How to save a life von Sahm ================================================================================ Kapitel 16: Only One -------------------- http://www.youtube.com/watch?v=TWBdACAwtXs “Just you and I under one sky.” Kapitel 16 Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Geschockt stand Rouven auf und begann erneut damit, sinnlos in seinem Zimmer herumzulaufen. War es jetzt… gut oder schlecht, dass er es ausgesprochen hatte? „Rouven, hatten wir das nicht gerade eben? Bleib ruhig und setzt dich wieder hin.“ Seine Stimme klang warm und verlockend und Rouven wünschte sich immer mehr, dass sie sich unter anderen Umständen kennengelernt hätten. Irgendwo an einem anderen Ort, in einer anderen Zeit, in der Rhia und Benedikt sich nicht kannten und niemals voneinander erfahren hatten. Sie könnten glücklich sein. Sie können wirklich glücklich sein. Langsam gehorchte Rouven und setzte sich wieder zurück auf sein Bett. Fünf Minuten lang sagte keiner ein Wort. Dann: „Glaubst du, sie wird es mir jemals verzeihen?“ Bene zuckte die Schultern, während Rouven den perfekten Schwung seiner Augenbrauen betrachtete. Erstaunlich, immerhin war er ein Typ, wieso hatte der dann so ein schönes Gesicht? Er wusste, dass Bene auf eine andere Aussage von ihm wartete und er sah es ihm an, dass er enttäuscht war. „Keine Ahnung, du kennst sie doch. Gib ihr Zeit und sie wird sich bestimmt wieder… ein wenig beruhigen.“ Träge schüttelte Rouven den Kopf. „Nein, wird sie nicht und das weißt du genausogut wie ich. Ich kenn sie und ich weiß, dass sie sich nur noch mehr in die ganze Sache reinsteigern wird, so sehr, bis sie mich hasst.“ Er konnte nichts mehr entgegnen. Benedikt war geschlagen und das wusste er auch, weil er seinen Mund nun nicht mehr aufbrachte. Das war auch komisch. Normalerweise war Rouven derjenige, der nicht still sein konnte und sich immer mit anderen anlegte. Benedikt war der stille Mensch, der nur dann den Mund aufmachte, wenn es schon zu spät war und der sich möglichst immer aus allem heraushielt. Und jetzt auf einmal… hatten sie die Rollen getauscht. Jetzt war Rouven derjenige, der nicht weiterwusste und den Mund nicht mehr aufbekam und Benedikt der dominante Part, der sagte, was zu sagen war. Verrückte Welt. „Was tun wir jetzt?“ Noch so eine Neuerung. Jetzt war es nicht mehr nur ein ich wie in Ich will dich, Ich will, dass du mit mich küsst oder Ich find dich geil, nein, jetzt war es ein wir. Ein zusammengehörendes, verschweißendes wir. Und Rouven fand es gut. Irgendwie. „Ich weiß es nicht. Ich glaube, das Schlimmste, was wir jetzt tun können, ist, es noch mal bei ihr zu versuchen. Sie würde uns töten“, prophezeite Rouven mit düsterer Stimme und Bene nickte beipflichtend. Und jetzt? Rouven lächelte leicht. „Weißt du, was ich komisch finde?“ Benedikt schüttelte den Kopf. „Dass wir jetzt hier nebeneinander sitzen und darüber reden, was nach unserem Coming-Out geschehen soll.“ Bene lachte trocken auf. „So ein wahnsinniges Coming-Out war es ja jetzt nicht. Aber ich glaube irgendwie, es war der schlimmste Teil…“ Rouven schnaubte. „Das weiß ich sogar. Alles andere ist doch nicht mehr schlimm. Nur Rhia…“ Er musste nicht weitersprechen. Es war doch ohnehin klar, was er sagen wollte. Eine Weile lang hing wieder seinen eigenen düsteren Gedanken nach. Dann lachte Bene auf einmal. „Ich hab jetzt also innerhalb kürzester Zeit gleich zwei Menschen mehr wehgetan als ich es mir jemals erträumt habe. Halt, nein, drei sind es ja, meine Schwester gehört also auch noch dazu.“ „Drei?“, echote Rouven. Drei Menschen hatte Bene wegen ihm jetzt also schon wehgetan… „Meine Schwester. Rhia. Eric.“ Eric, ach ja. Der existierte ja auch noch… „Ach, komm schon, den kannst du doch in die Tonne kloppen. Der ist ein Arschloch und das weißt du auch. Wäre er ein richtiger Freund, hätte er dich nicht einfach so behandelt. Ich weiß, dass das beschissen klingt und dass du so was eh nicht hören willst, aber es ist doch so, nicht? Sieh dir mal Mael an. Er hat schon vor mir vermutet, dass ich in dich verliebt sein könnte und er unterstützt mich, obwohl ich ihn schlecht behandelt habe in der letzten Zeit. Das macht echte Freundschaft aus und nicht die Tatsache, dass man wegrennt, sobald es geht… Ich finde…“ „Moment!“ Verwirrt registrierte Rouven, dass Bene aufgesprungen war und ihn mit aufgerissenen Augen ansah. „Äh, ganz ruhig und so, was ist los?“ Seine Augen begannen zu leuchten und seine Mundwinkel, die eben noch an Angela Merkel erinnert hatten, hoben sich so extrem an, dass er aussah, als hätte er Tonnen von Botox in seinen Wangen stecken. „Rouven!“ „Äh… ja?“ „Du… du hast es gesagt. Rouven, du liebst mich.“ Es tat gar nicht weh. Es war ganz anders, als er es sich gedacht hatte. Das letzte Mal war er der aktive Part gewesen und es fiel ihm diesmal nicht leicht, sich einfach fallenzulassen. Einfach nichts mehr zu tun und es zu spüren. Zu genießen. Tatsächlich war es wundervoll, nachdem er es einfach geschafft hatte, nicht mehr darüber nachzudenken, was Benedikt da tat. Oder was seine Schwester sagen würde, wenn sie ihn so sehen könnte. Ausgestreckt auf dem Bett und Benedikt über ihm, der ihm einen leichten Kuss auf die Schulter gab. „Alles okay?“, flüsterte er leise und Rouven seufzte noch leiser. „Alles ist wunderbar, Bene. Du bist wunderbar.“ Okay. Genug der wunderbars. Er spürte, wie Bene sich von ihm heruntergleiten ließ und sich neben ihn legte. Rouvens Hand schloss sich um Benes und eine Weile lang taten sie nichts außer Dazuliegen und dem Atem des anderen zu lauschen. „Kann das nicht immer so sein?“ Seine Stimme zerriss die Stille und Rouven merkte, dass er eben ein wenig weggedöst war. „W… was?“ „Das hier. Kann so etwas nicht immer total friedlich ablaufen? Ohne Tränen, ohne Geschrei, ohne Kompromisse… ohne Rhia?“ Wieso tat er das jetzt? Wieso? Eben noch hatte er jegliche Gedanken an Rhia fortgeschoben, weit, weit weg. Und jetzt… war sie wieder da. „Ich… weiß es nicht. Bene, können wir bitte nicht mehr darüber sprechen? Wenigstens einmal, eine Sekunde nicht mehr?“ Bene seufzte. „Wir können es aufschieben, aber was bringt es? Rouven, wir hatten Sex, während deine Schwester einen Stock tiefer wegen uns beiden so sehr leidet, dass sie daran zerbrechen könnte. Wie kannst du das vergessen?“ Er drehte sich auf den Rücken. „Hör auf. Ich werd es nicht vergessen, wie soll das denn auch gehen? Ich werd noch mein Leben lang für diesen einen Fehltritt haften. Mein Leben lang! Wie soll ich’s dann bitte vergessen? Ich sehe meine Schwester jeden Tag. Ich weiß nicht, wie das jetzt gehen soll, ehrlich nicht…“ Das Laken raschelte leicht, als Bene seinen Kopf drehte und ihn einfach nur noch ansah. „Ich weiß nicht, was nun geschieht, ja? Ich hab keinen blassen Schimmer. Woher soll ich wissen, wie sie jetzt reagieren wird? Du kennst sie länger als ich, ich weiß nicht, ob sie irgendwann darüber hinwegkommen wird.“ „Weißt du, es geht ja gar nicht darum, dass du sie betrogen hast“, sinnierte Rouven, „es geht darum, dass du mit mir geschlafen hast. Mit mir, ihrem Bruder, dem sie vertraut hat und von dem sie niemals gedacht hätte, er würde so etwas Derartiges tun. Und darum geht es hier, nur darum. Ich kann sie nicht mehr ansehen und ich weiß nicht, was ich zu ihr sagen soll. Das Schlimmste daran ist, dass ich selbst schuld an der Misere bin. Ich hätt’s ja doch noch verhindern können. Ich hätte die Notbremse ziehen können im Umgang mit dir und ich hätte es ihr auch nicht sagen müssen. Beziehungsweise wir hätten es ihr nicht sagen müssen. Du und ich, wir sind jetzt beide schuld. Und wir müssen es beide wieder irgendwie hinbiegen. Verstehst du das?“´ „Man kann’s nicht mehr rückgängig machen, oder?“ Nein. Das konnten sie wirklich nicht mehr. Wie traurig. „Weißt du, das Einzige, das wir jetzt tun könnten, wäre, nach vorne zu schauen und zu versuchen, irgendwie mit ihr auszukommen. Was anderes geht doch jetzt eh nicht.“ Vorsichtig gab Rouven seinem Benedikt einen Kuss. Dann stand er auf und lächelte Benedikt vertrauensvoll an. „Was tust du?“, fragte der alarmiert und setzte sich auf. Rouven zuckte nur die Schultern und zog sich die Boxershorts über, dann die Hose und das Shirt. Von Socken war er ohnehin nicht sonderlich begeistert, also ließ er sie weg. „Ich werde mit ihr reden. Jetzt. Sie wird mir zuhören, ich kenne sie.“ Hoffte er zumindest, aber er musste das jetzt einfach tun. „Wenn du diese verdammte Tür nicht auf der Stelle aufmachst, trete ich sie höchstpersönlich ein!“ „Warum sollte ich das denn bitteschön tun? Damit du noch mal einen draufsetzt und mir erzählst, dass du ihn heiraten wirst und dreißig Kinder adoptieren willst? Fick dich doch einfach!“ „Mach auf, Herrgott, lass mich doch endlich mal erklären.“ „Ich will’s nicht hören. Es ist sowieso nur beschissen.“ „Woher willst du das denn wissen, du machst ja die Tür nicht auf.“ „Weil ich deine Fresse nicht sehen möchte. Hau ab jetzt.“ „Nein. Ich werd hier stehenbleiben, bis du diese Tür aufmachst.“ „Das wird aber nicht geschehen.“ „Doch. Du musst irgendwann aufs Klo, was essen, ins Badezimmer, was weiß ich. Und dann werd ich immer noch hier warten.“ „Da kannst du lange warten, ich werd nicht rauskommen. Vorher verreck ich hier.“ „Ich setz mich jetzt auf den Boden vor deiner Tür. Und da bleibe ich, bis du kommst.“ „Schön, dann verreck.“ „Eher kommst du raus.“ „Ach, vergiss es doch einfach, du bleibst doch eh nicht sitzen.“ Tat er aber. Genau zweieinhalb Stunden. Bene war gegangen, hatte ihm im Vorbeigehen einen scheuen Kuss aufgedrückt und ihm zu verstehen gegeben, dass er ihm viel Glück wünschte. Sein Hintern brannte vor Schmerzen, seine Kehle war trocken und er musste dringend auf die Toilette, aber er hatte sich geschworen, nicht eher zu gehen, bis Rhia vor ihm stand. Und tatsächlich. Sie hatte kein Wort mehr gesagt und er auch nicht. Wahrscheinlich hatte sie angenommen, dass er schon längst gegangen war, weswegen sie auch auf einmal vollkommen überrascht vor ihm im Gang stand. Er reagierte sofort, fuhr hoch und stellte sich so in die Tür, dass sie diese nicht mehr vor seiner Nase zuknallen konnte. „Rouven, verpiss dich.“ Ihre Augen waren immer noch verschmiert. Anscheinend hatte sie noch nicht aufhören können mit dem Weinen und Rouven verspürte einen schmerzhaften Stich im Herzen. „Nein. Wir reden jetzt. Und diesmal haust du nicht einfach wieder ab.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)