Despair von Noveen (Abgründe einer Seele) ================================================================================ Kapitel 7: Wahrheit ------------------- ► Hallo liebe Leser, heute gibt es mal ein kleines Vorwort von mir. Wir kommen jetzt Schritt für Schritt der Wahrheit über Jin und Kris, sowie der ominöse Beziehung der Beiden, näher. An dieser Stelle (vorallem nach dem Kapitel) würden mich eure Ideen interessieren. Habt ihr vielleicht schon einen Verdacht wie die Wahrheit aussieht? Dann lade ich euch gerne ein mir per Mail oder per Kommi diesen mitzuteilen... Ich freue mich schon^-^ Noch eine kleine Anmerkung bevor es losgeht. Für die, die sich die Villa mal ansehen wollen und denen meine Beschreibung nicht reicht, können sich gerne den Prototyp für meine Fantasie angucken^^ Die Veranda müsst ihr euch allerdings vorstellen. xD http://www.villa-fuerstenberg.com/tl_files/villa/layout/bild_villa.jpg Viel Spaß beim Lesen. _________ Es gingen ein paar Tage vorüber. Bisher wurde noch keine direkte Ursache für den Brand gefunden. Alle gingen von einem Maschinendefekt aus, der den Brand ausgelöst haben konnte. Aber Niemand war sich sicher… Das Krankenhaus war nun aber nicht mehr für die Ärzte und Patienten zugänglich. Was bedeutete, dass sie umziehen mussten. Das nächstgrößere Krankenhaus war das St. Mungo, doch auch wenn einige der Ärzte dort ab und an aushalfen und arbeiten gingen, wiederstrebte es ihnen allen in diesen Massenbetrieb einzusteigen. Dort war nichts von der Atmosphäre des Mary Hope vorhanden. Alles war zu groß, zu hektisch und viel zu fremd, auch für die Patienten die es solange anders erlebt hatten. Amber McKinnon ließ sämtliche ihrer Kontakte spielen und konnte schließlich eine neurenovierte Villa, nahe des Mary Hopes (oder das was davon noch übrig war) als Übergangslösung organisieren. Die Villa war zwar komfortabel für Wohnzwecke, aber für ein Krankenhaus nicht groß genug und natürlich nicht entsprechend eingerichtet. Dank vieler Spenden von Angehörigen der Patienten und dem St. Mungo, konnten sie es aber in wenigen Tagen zumindest notdürftig mit den benötigten Liegen und der notwendigsten medizinischen Versorgung ausstatten. Trotzdem war es keine gute Lösung. Es gab keinen Fahrstuhl, dass hieß, dass alle Patienten die nicht laufen konnten die Treppen hinaufgetragen werden mussten, wenn es nötig war. Auch gab es wegen Platzmangel nur noch wenig Privatsphäre unter den zu Behandelnden was das Klima auch ungemein belastete. Immer wieder mussten die Ärzte Streit schlichten und trösten… versichern das diese Lösung nicht für immer war. Und das nagte ungemein an den Nerven aller Beteiligter. Jin bekam von alle den Anfangsschwierigkeiten nur wenig mit. Er war einige Tage krankgeschrieben worden, was aber auch bedeutete, dass er den Kleinen nicht mehr sah. Erst jetzt wurde ihm bewusst wie sehr der Junge sein Leben bereits beeinflusste. Sämtliche Beerdigungsvorbereitungen waren ins Stocken geraten, seit er ihn genauer kannte und alles versucht hatte ihn wieder aufzubauen. Und nach all den Bemühungen hatte er einfach seinen Namen gerufen… Er konnte es noch immer nicht fassen! Immer wieder schreckte er aus seinem Schlaf hoch, weil er diese Stimme zu hören glaubte. Das war ja nicht mehr normal! Von wegen berufliche Distanz. Auch wenn er seinen Standpunkt gegenüber seinen Kollegen immer verteidigt hatte, so langsam zweifelte er selbst daran. Normal konnte das jedenfalls nicht sein. Und da er sich eigentlich wieder fit fühlte, stürzte er sich Hals über Kopf in die schon lang überfällige Vorbereitung der Beerdigung um sich abzulenken. Doch so wirklich wollte ihm das nicht gelingen. Immer wieder trifteten seine Gedanken ab. Es war zeitaufwendig und anstrengend. Aber am Ende seiner Krankschreibung stand die Beerdigung mitsamt Termin und allem Drum und Dran fest. Wenigstens etwas, und trotzdem vergingen die Tage so verflucht langsam. Er wollte den Kleinen endlich wiedersehen. Dieses schiefe Lächeln betrachten, das ihn immer mit Glückseligkeit erfüllte, wenn der Andere es ihm schenkte. Andererseits graute es ihm davor zurück zugehen. Nur zu gut erinnerte er sich was vor dem Brand passiert war. Auch wenn er eigentlich nicht nachttragend war, sein verletzter Stolz stach schärfer als jede Nadel… Und auch wenn Adam und Yulia danach nett und normal gewesen waren, es war einfach eine Ausnahmesituation gewesen in der sie sich befunden hatten. Wahrscheinlich hatten sie gar nicht mehr an den Zwischenfall gedacht. Aber er konnte das nicht einfach vergessen. Auch wenn er wusste das die Anderen vielleicht Recht hatten und er, trotz aller Bemühungen seinerseits, zu viel für den kleinen, misshandelten Jungen empfand…- Amber hatte ihn mit ihrer Entscheidung tief verletzt. Vor allem da er mit aller Macht versucht hatte seinen Kollegen zu helfen und zwischen ihnen und dem verschüchterten Patienten zu vermitteln. Kopfschüttelnd schob er den Gedanken beiseite. Er durfte nicht darüber nachdenken, sonst wurden die anstehenden Tage für ihn zur Qual. Zumindest sollte er versuchen es zu verzeihen und sich vor den Anderen erst einmal nichts anmerken lassen. Auch wenn es schwer fiel. Insgeheim verfluchte er den Stolz, der anscheinend Erbmaterial seiner Familie war, jedenfalls soweit er den Stammbaum zurückverfolgen konnte. Sie würden es schaffen. Das Kollegium vom Mary Hope hatte schon so viel zusammen durch gestanden… es war ein langer, steiniger Weg gewesen, bis sie bei den Bewohnern des Dorfes und der umliegenden Städte anerkannt worden war und auch nur ansatzweise eine Konkurrenz für das St. Mungo zu werden – das bis dahin das einzige bekannte Krankenhaus in der Umgebung war. Dieser kleine Streit war gegen den Kampf damals lächerlich! Er durfte seine Verletztheit bloß nicht zeigen und trotzig reagieren, dann würde das schon alles gut gehen. Mit diesen Gedanken versuchte Jin sich zu beruhigen. Er würde das schon schaffen. Morgen war es dann soweit… erst dann würde es sich lohnen sein Vorgehen weiter zu planen. OoOoO Er wachte schon früh am Morgen auch und merkte verblüfft das er so aufgeregt war wie damals als er seine Arztprüfung in der Muggelwelt abgelegt hatte. Unfassbar. Doch davon ließ er sich nicht lange irritieren und führte seine Morgenhygiene durch, brühte sich einen starken Kaffee und aß einen Happen auf die Hand, bevor er sich – eigentlich viel zu früh – auf den Weg zur Arbeit machte. Ihm war klar, dass es viel zum Einarbeiten gab. Mit seiner Woche Urlaub war er insgesamt 2 Wochen nicht mehr anwesend gewesen und das war einfach viel Zeit. Er glaubte zwar nicht das Amber, bei ihrem Ausnahmezustand zur Zeit, neue Patienten annahm, aber trotzdem wollte er früh da sein um sich in Ruhe die neusten Entwicklungen und Eintragungen zu Gemüte zu führen und vielleicht fand er sogar die Zeit und konnte sich vor seiner Schicht mit seinen anwesenden Kollegen aussprechen?! Das wäre das Beste was er sich vorstellen konnte. In Gedanken malte er sich bereits das klärende Gespräch aus, während er zur neuen Adresse (die ihm Adam per SMS geschickt hatte) fuhr. Erst als er an dem ehemaligen Krankenhaus vorbei fuhr, erwachte er wieder aus seinen Gedanken. Der Parkplatz war leer, was schon für sich ein Anblick war, den er niemals hätte mit seiner Logik vereinbaren können… jetzt war er Grausame Wirklichkeit. Das eigentlich schöne Haus sah nun aus wie eine abgebrannte Ruine. Die Fenster säumte ein schwarzer Rand und aller Putz war durch die Hitze abgeblättert. Doch das Schrecklichste, war das eingefallene Dach… Die Balken und der Dachstuhl waren noch altmodisch aus massivem Holz gewesen, doch dieses hatte dem Feuer nicht lange standgehalten und das gesamte schöne, weinrote Dach war eingebrochen. Jins Herz zog sich zusammen als er das Mary Hope in diesem Zustand sah. Das Haus und alles was er damit in Zusammenhang brachte, bedeutete für ihn Familie, Glück und Berufshingabe…- umso schrecklicher war es für ihn jetzt all das zu sehen. Schweren Herzens wand er den Blick ab und fuhr weiter gerade aus. Doch die trüben Gedanken blieben. Er kam auf den kleinen Parkplatz vor der Villa an. Als er aus dem Auto stieg und sich umschaute, konnte er nicht anders als zu staunen. Auch wenn es natürlich nichts im Vergleich zu vorher war, hätten sie es wirklich schlechter treffen können. Amber schien sich wirklich ins Zeug gelegt zu haben. Die Villa war zwar wesentlich kleiner als ihr ursprüngliches Krankenhaus, doch von außen wirkte es viel ansehnlicher. – Es lag näher am Stadtwald, was an sich imposant aussah… hinter dem Haus war weit und breit nur Land und Wald zu sehen. Es war in rot und weiß gehalten, sein Dach war schlicht grau. Die riesige Veranda vor dem Haus war mit allerlei Grünpflanzen dekoriert worden, vier riesige, stabile Säulen ragten auf und stützten den Balkon der von der zweiten Etage aus zugänglich war. Sie umrahmten die Tür und ließen das Gebäude noch majestätischer aussehen. Die Tür war eine schwere Holztür mit verschnörkelten, altmodischen Klopfring. Sie und die Fensterläden waren in einem dunklen Rot gehalten, während der Rest des Hauses in schneeweiß erblühte. Was ihn verwunderte war allerdings, dass alle seiner Kollegen anscheinend schon vor ihm da waren. Wieso das? Jedenfalls sagten ihm das all die Autos, die bereits um das Gebäude herum geparkt waren. Unsicher schritt er auf die große Holztür zu und atmete einmal tief durch, ehe er sie aufstieß. „WILLKOMMEN ZURÜCK!“ Schrie es von allen Seiten. Erschrocken zuckte Jin einen Schritt zurück. Was?! Völlig geplättet fing er den strahlenden schwarzhaarigen Jungen auf, der in seine Arme stürzte und sich sehnsüchtig an ihn drückte. Verständnislos blickte er seine Kollegen und Patienten an, die alle in der kleinen Vorhalle versammelt standen bzw. saßen und ihn angrinsten. Der ganze Raum war mit Girlanden und Luftballons geschmückt und hinter den Leuten erkannte er ein langes Büffet. Viele kleine Bänke luden zum Hinsetzen ein und überhaupt sah hier alles nach einer Party aus… Was wurde hier denn gespielt? Amber trat zu ihm und den Jungen, der immer noch in seinen Armen lag. „Schön, dass Sie wieder da sind, Jin…“, sagte sie und hielt ihm ihre Hand hin. Ihr altes Gesicht war freundlich und um ihre Augen hatten sich Lachfältchen gebildet. Aus Reflex schob Jin den Jüngeren in seinen linken Arm und gab ihr seine Hand. Trotzdem wusste er nicht, was er sagen sollte. Hatten sie hier etwa auf ihn gewartet? Aber sie hatten doch schlecht wissen können das er früher kam…, außer… Adam! Er blickte kurz zu seinem Freund hinüber, der verschmitzt lächelte. Mistkerl! Hätte er ihn nicht vorwarnen können! „Ich möchte keine langen Reden halten hier“, riss ihn seine Chefin wieder aus seinen Gedanken. „Ich wollte mich noch mal in Namen des ganzen Kollegiums bei Ihnen entschuldigen. Wir haben überreagiert. Aber ich hoffe sie wissen, dass wir uns alle nur Sorgen um Sie und das Wohl des Kleinen gemacht haben.“ Jin hörte das allgemein zustimmende Gemurmel der Anderen und konnte nicht anders als zu lächeln. „Natürlich weiß ich das, auch ich sollte mich entschuldigen. Ich denke wir haben alle unsere Fehler gemacht.“ „Das heißt, du bist nicht mehr Böse auf uns?“, wollte Yulia sichtlich erleichtert wissen. „Nein… nicht mehr allzu sehr!“, lachte Jin. Die Anderen Kollegen stimmten mit ein. „Das freut uns sehr.“ Nun beugte sich Amber zu dem Schwarzhaarigen hinunter, der sich immer noch nicht von seiner Position bewegt hatte. „Und bei dir, Kleiner, wollten wir uns auch noch einmal entschuldigen. Wie du siehst ist jetzt alles wieder gut. Und ab jetzt kommt so was auch nicht mehr vor, okay?“ Der Angesprochene, der sich in Jins Armen sicher zu fühlen schien, nickte ohne auch nur zurückzuweichen. „Gut. Und da dein Block und der Stift, die dir Jin geschenkt hat, ja leider im Feuer verbrannt ist, dachte ich mir, dass es eine gute Entschuldigung ist.“, fuhr die Alte Ärztin fort und hielt dem erstaunten Kind einen neuen Block hin. Es war ein schöner, schlichtgehaltener, schwarzer Notizblock mit weißen Ornamenten auf dem Deckel. An der Seite, wo ein Gummiband die Blätter zusammenhielt, waren Vertiefungen in das Papier eingestanzt worden. In diesen lagen ein schöner, silberner Füller und ein edel aussehender Bleistift. Der Kleinere sah die Leiterin noch eine Weile an, so als erwarte er, dass sie ihr Geschenk wieder zurücknahm. Doch als nichts dergleichen geschah, löste er sich vorsichtig von Jin und nahm schüchtern den Block an sich. Offenbar erfreut drückte er das Schreibutensil an sich und schien einige Minuten mit sich zu ringen…unsicher sah er zu der Frau vor sich auf und bekam ein liebenswürdiges Lächeln geschenkt. Schließlich ging er auf sie zu und drückte sich kurz an sie, ehe er wieder in der schützenden Umarmung von Jin Zuflucht suchte. Amber schien sprachlos zu sein. Jin lachte leise und strich den Jüngeren sanft über die Haare. Er konnte sich vorstellen was für eine Überwindung es den Kleinen gekostet hatte so etwas zu tun. Doch anscheinend war er genauso gerührt wie er selbst über diese Geste der Anderen. „Können wir dann endlich anfangen zu feiern?“, unterbrach die kleine Lissa den Augenblick ungeduldig. Wieder lachte alles und plötzlich lösten sich alle Spannungen zwischen den Anwesenden. „Lasst uns anstoßen.“ Jeder bekam ein Glas in die Hand gedrückt (natürlich Alkoholfrei schließlich waren die meisten der Anwesenden minderjährig!) und wie auf Kommando hoben es alle. „Auf unsere Gesundheit und einen guten Neuanfang.“ „Auf den Neuanfang!“ „Und auf weniger Streit!“ „Auf gar keinen Streit meinst du!“ Alle prosteten sich zu und tranken. Danach war Jin erst Mal gefragt. Jedes Kind wollte von ihm begrüßt werden und mindestens hundert Mal erzählte er seine Geschichte vom Feuer und seiner Rettung… natürlich in abgeschwächter Weise für Kinderohren. Als diese Neugierde auch gestillt war, löste sich die Gemeinschaft etwas. Manche gingen zum Büffet und aßen etwas, andere fanden sich in Gruppen zusammen und unterhielten sich leise. Jin ließ sich auf einer der Bänke nieder. Die Überraschung war den Anderen wirklich gelungen. Verdammt, er war immer noch total überrascht… Dieser verfluchte Adam! Das würde er noch bereuen… ihn so mir nichts dir nichts in eine Party reinrennen zu lassen! Ein sanftes Ziehen an seiner Hand, ließ ihn auf sehen. Da stand die Person, von der er Tage lang geträumt hatte und nicht einmal wusste wieso. „Hey, Kleiner.“ Fragend sah der Schwarzhaarige ihn an. „Was denn?“ Er deutete auf die Bank, danach auf sich. „Natürlich darfst du dich zu mir setzen…“, lächelte Jin und machte etwas Platz. Doch anstatt sich neben ihn zu setzen, schob er die Hände des größeren beiseite und krabbelte auf seinen Schoß. Jin lachte leise und ließ es zu das der Jüngere sich an ihn schmiegte. „Schön, dass du wieder da bist…“, flüsterte er leise, mit dieser wundervollen Engelsstimme. Jin sah ihn verblüfft an. Sein Herz setzte einen Moment lang aus… Wie viele Überraschungen dieser Art sein Herz wohl noch aushalten würde? Als er merkte das der Kleinere unsicher wurde, anscheinend dachte er, er hätte irgendetwas Falsches gesagt, zog er ihn näher zu sich und schloss ihn in die Arme. „Es ist so schön… endlich sprichst du mit mir…“, flüsterte er zurück und spürte wie sich der Andere an ihn klammerte. Anscheinend hatte er jemanden gebraucht, der ihn so nahm wie er war… Und wieder fragte er sich wer diesen wundervollen Jungen nur so hatte brechen können? Und warum verflixt nochmal er ihn so derart anzog?! OoOoO Er war so glücklich. So wohl hatte er sich lange nicht mehr gefühlt… Keiner schien mehr sauer auf ihn zu sein. Alle waren freundlich, gingen auf ihn ein… und bald würde er auch Jin wiedersehen. Er hatte ihn versprochen, dass er nach dieser Woche wieder kam. Und das konnte er gar nicht erwarten. Seit der spektakulären Rettung, über die die Nachrichten stetig berichteten, war er sich absolut sicher. Er würde mit Jin reden. Auch wenn er enttäuscht würde, er musste es auf jeden Fall versuchen!...- Aber wann hatte ihn Jin schon Mal enttäuscht? Er konnte sich an kein einziges Mal erinnern. Wenn es jemand wert war, dass er mit ihm sprach dann er! Wie er wohl reagieren würde? Sicher würde er ihn nicht schlagen, so wie sein Ziehvater… Der Schwarzhaarige erschauderte. Daran sollte er nicht denken! Schwarz wie Teer und genauso zähflüssig schwappte der Traum von vor wenigen Tagen, genauso wie zahlreiche Erinnerungen über ihn herein. » Mach endlich deine Beine breit, du kleine Hure! « »Wer bist du schon? Du bist doch nur namenloser Dreck, der sich bei mir mit durchfüttert. Wenn du nicht auf der Straße oder im Heim landen willst, machst du besser was ich sage… - « Mit aller Macht schob der Junge die schnarrende Stimme des Mannes beiseite, die sein Leben dominiert hatte. Er wollte dieses Ungeheuer endlich vergessen…- Er war doch entkommen! Keiner wusste wo er herkam und solange das so blieb, würde auch keiner auf den Gedanken kommen ihn in diese Hölle zurückzuführen. Mit all seiner Kraft verbannte er die Erinnerungen wieder hinter den grauen, dichten Vorhang in seinem Geiste… dort würden sie bleiben… aber sie waren unsichtbar… Hinter diesem Vorhang lauerten so viele Schatten, die nach seiner Aufmerksamkeit schrien… Doch wenn er sich einen davon zuwandte, würde er alle anderen dieser Schattendinge auch sehen, ob er nun wollte oder nicht. Und davor hatte er Angst… Das wollte er einfach nicht…! Unruhig lief er in seinem neuen Zimmer hin und her. Er war einer der wenigen der ein Einzelzimmer bekommen hatte und auch wenn das wieder zu Streit geführt hatte, war er den Ärzten doch sehr dankbar dafür. Er hätte einfach die permanente Anwesenheit eines Fremden nicht ertragen… Er wollte alleine sein. Eigentlich. Doch wenn er ehrlich zu sich selbst war wollte er nur den jungen Doktor sehen. Alles in ihm sehnte sich nach dem Dunkelhaarigen und der Gedanke an ihn, verscheuchte alle Monster und Erinnerungen die in ihm lauerten. Auch wenn er immer noch kein Grund wusste. Er wollte sich in die Arme von Jin schmeißen und gehalten werden. Er sehnte sich nach diesem warmen, leicht distanzierten Lächeln und der angenehmen Baritonstimme. Und er konnte es nicht mehr erwarten bis es endlich wieder Montag wurde! Nur noch drei lange Tage… Er wurde aus dem Gedanken gerissen als einer der Arzthelfer ihm sein Essen brachte. Er stellte es auf den Tisch, der neben der Tür stand und nickte ihm zu. Der Schwarzhaarige steuerte auf den Tisch zu und nahm vor dem Tablett Platz. Dankend nickte er den Anderen zu, bevor er sich der dampfenden Suppe widmete. „Brauchst du sonst noch irgendwas?“ Er schüttelte den Kopf. „Okay, dann lass ich dich wieder alleine… Lass es dir schmecken!“ Dieses Mal nickte er wieder. Danach war der Ältere auch schon verschwunden und ließ ihn wieder mit seinen Gedanken und dem Essen alleine. OoOoO „Schön, dass du wieder da bist…“ Sein Herz schlug nach diesen Worten, die er seinen Lieblingsarzt ins Ohr geflüstert hatte, wie ein Presslufthammer. Er war so aufgeregt. Er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen und konnte sich auf fast gar nichts mehr konzentrieren, außer auf das Gesicht vor ihm, dass keine Regung zeigte. Hatte er vielleicht etwas Falsches gesagt? Dabei war er sich so sicher gewesen… Warum sagte er denn dann nur nichts? Unruhig fixierte er seine Hände, die sich in seine Hose krallten… Wenn er ihn jetzt zurückwies würde er sterben. Da war sich der Schwarzhaarige ganz sicher… Und plötzlich kam Bewegung in den Körper unter ihn. Hände packten seine Schultern. Er zuckte bei der jähen Bewegung zusammen. Würde er ihn doch schlagen? Hatte er sich so getäuscht…? Nein! Sanft wurde er an einen sehnigen Körper gepresst und starke Arme umschlossen ihn. Arme die ihn schon so oft gerettet hatten… In jeder Art auf die ein Mensch einen Anderen nur retten kann. „Es ist so schön… endlich sprichst du mit mir…“, wurde nun auch ihn zugeflüstert. Sein Herz, was die ganze Zeit im Rekord geschlagen hatte, setzte aus… Nur um erneut mit erhöhter Frequenz seine Arbeit wieder aufzunehmen. Nicht vor Angst… vor Glück! Er hatte sich doch nicht in ihm getäuscht. Wie hatte er auch je denken können Jin schlage ihn? Ha. Seelig klammerte er seine Hände in das T – Shirt des Anderen und schmiegte sich schutzbedürftig an ihn. Alles in ihm flatterte von einem so heftigen Gefühl, was ihn vage bekannt vorkam… doch er konnte sich nicht erinnern so etwas in seinem bisherigen Leben jemals gefühlt zu haben. „Jin?“, fragte er unsicher. Das erste Mal das er ihn ansprach. „Hm?“, reagierte der Andere sofort, so als ob sie niemals etwas anderes gemacht hatten. Das Herz des kleinen Schwarzhaarigen hüpfte beschwingt. Er hatte die anderen Menschen um sich herum längst ausgeblendet. „Ich,…- ich…“ Er biss sich auf die Lippen. Was sollte er nun sagen? Eigentlich wollte er nur einmal diesen Namen auf seinen Lippen fühlen… und es hatte sich gut angefühlt. „Wie… wie heißt du eigentlich weiter?“ Wie dumm war die Frage denn bitte? Hätte ihm nicht was Besseres einfallen können?! Wieder einmal total verunsichert wartete er auf die Reaktion des Anderen. Augenblicke später vibrierte die Brust unter ihm. Jin lachte? Ja tatsächlich… er lachte! „Jinai Hatori, wenn du meinen vollen Namen wissen willst.“ Oh! Dann war Jin also nur eine Kurzform… Der Kleinere lächelte. Es fühlte sich irgendwie so an, als würde er nun mehr wissen als alle anderen,… was sicher absoluter Quatsch war… Namen waren ja kein sehr behütetes Geheimnis. Und trotzdem explodierte irgendwas in seinen Bauch und füllte diesen mit angenehmer Wärme. „Verrätst du mir jetzt auch deinen Namen, Kleiner?“ Wieder einmal brachte er sein Herz dazu auszusetzen. Doch dieses Mal war es sehr wohl Angst. Nein! „Ich… ich…“ Er spürte wie seine Wangen heißer wurden. Wie sollte er das denn nur erklären? Unruhig rutschte er auf den Schoß herum. Plötzlich fühlte er sich nicht mehr so wohl bei der vielen Nähe ... eher fürchterlich in die Enge getrieben. „Kleiner?“, sah ihn der Arzt fragend an. Irgendwas musste er ihm sagen. Er wollte ihn nicht enttäuschen, nicht jetzt! „Ich … ich hab keinen Namen“, würgte er zittrig heraus. Ihm war als müsse er in seiner eigenen Schamesröte ertrinken. Sein ganzes Gesicht brannte. Zuerst sah der Andere ihn verständnislos an, kurze Zeit später hoben sich seine schmalen Augenbrauen in die Höhe. Oh nein… glaubte er ihm etwa nicht?! „Wie meinen…?“ „Mein …- mein Ziehvater hat mir keinen… keinen Namen gegeben…“, stotterte er hilflos. Das war die Wahrheit! Er log nicht! Flehend sah er den jungen Mann vor sich an. Er musste ihm doch glauben. „Er hat dir keinen Namen gegeben?“, wollte Jin fassungslos wissen. „Hattest du keine leiblichen Eltern?“ „Ich… nein… ich hab sie nie kennen gelernt… seit ich mich erinnere ihn…“, schluchzte er überfordert. Die Erinnerungen drängten wieder mit aller Macht nach draußen. Und mit ihnen kamen die Tränen. „Er hat immer gesagt… ich ver – verdiene keinen Namen… und mich immer nur mit… du ange – sprochen… ich…“ Jetzt schüttelte ihn ein richtiger Weinkrampf und ihm fehlte einfach die Luft zum Weiterreden. Wimmernd klammerte er sich an den Anderen und versuchte sich zu beruhigen und die Erinnerungen zurück hinter den Vorhang zu schieben… dort wo sie hingehörten! Aber so einfach ließen die sich nicht vertreiben. „Sch,… ruhig Kleiner…“, wurde er aus dem grauen See der Erinnerungen gerissen. „Ist gut, Kleiner. Beruhig dich… Komm schon, atme tief ein und aus. Genau, so ist gut.“ Japsend versuchte er zu atmen. Der warme Körper, an den er jetzt gedrückt wurde, vertrieb die Kälte aus seinen Gliedern und der Atemrhythmus des Älteren half ihn dabei seinen Eigenen wiederzufinden. Irgendwann konnte er wieder ohne Schmerzen atmen. „Hörst du mir zu, Kleiner?“, fragte Jin und musterte ihn undefinierbar. Sein Gesicht wirkte immer noch offen und warm, doch in seinen Augen spiegelte sich eine Emotion, die er noch nie zuvor bei einem Anderen gesehen hatte. Er nickte. Wieder beschleunigte sein Herz seine Arbeit. Es war absurde, doch irgendwie wurde ihm klar, dass sein ganzes Wohlbefinden an den Worten dieses Mannes lag…- wahrscheinlich immer liegen würde. Ein sehr beruhigender, aber gleichzeitig sehr erschreckender Gedanke. „Gut. Egal was dieser Mensch gesagt hat, es war dumm, okay? So was zu sagen zeugt von wenig Intelligenz. Jeder Mensch ist etwas wert… bei vielen sieht man das wertvolle nicht gleich, sondern muss es erst suchen, aber jeder besitzt es. Und zwar in den unterschiedlichsten Farben und Formen.“, sagte er ernst und strich mit seinen Fingern zart über seine, noch immer brennenden, Wangenknochen. „Du bist jemand absolut besonderes. Also musst du auch einen Namen haben. Wenn du dir einen wünschen dürftest, welcher wäre es?“ Er sah nach unten und ließ diese wundervollen Worte auf sich wirken. Sog sie ein wie ein trockener Schwamm. So etwas Schönes hatte noch nie Jemand zu ihm gesagt… Er war was Besonderes… „Kris…“, murmelte er schüchtern. „Hm… Kris also…“ „Ja… mit… mit K geschrieben…“ Jin lachte. „So sei es, Kris. Schön dich kennen zu lernen!“ Er lächelte schwach und stürzte sich wieder vorwärts in seine Arme. Er konnte einfach nicht anders… Endlich schien er Jemand zu sein… eine vollwertige Person… Endlich! OoOoO Die Party war so ziemlich den ganzen Vormittag gegangen. Dann hatte ihn Jin in sein Zimmer gebracht und ihn gesagt, dass er sobald es ihm möglich war wiederkommen wollte. Völlig erschöpft hatte sich der neu Benannte ausgezogen, sein neuen Block auf das Tischchen neben dem Bett gelegt und war unter seine Decke geschlüpft. Er war irgendwie sehr müde. Wahrscheinlich war der Ansturm der Erinnerungen einfach zu viel für ihn gewesen… Und tatsächlich. Sobald Kris Kopf das Kissen berührte, konnte er an nichts klares mehr denken und rutschte immer tiefer in den Schlaf ab… - Er schwebte durch dichte Nebelwolken, die ihn in allen Farben und Formen begrüßten. Was war das? War er nicht eben in sein Bett gegangen? Wo war er denn hier? Es fühlte sich an wie schweben… Fast magisch… Magisch. Als sich der bunte Nebel lichtete, stand er plötzlich in einem Zimmer. Hä? Irgendwie fühlte er sich wie in einem Film den er schon kannte. Das Zimmer kam ihn wirklich bekannt vor… Aber er wusste nicht woher. Es war groß und gut beleuchtet. Alle Wände waren in einen dunkelrot gehalten. Über seinen Kopf schwebte ein riesiger Kronleuchter… altmodisch. Aber hübsch. Jedes Möbelstück rüttelte an seiner Erinnerung. Das große Bett mit dem Betthimmel und den Vorhängen. Der große Schrank. Die Kommode. Der Tisch mit den vier Stühlen. Der Spiegel… Alles Ton in Ton… alles passend und aus dem gleichem Holz. So wie in einem Déjà-vu. Woher kannte er das nur alles? Unwohl drehte er sich in dem großen Raum im Kreis. Alles schien ihm bekannt. Jede Verschnörkelung die im Holz des Bettes eingeritzt war, schien er zu kennen. Aber woher? Er zuckte erschrocken zusammen als die Tür aufging und ein Junge hereingestürmt kam. »Sirius? Bist du hier? « Ertappt starrte er den Jungen an… schon eine Entschuldigung auf den Lippen, als dieser auf den Spiegel zu durch ihn durch lief. Wie vom Donner gerührt und mit offenem Mund stand er da und verstand die Welt nicht mehr. »Sirius! Wo bist du denn nur? « Rief der Fremde erneut… doch so fremd klang diese Stimme gar nicht… Es war wie ein Nachhall von seiner eigenen. Aber wie war das nur möglich? Der Andere drehte sich um und sah ihn nun direkt in die Augen, doch er schien ihn nicht zu sehen. Eher schaute er durch ihn hindurch. Doch der Schwarzhaarige konnte nur noch mehr starren. Was?! Das auffälligste an dem Jungen war eine blitzförmige Narbe auf seiner Stirn und die kaputte Brille. Doch wenn die nicht gewesen wäre, hätten sie wahrlich Brüder sein können. Die hatten den gleichen Körperbau… die gleichen dunklen Haare, die gleichen Augen… und fast dieselbe Größe… wer war der Typ? Und warum zur Hölle konnte er ihn nicht sehen? Eine plötzliche Regung in dem Gesicht, das er so akribisch musterte, riss ihn in die Situation zurück. In dem besagten Gesicht spiegelte sich grenzenlose Erleichterung und wilde Freude. »Sirius!! « Wieder stürzte er durch ihn durch, als wäre er ein Geist. Ein sehr beängstigendes und ekliges Gefühl. Als er sich umdrehte, lag sein dubioses Ebenbild nun in den Armen eines weiteren Fremden. »Endlich! Endlich bist du da! « »Hey… ich sagte doch du sollst dir keine Sorgen machen. « »Hab ich aber! « Die Beiden umarmten sich und schienen sich gar nicht mehr loslassen zu wollen. »Beruhig dich, es ist ja alles gut gegangen! « »Hat dich auch niemand erkannt? Bist du verletzt…? « »Weder noch. Beruhig dich, Harry. « Harry? Woher kam ihm der Name so bekannt vor? Plötzlich ertönte ein Geräusch. Es klang leicht wie ein Telefon. »Harry? Sirius? Seit ihr da? « erklang eine Frauenstimme im Raum. Die beiden Angesprochenen drehten sich um, sodass er endlich das Gesicht des Älteren sehen konnte…- Das… das war doch nicht möglich…! Oh Himmel… Diese scharfen/kantigen Gesichtszüge, die ein wenig arrogant wirkten, seine schwarzen Haare, die sein Gesicht umschmeichelten, die dunklen Augen...so dunkel, dass man sie fast als schwarz hätte bezeichnen können. Der gutgebaute Körper-...dies alles erinnerte ihn an irgendjemanden... Jin… Das konnte doch nicht sein! Wie… wie war das möglich. Während er schockiert darüber nachdachte wie das möglich war, und Vergleiche zwischen den Männern zog, waren die Beiden durch den Raum auf den Spiegel zugegangen. Anscheinend war dieser verzaubert, denn kaum blickten sie Beide hinein, erschien das Gesicht einer jungen Frau darin. »Endlich erreich ich euch! «seufzte die erleichtert. »Wir haben uns Sorgen gemacht. Ist alles gut gegangen?! « »Ja alles gut, grüß die Anderen von uns. « sagte sein Ebenbild grinsend. »Da wird sich Dumbledore aber freuen. « »Das glaube ich, aber ich denke wir sollten die Verbindung jetzt unterbrechen. Wir wissen nicht was alles hier in London überwacht wird. Wir sehen uns bald. « mischte sich nun das Ebenbild von Jin ein und lächelte schief. »Passt auf euch auf, ihr Beiden. « »Das gleiche gilt für euch! « Dann war das Bild plötzlich weg und es waren nur noch die Spiegelbilder der Beiden zu sehen, die in den Spiegel hinein blickten. Doch plötzlich veränderte sich das Spiegelbild erneut. Es verschwomm und verschob sich. Und plötzlich sah er Jin und sich in dem Spiegel. Was war hier nur los?? Danach verlor er den Boden unter den Füßen und alles wurde Schwarz… OoOoO „Unsere Tage waren gezählt… - einmal zu viel den falschen Weg gewählt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)