Freaky Halloween! von Nea-chan (Das ~Coming Coser~ Halloween-Special!) ================================================================================ Kapitel 3: 3rd wizardry – Kitsch-Flirtereien & Ausflugspläne ------------------------------------------------------------ Chrissie kam fürs Erste mit bösen Blicken meinerseits davon, da Hyde, der sich uns gegenüber ja als verdeckter Zauberer geoutet hatte, ihr kaum einen halben Meter von der Pelle wich. Ich musste meine Mordpläne also wohl noch eine Weile aufschieben. Vampi-Gackt musste ebenfalls noch weiter ausharren, denn wir drei setzten uns um meinen Couchtisch zusammen wie ein hoher Rat, nur das unser absurd bunter Haufen nicht annähernd beeindruckend wirken konnte. Mit dem üblichen, grün funkensprühenden Schnipsen hatte auch jeder von uns ein großes Glas Kürbissaft in den Händen. Ob Hyde diesen J.K. Rowling Roman vielleicht etwas zu sehr verinnerlicht hatte? „Ein paar Bedienungshinweise noch zu diesem vampirischen Gackt-Exemplar.“ »Bedienungshinweise?!«, dachte ich stutzig während er fort fuhr. „Er wird mit ziemlicher Sicherheit fest davon überzeugt sein, dass seine Identität die Wirklichkeit ist. Er wird eine Vergangenheit haben und eine eigene Persönlichkeit besitzen. Wie viel Ähnlichkeit sein Wesen mit dem euch bekannten Gackt hat, wird sich erst noch zeigen.“ Ich meldete mich sichtlich irritiert zu Wort. „Äh, wenn dieser Vampir so authentisch ist, wie kann er dann nur eine Projektion von Chrissies Vorstellung von Gackts Vampir-Image sein?!“ Hyde schüttelte den Kopf, mir gegenüber erschien das ziemlich abschätzig und schon verfinsterte sich mein Blick wieder. Seine Augen hellten sich jedoch auf als er seinen Blick meiner Freundin widmete, die geschmeichelt zurücklächelte. „Diese zarte Majo hier hat so viel Talent, dass ich ihr zutraue, dass ihre Hexenkraft es möglich gemacht hat das Tor zu einem Paralleluniversum zu öffnen.“ Das war mehr als geschmeichelt. Chrissie sah in ihrem aufgeplusterten Kürbis-Kostüm alles andere als zart aus, tatsächlich versuchte sie andauernd ihren sperrigen Rock, der sich im Sitzen fast über ihren kompletten Oberkörper stülpte, sodass nur noch ihr Kopf rausguckte, runter zu drücken, damit sie uns überhaupt ansehen konnte. „Dann hat dieser kleine, verunglückte Heißluftballon hier ja doch keinen Projektionszauber vollbracht!“, stellte ich fest und freute mich wie ein schadenfrohes Honigkuchenpferd darüber, wie entrüstet Chrissie mich wegen meines Seitenhiebes ansah. Meine brillante Schlussfolgerung lies den smaragdgrünen Zauberer zusammenzucken und auf einmal recht verunsichert wirken. Sogar Chrissie zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen. „Was denn, jetzt sag bloß, das hat sie auch gar nicht und du hast das nur gesagt, weil du was vertuschen willst?“ Was bei mir schon wieder die Wut anheizte, ließ Chrissie anscheinend dahinschmelzen und plötzlich fühlte ich mich in einen kitschigen Shôjo-Anime versetzt. Um die Beiden herum schwirrten Glittersternchen, Seifenblasen und warmes, rosa-gelbes Licht umhüllte sie. Ich hätte angesichts der Herzchen in den Augen der Beiden fast mein teures Kostüm mit Erbrochenem beschmutzt, wäre mir nicht aufgefallen, dass dieses Phänomen sich nicht in meiner Einbildung abspielte, sondern Wirklichkeit war. Wenn ich mich abwendete stand hinter mir die gruselige Vampir-Statur die mich erschaudern lies und einfach so gar nicht kitschig wirken wollte, drehte ich mich allerdings wieder zurück, erklang wieder Engelsmusik und ich sah erneut dem Wolke Sieben Programm samt Special Effects zu. Mit zuckenden Augenbrauen fiel mein Blick auf das Zaubermikro des vermeintlichen Romeos, der sich über den Tisch hinweg zu Chirssie beugte, die ihm mit vernebeltem Blick entgegen kam. Ich schnippte unverdrossen grob gegen den Mikrokopf, der verdächtig zauberhaft flimmerte und schwupps! schon verpuffte die romantische Illusion und der Engelsgesang endete mit einem abgewürgten Gurgeln. „Ich unterbreche euch ja nur ungern“, was eine glatte Lüge war, „aber könnten wir bitte wieder zum Thema kommen?“ Die zwei Turteltauben sprangen auseinander wie aufgescheuchte Hühner, Chrissie schob nervös ihren Hut gerade und versuchte ihre glühenden Wangen zu kaschieren. Hyde räusperte sich nur wieder betont und tat, als hätte er nichts Verbotenes getan. „Ähem, also… ja. Ich bringe es nichts übers Herz so viel Potenzial im Keim zu ersticken, indem ich Majo Kabocha-chan dem obersten Hexenrat melde, sie ihre Prüfung nicht machen kann und man ihr doch wieder die Kräfte abnimmt oder Schlimmeres.“ Schlimmeres? Was sollte schon passieren? Immerhin musste sie ja schon öffentlich Petrol-Blau-Grün mit Kürbisfarbe kombiniert durch die Gegend tragen. Oder drohte ihr ein Schicksal als echter Kürbis? Hm, dann hätte ich mir meine Lynchpläne ersparen können… und ’ne leckere Suppe wäre auch noch rausgesprungen. „Na ja, soll mir egal sein. Fakt ist, der da ist echt“, ich deutete auf Vampi-Gackt, „und du ja anscheinend auch“, mein Fingerwink richtete sich gegen Hyde, „und du, Chrissie, ja wohl sowieso.“ Einstimmiges Nicken folgte. „Wenn meine Uhren hier noch alle richtig ticken - denn ich bin mir nicht so ganz sicher, ob das bei mir noch der Fall ist - haben wir noch cirka vier Stunden bis Mitternacht, wo alle Hexereien wieder unwirksam werden als wäre nie etwas gewesen. Was machen wir jetzt also mit der verbliebenen Zeit?“ Sogleich grinste Chrissie verheißungsvoll und Hyde setzte zum ersten Mal an diesem Abend einen Blick auf, den ich von dem bewundernswerten Sänger kannte und mochte und der so gar nichts mit irgendwelchem Zauberkrimskrams zu tun hatte. Chrissie sprang auf, ihr ballonartiger Rock wippte einige Male auf und ab. Mit gezücktem Zauberstab tänzelte sie von Couchtisch und Sofa weg und stellte sich in eine Magical-Girl Pose, die mich wie bereits erwähnt etwas an Doremi erinnerte. Ich konnte mich des Gedankens nicht erwähren, dass das Hyde imponieren sollte. Ich verkniff mir ein Augenrollen, stellte mein Glas ab, packte die schwere Seide, die mich einhüllte und machte mir wieder bewusst, wie toll ich eigentlich aussah und dass ich an diesem Abend noch viel Spaß haben konnte, wenn ich mein Hirn ein wenig ausschaltete und so tat, als wäre das alles um mich herum das Normalste auf der Welt. „Hyde-sama, wäret ihr so nett Gackts Starre aufzuheben?“, säuselte sie übertrieben bewundernd, dieses alberne Verhalten passte so gar nicht zu ihr. „Selbstverständlich.“, gab er hochtrabend von sich und richtete bereits bedeutend seinen Mikro-Zauberstab auf den Vampir. „Moment!“, schritt ich lautstark ein, „Würde bitte erst jemand dafür sorgen, dass er sich nicht gleich wieder auf mich stürzt?“ Unterstreichend – und weil Hyde schon wieder so auf meinen verrutschten Kimono glotzte – zog ich den Kragen höher, auch wenn es letztendlich sinnlos war. „Oh ja, beinahe vergessen.“, murmelte Hyde kaum hörbar, ich schnaufte beleidigt. Der Teil, der Zauberer an ihm war, wirbelte das Zepter um die eigene Achse und ich konnte nur hoffen, dass er meine Deckenlampe verfehlen würde. Nachdem er hochkonzentriert in der Raumluft rumgerührt hatte und anfing seine unumstößlich wunderherrliche Stimme erklingen zu lassen, löste sich abrupt ein so starker Luftstoß aus dem Mikro, dass es mich wortwörtlich nach hinten umriss. Ich schnappte nach Luft und atmete hektisch, zum Glück war ich noch nicht weit von meinem Sofa entfernt gewesen. „So, schon erledigt. Du besitzt jetzt die Macht darüber zu entscheiden, wie nah dir dieser Vampir kommen kann.“ „Ach tatsächlich? Man hätte meinen können, das war nur heiße Luft…“, grummelte ich spitz und richtete mich schwerfällig wieder auf. Hyde überhörte meinen Spruch, Chrissie sah mich allerdings an, als wäre ich eine einzige Meckertante an diesem Abend. „Diese heiße Luft hat es außerdem eingerichtet, dass du trotz deines freizügigen Aufzuges draußen nicht frieren wirst. Jetzt aber zu unserem Freund hier.“ Hyde begann erneut zu singen, seine Musik lies meine gelegentliche Wut auf ihn sofort verpuffen, ich musste ihn aber auch nicht anhimmeln, so wie es meine rothaarige Freundin quietschend tat. Ich lief zu meinen Fenstern, wo auch Chrissie stand, denn es war in diesem Moment der weit entfernteste Ort von Vampi-Gackt. Ein grellgrüner Blitz brach aus dem Zepter hervor, genauso wie der, der Gackt hatte erstarren lassen. Als er den Vampir traf, schüttelte dieser auch sofort irritiert den Kopf und blinzelte aufgeregt. Das was er eben noch zu beißen gedacht hatte war weg, er sah auf und entdeckte es – also mich – am anderen Ende des Zimmers, wie ich mich unbewusst hinter den monströsen Kürbis mit Beinen schob. Ein Knurren entfuhr seiner Kehle, doch Hyde bot ihm grinsend die Stirn. „Ich rate dir, dich zu benehmen. Ich kann dich jeder Zeit wieder erstarren lassen.“ Heimlich dachte ich mir, dass Hyde ihm auch mit Verbrennen durch Sonnenlicht hätte drohen können, denn wann immer er mit Chrissie turtelte, schien ihm die ja Sonne praktisch aus dem Hintern! „Wer seid ihr und was ist euer Begehr?“ Mein Herz machte einen flatterhaften Sprung beim Klang seiner noch so jugendlich klingenden, aber tiefen Stimme. Jetzt wo er in einer Sprache redete, die ich auch verstehen konnte. Dämliche Hormone… „Die Einzige, die dich vielleicht begehrt ist die hier.“, äußerte Chrissie halblaut und stieß mich dabei mit ihrem Ellenbogen an. Ich hätte ihr gerne knallrot wie ich war den Kopf abgerissen, doch ihr drohend erhobener Zauberstab und ihr böser Blick ließen mich den Protest wie einen dicken Klos hinunterschlucken. „Zicke.“, entgegnete ich schließlich und verschränkte beleidigt die Arme. „Du hast angefangen.“ „Du hast mir einen Blutsauger auf den Hals gehetzt!“ „Da stehst du doch drauf!“ „Auf was? Auf das Blutrünstige oder seine Fähigkeit mich willenlos zu machen?“ „Sei doch dankbar, dieser Gackt hier scheint immerhin auf dich zu stehen!“ „Ach so? Na dieser Hyde da tut das bei dir auch ohne verhext oder hungrig auf dein Blut zu sein!“ „Neidisch?“ „Eher angeekelt!“ Böse knisternde Blitze schossen zwischen uns hin und her. „Äh… Mädels?“ Chrissie und mein Streitgespräch hatte das gesamte Zimmer unterhalten, Hyde und Gackt sahen uns peinlich berührt und mit großen Augen an. Ich konnte das *Drop* im Raum quasi hören, typisch! „Welch seltsamer Ort und was für eigenartige Sitten hier herrschen… Wessen Reich ist dies?“ „Nun, das hier ist meine Einraumwohung.“, antwortete ich schwer schluckend. Vampi-Gackts Augen blitzten auf, als ich sprach. „Meine unbekannte Schöne aus dem Lande Einraumwohnung…“ Lautlos und fast schwebend bewegte er sich auf mich und Chrissie zu, immer unter dem strengen Blick des grün glitzernden Zauberers. Wieder sog er die Luft dicht um mich herum genießerisch in sich auf. „Ich erinnere mich, dass wir an anderer Stelle stehen geblieben waren.“, erzählte er betont geschwollen weiter und bleckte schon wieder die Zähne. „Nee, nee, die Nummer zieht kein zweites Mal, kauf dir ein Rumpsteak wenn du Heißhunger auf was Blutiges hast, meine Halsschlagader ist bis auf Weiteres tabu für dich!“ Mein Einspruch gegen seine Pläne zeigte Wirkung, es war als würde ein unsichtbares Stahlseil dafür sorgen, dass er mir selbst mit einem Aufgebot all seiner Kräfte nicht näher kommen konnte, als ich es zuließ. Ich musste schmunzeln. „Hyde, wenn ich jetzt Osuwari sage, dann macht er nicht zufällig Sitz wie Inu Yasha?“ Chrissie lachte leise auf, Hyde guckte nur verwirrt, ebenso wie Gackt, der so gar nichts von dem was um ihn herum geschah, zu verstehen schien. „Was ist das für ein Zauber, den ihr gegen mich verwendet? Welch Schande für mein edles Geschlecht, dass ihr mir einen Schluck eures betörenden Blutes verwehrt…“ Chrissie wedelte mit dem Zauberstab und schon hielt Vampi-Gackt, der sich grämend gerade unter seinen Umhang verkriechen wollte, ein kleines, blutrotes Tetra-Pack mit Strohhalm und einem fies grinsenden Kürbis darauf in den Händen. „Hexe!“, fauchte er feststellend. Chrissie verdrehte die Augen. „Oooo~h! Trifft mich jetzt total… Vampir!“ „Du wagst es, meine Gestalt ohne Furcht beim Namen zu nennen?“ „Fangzähne, unterkühlt, leichenblass und gelegentlich rot glühende Augen… na ja, ein Glücksbärchi bist du nicht gerade.“ Ein Grollen entstieg seine Kehle. „Du Hexe!“ „Du wiederholst dich…“, konterte Chrissie und täuschte ein gelangweiltes Gähnen vor. „Vorsicht, Majo Kabocha-chan, eine kluge Hexe provoziert niemals ein anderes, magisches Wesen. Besonders dann nicht, wenn sie nur zu Halloween ihrer Mächte Herrin ist.“ Gackt wand sich Hyde zu, der seine Schülerin liebevoll zurrecht wies. „Ihr…“, zischte der Untote weiter, „Was habt ihr vor mit mir? Wieso habt ihr mich hierher verbracht?“ „Nicht ich habe dich beschworen, sondern diese begabte, junge Kabocha Majo hier.“ „Nennt mich Enah, sonst fühle ich mich bald wie wandelnde Essware.“ Ich glaube, Hyde und Chrissie hätten auch chinesisch mit ihm reden können, sein Gesichtsausdruck wäre Derselbe, skeptisch und irgendwo darunter verunsichert von all den unbekannten Eindrücken. „Mein Name ist Camui, ein ruheloser Lord der Nacht aus Siebenbürgen.“ Irgendwie überraschte mich dieser Name nicht. Mal abgesehen davon, dass ich ihn schon als Beinamen von Gackt kannte, fand ich schon seit einigen Minuten, dass dieser Version meines Lieblingssängers dieses harte, eher modern klingende Synonym nicht stand. Camui klang perfekt zu seinem eleganten, fast puppenhaften Äußeren und der barocken Kleidung. Oh man, spinnte ich? Ich geriet schon wieder ins Schwärmen! „Was ist das für ein Gesöff?“ Er schnupperte argwöhnisch an dem Tetra-Pack. „Tomatensaft.“, antwortete Chrissie simpel. „Bah! Ein Gräuel für einen Gourmet wie mich!“, schimpfte er und hielt die Packung abschätzig eine Armlänge von sich entfernt. „Ey! Der ist sogar Bio!“ Ich legte freundschaftlich beide Hände auf Chrissies Schultern. „Mausi, ich glaube Camui ist ein reiner Karnivore. Das Einzige wo er vielleicht Unterschiede macht ist bei den Blutgruppen.“ „Magst du B+?“, fragte sie den Vampir direkt. „Hey! Hörst du wohl auf mich anzubieten?!“, wetterte ich, doch sie grinste schon. Bizarre Situation für solchen Humor… „Ich verstehe nicht, wovon ihr da sprecht, doch der Anblick der Schönen und ihr Duft betören mich mehr als alles jungfräuliche Blut je zuvor.“ „Chrissie, ich will meinen Wert ja nicht herunter spielen, doch hat der Kopfstoß im Badezimmer vielleicht doch eine Schraube bei ihm gelockert?“, flüsterte ich, ungläubig über das überschwängliche, wenngleich zweifelhafte Kompliment. „Möglicherweise hat Enah eine Art Prägung auf dich beschworen, da sie ihn ja extra für dich hergehext hat.“, versuchte Hyde es sich zu erklären. Wir hätten noch lange so weiter fachsimpeln können und Camui hätte trotzdem kaum etwas von dem verstanden, was wir erzählten. Gerade wenn er unseren Wort-Triaden nicht folgte, sah er sich in meinem bescheidenen Wohnzimmer um. Gegenstände wie der Fernseher oder der PC mussten schon ziemlich befremdlich für ihn aussehen, mal abgesehen von dem künstlich erzeugten Licht. Wie er wohl geguckt hätte, wenn ich meine Moon Child DVD angeschmissen hätte? Irgendwie war er ja so was wie eine Parodie auf Sho. „Also gut, meine Lieben! Ihr zwei hattet doch etwas vor für den Rest der Nacht, also lassen wir das Drumherumgeplänkel und widmen wir uns wieder dem Wesentlichen. Ihr wisst ja, unsere Zeit ist begrenzt!“ GROAHR~ Wir drei – Chrissie, Camui und ich – schraken von dem ohrenbetäubenden Grollen aus Hydes Richtung zurück. „Oh mein Gott, was wird das für ein fauler Zauber?“, fragte ich Hyde ängstlich. Er errötete und sah dabei aus wie ein kleiner Junge, der etwas ausgefressen hatte. „Das war wohl mein Magen.“ In einem Comedy-Anime wären die Umstehenden jetzt trocken umgefallen. Oberaufseher und Zauberer Hyde tippe seine beiden Zeigefinger aneinander, mit diesem niedlichen Anblick konnte man wirklich Mitleid haben. Meine Rechte Hand hob sich und mein Daumen zeigte nach rechts aus dem Wohnzimmer heraus. „Da ist die Küche, bedien dich einfach.“ Wahrscheinlich hätte er sich problemlos ein dick belegtes Sandwich herbeizaubern können, aber die Macht der Gewohnheit ließ mich dieses selbstlose Angebot unterbreiten, etwas Normalität konnte an diesem Abend schließlich nicht schaden. Wenn ich auch nur annähernd geahnt hätte, dass in Hydes Magen praktisch ein schwarzes Loch liegt, hätte ich womöglich doch zwei mal überlegt, bevor ich ihm Zugang zu meinem Kühlschrank gewährt hätte. Kaum eine viertel Stunde später herrschte dort nämlich gähnende Leere… „Ist der nach Mitternacht auch wieder voll?“, fragte ich eher pessimistisch gestimmt. „Bitte was?“ Ein unschuldiger Blick und Krümel im Mundwinkel sagten mehr als tausend Worte. „Ach, nicht so wichtig...“, resignierte ich. „So, können wir dann los?“, hörte ich Chirssie sagen. „Klar, wo soll es denn… hin… gehen…? Was treibst du da?!“ Meine rothaarige Freundin hing in der hintersten Ecke meines Wohnzimmers und versuchte in die enge Nische zu gelangen, wo mein Haushaltsbesen und mein teurer, feuerroter Miele Staubsauger stand. „Ich sorge für unseren Transport.“ Das klang so selbstverständlich, dass ich mir eine Entgegnung verkniff. Plötzlich stand Camui direkt hinter mir, lautlos wie ein Windhauch und mit seiner so kühlen Aura, dass sich mir die Nackenhaare aufstellten. „Verzeiht die Frage, aber glaubst ihr, die Hexe kommt in diesem ungünstigen Gewand zurrecht?“ Hey, direkt wurde er mir sympathisch. „Ich denke schon,“, antwortete ich und sah dabei zu wie sie fast vornüber fiel vor lauter Rock beim Bücken, „schließlich ist sie ’ne Hexe.“ „Lästert ihr da hinten über mich?“ Ein misstrauischer Blick traf ihn und mich. „Nein, niiieeemaaals!“ Ich musste Grinsen bei ihrem Gesichtsausdruck, ich klang doch nicht etwa ironisch? „Hier, mach dich mal lieber nützlich und halt das mal.“ Sie drückte mir meinen abgenutzten, blauen Haushaltsbesen in die Hand und schleifte selber meinen guten Staubsauger hinter sich her. Hyde kam gut genährt auch endlich mal wieder aus meiner Küche. „Den Besen versteh’ ich ja noch – auch wenn ich mir mehr was Schickes und Bequemes wie in Harry Potter erhofft hatte -, aber was willst du mit meinem Staubsauger?“ Warum sah mich meine Freundin eigentlich immer an, als wäre ich total blond, wenn ich solche Fragen stellte? „Drei nicht kontaktscheue Personen sollten auf deinen Besen passen, die Vierte nimmt den Staubsauger.“ In meinem Kopfkino spielte ich kurz einige mögliche Szenarien durch und schnell war klar, dass wohl weder ich noch Camui im Stande waren einen Staubsauger zu fliegen. War es überhaupt möglich einen Staubsauger zu fliegen?! „Nina, anstatt dir deinen Kopf darüber zu zerbrechen, wer wohl was fliegt – leugne es nicht, ich seh’ es dir an – mach dir lieber über deine Höhenangst Gedanken.“ Höhenangst?! „Aber, aber, aber…“ „Na hast du gedacht, wir klemmen uns den Besen zwischen die Beine und tun nur so?!“ Sprachlos stand mir der Mund offen. „Wir verplempern Zeit! Auf, auf! Hopp, hopp!“, zwitscherte Hyde glücklich dank vollem Bauch und hüpfte ein wenig in Jack Sparrow Manier in die Mitte des Raumes.“ „War Opium in euren Nahrungsmitteln?“, fragte Camui mich flüsternd. „Nein, das muss mehr so was wie ein Virus sein… denn meine Freundin da hat es auch infiziert.“ Ich musste nicht auf Chrissie zeigen, die beinahe genauso albern zu ihrem Meister tänzelte. „Ihr meint, eine Seuche?“ „So könnte man es auch ausdrücken.“ „Ähem, wir können euch hören.“, knurrte die Halloweenhexe drohend. Hyde sah uns streng an, so wie ein Lehrer, der einen mal wieder beim Briefchen Schreiben erwischte. „Wohin fliegen wir denn jetzt eigentlich?“, wechselte ich schnell das Thema. Chrissie sah jetzt wieder genauso unlustig aus wie ganz zu Anfang des Abends, ängstlich und verunsichert angesichts meiner Lust auf Horror und Grusel. „Ich werde ganz sicher nicht mit dir auf einem Friedhof rumgeistern. Ein anwesender Untoter reicht mir.“ Camui schnaubte und zeigte die Zähne. „In dem Aufzug könnten wir kleine Kinder erschrecken und ihnen die Süßigkeiten klauen!“ STILLE „Chrissie, du kannst ja richtig bösartig sein!“ So viel kriminelle Energie musste schließlich anerkannt werden. „Herzallerliebst deine Euphorie, liebste Majo Enah-chan… aber, äh, ich glaube du solltest deiner Freundin zur unter Beweisstellung deiner Hexenkünste vielleicht doch ein, äh, etwas anspruchsvolleres Programm bieten?“ Bäh, bei diesem Geschleime hing mir doch glatt die Zunge zum Hals raus. „Gut, dass du nicht Christins Führerscheinprüfung machst… das wäre geradezu fahrlässig…“, murmelte ich leise vor mich hin. „Ich schlage dir einen Ausflug zur Burg Frankenstein vor. Dort wird ganz im Stil von Halloween eine schaurig schöne Show von allerlei Darstellern und Künstlern geboten. Angstgeschrei und Gänsehaut sind dort garantiert!“ Ich musste mich zurückhalten nicht zu applaudieren, Hyde hätte das Zeug in einem Werbespot mitzuspielen! Oh, tat er das in seinem anderen Leben als Star nicht sogar schon? Chrissie zog die Nase kraus. „Mäh… wenn es denn sein muss.“ Sie schwang ihren knöchernen Zauberstab herum, verwirbelte mal wieder meine Papiere und schon schwebten unsere vermeintlichen Fortbewegungsmittel von uns weg, bereit um bestiegen zu werden. Gut, dass ich das nicht laut ausgesprochen hatte. „Ich als Zauberer, zuständig für misslungene Zaubereien aller Art, sehe es als meine Pflicht an, dir die Last der Verantwortung für den unbeschadeten Transport dieser zwei… äh na, 1,5 Zivilisten abzunehmen und sie für dich sicher zu befördern.“ Na wenigstens gestand Hyde in seiner überfachlichen Rede Camui immerhin 50 % Menschlichkeit zu. „Was meint der Zauberer mit Zivilisten?“, fragte mich der Vampir, schmeichelhaft das er sich trotz Blutabstinenz an mich heftete. „Dich und mich.“ „Aber sind wir nicht zwei?“ „Nicht in der heutigen Zeit.“ Er wollte bestimmt noch etwas zu meiner Stellungnahme sagen, doch wenn ich ihm jetzt anfing das 21. Jahrhundert zu erklären, würde er womöglich noch Amok laufen. „Dann hab ich den Staubsauger für mich alleine?“ Chrissie sollte eigentlich erfreut klingen, doch auch ich war mir nicht ganz so sicher wie ein Flug auf einem Staubsauger aussehen sollte, also verstand ich ihren unsicheren Blick. „KABOOM!“, rief Hyde laut aus, erzeugte einen grün leuchtenden Wirbelsturm in meinem Zimmer der meinen Computer zur Seite schob, die Vorhänge zur Seite riss und die Fenster imposant aufspringen lies. „Aufsteigen und los geht’s, die Halloweennacht wartet auf uns!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)