedikt starrte ihn nur an. Seine Gedanken rasten unstet herum und er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Seine Augen fixierten Rouvens Gestalt und ihm fiel auf, dass Rouven seine Hände seltsam anwinkelte, so als ob seine Finger schmerzten. „Was tust du hier, Rou?“, fragte Bene leise nach, so leise, wie er es sich leisten konnte, da der Regen immer noch ziemlich laut war. Rouven legte den Kopf schief. Sein dichtes Haar klebte auf seinem Schädel und seine nassen Wimpern umrahmten seine dunklen Augen. Bene schluckte, als er daran dachte, wie Rouvens Wimpern über sein Gesicht strichen, wenn er ihn küsste. Sanft und flatternd, wie die Berührung eines Schmetterlings. Rhias Bruder schien zu ahnen, was Benedikt gerade dachte, denn er lächelte und hob langsam eine Hand. Bene ahnte, was er vorhatte und versuchte, zurückzuweichen, doch Rouvens andere Hand hatte sich wie ein Schraubstock um sein Handgelenk geschlossen und hielt ihn fest, sodass Rouven mit einem Finger über Benes nasse Wange strich. Bene schloss leicht die Augen und hörte Rouvens leises Lachen. „Ach, Bene. Du hast ja keine Ahnung.“ Er sprach so leise, dass Benedikt ihn nicht mehr richtig verstand. Der Regen fiel inzwischen so heftig, dass es wehtat. „Rouven, lass uns von hier verschwinden“, bat Bene flehentlich und machte den Fehler, erneut in Rouvens schwarze Augen zu blicken. Sie schienen ihn förmlich auszulachen. Bene kniff den Mund zu einem schmalen Strich zusammen. „Ich haue jetzt ab, Mann. Das hier ist doch ein Witz.“ Er machte sich los von Rouvens festem Griff und drehte sich weg. Eine Sekunde später hatte er schon wieder Rouvens Lachen im Ohr und feste Hände griffen erneut nach ihm. Diesmal jedoch umschlang er Benedikt von hinten; drehte ihn zu sich um. Er war so dicht vor Bene, dass dieser schon seine flatternden Wimpern und die Tropfen auf seinem Gesicht spüren konnte. „Rouven, ich finde nicht, dass das so eine gute Idee wäre...“ Bene brach ab; wusste nicht, was er sagen sollte. Rouven lächelte einfach nur. „Bene, du lebst immer noch eine Lüge. Das ist ja an sich nichts Neues, das hatten wir sogar schon mal. Erinnerst du dich? Diesmal ist es allerdings schlimmer als zuvor. Denn jetzt betrügst du meine Schwester mit mir.“ Benedikt schüttelte heftig den Kopf, so heftig, dass er Rouvens Nase traf und dieser zurücksprang. „Ich betrüge Rhia nicht und schon gar nicht mit dir. Das bildest du dir doch nur ein. Wir sind nicht zusammen und ich finde dich abstoßend. Verpiss dich endlich!“ Rouven lachte einfach nur. „Weißt du, Bene“, sagte er dann in verschwörerischem Tonfall, „ich versuch es ja. Ich versuch es wirklich, aber... es geht einfach nicht.“ Seine letzten Worte kamen stockend, undeutlich. Er klang verwirrt, so, als erkenne er sich selbst nicht wieder. „Dann lass es einfach. Lass mich los und in Ruhe, ja?“ Erneut lachte Rouven auf. „Warte noch, Benedikt.“ Er kam wieder näher und seine Nasenspitze berührte Benedikts. Der wusste nicht genau, was mit ihm los war. Er wusste aber, dass er instinktiv die Augen schloss und Rouvens Lippen sich fest mit seinen verschlossen. Kapitel 4: Elektrisches Gefühl ------------------------------ Danke für die Kommentare Ein paar Kommis mehr wären zwar nett, aber ich bettel hier schon wieder und das ist nicht cool, neinnein xD Viel Spaß! Die Sache mit den vielen Geschwistern… nun, im Grunde genommen natürlich etwas… zu viel, aber sie tauchen im weiteren Verlauf der Geschichte nicht mehr auf, von daher ist es egal :) http://www.myvideo.de/watch/7702676/Juli_Elektrisches_Gefuehl „Elektrisches Gefühl. Ich bin völlig schwerelos.“ Kapitel 4 Rouven verfluchte sich aufs Übelste. Alles war perfekt gelaufen. Ausnahmsweise einmal. Er hatte Benedikt aufgespürt und ihn endlich wieder geküsst. Er hatte sich so sehr danach gesehnt... schon seit Wochen wollte er nichts anderes mehr, als Benedikt erneut zu küssen. Ob das immer noch einfache Verknalltheit war? Natürlich wusste er, dass er sich eigentlich von ihm fernhalten sollte, aber er konnte es einfach nicht. Er konnte nicht wegbleiben von diesem unheimlichen Menschen, der ihn dermaßen verrückt machte, so sehr, dass er ihm auflauerte, ihn festhielt und ihn eine ewige Zeit in Grund und Boden knutschte, bis es aufhörte zu regnen. Deprimiert setzte sich Rouven auf sein Bett. Er war nass. Sein Haar klebte am Kopf und er sah bestimmt furchtbar aus. Das war aber nicht das Schlimmste im Moment. Viel schlimmer war es, dass seine Schwester vor ihm stand und ihn anschrie und er – zur Hölle noch mal – einfach davongerannt war, nachdem er den besten Kuss seines Lebens bekommen hatte! Oder zumindest den Ersehntesten... Verdammt. Er. War. Davongelaufen! Was war nur los mit ihm? „... und ich werd mir das nicht noch einmal bieten lassen, Rouven! Das nächste Mal werde ich zurückschlagen, nur damit du’s weißt!“ Stinkwütend rauschte Rhia aus Rouvens Zimmer heraus. Er hatte nicht einmal begriffen, was genau sie eigentlich von ihm gewollt hatte. Es ging wahrscheinlich wieder darum, was er sich vorhin geleistet hatte, als er Bene und Rhia überrascht hatte. Schuldbewusst starrte er seiner Schwester hinterher. Egal, was er Bene erzählte, es machte ihm sehr wohl etwas aus, mit ihrem Freund zu knutschen. Immerhin war es seine eigene Schwester. Aber so sehr, dass er deshalb aufhörte, Bene nachzustellen, ging diese Geschwisterliebe jetzt auch nicht. Rouven seufzte. Was hatte er sich eigentlich bei dieser ganzen Scheiße gedacht? Wahrscheinlich nichts, wie immer eben. Er streckte seine Hände vorsichtig aus und ballte sie dann wieder zu Fäusten. Er hatte es ziemlich übertrieben mit dem Training vorhin und hatte so hart draufgeschlagen, dass selbst die richtig guten Boxer beeindruckt von ihm waren. Er seufzte leise. Sah so aus, als wäre heute nicht sein Tag. Oder doch? Immerhin hatte er wieder einmal einen Kuss von Bene abgestaubt. Frustriert und gleichzeitig süßlich lächelnd zog Rouven eine Schublade auf. Eigentlich hatte er die Laster, die er dort drin abgelegt hatte, für immer ablegen wollen – sie hieß nicht umsonst die Lasterschublade –, aber er brauchte es jetzt einfach. Seufzend öffnete er die Schachtel, die er erst vor zwei Wochen reingeworfen hatte, und zog eine Lucky Strike heraus. Rouven drehte sie kurz in den Händen herum, dann seufzte er, öffnete das Dachfenster, zündete sie an und nahm einen tiefen, langen, glücklichen Zug. Schöön. Rouven zog einige Male tief ein und streifte dann die Asche ab. Benedikt würde es bestimmt nicht gerne sehen, wenn Rouven wieder rauchen würde. Er mochte keine Raucher, hatte er Rhia mal erzählt, als Rouven danebensaß. Der hatte daraufhin beschlossen, auf der Stelle damit aufzuhören. Was man nicht alles tat für so etwas oder so jemanden wie Benedikt. Normalerweise ließ Rouven sich niemals so extrem beeinflussen, aber Bene war eben… anders. Bescheuert eigentlich. Rouven hatte immer gedacht, er wäre der letzte Mensch auf Erden, der sich verstellen würde, um zu erreichen, was er wollte. Anscheinend war es doch nicht so. Er zog noch einmal an der Zigarette und starrte in den Himmel, den er vom Fenster aus wunderbar sehen konnte. Der Regen hatte sich verflüchtigt, aber die Wolken waren noch da. Es sah nicht so aus, als würde die Sonne noch einmal herauskommen, wie sie es in den letzten Tagen ständig getan hatte. Er hatte gerade einmal die Hälfte seiner Zigarette aufgeraucht, als er auf einmal merkte, wie lächerlich das doch war. Wütend drückte er die Kippe auf dem Dach aus und schloss sein Dachfenster mit einer solchen Wucht, dass sein Bruder Rasmus ins Zimmer rannte, um sich zu vergewissern, dass er noch lebte. „Ja, Mann, du brauchst doch nicht immer so überfürsorglich zu sein“, fauchte Rouven stinkwütend und Rasmus verzog sich achselzuckend wieder in sein Zimmer. Sechs Geschwister waren definitiv die Hölle! Er musste sofort hier raus, sonst würde er noch durchdrehen... Geräuschvoll trampelte er die Treppe herunter, schnappte sich seine Jacke und verschwand, bevor seine Mutter auch nur fragen konnte, ob er nicht doch lieber Monopoly mit den anderen spielen wollte. Und, nein, er wollte garantiert nicht. Mael würde fürsorglicher sein. Mael wusste immer einen Ausweg und Rat sowieso. Mael, sein bester Freund. Mael, der Dunkle mit den hellen Haaren. Mael, der irre Ire. Mael war nicht da. Ratlos stand Rouven vor seiner Haustür und klingelte Sturm. Verdammt, sonst war er immer zu Hause. Mael war bekannt dafür, niemals rauszugehen und immer zu Hause zu sitzen und auf seiner Gitarre rumzuklimpern. Wahlweise auch auf seinem Klavier, seiner Harfe, Geige, seinem Saxophon oder sonst was. Und er war der Einzige, der über Rouvens Lage Bescheid wusste. Er hatte sich ihm problemlos anvertrauen können, da Mael ja, wie gesagt, nie das Haus verließ und somit auch nicht ausplaudern würde, dass Rou auf Benedikt stand. UND JETZT WAR DIESER VOLLIDIOT NICHT ZU HAUSE! Wütend verzog Rouven die Lippen und starrte die Salzteigbuchstaben an der Hauswand an, die verkündeten, dass Familie Finnigan hier wohnte, mit den Kindern Mael und Erin, die es beide supertoll fanden, wie eine Figur aus Harry Potter zu heißen. Ficken, was sollte das? Rouven tastete nach seinem Handy, um Mael eine wütende SMS zu schreiben (was er bisher nie getan hatte, da er sich ja sonst nie vom Fleck bewegte), bis ihm einfiel, dass sein Handy nicht mehr existierte. Shit, sein Vater würde durchdrehen, wenn er ihm erzählte, was geschehen war... Wütend setzte sich Rouven auf die Stufen vor der Haustür und beschloss, auf Mael zu warten. Wo auch immer er war, er würde dort ja wohl nicht die ganze Nacht bleiben, oder? Anscheinend konnte er. Als sich gegen halb zwölf Uhr nachts immer noch nichts tat und sich kein Mitglied der Familie nach Hause begeben hatte, beschloss Rouven, aufzugeben und nach Hause zu gehen. Oder er machte noch was aus der Nacht... Aber was ging heute? Er hatte keine Lust auf Partys mit bescheuerter Musik, bescheuerten Getränken und bescheuerten Menschen. Und was war zu Hause? Sechs Geschwister. Sechs verfickte Geschwister, die alle irgendwie sauer auf ihn waren. Warum noch mal? Rory, weil Rouven mal wieder alle Türen zugeknallt hatte und Rory immer Ruhe brauchte. Ramón, weil er ihn mal wieder damit aufgezogen hatte, dass er bestimmt vom Briefträger abstammte. Renée, weil er wohl nicht sehr nett zu ihrem Freund gewesen war. Rebecca, weil er sie heute Morgen angeschrieen hatte, dass sie sich endlich einen Job suchen und ausziehen sollte. Rasmus, weil er darauf gehofft hatte, an Rouven endlich die stabile Seitenlage ausprobieren zu können. Und Rhia... wegen Benedikt. Rouven seufzte. Wieso zur Hölle war er nur mit sechs Geschwistern gestraft? Und wieso wohnten bitte alle davon noch zu Hause? Man könnte meinen, dass wenigstens Rory oder Ramón, die ja wirklich schon könnten, endlich abhauen würden. Aber nein, stattdessen hatten sie anscheinend beschlossen, Rouven alle gemeinsam auf die Nerven zu gehen. Er gähnte und fuhr sich seufzend durch die dunklen, langen Haare. Dann, wie aufs Stichwort, bog endlich Mael um die Ecke. „Meine Fresse, zum letzten Mal: Wo warst du denn?“ Maels sommersprossiges Gesicht – noch bleicher als sonst – stand wie immer im Kontrast zu seinen weißblonden Haaren und den braunen Augen. Was war bei ihm nur schiefgelaufen? „Rouu, ich hab doch gesagt, dass es nichts Wichtiges war. Nur diese... Ban...dprobe...“ „Ja, ich weiß es doch, es nervt mich nur, dass ich so ewig auf di... Bandprobe? Du? Du bist in einer Band? Bist du krank, Mael?“ Entsetzt streckte Rouven die Hand aus und fasste dem Iren an die Stirn. Sie fühlte sich tatsächlich etwas erhitzt an und besorgt schüttelte Rouven den Kopf. „Soll ich dir Eis bringen? Ich weiß ja, wo sich das bei euch befindet.“ Mael schüttelte Rouvens Hand ab und seufzte laut. „Also, es stimmt gar nicht, dass ich immer nur zu Hause bin, weißt du? Ich bin auch mal woanders. Du brauchst nicht immer so überrascht zu tun.“ Rouven lachte heiser auf. „Ja, in der Schule. Sonst bist du immer hier. Und wenn ich dich dann einmal brauche, bist du nicht da.“ Maels Augenbrauen hoben sich erstaunt. „Was wolltest du denn überhaupt?“ Rouven winkte ab. „Nicht so wichtig. Ich hab nur ein wenig normale Gesellschaft gebraucht, das war alles.“ Sein Freund nickte verständnisvoll. „Geschwister oder… das andere?“ Nett, wie Mael es ausdrückte. Rouven zuckte die Schultern. „Beides irgendwie.“ Mael schaute ihn etwas verwirrt an. „Wie, beides? Was ist denn passiert?“ Er streckte sich bequemer auf seinem Bett aus und Rouven drehte eine erneute Runde auf dem Drehstuhl. „Keine Ahnung. Ist irgendwie gerade alles ein wenig eskaliert.“ „Erzähl“, forderte Mael ihn auf. „Gibt nicht so viel zu erzählen.“ Rouven seufzte. „Ich hab Benedikt geküsst, bin weggerannt und hab Stress mit Rhia und jedem anderen Menschen in diesem Haus.“ Mael lachte. „Also alles wie… DU HAST BENEDIKT GEKÜSST?“ Er war aufgesprungen und starrte Rouven fassungslos an. „Hab ich das eben richtig verstanden? Du hast mit Bene rumgemacht? Wann, was, wo, wie, wieso?“ Rouven warf den Kopf in den Nacken und stöhnte auf. Dann begann er zu erzählen. „Na, großartig. Schöne Scheiße, würde ich mal sagen.“ Rouven nickte und starrte die Wand an. „Erzähl mir mal was Neues.“ Mael schlug ihm schwer auf die Schulter. „Komm, beruhig dich mal. Es ist ja nicht alles deine Schuld. Benedikt würde nicht mitmachen, wenn es ihm nicht gefallen würde.“ Rouvens Kopf fuhr ruckartig herum und er starrte in Maels blasses Gesicht. „Meinst du?“ „Klar.“ Mael nickte eifrig. „Das sagst du doch auch selbst die ganze Zeit. Hast du etwa nicht dran geglaubt? Ich mein, hallo? Ist doch wohl klar, was ist.“ Rouvens Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. „Mag sein, aber er versteht es nicht. Das ist eben das Problem. Ich selbst hab’s auch eingesehen, oder nicht?“ Mael lachte. „Ja, und ich spüre jetzt noch den blauen Fleck, den du mir zugefügt hast, als ich gesagt hab, dass du eventuell schwul sein könntest.“ Schuldbewusst strich Rouven leicht über die Stelle an Maels Schulter. „Tut mir leid.“ „Da nicht für. Jedenfalls glaub ich, dass Benedikt jetzt einfach einen wirklichen Anstoß braucht. Und solange Rhia nicht checkt, was los ist, kannst du eh alles vergessen.“ Rhia. Sie war es, die Rouven davon zurückhielt, komplett auf Benedikt loszugehen. Seine Schwester. Er konnte seiner Schwester doch nicht den Freund ausspannen, nicht? Er lachte trocken auf. „Mael, du Genie, darauf wär ich ja nie gekommen.“ Demonstrativ sah er auf seine Uhr. „Sorry, ich muss jetzt wohl wirklich los, ich muss morgen wieder früher arbeiten.“ Mael nickte. „Ist er noch da?“ Rouven wusste, was er meinte, dennoch tat er ahnungslos: „Wer denn?“ „Schläft er bei ihr?“ Rouven zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Und ich will es auch nicht herausfinden, setzte er in Gedanken hinzu. Allein der Gedanke, Bene könnte mit Rhia schlafen, versetzte ihm einen Stich im Herzen. „Tun sie es denn?“ Mael musterte Rouven mit ausdrucksloser Miene. Rouven musste daran denken, wie er es erfahren hatte. Er war ins Zimmer seiner Schwester hereingestolpert. Früh am Morgen. Er musste sie dringend sprechen. Irgendeine unwichtige Sache, die ihm damals wichtig erschienen war. Und dann hatte er ihn gesehen. Mit Rhia. Nackt. Eng umschlungen. Solche Schmerzen. Rouven verzog das Gesicht. „Ja.“ Mael zog eine Augenbraue hoch. „Und Benedikt kriegt das hin?“ Er zuckte die Schultern. „Mir doch egal, was die so treiben.“ Obwohl das sicherlich das falsche Wort war. Mael nickte nur, sagte aber nichts, wofür Rouven ihm dankbar war. Er bog ein in die Straße, in der er wohnte. Es war mitten in der Nacht und alles lag still da. Rouven gähnte und dachte an den Zivildienst. In weniger als vier Stunden musste er schon wieder aufstehen, um pünktlich da zu sein. Großartig. Er sah nicht auf, als er das Tor zum Hauseingang öffnete und auch nicht, als er den Weg entlangging. Er schaute erst auf, als er eine sanfte Stimmte hörte, die ihn zaghaft begrüßte. „Benedikt.“ Kapitel 5: In my head --------------------- Hier schon das Nächste, das kommt, weil ich deprimiert bin, und dringend aufgeheitert werden möchte mit Kommentaren xD Die paar polnischen Worte da unten sind nicht wichtig, sind nur Koseworte für Benedikt von seiner Mutter. Ähm, ja. Dann viel Spaß :) http://www.youtube.com/watch?v=RIyUftoF98w „In my head you fulfil my fantasy.” Kapitel 5 Was genau er da tat, wusste Benedikt selbst nicht. Auf einmal hatte er sich vor der Haustür wiedergefunden, obwohl er eigentlich nach Hause gehen wollte. Doch nach Rouvens Kuss war er dermaßen verwirrt, dass ihm alles andere egal war. Scheißegal. Alles. Und jetzt stand Rouven vor ihm, mit roten Wangen und regenkrausen Haaren. „Benedikt“, wiederholte er leise. „Bene, Bene, Bene, Bene.“ Er kam näher, Schritt für Schritt und murmelte Benedikts Namen vor sich hin. Seine dunklen Augen waren kaum zu sehen unter den Ponyfransen und Benedikt ertappte sich dabei, wie er seine Hand hob, um sie ihm wegzustreichen. Mitten in der Bewegung jedoch packte Rouven seine Hand und zog sie vorsichtig nach unten. „Benedikt… was tun wir da?“ Benes Herz pochte wie verrückt und es kam ihm surreal vor, nachts um halb zwei vor Rouvens Haustür zu stehen und sich über die Situation zu unterhalten, die sie gerade erlebten. „Ich weiß es nicht“, murmelte er mit gebrochener Stimme, „ich weiß es wirklich nicht.“ Und ganz leicht umklammerte er Benes Hinterkopf und zog ihn zu sich. Sie waren sich so nah, dass Benedikt seinen Atem riechen konnte und ihre Nasenspitzen sich berührten. Tief tauchte er in Rouvens schwarze Augen ein und lächelte leicht. „Was wir hier tun, sprengt doch alles, oder nicht?“, flüsterte Rouven so leise, dass Bene es zuerst beinahe nicht verstanden hätte. Der nickte leicht. Dann schloss er die Augen und spürte Rouvens Lippen, die sich leicht und sanft auf seine legten. „Komm mit“, drängte Rouven und presste Benedikt gegen die Hauswand, „komm mit mir rein.“ Benedikt drückte Rouvens Kopf wieder näher hin zu seinem. Er wollte nicht reden. Nicht jetzt. Wollte nicht den Augenblick zerstören. Rouven machte sich los und schmunzelte. Sein Lächeln hatte etwas von einem Süchtigen, der nicht genug bekam und immer mehr wollte. „Komm mit mir. Komm rein. Ich will dich jetzt und brauch dich. Komm mit.“ Er bewegte seine Lippen fahrig und senkte seinen Kopf zu Benedikts Hals herab, den er nun mit leichten Küssen bedeckte. Er war versucht, es zu tun. Alles fallenzulassen und ihm zu folgen. Einfach alle Bedenken über Bord zu werfen und sich Rouven hinzugeben. Aber da war eben noch… „Rhia.“ Mit einem Ruck löste er die Verbindung zu Rouven. „Ähm… mein Name ist immer noch Rouven, wie du wissen solltest.“ Stumm schüttelte Bene den Kopf. „Du weißt, was ich meine. Das kann ich nicht. Ich kann deine Schwester nicht so hintergehen. Nicht auf diese Weise. Ich bin mit ihr zusammen und auch wenn es nicht so wirkt, liebt sie mich doch. Und das kann ich ihr definitiv nicht antun! Nicht mit dir.“ Rouven zog seine Augenbrauen zusammen. „W… wie jetzt? Du stehst mitten in der Nacht vor meiner Haustür und machst mir Hoffnungen und dann auf einmal hast du keinen Bock mehr? Was genau bringt dir das denn jetzt? Meine Güte, du verhältst dich wie eine nymphomanische Schlampe. Gott, echt, du. Regst. Mich. Auf.“ Bene öffnete den Mund, um sich zu verteidigen, aber es kamen keine Worte. Er konnte nichts mehr sagen. Wozu auch? Rouven nickte. „Okay, du hast nicht mal mehr eine Erwiderung. Weißt du, ich sollte schlafen gehen. Es ist spät und ich muss eigentlich gleich wieder aufstehen. Du solltest jetzt auch nach Hause gehen. Es ist viel zu spät. Gute Nacht, Benedikt.“ Und Rouven drehte sich um, donnerte den Hausschlüssel ins Schlüsselloch, riss die Tür auf und schmiss sie so laut zu, dass der Widerhall noch eine Weile in Benes Ohren nachhallte. Wie oft konnte man sich eigentlich mit einem Menschen streiten? In dieser Hinsicht hatte Rouven wirklich viel von Rhia. Oder war es umgekehrt? Immerhin war Rhia jünger. Großartig. Er wollte das eigentlich nicht. Diese ganzen Streitereien waren einfach nicht seine Art. Er war von Natur aus eher ruhiger und zurückhaltender und hasse es abgrundtief, sich mit jemandem zu streiten, gegen den er sowieso keine Chance hatte. Und gegen Rhia oder Rouven hatte kein normaler Mensch eine Chance. Unruhig drehte Benedikt sich in seinem Bett herum und starrte wieder aus dem Dachfenster heraus. Er hatte vergessen, sein Zimmer zu verdunkeln und jetzt war es orange erleuchtet von Straßenlaternen. Trotzdem konnte er die Sterne unschwer erkennen. Sie glitzerten und waren von dunklen Wolken durchzogen. Er konnte nicht schlafen. In seinem Kopf befand sich nur Rouven. Rouven, Rouven, Rouven, Rouven, Rouvenrouvenrouvenrouvenrouvenrouven… Er drehte sich nach links. Was hatte es für einen Sinn, jetzt über Rouven nachzugrübeln? Eigentlich keinen, oder? Trotzdem konnte er nicht aufhören. Zu viele Gedanken behinderten ihn. Was würde Rhia sagen, würde sie wissen, was Rouven und er hinter ihrem Rücken trieben? Benedikt war froh darüber, dass er Rouvens Einladung ausgeschlagen hatte. Trotzdem würde er sich am liebsten umbringen deshalb. Rouven hatte ihm einen Freibrief gegeben, mit ihm zu schlafen, und er hatte diesen nicht genutzt. Wie dumm war er eigentlich? Bei Rhia war es immer eine Tortur, weil sie es als eine unendliche Prozedur ansah, bis man miteinander schlief. Rouven dagegen kam anscheinend sofort zur Sache, wenn er wollte. Benedikt stöhnte und vergrub seinen Kopf im Kissen. Kurwa, wo hatte er sich da nur hineingeritten? Und kam er aus der ganzen Sache wieder irgendwie raus? Wohl kaum. Wie denn auch? Er konnte diese… Gefühle für Rouven nicht einfach abstellen und so tun, als wäre alles bestens. Das war nicht fair, vor allem nicht Rhia gegenüber. Gott, Rhia. Sie würde ihm den Schwanz abreißen, wenn sie wüsste, was los wäre. Wieso konnte sein Leben nicht einfach mal normal verlaufen? Seine Hände lagen locker auf der Bettdecke. Rouven hatte diese Probleme bestimmt nicht. Für ihn war alles einfach. Er würde es so sehen: Schwul. Gutaussehender Freund. Holen, weil geil. Aber Benedikt war nicht so. Er brauchte für alles tausend Erklärungen und Aufforderungen. Seine Hände bewegten sich unter die Decke. Rouven schlief bestimmt sogar. Oder nicht? Er hatte sich ja relativ über Bene aufgeregt. Vielleicht lag er ja ebenfalls wach da und verfluchte sich, weil Bene nicht ja gesagt hatte. Mit der einen Hand schob er sein Shirt höher. Warum waren noch mal alle Leute so scheiße gegenüber Homosexuellen? Rhia hatte einmal erwähnt, dass sie sich vorstellen könnte, ihr Bruder Rasmus sei schwul und darüber hatte sie sich stundenlang angeekelt aufgeregt. Es war ihm vorgekommen wie eine Farce und er hatte die ganze Zeit über kein Wort gesagt. Es war Rhia nicht aufgefallen, immerhin redete meistens sie. Er strich sich mit den Fingerkuppen über den Bauch. Zu viele Fragen in seinem Hirn, die ihn fertigmachten. Er wollte sie verscheuchen und nicht noch unnötig festhalten. Wieso setzte Rhia ihm so zu? War nicht er der Mann? Sollte er sich nicht mal normal wehren, anstatt einfach gar nichts zu sagen? Langsam wanderten seine Finger tiefer und wie in Zeitlupe zog er seine Shorts herunter. Rouven. Rouvens Lächeln. Rouvens Stimme. Rouvens Küsse. Rouvens Haare. Rouven. Rouven. Rouven. Rouven. Benedikts Hand schloss sich langsam um seine aufkommende Erektion. Rouven. Das war sein einziger Gedanke. Als sein Wecker klingelte, hatte Benedikt nicht eine Sekunde lang geschlafen. Erschöpft und verschwitzt kletterte er aus seinem Bett heraus und schlich unter die Dusche, um die letzten Reste von Rouven loszuwerden. Es kam ihm so vor, als hätte Rouven Dinge auf seinem Körper hinterlassen, die sich nur schwer wieder abwaschen ließen. Dabei hatten sie sich nur geküsst und nicht sonst was getan… Dafür hatte nur Bene selbst gesorgt. Vollkommen übernächtigt schleppte er sich zum Frühstückstisch, an dem seine Mutter schon wartete. Überrascht zog sie die Augenbrauen hoch, als sie sah, wie müde er wirkte, sagte jedoch nichts, wofür Benedikt ihr dankbar war. Stattdessen griff sie nach der aktuellen Zeitung und versenkte sich darin. Aus reinem Selbstschutz griff sich Benedikt ein Brötchen, bestrich es mit Nutella und würgte es herunter. Es schmeckte – genau wie erwartet – nach Pappe und Bene musste sich beherrschen, um nicht aufzuspringen und die mehlige Pampe in seinem Mund ins Klo zu spucken. Alles was er wollte war, ganz schnell wieder in sein Bett zu kriechen und den ganzen Mist mit Rouven zu vergessen. Es wäre ihm so viel lieber, wenn er Rouven niemals begegnet wäre. Warum musste er noch mal Rhias Bruder sein? Wenn man vom Teufel sprach… Seit dem vorigen Abend nervte Rhia ihn mit Textnachrichten. Alle hatten ungefähr denselben Inhalt, dass er sich endlich melden sollte und später noch bei ihr vorbeischauen musste. Musste. Wieso auch immer. Er hatte nicht die geringste Lust, Rhia jetzt schon wieder zu sehen. Oder eher Rouven. Er wusste gar nicht, wie er ihm begegnen sollte. Was zu sagen oder zu tun war. Benedikt presste seine Hände gegen die Schläfen. Nicht nachdenken. „Sag mal, Benedykt, wirst du krank? Du machst mir heute ein wenig Sorgen.“ „Mama, bitte nicht. Ich hab nur nicht so gut geschlafen, das ist alles.“ Seine Mutter schüttelte den Kopf. „Du bist viel zu blass, Skarbie. Vielleicht gehst du heute nicht?“ Bene schloss die Augen. Schule war ohnehin eine Tortur. Fast all seine Freunde dachten, Rhia und er wären perfekt. Rhia stand in jeder Pause da und wollte mit ihm rumknutschen. Kein Freiraum. Das einzig Gute war, dass Rouven sein Abi schon in der Tasche hatte und ihn deshalb nicht noch zusätzlich verwirren konnte. „Ja“, flüsterte er, „ich bleib lieber hier. Heute ist eh nichts Wichtiges in der Schule.“ Seine Mutter lächelte und sprang, wie alle Mütter eben, sofort auf, um ihm irgendein Zeugs zu holen. Bene legte sich in sein Bett und wünschte sich einfach, sterben zu können. Er hatte keine Lust mehr auf diesen ganzen Zirkus. Das alles ging ihm schon viel zu lange und er wusste nicht, wie lang er das noch aushalten konnte und sollte. Seine Mutter wuselte im Zimmer herum und brachte ihm alle fünf Minuten etwas anderes, durch das er wieder gesund werden sollte. So hatte er wenigstens nicht wirklich Zeit zum Nachdenken. Auch mal gut. Er wusste nicht recht, was er jetzt tun sollte. Sollte er einfach weiterhin diese Farce mit Rhia durchziehen oder sollte er unter alles einen wirklichen, endgültigen Schlussstrich ziehen und sie einfach beide in Ruhe lassen? Wobei er Rouven eigentlich doch immer in Ruhe ließ, wenn man von dieser Nacht absah... Rouven war meist derjenige, der die Nähe zu Benedikt suchte und ausnutzte. Aber konnte man von ausnutzen sprechen, wenn er immer mitmachte? Benedikt schloss die Augen. Nichts sagen. Nichts denken. Nichts reden. Einfach nur daliegen und nichts tun, das wäre das Beste. In seinem Kopf war trotzdem nur Rouvens Angebot, das er abgelehnt hatte. Wieso war er eigentlich so unendlich bescheuert und tauchte mitten in der Nacht einfach so vor Rouvens Haustüre auf? Welcher Teufel hatte ihn da geritten? Wenn Rhia die beiden erwischt hätte... Dieses Szenario wollte Benedikt sich nicht so recht vorstellen, aber es übertraf auf jeden Fall und ganz bestimmt die komplette Saw-Reihe. Er stöhnte gequält auf. Seine Mutter war eben zum Glück aus dem Zimmer gegangen, sonst hätte er jetzt einen kalten Wickel auf die Stirn bekommen und eine bittere Medizin oder sonst was. Benes Handy vibrierte zum tausendsten Mal an diesem Morgen. Mit zitternder Hand tastete er danach und zog es zu sich. Das war ohnehin nur Rhia, die wissen wollte, wo zur Hölle er war und ob sie Krankenpflege betreiben sollte. Nur über seine Leiche. Gähnend und mit schmerzendem Kopf klickte Bene die Nachricht auf. Bene, komm zu mir. Jetzt, sofort. Wir reden. Und ich brauch dich. Rouven. Kapitel 6: Nothing good has happened yet ---------------------------------------- Ich liebe Mexx. Definitiv. Ihr seid die Geilsten Von euch bekommt man Kommentare. Danke dafür 333 Viel Spaß! http://www.youtube.com/watch?v=XTn8Sdt1cxc „I guess nothing good has happened yet.“ Kapitel 6 Unentschlossen drückte Rouven auf ein paar Tasten des Handys herum, das er sich kurzfristig von Rasmus geliehen hatte. Der hatte einige dutzend Alte und hatte ihm von daher eines abgegeben. Der hatte definitiv zu viel Geld, fand Rouven, aber er hütete sich, so etwas zu sagen. Immerhin hatte er wieder ein Handy und eine uralte SIM-Karte. Er wusste nicht genau, weshalb er diese Textnachricht geschrieben hatte, wirklich nicht. Eigentlich sollte er beim Arbeiten sein, aber er war einfach nicht aufgetaucht. Krankmeldung. Was hatte es auch für einen Sinn, jetzt wieder da aufzutauchen? Es lenkte ihn eh nicht vom Wesentlichen ab: Benedikt. Benedikt. Wieso zur Hölle hatte Rouven Bene fragen müssen, ob er mit ihm schlafen wollte. Wieso? Das Display wurde schwarz. Benedikt hatte nicht geantwortet. Rou wusste nicht genau, ob Bene ihm überhaupt antworten würde. Er würde es auf jeden Fall verstehen, wenn nichts zurückkommen würde, aber… er hoffte irgendwie darauf. Unschlüssig drehte Rouven das Handy in seinen Händen herum. „Komm schon, komm schon, komm schon…“ Das Display blieb schwarz. Seufzend schmiss Rouven das Handy auf seinen Nachttisch und drehte sich genervt weg, nur um sich Sekunden später gehetzt umzudrehen und wieder aufs Handy zu starren. Schwarz. „Verdammt.“ Rouven ließ sich auf den Rücken fallen und starrte frustriert an die Decke. Er brauchte… Gott, wie armselig er doch war. Er brauchte Benedikt. Das klang doch wirklich wie aus einer schlechten Seifenoper geklaut. GRSR. Guter Rouven, schlechter Rouven. Wobei der Schlechte in letzter Zeit überwog, was nicht unbedingt gut war. Oder hilfreich. Oder sonst was. Wäre das allerdings eine Serie, würde doch bestimmt ein Happy End für Rouven rausspringen, oder? Zuerst wäre alles gut, dann würde es den Bach runtergehen und in dem Moment, in dem alles vorbei zu sein schien und Rouven in den Knast sollte, würde Benedikt auftauchen und – bämm. Alles wäre anders und auf einmal perfekt und Bene und Rouven würden nach Kanada auswandern, wo sie mehr Toleranz erfahren würden. Allerdings war da noch das Problem mit Rhia. Das konnte nicht mal durch einen Traum gelöst werden. Oder eine Serie. Rouven griff sich in den Nacken und seufzte noch einmal. Das Leben war wirklich viel zu kompliziert. Und in diesem Moment vibrierte sein Handy… Sein Herz setzte aus und Rouven sprang auf. Benebenebenebene… Er griff nach seinem Handy und verfehlte es erst einmal, warf alles um das Telefon herum auf den Boden, hielt das Telefon endlich in der Hand, schaltete mit zitternden Fingern die Tastensperre aus und öffnete die Sms. Was sollte das heißen? Bin heute bei Rhia. Wenn du reden willst, dann nur, wenn sie dabei ist. Nichts über gestern. Bene. Fuck. Er hörte ihre Stimmen durch die Wand hindurch. Leises Flüstern, Gemurmel. Nichts, was Rouven verstehen könnte. Wieso mussten die auch im Wohnzimmer hocken und nicht in Rhias Zimmer? So war es doch selbstverständlich, dass Rouven in der Küche stand und versuchte, sie zu belauschen. Äh, sich ein Glas Wasser holte. Er trank mit gierigen Schlucken, stürzte das Wasser nur so hinab. Ließ es seine Kehle hinunterfließen und spürte, wie sein Kampfgeist langsam wieder erwachte. Er würde seine Ambitionen nicht einfach aufgeben, nein, nein. Betont lässig schlenderte er ins Wohnzimmer hinein, in dem Benedikt und Rhia eng umschlungen saßen und… na ja, rummachten. Igitt. Ob Bene das genoss? „Ach, hier seid ihr. Ich dachte doch, ich hätte was gehört. Na ja, eher nicht gehört. Redet ihr eigentlich überhaupt noch miteinander oder habt ihr immer ein Vorspiel auf unserer Couch?“ Das war ziemlich gut. Wie er es erwartet und gehofft hatte, fuhren sie auf der Stelle auseinander und es erinnerte ihn an eine ganz ähnliche Szene vor nicht allzu langer Zeit. Wider Willen musste er grinsen. „Boah, Rouven, was soll das schon wieder?“ Rhia hatte die Sprache als erste wiedergefunden und funkelte ihn, wie so oft, wütend an. „Habt ihr keinen anderen Platz für euer Getue? Ich meine, es sind noch so viele andere Leute im Haus und ihr habt nichts Besseres zu tun als hier zu sein? Geht doch mal raus und ins Kino, da kannst du ihm in Ruhe einen blasen, ohne dass sich jemand dran stört.“ Strike. Wie gut er doch war. Er mochte es nicht, so ein Ekel zu sein, aber es gab ihm auch ein gutes Gefühl. Irgendwie. Benes Gesicht wurde blass und er sank mal wieder in sich zusammen. Er war ja manchmal schon ein richtiger Feigling… Rhia streckte ihr Kinn heraus. „Darauf lass ich mich nicht mehr ein, Rouven. Bene, können wir gehen, das ist mir zu dumm.“ Schade. Frustriert sah Rouven zu, wie Rhia se… Bene mit nach oben zog. Nein, es war nicht sein Bene. Nicht, nicht, nicht. Rouvens Blick folgte Benedikts Hintern nach oben. Er trug relativ enge Jeans und sein Arsch kam extrem knackig heraus. Beim Gehen bewegte er seinen Hintern mit einem wundervollen Schwung und als er die Treppe hinaufging, wollte Rouven unbedingt an Rhias Stelle sein, die ihn an der Hand nach oben führte. Was sah er überhaupt in ihr als Freundin? Und wieso war er wieder zu ihr zurückgekommen? Natürlich konnte Rhia… nett sein. Und lieb. Wenn sie es wollte zumindest. Aber das war so selten der Fall, dass Rouven nicht verstand, wie man es länger als zehn Tage mit ihr aushalten konnte. Soweit er es verstanden hatte, war sie zu Benedikt nämlich auch so nett wie zu Rouven, also eine absolute Pissnelke. Gestört. Rouven streckte sich auf dem Sofa aus, das noch warm war von Rhias und Benes Körperwärme, und schaltete den Fernseher an. Irgendeine Sendung mit Asozialen kam und Rouvens Mundwinkel bogen sich nach oben. Verglichen mit denen war sein Leben unglaublich geil. Von oben hörte er keine Geräusche, was ihn einerseits erleichterte, andererseits aber auch wuschig machte. Die konnten da oben wer wusste was treiben und keiner würde es je mitbekommen. Von seinen sonstigen Geschwistern war wie immer keiner da, da die nicht so einfach ihre Arbeit schwänzen konnten, was Rouven stillschweigend und doch nicht stillschweigend freute. Im Fernsehen vögelte gerade irgendein fünfzigjähriger, unglaublich widerlicher Typ mit einer zwanzigjährigen Blondine, während seine Tochter, die nur wenig jünger war, ihn dabei überraschte. Rouven grunzte vor Freude. Was für ein Asi. Und weiter ging’s, jetzt kam auch noch die Mutter hinzu. Das war doch wirklich nicht zum Aushalten. „Verdammte Scheiße“, murmelte er. „Ich hab’s wirklich versaut.“ Benedikt hatte ihn nicht einmal angesehen. Er hatte einfach stur woanders hingestarrt und Rouven nicht einmal gemustert oder ihm ein Zeichen gegeben, dass er die Sms ernst gemeint hatte. Obwohl seine Nichtbeachtung wohl genau dieses Zeichen gewesen war… Rouven kratzte sich am Kopf und fragte sich, was genau er jetzt eigentlich tun sollte. Seine bisherige Strategie war es ja einfach gewesen, Benedikt hinterherzulaufen und ihn möglichst zu verwirren. Die Aktion mit der Sms von heute morgen war eher eine Verzweiflungstat gewesen als ein ernst gemeinter Versuch. Er war geil gewesen, müde und mutlos. Und jetzt… er brauchte etwas, mit dem er Benedikt wirklich überzeugen konnte, dass er perfekt für ihn wäre. Aber es passte nicht. Er wusste nicht, was er tun sollte oder wie er es anstellen konnte. Er schüttelte den Kopf und ließ ihn nach hinten fallen. Es war doch… Die Treppe knarrte. Die Treppe knarrte nur, wenn jemand nach unten kam. Egal. Es war ohnehin nicht Benedikt. Benedikt wollte nichts mit ihm zu tun haben und Benedikt war oben, wo er wahrscheinlich gerade mit Rhia vögelte. Zwar war sonst niemand da, aber Benedikt kam nicht die Treppe herunter. Aus Neugierde hob Rouven den Kopf… … und wurde sofort wieder nach unten gedrückt. Benedikt. Benedikt, der halb auf ihm drauf lag und ihm in die Augen starrte. Rouvens Augen weiteten sich erschrocken und er spürte sein Herz rasen. Wie konnte er jetzt noch zu seiner Coolness zurückfinden? „B… Bene, was tust du da? Ich dachte, du wärst…“ Weiter kam er nicht, denn auf einmal zog Bene Rouvens Kopf an den Haaren nach oben und drückte ihm einen dermaßen… schönen Kuss auf, dass Rouven schon Angst hatte, dass sich andere Körperregionen gleich regen würden. Der Kuss war warm und weich und gar nicht so wie die Küsse, die Rouven bisher von Benedikt bekommen hatte. Oder allgemein Küsse, die er im Leben erhalten hatte. Benedikts Zunge umkreiste Rouvens ganz leicht und dennoch fordernd, bis er sie auf einmal zurückzog und stattdessen leicht an seiner Lippe knabberte. „Rou, ich kann es einfach nicht.“ Benes Augen waren leicht geschlossen. „Ich kann Rhia nicht weiter anlügen. Aber trotzdem kann ich nicht aufhören, an dich zu denken. Das hier tut mir leid. Es war das letzte Mal, ich verspreche es dir.“ Und damit berührte er Rouvens Lippen noch einmal ganz leicht, stand auf und rannte die Treppe wieder hoch. Er spürte Benedikts Kuss immer noch. Selbst jetzt, auf halbem Weg zu Mael, noch. Es waren sanfte Berührungen gewesen, aber… der Kuss kam von Benedikt. Er war von Bene ausgegangen, nicht von Rouven provoziert oder sonst etwas, sondern Bene war zu ihm gekommen und hatte ihn geküsst. Es kam ihm vor, als würde er schweben. Er lief; erhüpfte regelrecht. Seit dem Kindergarten war er nicht mehr hüpfend die Straße entlanggelaufen, weil seine Schwester Rebecca ihn gesagt hatte, wie peinlich er doch wäre, wenn er das tat. Geschwister eben. Und trotzdem konnte ihn das gerade nicht drausbringen. Und er hatte es getan, obwohl Rhia oben war. Er hatte es getan, obwohl Rhia es hätte sehen können. Sie hätte jeden Moment auftauchen können, aber es war Benedikt egal gewesen. Ihm war es egal gewesen, und nur das zählte im Moment. Rouvens Hüpfen hörte auf und auch sein Gehen wurde langsamer. Rhia. Rhia war da und er hatte… Rhia wusste nichts davon, was Rouven und Benedikt taten. Sie war seine kleine Schwester. Er hatte ihr früher regelmäßig dermaßen schlimme Gruselgeschichten erzählt, dass sie nachts tausendmal schreiend aufgewacht war und niemand außer Rouven sie hatte beruhigen können. Sie hatte ihm immer Sandkuchen gebacken, den er komplett runterschlucken musste, weil sie es immer gemerkt hatte, wenn er nur so tat, als würde er den Sand essen. Er hatte ihr geholfen, als sie in der fünften Klasse keine Freunde hatte, weil ein einziger Mensch alle dazu brachte, sie zu hassen. Er war immer für sie da gewesen. Immer. Sie waren so etwas wie beste Freunde gewesen. Und jetzt war alles anders. Jeder ging seine Wege. Rhia hatte ihr Leben und war drauf, wie sie drauf war und Rouven war, wie er eben war. Und jetzt betrog er seine ehemals beste Freundin und tolle kleine Schwester, indem er die feste Absicht hegte, mit ihrem festen Freund zu schlafen und ihn fest für sich zu besitzen. Wieso? Rouven blieb stehen und blickte nach vorne. Er konnte Maels Haus schon vor sich sehen. Er war da, das wusste er. Aber brachte es jetzt etwas, ihm von Benedikts Kuss zu erzählen? Eigentlich… nicht. Dafür hatte jemand anderes das Recht, es zu erfahren. Rouven drehte sich auf dem Absatz um. Er musste zu Rhia. Unbedingt. Jetzt. Kapitel 7: Patience ------------------- Nein, ich hör Take That nicht und finde sie schrecklich. Nur gibt es keine anständige Coverversion von Patience :/// Viel Spaß und danke für die Kommentaaaare http://www.youtube.com/watch?v=8NdpI_X0RDw „Just have a little patience. I’m still hurting from a love I lost.” Kapitel 7 „Ich find’s schön so.“ Rhia kuschelte sich näher an Benedikt heran und er schlang seine Arme um sie. Seine Gedanken schwirrten irgendwo herum und er hörte gar nicht richtig zu, was sie sagte. Er hatte Rouven geküsst. Er hatte es gewagt und einen Schlussstrich gezogen. Es hatte nicht mal richtig angefangen, aber er hatte es rechtzeitig beendet. Er lächelte leicht. Warum tat es trotzdem weh? Er gab Rhia einen leichten Kuss auf den Kopf und zog die Decke ein wenig mehr über sie. Ihm war kalt, im Inneren und außen, aber es war egal. Er musste keinem mehr etwas beweisen und Rouven schon gar nicht mehr. „Am liebsten würde ich ewig hier liegen“, murmelte er und Rhia nickte leicht. Sie hatte die Augen geschlossen und ihr Atem traf Benedikts Brust. „Weißt du noch, wie wir uns kennengelernt haben?“ Bene nickte, obwohl sie es nicht sehen konnte. „Und ob ich das noch weiß. In welcher Klasse war ich denn da? In der Achten?“ Rhia öffnete die Augen und lächelte ihn an. In ihrem Blick lag nichts als Zuneigung. „Ja, schon. Du hast mich die Treppe runtergestoßen, als ich ganz neu an die Schule gekommen bin.“ Er fing an zu lachen. „Ja, tut mir immer noch leid. Ich bin gestolpert.“ „Meine Güte, ich hielt dich daraufhin jahrelang für einen Vollidioten. Immer, wenn ich dich gesehen hab, hab ich hinterher mit meinen Freundinnen über dich gelästert. Allerdings war es kein böses Lästern, nur so ein ‚Da war der Typ schon wieder, wegen dem ich mir den Fuß gebrochen habe’-Ding.“ Leicht strich er ihr über die Schulter. „Ich find’s echt interessant, dass wir zusammengekommen sind, obwohl du mich so beschissen gefunden hast.“ Sie nickte leicht. „Keine Ahnung, auf einmal warst du anders. Da war diese Party und du warst besoffen, hast mich angesehen und gelächelt und… plötzlich war da was.“ „Ich find’s trotzdem echt heftig, dass wir dann zusammengekommen sind – und das schon so lange.“ „Fünf Tage?“ Bene gab Rhia einen Knuff in die Seite, sie quietschte und lachte laut auf. „Ich weiß, was du meinst. Ich find es aber unendlich schön, obwohl wir so oft streiten.“ Mit Rouven konnte man auch so streiten… aber über Rouven wollte er jetzt nicht mehr nachdenken. Es war vorbei. Mit einem Mal wurde Benedikt klar, was das wirklich hieß. Dass es vorbei war bedeutete, dass all dieser Stress, diese Angst, diese ganze Scheiße, ein Ende nahm. Es war vorbei, vorbei, vorbei, und alles konnte nur noch besser werden. Mit Rhia. Rhia war seine Freundin. „Es ist einfach natürlich, dass wir uns streiten. Das sind wir, oder nicht?“ Rhia schürzte die Lippen. „Na ja, wohl eher ich. Du bist nicht so. Aber ich… brauch so was einfach. So bin ich, so ist meine ganze Familie. Nimm doch mal Rouven.“ Ein Stich durchfuhr Bene. Nicht nachdenken. Zuhören. „Rouven und ich, wir sind uns so ähnlich. Wir sind beide impulsiv und müssen immer beweisen, dass wir Recht haben. Ohne Streit wäre unsere Beziehung eine andere. Es wirkt so, als wäre es mir egal, wie er tickt oder auch, als würde er mich hassen und als wolle er erreichen, dass es mir schlecht geht. Aber das ist nicht wahr, weißt du? Wir sind einfach so und ich bin ihm dankbar, dass… er trotz allem nicht genug von mir hat.“ Sie holte tief Luft und Benedikt spürte, wie die Kälte immer tiefer kroch. „Und ich bin auch dir dankbar, Bene. Du hältst mich immer aus und sagst nie was. Ich weiß nicht, wie du das machst, aber ich bin dir so unendlich dankbar dafür, dass du mich trotz allem liebst und wieder mit mir zusammen sein möchtest. Ich liebe dich, Benedikt.“ Als er diese Worte mit einem „Ich liebe dich auch“ und einem Kuss erwiderte, fühlte Benedikt sich auf einmal wie ein unendlicher Heuchler. Noch vor zwanzig, dreißig Minuten war er unten gewesen, auf dem Sofa, auf Rouven gelegen, hatte ihn geküsst. Geküsst, bis er kaum noch konnte. Er hatte es nicht beenden wollen, aber er wusste, dass es notwendig gewesen war. Für Rhia. Er sollte sich endlich darauf besinnen, dass sie seine Freundin war und nicht Rouven sein Freund. Aber irgendetwas in seinem Hirn brachte es wohl immer noch nicht hin. Er brauchte einfach mal Ruhe. Ruhe ohne Rhia und Rouven, die ihn in seinen Entscheidungen verwirrten. Was wollte er eigentlich? Während er Rhia leicht über die Schulter strich und diese ganz leise schnurrte, wie sie es immer machte, wenn ihr etwas unendlich gefiel, hätte Benedikt sich am liebsten selbst getötet. Macht er sich nicht etwas vor? War das mit Rhia jetzt nur eine Farce oder das mit Rouven? Er wusste es doch nicht. „Was hast du?“ Überrascht hielt Bene inne und starrte erschrocken in Rhias Augen, die ihn neugierig musterten. „Wie… was meinst du?“ Er versuchte zu lächeln, doch er wusste, dass es gezwungen aussah. „Was soll ich denn haben, Schatz?“ Vielleicht war es das Wort, das ihr zusetzte. Vielleicht auch nur sein Gesichtsausdruck. Jedenfalls drehte sie sich auf einmal um und sah ihm forsch ins Gesicht. „Bene, ich bin doch nicht blöd. Du siehst nicht glücklich aus. Was ist los, hm? Wir haben doch gerade geredet und du weißt, du kannst mir alles sagen, oder?“ Er dachte nach. Ach, Rhia, ich hab in der letzten Zeit ziemlich viel mit deinem Bruder rumgeknutscht, sodass ich zu dem Schluss gelangt bin, dass ich mindestens bisexuell sein muss. Allerdings habe ich es gerade eben beendet, will aber unbedingt noch mehr Küsse von Rouven erhalten, weil er nämlich unendlich weiche Lippen hat und ich seine Haare noch einmal berühren möchte. Ich weiß auch nicht, ob ich dich liebe oder ob ich es nur sage, um dich zu beruhigen, vor allem, weil du heute echt nett bist… und so was doch nicht verdient hast. „Ich weiß nicht, Schatz, ich glaub, ich werd ein wenig krank. Darfst du nicht persönlich nehmen, ich bin nur die letzten Tage ständig im Regen rumgerannt, deshalb war ich ja auch nicht in der Schule. Weiß auch nicht.“ Ihr Blick war ausdruckslos. „Dann kurier dich aus, ich mag nicht auch krank werden.“ Er lächelte. „Mach ich, Schatz, mach ich.“ Sie schlief. Alles war still. Keiner war da, was Benedikt wunderte. Rhia hatte sechs Geschwister und keiner war im Haus. Bene selbst hatte nur eine Schwester und als diese noch zu Hause gewohnt hatte, war sie ständig dort gewesen, wo Bene auch war. Diese Stille… sie machte ihn nervös. Gab ihm Zeit zum Nachdenken. Zeit, die er nicht gebrauchen konnte. Er wollte nicht wieder über Rouven nachgrübeln, das machte ihn nur fertig. Aber er tat es trotzdem. Was blieb ihm denn auch sonst übrig? Was hatte er getan… Vorhin hatte er noch erleichtert gedacht, es wäre beendet. Vorbei. Das Ende. El fin. Koniec. Aber das war es nicht. Es hatte gerade erst angefangen. Wie er Rouven kannte, würde der das nicht auf sich sitzen lassen. Rouven gab niemals auf. Niemals, niemals, niemals. Nur weil er nie aufgab, war er Klassenbester gewesen, hatte das beste Abi im ganzen Bundesland geschafft und würde vermutlich irgendetwas studieren, das seinen Wert noch mehr steigen ließ. Benedikt dagegen war immer nur das gute Mittelfeld und auch nicht sonderlich ehrgeizig, was aber auch im Moment nicht wirklich wichtig war. Es ging darum, dass Rouven nicht lockerlassen würde. Er war es falsch angegangen. Komplett, absolut und unweigerlich falsch. Er hätte mit ihm reden sollen, anstatt nur zu sagen, dass es nicht mehr ging. Rouven verstand das doch gar nicht und wollte es vermutlich gar nicht verstehen. Oh, warum war er so dumm gewesen und hatte der Versuchung nicht widerstanden, ihn zu küssen? Wie war er auf die Idee gekommen, so etwas zu tun und wieso hatte er hinterher mit Rhia geschlafen? Oh, scheiße… Konnte das Leben noch komplizierter sein? Konnte es, wie Benedikt kurz darauf erfahren durfte. Auf einmal stand er mitten im Zimmer. Gerade war Benedikt weggedöst und hatte endlich vergessen, an Rouven zu denken. Und jetzt… stand er da. Mit verwuschelten Haaren. Roten Wangen. Einem glücklichen Ausdruck im Gesicht. Benes Augen weiteten sich als er Rouven sah, doch dieser beachtete ihn gar nicht wirklich, denn sein Augenmerk lag nur auf Rhia. Mit drei Schritten war er bei ihr, schlug Benes Hand weg, die er eben aus Verzweiflung in Richtung Rouven ausgestreckt hatte (warum eigentlich?), packte Rhia an der Schulter und schüttelte sie, bis sie sich langsam regte. „R… Rouven, was soll das denn?“, murmelte sie verschlafen und gähnte erst einmal ausgiebig. „Rhia, ich muss mit dir reden. Jetzt, auf der Stelle.“ Rouven klang gehetzt, aber auch irgendwie befreit. Bene schloss die Augen und tat etwas, das er seit der dritten Klasse nicht mehr getan hatte: Er betete. Er betete, dass Rouven jetzt nichts sagen würde. Nichts über ihn. Nichts über… das, was sie verband. Diese seltsame Art von Beziehung. Nein, das war das falsche Wort. Komplett falsch. Aber wie nannte man es dann? „Rou, was ist denn? Hat das nicht Zeit?“ Heftig schüttelte er den Kopf. „Rhia, es hat keine Zeit. Ich muss jetzt mit dir reden.“ Sein Blick streifte Benedikt und der erschrak. Es lag etwas darin, dass nicht greifbar war. Er konnte nicht sagen, was genau es war, aber es verhieß nichts Gutes. Der Blick war träumerisch und irgendwie… nein, das konnte er nicht einmal denken. „Rouven, gib ihr doch erst mal die Zeit, aufzuwachen.“ Bämm. Das war’s. Er hatte etwas zu Rouven gesagt, während Rhia im Zimmer war. Wie er das geschafft hatte, wusste er nicht. Normalerweise ging es einfach nicht. Da war ein Hebel in seinem Hirn, der sich umlegte, sobald Rouven und Rhia zugleich im Zimmer waren. Rouvens Blick traf ihn tief ins Herz. „Nein, sicher nicht. Das geht uns alle was an, also könntest du ruhig auch zuhören.“ Scheiße. Scheiße, scheiße, scheiße, scheiße. Rhia gähnte. „Also dann, schieß einfach los, ja? Dann ist es auch umso schneller wieder vorbei.“ Das glaubte auch nur sie. Benedikt warf Rouven einen panischen Blick zu, den er mit einem Lächeln abtat. Und dann legte er los… „Hach, Rhia, wenn du wüsstest, was ich in den letzten Monaten durchgemacht hab. Beziehungsweise, was wir durchgemacht haben, nicht, Bene?“ Herausfordernd lächelte er ihn an und Benedikt spürte, wie sein Herz einen Schlag lang aussetzte vor Wut und Angst. Wieso machte er jetzt alles kaputt? Was brachte ihm das? Verwirrt bewegte Rhia ihren Kopf zwischen ihrem Bruder und ihrem Freund hin und her. „Ähm… was soll das bitte heißen?“ Einige Sekunden lang schloss Bene die Augen. Hinter seinen Lidern flackerte es. „Schatz, es heißt gar nichts.“ „Schatz, es heißt gar nichts“, äffte Rouven ihn gehässig nach. „Natürlich heißt es was, und wie sogar. Benedikt kann dir das wahrscheinlich noch besser erklären als ich jetzt. Los, frag ihn doch mal.“ „Bene?“ Ihre Stimme klang alarmiert und Benedikt hätte Rouven am liebsten umgebracht. Wie kam der bitte zu so was? „Nichts ist los, Rhia, ich weiß nicht, was er hat. Ehrlich nicht.“ Rouven verzog seinen Mund zu einem dünnen Strich. „Und ob du es weißt. Los, erzähl es ihr endlich. Ich sage nichts, bis du dich nicht getraut hast, es ihr zu sagen. Sie hat ein Recht darauf, alles zu erfahren, findest du nicht auch? Sie ist deine Freundin und meine Schwester. Fang endlich an.“ Benedikt verschränkte die Arme um seinen Körper, der ja immerhin noch bis auf seine Shorts nackt war. Rouven schien sich allerdings weder an seiner noch an Rhias Nacktheit zu stören, die er ja ohnehin nur bei Bene ein Stückchen zu sehen bekam. „Rouven, ich werde gar nichts sagen und du weißt auch, warum.“ „Aber ICH weiß es nicht, also könntet ihr jetzt mal freundlicherweise damit rausrücken, was los ist? Ich finde das verwirrend und es gefällt mir nicht, dass ihr Geheimnisse vor mir habt.“ Benedikt strich ihr ein Haar von der Schulter. „Wir haben keine Geheimnisse vor dir. Es ist überhaupt nichts los. Ignorier ihn einfach.“ Wieso er so… dämlich reagierte, wusste er selbst nicht. Vielleicht wollte er sich um jeden Preis schützen. Und wovor? Vor Rouven? Rhia? Seiner Hetero-, Bi- oder Homosexualität? „Also gut.“ Rouven warf Benedikt einen unendlich wütenden Blick zu. Und dann öffnete er seinen Mund, um Rhia zu sagen, was los war und um Bene ins Verderben zu stürzen. Kapitel 8: Inside of you ------------------------ Und damit kommen wir nun zu meiner Lieblingsband, habt bloß viel Vergnügen, wenn ihr’s euch anhört, sonst weine ich xD Danke für die Kommentare, über mehr freue ich mich immer 333 Ach ja. Ich hab keine Ahnung, ob ich es schon mal erwähnt habe, aber: Die Geschichte ist bereits fertiggestellt. Ich verändere nichts mehr (:P) und stelle nur pünktlich jeden Montag und Donnerstag ein Kapitel hoch. Warum? Keine Ahnung. Jedenfalls wünsch ich viel Spaß :* Mael singt Call it Karma, das im dritten Kapitel verlinkt wurde. http://www.youtube.com/watch?v=8GgdwMVR87k “I know I'm gonna fall. And you'll be waiting for it all.” Kapitel 8 Da stand er nun vor seiner Schwester und dem Typen, den er irgendwie mochte. Da stand er und hatte vor, ihnen zu sagen, was genau lief. In Rhias Gesicht konnte er genau lesen, was los war. Sie war sauer, neugierig und vor allem richtig, richtig, richtig angepisst, weil Rouven einfach so hier reingeplatzt war, um ihr Leben auf den Kopf zu stellen. Bei Bene war die ganze Sache allerdings viel komplizierter. Rouven wusste nicht, was genau er nun dachte, wollte, hoffte. Er sah ihn einfach mit diesem unergründlichen Gesicht an und zeigte keine Regung mehr. Allerdings hatte er vorhin doch tatsächlich mal etwas gesagt, was ihm in Gegenwart von Rouven und Rhia noch nie passiert war. Und jetzt? Sollte er es tun oder nicht? Vorhin, auf dem Heimweg, war er sich seiner Sache noch komplett sicher gewesen. Er hatte gewusst, dass es richtig war, was er vorhatte. Aber jetzt war da auf einmal diese Beklemmung… Seine Schwester musterte ihn mit riesigen Augen und in Benedikts Gesichtsausdruck konnte Rouven auf einmal Angst sehen. „Rhia…“ Er brach ab; wusste nicht mehr weiter. „Rouven, bitte. Das ist doch lächerlich, lass es einfach.“ Der Wahnsinn, Bene hatte schon wieder was gesagt. Rou wusste nicht mal, wann Benedikt das letzte Mal mehr als drei Sätze mit ihm gewechselt hatte, wenn seine Freundin neben ihm lag und ihn… befummelte? Rouvens Kinnlade fiel ungefähr auf Höhe seiner Knie. „Hey, wenn ihr mir nicht zuhören wollt, dann ist mir das auch egal.“ Gespielt stinkwütend drehte sich Rouven auf dem Absatz um und stürmte hinaus. Glück gehabt. „Rouven, hast du ’ne Sekunde?“ Überrascht sah Rouven hoch und sah seine Schwester vor ihm stehen. Oh, scheiße. „Äh, ich weiß nicht so recht, ich bin aufm Sprung“, murmelte er nur mit lahmer Stimme und verfluchte sich innerlich dafür, dass er überhaupt damit angefangen hatte. „Komm schon, du hast doch bestimmt noch ein paar Minuten.“ Ihre Stimme klang flehentlich, aber nicht böse, was Rouven nicht unbedingt beruhigte. Er wusste genau, wie schnell sie auf Hundertachtzig sein konnte – genauso schnell wie er selbst auch, vielleicht sogar noch schneller. „Hm, wenn’s sein muss, schon.“ „Cool.“ Sie zog ihn mit sich in ihr Zimmer hinein. Als ihm klar wurde, wo es hinging, zuckte er zusammen. Fast erwartete er, Bene jetzt erneut unter die Augen treten zu müssen, aber der war nirgends mehr zu sehen. Hatte sich wohl aus dem Staub gemacht. Rouven ließ sich auf Rhias dunkelgrüne Couch fallen und strich sich durch die Haare. Seufzend setzte sich seine Schwester neben ihn und ließ ihn nicht aus den Augen. Argwöhnisch. So. „Und jetzt?“ Rhia zuckte die Schultern. „Ich will einfach nur wissen, was das vorhin sollte. Bene wollte mir nicht so recht antworten, er meinte, es wäre nur ein kleiner Streit zwischen euch. Aber ihr redet doch gar nie miteinander, wie könnt ihr denn dann streiten?“ Großartig. Was sollte er denn darauf bitte erwidern… Ganz genau, Rhia, so ist es. Bene und ich haben nur einen winzig kleinen Streit und alles ist eigentlich bestens. Wir haben nur noch zusätzlich eine kleine Affäre, aber das kann dir ja egal sein. „Er hat recht, das ist alles. Wir haben schon manchmal was miteinander zu tun und ich war… etwas sauer auf ihn, weil ihr jetzt wieder zusammen seid und so. Das ist nichts Wildes, echt nicht, ich fand es nur etwas ätzend von ihm, erst mit dir Schluss zu machen und dann sofort wieder zurückkommen zu wollen.“ Rhias Lächeln fiel deutlich fröhlicher aus als sonst. „Rou, das ist wirklich lieb von dir, dass du dir solche Sorgen um dich machst. Aber das ist nicht nötig, du kennst doch Bene. Er ist wirklich toll und er würde mir niemals wehtun. Niemals.“ Als er seiner Schwester durch die Haare strich, kam er sich vor wie das größte Arschloch der ganzen Welt, weshalb er auch so schnell wie möglich weg wollte. Seufzend stand er auf und Rhias überraschter Blick tat ihm beinahe mehr weh als Benes Anschuldigungen vorhin, dass er keine Ahnung davon hatte, was Rouven da sagte. „Mael wartet schon, ich muss los.“ „Mael, ja?“ Rhia grinste. „Hast du im Moment kein Mädchen am Start?“ Rouven erstarrte und er spürte, wie sein Herz anfing, laut zu pochen, so laut, dass er schon Angst hatte, dass Rhia es hören konnte. „Äh… wie kommst du denn drauf?“ Sie lachte nur. „Du hast schon lange nicht mehr von irgendwelchen Eroberungen geprahlt. Normalerweise bist du nur still und erzählst nichts von Mädels, wenn du verknallt bist. Schon mal aufgefallen?“ Erstaunlich, was Geschwister alles merkten. „Laber nicht, Trottel.“ Rouven grinste, winkte und verschwand aus dem Zimmer. Draußen auf dem Gang verging ihm das Grinsen. Zur Hölle, sie wusste etwas. Sie wusste, dass Rouven irgendjemanden nicht aus dem Kopf bekommen konnte. Wenigstens hatte sie keine Ahnung, wer es denn nun war. Immerhin hatte Benedikt das noch hinbekommen. Dass er so intelligent darauf reagiert hatte, womit Rouven ihn beschimpft hatte, hätte er nie gedacht. Anscheinend wusste er eine Menge Dinge nicht über Benedikt. Hm. Wovon hatte er denn eine Ahnung? Benedikt hatte eine Schwester und zwei kleine Nichten. Seine Schwester wohnte schon seit mehreren Jahren nicht mehr zu Hause, was ihn praktisch zu einem Einzelkind machte. Er war ziemlich still und fiel eigentlich niemals negativ auf, außer wenn er betrunken war. Da kam der Pole in ihm heraus, denn er liebte Wodka. Und das Heimatland seiner Eltern. Er selbst war in Deutschland geboren, aber seine Eltern kamen aus Polen und zogen ihn auch so gut es ging polnisch auf. Die Sprache konnte er relativ gut und er hatte vor, vor oder nach dem Studium ein Jahr lang in Polen bei Verwandten zu verbringen, wenn ihm nichts dazwischenkam. Als kleiner Junge hatte er ein Faible für Einhörner gehabt, das anhielt bis in die dritte Klasse, in der er auch seinen Glauben an Gott verloren hatte. Er war ziemlich gut in Deutsch, dafür aber sonst eher nicht besonders. Vor Biologie hatte er eine regelrechte Phobie und in Mathe bekam er schon Punkte, wenn er nur seinen Namen richtig schrieb. Er mochte Sport und hatte bis vor einigen Jahren Fußball gespielt, bis er sich den Fuß so unglücklich gebrochen hatte, dass er damit aufhören musste. Seitdem war er vor allem in einer AG tätig, die kreatives Schreiben unterstützte. Er lebte für den Freitagabend, weil er dort traditionell mit seinen Freunden Pokerturniere veranstaltete, bei denen er ziemlich oft gewann. Bene war ein Familienmensch. Weihnachten feierte er grundsätzlich in Polen mit der kompletten Familie, was für ihn das Größte überhaupt war, obwohl er eigentlich schon zu alt für diese Glückseligkeit war. Mit seinem besten Freund traf er sich seit dem Kindergarten und Rhia hatte er in der achten Klasse kennengelernt und ging seit der Elften mit ihr. Tja. Und jetzt? Er wusste wohl schon einiges über Benedikt. Aber war das genug? Im Grunde genommen… nicht. Er wusste, was Benedikt tat, er wusste, was er mochte, aber mehr ja auch nicht. Nichts Wirkliches, nichts Reelles. Er wusste das, was er von Rhia gehört hatte und das, was Benedikt ihm erzählt hatte während der seltenen Momente, in denen sie miteinander redeten und nicht rumstritten oder… Rouven schluckte… rummachten. Ach, verdammt, warum musste das Leben so dämlich sein? Wieso war es so schlimm, schwul zu sein und wieso war Benedikt mit Rhia zusammen und nicht mit Rouven? Das war doch alles schlicht und einfach nur unfair. Mael. Jetzt. Der konnte helfen. Und diesmal würde er auch da sein. „Ach ja? Sie hat’s nicht geschnallt?“ Irritiert musterte Mael seinen besten Freund und zupfte geistesabwesend an seiner Acousticgitarre herum. Rouven nickte. „Ja. Ich kam mir unheimlich widerlich vor, weil ich ihr das dann auch noch verzapft hab. Aber ich denke eben, dass das besser ist als es ihr ins Gesicht zu sagen.“ Mael zog die Augenbrauen hoch. „Nicht?“, fragte Rouven beunruhigt nach. Mael sagte nichts, sondern schlug die Acoustictakte eines Songs an, den Rou nicht kannte. „Mael, hör mir mal bitte zu und weich nicht aus. Sag’s mir bitte. War es gut oder war es nicht gut?“ Mit seiner rauen, klaren Stimme begann Mael zu singen und Rouven hörte ihm schweigend zu. Was hatte es für einen Sinn, ihn zu unterbrechen? Er würde ihm sowieso nicht antworten. „Finally, something out there that's making sense and it's just another trend carefully hidden in your dress…” Rouven stützte die Arme auf Maels Schreibtisch ab und hörte einfach nur zu. Wenn Mael sang, war man meist eh wehrlos. Leider, weil er beinahe nie sein Haus verließ, wusste kaum einer davon, wie begabt Mael wirklich war. Auch in der Schule hatte er es beinahe niemals gezeigt, auch nicht im Musikunterricht, und als er sich während der Abschlussfeier auf einmal ans Klavier gesetzt hatte, hatte zunächst jeder gelacht. Mael war nie beliebt gewesen, im Gegenteil, er sprach zu wenig, weswegen man ihn immer als Rouvens Anhängsel bezeichnet hatte. Furchtbar schade, fand Rouven, denn er mochte Mael unendlich und er regte sich immer darüber auf, wie wenig soziale Kontakte er doch hatte, weil Mael toll war. Eigentlich. Während er also spielte und Rouven lauschte, wanderten seine Gedanken ziellos herum und blieben – wie sollte es auch anders sein – bei Benedikt stehen. Aber eigentlich wollte er das nicht mehr. Er wollte nicht mehr über Benedikt nachdenken, weil das schlechtweg zu ätzend war. Alles, was er tun konnte, war nicht mehr daran zu denken. Aber vielleicht was das nicht das Richtige. Eventuell sollte er einfach… etwas anderes tun. „I'll look back with honor and no regrets. I won't be mad, won't feel bad. These memories will never leave me. Don't be sad, 'cause life goes on, life goes on. It's getting too late. Tomorrow is here.” Mael hörte auf zu spielen und ruckartig hob Rouven den Kopf. „Hat’s dir gefallen?“ Sein bester Freund lächelte leicht und er nickte. „Tut mir leid, dass ich dir hier so einen Stress mache, Mael. Ich glaub, ich werd… was anderes tun.“ Er bestätigte es erleichtert nickend. „Und was?“ Schulterzucken. „Keine Ahnung. Kämpfen. Aufgeben. Was auch immer, aber das, was ich heute getan habe, war einfach nur falsch. Ich hab’s angegangen ohne darüber nachzudenken und ich kann froh sein, dass Benedikt das noch irgendwie rumgerissen hat.“ „Ich versteh eh nicht so genau, was du an ihm findest“, gab Mael zu und legte seine Gitarre behutsam auf den Boden. Er ging mit seinen Musikinstrumenten wahrscheinlich besser und pfleglicher um als mit seiner Schwester und kleinen Kindern. Rouven zuckte zusammen. „Ich… ach, Mael, ich hab’s dir doch schon oft erklärt, ich weiß doch auch nicht, warum ich ihn mag. Ich mein, bevor ich ihn kannte, waren mir Typen doch vollkommen egal! Ich hatte Mädchen, ich hab gevögelt, gefeiert und was weiß ich alles, aber als Bene aufgetaucht ist, war es auf einmal alles ganz anders. Und… das kam auch erst schrittweise. Am Anfang dachte ich ja nur, dass er irgendwie gut aussieht, aber auf einmal war da eben immer noch mehr. Das konnte ich mir doch nicht aussuchen, Mael, ich hätt ihn doch auch niemals genommen. Ich mein, er ist ein Typ. Und so gut oder so sieht er ja auch gar nicht aus.“ Mael grinste. „Doch, das tut er. Und wie sogar. Das weißt du auch ganz genau, Rouven, red dir hier gefälligst nichts ein.“ „Mann, was willst du eigentlich?“ Ungläubig starrte Rouven ihm ins Gesicht. „Erst machst du ihn schlecht und dann willst du mir wieder erzählen, dass er geil ist? Du kannst dich echt auch nie entscheiden, Herrgott.“ Wütend raufte er sich die Haare, während Mael ihn einfach nur auslachte. „Rouven, sieh’s ein: Egal, was du tust und sagst, es ist falsch. Du musst dir die ganze Sache endlich mal gründlicher überlegen, anstatt immer nur in den Tag hineinzuleben und hin und wieder irgendwas tun, was Benedikt und dir schadet. Du bist bei so was einfach viel zu unvorsichtig.“ Rouven seufzte. Keine schlechte Idee, nein, nein. Aber das durfte er Mael nicht zeigen. „Hm.“ Sein bester Freund grinste. „Du liebst die Idee.“ Verdammt. „Spinnst du? Ich find sie scheiße.“ Mael schüttelte nur den Kopf und setzte sich an sein Keyboard. Mist. Wieso kannte er ihn nur so gut? „Also gut. Dann werde ich jetzt zu Benedikt gehen und mich für die Scheiße entschuldigen, die ich abgezogen habe.“ Kapitel 9: Only you ------------------- Wuh. Über Kommentare würd ich mich immer noch freuen und... viel Spaß Mit dem Anfang bin ich nicht zufrieden, aber mit dem Ende definitiv! http://www.youtube.com/watch?v=JET6ylXLn80 http://www.youtube.com/watch?v=jWuay7P0wZk “Here and now my world turns inside out. And I swear I… I hear you calling” Kapitel 9 „Skarbie, ich hab dir ja gesagt, dass du nicht mehr zu Rhia gehen sollst.“ Wütend schnalzte seine Mutter mit der Zunge und Benedikt zuckte die Schultern. War doch eh alles egal. Alles war vollkommen unwichtig. „Benedykt, ich will…“ „Ja, ist gut“, fuhr Bene seiner Mutter ins Wort, „ich hab’s kapiert, du brauchst mich nicht immer zu bemuttern. Ich bin weg heute, ich bin nicht krank oder sonst was. Ich geh heute Nacht zu Sarah, da werd ich wenigstens in Ruhe gelassen.“ Wütend auf sich selbst stapfte er die Treppe hoch und ließ seine vollkommen verdatterte Mutter allein zurück. Sie konnte ja nichts dafür, aber es hatte so gut getan. Rouven hatte ihn benutzt. Benutzt, gedemütigt, alleingelassen. Er hatte irgendeine Scheiße aus dem Ärmel zaubern müssen und war, obwohl es endlich mal gut gelaufen war, sofort abgehauen. Ah, Moment, war es ja gar nicht mehr, da dank Rouven alles schiefgelaufen war. Seufzend packte er ein paar Sachen in seine Tasche und trampelte die Treppe runter, an seiner Mutter vorbei, raus, raus, raus. Zu Sarah. Seiner großen Schwester, die in der Nähe wohnte und ihn normalerweise immer spontan nachts aufnahm, wenn irgendwas war. Sie stelle keine Fragen; wusste, wie seine Mutter war. Oder sein Leben. Was sie nicht wusste war die Sache mit Rouven. Bene hatte nicht vor, sie irgendjemandem jemals zu erzählen. Sarah würde es verstehen, dass er mal Abstand brauchte. Sie verstand ihn immer. Bene vermisste es, sie zu Hause zu haben. Es wäre einfacher gewesen, sie auch in der Pubertät bei sich gehabt zu haben, aber sie war ausgezogen als Bene elf gewesen war. Genervt strich er sich im Gehen tausend Haare aus der Stirn. Er hasste es, wenn sie so lang waren, dass sie ihm in die Augen fielen und es war ihm lieber, wenn sie etwas kürzer waren. Aber Rhia mochte das nicht und was Rhia mochte, war nun mal Gesetz… Beinahe hoffte er, dass auf der Straße noch eine dunkle Gestalt auftauchen würde. Dunkle, lange Haare, ein schönes Lächeln, sarkastische Sprüche auf den Lippen. Aber nichts war und alles, was blieb, waren vereinzelte Regentropfen, die Bene auf den Kopf trafen. Kein Rouven, der ihn von hinten umschlang und an sich drückte. Kein Rouven, der ihm ins Ohr flüsterte, wie geil er heute doch wieder aussähe. Kein Rouven, wegen dem er sich auf dem Klo einen runterholen musste. Kein Rouven. Woher sollte der auch wissen, wo er war? War das gut, war das schlecht? Er schüttelte den Regen ab und klingelte bei Sarah. Bene seufzte und drehte sich auf die andere Seite. Er liebte das Gästebett bei seiner Schwester, in dem er normalerweise unendlich toll schlafen konnte. Aber heute war alles anders und er lag mal wieder stundenlang da, ohne dass seine Augen auch nur ein winziges Stückchen zufielen. Er dachte nach. Er dachte über den Tag nach und darüber, dass Rouven es wirklich hatte riskieren wollen, Rhia alles zu sagen. Bene wusste nicht genau, was der Sinn des Ganzen gewesen war. Er konnte so oft er wollte darüber nachdenken, aber es kam einfach zu keinem Ergebnis. Zumindest zu keinem passenden. Es war doch nicht abzusehen gewesen, was Rouven abziehen würde und es war irgendwie lächerlich. Aber irgendwie… Bene drehte sich auf den Rücken… doch auch süß. Für seine Schwester hatte Rouven alles aufgeben wollen. Er wollte Benedikt wehtun und sich selbst ebenso, um Rhia nicht länger zu belügen. Und irgendwie auch noch… Benedikt. Er wollte seiner Schwester unbedingt beichten, dass er etwas mit Bene hatte, weil… ja, weil ihm vielleicht etwas an Benedikt lag? Wollte er ihn schützen, indem er es ihr sagte, sodass sie es nicht selbst herausfinden musste? Das war doch verwirrend. Bene schwitzte und seufzend strampelte er die Decke von sich. Irgendwo im unteren Stockwerk begann eine seiner Nichten zu schreien und im Haus gingen die Lichter an. Durch seinen Türschlitz fiel Licht und er hörte jemanden die Treppe runterrennen. Dann war wieder alles still. Er kratzte sich an der Nase und spürte, wie ihn die Hitze trotz allem erneut erfasste. Ächzend zog er sich sein Shirt über den Kopf und warf es zu Boden. In diesem Moment hörte er leise Geräusche am Fenster. Erschrocken saß er auf einmal kerzengerade im Bett. Was war das? Da war es wieder. Eine Art leises Prasseln, das sofort wieder verstummte. Verwirrt fragte Bene sich, ob er einfach weiterhin versuchen sollte zu schlafen oder ob er nachsehen sollte. Er entschied sich für Ersteres und bettete seinen Kopf wieder auf sein Kissen. Da. Schon wieder. Leicht verstimmt stand Benedikt auf, trat ans Fenster heran… … und traute seinen Augen nicht. Riss das Fenster auf. Streckte seinen Kopf raus. Schrie beinahe. „Rouven!“ Er winkte und hielt irgendetwas in der Hand. Bene strich sich über die Augen und sperrte den Mund auf. „Herrgott, was willst du denn bitteschön hier?“, flüsterte er, aber noch so laut, dass Rouven ihn noch hören konnte. Der zuckte, soweit Bene das erkennen konnte, mit den Schultern. „Kann ich hochkommen?“ Dumpf lachte Benedikt auf. „Wie denn bitteschön? Willst du dich an meinen langen Haaren hier heraufschwingen und mich fortan Rapunzel nennen?“ Er glaubte, Rouven grinsen zu sehen. „Kann ich tun.“ Er räusperte sich. „Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter.“ Wider Willen musste Benedikt lachen. „Vergiss es. Aber du kannst die Haustür benutzen.“ Warum er das getan hatte, wusste Benedikt auch wieder mal nicht genau. Es war ihm aber relativ schnuppe, weil er Rouven gerade ins Gästezimmer seiner Schwester schleusen und aufpassen musste, dass keiner bemerkte, dass er da war. Am liebsten hätte er Rouven getötet, als dieser gegen eine Kommode stieß und laut aufstöhnte. „Shhh, halt die Fresse“, zischte Bene so leise wie möglich und stieß ihn weiter. Ganz sacht fluchend hüpfte Rouven hinterher; beklagte sich jedoch wundersamerweise nicht einmal, als Bene ihn hart am Handgelenkt packte und in sein Zimmer hineinzog. Grinsend ließ sich Rouven auf das Bett fallen und begutachtete erst einmal ausgiebig Benedikts nackten Oberkörper, den er vorher offensichtlich nicht einmal bemerkt hatte. Unbehaglich wandte sich Bene ab und zog sich in einer unendlich schnellen und hektischen Bewegung sein Shirt über. Rouven war enttäuscht, was Bene ihm ein wenig ansehen konnte. Dann bemerkte er die Tasche, die Rou in den Händen hielt. „Du, was hast du damit vor?“ Rouven schleuderte die Tasche auf den Boden. „Kanonenfutter. Unnützer Ballast. Wieso bist du hier?“ Bene blinzelte. „Viel wichtiger ist ja wohl eher, wieso bist du hier? Woher wusstest du überhaupt, dass ich bei meiner Schwester bin?“ Er seufzte nur und streckte seine Füße aus. „Von deiner Mutter. Ich dachte, wir sollten über das reden, was heute Mittag passiert ist.“ Na, großartig. Also doch. Würde Rouven jetzt ihm die Schuld an allem zuschieben? Rouvens Augen musterten Benedikt warm. Und dann geschah etwas, was Bene niemals, niemals, nicht in tausend Jahren erwartet hätte. „Benedikt, es tut mir leid. Ich wollte das nicht und ich hab’s ja Gott sei Dank noch gemerkt. Wirklich, ich hoff, dass alles bestens ist und dass ich mit meiner Aktion keinem von euch geschadet habe.“ Benes Herz setzte aus. Ein, zwei Sekunden lang war in seinem Hirn eine vollkommene Leere. Alles weggefegt. Doch dann machte Rouven weiter. „Ich werd dich aber nicht aufgeben, Benedikt Wagner, und ich bin gekommen, um dir genau das zu sagen. Ich werde einen Weg finden, dich zu bekommen.“ Benedikt schluckte, als Rouven auf einmal aufstand. Unbehaglich trat er einen Schritt zurück und musste einsehen, dass er Rou nicht entkommen konnte, weil dieser ihm schon wieder hinterherkam. „Ähm… Rouven, das ist ja schön und gut, aber ich dachte eigentlich, du wolltest Rhia nicht mehr wehtun?“ Oder mir, fügte er in Gedanken noch hinzu. Rouven schaute auf den Boden und lachte leise. „Damit tu ich doch eigentlich nur mir weh, oder?“ Verwirrt schüttelte Benedikt noch einmal den Kopf und versuchte noch einmal, Rouven auszuweichen, der ihm jedoch immer weiter auf die Pelle rückte. „Dir tut doch gar nichts weh“, murmelte Bene verzweifelt und machte noch einen letzten Schritt nach hinten. Jetzt hatte er die Wand im Rücken und Rouven vor sich, der ihn mit einem Ausdruck in den Augen musterte, der Bene wehtat und ihn gleichzeitig zu Rouven hinzog. Er wollte ihn berühren. Er wollte ihn so sehr berühren, dass es ihm im Herz wehtat. „Mir tut vieles weh, Benedikt. Mir tut es weh, dass du gerade vor mir abhaust. Mir tut es weh, dass du vorhattest, alles zu beenden. Mir tut es weh, meine Schwester zu belügen und ihr nicht sagen zu können, dass wir dieses Ding laufen haben. Mir tut es weh, keinem davon erzählen zu können außer Mael, der mir nicht helfen kann. Mir tut es weh, diesen Ausdruck in deinen Augen zu sehen, der mir genau sagt, dass du keine Lust auf das Ganze hier hast. Und trotzdem kann ich nicht aufhören. Willst du wissen, warum?“ Er war ihm inzwischen so nahe, dass kein Blatt Papier mehr zwischen sie gepasst hätte. Benedikt schluckte und nickte ganz leicht. „Ja“, hauchte er, „ich will’s wissen.“ Rou lächelte. „Weißt du, obwohl mir so viel wehtut, kann ich einfach nicht anders. Weißt du, dass deine Augen drei Farben haben? Sie sind braun, grün und grau gleichzeitig. Jedes Mal ein wenig anders. In diesem Licht hier sind sie eher braun, aber man sieht auch noch das Grün und Grau ziemlich gut. Es ist immer unterschiedlich. Wenn es regnet, kommt das Grau ein wenig mehr raus. Ich könnte sie stundenlang ansehen.“ Er sprach wie in Trance und seine Mundwinkel bogen sich immer mehr nach oben. Bene wollte weg. Rouven sagte Dinge, die er noch nie aus seinem Mund gehört hatte und die ihm irgendwie Angst machten. Alles wurde greifbarer dadurch… „Und deshalb kann ich nicht aufhören, Bene. Ich kann’s nicht ertragen. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, nicht mehr in diese Augen sehen zu können, Benedikt. Verstehst du mich?“ Bene nickte, obwohl er nichts verstand. Wieso auch? Wieso sagte Rouven auf einmal all diese Dinge? Er war doch eigentlich ein gefühlloses Arschloch, das nur aufs Ficken aus war. Zumindest hatte Benes bester Freund das mal so bezeichnet, als das Gespräch irgendwie auf Rouvens Bettgewohnheiten gekommen war. Schade nur, dass Bene damals nicht gewusst hatte, dass Rouven noch eine dermaßen extreme Rolle in seinem Leben spielen würde, sonst hätte er aufmerksamer zugehört. „Rouven, ich find’s nicht gut, was du da tust“, presste Bene heraus, während Rouven ihn immer weiter an die Wand quetschte und dabei seinen Fuß zwischen seine Beine schob. Der lachte nur und hob mit einer Hand Benes Kinn an. „Schau mich an“, befahl er und Benedikt konnte nicht anders. Rouvens dunkle Augen bohrten sich tief in Benedikts hinein, in dessen Inneren sich etwas regte. Bene spürte Rouvens Berührung kaum. Trotzdem war sie warm und er wünschte sich mehr davon. Viel mehr. Wie von selbst bewegten sich ihre Köpfe aufeinander zu und ihre Münder trafen sich zu einem leichten Kuss. Es war mehr wie die Berührung von Schmetterlingsflügeln, die die Haut stürmisch treffen als ein richtiger Kuss, dennoch war es für Benedikt unglaublich schön und beruhigend. Rouven öffnete die Augen und lächelte Benedikt an; strich ihm durchs Haar. Fuhr ihm mit dem Finger über die Wange. „Du hast wirklich weiche Haut“, bemerkte Rou abwesend lächelnd und packte eine Haarsträhne von Benedikt, um ihn wieder zu sich zu ziehen. „Wieso ist eigentlich alles an dir so perfekt?“ Seine Stimme kippte. Bene lachte leise auf. „An mir ist gar nichts perfekt, Rouven, das müsstest du doch am besten wissen, oder?“ Er schüttelte den Kopf. „Bene, sei doch still, du weißt ja gar nicht, wie ich dich sehe. Oder wie ich mich sehe. Sei einfach still und küss mich.“ Und das tat Bene. Auf einmal fühlte er Rouvens Hände an seinem T-Shirt, die sich langsam darunterschoben. Sie waren warm und legten sich auf Benedikts kalten Körper. Schoben das Shirt nach oben. Benedikt löste sich aus Rouvens Kuss, hob die Arme hoch und Rouven zog ihm das lästige Oberteil einfach über den Kopf. Ließ es irgendwohin fallen, wo es keinen mehr störte. Sie setzten den Kuss fort und Benedikt spürte, wie sein Blut sich langsam an einer ganz bestimmten Stelle bündelte. Eine Stelle, an der sich immer noch Rouvens Fuß befand, der sich nun langsam wegschob, um einem anderen Körperteil Platz zu machen. Seine Hand, die sich fest um Benedikts Erektion schloss und Bene zum Zittern und Beben brachte. „Stopp.“ Mit beiden Händen schob er Rouven von sich weg. Dessen Gesichtsausdruck schwankte zwischen Ärger und Verwirrung. „Wa…“ „Nein. Du redest jetzt nicht. Wir reden gar nicht mehr.“ Rouven legte den Kopf schief und sah Benedikt diesmal wirklich verwirrt an. „Äh, Ben..“ „Nein. Ich sagte doch, du sollst die Klappe halten.“ Bene erschrak vor sich selbst. Wann war er das letzte Mal so oft hintereinander so energisch aufgetreten? Wahrscheinlich noch nie… Aber das war doch im Moment auch egal. Er lächelte Rouven an, während er sich die Hose vom Leib streifte. Er zögerte nicht eine Sekunde, seine Boxershorts noch hinterherzuschicken und stand komplett nackt vor Rouven da. Der rührte sich nicht mehr. „Du kannst es haben.“ Benedikt lächelte. „Du kannst es haben, was du wolltest. Holst du es dir?“ Bitte. Unfassbarerweise schien Rouven noch ernsthaft darüber nachzudenken. Nackt stand Bene vor ihm. Unfähig, noch weitere Gedanken zu fassen. Unfähig, überhaupt irgendetwas zu tun. Einfach nur… da. Und dann konnte Rouven sich nicht länger halten, war mit einem Schritt bei Bene, packte ihn und schmiss ihn aufs Bett. Na, also. Kapitel 10: The Way We Talk --------------------------- Schon wieder The Maine, ich liebe sie einfach so sehr. Kein Adult, weil ich so was nicht kann. Ähm, ja, viel Spaß Beißt mich bitte nicht! http://www.youtube.com/watch?v=13GW0gpUyM4 „I have a long list of things to say, but I leave it at: You amaze me.“ Kapitel 10 „Ich hatte ja noch nie Sex mit… einem Typen, aber ich glaube, das hier war der beste Sex, den sich ein Mann nur wünschen kann, wenn er mit einem anderen Mann schläft.“ Rouven lächelte und Benedikt streichelte träge über seinen Bauch. „Mh, glaub schon.“ „Du glaubst es nicht nur, du weißt es ab jetzt auch“, murmelte Rouven und küsste Bene auf den Kopf. Bene schnurrte und Rouven lachte entzückt auf. Er wusste nicht genau, warum er vorhin auf einmal so dermaßen sentimental geworden war. Irgendetwas hatte ihn geritten und auf einmal hatte er Benedikt so nahe wie möglich sein wollen. Das ging eben nur mit Worten. Zumindest… hatte er das gedacht. Aber jetzt hatte er mit Benedikt geschlafen. War einem Mann näher gewesen als jemals zuvor. Und fühlte sich großartig. Es war einfach wundervoll gewesen, sinnierte Rouven, während er Benedikt sanft die Haare aus dem Gesicht streichelte. Wundervoll und einfach großartig. „Wer sagt denn eigentlich, dass du ein Mann bist?“ Rouven lachte. „Das müsstest du doch eigentlich gemerkt haben, als ich dich gefickt habe. Oder war das noch nicht aussagekräftig genug für dich?“ Benedikts Haare kitzelten ihn auf seinem Körper, als der leicht den Kopf schüttelte. „Hab ich doch nie behauptet. Ich fand sogar, du warst ein extremer Mann. Der extremste Mann, den es geben kann. Obwohl…“ Spielerisch kniff Rouven Bene in seinen Hintern. „Was obwohl? Willst du damit andeuten, dass ich nicht der beste Typ aller Zeiten bin?“ Bene lachte in Rouvens Brust hinein und schaute nach oben. Grinste. „Will ich, ja. Ich war ja immerhin der tapfere Recke, der es ertragen musste, einen Schwanz in sich zu spüren.“ „Hey, was willst du denn damit sagen?“ Rouven lachte nervös auf. Er hatte es noch nie genießen können, ein Mädchen zu vögeln und auch gerade, als Benedikt ihn mit großen Augen angesehen und gefragt hatte, was denn nun zu tun war, hatte er nicht eine Sekunde gezögert, ihn so zu nehmen, wie er es schon immer gewollt hatte. Wie komisch das Leben doch war. Er warf einen Blick auf Bene, dem die Augen zugefallen waren. Wieso konnte er nach so einem Erlebnis einfach so einschlafen? Rouven war noch nie der Typ Mensch gewesen, der nach dem Sex einfach wegpennte und durchschlief bis zum nächsten Morgen. Für ihn war das nie eine Option. Nie. Nie gewesen und würde es nie sein. Rouven zog die Decke ein Stückchen höher und Benedikt stöhnte leise auf. Das war allerdings nichts gegen das Stöhnen, das er vorhin von sich gegeben hatte. Ein Wunder, dass seine Schwester nicht hier auf der Matte stand und sich beschwerte… vielleicht hatte die es einfach nicht gehört, wofür Rouven allerdings nicht unbedingt die Hand ins Feuer legen würde. Höchstwahrscheinlich würde das nach dem Aufstehen noch Probleme geben, aber im Moment war Rouven einfach viel zu müde, um noch darüber nachzudenken. Es war… Er blinzelte. Es war zu hell. Vor ihm stand eine Silhouette, die schnelle und hektische Bewegungen vollführte. Benedikt. Rouven gähnte. „Morgen, du.“ Er sah, wie Benedikt zusammenzuckte und sich hektisch umdrehte. „Äh, morgen, Rouven. Wie… äh, wie geht’s dir? Er lächelte und streckte sich genüsslich auf dem Bett aus. Legte die Arme nach hinten und grinste Benedikt – wie er hoffte – erotisch an. „Komm doch wieder ins Bett, es ist doch noch viel zu früh, um aufzustehen.“ „Es ist halb elf und wenn ich jetzt nicht mal runterkomme, taucht meine Schwester hier auf. Und wenn sie dich sieht, dreht sie garantiert durch.“ Verwirrt setzte sich Rouven auf. „Hast du ihr nicht erzählt, weshalb du mitten in der Nacht vor ihrer Haustür aufgetaucht bist?“ „Hallo, Sarah. Ich bin schwul und hab was mit dem Bruder meiner Freundin. Kann ich heute bei dir pennen?“, ätzte Bene und schaute auf einmal irgendwie aggressiv aus seinen Augen heraus. „Wie kommt so was denn bitteschön? Nein, ich hab ihr nichts gesagt und sie wird es auch nicht erfahren, weil ich es ihr nicht mitteilen möchte.“ „Aber warum nicht? Ich mein, ich hab’s Rhia gestern nicht gesagt, weil’s einfach nicht der Augenblick dazu war. Aber jetzt… jetzt hatten wir Sex, Bene. Wir haben miteinander geschlafen. Findest du nicht, dass das Grund genug ist, hm?“ Bene lachte dumpf auf. „Ja, für dich vielleicht. Ich weiß nicht, warum wir das getan haben, okay? Ich weiß nichts mehr. Nur eines weiß ich: Dass ich es jetzt erst recht niemandem sagen werde!“ Er hatte wir gesagt. Immerhin. „Schön, Bene, schön. Dann werd ich jetzt gehen und einfach vergessen, dass du gestern Rapunzel warst und ich der Prinz. Und das hast du gesagt und nicht ich. Du warst es, du, du, du. Du ganz allein und du kannst nichts abstreiten. Ich hab dich gefickt und du hast es gewollt. Du hast es zugelassen und deshalb werde ich das hier nicht auf mir sitzenlassen. Ich werd nicht aufgeben, sondern jetzt hoch erhobenen Hauptes an deiner Schwester vorbeigehen. Und wenn sie fragt, werde ich ihr sagen, dass ich eine umwerfende Nacht mit dir gehabt habe, Benedikt.“ Zitternd vor Wut stand Rouven vom Bett auf und zog sich seine Klamotten über. Benedikt stand einfach nur noch da und reagierte nicht mehr. War Rouven auch recht, so musste er wenigstens nicht noch mal irgendwelche fiesen Worte von sich geben. Schwungvoll drehte er sich auf dem Absatz um und riss die Zimmertür auf. Fast hoffte er, dass Benedikt ihn noch zurückhalten würde. Ihm sagen, dass er das alles nicht so gemeint hatte und dass Rouven doch alles falsch verstanden hätte. So könnte noch alles gut werden. Supergut sogar. Aber es passierte nicht und Rouven knallte die Tür so heftig hinter sich zu, dass er es beinahe erwartete, dass die Bilder an den Wänden, die Benedikts Schwester hier angebracht hatte, wackeln würden. Die stand doch tatsächlich unten. Auf dem Arm eine Tochter, mit dem anderen versuchte sie, den Tisch abzudecken, den sie offensichtlich für Benedikt noch gedeckt gehabt hatte. Lächelnd drehte sich Sarah um. „Ah, schau mal, da kommt Bene ja endlich mal runt…“ Rouven grinste sie an, hob einen Finger, sagte „Tag auch, ich hab hier geschlafen, ich hoffe, das ist in Ordnung. Vor allem, weil ich mit Bene geschlafen hab“, lächelte gespielt entschuldigend und verschwand. Genial. Er konnte noch hören, wie etwas auf den Boden fiel und zerschellte, dann war er durch die Haustür und zog sie mit einem leichten Ruck hinter sich zu. Was war er doch für ein geiler Mensch. „Junge, was ist dir schon wieder für ’ne Laus über die Leber gelaufen?“ Nikolas musterte ihn aus schmalen Augen und Rouven zuckte nur die Schultern. „Was meinst du denn? Ich bin doch hier, oder?“ „Ja, ist mal was ganz Neues, dass du beim Arbeiten auftauchst. Die letzten Tage über hast du dich ja extrem rar gemacht. Hast nur Glück, dass deine Schicht heute so spät ist.“ Geistesabwesend nickte Rouven. War ihm doch egal, was sein Zivipartner da schon wieder faselte. Ihm war alles egal. Er war zwar echt genial, aber bei Bene hatte er an diesem Tag trotzdem verkackt. „Außerdem bist du heute abwechselnd gut drauf und absolut mies. Du hast Frau Mühlsack vorhin so nett behandelt wie noch nie zuvor und gleich darauf hast du diese Praktikantin dermaßen angeschnauzt, dass sie sich heulend in eine Ecke verkrochen hat.“ Ach ja, richtig. Er war ja immer noch beim Zivildienstjob im Krankenhaus und Nikolas erwartete immer noch eine Antwort von ihm. „Mann, das ist einfach nicht meine Woche. Kann doch auch mal passieren, oder? Ich hab einfach gerade keinen Bock auf das Ganze hier, also lass mich in Ruhe und mach deine Arbeit.“ Wie der Typ ihn nervte… Schon seit dem ersten Tag im Krankenhaus ging er ihm dermaßen auf den Sack, dass er ihm am liebsten eine reinschlagen würde. Nikolas war einer dieser Menschen, die Rouven unendlich anätzten. Klein, großkotzig und „superintelligent“, wie es allerdings nur er selbst fand. Rou dagegen mochte ihn einfach nicht und gerade heute, an einem Tag, an dem er ohnehin schon schrecklich gelaunt war, konnte er Nikolas’ Sprüche ab-so-lut nicht hören. Nikolas zuckte die Schultern und zog beleidigt ab. Rouven beobachtete, wie er mit seinem federnden Gang, der ganz anders war als Benedikts, hinter einer Ecke verschwand und atmete erleichtert aus. Er wollte einfach nur alleine sein. Natürlich war das in einem Krankenhaus alles andere als einfach, aber vielleicht würde er die restlichen fünf Stunden Arbeit jetzt relativ zügig herumbringen können und dann ab nach Hause. Gott, da war ja noch Rhia. Die wartete jetzt bestimmt auf ein erneutes Gespräch, in dem er nett zu ihr war und seine genaue Beziehung zu Benedikt erläuterte. Rouven wusste nicht, ob ihr das reichte, dass er anscheinend gegen die Beziehung war. Wie er sie kannte, roch sie die Lunte relativ schnell. Sie waren sich einfach zu ähnlich, um es zum sechsunddreißigsten Mal hintereinander zu zitieren. Bitte. Sie hatten sogar den gleichen Typengeschmack. Wie bitter das war, musste Rouven schon zähneknirschend zugeben. Wäre er ein Mädchen gewesen, wäre das ja noch annehmbar, aber da er ein Junge war, ja, ein Mann, war das alles andere als cool. Jemand zupfte ihn am Ärmel und überrascht fuhr Rouven zusammen. „Äh, was?“ Ein älterer Mann um die siebzig lächelte ihn aus dunklen Augen, die von Falten umhüllt waren, an. „Hallo, könnten Sie mir mal bitte helfen?“ Rouven nickte. Auch wenn es vor Nikolas (und vielleicht dieser nervtötend-wichtigtuerischen Praktikantin, die eindeutig auf ihn stand) und dem Rest der Welt nicht zugeben wollte, er mochte diese Arbeit eigentlich ziemlich gerne und nur deshalb war er noch hier. „Natürlich, was haben Sie denn auf dem Herzen?“, fragte Rouven mit leiser Stimme und dachte daran, dass er heute Morgen noch Benedikts Herz klopfen gehört hatte. Ruhig und gleichmäßig und schön langsam. Der Mann lächelte breiter. „Ich glaube, ich habe mich verlaufen. Ich kann mein Zimmer nicht mehr finden.“ In der Inneren kam es öfter mal vor, dass sich Menschen verirrten. Dort gab es eigentlich grundsätzlich nur alte Menschen und nicht wenige von ihnen waren dermaßen verwirrt. Rouven bot dem Mann seinen Arm an und setzte sich langsam in Bewegung. Er wusste, wo der Mann hingehörte, weswegen es kein Problem war. Der Mann lächelte Rouven vertrauensselig an. „Hier sieht ja alles gleich aus, da findet ein alter Mann nicht mehr alles auf Anhieb.“ Rouven nickte nur. Der Mann, dessen Namen er sich einfach nie merken konnte, griff fester nach seinem Arm. „Sie sind ja ganz schön ruhig, oder? Haben Sie denn eine Freundin?“ Ein Stich durchzuckte Rouvens Innere und es dauerte vier, fünf Sekunden, bis er wieder reden konnte. „Ähm, nein, ich hab keine Freundin.“ Der Mann blinzelte ihn an und in seinen Augen glitzerte der Schelm. „Ach ja, ihr Jugendlichen, ihr nehmt das ja alle ganz anders hin als wir damals. Meine Enkelin ist auch so, ich könnte euch ja mal einander vorstellen.“ Eher unwahrscheinlich, dass Rouven die gut finden würde. Aber war schon interessant, dass der Mann ihn anscheinend für dermaßen gut geeignet hielt, dass er ihm seine Enkeltochter andrehen wollte. „Oh, das ist nett, aber ich bin jetzt nicht so der Typ für so was.“ Der Mann lachte. „Sie kommt jeden Sonntag vorbei, Sie könnten sie sich ja mal ansehen, wenn Sie Lust hätten.“ Er zwinkerte. Innerlich schüttelte Rouven sich. Ob das überhaupt ging? Er konnte mit Mädchen nichts anfangen. Nichts mehr. Oh, Bene… Kapitel 11: Alles war aus Gold ------------------------------ Halbzeit also. Mehr Kommentare fänd ich schön, aber ich will ja nicht betteln xD Viel Spaß, auch wenn nicht sonderlich viel passiert! http://www.youtube.com/watch?v=I70mp0eKWlI „Und nur die besten der Momente bleiben dir und mir am Ende.“ Kapitel 11 Er wusste genau, dass er unendliche Scheiße gebaut hatte. Richtig große, vermaledeite, eklige, üble, verdammte Scheiße. Natürlich hätte es immer noch schlimmer werden können, aber er konnte sich eigentlich keine schlimmere Situation vorstellen als diese hier. „Zum allerletzten Mal: Bene, was hast du getan?“ Er schaute sie nicht an. Es ging einfach nicht. Seinen Blick richtete er stur auf den Küchentisch und zählte die Rillen, die er dort entdecken konnte. Trotzdem wusste Benedikt genau, wie sie dastand: Hände in den Hüften und der wütende Blick. Der stinkwütende Blick. Bene schauderte. „Schau mich an, Benedikt. Was sollte das eben? Warum war dieser Typ hier und warum hat er behauptet, ihr hättet…“ Sie sprach es nicht einmal aus. Konnte es nicht? „Boah, Sarah, sei still, das war doch nur Rouven. Der tut doch nichts und macht eben seine Späßchen.“ „Benedykt, co to było?” „Boah, lass doch mal diese Polnischscheiße. Du kannst doch genausogut Deutsch mit mir reden, wenn du ein Problem hast, oder?!” Wow. Noch einmal. Er wusste nicht genau, was in ihm sich so dermaßen verändert hatte, dass er auf einmal versuchte, sich gegen all die Menschen in seinem Umfeld zu behaupten. Rouven hatte etwas in ihm aufgerissen, das er nicht so einfach flicken konnte. Vielleicht war es ja etwas Gutes, vielleicht was Schlechtes. Das würde die Zeit noch so mit sich bringen und zeigen. Sarah zog die Augenbrauen so hoch, dass sie unter ihrem Pony komplett verschwanden. „Sonst geht’s dir aber noch gut, oder? Da stehst du mitten in der Nacht beinahe flennend vor meiner Tür und jammerst rum, dass du dringend eine Nacht bei mir schlafen möchtest. Da hab ich mir noch nichts bei gedacht. Aber jetzt steht auf einmal ein wildfremder Junge in meinem Esszimmer, der behauptet, er hätte eben noch mit dir geschlafen und dann einfach verschwindet und du stehst hier vor mir und machst mich auch noch blöd an? Hältst du mich für so dumm, dass ich mir das einfach gefallen lasse? Herrgott, Benedikt, das ist doch lächerlich. So was Kindisches hätte ich nicht von dir erwartet.“ Sein schlechtes Gewissen piekste ihn, als er sah, wie seine Schwester ihn mit einem kalten Ausdruck in den Augen musterte. Natürlich hatte sie Recht, aber was sollte er ihr denn bitteschön erwidern? Dass alles stimmte, was sie sagte und dass Rouven und er verdammt guten Sex gehabt hatten? Das hatten sie wirklich. Bene hatte so was noch niemals in seinem ganzen Leben erlebt. Wirklich nicht. Mit Rhia war es nicht einmal ansatzweise so schön gewesen wie mit Rouven in der letzten Nacht. Er konnte nicht genau sagen, was denn nun eigentlich das wirklich Schönste gewesen war, wirklich nicht, denn es ging einfach nicht. Was ihn jedoch nachhaltig am meisten berührt hatte, war eine Berührung Rouvens gewesen. Kurz, nachdem sie beide explodiert waren, hatte Rouven ihm einen Finger auf die Lippen gelegt. Ganz weich, ganz leicht. Hatte gelächelt und ihm einen leichten Kuss auf die Stirn gedrückt. Ihm in die Augen gesehen und diesen unheimlich weichen Ausdruck im Gesicht gehabt, der Benedikt erschaudern ließ und wegen dem er sich wünschte, diesen Augenblick niemals vergessen zu dürfen. „Benedikt, kannst du mir endlich mal Auskunft geben?“ Huch. Er war ja noch bei Sarah… Bene zuckte zusammen und schaute sie verwirrt an. Überlegte. Ach, was sollte es schon. „Schön. Das war Rhias Bruder, der zufällig total in mich verknallt ist und mit dem ich ebenso zufällig in dieser Nacht Sex gehabt habe. Ich glaub, wir haben eine Art Affäre, obwohl ich das nicht sicher weiß. Und ich glaub, ich bin schwul. Oder bi.“ Sie rührte sich nicht. Nicht eine Sekunde lang, nicht einmal, als Maya verzweifelt versuchte, die Aufmerksamkeit ihrer Mutter zu erregen, indem sie ihre komplette Legosteinsammlung auf den Boden warf, um somit extraviel Krach zu erzeugen. Er wusste nicht, wie er das aufnehmen sollte. Dachte sie darüber nach, ihn jetzt möglichst schnell loszuwerden oder war es ihr egal? Stellte sie sich die Frage, ob er log oder ob es die Wahrheit war? Sollte er etwas sagen? Leicht fuhr er sich durch die Haare. Dann: „Sarah. Rede mit mir.“ Sie blinzelte. Sagte gar nichts. „Ich weiß, dass ich ein Arsch bin. Dass du wütend auf mich bist. Dass ich mich absolut dämlich verhalte. Dass ich dämlich bin. Aber du brauchst mich jetzt nicht dafür zu bestrafen. Ich weiß selbst, dass ich ein absoluter Wichser bin. Ein erbärmlicher Wichser. Ich werd jetzt gehen, damit du mich nicht mehr sehen musst, ja?“ Er stand auf und sie regte sich immer noch nicht. Unschlüssig blieb er vor ihr stehen und schaute sie an. Berührte ihre Hand. Zog seine Finger wieder zurück. „Es ist alles meine Schuld“, flüsterte er dann, „ich weiß das. Aber du hast keine Ahnung, wie das für mich ist. Wie ich mich fühle. Rouven ist toll und er gibt mir ein Gefühl, als wäre ich… begehrenswert. Für Rhia bin ich nur noch ein Anhängsel. So nett sie auch ist, ich fühle einfach nichts. Aber Rouven… er ist interessant und schön und ich finde ihn toll. Ich kann ihn nicht haben und das macht mich wütend und fertig. Du hast ja keinen blassen Schimmer, wie wundervoll es ist, wenn er mich küsst. Gestern Nacht hat er mir gesagt, wie schön ich doch wäre und das war für mich einfach nur unglaublich. Du kannst mich verurteilen, so viel du willst, aber es wird dir nichts nützen, okay? Ich geh jetzt wirklich und wenn du deine Meinung änderst, kannst du mich ja anrufen und dich entschuldigen.“ Schwungvoll drehte er sich um, strich Maya beim Hinausgehen noch über die Haare und zog die Haustür auf. Einige Sekunden lang blieb er noch stehen, um zu lauschen, ob Sarah ihre Meinung vielleicht noch ändern würde. Aber bis auf Mayas „Mamaaaaaa, was heißt schwul?“ blieb alles still. Enttäuscht verschwand Benedikt nach draußen. Hast du heute noch Zeit? In Embryostellung lag Benedikt auf seinem Bett und schob das Handy weit von sich weg. Im Haus war nichts zu hören. Seine Mutter war arbeiten und das war ihm nur recht. Sein Vater war ohnehin nie wirklich zu Hause, also zählte der gar nicht. Er wollte Rhia nicht unter die Augen treten. Nicht heute, nicht nach dem, was in dieser Nacht geschehen war. Bene konnte Rouven noch fühlen. Konnte ihn noch schmecken, fühlen, riechen. Er roch so gut! Es war eine Mischung aus Schweiß und typischem Rouvengeruch. „Bene, ich hätt’s nie gedacht. Niemals.“ Benedikt lächelte und schmiegte sich mehr an Rouven heran. „Ich auch nicht. Mach’s noch mal.“ Sein Lachen… es war unglaublich schön. „Was denn?“, raunte er dann verschwörerisch und lächelte ihn an. „Alles denn?“ Bene blinzelte. „Ja.“ Rouvens Mund traf auf seinen Hals. „Du bist so unendlich schön, Benedikt, weißt du das eigentlich? Das hier ist wohl das Schönste, was mir im Leben passieren konnte. Meine Rapunzel.“ Bene seufzte. Wieso hatte diese Nacht vorbeigehen müssen? Warum dieser ernüchternde Morgen? Und wieso war er so ausgerastet? Vielleicht ja, weil sich sein Gehirn in der Nacht davor verabschiedet hatte. Als Rouven am Fenster aufgetaucht war, hatte er auf einmal keinen klaren Gedanken mehr fassen können. Alles, was er noch wusste war, dass Rouven da unten stand und zu ihm hochwollte. Und als er ihn Rapunzel genannt hatte, hatte endgültig alles in ihm ausgesetzt. Am Morgen, als er Rouven in diesem Bett gesehen hatte, Rouven, der die Arme verschränkt hatte und darauf wartete, dass Benedikt wieder zu ihm ins Bett kam, hatte es auf einmal Klick gemacht und sein logisches Denken hatte wieder eingesetzt. Da war immerhin Rhia, die er in dieser Nacht endgültig betrogen hatte. Da war seine Schwester Sarah, in deren Gästebett Rouven und er eindeutige Spuren hinterlassen hatten. Spuren, die nicht nur körperlicher Natur waren. Da waren all die Menschen, die er allein mit der Tatsache, dass Rouven und er zusammen geschlafen hatten, belog und betrog. So eine Scheiße. Nein, tut mir leid, ich will heute mal einen Tag lang alleine sein. Nein, eher nicht. Nein, Schatz, ich hab heute noch so viel zu lernen, Klausurenphase und so. Bis dann. Das war besser. Ohne überflüssige Herzchen, die Bene in den Augen wehtaten oder sonstigem Mist. Sie würde es hinnehmen müssen. Er hatte keine Lust darauf, mit ihr zu reden. Sein Handy vibrierte und aus den Augenwinkeln heraus sah er, dass Rhia anrief. Rhia połączeń. In einem schwachen Moment hatte er sein Handy mal auf Polnisch umgestellt. Das leuchtete ihm jetzt entgegen. Am liebsten würde er es gegen die Wand klatschen, ungefähr so, wie Rouven sein Handy zu Boden geschleudert hatte. Er wollte nicht mehr. Er wollte einfach seine Ruhe haben und von niemandem mehr belästigt werden. Warum hatte er sein Handy überhaupt noch an? Hoffte er auf… eine Nachricht von Rouven? Aber wieso sollte Rouven ihm schreiben? Immerhin… hatte er ihm verbal dermaßen eine übergezogen, dass er sich bestimmt nicht mehr freiwillig bei ihm melden würde. Andererseits… Rouven war bisher immer wieder zu ihm zurückgekommen. Immer wieder. Immer wieder und wieder und wieder aufs Neue. Er hatte ihn nicht aufgegeben, egal, was Benedikt getan hatte. Egal, was er getan oder gesagt hatte, es war Rouven egal gewesen und er hatte immer wieder versucht, ihm näherzukommen. Und jetzt… hatte er es geschafft. Rouven hatte mit ihm geschlafen, mit ihm, Benedikt. Er hatte mit ihm geschlafen und es war herrlich gewesen und großartig und einfach nur schön. Rouven gab nicht auf, wie Bene noch einmal bemerken musste. Rouven war… großartig und wundervoll und… fühlte sich jetzt definitiv geschmeichelt. Sein Auftritt bei Sarah sprach Bände. Wieso hätte er denn sonst eine solche Show abziehen sollen? Andere Menschen wären durchs Fenster abgehauen oder hätten sich sonst irgendwie verdrückt, aber nicht Rouven. Rouven machte aus allem eine Show. Für Rouven war das ganze Leben eine Bühne und er war der Hauptdarsteller des Theaterstücks, das sein Leben war, aber auch gleichzeitig der Hauptdarsteller im Leben anderer Menschen. Rouven war es nicht gewohnt, nicht beachtet zu werden und war er ohnehin noch wütend, war er noch schlimmer drauf als sonst. Bestes Beispiel hierfür? Sarah und die Art und Weise, wie er ihr begegnet war. Benedikt stöhnte auf. Ach, fuck. Rhia rief schon wieder an. Dachte sie etwa, er würde einfach nur sein Handy nicht hören oder so? Sie war einfach viel zu hartnäckig… Sie bezog sich noch auf gestern. Noch gestern hatten sie miteinander geschlafen. Sie hatten Sex gehabt und auf einmal war Rouven im Zimmer gestanden und wollte alles auffliegen lassen. Rhia von dieser Mesalliance berichten. Und Rhia… Rhia hatte mit ihm geredet. Richtig geredet. Sie liebte ihn, oder nicht? Liebte er sie auch? Hatte er sie jemals geliebt? Bestimmt. Bestimmt nicht. Was wusste er schon? Er war doch ohnehin nur ein Vollidiot, der was mit dem Bruder seiner Freundin hatte. Ein Vollidiot, der all seine Ziele über Bord warf und seine Wünsche falsch interpretierte. Er konnte nichts und war zu dumm dafür, um zu verstehen, was in seinem Liebesleben vor sich ging. Wusste nicht, ob er Rouven wollte oder nicht. Rouven. Erinnerte man sich noch an das alte Spiel aus Kindertagen? Verliebt, verlobt, verheiratet? Wie ging das denn noch? Na ja, es war nicht wichtig. Es war dieses eine Wort, das Benedikt beschäftigte. Dieses eine kleine Wort. Verliebt. Er war verliebt. In Rouven. In Rouven. Er war in Rouven verliebt. „Ich liebe dich“, flüsterte er hilflos. Angezogene Beine. Umschlungen von seinen Armen. Und begann hemmungslos zu schluchzen. Verliebt. Kapitel 12: Halt dich an mir fest --------------------------------- Ich wünsche viel Spaß mit dem zwölften Kapitel :) Liest das eigentlich noch irgendwer außer Shilou? Danke für deine tollen Kommentare http://www.youtube.com/watch?v=wCcJuN47UcY „Halt dich an mir fest, wenn du nicht mehr weiter weißt.” Kapitel 12 Eine ganze Woche. Eine ganze Woche ohne Benedikt. Eine ganze Woche lang hatte er weder etwas von ihm gehört noch ihn gesehen. Er wusste nicht, wieso Bene nicht mehr bei Rhia aufgetaucht war und warum er sich nicht mehr gemeldet hatte. Natürlich konnte er es verstehen, wenn er sauer war. Immerhin war sein Auftritt bei Sarah wirklich heftig gewesen, aber andererseits war das doch auch Schwachsinn. Man konnte es auch übertreiben mit dem kindischen Verhalten. Seine Woche war einfach so vor sich hingedümpelt. Krankenhaus, alte Leute, dieser Vollidiot, mit dem er arbeitete, Freunde, Mael, ein wenig Boxtraining. Nichts, was wichtig gewesen wäre. Na ja, wichtig war vielleicht das falsche Wort. Mael war immerhin sein allerbester Freund und derjenige, dem er wirklich vertrauen konnte. Es war einfach nur so nebensächlich geworden, was er tat. Er erledigte seine alltäglichen Pflichten und Sachen mit einer Lustlosigkeit und Routine, dass es sogar den Menschen im Krankenhaus aufgefallen war, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Natürlich waren diese auch mehr darauf eingestellt, dass er sich zu einhundert Prozent um sie kümmerte, aber alles konnte man doch schließlich auch nicht koordinieren. Und jetzt war also Wochenende. Keine Arbeit, nichts zu tun. Er hätte natürlich zu irgendeiner Party gehen können, aber was hatte es für einen Zweck? Irgendwelche strunzdummen Mädchen konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen und genau das war es, was er immer ertragen musste. Mädchen. Es war ja nicht so, dass Rouven eitel war. Na ja, vielleicht ein bisschen. Ein ganz klein wenig. Aber es war eine Tatsache, dass er ständig von irgendwelchen Mädchen belagert wurde, die alle ihren ganz persönlichen Teil von Rouven haben wollten. Das war einfach zu viel. Irgendwann war alles zu viel. Nicht mehr fungibel. Er wollte das nicht. Früher einmal. Früher hatte er es genossen. Hatte mit mehr Mädchen geschlafen als er zählen konnte. Reihenweise Herzen gebrochen. Sich absolut nicht wirklich darum gekümmert, was mit den Mädchen geschehen war. Das alles hatte sich geändert, als Benedikt aufgetaucht war. Auf einmal war es ihm nicht mehr wichtig gewesen, mit wem er geschlafen hatte oder wie oft er einen Orgasmus gehabt hatte. Wichtig war nur noch… Benedikt gewesen. Benedikt mit den sanften Augen. Den wundervollen, sanften, glasklaren Augen, von denen er einfach nicht genug bekommen konnte. „Mael, kannst du das Gedudel mal lassen?“ Beleidigt legte Mael seine Ukulele auf sein Bett und seufzte. „Kannst du dann das Gejammer mal lassen? Seit zwei Stunden sitzt du hier und gibst keinen Ton von dir außer hin und wieder ein genervtes Seufzen. Ich weiß immer noch nicht, was mit dir los ist, aber es ist unglaublich ätzend.“ Rouven zuckte die Schultern und sagte nichts mehr. Sein bester Freund fuhr sich durch die Haare und griff dann erneut nach seiner Ukulele. „Wenn du’s mir nicht sagen willst… ich bin hier. Du weißt ja, dass ich immer hier bin.“ Er verkniff den Mund zu einem schmalen Strich und sagte nichts mehr. Beschämt schaute Rouven auf. Er hatte nicht bedacht, wie sehr er Mael damit nerven würde. Oder dass Mael das Leben, von dem Rouven so genervt war, auf diese Art und Weise von seinem eigenen Leben gar nicht kannte. „Das tut mir leid, Ma. Ich will hier nicht rumjammern, du bist nur der einzige Mensch, mit dem ich reden kann. Kein anderer interessiert sich wirklich dafür, das weißt du doch. Ich will hier nichts runterspielen und du sollst nicht glauben, dass ich nur komme, weil ich Mitleid will. Du bist mein bester Freund und das heißt doch wohl ’ne Menge.“ So eine Aussage von Rouven war normalerweise eine Art Adelsschlag, weil er Sätze dieser Art nicht mochte. Maels Kopf senkte sich dennoch. „Ich hab aber trotzdem das Gefühl, dass es dir im Grunde genommen egal ist. Du hast es nicht mal richtig registriert, dass ich in einer Band bin oder warum ich seit Jahren kaum noch das Haus verlasse. Mann, Rouven, das ist alles scheiße im Moment. Heul doch nicht immer rum wegen Benedikt, sondern mach dir klar, dass du unendliches Glück hast, ihn zu haben. Geh zu ihm, sag ihm, dass du ihn liebst und tu es so, dass deine Schwester dich nicht umbringt, es aber einsieht. Es ist alles gut, okay? Wir hatten diese Unterhaltung schon mal, aber du hast sie falsch verstanden, so was von falsch, wie es nur geht. Diesmal sag ich’s dir klipp und klar: Wenn du dich jetzt nicht anstrengst, sitzt du noch in fünfzehn Jahren in meinem Zimmer und flennst rum wegen einer verpassten Chance. Darauf hab ich keinen Bock und du garantiert auch nicht, also beweg jetzt deinen Arsch und verschwinde von hier.“ Rouvens Mund fiel auf und sprachlos starrte er Mael an. „Na los, beweg deinen Hintern.“ Mael lächelte, doch es war ein gezwungenes Lächeln. Widerstrebend nickte Rouven und stand auf. „Bis dann, ja?“ Mael nickte und drehte seinen Kopf weg. Rouven seufzte und lief zur Tür, öffnete sie und ging hinaus. Als er ein seltsames Geräusch hinter sich hörte, drehte er sich noch einmal um – und erstarrte. Mael weinte. Dicke, heiße Tränen liefen ihm übers Gesicht, während er verzweifelt versuchte, keine lauten Geräusche zu machen, um Rouven aus seinem Zimmer zu vertreiben. Der stand wie versteinert auf der Türschwelle und starrte seinen besten Freund einfach an, der immer mehr versuchte, seinen Tränen keinen freien Lauf zu lassen. Dann gab sich Rouven einen Ruck und lief zu Mael zurück. Setzte sich vorsichtig neben ihn und legte den Arm um ihn. „Nicht weinen“, flüsterte er, „nicht weinen, Mael. Alles wird gut. Sssch, alles wird wieder gut.“ Langsam legte er beide Arme um seinen besten Freund und der ließ seinen Kopf auf Rouvens Brust sinken. „Mael, alles wird wieder gut werden. Beruhig dich. Alles ist gut.“ „Nichts wird gut“, murmelte Mael in Rouvens T-Shirt hinein, „gar nichts wird gut.“ „Hey.“ Fürsorglich drückte Rouven seinen besten Freund weg. „Mael, sag mir doch, was los ist.“ Seine Sommersprossen waren wie immer deutlich zu sehen, aber sein Gesicht war tränenverschmiert und die braunen Augen waren kaum zu sehen, weil sie so geschwollen waren. Er schüttelte den Kopf und versuchte vergeblich, sich die Tränen wegzuwischen, von denen jedoch immer neuere dazukamen. „Mael, Mael, Mael, Maelmaelmaelmael, Maestro, alles okay. Es bin doch nur ich. Du kannst mir doch immer sagen, was los ist, das weißt du doch, oder?“ Betont aufmunternd lächelte Rouven ihn an, doch er reagierte schon gar nicht mehr darauf. Rouven nickte leicht. „Okay. Ich weiß, dass es schwer ist. Ich kann das auch nicht. Das mit Bene, das ist das erste Mal, dass ich meine Gefühle… jemandem mitteile und dieser Jemand bist nur du. Du bist der einzige Mensch außer Bene, der von diesen Gefühlen weiß und ich würde sie auch sonst niemals jemandem anvertrauen. Ich vertraue dir und das sollte dir eigentlich eine Menge bedeuten.“ Er lachte nervös auf, wusste, wie das jetzt klang. „Ja, normalerweise würdest du jetzt mit den Augen rollen und auf dein Klavier einhacken oder auf sonst irgendeines von den tausend Instrumenten, das du beherrschst. Aber du sollst einfach wissen, dass ich mir keinen besseren besten Freund als dich wünschen könnte. Ohne dich wäre das doch alles… scheiße ohne Ende. Ich weiß, das klingt jetzt lächerlich und aus der Luft gegriffen, aber es ist die Wahrheit. Ich bin so froh, dass wir damals im Kindergarten diese Auseinandersetzung wegen der Legosteine gehabt haben, sonst wären wir uns bestimmt niemals wirklich begegnet. Seitdem haben wir doch alles durchgemacht, was nur ging, oder nicht? Ich weiß, dass ich oft ein Arschloch bin, das nur im Mittelpunkt stehen will. Ich weiß, dass du ständig wegen mir zurückstecken musst. Ich weiß, dass dir das wehtut.“ Er machte eine Pause und sah, dass Maels Tränen langsam verebbten. Warum er weinte, wusste Rouven immer noch nicht, doch es machte ihn unendlich hilflos. Er mochte es nicht, wenn Menschen weinten, weil er meist das unbestimmte Gefühl hatte, dass es seine Schuld war. Seine, seine, seine, nur seine Schuld. „Ich will aber, dass du weißt, dass du mit mir reden kannst. Du hast recht, ich weiß nicht, warum du nie rausgehst. Ich war kein guter Freund für dich, aber ich hab es niemals böse gemeint und das weißt du auch. Ich bin kein Mensch, der da besonders tief dringt, wenn andere Probleme haben, weil ich nicht gut in so was bin. Du warst wahrscheinlich der beste Freund für uns beide. Aber du sollst jetzt verstehen, dass du mit mir reden kannst. Selbst wenn ich mich wie das allerletzte Arschloch verhalte, ich bin für dich da. Und ich will, dass du mir sagst, was los ist, sobald du dich beruhigt hast. Bis dahin bleib ich hier sitzen und pfeife vor mich hin und warte.“ Statt einer Antwort fingen bei Mael wieder die Tränen an. Hilflos legte Rouven einen Arm um ihn und zog seinen Kopf nah zu sich heran. „Hey, nicht schon wieder. Reiß dich zusammen, ja? Bleib ganz ruhig. Denk an was Schönes. Denk daran, dass du gerade diesen tollen Musikpreis gewonnen hast mit… hm, mit deiner Klarinette. Ist das nicht eine gute Vorstellung? Stell dir vor, wie du die Stufen hinaufschreitest, um deinen Preis in Empfang zu nehmen und…“ „Bei meinem Glück würde ich die Stufen hochfliegen.“ Rouven horchte auf und lächelte. „War das eben etwa ein Beitrag? Du kannst ja reden. Komm, sag noch was, sag noch was.“ Mael drehte seinen Kopf weg, doch Rouven sah sein Lächeln trotzdem. „Oh, Gott, du kannst ja auch lachen! Kannst du auch auf einem Bein hüpfen und mich gleichzeitig beleidigen?“ Diesmal konnte Mael sein Lachen nicht mal mehr verstecken. Laut platzte er heraus und Rouven war zufrieden mit sich. Wie sehr er es doch hasste, wenn Menschen wegen ihm traurig waren. Und genau das war Mael nämlich auch. „Na, also. Du kannst’s mir ja mal vormachen, nicht?“ Maels Lächeln verschwand. „Mann, Rouven, so was Blödes hast du dir seit der achten Klasse nicht mehr geleistet.“ Der Angesprochene zuckte die Schultern. „Kann schon sein, aber es hilft ja, oder nicht?“ Der Ire nickte leicht und bedächtig. Eine einsame Träne fand ihren Weg nach unten und Rouven strich sie weg. „Erzählst du’s mir?“ Stille. Schweigen. Lange. Dann: „Es gibt nicht so viel zu erzählen. Mein Leben ist nur nicht so, wie es sein sollte. Sollte man in unserem Alter nicht eher so sein wie du statt wie ich?“ Rouven zog die Augenbrauen zusammen. Fest. „Wie? Du meinst, indem man mit dem Freund seiner Schwester vögelt und der ganzen Welt verschweigt, dass man schwul ist?“ Mael seufzte. „Nein, indem man ein Leben hat. Dieses Banddings, bei dem ich mitmache, ist ein Versuch, mein Leben mal irgendwie zu gestalten. Ich sitz seit Jahren nur in meinem Zimmer und komponier irgendeinen sinnlosen Schrott vor mich hin, anstatt mal rauszugehen und zu leben. In der Schule kannte keiner mehr meinen Namen, nicht mal mehr die Lehrer und als wir die Abschlusszeugnisse bekommen haben, haben mich alle angesehen als sähen sie mich zum ersten Mal, was wahrscheinlich auch der Fall war. Nach dem Abi wird alles besser, hab ich mir immer gesagt. Aber nichts ist besser. Ich weiß nicht mal, wie man mit unseren Altersgenossen redet, wenn du nicht dabei bist und ich glaub, ich bin in zwei Jahren ein Fall für die geschlossene Anstalt, weil ich nur noch mit meinen imaginären Freunden reden werde und den Unterschied zwischen Realität und Traumwelt nicht mehr erfassen kann. Mann, Rou, das klingt alles so langweilig und sinnlos und dumm, aber du hast keine Ahnung, wie es ist, wenn man Tag für Tag für Tag nur zu Hause sitzt und genau weiß, dass man sich das selbst ausgesucht hat und man nichts dran ändern kann. Nichts. Ich weiß nicht mal, weshalb wir immer noch Freunde sind. Du erzählst mir ständig von deinen aufregenden Partys und deinem tollen Leben und ich kann dir im Gegenzug immer nur davon berichten, dass meine Geige total verstimmt war und ich erst mal alles neu aufziehen musste deshalb. Ich hasse es, Rouven. Ich hasse, hasse, hasse es! Ich trage seit Monaten nur noch verdammte Pullover, weil niemand meine verritzten Arme sehen darf. Zur Hölle, das ist das einzige, was mir noch irgendwie gut tut. Ich hab das Gefühl, dass ich lebe, wenn ich’s tue. Rouven, ich fühl mich einfach total beschissen, einfach nur scheiße. Abgefuckt und dumm. Und du, gerade du, solltest das doch verstehen. Du hast auch deine Probleme. Du weißt, was beschissen ist. Aber trotzdem könntest du dich ja auch mal ein bisschen mehr für mich interessieren, oder nicht?“ Dicke Tränen kullerten über Maels Gesicht nach unten und er brach ab. Wollte nicht mehr reden. „Komm her“, sagte Rouven nach einigen Minuten einfach. „Komm einfach her.“ Mael rutschte näher und Rouven breitete die Arme aus. Umarmte ihn, bis seine Arme wehtaten vor lauter Drücken. Egal, er machte weiter. „Mael, du Dussel. Du verdammter, vollidiotischer Trottel. Dein Leben ist doch nicht scheiße und du bist es auch nicht. Du bist der Tollste und ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun sollte. Absolut nicht. Wenn du was tun willst, dann musst du mir das einfach mal sagen, anstatt dich hier zu verkriechen. Ich kann doch nicht riechen, wenn du mal Lust aufs Rausgehen hast, wenn du nichts sagst. Mann, Mael, du machst mir Angst. Und das mit deinen Armen… scheiße, Maestro, ich weiß nicht mal, was ich sagen soll, wirklich nicht… Ich… Scheiße!“ Er wusste nicht mehr weiter, war doch nicht der Typ für solch ausgelassene Stimmungen. Konnte so was nicht. Und doch schien er die richtigen Worte auch… ohne Worte zu finden. „Und du kommst jetzt mit. Dumme Weiber hin oder her, wir gehen jetzt feiern. Und uns kann keiner dazwischenkommen, kein doofes Mädchen, kein Benedikt, keine schlechte Laune. Wirf sie aus dem Fenster und zieh dir was anderes an. Es ist Wochenende und wir gehen. Los.“ Und endlich lächelte er wieder. Zum Glück. Rouven wusste nicht, was er ohne Mael tun sollte. Seitdem er denken konnte, waren sie beste Freunde und ein Leben ohne ihn wollte er sich nicht vorstellen. Sms von Benedikt. Nach einer Woche eine Sms von Bene… Lächelnd löschte Rouven sie direkt vor Maels Augen, die daraufhin noch mehr strahlten, weil Rouven ihn, den besten Freund, vor Benedikt vorzog. Es gab also doch noch Wunder. Kapitel 13: Silently -------------------- http://www.youtube.com/watch?v=rqmAerlkWMk “Standing on the edge believing.“ Kapitel 13 „Ach, komm, lass es einfach. Es passt dir oder es passt dir nicht, aber ändern kann ich an der ganzen Sache sowieso nichts mehr. Meine Güte, was ist denn so schlimm daran?“ „Jetzt dreh mal nicht durch hier. Ich bin nicht die Person, die alle anderen anlügt, schon vergessen?“ „Schon vergessen, dass das alles nicht so einfach ist?“ „Ja, red dich hier nur mal schön raus. Du weißt genau, dass du es dir zu einfach machst mit der ganzen Sache. Wenn dir was dran liegen würde, das alles aufzuklären, hättest du es schon längst getan.“ „Mir liegt was dran, aber es geht eben einfach nicht. Wieso denn unnötigen Schmerz verursachen?“ „Schmerz nennst du das, ich Feigheit.“ „Jetzt komm schon. Sieh’s nicht alles so verbissen. Ich kann es einfach niemandem sagen. Das hat nichts mit Feigheit zu tun, das ist einfach nur, weil ich es nicht will.“ „Das ist feige. Du spielst es doch nur runter.“ „Lass mich einfach in Ruhe.“ „Lügner. Sag es ihr, sonst tu ich es.“ „Misch dich nicht in mein Leben ein! Es ist meines und ich lebe es, wie ich will, Herrgott noch mal. Wenn ich es ihr nicht sagen will, dann will ich das eben einfach nicht.“ „Hab dich nicht so. Ich find’s nur einfach scheiße von dir.“ „Du bist ja nur beleidigt, weil ich’s dir vorher nicht gesagt habe.“ „Ich wär auch beleidigt, wenn du es mir schon gesagt hättest. Mann, verstehst du eigentlich nicht, worauf ich hinauswill? Du bist lächerlich, lächerlich, lächerlich.“ „Ach, komm, ruf wieder an, wenn du dich beruhigt hast. Wenn hier jemand lächerlich ist, dann ja wohl du. Du solltest zu mir halten, aber stattdessen maulst du nur rum. Darauf kann ich verzichten, ganz ehrlich.“ Benedikt knallte den Hörer auf und wollte die Antwort seiner Schwester nicht einmal mehr hören. Es war doch sowieso egal. Sie fand seine… Sexualität beschissen und zeigte ihm das auch ziemlich deutlich. Oder fand sie es nur schlimm, dass er es Rhia nicht sagte? Er zuckte die Schultern. Hatte keine Ahnung und drapierte lieber das Kissen, das seinen Nacken stützte, besser. Für seinen Arsch brauchte er jetzt Gott sei Dank keines mehr. Zwei Tage, nachdem Rouven mit ihm geschlafen hatte, hatte er es immer noch gefühlt. Ihn gefühlt. Es war kein unangenehmes Gefühl gewesen, aber es tat weh. Drei Tage lang hatte er sich nirgendwo blicken lassen und Rhia hatte am Ende einen Schreikrampf bekommen, weil er, wenn überhaupt, nur kurze Nachrichten auf ihrer Mailbox hinterlassen hatte. Na ja, war ja nichts Schlimmes dabei. Vielleicht machte sie ja mit ihm Schluss und er musste nichts mehr tun. Das wäre schön. Aber er kannte sie zu gut. Sie würde es nicht tun. Rhia war nicht der Typ für so was. Rhia würde ihn anschreien, ihn fertigmachen und ihm dann versöhnlich ein Lächeln zuwerfen. Wie immer eben. Bene seufzte und lehnte den Kopf gegen die Wand. Er saß auf dem Boden im Gang, in dem das Telefon stand. Seine Mutter klapperte in der Küche lautstark mit irgendwelchen Tellern vor sich hin und ansonsten herrschte Totenstille. Er brauchte dringend Abwechslung. In der letzten Woche hatte er sich extrem zusammengerissen. Nach dem Streit mit Sarah hatte er beschlossen, Rouven erst recht noch mal zu… na ja, erst recht noch mal mit ihm zu schlafen. Er war fest davon überzeugt gewesen, dass er ihn sofort anrufen würde, sobald er zu Hause gewesen wäre. Aber dann… nun ja, mit jedem Tag, mit jeder Stunde, Minute, ja, mit jeder Sekunde, die verstrichen war, war es schwerer geworden, das Telefon in die Hand zu nehmen und Rouvens Nummer zu wählen. Sobald er das Handy in der Hand hatte, ging nichts mehr. Seine Finger fühlten sich an wie aus Blei und er konnte keine einzige Zahl mehr erkennen. Wie sah noch mal die Eins aus? Lustlos warf Bene einige Papierzettel an die gegenüberliegende Wand, die er aus einem Notizblock gerissen hatte, der auf dem Telefontischchen herumlag. Reglos registrierte er, wie sie zu Boden fielen und einfach liegenblieben. Nichts rührte sich ohne fremde Hilfe. Er streckte einen Fuß aus und stupste eine Kugel an. Sie bewegte sich einige Zentimeter weiter und blieb wieder liegen. War es im Leben genau dasselbe? Konnte man Dinge nur ins Rollen bringen, indem man etwas dafür tat? Hatte Sarah am Ende doch recht gehabt? Mürrisch und genervt von seinen eigenen Gedanken stand Benedikt auf. Das war doch alles bescheuert. Er sollte mal wieder etwas Sinnvolleres tun, beispielsweise ein Wochenende mit Freunden erleben oder eine seiner berühmt-berüchtigten Supernatural-Poker-Nächte veranstalten, die einfach nur unendlich gut taten. Er seufzte. Hinbekommen tat er ja trotz allem nie etwas. Benedikt eben. „Du sitzt ja immer noch hier. Wie lange soll das noch so weitergehen?“ Überrascht stand seine Mutter im Flur und angeätzt von ihrem Verhalten verdrehte Bene die Augen. „Ja, tu ich. Ich sitz seit zweieinhalb Stunden im Gang und wenn du jetzt nicht weggehst, werd ich noch weitere zweieinhalb Stunden hier verbringen, einfach aus Prinzip.“ „Verdammt, was hast du denn bitteschön wieder für eine Laune? So verhält man sich niemandem gegenüber, schon gar nicht seiner Mutter. Du bist doch kein kleines Kind mehr oder kein nerviger Teenager. In deinem Alter sollte man dem schon entwachsen sein. Aber du, du kommst ja anscheinend erst mitten hinein. Dann bleib eben hier sitzen und schmoll, es ist mir doch egal. Du musst es ja nicht immer an mir oder deiner Schwester auslassen. Sie hat mich vorhin angerufen und mich gefragt, was zur Hölle eigentlich mit dir los sei, aber das wusste ich auch nicht. Nur zu, bemitleide dich selbst bei was auch immer. Ich werd mich nicht mehr einmischen.“ Verblüfft verfolgte Benedikt, wie sie sich umdrehte und in die Küche verschwand. Großer Gott, jetzt hatte er es also endgültig geschafft und auch noch seine Mutter gegen ihn aufgehetzt. Natürlich war er in den letzten Tagen nicht gerade nett zu ihr gewesen, aber… von Müttern erwartete man doch anderes, oder? Na ja, seine Mutter war ohnehin anders als andere. Im einen Moment war sie lieb und sanft und umschwirrte ihn mit polnischen Koseworten und typischem Mütterzeugs und im nächsten stand sie vor ihm, schrie ihn an bis zum Gehtnichtmehr und verlangte irgendwelche vollkommen unmöglichen Dinge von ihm, die er weder erfüllen wollte noch konnte. Sie hatte ein seltsames Temperament, einerseits war sie sehr östlich veranlagt, andererseits hatte sie die deutsche Lebensweise auch übernommen und Benedikt musste oft Dinge runterschlucken, die von ihr kamen, die wirklich unendlich wehtaten, was wohl auch ein Grund war, weshalb er ziemlich still war, wenn er Menschen nicht sehr gut kannte. Kopfschüttelnd stand er endlich auf und überließ seiner Mutter somit den Sieg. Sie war zwar in der Küche, aber das hieß bei ihr gar nichts. Innerhalb von drei Sekunden konnte sie hier sein und das war sie wohl auch, wenn er nicht schnell verschwand. Immer noch fassungslos über seine Mutter stieg er die Treppe nach oben hinauf, um schnellstmöglich in seinem Zimmer verschwinden zu können. Er warf sich aufs Bett und fragte sich, ob es eine klare Lösung für sein Problem geben konnte. Sein Rouvenproblem. Das Problem, dass er ihn nicht anrufen konnte, nicht schreiben und nicht mit ihm reden. Sein Blick wanderte an die Decke und seufzend fragte Benedikt sich, ob es nicht einen ganz einfachen, sauberen Schnitt für das Ganze geben konnte. Er hatte noch nicht einmal über Folgen nachgedacht. Er hatte überhaupt nicht nachgedacht. Was er getan hatte, das war einfach aufzuzählen: Er hatte Rouven geküsst, er hatte mit Rouven geschlafen, er hatte eine Freundin. Was würde geschehen, wenn nicht nur die wüsste, dass er mit Rouven etwas am Laufen hatte, sondern alle? Coming-Out. So nannte man das in der modernen Welt. Ein Coming-Out. Und dann? Dann wusste jeder, was los war. Was man war. Wer man war. Wen man liebte. „Schwul.“ Er würgte. Das Wort kam ihm nicht leicht über die Lippen und hinterließ einen bitteren, schalen Nachgeschmack. Er formte es mit seinem Mund, ohne es erneut auszusprechen. Schwul. Verliebt in einen Typen. Das war das Ende. Aber er liebte Rhia doch auch. Oder? Zumindest mochte er sie sehr gerne, wenn sie nicht gerade eine ihrer beschissenen Phasen hatte. Er seufzte und vergrub den Kopf in den Händen. Verdammt. Wie würde die Welt nur auf so was reagieren? Seine Freunde, seine Familie. Rhia. Fuck. Er dachte daran, was sein bester Freund mal über Homosexuelle gesagt hatte, als sie irgendwie daraufgekommen waren… „Das ist doch einfach nur krank. Ich mein, ist ja nichts dabei, wenn sie meinen, nicht mit dem anderen Geschlecht vögeln zu müssen, aber dann noch… so was? Das ist widerlich, ganz ehrlich.“ „Wieso denn, Eric? Was ist daran so falsch?“ Er lachte nervös auf. „Ist es einfach. Stell dir das doch mal vor: Sex mit… einem Typen. Wie eklig!“ Bene schüttelte den Kopf. „Aber dagegen kann man doch nichts tun. Sie finden es eben… schön.“ Eric grunzte angewidert. „Vergiss es. Es ist einfach nur abnormal.“ Damals hatte er Rouven noch nicht einmal gekannt, aber hatte einfach das Bedürfnis gehabt, etwas dagegen zu sagen. Es war ja auch nicht direkt scheiße von Eric gewesen, das zu sagen. Er konnte ihn verstehen. Eric. Der Junge aus dem Heim, in dem er schon sein ganzes Leben lang wohnte. Der Junge ohne Emotionen. Egal, was man ihm sagte, er nahm es hin. Abgehärtet durch das strenge Leben im Heim, war ihm nichts fremd und nichts konnte ihn schocken – mit wenigen Ausnahmen, zum Beispiel… Homosexualität. Seine Augen wurden groß und sein Mund verschloss sich zu einem dünnen Strich, sobald die Rede auf schwule oder lesbische Menschen kam. So etwas konnte er einfach nicht ertragen und dann wurde der eigentlich umgängliche Eric zur Furie. Warum genau er so dagegen war, wusste Bene nicht. Er konnte es sich auch nicht denken. Na ja, vielleicht ein wenig. Dort, wo Eric wohnte, war keines dieser Heime, die man eigentlich nur aus schlechten Büchern, Filmen oder Oliver Twist kannte, aber eines von denen, in denen alles noch ein wenig schlechter war als sonst wo. Homosexualität wurde nicht geduldet und das bläuten die Älteren den Jüngeren auch gut ein. Nun gut, konnte auch sein, dass Benedikt es übertrieb. Er kannte dieses Heim ja nicht so, wie Eric es kannte, aber gut genug, um sagen zu können, dass Eric… hm. Eric war hin und wieder einfach komisch und Rhia konnte ihn absolut nicht leiden. Aber trotzdem war er Benes bester Freund seit zig Jahren und er würde ihn gegen nichts eintauschen. Bene seufzte laut auf. Eigentlich sollte er sich nicht beklagen. Sein Leben war zwar kompliziert, aber wenigstens nicht so… beschissen. Natürlich hatte er Probleme mit Rhia und Rouven, aber wenigstens… hatte er eine Familie und musste sich nicht das Zimmer mit einem Typen teilen, der jede Nacht Albträume vom Tod seiner Eltern hatte. Und normalerweise dachte er nicht über Erics Situation nach, weil er es einfach nicht tat. Für ihn war es eine gegebene Tatsache, im Heim zu leben und nichts Großes oder Wahnsinniges. Seine Eltern hatte er nie gekannt und sah deshalb auch kein Problem darin. Oder zumindest… gab er es nicht zu. Eigentlich sollte er sich an ihm ein Beispiel nehmen. Er kam trotz allem gut durchs Leben, dieser Eric, und zwar besser als viele andere. Er versteckte sich nicht und ging mutig durch die Welt, auch wenn er immer damit rechnen musste, dass ihm etwas geschah. Bene drehte sein Handy in den Händen herum. Eric würde es verstehen, oder nicht? Er war sein bester Freund und er wusste doch, dass Benedikt kein schlechter Mensch war. Oder? Bene schien von Menschen nicht die geringste Ahnung zu haben. Immerhin hatte er auch von Rouven gedacht, er wäre ein gefühlstoter Klotz, der nur auf Sex aus war. Er hatte von Rhia gedacht, sie wäre eine Schlampe, die alle fünf Minuten zum Spiegel rennen würde, um ihr Aussehen zu überprüfen oder aufs Klo, um zu kotzen. Er hatte seinen besten Freund damals gehasst ohne Ende und geglaubt, er wäre arrogant und widerlich. Er lag immer falsch. Immer. Rouven hatte Gefühle und konnte diese sogar hin und wieder ziemlich heftig zeigen. Rhia war tiefsinnig und, obwohl sie streitsüchtig war, ein wahnsinnig lieber Mensch. Eric war intelligent und witzig und schlagfertig ohne Ende und ohne ihn würde etwas fehlen. Ohne all diese Menschen würde etwas fehlen. Wahllos und abwesend drückte Bene ein paar Tasten, bis er auf einmal merkte, dass er etwas getippt hatte. Verwirrt las er es. Dann lächelte er. Nickte. Drückte auf Senden und ließ sich nach hinten fallen. Rouven, ich liebe dich. Nimm’s als gegeben hin oder nicht, aber ich liebe dich wirklich. Benedikt. Kapitel 14: Le Chemin --------------------- Mal was Französisches :) Le Chemin heißt "Der Weg", falls ihr kein Franz könnt und die Zeile da unten "Und ich hasse dich mit meinem ganzen Körper, aber ich liebe/vergöttere dich." Viel Spaaaaaaß, ich hoffe, ihr habt ihn mit dem Ende :) Und vielen Dank für die Kommentare http://www.myvideo.de/watch/5271542/Kyo_Featuring_Sita_Le_Chemin “Et je te hais de tout mon corps, mais je t’adore.” Kapitel 14 Mael griff nach Rouvens Arm und brüllte irgendetwas Unverständliches in dessen Ohr. Rouven lachte und deutete wild gestikulierend um sich. „Ich hör dich nicht!“, schrie er zurück und sah, dass Mael seine Augen verdrehte, jedoch lächelte. Das war ein gutes Zeichen. Die Musik dröhnte donnernd durch den riesigen Raum. Eigentlich waren weder Mael noch Rouven sonderliche Fans dieser Musikrichtung, aber an diesem Tag war es einfach… wundervoll. Und trotzdem auch traurig. Rouven hatte nicht gewusst, was Mael für Probleme hatte. Er hatte sich immer gedacht, er wäre einfach kein Mensch, der rausgeht. Es musste solche Menschen geben, oder nicht? Aber dass seine Probleme dermaßen gravierend waren, dass er sich selbst verletzten musste… das war ihm neu und es tat ihm in der Seele weh. Aber es war nicht der Moment, um nachzudenken. Nicht der Moment, um zu reden. Nicht der Moment, nicht der Moment. Es war der Moment, um zu lachen. Zu feiern, sich zu freuen. Bewundernswerte Blicke einfach abzutun und nur zu tanzen. Rouven spürte die Bässe tief in sich, griff nach Maels Arm und zog ihn mit sich. Er schloss die Augen und ließ alles los. Die quälenden Gedanken Benedikts wegen, die Schuldgefühle, die hervorgerufen wurden, weil er Mael so vernachlässigt hatte, die Lügen Rhia gegenüber. Alle weg, weggeschoben, hineingeworfen in einen tiefen Abgrund. Schlüssel weg. Die Musik drang tief in ihn ein, aber trotzdem spürte er noch, wie Mael an seinem Ärmel zupfte. Immer noch lächelnd öffnete Rouven die Augen und verzog verwirrt die Brauen. Mael stand vor ihm, verschwitzt, mit roten Wangen, zerzausten Haaren und einem glücklichen, wenn auch ebenfalls verwirrtem, Ausdruck in den Augen. Er deutete in eine andere Richtung und Rouven legte ihm die linke Hand auf die Schulter. Drehte sich um. Erstarrte. „Geh nach Hause, Benedikt. Hau bloß ab. Du hast hier nichts zu suchen. Das hier ist endlich mal ein schöner Abend, Herrgott, und du vermiest mir den nicht! Du nicht, vergiss es.“ Benes komischer Freund, der anscheinend – wie Mael – nicht von seiner Seite weichen wollte, stand neben ihm, lachte und sah trotzdem verwirrt aus. Bene selbst sah aus, als ob er am liebsten durch ein Loch im Boden verschwinden würde. „Hey, was habt ihr eigentlich für ein Problem?“ Neugierig sah… wie hieß er noch? Eric?... von Rouven zu Bene zu Mael und wieder zurück. Rouven konnte genau erkennen, dass Bene immer nervöser wurde. Seinem Kumpel hatte er also anscheinend nichts davon gesagt, dass er möglicherweise schwul war. Na ja, man konnte möglicherweise auch streichen. Er war es, auch wenn er sich selbst noch belog. Rouven zog die Brauen hoch, spürte Maels warnenden Blick, musste es jedoch einfach tun: „Ach, er hat dir nichts gesagt? Scheint dir wohl nicht so sehr zu vertrauen, dass er es dir sagen kann. Ich an deiner Stelle wäre ja richtig beleidigt deshalb, weißt du.“ Eric warf einen unsicheren Blick hinüber in Benes Richtung, der ziemlich offensichtlich zusammengezuckt war. Rouven lächelte leicht. Natürlich war es nicht fair von ihm, das zu tun, eventuell diese Freundschaft zu zerstören. Aber das hier war Maels Abend. Maels und nicht Benes und Rouven sah es nicht ein, weshalb er jetzt einen auf lieb Kind machen sollte. Eric nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und blies den Rauch vorwitzig direkt in Rouvens Gesicht. „Bene wird nichts sagen, weshalb ich mich direkt an dich richte: Was ist los und warum flennt ihr hier so rum?“ Nervös lachte Rouven auf. Eric kannte Bene aber ganz schön gut. Genau dasselbe hätte Rouven selbst auch getan. „Du bist doch dämlich. Denkst du, du kennst ihn so gut? Du hast es nicht mal bemerkt, was los ist, oder?“ Bene zog scharf die Luft ein, sagte aber immer noch nichts. Seine Augen blickten abwesend, was ein deutliches Zeichen dafür war, dass er innerlich gerade immer verwirrter wurde. Mael stupste Rouven an und flüsterte, dass er gefälligst aufhören sollte. Er dachte gar nicht dran! „Was sollte ich bemerkt haben? Bene ist konfuser und ruhiger als sonst und hat irgendwas, das er mir bis jetzt noch nicht sagen wollte. Ich warte, okay, ich warte einfach. Das hat nichts damit zu tun, dass ich ein schlechter Freund sein soll. Ich kann einfach nur gut warten.“ „Ja, ist gut jetzt hier, können wir nicht gehen, Rou?“ Er gönnte Mael nicht eines einzigen Blickes. Sein Augenmerk lag eher auf Benedikts ausdrucksloser Miene und wanderte dann hinüber zu Eric. „Nein, wir gehen nicht. Das ist trotzdem bitter, dass du es nicht gemerkt hast. Mael hat’s gemerkt und zwar noch vor mir. Ich will nicht sagen, dass du ein schlechter Freund bist, ich will nur sagen, dass du deine Augen aufmachen solltest, denn sonst hättest du das schon längst bemerkt.“ Bene riss die Augen auf. „W…?“ Er kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu beenden, weil Rouven sich auf einmal nach vorne bewegte und seine Lippen mit Benes verschloss. Himmlisch weich und warm. Rouven seufzte und spürte, wie sich ein Paar Arme um ihn schlang. Bene. Er blendete alles aus, konzentrierte sich nur noch auf diese Lippen, diese Zunge, diese Zähne, die er berührte. Er wollte mehr, jetzt, sofort. Er wollte Bene ganz nahe sein, so wie noch vor einer Woche, wollte ihn berühren, ihn ausziehen, ihn verführen. Mit ihm schlafen. Tief seufzte er in den Kuss hinein und… Mit einem Ruck wurde er zurückgerissen. Eric? Mael? Er starrte in Benes weit aufgerissene Augen. Der taumelte langsam zurück und griff sich an die Lippen, öffnete den Mund, kam jedoch zu keinem Ergebnis, da just in diesem Moment ein anderer das Wort ergriff. „Himmelherrgottsakrament, Benedikt, was zur Hölle war das?“ Rouven wirbelte herum, sah und spürte im selben Moment, wie Mael neben ihn trat und ihn mit einem schiefen Lächeln ansah. Benes Gesicht, noch mit halb geöffnetem Mund, lief so weiß an, wie Rouven es nie für möglich gehalten hatte bei einem Menschen. „Eric“, flüsterte er fassungslos, „das… Eric…“ Eric seinerseits war so komplett rot vor Wut, dass es nur noch bizarr aussah. „Bene, was… was ist da los?“ Bene streckte die Hand aus, um Eric an der Schulter zu berühren, doch der wich zurück und starrte ihn dermaßen entsetzt an, dass es Rouven ganz anders wurde. War Eric etwa…? Aber er war doch Benedikts bester Freund, wie konnte das dann sein? Mael war auch nicht gerade der größte Freund von Homosexualität, aber er nahm es trotzdem als gegeben hin. Im Grunde genommen war es ihm sogar egal, solange Rouven nur glücklich war. Was er eben gewesen war… Der Kuss war von Leuten gesehen worden. Der Kuss war nicht unentdeckt geblieben und auch nicht verschämt in irgendeiner Ecke aufgedrückt worden. Dieser Kuss hatte stattgefunden, wo jeder es sehen konnte, der nur wollte. Oder auch nicht wollte… „Eric…“ Bene brach ab, wusste nicht mehr weiter. Er warf einen hilfesuchenden Blick in Rouvens Richtung hinüber. Was jetzt? Das war nicht geplant gewesen. Was sollte er tun? Er wollte keine Freundschaft zerstören. Er wollte einfach nur Bene. „Hör’s dir erst mal an, bevor du austickst.“ Es war lieb von Mael, es zu versuchen, aber das war nicht sein Kampf. Rouven streckte einen Arm zur Seite aus, um Mael zu signalisieren, dass es okay war. „Nicht durchdrehen, das war dumm von mir. Eric, Mael hat aber recht, hör dir an, was ich zu sagen habe, ja?“ Gespannt musterte er Erics Miene, die langsam ausdruckslos wurde und… auch widerlich abgeneigt. Er verschränkte seine Arme vorm Körper, als wolle er sich schützen und sein Blick wurde immer härter. Rouvens Blick streifte Bene, der entsetzt aussah und auf seine Hände starrte, die von Eric abgewiesen worden waren, dann wieder zurück zu Eric, der immer noch nichts gesagt hatte. Seine Miene war unergründlich, aber Rouven glaubte, eine gewisse Angewidertheit rauslesen zu können. Großartig. Und dann sprach er und Rouven erschauderte. „Mir ganz egal, was du jetzt zu sagen hast, Schwuchtel, ich will’s nämlich nicht hören. Ich will gar nichts hören, gar nichts mehr, schon gar nicht von dir. Du weißt, dass ich so was eklig finde und das ist doch einfach nur abartig. So was gehört sich nicht, so was sollten Typen nicht tun. Ach was, ihr seid sowieso keine echten Männer, ihr seid einfach nur abnormal. Ich hau hier ab. Widerlich.“ Vollkommen angewidert spuckte Eric vor Benedikt auf den Boden, der entsetzt nach hinten sprang, bedachte Rouven mit einem unendlich wütenden Blick und verließ die Szene mit langen, wütenden, zitternden Schritten. Wenn Menschen Gefühlsregungen hatten, war er meist hilflos. Er stand am Rand und beobachtete sie oder er stand daneben und ließ sich anschreien, während er interessiert seine Fingernägel betrachtete oder die Menschen um ihn herum. Er konnte nicht damit umgehen. Wusste nicht, was er sagen oder tun sollte, wenn jemand Hilfe von ihm erwartete oder sich an ihn klammerte. Er war kein Mensch, der jemandem über den Kopf streichen und dabei beruhigende Dinge flüstern konnte. Das mit Mael vorhin war so ziemlich das erste Mal überhaupt gewesen, dass er, nachdem jemand vor ihm zusammengebrochen war, reagiert hatte, reagieren konnte. Aber das war etwas anderes gewesen. Mael kannte er schon seit dem Kindergarten, mit ihm konnte er, wenn sie es denn wollten, auch gut reden. Er hatte gemerkt, dass er schwul war, bevor Rouven selbst es wusste, und er hatte keinerlei Probleme damit, höchstens mit der Art und Weise, wie Rouven an die ganze Sache ranging. Aber das hier, das ging wirklich beinahe zu weit. Beinahe. Wäre da nicht die Kleinigkeit, dass Rouven dafür verantwortlich war, dass gerade alles im Arsch war, und dass er ihm alles versaut hatte, weswegen es… verständnisvoll war, was gerade abging. Und jetzt? Saß er auf seinem Bett, Mael links von ihm, grinsend, rechts von ihm – oder besser: in seinen Armen – ein Häufchen Elend, das auch manchmal auf den Namen Benedikt hörte. Es schniefte und weinte runter, was nur ging. Mael, der die ganze Situation irgendwie lustig statt komisch fand, wusste der Geier, warum, reichte ihm ein Taschentuch nach dem anderen. Rouven hatte die Arme um Bene geschlungen und wusste nicht, was er sonst noch tun sollte, außer ihn hin und her zu wiegen und dabei irgendwelches Zeugs murmeln von wegen „Es wird alles wieder gut“. Er war schlichtweg schlecht in solchen Angelegenheiten und das war wahrscheinlich auch der Grund, weshalb sein bester Freund lachte. „Mael, könntest du mal bitte aufhören? Das ist lächerlich.“ Der Ire gluckste. „Ach, komm schon, du hast’s einfach vermasselt. Du hättest Bene nicht überfallen dürfen und du hättest es diesem Eric schonender beibringen können. Es ist vorbei und fertig.“ „Danke, Mann, die tröstenden Worte sind echt geil.“ Mael verdrehte die Augen. „Es geht nicht darum.“ Er deutete auf das Häufchen Elend, das in Rouvens Brust hinein weinte. „Es geht um ihn hier. Du könntest eine lebenslange Freundschaft zerstört haben mit deinen dämlichen Taten. Du denkst nie nach, wenn du was tust. Mann, ich fand den Abend echt schön, aber der Ausgang ist alles andere als gut gewesen.“ Mael seufzte und Rouven öffnete den Mund, um loszuwerden, dass ihm alles einfach nur leid tat, wurde jedoch unterbrochen vom schniefenden Häufchen Elend, das sich langsam wieder in Benedikt zurückverwandelte. Der hob nämlich den Kopf, hatte die Arme noch um Rouven geschlungen und starrte ihn aus sanften, tieftraurigen Augen an. Sprach. „Okay. Du hast gewonnen. Du und deine Augen, ihr habt beide gewonnen. Ich werd vor Rhia treten und ihr sagen, dass ich sie nicht liebe, sondern nur dich. Und dann will ich eine Beziehung. Mit dir.“ Verschlug Rouven den Atem. Kapitel 15: She believed (never in herself) ------------------------------------------- Ich wünsche viel Spaaaaaaaaaß, muhahahahaha! http://www.youtube.com/watch?v=ylqSvpeZYbk “Honey, honey, take my heart like money and run.“ Kapitel 15 Die Situation kam ihm surreal vor. Da stand er nun vor ihr und wollte ihr genau das mitteilen, was er noch vor wenigen Tagen zu verhindern versucht hatte. Bizarre, non? Rhia streckte die Hand aus und strich ihm durchs Haar. „Kannst du mir mal bitte sagen, was los ist, Schatz? Du kommst hier rein, bist total verschwitzt und am Rumheulen und willst mir irgendetwas sagen? Dann leg doch mal los, ja? Und, Rouven, was machst du eigentlich hier?“ Sie war außerordentlich gut gelaunt. Bene tat es in der Seele weh, ihr so wehtun zu müssen, aber es ging einfach nicht mehr anders. Rouven drückte sich im Hintergrund herum, stand jedoch so nahe bei Bene, dass er ihn berühren konnte, wenn er nur wollte. „Rhia, das ist alles… so kompliziert. Setz dich bitte hin, dann ist das ein wenig einfacher, ja?“ Rhia warf den Kopf nach hinten und lachte fröhlich auf. „Gut, wenn du das so willst.“ Sie lächelte und setzte sich aufs Sofa. Bene folgte ihrem Beispiel, setzte sich neben sie, sodass er sie ansehen konnte, und Rouven fläzte sich auf dem Sessel, jedoch nicht so lässig wie sonst. Er war nervös. Bene verstand ihn nur zu gut. Sein Herz flatterte und tat weh vor lauter Aufregung und Angst. „Also, was ist los?“ Erwartungsvoll zog sie die Brauen hoch und musterte abwechselnd ihren Freund und ihren Bruder. Rouven verknotete seine Hände ineinander und starrte Rhia direkt ins Gesicht. Sie merkte, dass es komplizierter war als angenommen und langsam verschwand ihr Lächeln, das ihr Gesicht dermaßen erhellt hatte. Wie war er nur darauf gekommen, es ihr sagen zu wollen? Irgendetwas in ihm war vorhin an seinen rechtmäßigen Platz zurückgekehrt. Irgendetwas hatte KLICK gemacht, als Eric verschwunden war. Irgendetwas… und Benedikt nannte es Courage. Als Rouven ihn in den Armen gehalten hatte und einfach nur bei ihm gewesen war, da hatte Bene sich auf einmal so dermaßen wohl gefühlt, dass es ihm schlicht und einfach nur noch egal gewesen war, was nun geschah. Wichtig war nur Rouven. Wichtig waren nur Rouven und er. Und Rhia? „Ich bin jetzt gerade etwas beunruhigt, muss ich gestehen. Hattet ihr einen kleinen Bitchfight darüber, dass wir zusammen sind, oder wie?“ Zusammen. Bene schrak auf und sah sie an. „Rhia, wir… Also, du und ich… sind wir… Rouven hat doch… und ich…“ Er brach ab und warf einen hilfesuchenden Blick zu Rouven hinüber. Der zuckte hilflos die Achseln. „Rhia, bist du dir sicher, dass du mit Bene… zusammen bist?“ Falscher Ansatz. Ihre Augen wurden schmaler und wütend und betont langsam stand sie vom Sofa auf, lief ein paar Schritte nach vorne und baute sich bedrohlich vor ihrem großen Bruder auf, der nicht im Mindesten davon beeindruckt zu sein schien. Er parierte ihre Blicke mit einer eiskalten Distanz und blinzelte nicht einmal. „Was… zur Hölle… meinst du denn… bitte damit?“ Ihre Hände zitterten vor Wut und Bene beneidete Rouven um diese Coolness. Er selbst spürte sein Herz rasen bis zum Gehtnichtmehr und fühlte sich einfach nur noch richtig, richtig schlecht. Aber er musste das jetzt tun. Er und nicht Rouven. „Rhia, es ist anders als du denkst. Ganz anders.“ Unbewusst war er aufgestanden; befand sich nun neben ihr. Auch Rouven war nun auf seiner Höhe und seine Augen streiften Benes Gesicht, entlockten ihm ein Lächeln. Ihm wurde warm und auf einmal spürte er, dass er es tun konnte. Oh ja, er konnte es tun. „Du wirst mich jetzt für verrückt halten, du wirst sagen, es stimmt nicht oder dass wir dich verarschen.“ Er holte tief Luft und wappnete sich für das Kommende. „Die Szene damals in deinem Zimmer hatte mehr zu bedeuten als du glaubst. Rhia, ich liebe dich nicht, ich weiß nicht, ob ich dich je geliebt habe. Es klingt ultrabescheuert, wenn ich das so sage, ich weiß es, und du brauchst nicht nach Luft zu schnappen. Ich bin schwul, okay, und wahnsinnig verliebt in deinen eigenen Bruder, mit dem ich vor einer Woche geschlafen habe.“ Er wusste nicht genau, was zu tun war. Rouven hämmerte gegen Rhias Zimmertür und er selbst stand nutzlos direkt neben ihm. Er kannte Rhia zwar, wusste aber nicht, wie man eine solche Situation entschärfen konnte. Etwas flog von innen gegen die Tür und fiel laut auf den Boden. „Hau bloß ab!“, kreischte sie laut auf und Bene konnte ihr Schluchzen bis nach draußen hören. „Rhia, mach bitte die Tür auf, Herrgott. Lass uns reden.“ Rouven seufzte und ließ die Hand verzweifelt auf der Maserung liegen. Warf einen raschen Blick zu Bene hinüber, scheu und traurig zugleich. Schüttelte den Kopf und ließ ihn kraftlos sinken. „REDEN? Bist du behindert, was sollen wir denn bitte reden? Lass mich einfach in Ruhe, lasst mich beide in Ruhe, ihr verdammten Arschlöcher!“ Erneut warf sie etwas gegen die Tür, das jedoch nicht einfach abprallte. Diesmal zerbrach es klirrend und war bestimmt in eintausend Einzelteile zersprungen, weil sie dermaßen wütend war. „Wir könnten über alles in Ruhe reden, du müsstest dich nur beruhigen.“ Rouven wusste wahrscheinlich selbst, was er da für einen Müll zusammenbrabbelte, denn wer beruhigte sich schon in einer solchen Situation? Vor allem Rhia… „ICH BERUHIG MICH ABER NICHT!“ Ihre Stimme klang nur gedämpft, aber man hörte sie trotzdem klar und deutlich. Bene zitterte. „Bitte, Rhia, mach die Tür auf.“ Benedikt hatte Rouven sanft beiseite geschoben und spürte nun Rouvens Arm auf seinem Rücken, während er das Ruder übernahm. „Ich weiß doch, dass du jetzt am liebsten alle in deinem Umfeld grausam töten willst, aber du könntest stattdessen auch die Tür öffnen und deine Wut nicht an deinem Inventar auslassen. Bitte, komm doch raus, ja?“ Vielleicht brachten sanfte Worte ja mehr. Er wusste es nicht. Bei Rhia wusste man nie. Sie konnte sanft und lieb sein wie eine Raubkatze und einem im nächsten Augenblick anspringen vor lauter Wut, weil man eine falsche Frage gestellt und somit ihre Laune zerstört hatte. Er wusste also nicht, was jetzt gerade effektiv war und was nicht. Tatsächlich registrierte er überrascht, wie sich der Türschlüssel im Schloss drehte. Er warf einen schnellen Blick zu Rouven hinüber, der ihm ein kurzes Lächeln schenke und schnell seine Hand zurückzog, als die Tür aufging. Ihr komplettes Gesicht war tränenüberstömt, das Make-up vollkommen zerlaufen und die Haare zerrauft. Ihr Blick funkelte vor lauter Wut und Traurigkeit so heftig, dass Benedikt am liebsten die Augen schließen und sie nie wieder öffnen wollte. „So, was wollt ihr denn jetzt bitte mit mir bereden?“, fauchte sie und spuckte Benedikt beinahe ins Gesicht. „Vielleicht darüber, dass es abartig widerlich ist, was ihr da abzieht? Oder darüber, dass sich mein Inneres gerade anfühlt, als wäre es gekocht, gebraten und anschließend gegessen worden? Oder, hey, wie wäre es mit einem Yo, Rhia, fettes Sorry, das würde doch jetzt bestimmt wunderbar passen, nicht?“ Rouven seufzte laut auf. „Wir haben’s dir doch gesagt, oder nicht?“ Das war bestimmt nicht das Richtige gewesen. Rhias Augen verengten sich zu winzigen Schlitzen und in ihnen funkelte wütender, bloßer, aufrichtiger Hass. „Du verstehst es nicht, Rouven, oder? Was ihr… was du… getan habt, das kann man nicht mit einem Komm da raus und lass uns reden bereinigen. Ihr seid abartig widerlich und ich will. Nicht. Darüber. Reden. Das mit uns ist ja jetzt anscheinend Gott sei Dank vorbei, Benedikt, und du, Rouven, du bist ja wohl der allerekelhafteste Abschaum der Welt und garantiert nicht mein Bruder!“ Und aufs Neue knallte sie die Tür zu. Er folgte jeder seiner Bewegungen. Nervös tigerte er im Zimmer herum und sah Benedikt dabei kein einziges Mal an, nicht einmal, als der sprach. „Scheißescheißescheißescheißescheiße…“, flüsterte Rouven im Sekundentakt vor sich hin. „Scheiße, was haben wir nur getan? Bene, verdammt…“ Schweigend stand Benedikt auf und legte ihm die Hand auf die Schulter; zwang ihn so zum Anhalten. Rouven starrte ihm in die Augen und Bene sah ihm die deutliche Panik im Gesicht an. Immer noch ruhig strich er ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Wir schaffen das, Rouven. Wir können immer noch versuchen, mit ihr zu reden, es hindert uns keiner daran. Es ist doch klar, dass sie jetzt geschockt ist, oder nicht? Was sollte sie denn auch sagen, es hätte ja noch viel schlimmer kommen können. Rouven, beruhig dich, alles ist gut, ja?“ Ganz leicht und wie in Trance nickte Rouven. Dann begann er zu murmeln und sah Bene dabei wieder direkt in die Augen. „Bene, was haben wir getan?“ Er sprach so leise, dass der ihn kaum verstehen konnte. „Hast du’s gehört, ich bin nicht mehr ihr Bruder, sagt sie. Nicht mehr ihr Bruder. Ich war immer der, der sie vor allem beschützt hat und auf einmal soll ich nicht mehr ihr Bruder sein. Und wie eiskalt sie war. Wie unendlich kalt…. So kalt.“ Oh ja, das war sie gewesen. Ihr Blick tat Bene noch jetzt weh. Ansonsten… er war äußerst ruhig. Er wusste nicht, ob es ihm leid tat, was geschehen war, oder nicht. Natürlich tat ihm Rhia leid, aber die Situation… es war… gut gewesen, fand er. Gut, dass sie es endlich wusste. Gut, dass es vorbei war. Er hatte Rouven. Es war vorbei. Er hatte Rhia verloren und Rouven gewonnen. Vorsichtig strich er Rouven übers Haar. Nur nichts überstürzen. Rouven war am Ende seiner Kräfte. „Komm her.“ Vorsichtig bugsierte Benedikt ihn zu seinem Bett und setzte sich neben ihn hin. „Du musst dich jetzt beruhigen.“ Vehement schüttelte Rouven den Kopf. „Wie soll ich mich denn bitte beruhigen? Meine Schwester hat mir eben an den Kopf geknallt, was für ein unendlich schlimmer Mensch ich doch bin und dann soll ich ruhig bleiben? Wie denn bitte?“ Bene seufzte und fuhr sich müde über die Augen. Woher sollte er denn wissen, was zu tun war? Ihm war die ganze Angelegenheit schon vor Monaten über den Kopf gewachsen und erst jetzt schien er richtig zu erwachen. Was für eine Ironie des Schicksals. „Rouven, schau mich an. Los, schau mich an. Rouven, du musst – komm schon, schau mich an.“ Widerwillig hob Rouven seinen Kopf. „Was?“ Unhörbar. Beinahe. Vorsichtig zog Benedikt Rouven, seinen Rouven, näher zu sich. „Rouven, es ist nicht deine Schuld. Ich hab mir das Ganze doch ausgedacht, ich war doch derjenige, der es Rhia sagen wollte, ich war derjenige, der es ihr auch gesagt hat. Du machst dir hier jetzt keine Vorwürfe. Ich bieg das wieder grade, ich verspreche es dir. Ich schwöre es sogar.“ Rouven nickte leicht. „Bitte“, hauchte er, brachte nicht keine Worte mehr über seine Lippen. Bene strich ihm über die Wange. „Weißt du eigentlich, wie schön du bist?“ Überrascht hielt er inne. Nein, das wusste er nicht. Aber wenn er schon dabei war… „Rouven?“ „Deine Augen scheinen sogar jetzt noch Ruhe und Sanftmut verbreiten zu wollen, obwohl du dich doch gerade ganz anders verhältst. Ich wüsste nicht, was ich gerade ohne dich getan hätte und wie ich drauf kam, es Rhia damals ohne dich sagen zu wollen.“ „Ähm…“ „Du bist so ein unendlich toller Mensch und ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ „Sag doch einfach gar nichts. Rouven, ich…“ „Küss mich.“ Überrascht hielt Bene inne. „Bitte?“ „Bene, küss mich.“ Rouvens Augen, eben noch traurig, strahlten nun Verträumtheit aus, und ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Rouven, hör mir zu….“ „Küss mich. Jetzt.“ Er kam einfach nicht zu Wort. „Lass mich doch bitte ausreden.“ „Ich hab alles für dich aufgegeben, dann könntest du das doch wenigstens auch tun, oder?“ Bene musste lächeln. „Du hast die Sms nicht bekommen, oder? Ich liebe dich, Rouven. So sehr.“ Kapitel 16: Only One -------------------- http://www.youtube.com/watch?v=TWBdACAwtXs “Just you and I under one sky.” Kapitel 16 Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Geschockt stand Rouven auf und begann erneut damit, sinnlos in seinem Zimmer herumzulaufen. War es jetzt… gut oder schlecht, dass er es ausgesprochen hatte? „Rouven, hatten wir das nicht gerade eben? Bleib ruhig und setzt dich wieder hin.“ Seine Stimme klang warm und verlockend und Rouven wünschte sich immer mehr, dass sie sich unter anderen Umständen kennengelernt hätten. Irgendwo an einem anderen Ort, in einer anderen Zeit, in der Rhia und Benedikt sich nicht kannten und niemals voneinander erfahren hatten. Sie könnten glücklich sein. Sie können wirklich glücklich sein. Langsam gehorchte Rouven und setzte sich wieder zurück auf sein Bett. Fünf Minuten lang sagte keiner ein Wort. Dann: „Glaubst du, sie wird es mir jemals verzeihen?“ Bene zuckte die Schultern, während Rouven den perfekten Schwung seiner Augenbrauen betrachtete. Erstaunlich, immerhin war er ein Typ, wieso hatte der dann so ein schönes Gesicht? Er wusste, dass Bene auf eine andere Aussage von ihm wartete und er sah es ihm an, dass er enttäuscht war. „Keine Ahnung, du kennst sie doch. Gib ihr Zeit und sie wird sich bestimmt wieder… ein wenig beruhigen.“ Träge schüttelte Rouven den Kopf. „Nein, wird sie nicht und das weißt du genausogut wie ich. Ich kenn sie und ich weiß, dass sie sich nur noch mehr in die ganze Sache reinsteigern wird, so sehr, bis sie mich hasst.“ Er konnte nichts mehr entgegnen. Benedikt war geschlagen und das wusste er auch, weil er seinen Mund nun nicht mehr aufbrachte. Das war auch komisch. Normalerweise war Rouven derjenige, der nicht still sein konnte und sich immer mit anderen anlegte. Benedikt war der stille Mensch, der nur dann den Mund aufmachte, wenn es schon zu spät war und der sich möglichst immer aus allem heraushielt. Und jetzt auf einmal… hatten sie die Rollen getauscht. Jetzt war Rouven derjenige, der nicht weiterwusste und den Mund nicht mehr aufbekam und Benedikt der dominante Part, der sagte, was zu sagen war. Verrückte Welt. „Was tun wir jetzt?“ Noch so eine Neuerung. Jetzt war es nicht mehr nur ein ich wie in Ich will dich, Ich will, dass du mit mich küsst oder Ich find dich geil, nein, jetzt war es ein wir. Ein zusammengehörendes, verschweißendes wir. Und Rouven fand es gut. Irgendwie. „Ich weiß es nicht. Ich glaube, das Schlimmste, was wir jetzt tun können, ist, es noch mal bei ihr zu versuchen. Sie würde uns töten“, prophezeite Rouven mit düsterer Stimme und Bene nickte beipflichtend. Und jetzt? Rouven lächelte leicht. „Weißt du, was ich komisch finde?“ Benedikt schüttelte den Kopf. „Dass wir jetzt hier nebeneinander sitzen und darüber reden, was nach unserem Coming-Out geschehen soll.“ Bene lachte trocken auf. „So ein wahnsinniges Coming-Out war es ja jetzt nicht. Aber ich glaube irgendwie, es war der schlimmste Teil…“ Rouven schnaubte. „Das weiß ich sogar. Alles andere ist doch nicht mehr schlimm. Nur Rhia…“ Er musste nicht weitersprechen. Es war doch ohnehin klar, was er sagen wollte. Eine Weile lang hing wieder seinen eigenen düsteren Gedanken nach. Dann lachte Bene auf einmal. „Ich hab jetzt also innerhalb kürzester Zeit gleich zwei Menschen mehr wehgetan als ich es mir jemals erträumt habe. Halt, nein, drei sind es ja, meine Schwester gehört also auch noch dazu.“ „Drei?“, echote Rouven. Drei Menschen hatte Bene wegen ihm jetzt also schon wehgetan… „Meine Schwester. Rhia. Eric.“ Eric, ach ja. Der existierte ja auch noch… „Ach, komm schon, den kannst du doch in die Tonne kloppen. Der ist ein Arschloch und das weißt du auch. Wäre er ein richtiger Freund, hätte er dich nicht einfach so behandelt. Ich weiß, dass das beschissen klingt und dass du so was eh nicht hören willst, aber es ist doch so, nicht? Sieh dir mal Mael an. Er hat schon vor mir vermutet, dass ich in dich verliebt sein könnte und er unterstützt mich, obwohl ich ihn schlecht behandelt habe in der letzten Zeit. Das macht echte Freundschaft aus und nicht die Tatsache, dass man wegrennt, sobald es geht… Ich finde…“ „Moment!“ Verwirrt registrierte Rouven, dass Bene aufgesprungen war und ihn mit aufgerissenen Augen ansah. „Äh, ganz ruhig und so, was ist los?“ Seine Augen begannen zu leuchten und seine Mundwinkel, die eben noch an Angela Merkel erinnert hatten, hoben sich so extrem an, dass er aussah, als hätte er Tonnen von Botox in seinen Wangen stecken. „Rouven!“ „Äh… ja?“ „Du… du hast es gesagt. Rouven, du liebst mich.“ Es tat gar nicht weh. Es war ganz anders, als er es sich gedacht hatte. Das letzte Mal war er der aktive Part gewesen und es fiel ihm diesmal nicht leicht, sich einfach fallenzulassen. Einfach nichts mehr zu tun und es zu spüren. Zu genießen. Tatsächlich war es wundervoll, nachdem er es einfach geschafft hatte, nicht mehr darüber nachzudenken, was Benedikt da tat. Oder was seine Schwester sagen würde, wenn sie ihn so sehen könnte. Ausgestreckt auf dem Bett und Benedikt über ihm, der ihm einen leichten Kuss auf die Schulter gab. „Alles okay?“, flüsterte er leise und Rouven seufzte noch leiser. „Alles ist wunderbar, Bene. Du bist wunderbar.“ Okay. Genug der wunderbars. Er spürte, wie Bene sich von ihm heruntergleiten ließ und sich neben ihn legte. Rouvens Hand schloss sich um Benes und eine Weile lang taten sie nichts außer Dazuliegen und dem Atem des anderen zu lauschen. „Kann das nicht immer so sein?“ Seine Stimme zerriss die Stille und Rouven merkte, dass er eben ein wenig weggedöst war. „W… was?“ „Das hier. Kann so etwas nicht immer total friedlich ablaufen? Ohne Tränen, ohne Geschrei, ohne Kompromisse… ohne Rhia?“ Wieso tat er das jetzt? Wieso? Eben noch hatte er jegliche Gedanken an Rhia fortgeschoben, weit, weit weg. Und jetzt… war sie wieder da. „Ich… weiß es nicht. Bene, können wir bitte nicht mehr darüber sprechen? Wenigstens einmal, eine Sekunde nicht mehr?“ Bene seufzte. „Wir können es aufschieben, aber was bringt es? Rouven, wir hatten Sex, während deine Schwester einen Stock tiefer wegen uns beiden so sehr leidet, dass sie daran zerbrechen könnte. Wie kannst du das vergessen?“ Er drehte sich auf den Rücken. „Hör auf. Ich werd es nicht vergessen, wie soll das denn auch gehen? Ich werd noch mein Leben lang für diesen einen Fehltritt haften. Mein Leben lang! Wie soll ich’s dann bitte vergessen? Ich sehe meine Schwester jeden Tag. Ich weiß nicht, wie das jetzt gehen soll, ehrlich nicht…“ Das Laken raschelte leicht, als Bene seinen Kopf drehte und ihn einfach nur noch ansah. „Ich weiß nicht, was nun geschieht, ja? Ich hab keinen blassen Schimmer. Woher soll ich wissen, wie sie jetzt reagieren wird? Du kennst sie länger als ich, ich weiß nicht, ob sie irgendwann darüber hinwegkommen wird.“ „Weißt du, es geht ja gar nicht darum, dass du sie betrogen hast“, sinnierte Rouven, „es geht darum, dass du mit mir geschlafen hast. Mit mir, ihrem Bruder, dem sie vertraut hat und von dem sie niemals gedacht hätte, er würde so etwas Derartiges tun. Und darum geht es hier, nur darum. Ich kann sie nicht mehr ansehen und ich weiß nicht, was ich zu ihr sagen soll. Das Schlimmste daran ist, dass ich selbst schuld an der Misere bin. Ich hätt’s ja doch noch verhindern können. Ich hätte die Notbremse ziehen können im Umgang mit dir und ich hätte es ihr auch nicht sagen müssen. Beziehungsweise wir hätten es ihr nicht sagen müssen. Du und ich, wir sind jetzt beide schuld. Und wir müssen es beide wieder irgendwie hinbiegen. Verstehst du das?“´ „Man kann’s nicht mehr rückgängig machen, oder?“ Nein. Das konnten sie wirklich nicht mehr. Wie traurig. „Weißt du, das Einzige, das wir jetzt tun könnten, wäre, nach vorne zu schauen und zu versuchen, irgendwie mit ihr auszukommen. Was anderes geht doch jetzt eh nicht.“ Vorsichtig gab Rouven seinem Benedikt einen Kuss. Dann stand er auf und lächelte Benedikt vertrauensvoll an. „Was tust du?“, fragte der alarmiert und setzte sich auf. Rouven zuckte nur die Schultern und zog sich die Boxershorts über, dann die Hose und das Shirt. Von Socken war er ohnehin nicht sonderlich begeistert, also ließ er sie weg. „Ich werde mit ihr reden. Jetzt. Sie wird mir zuhören, ich kenne sie.“ Hoffte er zumindest, aber er musste das jetzt einfach tun. „Wenn du diese verdammte Tür nicht auf der Stelle aufmachst, trete ich sie höchstpersönlich ein!“ „Warum sollte ich das denn bitteschön tun? Damit du noch mal einen draufsetzt und mir erzählst, dass du ihn heiraten wirst und dreißig Kinder adoptieren willst? Fick dich doch einfach!“ „Mach auf, Herrgott, lass mich doch endlich mal erklären.“ „Ich will’s nicht hören. Es ist sowieso nur beschissen.“ „Woher willst du das denn wissen, du machst ja die Tür nicht auf.“ „Weil ich deine Fresse nicht sehen möchte. Hau ab jetzt.“ „Nein. Ich werd hier stehenbleiben, bis du diese Tür aufmachst.“ „Das wird aber nicht geschehen.“ „Doch. Du musst irgendwann aufs Klo, was essen, ins Badezimmer, was weiß ich. Und dann werd ich immer noch hier warten.“ „Da kannst du lange warten, ich werd nicht rauskommen. Vorher verreck ich hier.“ „Ich setz mich jetzt auf den Boden vor deiner Tür. Und da bleibe ich, bis du kommst.“ „Schön, dann verreck.“ „Eher kommst du raus.“ „Ach, vergiss es doch einfach, du bleibst doch eh nicht sitzen.“ Tat er aber. Genau zweieinhalb Stunden. Bene war gegangen, hatte ihm im Vorbeigehen einen scheuen Kuss aufgedrückt und ihm zu verstehen gegeben, dass er ihm viel Glück wünschte. Sein Hintern brannte vor Schmerzen, seine Kehle war trocken und er musste dringend auf die Toilette, aber er hatte sich geschworen, nicht eher zu gehen, bis Rhia vor ihm stand. Und tatsächlich. Sie hatte kein Wort mehr gesagt und er auch nicht. Wahrscheinlich hatte sie angenommen, dass er schon längst gegangen war, weswegen sie auch auf einmal vollkommen überrascht vor ihm im Gang stand. Er reagierte sofort, fuhr hoch und stellte sich so in die Tür, dass sie diese nicht mehr vor seiner Nase zuknallen konnte. „Rouven, verpiss dich.“ Ihre Augen waren immer noch verschmiert. Anscheinend hatte sie noch nicht aufhören können mit dem Weinen und Rouven verspürte einen schmerzhaften Stich im Herzen. „Nein. Wir reden jetzt. Und diesmal haust du nicht einfach wieder ab.“ Kapitel 17: Die Perfektion -------------------------- Ich nehme mal an, das Folgende habt ihr nicht erwartet. Viel Spaaaaaaß dabei :) http://www.myvideo.de/watch/5008533/Madsen_Die_Perfektion „Du bist perfekt. Makellos. Du bist besser als gut.“ Kapitel 17 Er hatte nicht gehen wollen. Noch nicht. Er hatte bei Rouven bleiben und ihm mit Rhia helfen wollen. Aber es ging nicht. Er konnte es nicht. War nicht stark genug dafür. Er wusste, dass er ihm hätte beistehen sollen. Aber ein Teil von ihm sagte sich auch, dass Rouven das alleine lösen musste. Es war seine Schwester, zwar Benes Beziehung, aber Rouvens Blutverwandte. Außerdem… hatte er eine andere Mission zu erledigen. Eric. Das, was abgelaufen war, ging einfach nicht. Es war nicht richtig von Eric gewesen, sich so zu verhalten. Und er hatte es zu klären. Er, Benedikt, hatte mit Eric zu reden. Da war etwas noch Neueres aufgetaucht. Die ernüchternde Wahrheit von Rhias Wutausbruch hatte Bene aufgewühlt. Er hatte ihr niemals so sehr wehtun wollen. Niemals. Natürlich hatte er gewusst, dass es schlimm werden würde – aber so schlimm? Das hatte er nicht erwartet. Und es hatte auch ihm wehgetan. Er kannte Rhia schon so lange, war seit zwei Jahren ihr Ein und Alles… gewesen. Jetzt wohl nicht mehr. Ob Rouven mit ihr geredet hatte? Schwer vorzustellen. Er mochte zwar ihr Bruder sein, aber mit Rhia zu reden, wenn sie so drauf war, war schlichtweg unmöglich. Oder unterschätzte er Rouven da einfach? Er wusste doch auch, wie er war. Rouven konnte alles erreichen, wenn er nur wollte… So hart das jetzt auch klingen mochte: Das war Nebensache. Im Moment war einfach alles egal. Denn Bene stand vor der Tür des Heims, in dem Eric wohnte, und öffnete die Tür. Seine Hände zitterten so sehr, dass er Mühe hatte, die Tür wieder normal zu schließen. Dreimal rutschte ihm der Türgriff aus der Hand, bis er es endlich geschafft hatte. Seufzend wischte er sich den Schweiß von der Stirn, der sich auf dem Weg zum Heim gebildet hatte – und erstarrte. „Schwuchtel haben hier keinen Zutritt, das solltest du doch wissen. Du weißt schon – Wir müssen draußen bleiben und so.“ Bene spürte sein Herz bis zum Hals hinauf klopfen. Dennoch: „Schön, dann kann ich ja rein, nicht?“ Mutig machte er einen Schritt nach vorne und Eric sprang von der unnützen Kommode in der Eingangshalle runter, auf der er bis eben noch gesessen hatte. „Was willst du hier, Wagner?“ Bene schluckte. „Ich geh jetzt einfach mal in dein Zimmer und setze mich auf dein Bett, wie sonst auch immer. Du kannst es selbst entscheiden, ob du mitkommst oder nicht.“ Schwungvoll drehte sich Bene um und lief den Gang hinunter. Fünf Minuten später stand Eric im Zimmer und musterte Bene mit verschränkten Armen und abweisendem Blick. „Jetzt darf ich hier mein Bett neu beziehen oder wie?“ „Ach komm, das ist doch lächerlich, wie du dich verhältst. Bist du nur sauer, weil ich’s dir nicht gesagt habe?“ „Nein, ich find das einfach nur widerlich. Das, was du da tust, ist abartig und ekelhaft. Das macht man nicht.“ „Ach ja, das kann man ja so gut steuern. Im Übrigen glaub ich, du bist wirklich einfach nur wütend auf mich.“ „Wieso denn bitte, hm? Ich finde es einfach zum Kotzen und fertig. Könntest du jetzt bitte von hier verschwinden?“ „Nein. Sag mir, weshalb du es zum Kotzen findest, und dann gehe ich.“ „Was brauchst du denn noch für Gründe, Mann? Du bist abartig und wenn du nicht gehst, geh ich.“ „Wieso sagst du immer nur, ich wäre abartig? Fällt dir da nichts Besseres ein?“ „Natürlich tut es das, aber ich find einfach nicht, dass du mehr verdient hast.“ „Ach so, okay. Und das findest du nicht lächerlich, oder wie?“ „Nein, wieso sollte ich? Der Einzige, der hier lächerlich ist, bist du.“ „Wieso das denn?“ „Einfach, weil du eine dreckige, ekelhafte Schwuchtel bist und auf meinem Bett sitzt.“ „Oder eher, weil ich doch tatsächlich hergekommen bin, um mit dir zu reden? Das hat dir so sehr die Sprache verschlagen, dass du nicht mehr wirklich weißt, was du sagen sollst.“ Bene sprang vom Bett auf und stieß seinen Zeigefinger in Erics Brust. „Du hörst dir jetzt an, was ich zu sagen habe. Du redest dich hier jetzt nicht raus und beleidigst mich auch nicht mehr von wegen, was ich doch für eine Schwuchtel wäre. Ich hab dir was zu sagen und du hörst mir jetzt zu.“ Eric lachte trocken auf. „Verschwinde“, krächzte er dann, „hau einfach ab, ich will’s nicht hören.“ Für Eric vollkommen überraschend stieß Bene ihn auf einmal gegen die Wand und presste ihn an diese, hielt ihn mit festem Griff fest. „Jetzt rede ich“, sagte er mit verführerischer Stimme und sah, dass Eric schluckte. Fies lächelnd strich Bene ihm durch die Haare und presste seine Beine gegen Erics. „Du verachtest meine Sexualität nicht, oh nein, ganz im Gegenteil. Vielleicht willst du ja selbst etwas verstecken, ich weiß es nicht. Du redest nicht über solche Dinge und das akzeptiere ich.“ Langsam bewegte er eine Hand an Erics Körper herunter und spürte ihn erschauern. „Aber eins sag ich dir jetzt: Ich bin wahnsinnig verliebt in Rouven und er empfindet genau dasselbe. Für mich ist er die Perfektion schlechthin. Ich kann ihm nicht widerstehen und will das auch gar nicht. Es ist mir vollkommen…“, seine Hand fuhr langsam unter Erics T-Shirt, auf dessen Armen sich die Härchen aufstellen, „…gleichgültig, ob du mich jetzt widerlich findest oder nicht, ich will einfach, dass du mich und vor allem Rouven in Ruhe lässt. Wir könnten glücklich sein, oh ja, und genau deshalb funkst du mir nicht mehr dazwischen. Ich weiß nicht, warum wir beste Freunde waren, denn wahre beste Freunde halten doch immer zusammen, oder nicht?“ Lächelnd fuhr er mit der anderen Hand über Erics Arm, ganz sanft, klemmte ihn mit den Füßen fest. „Mael zumindest hat’s getan, aber du nicht, was mir zeigt, dass du mir im Grunde genommen egal sein kannst.“ Er schob eine Hand unter Erics Kinn und hob es hoch, sah ihm direkt in die Augen. „Ich weiß nicht, ob ich das wirklich einhalten kann, immerhin haben wir schon viel zusammen durchgemacht, nicht? Eigentlich komisch, dass du dich dann so verhältst.“ Eric machte noch einen letzten halbherzigen Versuch, sich aus Benes Griff zu befreien, doch der hatte ihn festgenagelt. Eigentlich komisch, er wusste nicht mal, dass er so was konnte. Und er hoffte, dass Eric nicht bemerkte, wie panikartig sein Herz raste. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr mich das angekotzt hat vor der Disco. Ja, ich hab sogar geheult danach. Aber dann hatte ich einige Zeit zum Nachdenken, weißt du? Ich hab darüber nachgedacht, warum du Homosexualität so verabscheust und bin zu keinem Schluss gekommen, Eric. Ja, ich glaub sogar eher, das sollte ich auf andere Weise herausfinden.“ Und auf einmal landeten seine Lippen auf Erics. Es dauerte nicht lang, aber Bene hatte eine Gewissheit. Ja, er wusste jetzt sogar wirklich mehr als vorher. Erstens wusste er, dass Eric mit Gewissheit ein kleines Geheimnis hatte und zweitens, dass er gut küssen konnte. „Verdammt, du Wichser!“ Endlich fand Eric die Kraft, Benedikt wegzustoßen. „Du widerliches Arschloch, bist du eigentlich noch ganz frisch im Kopf?“ Bene zwinkerte. „Und ob ich das bin. Ich weiß jetzt nämlich, dass ich recht hatte. Du solltest dich nicht so verhalten, wie du’s gerade tust, weil du keinen Grund dazu hast. Wenn du das eingesehen hast, solltest du dich umgehend mal bei dir melden. Und bild dir bloß nichts auf das eben ein, das hat nämlich nichts zu bedeuten.“ Und genialer Abgang. Langsam kam er sich vor wie Rouven. „Ich würd ja sagen, du hast es gut gemacht, aber ich muss gestehen, dass mich da schon was zwickt…“ Seine Stimme klang warm und weich und gar nicht mehr gestresst. Was wohl geschehen war? „Hm?“ „Wieso musstest du ihn küssen? Hätt’s nicht gereicht, ihn ein wenig scharf zu machen?“ Bene lachte. „Du bist eifersüchtig? Wir sind noch nicht mal wirklich zusammen und du bist eifersüchtig?“ Rouven schwieg kurz. Oh. Hatte… Bene etwas Falsches gesagt? „Sind wir… nicht?“ „Ähm…“ Was sollte er sagen? In seinen Augen… waren sie es eigentlich, aber er hatte es nicht sagen wollen, konnte es nicht sagen. „Ich dachte, eigentlich schon. Ich hab gerade fünf Stunden lang mit meiner Schwester darüber diskutiert, warum zur Hölle ich mit dir geschlafen habe und wieso ich ihr das antun musste.“ „Ich… weiß nicht, was… willst du denn?“ Rouven lachte wieder leicht. „Ich will dich, Benedikt Wagner, einfach nur dich und das weißt du auch.“ Bene spielte mit einem Kugelschreiber auf seinem Schreibtisch herum. Lächelte. Fühlte dieses Prickeln im Magen. „Ja. Das weiß ich. Ich… liebe dich.“ Es kam noch stockend, ungewohnt. Ein wenig kratzig im Hals. Aber es war da. Rouven stieß ein überraschtes Keuchen aus. Dann: „Ich liebe dich auch. Und ich will mit dir zusammen sein. Immer und jede Sekunde lang.“ Er liebte Kitsch. „Ich will’s auch.“ Unbedingt sogar. Stille. „Sie glaubt’s mir immer noch nicht.“ „Hm?“ Abwesend malte Rouven ein paar Kringel auf ein Blatt Papier. „Rhia. Ich hab so lange mit ihr geredet, aber sie glaubt mir immer noch nicht, dass es mir leid tut.“ Seine Stimme klang nun zerknirscht und traurig und Bene seufzte. „Sie wird es dir noch glauben. Ich kenn sie doch. Sie wird’s tun, gib ihr Zeit. Immerhin hat sie mit dir geredet, nicht?“ „Ja. Immerhin das.“ „Was… habt ihr denn überhaupt genau geredet?“ Bene hatte sich vorhin nicht getraut, ihn zu fragen, hatte ihm lieber sofort alles von Eric erzählt. Rouven seufzte. „Ach, über alles Mögliche. Im Grund genommen hat sie die meiste Zeit geheult und meine Hand abgewehrt, weil ich versucht habe, sie mit einem Arm zu umarmen. Und ich glaube, mit dir will sie gar nicht mehr reden. Ich weiß nicht, ob das wirklich stimmt, aber sie hat es betont. Am Ende meinte sie, wir könnten tun, was wir wollen, solange wir es so tun, dass sie nichts davon mitbekommt.“ Er schwieg. Bene schlug die Augen nieder und malte einige Fragezeichen auf. „Hm… glaubst du, dass das gut ist? Ich mein, es klingt nicht so, als hätte sie dir irgendetwas verziehen, oder?“ „Nein, das hat sie auch nicht. Aber es ist doch ein Anfang, nicht?“ Bene blies die Wangen auf. „Keine Ahnung… können wir darüber reden, wenn wir uns wiedersehen?“ „Ja“, flüsterte Rouven so leise, dass Bene es kaum noch verstehen konnte, „ja, das tun wir.“ „Oh, hey, glaubst du, dass Eric noch kommt?“ Bene zuckte die Schultern, obwohl er wusste, dass Rouven es nicht sehen konnte. „Weiß ich nicht. Ich kenn ihn gut genug, um zu wissen, dass sein Stolz extrem verletzt ist und dass er eigentlich nicht möchte. Aber irgendwie glaub ich auch nicht, dass er das ganze Freundschaftsdings von uns einfach so wegwerfen möchte. Und… vielleicht hat’s ihn auch irgendwie fasziniert oder so?“ Rouven machte ein röchelndes Geräusch und Bene war sich nicht ganz sicher, was er damit sagen wollte. „Bene, muss das sein? Ich komm mir blöd vor, wenn du davon redest.“ Hach, Eifersucht. Er hatte ihn in der Hand. „Mhh, er küsst gut. Ganz weich und fest. Bestimmend.“ „Bene…“ „Ja, es war echt ganz gut. Ich glaub, ich hab ihn erregt, keine Ahnung, ob ich mir das nur eingebildet habe. Aber es hat ihm gefallen.“ „Benedikt…“ „Vielleicht will er ja noch mehr?“ „Benedikt, wenn du…“ „Vielleicht will ich ja sogar mehr?“ „Benedikt, wenn du jetzt noch einen Ton sagst, bring ich dich um!“ Er lachte. „Ich… liebe dich wirklich, Rouven.“ „Ich dich auch, Trottel. Ich leg jetzt auf, sie schleicht hier irgendwo rum.“ „Wir sehen uns?“ „Wir sehen uns.“ Bestimmt legte er den Hörer auf. Kapitel 18: Fireflies --------------------- Tut mir leid! Ich hatte einfach keine Zeit, auf die Kommentare zu antworten… Das kommt ganz sicher noch, ich hab nur gerade einiges zu klären und bis das getan ist, bin ich noch ziemlich im Stress ö_Ö Ich wünsch euch trotzdem viel Spaß! http://www.youtube.com/watch?v=feCN1muPNas “Cause I feel like such an insomniac.” Kapitel 18 Er wusste nicht, ob es vielleicht nicht doch zu schnell ging. Ob er sich verzettelte mit der ganzen Sache. Natürlich hatte er mit Rhia gesprochen. Natürlich hatte sie ihm klargemacht, dass er mit Bene rummachen konnte, so viel er wollte, solange sie nur nicht in seiner Nähe sein musste. Natürlich liebte Bene ihn. Aber trotz allem ging es doch unendlich schnell, oder nicht? Er hatte Eric bewiesen, dass er was mit Bene hatte. Er hatte ihn geküsst. Getröstet. Zugelassen, dass seiner Schwester das Herz rausgerissen wurde. Zugesehen, wie es geschah. Mitgemacht. Bene geküsst. Mit Bene geschlafen. Bene gesagt, dass er ihn liebte. War es nicht das, was er gewollt hatte? Alles, was er sich erträumt und gewünscht hatte. Benedikt. Aber jetzt kamen ihm Zweifel. Es ging alles zu einfach. Eric war auf einmal mindestens bi und deshalb so feindlich gegenüber Bene gewesen. Er hatte mit Rhia reden können. Bene und er waren… zusammen. War da nicht irgendwo ein Haken? Was faul? Unruhig wälzte Rouven sich von einer Seite auf die andere und seufzte genervt auf. Er hörte Rhia im Badezimmer rumoren. Er hatte verfickte sechs Geschwister und nur ein Badezimmer. Man konnte sich also vorstellen, wie das manchmal ausartete. Gut, es gab noch etwas Badezimmerähnliches im untersten Stockwerk, aber das war immer unbeheizt und stickig und einfach nur unkomfortabel. Jedenfalls hörte er Rhia laut und deutlich mit irgendwelchen Sachen klappern, wahrscheinlich, um ihr Schniefen zu übertönen. Der Schmerz saß tief in seinen Knochen. „Mein Gott, ich will immer noch nicht reden. Du kannst von mir aus verrecken, du kannst ihn vögeln, bis du schwarz wirst, mir ist das alles vollkommen egal. Er ist bei mir untendurch und du ebenso. Meine Güte, dann sei doch mit ihm… zusammen, mir wurscht. Solange ich euch nicht ansehen muss, ist mir doch alles egal.“ „Ich weiß doch, dass es dir nicht egal ist, wie sollte es auch anders sein? Du sollst einfach nur verstehen, warum ich das getan habe.“ „Vielleicht will ich das einfach nicht. Lass mich jetzt in Ruhe, fick ihn, küss ihn, mir doch egal. Du hast alles zerstört, Rouven, alles.“ Er wusste, dass das Gespräch nichts gebracht hatte. Solche musste er wahrscheinlich noch dutzenderweise führen, bevor sie ihn auch nur ansatzweise wieder mit dem Arsch ansehen würde. Und das mit Benedikt würde auch nicht so einfach werden, wie der sich das ausmalte. Wenn er allein daran dachte, dass Bene noch zur Schule ging und was er sich alles würde anhören müssen… Rouven schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen und seufzte erneut. Konnte er diese Scheißangst nicht irgendwo vergraben und nie wieder rausholen? Oder konnte ihm nicht irgendjemand… Aber ja… schon irgendwie. Aufgeregt sprang Rouven aus dem Bett, ignorierte die stechende Kälte, die seine nackten Füße meldeten, und verschwand aus seinem Zimmer, um das Telefon zu suchen. Es klingelte. „Nimm schon ab, Trottel“, schnalzte Rouven ungeduldig mit der Zunge und verdrehte die Augen. Mael war immer nachts erreichbar. Immer. Er hatte Insomnie, also Schlafstörungen, und war deshalb eigentlich immer nachts am besten zu sprechen. Gut, natürlich nicht immer, aber in letzter Zeit war es wirklich extrem mit ihm. „Rouven, warum rufst du mich um halb drei Uhr nachts an?“ Er klang nicht wirklich böse, eher wie immer. „Gerade am… Klavierspielen, nehme ich an?“, vermutete Rouven. „Nein, ich hab gerade ein paar Unibroschüren durchgemacht. Die verlangen ja schon ganz schön viel, nicht?“ Rouven seufzte. „Kannst du laut sagen, ich glaub echt nicht mehr, dass ich noch irgendwas finde.“ Mael lachte nur. „Also, was gibt’s? Kannst du nicht schlafen?“ „Du wohl auch nicht. Aber ja, du vermutest richtig.“ „Geht’s um Bene?“ Etwas, das Rouven unendlich an Mael schätzte war die Tatsache, dass er immer sofort auf den Punkt kam. „Ja, unter anderem auch.“ Er hörte Mael mit einigen Blättern Papier rascheln. „So. Du hast jetzt meine volle Aufmerksamkeit, ich hab alles weggelegt. Leg mal los.“ Rouven blies die Wangen auf. Mal wieder. „Ach, was soll ich sagen? Ich hab mit Rhia geredet.“ Er hörte Mael scharf die Luft einsaugen. „Rhia! Was sagte sie? Ließ sie dich ausreden oder nicht?“ Rouven wackelte zerstreut mit dem Fuß. „Na ja, anfangs nicht, aber dann hat sie mich endlich reden lassen und ich konnt’s ihr ein wenig erklären. Ist ja logisch, dass sie wütend auf mich ist und dass sie mir nicht verziehen hat, ja, aber wenigstens konnte ich loswerden, was ich sagen wollte. Und… tja, Bene und ich sind wohl… zusammen.“ Maels Aufschrei zerriss ihm beinahe das Trommelfell und so erging es wohl noch anderen Menschen. Wie er hören konnte, stand auf einmal Maels Schwester Erin in dessen Zimmer und schrie ihn auf Irisch oder Gälisch – oder wie auch immer das hieß – an, was Rouven leider nicht verstehen konnte. Mael jedoch wimmelte seine Schwester ziemlich heftig und schnell ab mit den Worten „Hau ab, du verdammte Kuh, ich hab gerade erfahren, mit wem Rouven jetzt zusammen ist“ und schlug hinter ihr die Tür zu. „Nicht im Ernst, oder? Ihr seid es jetzt also offiziell? Wie kam’s, hat er es gesagt oder du? Oder wer kam sonst noch drauf? Weiß Rhia davon? Und bin ich der Erste, der es erfahren hat? Oh, ich bin so aufgeregt, ich freue mich, am besten sollte ich einen Song darüber schreiben. Erzähl schon, Mann!“ Rouven lachte. Maels Aufregung war ansteckend und er spürte sein Herz rasen. „Na ja, wir haben telefoniert und auf einmal kamen wir drauf, mehr auch nicht.“ „Du Idiot, red weiter, du kannst mich nicht mit so wenig abspeisen. Das seh ich nicht ein. Was war dann? Hattet ihr Telefonsex oder so?“ Rouven spürte seinen Magen. „Dreh doch nicht durch, ja? Natürlich hatten wir keinen Sex und ich kann dir nicht mehr erzählen, weil da nicht mehr war. Tut mir leid.“ „Mann, warum rufst du mich dann eigentlich mitten in der Nacht an, wenn’s eh nichts zu reden gibt? Deine Nerven möchte ich mal haben…“ „Natürlich gibt’s was zu reden“, widersprach Rouven, der wider Willen lachen musste. Ein beleidigter Mael war einfach nur lustig, vor allem, nachdem er sich kurz zuvor so heftig reingesteigert hatte. „Weil… ich… ach, Mael, ich bin mir nicht mehr so sicher, ob das gut ist, was da passiert.“ „Also, ich fass mal zusammen: Du verliebst dich in ihn, du machst mit ihm rum, du erzählst es deiner Schwester und irgendeinem wildfremden Typen vor der Disco, kommst mit ihm zusammen… und findest es nicht mehr gut?“ Rouven lehnte den Kopf gegen die Wand und schloss die Augen. „Ich weiß doch auch nicht. Es ist alles so schnell gegangen. Ehe ich nachdenken konnte, war ich auf einmal mitten in der Sache drin, hatte Bene. Würdest du da nicht auch irgendwann mal stutzen und dich fragen, warum das alles nicht ein wenig länger gebraucht hat?“ Mael schwieg. Lange. Oh, scheiße, was hatte er getan? Mael hatte noch nie eine Beziehung gehabt. Mael hatte noch niemals jemanden geküsst. Mael litt unter panischen Berührungsängsten. Mael war bisher nur einem Mädchen nahegekommen und das war Rhia gewesen. An Rouvens fünftem Geburtstag hatte sie ihm aus Eifersucht die Torte ins Gesicht geschmissen, weil Mael mehr Aufmerksamkeit von Rouven bekommen hatte als sie selbst, denn damals hatte sie Rouven ja noch abartig geliebt… was inzwischen bestimmt nicht mehr der Fall war. „Tut mir leid, Mael“, murmelte Rouven zerknirscht, „ich hab mal wieder nicht nachgedacht.“ Er hörte ein lang gedehntes Seufzen vom anderen Ende der Leitung. „Lass es einfach, Rou. Ich kenn dich doch, ich weiß ja, dass du’s nicht böse meinst. Es war ja nichts Schlimmes, nur meine Meinung zu etwas, nicht? Und meine Meinung ist…“ Er hielt inne und Rouven fragte sich, ob er jetzt überhaupt eine Meinung hatte oder ihn bestrafen wollte. So in der Art zumindest. „Ich find’s… ehrlich gesagt, ziemlich verzwickt. Natürlich geht das schnell, aber wie lange starrst du Bene jetzt schon hinterher? Wie lange hast du dir schon gewünscht, ihn zu berühren, mit ihm zu schlafen, immer mit ihm zusammen zu sein?“ Lange. „Ich weiß nicht“, flüsterte Rouven, wohlwissend, dass es eine Lüge war. „Doch, tust du“, sagte Mael bestimmt. „Du weißt es sehr wohl, ich weiß doch, wann du flunkerst.“ Flunkern. So sprach auch nur Mael. „Ganz ehrlich, Rouven: Nichts geht zu schnell, es ging sogar alles eher zu langsam. Ich könnte dir all die Gelegenheiten aufzählen, bei denen ich mich gerne umgebracht hätte, weil du nur noch von Benedikt geredet hast. Tausende. Millionenfach war das so. Du redest seit Monaten, seit einem Jahr oder so, von nichts anderem mehr. Ich kann’s wirklich verstehen, aber da geht nichts zu schnell. Und wenn ich jetzt Glück habe, hör ich bald nicht mehr so viel von ihm. Dann redest du nämlich mit ihm selbst über ihn. Verstanden?“ Rouvens Herz begann zu klopfen. Hämmerte. „Du… danke, Mael. Wirklich. Danke. Und es tut mir leid, wenn ich dich damit belästigt habe, ehrlich. Du bist ein unendlich toller Mensch und das sag ich sonst echt zu keinem, weil’s peinlich klingt und ich mit Gefühlen nicht so wirklich hausieren gehen will. Aber du bist unendlich toll.“ Mael quietschte, was er nur tat, wenn ihn etwas unendlich freute oder berührte. „Schlaf gut, Ma, bis… heute wohl.“ Bestimmt legte er den Hörer auf und lächelte. Konnte endlich schlafen. Zumindest… tadellose siebenundvierzig Minuten. Dann nämlich weckten ihn ein Lufthauch und seine quietschende, sich senkende Matratze. Schlaftrunken setzte Rouven sich auf und öffnete seine vor Müdigkeit schmerzenden Augen. „Ws sur…“ „Psst, ich bin’s doch nur.“ Langsam konnte er die Konturen des Mensches vor sich ausmachen. „Huch. Was tust du denn hier?“ Hellwach riss er die Augen auf. „Reden.“ Rouven öffnete den Mund. Schloss ihn wieder. Öffnete ihn erneut. Wusste nicht, was er sagen sollte, also: „Okay.“ Er sah, wie eine Hand durch Haare fuhr und fragte sich, ob diese nervöse Geste gut oder schlecht war. „So… zusammen also?“ Rouven nickte, obwohl es in der Dunkelheit nicht zu sehen war, was ihm jedoch im Moment so ziemlich egal war. „Ja. Wohl schon… oder?“ „Was fragst du mich das? Du wirst es doch wohl am besten wissen, nicht?“ Rouven ließ den Kopf hängen. „Rhia, wirst du mir jemals verzeihen?“ Sie lachte hohl auf. „Was weiß ich denn. Ich bin vollkommen überrumpelt worden mit eurer Scheiße. Wie soll ich mich denn an den Gedanken gewöhnen, hm? Ich bin das totale Opfer und wusste nicht mal, was da abging. Ihr habt euer Spielchen ja schön gespielt, nicht, mit der armen Rhia als Statistin. Nein, was müsst ihr doch über mich gelacht haben!“ „Rhia, wir haben niemals…“ „Oh, komm schon, und wie ihr das getan habt. Bei dir hätt ich das ja schon irgendwie vermutet, dass ich dir so scheißegal bin, aber nicht bei Benedikt. Das ist echt scheiße, weißt du.“ Ja. Und wie er das wusste. „Hat unser Gespräch vorhin eigentlich irgendwas gebracht?“ Sie seufzte. „Keine Ahnung. Ich… muss klarkommen, irgendwie. Ich bin mir nicht sicher, wie das gehen soll, das tut nämlich sauweh. Ich weiß nicht, ob dir das klar ist, wie sehr, aber ich kann’s dir ja mal beschreiben.“ Rouven drückte ihre Schulter und spürte, wie sie sich versteifte. „Rhia, ich liebe dich und das weißt du. Ich wollt das niemals.“ „Du hast es aber getan. Und das ist es doch, was zählt.“ „Was willst du dann hier?“ Er spürte, wie ihm langsam der Zorn hochkam. War sie nur gekommen, um ihm Vorhaltungen zu machen? Er hörte, wie sie einatmete, ein und aus, ein und aus. Keine Antwort. „Wenn du keine Antwort darauf hast…“ Er wusste nicht weiter. Er konnte ihr nicht drohen, nicht in ihrer Lage. Was konnte er also tun? Die Antwort erfolgte auf dem Fuße. Er wusste es, bevor es geschah. Urplötzlich drehte sie sich um, hob ihren Arm und hieb ihm dermaßen heftig ins Gesicht, dass er für einige Sekunden nicht mal mehr wusste, wie er hieß, geschweige denn, was er getan hatte. „Quitt sind wie niemals, damit das klar ist.“ Kapitel 19: Sie ist weg ----------------------- Ferien Halleluja. Jetzt noch ein Kapitel, dann der Epilog und dann… war’s das… Für Lara. http://www.myvideo.de/watch/3235928/Die_Fantastischen_Vier_Sie_ist_weg „Bisher rannte ich durch meine Welt und war der König, doch alles, was mir gefällt, ist mir jetzt zu wenig.“ Kapitel 19 Er spürte ihre Blicke. Spürte, wie sie sich in ihn hineinbohrten und ihn auffraßen. Drehte sich weg. „Alter.“ Sein Freund Fabian, mit dem er schon seit dem Kindergarten jeden Tag das Pausenbrot tauschte, schüttelte den Kopf. „Alter, wo bist du eigentlich heute mit deinen Gedanken?“ Bene zuckte zusammen. „Äh… was?“ Fabian biss geräuschvoll in Benedikts Schinkenbrot. „Mann, deine Mutter weiß echt, wie man so was zu machen hat.“ Bene seufzte. „Hast du auch noch andere Sorgen als das Brot, das meine Mutter mir jeden Morgen herrichtet?“ „Ja“, erwiderte Fabian gelassen, „mich würd’s interessieren, was schon wieder bei euch los ist.“ „Puh, bei wem meinst du?“, versuchte Bene, auf Zeit zu spielen. Fabian verdrehte die Augen. „Natürlich bei Kermit und Miss Piggy. Dabei stellt sich nur die Frage, wer von euch beiden nun Kermit ist… ich glaub, Rhia.“ Bene zerkrümelte ein paar Brocken von Fabians Brot. „Ist kompliziert. Ich glaub, jetzt ist es vorbei, und zwar endgültig.“ „Mal wieder?“ Fabian nickte verständnisvoll und leckte sich die letzten Krümel vom Mund weg. „Ist bei mir und Larissa Gott sei Dank nicht so, du weißt ja, wie toll sie ist.“ Er strahlte, konnte sein Glück immer noch nicht so richtig fassen, nachdem er seine Freundin jetzt schon seit zwei Monaten ohne jegliche Probleme halten konnte. „Larissa ist aber auch komplett anders als Rhia. Wenn mit ihr Schluss wäre, dann wär’s das auch, oder nicht? Bei Rhia aber nicht. Nur diesmal… schon.“ Fabian klopfte ihm auf die Schulter. „Nimm’s nicht so schwer, ja? Wird schon wieder. Ich weiß, das klingt scheiße, aber…“ Er nahm es ja nicht schwer, ganz im Gegenteil. Er wusste nur nicht, wie er Fabian so was klarmachen konnte. Bei Eric war es ja schon gehörig schiefgelaufen, wie dann also Fabian, mit dem er nicht so extrem viel zu tun hatte? „Ach, du, ich denk mir eben, jetzt ist alles vorbei, jetzt wird alles… besser, oder?“ Fabian lächelte. „Genau. Das hier ist die richtige Einstellung. Ich finde, du solltest…“ Er wurde unterbrochen von seiner Freundin Larissa, die eben den Weg zu ihnen gefunden hatte. „Hey, Schatz.“ Sie lächelte und schlang ihre Arme um Fabian, um ihm einen Kuss aufzudrücken. Bene wusste, dass Rhia und er oft genug selbst so ausgesehen hatten, dennoch drehte er den Kopf weg, weil er das einfach nicht gebrauchen konnte. „Was gibt’s denn Neues?“ Immer noch lächelnd setzte sich Larissa zwischen Bene und Fabian. Er mochte sie, sie war immer gut gelaunt und perfekt für Fabian. „Bene und Rhia haben Schluss gemacht. Endgültig“, fügte er hinzu, als er Larissas hochgezogene Augenbraue sah. „Wirklich, habt ihr?“ Sie drehte sich zu Bene um und konnte ihr Lächeln kaum verbergen. „Tut mir jetzt nicht so wahnsinnig leid.“ Bene nickte. „Kein Ding, ich weiß ja, dass ihr euch nicht so sonderlich gut leiden könnt. Ich glaub auch, es ist eh das Beste gewesen.“ Larissa protestierte. „Sie kann mich schon leiden, ich find sie nur ein wenig unsympathisch.“ „Ja, passt schon, ist mir ja im Grunde gleich, es ist vorbei. Ganz egal, was jetzt noch passiert – ich lass mich auf nichts mehr ein.“ Er schluckte, es klang so… unehrlich. Fabian drückte Larissa einen Kuss auf die Ohrmuschel auf, während sie leicht kicherte und Bene den emporgehobenen Daumen zeigte. „Find ich gut so. Gibt’s denn schon Ersatz?“ Oh, fuck. Und wie es den gab. „Ach, du, das ist alles ein wenig kompliziert abgelaufen und so, das willst du lieber gar nicht alles wissen, da denk ich lieber nicht über so was nach.“ Sie nickte verständnisvoll. „Egal, lass dich nicht unterkriegen“, befand Fabian und drückte Larissas Kopf kurz ein wenig nach vorne, damit er Bene ansehen konnte. „Sie ist es eh nicht wert.“ Hach ja. Wenn er wüsste… Das Spielchen ging noch eine Weile weiter. Bene wurde getröstet und kam sich dabei schäbig vor. Bis… na ja, bis das Spielchen jäh unterbrochen wurde… Er wusste, dass Rhia ihn schon seit geraumer Zeit anstarrte. In den Sommer- und Herbstmonaten mussten alle Schüler die Mittagspause draußen auf dem Hof verbringen, „um an die frische Luft zu kommen“, weshalb sie sich unweigerlich begegnen mussten. Rhia saß alleine ganz in der Nähe und starrte finster vor sich hin, wies jede ihrer Freundinnen ab, die sich zu ihr hinverirrten. „Huuuh, die sieht ja heute richtig gut aus, was?“ Larissa sprach ein wahres Wort, während sie ihren Kopf auf Fabians Schulter liegen ließ und Rhia genau beobachtete. „Scheint ihr nicht zu gefallen, dass du nicht nach ihrer Pfeife tanzt, Bene.“ „Woah.“ Fabian setzte sich auf und Larissas Kopf knallte dumpf auf dem Boden auf. „Gott sei Dank hab ich einen hohlen Schädel, sonst hätte das hier wahnsinnig wehgetan“, maulte sie wütend und sah hoch zu Fabian. „Was hat dich denn geritten?“ Auch Bene folgte seinem Blick. Es war keine Seltenheit, dass Ehemalige an die Schule kamen. Sie holten alte Zeugnisse ab oder hatten sonstige Dinge bezüglich ihres Abiturs zu klären. Kein Ding also. Aber es war eine Seltenheit, wenn der Bruder des Mädchens auftauchte, das gerade eiskalt abserviert worden war und der einen fetten Handabdruck im Gesicht hatte, der keine Fragen offenließ, zumal man erkennen konnte, dass er von schmalen, femininen Händen stammte. „Was tut der denn hier? Wow, der sieht ja deftig wütend aus. Bene, glaubst du, der bringt dich jetzt um? Oder woher hat der das Ding in seinem Gesicht? Wollte seine Schwester sich in Rouvens Gesicht verewigen?“ Hilflos zuckte der mit den Schultern, musste mit ansehen, wie Rouven abschwenkte, weil er seine Schwester geortet hatte, und mit schnellen Schritten zu ihr aufschloss. Bene konnte erkennen, wie sich Rhias Augen weiteten und wie sie noch versuchte, sich einen Fluchtweg zu verschaffen, konnte jedoch am Ende nichts mehr tun und hatte Rouven direkt vor ihr. Er musste gestehen, dass er erleichtert war. Er wusste nicht, ob es gut war, dass er nun bei Rhia stand, aber es war definitiv… gut, dass er nicht zu ihm hingegangen war. Nein. Er wich ihm damit nicht aus. Wie auch, er hatte ihm immerhin gesagt, dass er ihn… liebte und mit ihm zusammen war. Aber für etwas noch Größeres war Benedikt nicht bereit. Noch nicht. Da war es ihm lieber, wenn Rouven nur bei seiner Schwester war. Doch ganz bestimmt würde es nicht dabei bleiben. Wieso sollte Rouven auch nur kommen, um mit Rhia zu reden? Das könnte er auch zu Hause tun… Larissas Kopf huschte zwischen Rhia und Bene hin und her, ebenso wie die Köpfe von so ziemlich allen anderen Schülern auch. Großartig, das war wieder typisch Rouven. Egal, was er tat, es musste gleich in eine Riesenveranstaltung ausarten. Das war auch so ziemlich das Einzige, was er an Rouven nicht mochte. Was genau er zu Rhia sagte, wusste Bene nicht. Er konnte es nicht hören, aber es mussten scharfe Worte sein, denn Rhia sah aus, als würde sie gleich heulen. Das war typisch für sie, wurde es brenzlig, wurde sie erst unendlich wütend und dann fing sie an zu weinen. Jedoch wurde es langsam auch für Benedikt brenzlig, denn Rouven warf nun ständig Blicke in Benes Richtung und versuchte ganz offensichtlich, Augenkontakt mit ihm aufzunehmen. Bene spürte, wie er immer nervöser wurde. Er schwitzte und seine Hände waren nass vor lauter… Angst. Ja, er hatte Angst. „Was machen die denn da? Bene, willst du nicht mal rübergehen?“ Fabian war für seine unendliche Neugierde bekannt und Larissa versetzte ihm einen Knuff. „Wieso sollte er denn da rüber wollen? Es sind seine Ex und ihr Bruder, das geht ihn gar nichts mehr an.“ Und ob es ihn was anging… aber das konnte er nicht tun. Er würde Rhia vor allen Menschen demütigen und zerstückeln, würde er es wagen, zu Rouven hinüberzugehen. Sie wäre am Ende, und das wusste er. Natürlich war das eine Ausrede, aber das Kapitel Rhia wehtun war vorbei. Beendet. Er wollte es nicht mehr. Aber was… tat Rouven da nur? „Ja, aber ich will trotzdem wissen, was da abgeht.“ Fabians Neugierde war wirklich berühmt und jeder fand es lustig. Jedoch ging sie Benedikt gerade gehörig auf den Sack. „Dann geh doch rüber und frag nach“, fauchte Bene genervt, „das ist doch scheißegal, was da gerade passiert, Mann. Frag Rouven, frag Rhia, frag die Leute um sie rum, mir egal. Mir wirklich egal, Fabi.“ „Ich will aber wissen, was der hier tut. Außerdem… woher kommt denn jetzt dieser nette Abdruck in seinem Gesicht? Hat seine Schwester ihn etwa wirklich…“ Er kam nicht dazu, weiterzusprechen, denn Rhias Stimme wurde lauter und lauter und lauter, schwoll zu einem Orkan an. Am liebsten würde Bene sich die Ohren zuhalten, bis alles vorbei war, aber das ging leider nicht, vor allem, weil die nächsten Sätze unendlich laut waren, so laut, dass sie Bene bis ins Mark trafen. „Herrgott, lass mich doch endlich in Ruhe, verfolg mich nicht bis in die Schule! Es ist mir doch scheißegal, was du zu sagen hast, es ist mir doch scheißegal, was du willst, mir doch alles SCHEISSEGAL! VERSCHWINDE ENDLICH, HAU AB!“ Jetzt konnte auch Larissa ihre Neugier nicht mehr verbergen. „Woah, Stress im Paradies. Ich dachte immer, die wären so nett zueinander? Obwohl… man kann nicht nett zu Rhia sein, glaube ich. Ich kann’s mal nicht, aber das liegt einfach an ihrer Art. Wie hast du das nur ausgehalten?“ Bene wollte gerade den Mund aufmachen, als sich auf einmal die Ereignisse überschlugen. Rouven ließ von Rhia ab. Drehte sich weg und lief direkt… auf Bene zu. Oh, jasna cholera. Seine Finger begannen unkontrolliert zu zucken. Scheiße, was hatte Rouven bitte vor? Wollte er etwa… oh nein, wollte er nicht, bitte nicht. Bene war nicht bereit. Und würde Rouven das tun, von dem er dachte, dass er es vorhatte, würde er sich umbringen. Wirklich. „Kriegst du jetzt Ärger?“, murmelte Larissa. „Sollen wir dich decken?“, fragte Fabian gleichzeitig. Rhia lief wütend hinter Rouven her, der sich nicht beirren ließ und ein seltsames Lächeln aufgesetzt hatte. Bene spürte, wie sein Herz zu rasen begann. Wollte Rouven etwa wirklich… hier, vor allen Leuten? Oh nein, zur Hölle damit. Wenn er das tat, war Benes Schicksal für immer besiegelt. Oder… wollte er es etwa? Was wollte er? Was? Wollte er sich noch vor anderen… mit Rouven zeigen? Er konnte das Wort kaum denken. Outen. Wollte Rouven ihn hier und jetzt etwa outen? Nein. Rouven stand beinahe vor ihm und Bene bemerkte einen schelmischen Augenaufschlag, ebenso, dass die gesamte Schule inzwischen dastand und den angeblichen Skandal des Jahres beobachtete. Da wusste er, dass er es tun würde. Er würde es ihnen zeigen und er würde es nur für Benedikt tun. Vor Benes Augen wurde es einige Sekunden lang schwarz. Und dann fing Rouven an zu reden. „Bene, ich weiß nicht, wie du das jetzt hier siehst, aber ich find, das ist das einzig Richtige, was man tun kann.“ Bene schüttelte den Kopf und bemerkte erneut diesen Handabdruck in Rouvens Gesicht. Er konnte nur ahnen, wer ihm den zugefügt hatte… Die Person stand jetzt nämlich direkt neben Rouven und sah so wütend aus, wie er sie noch nie gesehen hatte. Ja, aus Rhias Augen sprang der pure Hass. Bene schauderte. „Ich schwör’s dir, wenn du das jetzt tust, dann bring ich dich um. Du weißt, dass ich’s tun kann, fass dir ins Gesicht und dann fällt’s dir bestimmt wieder ein.“ Er hörte Larissa leise kichern. Also war sie es wirklich gewesen. Nur wann? Es musste nach dem Telefongespräch geschehen sein, denn sonst hätte Rouven ihm bestimmt davon erzählt. Hatte sie etwa zugehört? Hatte sie gehört, dass er ihm erneut gesagt hatte, dass er ihn liebte? Scheiße. Rouven zog eine einzelne Augenbraue hoch und lächelte. Bewundernd verfolgte Bene ihrem perfekten Schwung und fragte sich, warum er das nicht konnte. Nicht nur das mit den Augenbrauen, sondern allgemein… alles. „Was tut ihr hier?“ Fabian war schüchtern, oh ja, aber nicht bei Menschen, die er nicht mochte. Also Rhia. Er hatte niemals einen Hehl daraus gemacht, dass er sie nicht leiden konnte, und er und Larissa waren im Grunde genommen nur zusammengekommen, weil er gesehen hatte, wie sie Rhia auf einer Party einen Drink mit voller Absicht übers Kleid geleert hatte und er ihr daraufhin einen Drink spendiert hatte. Rouven lachte. „Ich hab vor, mit me… Benedikt zu, ähm, mit ihm zu reden. Und du?“ Meinem Benedikt. Das hatte er sagen wollen. Bene spürte nichts mehr. Dachte nur noch über dieses Wort nach, das Rouven aus Respekt vor Fabian und der allgemeinen Situation nicht ausgesprochen hatte. Er sah zu Rhia, die es ebenfalls gemerkt hatte und wusste, dass es kein Zurück mehr gab. Herausfordernd starrte Rouven Fabian an, der jedoch gar nicht zum Antworten kam, da Rhia sofort weitermachte. Sie wollte Revanche. „Hör jetzt auf, du musst das ja nicht noch alles publik machen. Ich find’s peinlich von dir und unendlich egoistisch und du bist einfach nur dämlich! Wie soll ich jemals wieder normal mit dir umgehen, wenn du dich hier so aufführst?“ Seltsamerweise war Benedikt ihrer Meinung. Nicht in Sachen Peinlich- oder Dämlichkeit, nein, aber er wollte es nicht. Oder? Wollte er? Wollte er nicht? Er hatte so lange auf Rouven gewartet. So lange. Vielleicht wollte er es ja wirklich? „Wow, dann hast du dich noch nie selbst erlebt, oder?“ Es hätte von allen vier Menschen um sie herum kommen können, aber nur Rouven sprach es aus, was alle dachten. Sogar Bene. Rhias Augen wurden schmal vor Wut, aber sie sagte nichts mehr, schnappte nur noch Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen, was Bene erleichterte. Er spürte, wie er wieder in sein altes Muster zurückgefallen war. Keine Worte, zu viel Nachdenken. Zu viel Beeinflussung von Rhias Seite. Das war Benes Hauptproblem, schon immer gewesen, und das wollte er nicht. Er hatte sich verändert. Er war selbstsicherer geworden, er war… er selbst. Und hier, heute, gerade jetzt, war alles falsch. Alles anders. Er war nicht mehr der Mensch, der er noch vor zwei Monaten gewesen war. Er war anders, reifer, älter. Er konnte sich wehren, wirklich, wie man am Beispiel Eric gesehen hatte. Er konnte es, oh ja. Eric hatte er in der Hand, und es sollte kein Einzelfall bleiben. Auf gar keinen Fall sogar, denn Benedikt wollte etwas erreichen in seinem Leben. Er wollte so sein wie in den letzten Tagen. Nicht mehr zufrieden damit, nichts zu sagen und nichts zu tun. Er wollte… Rouven? Rouvens Blick fiel wieder auf Bene und er lächelte zufrieden. „Ich hatte gerade eine nette kleine Diskussion mit meiner Schwester über das Thema, mit dem wir schon so unsere kleinen Problemchen hatten in letzter Zeit, Bene. Wie immer kam dabei gar nichts raus, außer dass ich der Auffassung bin, dass man es der Welt mitteilen sollte.“ Sein Herz setzte für ein, zwei Schläge aus und er fühlte, wie die Blässe sein Gesicht überzog. „W… was?“ Wie er es doch gewusst hatte. Rouven lachte. Im Hintergrund hörte er Rhia kreischen. Er hörte Fabian murmeln. Sah Larissa in Ehrfurcht erstarren. Die anderen Schüler irgendwas kreischen. Er sollte es tun. Er wollte es. Er war sehr wohl soweit. Dann schloss er die Augen und hörte nichts mehr. Sah nichts mehr. Spürte nichts mehr außer Rouvens unendlich weichen und warmen Kuss, in dem er am liebsten versinken und nie wieder auftauchen wollte. Kapitel 20: Hollow Crown ------------------------ Das Kapitel vom Donnerstag war noch nicht das letzte, da hatte ich mich falsch ausgedrückt. Das hier ist es, dann kommt noch ein Epilog :) Ich wünsche viel Spaß und… wenn Fehler drin sind, liegt es daran, dass mein ver… Notebook den Geist aufgegeben hat und ich eventuell die alte Datei hochlade, ich weiß es nicht. Viel Spaß :3 http://www.youtube.com/watch?v=wft2zWMryZc “As the sea breeze hits my lungs it takes me back to where I belong.” Kapitel 20 Wie in Zeitlupe zog er sich zurück. Hörte, wie die anderen um sie herum in wilde Schreie ausbrachen und hörte doch nichts. Sah nur in Benedikts Augen. Sein Benedikt. Er gehörte zu ihm. Ihm, ihm, ihm, und jetzt wussten sie es. Er hörte sie tuscheln und jammern und schreien. Wusste, dass Rhia nicht mehr länger neben ihm stehen würde, wenn er sich nach ihr umsah. Wusste, dass sie nicht an den Ort des Geschehens zurückkehren würde. Sie würde ihm nicht verzeihen. Aber im Moment war Rouven das so dermaßen scheißegal, wie einem so was im Moment des öffentlichen Coming-Outs nur sein konnte. Gut. Ihm war eine Sicherung durchgebrannt, das konnte Rouven nicht leugnen. Das war schon öfter vorgekommen und hatte er eigentlich beheben wollen, es aber doch nicht hinbekommen. Nicht, wenn Bene ihn mit diesen wundervollen Augen musterte und ihn alle anderen herausfordernd anstarrten und irgendeine Handlung von ihm erwarteten. Natürlich nicht diese, oh nein. Rouven schätzte, das war so ziemlich das Letzte, was diese Menschen von ihm verlangt hatten. „Wir sehen uns, Rapunzel“, flüsterte Rouven so leise, dass nur Bene es hören konnte. Der nickte geschockt und Rou fragte sich, was nun in seinem Kopf vorging. Er würde es noch erfahren. Ganz bestimmt. Nur nicht jetzt. Wollte er Bene nur noch ein klein wenig schützen, musste er sofort gehen. Er lächelte leicht, hob einen Finger zum Abschied und wäre ihm damit am liebsten über die Lippen gefahren. Drehte sich um. Lief los. Die komplette Schule stand gaffend da und die Schüler bildeten sofort einen Gang, als Rouven Anstalten machte, sich durch die Menge zu quetschen. Interessant. Ob es damit zusammenhing, dass sie ihn trotz allem cool fanden oder dass sie ihn nicht mehr berühren wollten, wusste Rouven nicht. Es war ihm auch egal. Alles, was zählte, war Benedikt. Er ging und wünschte sich doch mit jeder Faser seines Körpers, bei Bene zu sein und ihm helfen zu können. Es war das erste Mal, dass Rouven stumm blieb. Es war das erste Mal, dass Mael kein Instrument in der Hand hielt. Es war das erste Mal, dass sie beide schwiegen. Er hatte es ihm erzählt und Mael hatte genickt. Schweigend. Nichts mehr gesagt. Rouven wusste, dass Mael es gut fand, was er getan hatte, aber dass da noch ein kleiner Teil war, der ihn störte. Ein großer Teil sogar. Rhia nämlich. Was er seiner Schwester angetan hatte, konnte Rouven nicht genau einschätzen. Würde sie Mitleid entgegengebracht bekommen? Hass? Belustigung? Vielleicht würden einige Menschen es witzig finden, sie zu demütigen, weil sie es nicht gemerkt hatte, dass ihr Freund schwul war. Aber konnte man so etwas bemerken? Wer rechnete denn bitteschön mit so etwas? Niemand. Aber Rhia war stark genug. Sie würde sich zur Wehr setzen, notfalls mit Gewalt, wie sie es am vorigen Abend getan hatte. Seine Wange pochte immer noch und der Handabdruck würde noch eine ganze Weile zu sehen sein. Das war aber nicht schlimm für Rouven. Er hatte es verdient. Er wusste, dass er nicht beleidigt sein musste deshalb. Es war eine normale Reaktion, wer würde nicht so austicken? Nein, viel schlimmer war, dass sie es seinen Geschwistern gesagt hatte. Ausnahmslos allen. Direkt am Frühstückstisch, noch bevor Rouven überhaupt aufgestanden war. Als er dann nämlich endlich runtergekommen war, war eine Welle des… na ja, des Hasses über ihm zusammengeschlagen. Was habe er sich dabei gedacht? Habe er in seinem verfickten Leben jemals auf das geachtet, was andere vielleicht wollten und nicht nur er? Wie zur Hölle habe das passieren können? Sei er eigentlich irgendwie geistig gestört? Wieso war er auf einmal schwul? Eine seiner Launen mal wieder? Sie waren auf Rhias Seite. Ausnahmslos. Sogar Rasmus, der normalerweise keine Seite einnahm, der nicht einmal eine eigene Meinung hatte, hatte Rouven ziemlich deutlich klargemacht, was für ein Arschloch er doch wäre. Und seine Eltern erst… Rhia hatte sich sogar nicht davor gescheut, es denen zu sagen. Ihre Rache war lang und anhaltend, glaubte er. Hm… eigentlich… doch nicht. Sie hatte alles übernommen, wozu er viel zu feige gewesen war. Er hätte es niemals jemandem gesagt, den er nicht so brutal eingeweiht hätte wie Eric. Niemandem. Rhia hatte getan, was er nicht getan hätte, und er sollte ihr dankbar sein. Er lächelte leicht. Krass. Mael räusperte sich. „Und… hm, was passiert dann jetzt, was denkst du?“ Überrascht wurde Rouven aus seinen Gedanken gerissen. „Ich hab keine Ahnung, Mael“, flüsterte er mutlos. „Ich weiß es wirklich nicht.“ Mael nickte. „Es war wohl besser, dass du gegangen bist. Wer weiß, was die noch getan hätten.“ Rouven kniff die Augen zusammen. „Glaubst du, sie haben Bene fertiggemacht?“ Sein bester Freund zuckte die Schultern. „Nein. Ganz ehrlich, nein. Ich kenn doch diese Horde, ich hab sie oft genug beobachtet und stand dabei. So wie ich das einschätze, vertreiben seine Freunde die relativ schnell, sodass er reden kann. Ich mein, es ist doch auch ein stückweit echt peinlich, dass sich die ganze Schule um zwei verdammte Menschen scharrt, nur weil die sich küssen. Das werden die auch relativ schnell checken, glaub’s mir.“ Das war auch Rouvens Ansicht gewesen. „Ich hoffe es doch.“ Er nickte. Mael streckte ein Bein nach vorne und begann, mit den Zehen zu wackeln. Rouven folgte seinen unkontrollierten Bewegungen verdrießlich, bis es ihm zu bunt wurde und er aufstand. Wenig perplex hob Mael eine Hand. „Bis dann.“ Er kannte ihn einfach zu gut. „Ich… bis morgen, ja? Und danke, Maestro, danke für… na ja, alles.“ Mael lächelte. „Du kommst also?“ Wie könnte er denn den ersten richtigen Auftritt von Maels Band verpassen? Das würde er ihm niemals antun. Das hätte er nicht mal in seinen schlimmsten Pubertätsjahren getan, als Mael wirklich noch viel mehr mit ihm hatte aushalten müssen als jetzt. Außerdem liebte er dessen Stimme und egal, ob er sie ständig zu hören bekam, er konnte nie genug davon bekommen. „Ja, ich hab nichts Besseres vor.“ Sein bester Freund grinste nur. „Viel Glück.“ „Dir auch“, wünschte Rouven ebenfalls, bevor er sich abwandte und verschwand. Er atmete tief ein. Aus. Ein. Aus. Lächelte. Das Leben konnte schön sein. Jemand setzte sich neben ihn. Er wusste, wer es war, ohne dass er seinen Kopf dafür bewegen musste. „Rapunzel.“ Es war eine Feststellung, keine Frage. Benedikt legte den Arm um Rouven und seufzte. „Schön hier, oder?“ Er nickte. „Ja. Schön ruhig vor allem. Ich mag’s zum Nachdenken wahnsinnig gerne. Es hat einfach nur was Tolles an sich, weswegen es perfekt ist.“ Bene lachte. „Hier geht der große Rouven also hin, wenn er mal nachdenken muss. Wie oft ist das, so dreimal im Jahr?“ Gespielt wütend knuffte Rouven ihn in die Seite. „Komm schon, ganz so blöd bin ich ja jetzt auch nicht. Also viermal, wenn ich bitten darf.“ Eine Weile lang saßen sie einfach nur da und lachten. Spürten den anderen. Benes schweißnasse Hand in Rouvens trockener. Insekten, die die allerletzten Sonnenstrahlen des Jahres noch nutzen wollten, flogen herum. Die Wiese schimmerte grün vom Regen. Die Trockenheit war endgültig überwunden und jetzt würden die kalten Tage kommen. Benes Kopf lag auf Rouvens. Sie sprachen nicht miteinander, schon gar nicht über das, was an diesem Mittag geschehen war. Noch nicht. Er wollte, dass Bene Kraft tankte. Eine in der Jahreszeit verirrte Biene schwirrte herum und Bene lachte, als er sie sah. Er lachte laut und klar und Rouven musste sich eingestehen, dass er Benedikts Lachen wirklich liebte. Es hatte etwas Reines an sich, das Rouven in dieser Form noch niemals zuvor so genießen konnte. „Siehst du sie? Sie sucht verzweifelt einen Platz zum Leben. Ich glaub, sie findet ihren Bienenstock nicht mehr.“ Bene deutete auf die hilflos umherfliegende Biene und Rouven tat es ab. „Nein. Ich denke, sie hat ihren Platz schon gefunden. Sie weiß nur noch nicht genau, wo er ist.“ „Kann die Biene denn wieder zurück oder ist es zu spät?“ Benes Augen folgten der Biene und er sah aus wie fünf Jahre, weil er dermaßen große Augen machte. „Es ist nie zu spät“, erwiderte Rouven gelassen und gab Benedikt einen ganz leichten Kuss auf die Wange. Er sah ihn erröten und fand ihn einfach nur schön. Langsam drehte Bene seinen Kopf und sah Rouven in die Augen. Wie von selbst fanden sich ihre Lippen zu einem langen, intensiven Kuss, der Rouven schwindeln und erschauern ließ vor Glück und der erst aufhörte, als Bene zusammenzuckte. „Tut mir leid, das ist mein Handy“, murmelte Bene verlegen und zog das Gerät heraus. „Das tut schon den ganzen Tag wie verrückt.“ Mit blassem Gesicht öffnete er eine Textnachricht und schien noch blasser zu werden beim Lesen. Sanft nahm Rouven ihm das Handy aus der Hand, klappte es zu und warf es einfach auf die Bank. „Rapunzel, ich finde, du solltest mir erzählen, was noch passiert ist heute.“ Bene zuckte die Achseln. „Es war nicht so drastisch. Du bist gegangen und dann fingen sie alle auf einmal an, auf mich einzuschreien. Ich hab nichts verstanden, absolut gar nichts, aber ich weiß, dass sie mich gefragt haben, was da läuft und so. Ich stand nur noch da und hab nichts mehr mitbekommen, weil ich dermaßen verunsichert war. Ich dachte, du hättest mich schon wieder einfach stehenlassen und hab’s nicht kapiert, dass es absichtlich war, um es nicht noch wilder zu machen. Wärst du da gewesen, die wären auf dich losgegangen. So aber… Fabi und Larissa haben sie vertrieben, kann man sagen. Ich sag’s dir, wenn die beiden nicht gewesen wären, ich wäre gestorben. Sie haben’s irgendwie hinbekommen, so laut über alle hinwegzubrüllen, dass tatsächlich die ganze verdammte Schule auf sie gehört und sich getrollt hat. Klar gingen die Lästereien weiter, aber wenigstens in sehr sicherer Entfernung, weswegen ich nicht mehr so viel mitbekommen habe, vor allem, weil ich Larissa und Fabian Rede und Antwort stehen musste. Tja, das war’s.“ Es tat ihm weh, ihn so zu sehen. „Es ist nicht richtig von mir gewesen, das zu tun“, murmelte Rouven zerknirscht und unerwartet. „Ich hab nicht nachgedacht und ich wollte es so sehr tun und dann hab ich mit Rhia darüber diskutiert, warum zur Hölle sie es allen zu Hause gesagt hat und… ja, irgendwie musste ich es dann tun. Dich zu küssen ist für mich einfach…“ Er brach ab. Wie konnte man das sagen? Balsam für seine Seele? Bene verstand ihn auch ohne Worte. Strich ihm leicht über die Wange, was bei Rouven eine Gänsehaut verursachte und ihn wohlig aufseufzen ließ. „Keine Ahnung, was passiert, keine Ahnung, wie die mir begegnen werden. Keinen blassen Schimmer von gar nichts. Ich weiß nur eines, ja? Ich liebe dich, Rouven. So unendlich. Ich werd mit deinen Geschwistern reden, ich werd deinen Eltern sagen, dass wir uns einfach lieben und dass man nichts daran ändern kann und ich werde derjenige sein, der von nun an stolz in der Schule herumläuft und dabei an dich denkt. Ich liebe dich.“ Rouven spürte nichts mehr. Er konnte nicht mehr klar denken oder handeln. Alles war wie leergefegt in seinem Hirn. Nur noch Buchstaben wirbelten herum, die das Wort BENE bildeten. Bene, Bene, Bene, Bene. „Kocham cię, Rapunzel”, murmelte Rouven und beugte sich vor, um ihn zu küssen. „So sehr.” E N D E Kapitel 21: How to save a life ------------------------------ Bin total traurig, muss ich sagen, weil’s also zu Ende ist… Danke an alle, die durchgehalten haben, denen es gefallen hat, die reviewt haben, mitgefiebert. Ihr seid großartig :3 Und danke einfach, ich hoffe so sehr, wir lesen uns mal wieder. Spätestens, wenn ich den Mael-OS wirklich hinbekomme =D http://www.youtube.com/watch?v=W5TtYmaRO7Y ”You begin to wonder why you came. Where did I go wrong – I lost a friend…“ Epilog Es war grandios gewesen. Das zumindest musste sie zugeben. Alles andere war für sie scheiße, Ballast, eine dermaßen schreckliche Tortur, dass sie sich am liebsten übergeben würde. Nur die Band war toll gewesen. Es war eben er. Er war schon immer so gewesen. Sie kannte ihn schon von klein auf und hatte trotzdem nie gewusst, dass er so gut war. Dass er dieses dermaßene Talent besaß. Und jetzt saß er neben ihr und trank Cola. Cola statt Wodka wie jeder andere im Raum. Cola, die extra für ihn hergeschafft worden war. Die Stimmung, die beim Auftritt noch unglaublich gewesen war, war nun etwas ruhiger geworden. Es war keine Disco, in der sie sich befanden, und keine Party fand statt. Einfach nur eine Feier. Die Feier für diese geniale Band. Rhias Mundwinkel fanden ihren Weg nach oben trotzdem nicht mehr. Mael sprach nichts, das zumindest hatte sie über ihn gelernt. Lernen müssen, sogar auf die harte Tour. Heute machte ihr das nichts aus. Schließlich könnte sie sprechen. Könnte. Sie wollte ihn loben. Wollte ihm sagen, wie toll sie es gefunden hatte und dass sie das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder gelächelt hatte. Aber sie konnte es nicht. Konnte Mael nicht in die Augen schauen und ihm schon gar nicht sagen, wie gut er gewesen war. Sie fühlte, dass er das auch so wusste. Sie saßen nebeneinander. Ohne Worte, ohne Blicke. Einfach nur so, er mit seiner Cola und der Gitarre zwischen die Beine geklemmt. Sie mit dem Wodka, der ihr nicht schmeckte und der Handtasche, die gefüllt war mit Taschentüchern, einer Geldbörse und dem Haustürschlüssel. Und dann stand er auf. Maels Blick streifte Rhia flüchtig, als er das Glas auf die Theke zurückstellte und sie fühlte, dass sie sich kaum noch halten konnte. Mael war Rouvens bester Freund. Er hatte es gewusst. Er hatte es ganz sicher gewusst, bevor Rouven es auch in Erwägung gezogen hatte, es ihr zu erzählen. Aus diesen Gründen sollte sie Mael einfach hassen, aber… das ging nicht. Er hatte ihr nichts getan, war einfach nur mit dem falschen Menschen befreundet. Wobei er es wahrscheinlich nicht als falsch ansah, Rouven zu mögen. Ihr Blick, der eben noch den Boden fixiert hatte, wurde nach oben gezogen, als sich jemand direkt vor sie stellte. Mael. Er sah sie an und hielt den Blick stur auf sie gerichtet. Nickte und deutete zur Tür. Es war zu laut, denn obwohl die Stimmung nicht mehr so gut war, verstand man doch gar nichts. Rhia stand auf, was ihr noch keine Schwierigkeiten bereitete oder zumindest keine sichtbaren. Noch hatte sie nicht viel getrunken, aber es war fraglich, ob es bei den zwei Gläsern blieb, sie sie bis jetzt intus hatte. Er saß auf dem Boden, lehnte an der Mauer und starrte in den Sternenhimmel. Sein blondes Haar sah in der Dunkelheit schwarz aus und Rhia fröstelte. Es ließ sie an Rouven denken und das wollte sie nicht. Aber sollte sie wirklich mit Mael sprechen, würde es unweigerlich in Richtung Rouven tendieren. Vorsichtig setzte sie sich neben ihn. Sagte nichts. „Warum bist du gekommen? Rouven war doch auch hier, ebenso Bene.“ Seine Stimme klang etwas heiser vom Singen und sehnsüchtig dachte Rhia daran, dass Benes Stimme morgens genauso klang. Bene. Sie hatte ihn geliebt. Wirklich und wahrhaftig. Sie wusste, dass sie oft ein Arschloch sein konnte, aber so war sie eben. Er hatte gewusst, worauf er sich einlassen würde, und er hatte nichts dagegen gehabt. „Ich wollte es einfach“, gab sie leise zurück und Mael nickte verständnisvoll. Es war das erste Mal, dass sie ein wirkliches Gespräch anfingen. „Ich weiß, dass du ihn immer noch willst. Bene, meine ich. Rouven versteht das nicht, er glaubt, es wäre doch das Beste für dich, wenn du ihn vergessen würdest, aber er hat unrecht, finde ich.“ Seine Sachlichkeit tat Rhia weh und dennoch auf eine eigenartige Weise gut. Sie spürte, wie sie innerlich ruhiger wurde, obwohl sie bei solchen Worten sonst eher aggressiv oder traurig wurde. Manchmal sogar beides. „Ich wüsste nicht, wie ich ihn vergessen sollte.“ Mael zuckte die Schultern und richtete nun langsam seinen Blick auf sie. Es war eigenartig, hatte er sie doch früher nie wahrgenommen. „Irgendwann wirst du es wissen.“ Rhia blinzelte. „Du warst gut da drinnen.“ Sie sah sein Lächeln, von dem er versuchte, es zu verstecken. „Danke. Ein Lob von dir nehme ich als wirklich heftiges Kompliment.“ Sie schnaubte. „Ihr seid doch alle gleich. Als wäre ich eine solch dumme Kuh.“ Und dann musste sie doch weinen. Mael strich ihr über den Rücken, während sie in sein Hemd hineinweinte. Sie wollte ihm nicht den Tag verderben, nicht jetzt, nicht nach diesem Auftritt, aber sie hatte in den letzten Tagen und Wochen nie jemanden gehabt, mit dem sie reden konnte. Alle waren wütend auf Rouven und/oder Bene, aber keiner hatte verstanden, dass sie nicht nur wütend war, sondern in erster Linie unendlich traurig. Und dann war da er, der ausgerechnet Rouvens bester Freund war und somit wohl am besten wusste, wie sie sich fühlte. Sie spürte nichts mehr. Sie wusste nicht, wie lange sie dagelegen hatte, um zu weinen. Sie spürte seine Musikerhände über ihren Körper fliegen, als spiele er ein Instrument. Mal lagen sie auf dem Rücken, dann wieder strich er ihr übers Haar. Es tat gut. Es kam Rhia so vor, als würde er sich um sie kümmern. Das war natürlich Schwachsinn, sie kannten sich ja im Grunde genommen kaum, aber es war trotzdem eine schöne Vorstellung. Langsam kam sie nach oben. „Vielen Dank“, nuschelte sie und wagte es kaum, ihn anzusehen. Sie hörte ihn leise lachen. „Das war doch nichts. Du brauchst so was auch mal. Hast du keinen, mit dem du sonst reden kannst?“ Ihr Kopfschütteln schien ihn nicht zu überraschen und sanft umfasste er ihr Kinn, zog es nach oben. Sie sah ihm direkt in die Augen. „Dann komm zu mir, wenn’s dir wieder schlecht geht. Ich bin ganz gut in so was und ich weiß, was du durchmachst, weil ich’s bei Benedikt und Rouven auch gesehen habe. Ich helfe dir, ja?“ Rhia legte den Kopf schief. Sah ihn an. Sah ihm in die Augen. Diese imposant braunen Augen. Und lächelte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)