Durch die Katzenklappe von Nifen ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Hogwarts ohne Hermione war nicht das Hogwarts, das er kannte. Es fehlte der warme Platz auf ihrem Bett, wo man sich so wohlig zusammenrollen konnte, wenn die Sonne durch das Fenster im Gryffindorturm schien. Es fehlte der wundersame Geruch alten, staubigen Pergaments, wenn sie mal wieder ein selten ausgeliehenes Buch voll obskuren Wissens in der Bibliothek entdeckt und in den Schlafsaal mitgenommen hatte. Es fehlte das Extraschüsselchen Sahne, mit dem sie ihn belohnte, wenn er die einfach abgeschriebenen statt selbstgemachten Hausaufgaben ihrer beiden besten Freunde ‚versehentlich’ beim Spielen zerfetzte. Es fehlten die Krauleinheiten, bei denen Hermione ganz natürlich die Stellen erwischte, die er als alternder Kniesel-Kater nicht mehr ganz so problemlos erreichte. Kurz und gut, Krummbein vermisste Hermione. Dabei war es ja noch nicht einmal so, dass der kluge Kater nicht verstand, weshalb er derzeit nicht bei Hermione sein konnte. Im Gegenteil... sie hatte ihm ausführlich erklärt, dass sie ihrem besten Freund beistehen musste, wenn dieser versuchte die Seelenteile Voldemorts zu finden und zu zerstören. Und es war selbstverständlich, dass ein Kater, selbst wenn es sich um einen so klugen Kater wie ihn handelte, dabei im Weg sein würde. Schließlich wussten sie alle nicht, was für Unannehmlichkeiten und Gefahren sie während dieser Suche ausgesetzt sein würden. Aber eines war sicher: Es würde gefährlich werden, denn Voldemort würde seine Seelenteile nicht einfach schutzlos irgendwo in der Gegend herumliegen lassen. Krummbein verstand auch, dass er Hermiones Eltern nicht nach Australien begleiten konnte. Auch wenn er in seinen Augen einen hervorragenden Wachkater für die beiden Muggel abgegeben hätte. Aber die Erinnerungen an Krummbein waren unweigerlich mit den Erinnerungen an Hermione verbunden, und um ihre Eltern zu beschützen, hatte Hermione diese Erinnerungen ganz tief im Unterbewusstsein ihrer Eltern begraben, so dass diese glaubten, nie eine Tochter gehabt zu haben. Und ohne Tochter hatten sie auch nie einen Kniesel-Kater gehabt, geschweige denn je von Knieseln gehört. Weshalb Krummbein also alles in allem genau wie Hermione zu dem Schluss gekommen war, dass der Fuchsbau die beste Option eines temporären Domizils für ihn war. Doch so gerne Krummbein auch die Gartengnome jagte und die Freiheit des eher wild wuchernden Gartens genoss, auf die Dauer war dieses friedliche Landleben in der Nähe von Ottery St. Catchpole einfach nichts für ihn. Weshalb er es sich am 31. August, als Ginny Weasley ihre Schultruhe gepackt hatte, so bequem wie nur irgend möglich in ihrem Zauberkessel gemacht hatte und so als blinder Passagier nach Hogwarts gereist war. Zugegeben, es war eine reichlich ungemütliche Reise gewesen, aber die Aussicht mit seinen Katzenfreunden durch die vertrauten Gänge des Schlosses streifen und die Schüler bei ihren Streichen beobachten zu können, war diese Unbilden wert gewesen. Leider aber hatte sich die Atmosphäre in dieser sonst eher fröhlichen Schule für Zauberei und Hexerei über den Sommer grundlegend geändert. Und das lag nicht nur am Fehlen Hermiones. Nein, selbst die Haustiere bekamen die Herrschaft des Dunklen Lords zu spüren. Denn wenn es Professor Snape wieder einmal gelungen war, die Schüler noch rechtzeitig vor den Carrow-Geschwistern zu retten, ließen diese beiden Todesser meist ihre Frustration an dem ersten Tier aus, das dumm genug war, ihren Weg zu kreuzen. Katzen und Eulen waren in der Regel entweder klug genug oder flink genug, um ohne größeren Schaden davon zu kommen, aber es gab bereits eine ganze Reihe Schüler, die den Tod ihrer Kröten zu beklagen hatten. Doch so langsam wurden frei herumlaufende Kröten in Hogwarts rar, denn egal wie lernunwillig die Schüler im Unterricht sich auch gebärden mochten, bedeutete das nicht, dass sie auch lernunfähig waren, und so wurden die verbliebenen Kröten jetzt meist so sorgsam wie ein Augapfel in ihren Terrarien gehütet. Was wiederum ein erhöhtes Risiko für die Katzen bedeutete, die anders als die Eulen nicht eben durch ein geöffnetes Fenster entkommen konnten. Und so hätte es Krummbein eigentlich nicht verwundern dürfen, dass auch er sich schließlich dem Fokus der Carrow-Geschwister ausgesetzt sah. Insgeheim glaubte der Kniesel-Kater ja, dass die beiden Carrows es auf die Katzen abgesehen hatten, weil sie wussten, dass Minerva McGonagall als Animagus die Gestalt einer Katze annehmen konnte, und hofften unter all den pelzigen Mäusejägern zufällig die verwandelte Gryffindorhauslehrerin zu erwischen. Was Krummbein nur in seiner geringschätzigen Meinung über die beiden Lehrer bestärkte. Wenn sie noch nicht einmal in der Lage waren, eine graue Tigerkatze von einem orangefarbenen Halbkniesel zu unterscheiden... Doch derlei Gedanken änderten nichts an seiner momentanen misslichen Lage. Alecto war hinter ihm her und so schnell Krummbein auch um die Ecken wetzte, schien es ihm an diesem Abend unmöglich zu sein, die dickliche Hexe abzuschütteln. Ach, wenn er doch nur zu Hause wäre... Abrupt kam Krummbein zum Stehen, als er am anderen Ende des Ganges, in dem er sich gerade befand, Amycus, Alectos Bruder auftauchen sah. Hastig machte er auf seinen Pfoten kehrt, in der Hoffnung, das diesseitige Ende des Ganges zu erreichen, ehe Alecto aufgeschlossen hatte, und so vielleicht einen anderen Weg einschlagen zu können. Doch zu spät! Wenige Meter vor dem ersehnten Ziel tauchte keuchend und schnaufend die diesjährige Muggelkundelehrerin auf dem Treppenabsatz auf. Einmal mehr wünschte sich der Kater zu Hause zu sein. Erneut machte Krummbein kehrt, dieses Mal hoffend, dass es ihm wie durch ein Wunder vergönnt wäre, hinter einem der Wandbehänge vielleicht ein gigantisches Mauseloch oder einen unentdeckten Geheimgang zu finden, durch den er entkommen konnte. Zu spät realisierte er, dass der Korridor, in dem er sich gerade befand, nur einen Wandbehang hatte. Wenn er also dahinter verschwand, würden die beiden Todesser dort als erstes nachsehen... Steinerne Statuen, die, zur Seite springend, weitere Fluchttunnel hätten bergen und so mögliche Alternativen und Ablenkungen hätten bieten könnten, gab es in dem Gang leider gar nicht. Es gab noch nicht einmal Ritterrüstungen, in denen man hätte Zuflucht suchen können. Nur diesen einen Wandbehang und ein paar nicht weiter nennenswerte Bilder. Oh, wäre er doch nur zu Hause! Mit einem hässlichen Grinsen auf dem Gesicht und fanatisch verzerrten Zügen, näherten sich ihm die beiden Carrows nun von beiden Seiten. Es schien aussichtslos. Ade, du schöne Welt... Doch gerade als Krummbein mit seinem Leben abschließen wollte, geschah das Unfassbare: Gegenüber des Wandteppichs erschein plötzlich in dem Mauerwerk eine Katzenklappe! Und dann fiel es dem Kniesel-Kater wieder ein. Der Raum der Wünsche, der Da-und-Fort-Raum, in dem Hermione und ihre Freunde vor bald zwei Jahren ihre geheimen Treffen abgehalten hatten! Krummbein hatte nicht gewusst, dass der Raum auch von Haustieren herbeigerufen werden konnte, aber andererseits kannten auch die Hauselfen den Raum und so war es nicht unwahrscheinlich, dass der Raum einfach jedem fühlenden Bewohner des Schlosses zur Verfügung stand, der über die entsprechenden geistigen Fähigkeiten verfügte. Und ein kluger Kniesel-Kater wie er fiel eindeutig in diese Kategorie. Doch all diese Gedanken spielten sich eher im Unterbewusstsein des Katers ab, während Krummbein mit verzweifelten Sätzen auf die Katzenklappe zuraste, hinter sich schon das magische Prickeln des ersten Fluches der Carrows spürend. Mit Schwung schlitterte er die letzten Meter und prallte mit seinem ganzen Gewicht gegen die Klappe, nur um sich Sekundenbruchteile später dahinter in Sicherheit zu befinden. *** Das erste, was Krummbein auffiel, war die angenehme Wärme, die ihn auf einmal umgab. Keine Wärme, die von einem herrlich prasselnden Kaminfeuer, wie es derzeit an den nasskalten Spätherbstabenden im Gemeinschaftsraum des Gryffindorturms brannte, stammte. Nein, es war die regenerierende Wärme eines freudigen Sommertages. Dazu mischte sich nun das zeternde Kreischen von Möwen, wie der Kater es nur von den Ferien, die Hermione mit ihren Eltern an der See verbracht hatte, kannte. Aber Hogwarts war bestimmt hundert Meilen von der Küste entfernt und die Thestrale und der Riesenkrake duldeten diese gefiederten Allesfresser nicht auf den Ländereien des Schlosses. Wo also war er? Doch all diese Eindrücke waren nicht die größte Überraschung, die seine unverhoffte Rettung durch den Raum der Wünsche für ihn parat hielt. Denn als Krummbein endlich wieder alle Sinne beieinander hatte und sich aufrichten wollte, um seine Umgebung näher in Augenschein zu nehmen und so die Frage seines Aufenthaltsorts zu klären, nahm die Welt um ihn herum plötzlich eine ganz sonderbare Perspektive an. Irgendwie kleiner... weniger hoch... verkehrt... Und auch sein Körper fühlte sich anders an. Er hatte sich noch nicht zu Ende orientiert, als er sich mit einem Mal angesprochen fühlte. „Hey, wer bist du denn? Wo kommst du her?“ Zuerst war sich Krummbein nicht sicher, ob auch tatsächlich er gemeint war, allerdings hatte er um sich herum keinerlei Geräusche gehört, oder mit dem kurzen Blick, den er seinem Umfeld belang geschenkt hatte, keine anderen Tiere oder Menschen gesehen, die darauf schließen ließen, dass nicht er gemeint war. Als er sich umwandte, um herauszufinden, wer ihn da angesprochen hatte, entdeckte er das merkwürdigste Wesen, dass er je in seinem Leben gesehen hatte. Und als alter Kniesel-Kater war er weit genug in der Zauberwelt herumgekommen, um schon einige merkwürdige Wesen gesehen zu haben. Das Wesen, welches unverhofft hinter ihm aufgetaucht war – dabei war sich Krummbein sicher, dass hinter ihm eigentlich die Katzenklappe sein müsste, die ihn hierher gebracht hatte –, ähnelte auf den ersten Blick einer Katze, zumindest wenn man die Ohren betrachtete, oder die Pfoten, oder den langen Schwanz. Aber die Proportionen der Beine und des Körpers glichen eher denen eines Menschen. Sogar das Gesicht sah eigentlich eher wie das eines Menschen aus, einschließlich der menschlichen Haare, die zu einer zerzausten Frisur zerstrubbelt waren, die Krummbein an den Anblick von Hermiones besten Freunden erinnerte, wenn diese gerade erst aus dem Bett gekrochen waren und noch keine Bürste benutzt hatten. Und zu allem Überfluss trug das Wesen, obgleich die langen Arme und Beine behaart waren, wie es sich für jede ordentliche Katze und jeden vernünftigen Kniesel gehörte, menschliche Kleider um die Körpermitte. „Was bist du?“, fragte Krummbein zurück und erschrak im selben Moment. Statt des vertrauten, intelligenten Miauens, mittels dessen er seit über fünfzehn Jahren kommunizierte, ertönte seine Frage in menschlicher Sprache. „Was bist du ist eine äußerst unhöfliche Frage. Es müsste ‚wer bist du’ heißen. Und ich bin Tasilien. Aber solltest du wirklich auf einer Antwort auf deine unhöfliche Frage bestehen: Ich bin ein Kniesel, was auch sonst?“ „Du kannst unmöglich ein Kniesel sein!“, widersprach Krummbein vehement und vergaß darüber sogar den Schrecken, plötzlich Mensch zu sprechen. Sein Gegenüber zog nur amüsiert die Augenbrauen hoch. „So? Ich kann also kein Kniesel sein? Und weshalb nicht, wenn ich fragen darf?“ „Kniesel sehen nicht wie Menschen aus. Kniesel sind eher mit den Katzen als mit den Menschen verwandt, sie tragen keine Kleider, sie haben Pelz, sie sind natürlich weitaus größer und intelligenter als Katzen, sie...“ Krummbein ging der Atem aus, so schnell versuchte er, all die Fakten über Kniesel hervorzusprudeln, die er kannte. Und er kannte eine ganze Menge Fakten, einschließlich des Umstandes, dass Kniesel gegen Marshmallows allergisch waren, nicht aber gegen heiße Schokolade. Schließlich beendete er seinen Vortrag mit einem allumfassenden: „Du kannst mir glauben, da ich selbst ein Halbkniesel bin, werde ich wohl wissen, wie ein Kniesel aussieht und wie er allgemein ist.“ Doch sehr zu seinem Verdruss zeigte sich sein neuer Bekannter überhaupt nicht von all den Fakten beeindruckt. „So, so, ein Halbkniesel also... Das erklärt natürlich deine Schnurrbarthaare und die Tatsache, dass du wenigstens einen Kopf kleiner bist als ich. Und ich bin schon kein großer Kniesel. Allerdings bin ich ja auch noch nicht ganz ausgewachsen. Oder weshalb du keine Kleider trägst. Aber dein Fell ist so lang, da macht das wohl nichts. Trotzdem hast du mir immer noch nicht verraten, wie du heißt. Oder wo du herkommst.“ „Krummbein. Hogwarts“, gab Krummbein eher geistesabwesend zur Antwort, denn er versuchte den Sinn hinter Tasiliens Worten zu verstehen. Natürlich hatte er Schnurrbarthaare, im Gegensatz zu Tasilien, was ein weiteres Argument dafür war, dass letzterer kein Kniesel sein konnte. Denn Krummbein kannte keinen einzigen Kniesel ohne Schnurrbarthaare. „Hm... heißt du nun Krummbein und kommst von einem Ort namens Hogwarts, oder heißt du Hogwarts und kommst von einem Ort namens Krummbein?“, unterbrach der angebliche Kniesel wieder Krummbeins Gedanken. Leicht die Augen rollend ob dieser Verdrehung der Offensichtlichkeiten, erwiderte der Halbkniesel: „Krummbein ist natürlich mein Name und Hogwarts ist eine Schule für Hexerei und Zauberei.“ Tasilien nickte verstehend. „Und wo ist diese Hogwartsschule? Ich habe noch nie von ihr gehört, dabei kenne ich wirklich alle Schulen von Atlantis. Ich bin nämlich höchsteigen von jeder einzelnen Schule verwiesen worden.“ Man konnte dem Gesicht des Kniesels – obgleich Krummbein immer noch der Ansicht war, dass Tasilien für einen Kniesel mehrere eindeutige Merkmale fehlten, beschloss er seinen neuen Bekannten vorläufig einfach als Kniesel zu betrachten – deutlich ansehen, dass er auf merkwürdige Art ziemlich stolz zu sein schien, von jeder Schule geflogen zu sein. Eine eher dämliche Einstellung in Krummbeins Augen, aber mehr noch als die vielen Schulverweise irritierte Krummbein an Tasiliens Aussage hinsichtlich des Orts, an dem sie sich angeblich befanden: Atlantis. Das war ein Ding der Unmöglichkeit! Atlantis, jene sagenumwobene, fast kontinent-große Insel, war bereits vor Urzeiten im Meer versunken. Natürlich hatte Krummbein hinsichtlich der angenommenen Größe dieser Insel so seine Zweifel und nach seiner Theorie wollten die antiken Dichter, die über Atlantis berichteten, die großartigen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Errungenschaften dadurch besonders herausstellen, indem sie dieser geistigen Größe eine entsprechend geographische Größe zukommen ließen. Aber ob nun wirklich kontinent-groß oder einfach nur eine hochentwickelte Insel änderte nichts an der Tatsache, dass das hier nicht Atlantis sein konnte. Schließlich war er durch die Tür, oder genauer gesagt Katzenklappe des Raums der Wünsche hierher gelangt, weshalb er, logisch betrachtet, also eigentlich immer noch im Raum der Wünsche sein musste. Und der Raum der Wünsche konnte keine anderen Lebewesen generieren. Überhaupt, was hatte dieser Ort hier mit seinem Wunsch zu tun, den Carrows entkommen zu wollen? Hierfür hätte es gereicht, wenn der Raum der Wünsche die Form eines größeren Kaninchenbaus angenommen hätte. Irgendetwas stimmte hier ganz gewaltig nicht! Tasilien für den Moment ignorierend, erhob sich Krummbein ein wenig unsicher von seiner gebückten Position und begann mit unsteten, vorsichtigen Schritten – dafür, dass er es nicht gewohnt war, auf nur zwei Beinen zu gehen und lediglich seine Beobachtungen schwanzloser Menschen als Orientierungshilfe hatte, machte er seine Sache eigentlich recht gut – die Gasse, in der er und dieser angebliche Kniesel sich befanden, zu erkunden. Denn es war eindeutig eine Gasse, die nach wenigen Metern in eine etwas breitere Straße mündete. Belustigt seinem Treiben zusehend, folgte Tasilien ihm. „Du gehst wie eine alte Kniesel-Oma, der man den Krückstock weggenommen hat“, sagte er grinsend zu Krummbein, doch dieser war viel zu sehr damit beschäftigt, das Gleichgewicht zu halten, als dass er für den Kniesel mehr als nur einen kurzen, finsteren Blick übrig gehabt hätte. Doch schon diese kurze Reaktion sorgte dafür, dass sein Schwanz unkontrolliert durch die Gegend wischte und Tasilien erschrocken zur Seite sprang. „Hey“, lachte er, „pass auf, wen du mit deinem Schwanz erwischst… Mir macht das nichts aus, ich bin flink, aber wenn du einen der Stadtväter so angehst, könnte das Ärger geben.“ Denn die gesetzten Herren, welche die Geschicke von Stadt und Insel lenkten, hatten stets viel zu viele Gedanken in ihrem Kopf herumschwirren, als dass sie groß auf ihre Umgebung acht gaben, weshalb die Umgebung also umso mehr Acht auf die Stadtväter geben musste. Dann aber schien Tasilien endlich aufzugehen, dass Krummbein wohl wirklich Schwierigkeiten hatte, das Gleichgewicht zu halten, und hatte der Neuankömmling während seiner Tirade vorhin nicht etwas gesagt, von wegen dass Kniesel ebenso wie die vernünftigen Katzen auf allen Vieren liefen? Sicher, Kniesel liefen gelegentlich auf allen Vieren, besonders, wenn sie schneller als ihre Verfolger sein wollten. Denn auf allen Vieren konnten sie regelrecht galoppieren, auch wenn das dabei hoch erhobene Hinterteil eher lächerlich aussah und Tasilien, der doch zumindest meist auf seine Würde bedacht war, möglichst auf einen derartigen Auftritt verzichtete. Allerdings bedingte sein momentaner Lebenswandel recht häufig solche Galopp-Einlagen, aber andererseits war es auch immer wieder zu spaßig, wenn die Stadtwache mal wieder nicht mit ihm Schritt halten konnte. Denn Rumtreiber waren in Atlantis nicht gerne gesehen. In dieser ordentlichen Stadt wurde von jedem Einwohner über fünf Jahren erwartet, dass er einer sinnvollen Tätigkeit nachging, sei er nun Mensch oder Kniesel. Und mit seinen zwölf Jahren, denn Tasilien war exakt so alt, war die sinnvolle Tätigkeit der Besuch einer Schule. Schließlich hatten die Atlanter hinsichtlich ihres Wissens und ihrer Bildung einen gewissen Ruf zu wahren, weshalb bei ihnen eine allgemeine Schulpflicht galt. Auch konnten nur so die künftigen Wissenschaftler, die mit ihren technischen Errungenschaften Atlantis über die Grenzen der bekannten Welt hinaus berühmt machen würden, herangezogen werden. Aber da keine Schule Tasilien mehr im Unterricht duldete, die Stadtordnung aber keine sinnvolle Alternativtätigkeit vorsah, streunte Tasilien nach Herzenslust durch die Straßen, sah den übrigen Bürgern bei ihrer Arbeit zu und spielte gelegentlich mit den Stadtwachen Fangen. Es war ein sehr unterhaltsames und auch sehr informatives Dasein, bei dem Tasilien in seinen Augen weit mehr lernte als in irgendeiner Schule. Sonst hätte er ja auch den lustigen Fremden nicht finden können, der offensichtlich dringend seiner Hilfe bedurfte. Denn wenn der Halbkniesel weiter so torkelte, würde die Stadtwache ihn glatt für einen unbotmäßig Trunkenen halten und verhaften. Dabei machten alle Kniesel, selbst wenn sie nur Halbkniesel waren, einen großen Bogen um Alkohol, da ihre sonst so geschmeidigen Bewegungen darunter litten. Und Kniesel waren, was die Würde und den Eindruck ihres Auftretens betraf, sehr eitel. „Das ist ja nicht mit anzusehen“, sagte Tasilien deshalb und legte Krummbein vorsichtig eine Hand auf die Schulter, darauf bedacht, den anderen nicht gleich dazu zu bringen, zu stolpern und hinzufallen. „So geht das nicht weiter… Am besten schaust du mir erst einmal zu, wie man auf zwei Beinen geht und achte besonders darauf, wie ich meinen Schwanz benutze, um das Gleichgewicht besser zu halten. Darin liegt nämlich das Geheimnis, warum wir Kniesel einen eleganteren Gang haben, als ihn die Menschen je zustande bringen werden.“ Nach etwa einer Viertelstunde intensiven Übens hatte Krummbein langsam aber sicher den Bogen heraus, auch wenn es ihm zunächst überhaupt nicht passte, sich von einem Jungspund wie Tasilien etwas sagen lassen zu müssen. „So, und jetzt lass uns die Stadt erkunden“, meinte der Kniesel schließlich abenteuerlustig. „Damit du auch was von Atlantis zu sehen bekommst, ehe du wieder in dieses Hogwarts zurückkehrst.“ Da Krummbein keine Ahnung hatte, wie lange die Carrow-Geschwister jenseits der Katzenklappe vielleicht im Korridor seiner Rückkehr harrten, beschloss er, dass ein Ausflug durch die Stadt – auch wenn er immer noch fest der Meinung war, dass es sich dabei unmöglich um Atlantis handeln konnte – vielleicht die vergnüglichste Art war, sich die Zeit zu vertreiben. Zumal er sicher war, dass er in Tasilien einen ausgezeichneten, wenn auch etwas unorthodoxen Fremdenführer hatte. Tasilien zeigte ihm wirklich alles, von der Agora, wo sie das Glück hatten, einer politischen Debatte dreier Stadtväter beizuwohnen, über die unzähligen Tempeln, die den vielfältigen Göttern geweiht waren, zu denen die Atlanter beteten, bis hin zum geschäftigen Hafen, wo nicht nur die Fischer ihren täglichen Fang an Land brachten und feil hielten, sondern auch Schiffe aus aller Herren Länder mit exotischen Dingen anlegten, um mit Atlantis Handel zu treiben. Am meisten aber schien den jungen Kniesel der große, runde Leuchtturm an der äußersten Hafenspitze zu beeindrucken, denn als er Krummbein dieses Bauwerk zeigte, erging er sich in noch blumigeren Ausschmückungen, in noch wortreicheren Erklärungen als bei allen anderen Dingen, die sie bislang in der Stadt gesehen hatten. „Es heißt, dass man das Licht unseres Leuchtturms sogar vom Ende der Welt noch aus sehen kann!“, erzählte er großspurig. Doch Krummbein, der sehr wohl wusste, dass die Erde rund war und es somit kein Ende der Welt gab, und dass der Horizont lediglich eine imaginäre Linie war, die in stets gleichem Abstand zum Betrachter blieb, schüttelte nur amüsiert den Kopf ob Tasiliens Aussage. Seinen jungen Begleiter belehren zu wollen, wäre zwecklos gewesen, der Kniesel hätte ihm ja doch nicht geglaubt. „Leuchtturmwärter zu werden, das wäre schon etwas…“ Der Gesichtsausdruck und auch die Stimme des jungen Kniesels hatten einen sehnsüchtigen, aber auch leicht wehmütigen Klang angenommen. Krummbein betrachtete seinen neuen Bekannten aufmerksam und meinte dann nur: „Lass mich raten, um dich dafür zu qualifizieren, müsstest du eine Schule besuchen?“ Tasilien nickte nur ein wenig niedergeschlagen. „Es wäre sogar egal, welche Schule es ist, solange man nur einen Abschluss hat. Aber hey“, schlagartig hellte sich sein Gesicht aus, „vielleicht könnte ich ja mit dir nach Hogwarts gehen und dort meinen Abschluss machen.“ Der Halbkniesel stutzte für einen Moment, dann konnte er nicht anders und musste lachen. Dabei war es noch nicht einmal so, dass er Tasilien auslachte, aber dass dieser Junge, der noch vor wenigen Minuten stolz darauf gewesen war, dass keine der hiesigen Schulen ihn mehr im Unterricht duldete, beim Anblick des Leuchtturms plötzlich sogar bereit war, für seinen Traum diese Insel zu verlassen und sich in ein so ungewisses Abenteuer wie Hogwarts zu begeben, war einfach zu lustig. Und das finstere Gesicht, dass Tasilien jetzt zog, trug nicht gerade dazu bei, dass Krummbein sich rasch wieder beruhigte. Schließlich aber schaffte er es, wieder ernst zu werden. „Bedaure, aber ich glaube kaum, dass du in Hogwarts als Schüler angenommen wirst… Dort sind nur Menschen.“ „Aber du hast doch gesagt, dass du aus diesem Hogwarts kommst?“, beharrte Tasilien schmollend. „Ja, aber ich bin dort kein Schüler. Ich bin dort als vierbeiniger Gefährte einer Schülerin. Nur Menschen sind dort Schüler. Und außerdem ist diese Schule ziemlich gefährlich, dieses Jahr sogar noch gefährlicher als zuvor, weil in diesem Jahr die Lehrer Jagd auf Menschen und Nichtmenschen machen.“ „Sie jagen ihre eigenen Schüler?“ Ob dieser Eröffnung, vergaß Tasilien für den Moment sogar, dass er ja eigentlich beleidigt war, weil Krummbein über ihn gelacht hatte. Dieser nickte. „Ja. Es klingt verrückt, das weiß ich, aber es ist so. Dieses Jahr befindet sich die Schule in der Hand des Bösen. Glaub mir, das ist keine Schule auf die du gehen möchtest. Ich selbst bin ja von dort geflohen und hier gelandet.“ Ehe Tasilien darauf etwas erwidern konnte, wurde er von dem lauten Knurren seines Magens unterbrochen. Auch Krummbeins Magen machte sich, gleich einem Echo bemerkbar. Tasilien grinste. „Scheint als hätten wir beide Hunger. Kein Wunder, es ist ja auch schon Mittagszeit. Lass uns zu Utulimbor gehen. Der lädt uns bestimmt ein, mit ihm zu essen.“ Bei der Aussicht auf ein gutes Mittagessen, schien der junge Kniesel für den Moment das leidige Thema Schule zu vergessen. „Aber wunder dich nicht“, fuhr er fort, während er Krummbein den gepflasterten Pfad, der zum Leuchtturm führte, entlang zerrte, „Utulimbor ist manchmal ein wenig wunderlich.“ Wunderlich traf es in Krummbeins Augen nicht wirklich. Wunderlich waren seiner Meinung nach Geschöpfe wie die Maulende Myrte, die auch nach Jahrzehnten nicht gelernt hatte, die Vorteile ihrer Situation zu erkennen und daraus resultierend das Beste daraus zu machen. Oder Winky, die Hauselfe, die ja nach der Aufklärung der Situation durch Harry Potter eigentlich in jedem ordentlichen Zauberhaushalt Englands wieder eine Anstellung als ordentliche Hauselfe ohne Kleidung hätte finden können, aber lieber über ihr Schicksal klagte und in Hogwarts blieb. Oder Professor Umbridge, die so in ihren Ansichten verhaftet war, dass ihr jegliches Verständnis für ihre Position, ihre Situation und ihre Umgebung abging. Stattdessen erinnerte Utulimbor ihn eher an eine weise Mischung zwischen dem verstorbenen Professor Dumbledore und der etwas schrulligen Lehrerin für Wahrsagen, Professor Trelawney. Zumindest schien es den alten Leuchtturmwärter weder zu überraschen, dass Tasilien sich mehr oder weniger selbst zum Essen einlud – und Krummbein gleich mit dazu –, noch dass der fremde Halbkniesel aus Hogwarts stammte. „Ah, Hogwarts… Ja, ja, das Band, das einst geknüpft wurde, wird hier seinen Anfang nehmen.“ Bei diesen Worten warf Tasilien Krummbein nur einen vielsagenden Blick zu, ganz so als fände er seine gutgemeinte Warnung hinsichtlich der geistigen Verfassung des alten Mannes von zuvor bestätigt. Doch im Gegensatz zu dem jungen Kniesel verstand Krummbein als alter und erfahrener Kniesel-Kater sehr wohl den Sinn von Utulimbors Worten und wurde neugierig. Schließlich hatte er von Hermione oft genug die Implikationen und Komplikationen gehört, die mit Zeitreisen zusammenhingen und hatte er nicht selbst bei seinem Eintritt in den Raum der Wünsche eine solche Zeitreise unternommen, vorausgesetzt es handelte sich bei diesem Ort hier tatsächlich um Atlantis? Das war auch die erste Frage, die er dem alten Leuchtturmwärter stellte: „Ist dies hier tatsächlich Atlantis?“ Utulimbor nickte, während er den köstlich riechenden Fischeintopf auftat. „Ja, auch wenn du vermutlich gleich sagen wirst, dass diese Insel aber doch schon seit mehreren Jahrtausenden untergegangen ist.“ „Blödsinn!“, mischte sich Tasilien ein und zog eine der Schüsseln hungrig zu sich heran. „Inseln gehen nicht so einfach unter. Und Atlantis schon gar nicht.“ „So?“, erwiderte Utulimbor nur mit hochgezogenen Augenbrauen. „Was aber, wenn die Götter zornig werden und beschließen, eine Landschaft, eine Insel, und das dort lebende Volk zu strafen? Dann können sie dafür sorgen, dass sich die Erde unter dieser Insel öffnet und das Wasser über den Menschen hereinbricht, so dass zuletzt nichts weiter von der einstigen Landschaft übrig bleibt als glatte See. Denke immer daran, dass für die Götter nichts unmöglich ist. Vielleicht aber werden auch nur die Felder eines Tages unfruchtbar und die Bevölkerung gibt die Insel auf, bis Wind und Wetter nichts weiter als ein paar Klippen im Meer übriglassen.“ Erneut hielt Krummbein sich mit seinem modernen Wissen über Plattentektonik und andere geophysische Ereignisse zurück, denn wo Menschen an Götter glaubten, ließ sich auch jede wissenschaftliche Theorie durch die Götter erklären. Und sei es nur, dass diese in ihrer unendlichen Güte und Weisheit es den Menschen erlaubt hatten, diesen kleinen Aspekt des Universums zu erkunden und zu verstehen. Doch schließlich wollte Krummbein keine religiöse Diskussion vom Zaun brechen, sondern eher in Erfahrung bringen, welches Wissen Utulimbor über Hogwarts hatte. „Ich weiß allerdings nicht, wann dieser Untergang stattfindet, so weit in die Zukunft zu sehen, vermag ich nun nicht.“ Abermals zeigte Tasiliens Gesicht deutlich, dass er nicht ein Wort von dem glaubte, was der alte Mann sagte. „Ihr seid ein Seher?“, fragte Krummbein höflich. Er glaubte nur bedingt an die Kunst des Wahrsagens, war sich aber sehr wohl bewusst, dass viele Menschen auch nicht an Magie glaubten, er aber wusste, dass es sie durchaus gab und es somit schändlich wäre, die Existenz der Gabe des Sehens von vornherein auszuschließen. „In mach sternklarer Nacht, wenn es den Göttern gefällt“, erwiderte Utulimbor bescheiden. Krummbein nickte nur und kostet den herrlich duftenden Eintopf, auch wenn es ihm ein wenig schwer viel, den Löffel nach Menschart zu halten. Dann nahm er den eigentlichen Gedanken wieder auf. „Es wird also eine Verbindung zwischen Atlantis und Hogwarts bestehen, die für mich in der Vergangenheit, für euch aber in der Zukunft liegt?“ Nun sah Tasilien seinen neuen Freund an, als habe dieser wie der Leuchtturmwärter den Verstand verloren. Der alte Mann aber nickte nur. „Diese Verbindung wird dann entstehen, wenn die Kniesel die Geschicke des Leuchtturms in dritter Generation lenken und wird mit einer der Gründerinnen Hogwarts zu tun haben.“ „Kniesel werden nie Leuchtturmwärter“, warf Tasilien verbittert ein. „Alle Kniesel, die ich kenne, wollen nämlich lieber Jäger, Fischer und allenfalls noch Händler werden. Ganz selten mal Lehrer, aber nie will einer von ihnen Leuchtturmwärter werden. Immer wieder muss ich mir anhören, dass das nicht den Instinkten eines Kniesels entspricht.“ Krummbein grinste belustigt. „Und du bist kein Kniesel?“, fragte er den Jungen. „Natürlich bin ich ein Kniesel!“ „Und willst du nicht gerne Leuchtturmwärter werden?“, fragte der Halbkniesel weiter. „Ja schon, aber ich zähle nicht. Denn um Leuchtturmwärter zu werden, braucht es einen Schulabschluss, aber das hab ich dir doch alles schon erzählt.“ Tasilien war ein wenig verärgert, weil Krummbein ihn nur mit einem, in seinen Augen, überheblich wissenden Lächeln bedachte. Auch Utulimbor hatte ein ähnliches Lächeln aufgesetzt. „Ah, mein junger Freund, du magst zwar nicht täglich mehrere Stunden in einem jener Gebäude sitzen, wo einzelne Erwachsene Heerscharen von Kindern das Lesen und Schreiben beibringen, aber du besuchst sehr wohl eine Schule. Vielleicht sogar die schwierigste von allen: Die Schule des Lebens!“ „Pah!“, erwiderte Tasilien verächtlich. „Als ob mir so ein blödes Geschwätz von wegen Schule des Lebens ein Pergament mit dem Abschluss einbrächte! Und die Stadtväter achten bei Berufsbewerbungen doch nur auf solche Pergamente.“ „Wenn es nur um ein solches Pergament geht... Was sagst du, Tasilien, glaubst du, dass es dir gelingt, noch drei weitere Jahre den Stadtwachen zu entkommen und auf den Straßen allerhand Wissen aufzuschnappen? Wenn es dir gelingt und du dann immer noch Leuchtturmwärter werden willst, dann will ich dir ein Zeugnis ausstellen.“ Hoffnung kehrt in das Antlitz des Jungen zurück. „Aber... würde denn so ein Zeugnis überhaupt anerkannt?“ „Das lass meine Sorge sein“, erwiderte Utulimbor nur. Krummbein grinste. Er wusste zwar nicht, wie der alte Leuchtturmwärter es anstellen würde, aber für ihn stand fest, dass die Stadtväter das Zeugnis anerkennen würden. Was wiederum zur Folge hätte, dass Tasilien der Nachfolger von Utulimbor werden würde, und seine Kinder ihm wiederum nachfolgen würden. Vermutlich würde sogar der Besuch von ihm, Krummbein, der Grund dafür sein, dass Rowena Ravenclaw oder Helga Hufflepuff, wenn sie hierher gelangten, längst nicht auf so viel Unverständnis stoßen würden, wie er bei Tasilien. Eine interessante Zeitverknüpfung… Aber das klärte für ihn immer noch nicht, wie er hier her gekommen war. Denn der Raum der Wünsche war eben das: ein Raum. Er kein Portal zu Raum und Zeit. Oder vielleicht doch? Als er Utulimbor diese Frage stellte, denn der alte Mann schien ihm diesbezüglich erstaunlich verständig, erwiderte dieser nur philosophisch: „Ist es denn ausgeschlossen, dass ein solch wundersamer Raum, wie du ihn beschreibst, mehr als nur eine Tür aufweist? Was, wenn dieser Raum der Wünsche, wie du ihn nanntest, sich nur in der Lage sah, deinen Wunsch zu erfüllen, indem er dir eine Tür nach Atlantis schuf und im Gegenzug als Raum selbst unmerklich klein war, so dass dir nicht auffiel, dass es zwei Türen waren, die du passiertest?“ Diese Antwort klang zwar fantastisch, ließ sich aber nicht ganz von der Hand weisen. Und es war schließlich naiv anzunehmen, dass die Schülerschaft Hogwarts je das ganze Potenzial des Raums der Wünsche in Erfahrung gebracht hätte. Weshalb also sollte dieser wahrhaft magische Raum nicht auch die Möglichkeit bergen, die lineare Zeit außer Kraft zu setzen und Entfernungen auf ein Nichts zusammenschrumpfen zu lassen? Aber wie hing das damit zusammen, dass er sich ja eigentlich gewünscht hatte den Carrows zu entkommen, zu Hause zu sein? Hierauf lachte Utulimbor. „Aber Atlantis ist doch die Heimat der Kniesel! Sie sind die eigentlichen Ureinwohner dieser Insel. Wie es allerdings zu der sonderbaren Vermischung mit Katzen wie in deinem Fall gekommen ist, weiß ich leider auch nicht zu sagen.“ Den Rest des Tages verbrachte Krummbein eher nachdenklich auf der obersten Aussichtsplattform des Leuchtturms, während Tasilien Utulimbor eifrig zur Hand ging. Dabei wurde offensichtlich, dass der Junge nicht zum ersten Mal half die großen Spiegel zu polieren und Feuerbecken so vorzubereiten, dass die Signalfeuer darin auch die ganze Nacht über brannten, ohne von alter Asche erstickt zu werden. Erst als die Sonne langsam am Horizont unterging, riss Tasilien sich wehmütig von seiner Arbeit los. „Ich muss jetzt nach Hause, sonst kriege ich Ärger.“ Verwundert sah Krummbein Tasilien an. Wenn er ein stabiles zu Hause hatte, wieso waren seine Eltern nicht mehr darauf bedacht, dass ihr Sohn die Schule besuchte? Utulimbor schien seine Gedanken gelesen zu haben, denn er sagte leise: „Seine Eltern wissen nicht, dass er auch von der letzten Schule geflogen ist. Und solange er sich nicht dabei erwischen lässt, sondern pünktlich das Haus verlässt und am Abend wieder heimkehrt, fällt es nicht weiter auf. Aber wie ist es mit dir, mein Freund? Wird es nicht auch für dich Zeit, zurückzugehen?“ „Vermutlich“, gab Krummbein zu. Nicht, dass ihn viel zurück nach Hogwarts zog, andererseits war er sich darüber bewusst, dass er hier nicht wirklich hingehörte, diesen Ort nie wirklich als seine Heimat anerkennen würde. „Hey, Tasilien, kannst du mich wieder zu der Gasse bringen, wo du mich heute Vormittag gefunden hast?“ Der junge Kniesel nickte. Schließlich kannte er die Stadt wie seine Westentasche – wenn er denn eine Weste getragen hätte. „Aber dort wo ich dich gefunden habe, war nur blankes Mauerwerk“, wandte er ein. Krummbein nickte. Es wäre ja schließlich vom Raum der Wünsche auf unverantwortlich gewesen, das Portal nach Hogwarts, selbst wenn es sich als Katzenklappe gestaltete, offen zu lassen. „Ich schätze, ich muss mir wünschen, wieder nach Hogwarts zu kommen, damit die Tür für mich erscheint.“ Eine durchaus korrekte Annahme, wie der Halbkniesel wenig später feststellte, als er sich von Tasilien in der Gasse verabschiedete. Für einen Moment sah es so aus, als wollte sein neuer Freund ihn begleiten, doch Krummbein schüttelte nur den Kopf. „Nein, Tasilien, dein Traum ist nicht, in einer Schule fluchwütiger Todesser zu überleben und hoffentlich dazu beizutragen, das Böse zu besiegen, sondern Leuchtturmwärter zu werden.“ Damit trat er durch die Tür, die sich gleich darauf hinter ihm wieder in Mauerwerk verwandelte. Doch anders als bei seinem ersten Eintritt in den Raum der Wünsche, wo der Raum selbst zu so geringer Größe geschrumpft war, dass er den Raum als solchen gar nicht wahrgenommen hatte, war dieses Mal ein schwach beleuchtetes Bücherzimmer zu sehen, an dessen einer Wand ein Kamin mit einem kleinen, flackernden Feuer war. Doch fast noch mehr überraschte Krummbein, dass er noch nicht wieder seine tierische Gestalt angenommen hatte. Da trat, oder vielmehr schwebte eine geisterhafte Gestalt von einem der Lesesessel auf ihn zu. Der kluge Kniesel-Kater erkannte sofort, mit wem er es zu tun hatte: Dem Geist von Helga Hufflepuff. „Mylady“, grüßte Krummbein förmlich, verzichtete aber auf irgendwelche Ehrbezeugungen in Form einer Verbeugung oder eines Kratzfußes – so sicher fühlte er sich auf zwei Beinen dann doch noch nicht. Der Geist lächelte. „Ich hätte mir nie träumen lassen, dass die Verbindung, die ich einst mit Kastorilan eingegangen bin, einmal so weit gedeihen könnte…“ Und zu Krummbeins großer Überraschung erzählte ihm die Gründerin von der Zeit, wo sie den Raum der Wünsche mit ihren drei Gefährten geschaffen hatte, dass aber nur sie allein versucht hatte, das volle Potenzial des Raumes auszuloten. Wie sie dabei eines Tages in Atlantis gelandet war und sich in einen Kniesel verliebt hatte – und von ihm wiedergeliebt wurde: dem Enkelsohn Tasiliens. „Da Atlantis zu meiner Zeit bereits untergegangen war, konnte Kastorilan nicht mit mir hier her zurückkehren, aber gleichzeitig war ich in seiner Welt noch nicht geboren. Eine unmögliche Beziehung. Doch der Raum der Wünsche schuf eine Möglichkeit, indem er Kastorilan eine andere Gestalt bot. Jene Gestalt, in der die Menschen Kniesel heute wahrnehmen.“ Es war eine bittersüße Romanze gewesen, denn als katzenartiges Tier war Kastorilan nicht mehr in der Lage, Helga der Gefährte zu sein, der ein menschlicher Gatte ihr hätte sein können, aber letztlich hatten sie sich füreinander entschieden. „Immerhin hat es den Vorteil, dass ich mich heute nicht mit größenwahnsinnigen Nachkommen herumplagen muss“, beendete Helga mit einem Anflug von Galgenhumor und einer unverhohlenen Anspielung auf Salazar Slytherins Nachfahren Voldemort ihre Geschichte. Benommen starrte Krumbein sie an. Er verstand nicht ganz, weshalb sie ihm die Geschichte erzählte. Sicher, es beantwortete eine ganze Reihe Fragen, die er gehabt hatte, und letztlich wusste er, dass er auf weitentfernte Weise wohl mit seinem neuen Freund Tasilien verwandt war, doch welchen Grund hatte sie, sich ausgerechnet ihm, einem einsamen Knieselkater zu offenbaren? „Weil Hogwarts seine Schüler schützt, selbst wenn die Lehrer sich dazu nicht in der Lage sehen“, erwiderte die Gründerin lächelnd, als Krummbein sich danach erkundigte. „Du hast jetzt selbst gesehen, welche Möglichkeiten dieser Raum birgt. Nutze diese Möglichkeiten, mache sie den Schülern zugänglich. Sie werden dieses Wissen in den kommenden Wochen und Monaten bitter benötigen.“ „Aber ich bin doch nur ein Kater, ein Haustier“, widersprach Krummbein. Helga schüttelte belustigt den Kopf. „Du bist kein gewöhnlicher Kater. Das weißt du, und das wissen auch andere... Und nun geh dort durch die Tür, sie wird dich zurück in das eigentliche Hogwarts bringen.“ *** Stoßweiser Atem flog durch den gemauerten Gang, hastige Schritte hallten die steinernen Wände entlang, während weit entfernt, aber leider nicht weit genug entfernt, aufgebrachte Stimmen den Flüchtigen dazu aufforderten, endlich stehen zu bleiben und sich seinem Schicksal zu ergeben. Krummbein hatte die Verfolgungsjagd schon von weitem gehört, doch als er sah, wer da um die Ecke gefegt kam, stand sein Entschluss fest. Bei einem anderen Schüler hätte er vielleicht gezögert, doch während seiner Zeit im Gryffindorturm hatte er Neville Longbottom als einen Schüler kennengelernt war, der bereit war, ein Wagnis einzugehen. Mit einem lauten Fauchen, um die Aufmerksamkeit des Schülers zu erregen, sprang der Kniesel-Kater von seinem sonnigen Plätzchen auf der steinernen Fensterbank und rannte den Gang entlang. Dabei blickte er sich immer wieder nach hinten um, um sicher zu gehen, dass Neville ihn verstand und ihm folgte. Und tatsächlich schien der Gryffindor ihm instinktiv zu vertrauen. Bald schon fanden sie sich in dem Gang mit dem Wandteppich des ballettlehrenden Bekloppten wieder. Hastig fetzte Krummbein drei Mal vor der gegenüberliegenden Wand hin und her, immer mit dem Gedanken: Ich brauche einen Raum, wo die Schüler sicher sind! Den Rest würde er Neville einfach später zeigen müssen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)