Call of the shadows von Okiro (Wenn die Finsternis naht) ================================================================================ Kapitel 14: Weißes Land ----------------------- ~~Weißes Land~~ Gähnend stand Zerisia auf und streckte sich. Sie blinzelte müde und versuchte, ihre Umgebung zu erkennen. Doch das Licht war zu hell und so mussten sich ihre Augen erst an die Umgebung gewöhnen. Langsam konnte sie Umrisse erkennen, die immer klarer wurden. Es war ein herrlicher Morgen, wie fast jeder in diesem Gebiet. Sie befanden sich in einem kleinen Tal, das in einem dichten Wald lag. In dem Wald waren sie schon seit drei Tagen und begegneten nur Bäumen, Sträuchern und Ästen. Doch das war Zerisia egal, solange sie durch die Baumwipfel den Himmel sehen konnte und dieser war momentan hellblau und klar. Zerisia sah sich weiter um und bemerkte, dass sie nicht die einzige Wölfin war, die schon auf den Beinen stand. Ein paar ihrer Begleiter hatten schon die Augen geöffnet, auch, wenn nicht alle schon aufgestanden waren. Gestern hatte sich ein großer Teil von ihnen getrennt, um sich in ihre jeweiligen Gebiete zu begeben. Noch immer waren einige Wölfe hier, die sich aber spätestens morgen von ihnen verabschieden würden. Danach waren sie nur noch zu viert: Sie, Xin, Inark und noch ein weiterer Begleiter, der wahrscheinlich Lumus sein würde, wenn sie auf ihn trafen. „Guten Morgen“, sagte sie knapp und setzte eine mürrische Miene auf. Sie drehte sich um und ging zu ihrem Bruder, der etwas abseits von dem kleinen Rudel saß. „Morgen, Xin“, sagte Zerisia, woraufhin ihr Bruder nur nickte. Sie setzte sich neben ihn und folgte seinem Blick. Dieser war nach Süden gerichtet. Die große Wölfin versuchte, in dem dichten Wald etwas zu erkennen, doch es war totenstill. „Was suchst du?“, fragte sie dann doch und rechnete schon damit, überhaupt keine Antwort zu bekommen. Wenn ihr Bruder etwas war, dann war er sehr ruhig und verschlossen. Er behielt seine Gedanken für sich und mochte es, in Ruhe gelassen zu werden. Dennoch genoss er manchmal die Aufmerksamkeit der anderen Wölfe und sonnte sich darin. „Etwas zu essen“, sagte der schwarze Wolf und wurde wieder still. Zerisia seufzte leise. Wenn ihr Bruder einmal etwas sagte, dann war es kurz und bündig. Ein knapper Befehl musste genügen. Doch Zerisia ließ so nicht mit sich reden. Schließlich war sie seine Schwester. „Du weißt schon, dass nicht einfach ein Reh aus dem Busch auf dich zu springt und du einfach nur zubeißen musst.“ Nun wandte Xin seinen Kopf zu Zerisia und blickte hoch in ihre Augen. „Haha, sehr witzig, Schwester. Vorhin habe ich hier eine kleine Rehherde erblickt. Sie sind noch nicht weg, aber sie wissen, dass wir hier sind. Ich werde ein paar Wölfe mit mir nehmen und eines erjagen. So eine Chance bekommen wir so schnell nicht wieder.“ „Ja, da hast du Recht. In dieser Gegend waren schon lange keine Wölfe mehr.“ Zerisia wartete darauf, dass ihr Bruder aufstand, doch dieser blieb, wo er war. Sie blickte ihn an und sah, dass er seinen Gedanken nachhing. So hatte sie ihren Bruder selten erlebt. Sie stand auf und drehte sich zu den anderen Wölfen, um ihn allein zu lassen. „Warte“, sagte Xin und sie blieb verwundert stehen. Erneut setzte sie sich neben ihn und spitzte die Ohren. „Ja, was gibt es?“, fragte sie vorsichtig und interessiert. Langsam kam ihr die Sache eigenartig vor. Xin schwieg wieder. Als Zerisia begann, ungeduldig zu werden, brach er doch das Schweigen. „Du hast es auch gespürt, oder?“, fragte er leise und sein Auge blickte in die ihren. Xin brauchte nicht mehr zu erklären. Sie wusste, was er meinte und sackte etwas zusammen. „Ja, das habe ich. Wer hat es denn nicht gespürt?“ Ihr Bruder nickte und blickte wieder nach vorne. „Es ist schon eigenartig. So etwas habe ich noch nie erlebt … noch nie an Vater.“ Dass ihr Bruder genau jetzt mit ihr über ihren Vater sprechen wollte, fand Zerisia eigenartig. Sonst sprach er nie mit ihr über solche Dinge. Doch sie und ihre Mutter waren die einzigen, die so nah an ihren Vater herangekommen waren. Doch Zerisia nahm sich Zeit. Auch sie wollte über dieses Thema reden, auch, wenn sie nicht ausgerechnet mit Xin die Sache besprechen wollte. Doch ihre Mutter hatte leider keine Zeit mehr gehabt. „Nun, Wölfe ändern sich einmal. Aber ich gebe dir Recht. Ein Wolf kann sich doch nicht innerhalb so kurzer Zeit so drastisch verändern. Ich meine … seine Nähe jagt mir einen Schauer über den Rücken. Vor ein paar Tagen, als wir direkt vor ihm standen, da ...“ Sie schüttelte sich, um es besser zu veranschaulichen. Xin nickte und beide blickten erneut in den Wald. Beide in Erinnerung an den Tag, den letzten Tag, an dem sie ihren Vater gesehen hatten. Ihre Mutter ging an ihr vorbei. Sie blickte ihre Tochter traurig an und stupste sie kurz aufmunternd, bevor sie ebenfalls die Höhle verließ. Zerisia und Xin gingen in die kleine Höhle. Bevor sie eintraten blickten sich die Geschwister an, nickten und gingen zusammen, Seite an Seite, hinein. Die Höhle, die sie betraten, war stockfinster. Sie konnten kaum einen Meter weit sehen. Doch sie wussten, dass ihr Vater nicht weit von ihnen entfernt auf einem Stein saß. Zerisia spürte seinen musternden Blick auf sich und senkte den Kopf, wie es Sitte war. Das schwere Schnaufen von Taroxon war für einige Zeit das einzige, was sie hörten. „Sohn und Tochter“, begann der große schwarze Wolf. Zerisia unterdrückte den Zwang, sich zu schütteln. Seine Stimme war schon immer tief gewesen, doch sie hatte einen ungewöhnlichen Klang angenommen. „Ihr beide bekommt eine wichtige Aufgabe. Dabei müsst ihr das Rudel für eine gewisse Zeit verlassen und euch zu Orten begeben. Bei dem letzten Ort verweilt ihr, bis ich euch rufen lasse.“ Zerisia blickte auf und langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Keine drei Meter vor ihr saß Taroxon. Sie riss überrascht ihre Augen auf. Nicht die Tatsache, dass ihr Vater ihr so nah war, erschreckte sie, sondern, dass es um ihn herum leicht bläulich schimmerte. Die Wölfin kniff die Augen zusammen und sah noch einmal genauer hin. Ja, sie bildete sich dies nicht ein: Um ihn herum war eine leicht bläuliche Aura, die vorher noch nie dagewesen war. Sie unterdrückte ihre Überraschung, da Ihr Vater nichts bemerken sollte. „Die Orte an die ihr euch begebt, sind die jeweiligen heiligen Orte des Feuers-, Erd-, Luft-, Wasser- und Lichtgottes. Ich habe von den jeweiligen Wölfen, die sich dort schon befinden, erfahren, dass die Götter Schwierigkeiten machen. Sie widersetzten sich ihnen. Deswegen werdet ihr diese Orte auffinden und den Wölfen etwas bringen. In den letzten Orten bleibt ihr selbst und zähmt den jeweiligen Gott!“ Zerisia legte ihre Ohren an und nickte nur. Dieser Gedanke war ihr nicht ganz geheuer. Einen Gott zähmen? Einen elementaren Gott? Sie selbst war doch nur ein Elementwolf. Es hörte sich einfach falsch an, überhaupt einem Gott so gefährlich nah zu kommen. Doch was ihr Vater, ihr Rudelführer, sagte, musste getan werden, auch, wenn es gegen das Göttliche verstieß. Man handelt ja zum Wohle des Rudels. „Xin, du wirst dich zum Wasser-, Licht- und Feuergott begeben. Beim Letzteren verweilst du. Zerisia, deine Aufgabe wird es sein, den Erd- und Luftgott aufzusuchen. Deine heiligen Orte sind mehr versteckt, deswegen bekommst du nur zwei. Wie gesagt, wird dich dann Inark begleiten und Lumus wird sich Xin anschließen, da ihm Feuer nichts ausmacht.“ Zerisia schielte zu Xin herüber, der starr seinen Vater anschaute. Beide nickten. „Gut, dann macht euch für eure Reise fertig. Morgen brecht ihr auf, doch, bevor ihr geht, nehmt dies mit und gibt sie in den Orten, bei denen ihr nicht bleibt, den jeweiligen Wölfen.“ Taroxon hob seine Pfote und schubste etwas von dem Stein herunter, das klirrend auf dem Boden liegen blieb. Die beiden Geschwister standen vorsichtig auf und gingen auf den Gegenstand zu. Beim Näherkommen sahen sie, dass es nicht einer, sondern fünf Gegenstände waren. Um genau zu sein, waren es fünf einfache Ketten, mit jeweils einem schwarzen, groben Stein daran. „Tragt dies und es wird euch gegen die Götter helfen. Ich möchte das ihr dies immer bei euch habt. Ich dulde kein Versagen! Und nun geht und bereitet euch vor!“ Zerisia schluckte und hob vorsichtig zwei der Ketten mit ihrem Maul auf. Sie nickte nur. Kein Wort kam ihr über die Lippen. Sie wusste einfach nicht, was sie sagen sollte. Auch Xin blieb still. Es war ja seine Art, alles ruhig hinzunehmen. Xin nahm die anderen drei Ketten und beide gingen nach draußen, in die etwas hellere Höhle. Als Zerisia außer Hörweite war, seufzte sie leise. Ihr Vater wurde ihr immer unheimlicher. Die Reise selbst war eigenartig für einen Wolf. Sie musste so weit laufen . Doch eine Wahl blieb ihr nicht. Entweder sie befolgte den Befehl oder sie starb hier und jetzt. So schritt sie in ihre Höhle und Xin in die seine, um sich für die Reise fertig zu machen. Noch immer hatte sie das Bild von ihrem Vater in ihrem Kopf, wie er auf dem Stein saß, tiefschwarz und in eine bläuliche Aura gehüllt. „Ich habe das Bläuliche auch bemerkt“, sagte Xin nach einiger Zeit. „Etwas stimmt nicht, doch ich werde seinen Befehl befolgen und das solltest du auch tun. Meine Herrschaft ist noch nicht gefestigt, seitdem Jurikin verstorben ist. Zwar ist sie zum Greifen nah, doch ich werde bei diesem Auftrag nicht versagen. Ich vermute, dass sie ein Test für mich ist, um mich wirklich zu beweisen, so wie Jurikin sich diesen 'Test' unterziehen musste!“ Entschlossenheit brannte in Xins Augen. Ja, so kannte sie ihren kleineren Bruder. In dieser Sache war er fast schlimmer als Jurikin. „Mir ergeht es nicht anders“, erwiderte Zerisia nur und blickte auf ihren Hals herab, wo die zwei Steine baumelten. Sie waren eiskalt und verströmten wie bei ihrem Vater eine schwache eigenartige Aura, die ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Zerisia versuchte, nicht daran zu denken und blickte wieder zu ihrem Bruder, der nun aufgestanden war und sich Richtung Rudel gedreht hatte. „Wir beide sollten einfach unser Bestes geben und hoffen, dass am Ende alles gut wird. Du bist noch mein einziges Geschwisterteil. Nicht, dass mir viel an meinem Bruder lag, aber in der Familie muss man aufpassen. Zerisia, ich will, dass wir uns am Ende dieser Reise wieder sehen. Wenn ich erst einmal an der Spitze bin, dann brauche ich jemanden an meiner Seite, dem ich vertrauen kann!“ Mit diesen Worten stolzierte er zu den Wölfen, die gerade dabei waren, nacheinander aufzustehen. Zerisia sah ihm schweigend nach. Ein listiges Lächeln bildete sich auf ihren Lippen und sie hätte beinahe laut aufgelacht. Sie kannte ihren Bruder gut genug, um zu wissen, dass ihm diese Worte viel Überwindung gekostet hatten. Er hoffte, dass sie überlebte, nicht nur aus Machtgier, oh nein, sondern auch, dass ihm wirklich etwas an ihr lag. Sie waren ja Geschwister und von außen sah es schon immer so aus, als würde sie Xin lieber haben als Jurikin. Beide ihrer Brüder waren auf ihre Art und Weise eigen. Sie mochte zwar Jurikin viel lieber als Xin, doch auch er war ihr Bruder … nun ihr einziger. Sie schwor sich, dass sie ihr bestes gab, um ihren kleineren Bruder wieder zu sehen. Zumindest ihn. Im Rudel kam plötzlich Bewegung auf. Sie hob ihren Kopf und sah, wie Xin ein paar Wölfe auswählte, um auf die Jagd zu gehen. Das hieß wohl, noch etwas warten, bis die Reise weiter gehen konnte. Sie waren zwar nicht mehr viele, doch sie brauchten dringend etwas zum Fressen. Morgen würden sie sich trennen. Das hieß auch, dass die Futtersuche um einiges schwerer sein wird. Seufzend stand sie auf und gesellte sich zu den anderen, gerade, als Xin mit seinen Wölfen im Wald verschwand. Die Wölfin legte sich unter eine kleine Tanne, um die kühle Luft im Schatten zu genießen. Sie vergewisserte sich, dass die anderen Finsterniswölfe alles unter Kontrolle hatten und schloss die Augen. Sie konnte gar nicht glauben, was ihr Vater von ihnen verlangte. Im Grunde sollten sie mit den Göttern spielen, sie sogar zähmen. Aber konnte man einen Gott zähmen? Und was hatte dies für Auswirkungen? Wölfe allgemein verehrten keine Götter. Sie waren einfach da, das wusste man. Doch jedes Lebewesen war sich bewusst, dass die Elementgötter für das Gleichgewicht der Welt standen und diese zu zähmen, klang ziemlich absurd. Doch Xin hatte Recht. Entweder sie versuchte es oder sie starb. Das wollte sie definitiv nicht. Während sie döste, bemerkte sie nicht, dass sich langsam ein Wolfsschatten näherte. Erst, als eine Brise über die Lichtung strich und ihr den Geruch des Wolfes herantrug, wusste sie, wer ihr Beobachter war. Sie knurrte nur warnend, behielt aber die Augen geschlossen. Eigentlich hatte Zerisia gehofft, wenigstens ein paar Augenblicke alleine zu sein, doch dem war wohl nicht so. Wenn dieser Wolf in ihrem Rudel mit dabei war, dann hatte sie keine Ruhe. Inark beobachtete sie still, doch dann bewegte er sich und legte sich neben sie. Zerisia behielt trotzig ihre Augen geschlossen, was ihn nicht weiter störte. „Ich möchte mich auch nur im Schatten ausruhen“, waren seine einzigen Worte, bevor er seinen Kopf auf seine Pfoten legte und ebenfalls die Augen schloss. „Die Sonne hat es ganz schön in sich, wenn man von Norden kommt.“ Zerisia öffnete verwirrt ein Auge, um zu sehen, ob er wirklich döste. Doch ja, das tat er. Nach seinem gequälten Gesichtsausdruck zu schließen, setzte ihm die Sonne wirklich zu. Irgendwie bekam sie Mitleid mit ihm, doch dies verschwand bald wieder und sie döste weiter. Soll er doch bei ihr im Schatten liegen. Das kümmerte sie nicht, solange er ruhig war. Eine Zeit lang tat sie nichts anderes, als ihren Gedanken weiter nachzuhängen. Von den vergangen Tagen und die Tage, die noch kommen mögen. Sie ließen ihr keine Ruhe. Dass sie in dieser Hinsicht hilflos war, war ihr einziger Gedanke, bevor sie in einen unruhigen Schlaf fiel. Lautes Gejaule und Geknurre weckte sie aus dem Schlaf. Sofort war sie hellwach und öffnete die Augen. Sie sah, dass Inark noch immer neben ihr lag, doch dieser hatte wie sie den Kopf erhoben und blickte auf die Lichtung. Sein Gesicht zeigte ein Lächeln, als er sie anblickte. „Guten Morgen. Hat dich die jubelnde Meute aufgeweckt? Das tut mir Leid. Dabei habe ich gesagt, sie sollten ruhig bleiben!“ Er lachte und stand auf, um zu den anderen Wölfen zu gehen, die sich gerade versammelten. Zerisia beobachtete die Szene perplex. Sie wusste nicht, was vor sich ging. Inark sah ihre verwirrten Gedanken an ihrem Gesichtsausdruck und stupste sie mit seiner Schnauze an. „Na los. Willst du nicht unsere Neuankömmlinge begrüßen?“ Sofort sprang Zerisia auf und ging zu der Wolfsschar. >Das kann nur eines bedeuten!<, dachte sie und zwängte sich durch die Wolfsreihen. Als sie ganz vorne war wehte ihr der Geruch von frischem Fleisch entgegen. Sofort fiel ihr Blick auf die zwei toten Rehe in der Mitte der Lichtung. Doch ihr Blick blieb nicht lange an dem Fressen hängen, da sah sie ihren Bruder und den Wolf neben ihr. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, als sie diesen erkannte. Sofort ging die junge Wölfin auf den Neuankömmling zu. „Hallo Lumus! Lange nicht gesehen!“, sagte sie und grinste ihn an. Auch er begrüßte sie herzlich. Lumus war ein alter Freund der Familie. Er hatte schon auf sie aufgepasst, als sie und ihre Brüder Welpen gewesen waren. Damals hatte Lumus ihnen viel beigebracht, was es hieß, ein Alphatier zu sein, obwohl er selbst keines war. Dadurch entstand ein positives Band zwischen ihm und ihrer Familie. Er gehörte eigentlich schon fast dazu. „Hallo Lumus“, begrüßte ihn nun auch Inark, der direkt hinter Zerisia gegangen war. „Hattest du eine gute Reise?“ Lumus nickte. „Ja, die hatte ich, obwohl sie sehr anstrengend war.“ „Anstrengend, aber gekrönt von Erfolg, wie man sieht“, sagte eine weibliche Stimme. Zerisia spitzte sofort die Ohren und ein erneutes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Direkt aus der Menge schob sich eine schlanke, dunkelblaue Wasserwölfin. „Hallo Rumera! Schön, dass es dir auch gut geht“, begrüßte die Finsterniswölfin ihre ältere Freundin. Rumera war nicht so alt wie Lumus und somit konnten die beiden weiblichen Wölfe eine gewisse Freundschaft zueinander aufbauen. Früher hatten sie viel miteinander gespielt, doch Zerisia wurde sich des bösen Charakters von Rumera schnell bewusst und sie ging auf Abstand. Auch sie wollte nur Macht haben. Nichtsdestotrotz war sie eine treue Gefährtin und noch immer ihre Freundin. Rumera war die einzige Wasserwölfin im Finsternisrudel, was schon sehr eigenartig war. Das hatte den Grund, dass ihre Eltern vor einigen Jahren zu ihnen in den Norden zogen, um dort die wenigen Schneegebirge zu erkunden. Durch ein Naturunglück kamen ihre Eltern ums Leben und Rumera fand man als kleinen Welpen im Schnee liegen. So wurde sie, trotz der Tatsache, dass sie von einem anderen Rudel stammte, aufgenommen. Kleinen Welpen gewährte man einfach Schutz. Rumera passte sich sehr schnell an und es wurde klar, dass sie eine starke Elementwölfin war, die ihre Gabe auch gut und gerne benutzte. Deshalb hatte sie einen wunderbaren Nutzen für das Rudel und durfte auch, nachdem sie ausgewachsen war, bleiben. „Ihr habt sicher Hunger“, fragte Xin Lumus. Dieser schüttelte nur den Kopf. „Nein, wir haben gestern eine reichliche Beute gemacht. Deshalb frisst ihr erst einmal, bevor wir über wesentlichere Dinge reden.“ Gesagt getan. Die hungrige Wolfsmeute stürzte sich auf die toten Rehe. Jeder aß so viel, wie es ging. Eigentlich wollte sich Zerisia nach dem Fressen wieder hinlegen und ausruhen, doch sie war zu aufgeregt auf den Bericht, den Lumus sicher für sie hatte. So versammelten sich Xin, Lumus, Rumera, Inark und sie erneut auf der Lichtung. „Also Lumus, wie war deine Reise durch Daromi?“, fragte Inark und leckte sich die Lefzen sauber. „Die Reise an sich war ohne Probleme, seit du uns verlassen hast, Inark. Wir trafen auf fremde Rudel, brachen ihren Willen und schickten sie mit einigen Wölfen hoch zu euch. Das hat sich anfangs als schwieriger erwiesen, als gedacht, doch wir hatten bald den Dreh raus. Das Überraschende war, dass sich von den Rudeln immer mehr Wölfe uns anschlossen und somit wurden wir in der Zahl auch immer größer, obwohl wir immer wieder Wölfe mit zu euch schicken mussten. Ich habe genau den Bereich durchforstet, den du mir gesagt hast, Inark. Und nun sind wir fertig und wollen zurück zum Rudel, um unseren nächsten Auftrag entgegenzunehmen und um zu erfahren, wohin wir als nächstes gehen sollten. Nicht alle Rudel sind unterworfen.“ Inark nickte. Er war zufrieden mit dem Verlauf und froh, Lumus die Aufgabe überlassen zu haben. „Bei uns verlief auch alles nach Plan“, sagte dann Xin und blickte Lumus an. „Wir haben uns nun auf den Weg gemacht, die Wölfe wieder zu verteilen, da sie bei uns im Rudel zu viele geworden sind. Das Jagen wird immer schwerer.“ Lumus nickte. „Durch die Wälder, durch die wir erneut durchliefen, um zu euch zu kommen, gab es fast kein Wild. Das Land war wie tot. Der Boden fühlte sich komisch an, genau wie die Luft. Ich denke, das wird besser, wenn die jeweiligen Rudel wieder in ihre Gegenden kommen. Aber das ist das, was mir sofort aufgefallen war.“ Zerisia blickte Xin nachdenklich an. Damit hatte sie nicht gerechnet. Die Umwelt veränderte sich, wenn die Wölfe aus ihren Gebieten verschwanden? War das nur ein Zufall? Oder doch etwas Tiefgründigeres. Sie schüttelte kurz den Kopf. Nein, damit durfte sie sich jetzt nicht befassen. „Nun, das kann auch nur ein Zufall gewesen sein. Eine Hitzewelle oder dergleichen,“ sagte sie dann und räumte somit das Thema zur Seite. „Wir haben Wichtigeres zu besprechen. Sicherlich fragt ihr beiden euch, was Xin und ich bei diesem Rudel zu suchen haben.“ Lumus und Rumera nickten. „In der Tat. Diese Aufgabe hätte jeder Wolf aus unserem Rudel bewältigen können und ich frage mich, wieso der große Herrscher gleich seine zwei Kinder auf Reisen schickt.“ Zerisia wusste, dass Lumus nicht dumm war, und hatte mit so einer Antwort gerechnet. Sie blickte Xin an und dieser nickte ihr kurz zu. Damit gab er ihr sein Einverständnis, die Sache zu erzählen. „Nun, Xin und ich sind mit einem anderen Auftrag geschickt worden. Ihr habt sicher die fünf Amulette um unsere Hälse bemerkt. Diese müssen wir zu den Tempeln der Götter bringen.“ Sie bewegte kurz ihren Hals und die schrecklichen Schmuckstücke klapperten an ihrer Brust. „Das ist unser Auftrag. Doch diesen sollten wir nicht alleine bewältigen. Während ich zum Erd- und Luftgott gehe, wird mich Inark begleiten. Unser Vater hat gemeint, dass du, Lumus, Xin zum Licht- Wasser- und Feuergott begleiten sollst, sobald wir auf euch treffen, was ja nun der Fall ist.“ „Ah okay. Nun, dann habe ich sowohl einen neuen Auftrag erhalten und werde Xin beschützen, so gut es geht.“ Xin knurrte leicht. „Mich braucht keiner zu beschützen. Vater meinte nur, du erweist dich im Gebiet des Feuergottes als nützlich.“ Lumus nahm die kleine Niedermachung gelassen hin. Sich gegen den Sohn des Rudelführers aufzuspielen, war keine gute Idee. „Doch ich frage mich, wer die Expedition weiterhin leiten soll?“ „Das ist eine gute Frage, Lumus. Rumera wird nun deine Stellung einnehmen und zurück zum Rudel laufen. Sie ist mindestens genauso fähig wie du und da dürfte dies kein Problem sein“, gab die schwarze Wölfin von sich und grinste leicht, als sie sah, wie Rumera freudig ihren Schweif hob. Doch die Freude währte nicht lange. „Ab morgen trennen wir uns alle. Ich nehme Inark mit auf meine Reise, während ihr euch auf den Weg in die anderen Gegenden macht. Nur zu zweit hat man eine bessere Chance, eher an seinem Ziel anzukommen. Heute werden wir noch ein bisschen Richtung Süden unterwegs sein und der restliche Teil wird sich von uns absondern.“ Mit dieser Ansage war das Wesentliche gesagt. Zerisia hatte keine große Lust mehr auf eine Unterhaltung und wollte endlich aufbrechen. Kurze knappe Befehle reichten. Da stand Lumus auf. „Bevor wir aufbrechen und uns trennen, möchte ich mit Rumera und Xin unter sechs Augen sprechen.“ Zerisia fuhr erschrocken zusammen und ihr Blick wurde ernst. „Was hast du ihnen zu sagen, was du mir nicht sagen willst, roter Wolf?“ Ihre Stimme klang böse. Sie mochte es nicht, wenn man sie aus Unterhaltungen, die wichtig waren, heraushielt. „Ich bin die Tochter von Taroxon und da habe ich ein Recht darauf, alles zu erfahren, was wichtig für die Reise ist.“ Xin stellte sich zu Lumus und senkte drohend seinen Kopf. „Zerisia, das ist in Ordnung. Wenn Lumus nur mit mir etwas besprechen möchte, dann ist das so. Dann befehle ich, der zukünftige Rudelführer, dir hier zu bleiben, während ich mich mit den beiden Wölfen unterhalte.“ Zerisia schnaubte nur. Gegen ihren Bruder kam sie nicht an. Er stand noch immer über ihr. So gab sie schnell nach, denn auf eine Rauferei hatte sie keine Lust. Somit drehten sich Xin, Lumus und Rumera um und traten abseits in den Wald. Sie kochte innerlich vor Wut und blickte den Wölfen leise knurrend hinterher. Da spürte sie einen sanften Stups in ihrer Seite und sie fuhr laut knurrend herum. Es war Inark gewesen, der sie leicht mit der Pfote berührt hatte und nun vorsichtig zurück wich. „Nimm's deinem Bruder nicht übel“, sagte er sofort und legte seine Ohren an. „Vielleicht ist es besser so, wenn du es nicht weißt und er wollte dich nur beschützen.“ Da stellten sich Zerisias Ohren vorsichtig auf. Wo er Recht hatte, hatte er Recht. Vielleicht war es zu ihrem eigenen Schutz. Sie nickte Inark dankend zu und blickte erneut auf die Stelle, wo die Wölfe verschwunden waren. Trotz des angeblichen Schutzes wollte sie liebend gerne wissen, was denn diese wichtige Information war. Früher oder später würde sie es schon erfahren, oh ja. Ein schriller Pfiff ertönte und weckte alle Wölfe schlagartig auf. Kian sprang regelrecht von seinem Platz und landete unsanft in einem Busch. „Autsch“, kam es von ihm und Verox pfiff fröhlich, bevor er abhob. Nurik gähnte und ein listiges Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. „Tja, da hätten wir fast verschlafen.“ Er stand auf und streckte sich. Daraufhin ging er zu dem Busch, um nach Kian zu sehen. Der gelbe Wolf kämpfte sich durch das Gestrüpp und gerade, als Nurik nach ihm sehen wollte, streckte er seinen Kopf nach oben. Beinahe berührten sich ihre Nasen. Da musste Nurik lachen und Kian zog mürrisch knurrend seinen Kopf zurück. „Weißt du was, Kian? Du siehst aus wie eine Biene!“ Bei dem Kommentar lachte jeder, selbst Ruki, der eine Abneigung gegenüber diesen Tieren hatte. Kian fand dies natürlich nicht witzig und kämpfte sich nun gänzlich aus dem Busch. „Und du siehst aus wie … wie ein verkümmerter Feuersalamander, der zu viel Sonne genossen hat.“ Sofort wurde es auf der Lichtung still und alle sahen den Blitzwolf an. Nurik trat einen Schritt zurück und tat das, was Kian nie von ihm erwartet hätte: Er lachte erneut und mit ihm alle anderen. Kian verstand die Welt nicht mehr. >Komischer Haufen<, dachte er sich und ging weit vom Busch weg. „Da magst du vielleicht Recht haben, dass unser Feuerwolf etwas verkümmert aussieht, aber Salamander sind gefährlich, genauso wie Bienen,“ sagte Yen und versuchte, ihn etwas aufzumuntern, was ihm auch ein wenig gelang. Kian murrte nur kurz, sonst war er still. Nun standen nacheinander alle Wölfe auf und streckten sich genüsslich. Nach dem Kampf hatte jeder gut geschlafen und war ausgeruht. „Ich denke, wir sollten gleich aufbrechen“, meinte dann Yen und ging Richtung Südosten. „Auf dem Weg könnten wir nach Wasser und Nahrung suchen. Wir können uns auch von Beeren ernähren, wenn es sein muss, aber wir haben schon zu viel Zeit vergeudet. Ihr seht, die Lage ist kritisch.“ Alle nickten und folgten Yen, der sogleich losgesprungen war. Über ihren Köpfen kreiste Verox, der sie nun wirklich zu begleiten schien. Sikona blickte nach oben und beobachtete, wie der Vogel seine Kreise zog. „Schon komisch, dass uns dieser Vogel so freiwillig folgt. Klar, er ist ein Freund von Yen, aber haben Vögel so etwas schon einmal getan?“ Die Frage war eigentlich mehr an sie selbst gerichtet, doch von hinten antwortete ihr Kian, der den Schluss des Gespanns bildete. „Nein, ich wüsste nicht, dass ein Adler jemals dergleichen getan hätte. Vögel und Wölfe gehen sich größtenteils aus dem Weg, außer natürlich, wenn gefräßige Raben unser Fressen stehlen wollen.“ Sikona drosselte ihr Tempo, sodass sie neben Kian herlief. Er war genau so groß wie sie, doch das störte ihr weniger. „Nun, dann haben wir hier einen besonderen Begleiter. Er scheint regelrecht auf Yen fixiert zu sein. Ich wüsste gern, wie ihre erste Begegnung genau abgelaufen war. Gemeinsam gegen Raben kämpfen … einfach so? In einem unbekannten Gebiet? Das hört sich für mich ziemlich … spannend an.“ Kian schnaubte abfällig. „Also so spannend auch wieder nicht. Sie haben es aus Hunger getan oder hast du gestern nicht zugehört?“ Sikona verdrehte die Augen. „Ach, Kian. Ein bisschen fantasieren darf ich doch wohl auch noch. Klar, der Hunger treibt einen an. Vielleicht war dies auch der einzige Grund. Doch, was hält ihn hier? Er kann es uns nicht sagen, da wir seine Sprache nicht verstehen.“ „Das kann ich dir nicht sagen, doch ich frage mich woher ihr seinen Namen wisst?“, fragte Kian dann ganz interessiert. „Yen wusste ihn. Er wusste es einfach und wir glauben ihn“, antwortete Sikona nur und beide verfielen wieder in Schweigen. Während Sikona und Kian sich kurz unterhielten, war Esaila zu Yen getreten, um sich nach seiner Schulter zu erkundigen. Sie sah noch immer ziemlich übel aus, doch sie begann schon zu heilen und das war ein gutes Zeichen. Dennoch machten sie nach einiger Zeit Halt und die Waldwölfin besah sich die Schulter genauer. „Ich glaube, wir machen hier eine kurze Rast und trinken etwas. Du kommst mit in den Bach. Nyrona wird die Wunde so gut es geht ausspülen, während Sikona das Wasser etwas abkühlt. So wie wir es schon einmal gemacht haben.“ Die angesprochenen Wölfe nickten und traten in den Bach. Sikona und Nyrona waren froh über das kühle Nass, das ihnen entgegenschlug und spritzten sich gegenseitig nass. Esaila rief sie zur Ordnung und dann begannen sie, die Wunde zu versorgen. Die anderen drei Wölfe tranken derzeit etwas abseits und legten sich hin. „Das Wetter wird immer angenehmer. Wenn ich daran denke, wie warm es teilweise im Wald war“, sagte Ruki an Nurik gewandt, der daraufhin nur mit den Schultern zuckte. „Also ich fand es im Wald ganz angenehm, aber mir ist es auch schon aufgefallen, dass es hier windiger ist, als an der Stelle, wo wir wachgeworden sind.“ „Das liegt daran“, antwortete Kian den beiden Wölfen, „dass wir immer mehr nach Osten wandern. Dort liegen die Berge und das kalte Land. Kennt ihr euch in eurem eigenen Land nicht aus?“ Nurik wandte sich an den gelben Wolf. „Das kalte Land? Davon habe ich schon einmal gehört. Aber, dass wir uns genau dorthin begeben, davon hatte ich keine Ahnung.“ „Nun weißt du es.“ „Nicht streiten Jungs!“, sagte Esaila und kam mit Yen im Schlepptau zu den drei Rüden zurück. „Das bringt doch nichts.“ Auch sie legten sich kurz hin. Kian murrte kurz und fragte dann: „Wo sind unsere beiden anderen blauen Wölfe? Toben sie sich noch aus?“ „Genau das tun sie“, antwortete Esaila nur und schloss die Augen. Sie lauschte auf die Wasserspiele, die Nyrona und Sikona veranstalteten. Beide sprangen im Wasser umher. Sikona gefror hier und dort das Wasser und Nyrona sprang herum. „Da Sikona als Eiswölfin zu der Gattung der Wasserwölfen gehört, liebt sie das Wasser fast genauso wie Nyrona. Es spendet ihr Kraft und die Kälte lässt sich am einfachsten in Wasser speichern“, erklärte Esaila einfach weiter. „So, wie ich ein Teil eines Erdwolfes bin und ich mich am Boden einfach am sichersten fühle. Deswegen könnte ich nie mit Ruki fliegen. Das Gleiche dürfte bei dir auch der Fall sein, Kian. Du bist von der Abstammung her bei den Lichtwölfen dabei. Weil Blitze spenden in gewisser Weise Licht.“ Kian blieb ruhig liegen und ließ die Worte auf sich wirken. „Ich stamme von niemanden ab. Ich bin ich und nur das zählt.“ Damit war das Thema gegessen. Esaila erhob keinen Einspruch, denn sie hatte keine Lust auf eine Diskussion. Nach einiger Zeit kamen Nyrona und Sikona aus dem Wasser und ihre Reise Richtung Südosten ging weiter. Den ganzen Tag über lief Kian etwas abseits am Ende der Truppe. Alle verstanden, dass er es als früherer Einzelgänger nur so am liebsten hatte. Alle, bis natürlich auf Nurik, dem es nicht in den Sinn kam, alleine auf der Welt herumzulaufen. So gesellte er sich nach ein paar Meilen zu Kian und versuchte, ihn immer wieder in ein Gespräch zu interagieren. Kian reagierte kaum auf die Versuche und antwortete relativ knapp. Doch dies schien den stets gut gelaunten Feuerwolf kaum etwas auszumachen. „Dein Bruder ist wohl ziemlich hartnäckig, wenn es darum geht, Wölfe in unser kleines Rudel einzugliedern, oder?“, fragte Ruki Nyrona, die gerade neben ihm lief. Diese lachte nur. „Oh ja, so ist er nun mal. Er versucht, immer ein Lächeln auf die Lippen anderer zu zaubern, egal, in welcher Situation man sich gerade befindet. Manchmal kann das schon richtig nerven, doch dafür haben wir Schwestern ihn umso lieber, weil er uns so manchen witzigen Moment bereitet hat.“ Ruki blickte erneut nach hinten, bevor er auch Esaila und Sikona kurz betrachtete. „Das ist schon eigenartig, dass vier so unterschiedliche Wölfe aus einem Wurf kommen.“ „Du kommst wohl aus einem reinen Rudel. Da ist das ungewöhnlich. Aber wir vier sind aus einem Gemischtrudel und da ist es normal, dass die unterschiedlichsten Elemente bei einem Wurf dabei sein können. Aber du hast Recht. Dass es gleich bei vier Geschwistern vier so unterschiedliche und eigenartige Elemente sind, ist, glaub ich, schon selten.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Aber was soll's. Das ist nun mal so!“, sagte sie fröhlich und das Thema war für sie erledigt. Ruki schüttelte über diese Gegebenheit nur den Kopf. Sie liefen bis spät in den Abend, bevor sie anhielten und einen Schlafplatz suchten. Jeder war usgelaugt vom langen Laufen, doch sie wussten, dass sie sich anspornen mussten. Die Zeit wurde knapp. So legten sie sich alle hin und schliefen ein. Selbst Verox kam wieder zu ihnen und machte es sich auf einem nahen Baum bequem. Auch er schien nach dem ganzen Tagesausflug erschöpft zu sein. Keiner hielt in dieser Nacht Wache. Der nächste Tag verlief genauso wie der vorherige: Sie liefen in einem gleichmäßigen Tempo richtig Südosten. Yen führte sie, so gut es mit seiner Schulter ging. Wenn er nicht konnte, übernahm Ruki kurz die Führung. Immer bildete Kian den Schluss, mit Nurik ganz in seiner Nähe. Auch Sikona gesellte sich oft zu den beiden Rüden und machte ihre Späße mit Nurik. Vor allem hier sah man genau, welches Band eigentlich Sikona und Nurik verband, obwohl sie von ihren Elementen so drastisch auseinanderlagen. Kurz bevor die Sonne des zweiten Tages unterging, suchten sie an einem nahen Bach etwas zum Fressen. Dank Rukis guten Spürsinn für Beeren und Esailas Pflanzenkenntnissen fanden sie bald einen großen Busch mit Himbeeren. Zwar war dies kein großes Mahl, doch jeder Wolf überwand seinen Hunger. Verox begnügte sich mit Käfern, die er in der Nähe des Busches fand. Kurz darauf legten sich alle Wölfe hin. „Ich finde es schon komisch, dass hier die Umgebung fast unberührt ist. Ich habe damit gerechnet, auf viel mehr Rudel zu stoßen oder zumindest wieder auf eine tote Gegend wie damals, als ich durch so ein Gebiet gelaufen bin.“ Kian hob den Kopf. „Das liegt daran, dass hier das Land der Wasserwölfe ist. Und Wasserwölfe halten sich nun mal bevorzugt bei Seen oder am Meer auf.“ Yen nickte verständnisvoll. „Na da bin ich gespannt, ob wir wohl einigen Wasserwölfen begegnen werden. Nyrona, das wäre für dich ganz interessant!“ „Oh ja … bis auf die zwei oder drei Wasserwölfe, denen ich bei uns im Rudel begegnet bin, und diese böse Wasserwölfin, habe ich noch nie andere von meiner Gattung gesehen.“ „Dann wird es aber Zeit!“, lachte Sikona und legte sich zum Schlafen hin. Sie schlief recht bald ein. Nurik lächelte und legte sich zu ihr. „Habt ihr auch bemerkt, wie kalt es hier ist? Sikona scheint es richtig gut zu gehen“, flüsterte er und rollte sich zusammen. „Du musst es ja am ehesten fühlen“, sagte Yen. „Aber ja, wir kommen in die kälteren Gegenden. Der Wind ist frisch und es riecht nach Regen. Doch das sollte uns nicht von unserer Reise abschrecken!“ Nurik nickte und legte seinen Kopf auf die Pfoten. Auch er schlief, wie der Rest, bald ein. Die nächsten zwei Tage verliefen wie die ersten. Yens Schulter wurde immer besser, dank Esailas Heilkünsten. Es wurde immer kälter, doch sie trafen auf keine anderen Wölfe. Nyrona begann, die Hoffnung aufzugeben so bald auf einen Wasserwolf zu treffen. Doch die Temperatur veränderte sich nicht nur, sondern auch die Gegend. Es gab immer mehr Tümpel und wasserreiche Stellen. Einmal kamen sie sogar an einen großen See vorbei. Doch dort lebten nur Wasservögel. Doch dies beunruhigte sie kaum. Daromi war groß. Am Abend des vierten Tages nach ihrem Aufbruch bemerkte Ruki etwas ganz anderes. Direkt vor ihnen am Horizont zeichneten sich Hügel ab. Rasch wurde klar, dass das nicht nur kleine Hügel waren, sondern richtige Berge, die viele Meter in den Himmel reichten. Dennoch waren sie einige Meilen von diesen entfernt. An diesem Abend war es auch besonders kühl und die Wölfe kuschelten sich näher zusammen. Vor allem Nurik schien hierbei heißbegehrt zu sein. Nur Sikona lag außerhalb und genoss die kühle Luft. Mitten in der Nacht jedoch hörte Yen ein Kläffen. Sofort sprang er auf und wäre beinahe wieder zurück gefallen, vor das, was er erblickte. Verdutzt sah er in alle Richtungen und auf seine Freunde, doch er hatte sich nicht getäuscht. Bald entdeckte er Sikona, die freudig herumsprang. Sie war der Ursprung des Kläffens gewesen. Nacheinander wachten alle Wölfe auf und jeder war verwirrt. Da rannte Sikona auf sie zu. „Ist das nicht wunderbar?“, rief sie. Und hielt abrupt vor den anderen an. Dabei wirbelte sie das auf, was jeden Wolf verwirrte: Ein weißes Pulver, um genau zu sein, Schnee. „Schneeeee!!!! Überall Schnee!!!“, rief Sikona und sprang in die Luft. „Es begann mitten in der Nacht und wir haben es nicht bemerkt.“ Erneut sprang sie davon. Yen grinste. >Natürlich … wenn es kälter wird, dann muss es auch irgendwann zum Schneien anfangen.< Alle standen auf und Yen trat zu Nurik. „Wie geht es dir denn?“, fragte er den Feuerwolf. Nurik unterdrückte ein Zittern. „Noch geht es mir gut. Dort, wo ich herkomme hat es auch manchmal geschneit und es war auch so kalt. Ich weiß aber nicht, wie lange ich das aushalte. Zum Glück habe ich ein inneres Feuer, das mich etwas warm halten kann. Also so schnell braucht ihr euch keine Sorgen zu machen. Ich freue mich riesig für Sikona, dass sie endlich mal so viel weißes Wunder erleben darf.“ Ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Da stand Nyrona neben ihm auf und rannte zu ihrer Schwester. Beide tollten im Schnee und bald gesellten sich auch die anderen dazu. Nurik ging derzeit zu Kian, der auch nicht so recht Lust auf Herumtollen hatte. Doch sie blieben still. Yen hatte sich gerade auf Ruki gestürzt, der sich mit Sikona in den Pfoten aus dem Staub machen wollte, als diese erneut kläffte. „Ruki lass mich runter. Sofort!“ Gesagt getan und Sikona landete im Schnee. Sofort sprang sie wieder auf. „Seht!“, rief sie und deutete mit dem Kopf nach Süden. „Da ist doch jemand.“ Alle Blicke wanderten in die gezeigte Richtung und ja, genau dort auf einem kleinen Schneehügel war eine Wolfsgestalt. Verox pfiff von oben und flog zu den anderen. Er landete neben Yen. „Sikona ...“, sagte der Finsterniswolf, doch es war zu spät. „Hallooooo!!!“, rief die Eiswölfin und rannte auf den fremden Wolf zu. „SIKONA“, rief ihr Yen noch hinterher, doch sie hörte kaum, so sehr freute sie sich auf den Schnee und endlich einen anderen Wolf zu sehen. Der andere Wolf wandte sich derzeit ab und lief den Hügel herunter. Sikona ihm hinterher, ohne zu wissen, was sie erwartete. ~~Weißes Land Ende~~ Wer ist der fremde Wolf? Was bringt Sikona dazu, dem Wolf zu folgen? Wohin führt ihr weiter Weg? Werden sie am Tempel des Wassergottes je ankommen, geschweige denn, ihn finden? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)