Call of the shadows von Okiro (Wenn die Finsternis naht) ================================================================================ Kapitel 20: Der Wassergott -------------------------- ~~Der Wassergott~~ Das kleine Rudel von Yen stand am See, der die letzte Hürde zum Tempel des Wassergottes zu sein schien. Der Tempel lag am Grunde des Sees und war mit einer Luftkuppel umschlossen. Die sieben Wölfe hatten die Idee, mit Hilfe von Nyrona, Sikona und Ruki auf den Grund des Meeres zu schwimmen. Keiner der Wölfe konnte so lange die Luft anhalten, wie die Eis- und Wasserwölfin. Sikona blickte fragend in die Runde. „Nun, wer fängt an?“ Da trat Yen nach vorne. „Ich fange an.“ Nyrona nickte. „Gut, dann komm mit ins Wasser. Ruki? Sikona? Würdet ihr mir bitte helfen?“ Die vier Wölfe traten nach vorne ins Wasser. Sikona und Nyrona sprangen ins kalte Nass. Yen blieb neben Ruki stehen. Der graue Wolf lächelte den etwas größeren Wolf neben sich an. „Du musst noch ein bisschen weiter rein ins Wasser. So kannst du nicht schwimmen.“ Daraufhin brummte Yen kurz und warf sich in die Fluten. Dabei erzeugte er eine so große Welle, dass Ruki nun selbst komplett nass war. Sikona und Nyrona schwammen ganz dicht an Yen heran. „Bitte hört mir alle zu. Ihr müsst unter Wasser genau das gleiche tun wie Sikona. Sie wird unter Wasser Eisschollen erschaffen, an denen ihr euch abstoßen müsst. Somit kommt ihr schon mal schneller durch das Wasser, als wenn ihr nur schwimmen würdet. Sikona passt natürlich auf euch auf, dass ihr die Schollen auch ja richtig erwischt. Ich hingegen schwimme die ganze Zeit neben euch her und bringe das Wasser um euch herum in Schwung. Es ist schwer zu erklären, aber dadurch beschleunige ich den ganzen Prozess noch zusätzlich. Wir haben es gestern mehrmals getestet und mit dieser Technik ist man in wenigen Minuten am Meeresboden. Keine Sorge wegen der Luftblase um euren Kopf. Sie wird dank Ruki halten.“ Mit diesen Worten tauchte die Wasserwölfin ab. Ein klitschnasser Ruki trat zu Yen. „Bitte tauche nun unter.“ Yen holte automatisch tief Luft. Während er seine Lungen mit dem kostbaren Gut füllte, spürte er einen sanften Windhauch um seinen Kopf. Als er abtauchte, folgte ihm der Windhauch und umschloss ihn. So entstand die Luftblase. Sikona tat es ihrem Freund gleich und tauchte ebenfalls nach unten. Mit ihrem Kopf zeigte sie in Richtung des Meeresgrundes. Yen folgte ihren Blick und konnte ihr Ziel vage erkennen. Dieser nickte seiner Freundin zu. Sie konnten mit ihrer kleinen Reise beginnen. Sikona erschuf die erste Eisscholle. Sofort schwamm sie darauf zu und stemmte sich ab. Gleichzeitig begann das Wasser sich um Yen herum zu bewegen und er wurde schon automatisch auf die Eisscholle hingezogen. >Das muss Nyrona sein<, dachte sich der schwarze Wolf und tat es der Eiswölfin nach. Er schoss durch das Wasser wie ein Aal. Direkt vor ihm war die nächste Eisscholle, an der er sich wie bei der ersten abstieß. Das Wasser floss durch sein Fell und zog ihn mit. Es war kein Reisen, sondern eher wie ein Führen. Anfangs fühlte er sich unsicher, doch je mehr Schollen kamen, desto mehr fand er Vertrauen und wurde richtig schnell. Sikona blickte bei jedem Sprung zu Yen nach hinten, um sich zu vergewissern, dass er auch mitkam. Ihre anfänglichen Bedenken wurden sofort weggewischt, als sie das Grinsen auf seinem Gesicht sah. Yen erfuhr in diesem Moment, wie herrlich es war, ein Element zu beherrschen und lernte die Kraft des Wassers und des Eises zu schätzen. Wasser leitete einen auf den richtigen Pfad. Es zerstörte weder, noch erschuf es etwas Neues. Wasser war eher wie ein Begleiter durch die Welt und war lebensnotwendig. Die Luftblase um seinen Kopf hielt bis zum Seegrund. Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto verwunderter wurde er. Yen verstand nun Nyronas Worte vom gestrigen Tag. Direkt am Grund gab es eine große Luftkuppel, die sich um einen Riss in der Wand erhob. Direkt vor der Kuppel wurden sie langsamer und Sikona hörte auf, Eisschollen zu erzeugen. Langsam schwammen sie auf den Boden zu. Yen konnte den weichen Kies unter seinen Pfoten spüren, als sie direkt über den Boden schwammen. Sikona ging vor und trat ohne Komplikationen durch die Luftblase. Daraufhin tat es ihr Yen gleich und trat ebenfalls vom Nassen ins Trockene. Die Blase um seinen Kopf verschwand augenblicklich und der darauffolgende Atemzug, den er tat, roch nach Salz und Sand. „Wow, es funktioniert wirklich“, sagte Yen und blickte seine Freundin an. „Klar, was dachtest du denn? Dass wir euch Schwachsinn erzählt haben?“, sagte Nyrona, die ebenfalls in die Luftkuppel gekommen war. Yen schüttelte den Kopf. „Nein, das habe ich nicht gedacht, sondern eher, dass das Atmen hier unten ziemlich beschwerlich wäre. Das ist aber nicht der Fall. Es riecht wie am Meer.“ „Das stimmt. Es ist ein eigenartiger Ort und er flößt mir Respekt ein“, meinte Sikona dann und blickte zu dem Riss an der Wand. „Dort ist unser erstes Ziel. Ich hoffe, wir finden einen Weg, dem Wassergott zu helfen.“ Yen nickte. „Ich werde hier auf alle warten. Bringt ihr den Rest?“ Die Schwestern gaben keine Antwort, sondern gingen wieder ins Wasser. Yen blickte sich weiterhin etwas um. Die Luftkuppel war nicht sonderlich groß. Sie überdeckte den Riss an der Wand gerade so. Außer weißen Kies gab es am Boden nichts zu entdecken, doch er musste Sikona zustimmen. Dieser Ort hatte etwas Unheimliches, das einem einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Der schwarze Wolf ging vorsichtig zum Riss und schnupperte den Eingang ab. Er konnte nichts Verdächtiges riechen. Kurz blickte er in die Dunkelheit, doch er entschloss sich dazu, sich etwas weiter weg hinzulegen und auf die anderen zu warten. Sein Blick war auf den Eingang gerichtet, um mögliche Gefahren sofort zu entdecken. Der nächste Wolf, der ankam, war Kian, der sich wortlos zu Yen legte. Nach dem Blitzwolf kam Esaila, die leicht zitterte. „So etwas mache ich so schnell nie wieder. Ich spüre hier unten keine Pflanzen!“ Da musste Yen lachen. „Keine Angst, hier werden wir nicht lange bleiben.“ Auch Esaila legte sich neben Yen und blickte zum dunklen Eingang. „Da soll der Wassergott wohnen? Ein gruseliger Ort.“ Danach drehte sie sich zu Nyrona und Sikona um. „Passt auf Nurik auf. Er ist der Nächste. Ihm geht es wirklich nicht gut, bei dem Gedanken, hier runter zu kommen und ist schon panisch. Aber er sieht das natürlich viel zu eng, schließlich ist es nicht das erste Mal, dass er nass wird.“ „Er wird heil ankommen“, sagte Sikona fest und schwang sich wieder ins Wasser. An der Wasseroberfläche angekommen, erwarteten sie schon Ruki und Nurik. „Komm, Bruder“, sagte Nyrona freundlich. „Die anderen warten schon auf dich.“ „Können die nicht noch ein bisschen länger warten? So bis morgen oder übermorgen? Oder wollt ihr das nicht alleine machen!?“ „Ach, Nurik höre schon auf. Wir brauchen dich da unten und zwar heute noch. Die anderen verhungern ja!“, sagte Nyrona schon etwas strenger. „Alle kamen unten heil an, also wirst du das auch. Wir lassen dich nicht im Stich.“ „Das weiß ich. Aber ...“, weiter kam der Feuerwolf nicht. Da trat Sikona zu ihrem Bruder. „Nurik, ich werde auf dich aufpassen. Du musst nur genau das tun, was ich mache. Das kannst du doch?“ „Ja, Sikona. Das kann ich. Aber du weißt, ich mag Wasser nicht so gern. Vor allem nicht, wenn es so tief und kalt ist.“ Die eisblaue Wölfin nickte. „Ich verstehe dich da sehr gut. Weißt du noch was wir uns vor Jahren versprochen haben? Wir passen aufeinander auf, egal was kommt, egal wo wir uns befinden, egal was die Zukunft von uns verlangt. Ich gehe mit dir in den tiefsten Vulkan und du mit mir in den kältesten Eisgletscher. Ich bin bei dir und auch Nyrona schwimmt immer hinter dir. Sie deckt dir den Rücken.“ Nurik blickte tief in die Augen seiner Schwestern. Sikona sah, wie die Augen ihres Bruders langsam wieder klarer wurden. Dann nickte er und trat ins Wasser. Direkt vor Ruki blieb er stehen. Der Windwolf nickte auch ihm zu. „Soll ich noch andere Körperteile von dir mit einer Luftblase umhüllen?“ „Nein, das brauchst du nicht. Ich bin schon öfters nass geworden und mein Schwanz und meine Mähne haben sich danach immer wieder entzündet. Es würde mich nur aufhalten. Es sieht zwar so aus, als würden Mähne und Schwanz gänzlich aus Feuer sein, aber das ist nicht der Fall.“ Ruki nickte erneut. „Gut, dann lass uns anfangen.“ Nurik ging weiter in den See und tauchte unter. Dampf blendete Rukis Augen, der von Nuriks Körper ausging. Doch Ruki bildete sofort die Luftblase um Nuriks Kopf, sodass der Feuerwolf normal weiteratmen konnte. Nurik beruhigte sich soweit, dass er keine erneute Panikattacke bekam, denn jetzt konzentrierte er sich voll und ganz auf Sikona, die direkt vor ihm schwamm. Diese lächelte ihn freundlich an und erschuf die erste Eisscholle. Sofort stieß sich die Eiswölfin an der Scholle ab und erschuf die nächste. Ein kleiner Strom ermöglichte es ihm, weite Sprünge unter Wasser zu machen. Nurik nahm nochmal tief Luft, bekämpfte die aufkommende Angst und tat es seiner Schwester gleich. Er hasste Wasser und dann ging es bei dieser Mission auch noch darum, nach unten zu tauchen, anstatt zur rettenden Wasseroberfläche. Der Feuerwolf schaltete alles um sich herum ab und konzentrierte sich nur auf seine jüngere Schwester, die immer direkt vor ihm blieb und auf ihn aufpasste. Die Schollen waren sehr glatt und so geschah es, dass er auf halbem Weg den Halt verlor und ausrutschte. Er ruderte unkontrolliert und panisch im Wasser herum, versuchte zu schreien, doch kein Laut kam aus der Blase heraus. Es dauert nicht lange, da war Nyrona direkt neben ihm und stabilisierte seinen Körper. Nyrona blickte ihn fragend an und Nurik beruhigte sich sofort wieder. Er war in Sicherheit und er wusste, dass ihn seine Schwestern immer helfen würden. Die Eisscholle direkt vor ihm begann schon zu schmelzen. Schnell setzte er wieder zum Sprung an, der dieses Mal auch glückte. Nurik kam ohne weitere Probleme am Meeresgrund an. Dort trat er in die große Luftkuppel und die Blase um seinen Kopf verschwand. Jetzt fühlte er sich gleich wieder besser. Allerdings hatten ihn die Aufregung und der Weg nach unten erschöpft. Das Fell an seinem Rücken und an seinem Schwanz begann sofort wieder wie Feuer zu lodern. Sikona stand direkt neben ihm und stupste in an. „Das hast du sehr gut gemacht, Bruderherz“, meinte sie sehr stolz zu ihm. Nurik lächelte seine Schwester erschöpft an. „Danke, dass ihr so gut auf mich aufgepasst habt. Ohne euch hätte ich das nicht geschafft. Aber eines muss ich schon sagen. Die Unterwasserwelt sieht sehr interessant aus. Diese ganzen Fische!“ Da musste Sikona lachen. „Ja, mein Lieber. Auch im Meer existiert Leben.“ Die anderen Wölfen versammelten sich um Nurik. Sie freuten sich, dass er ohne große Probleme bei ihnen angekommen war. „So wir müssen nun den letzten Wolf holen. Ruki wartet sicher schon ungeduldig auf uns“, meinte Sikona dann und verschwand wieder in den Tiefen des Sees. Nurik beobachtete neugierig, wie seine beiden Schwestern in der Ferne des Wassers verschwanden. Dann beschnupperte er den Boden. „Hier riecht es ja gar nach Fisch“, meinte er dann. „Fisch riecht ja auch nur, wenn er alt ist“, sagte Kian mürrisch. „Hat man dir das nicht als kleiner Welpe beigebracht?“ Nurik, der die bösen Worte nicht ganz verstand, sagte: „Als Welpe hatte ich nicht viel mit Wasser und dessen Bewohnern zu tun.“ Kian verdrehte die Augen und legte sich wieder hin. Der Blitzwolf mochte es auch nicht, so tief unter Wasser zu sein. Sollte es zu Problemen kommen, so hatten die Wölfe keine Möglichkeit, mal schnell von diesem Ort zu verschwinden. Er hätte immer gerne einen sicheren Fluchtweg gehabt. Doch dies ließ sich nun nicht ändern und er saß mit den anderen Wölfen hier mehr oder weniger fest. Nun gab es kein zurück mehr. Nach kurzer Zeit kam dann auch der letzte Wolf beim Rudel an. Ruki trat in die Luftkuppel und schüttelte sich ausgiebig. Er hatte seine Flügel erscheinen lassen, um so besser durch das Wasser zu kommen. „Wow, das hat richtig Spaß gemacht. Habt ihr gesehen was für ein Tempo ich drauf hatte?“, sagte Ruki begeistert und blickte Nyrona und Sikona an. Die beiden lachten. „Oh ja, das haben wir gesehen. Du hast Sikona beinahe eingeholt. Sie hätte es fast nicht geschafft, die Schollen im richtigen Moment zu erschaffen“, sagte Nyrona und ging zu den anderen Wölfen. Sowohl die Eiswölfin als auch die Wasserwölfin waren erschöpft. Es war sehr anstrengend gewesen, alle Wölfe heil nach unten zu bringen. Zudem schwand auch ihre Elementkraft immer mehr. Sie waren so nah am Wassertempel, doch die Kraft schien hier genauso schwach zu sein, wie in jedem anderen Teil von Daromi auch. Als Sikona sich schüttelte, flogen kleine Eiskristalle von ihrem Fell weg. „Ist dir kalt Sikona?“, fragte Ruki besorgt. Seine Freundin blickte ihn verwirrt an. „Mir und kalt?“, fragte sie. „Nein, mir ist nicht kalt. Das passiert immer, wenn ich im Wasser war. Meine Körpertemperatur ist von vornherein etwas kälter als die von normalen Wölfen. Ist dir das noch nie aufgefallen?“ „Doch, aber ich dachte immer, das machst du mit Absicht und das ist kein Dauerzustand“, erklärte Ruki. „Das ist so wie bei dir. Du spürst dafür den Wind eher durch dein Fell fahren, als ich.“ Ruki nickte und verstand. „Das sich deine Eltern, als du auf die Welt kamst, keine Sorgen gemacht haben?“ „Natürlich haben sie sich Sorgen gemacht. Sie dachten ich erfriere und unterliege einer seltsamen Krankheit. Deswegen hat mir meine Großmutter diesen Anhänger geschenkt und nicht Nurik, wie es normalerweise der Fall gewesen wäre. Halte mal deine Nase dagegen, dann wirst du spüren, dass er vor Wärme pulsiert.“ Ruki näherte sich Sikona vorsichtig und hielt seine Schnauze an den Zahnanhänger. Sofort spürte er eine sanfte Wärme. „Du hast Recht. Er ist warm. Das ist mir noch nie zuvor aufgefallen und Nurik sollte ihn ursprünglich bekommen?“ Sikona nickte. „Ja, es ist Tradition in meinem Rudel, dass immer ein Feuerwolf der nächsten Generation diesen Anhänger bekommt. Nurik hätte ihn von mir bekommen, nachdem wir alle sicher waren, dass ich nicht in Lebensgefahr schwebe, doch er meinte, dass er bei mir besser aufgehoben wäre und ich somit immer eine kleine Erinnerung an meinen Bruder bei mir trage. Somit weiß ich, dass ich in dieser kalten Welt auch einen warmen Funken an meiner Seite habe.“ „Das ist echt lieb von Nurik. Ihr beide versteht euch besonders gut nicht?“ Sikona nickte erneut. „Ja, das hängt damit zusammen, dass unsere Elemente so gegensätzlich sind!“ „Ich finde es erstaunlich, wie ihr euch respektiert und beschützt.“ Sikona blickte ihn in die Augen und wollte gerade etwas sagen, doch da wurde sie von Kian unterbrochen: „Hey Turteltauben, wie wäre es, wenn wir mal reingehen?“ Sikona und Ruki beendeten ihr Gespräch und folgten den anderen in die Höhle. Ruki würde dieses Gespräch aber nie vergessen und hoffte, Sikona irgendwann nochmal darauf ansprechen zu können. Yen ging als erster durch den kleinen Höhleneingang. Dieser war zwar breit, aber es konnten nicht zwei Wölfe nebeneinander laufen. Bald verschwand das bisschen Licht und die Wölfe waren im Dunkeln. Der schwarze Wolf blieb kurz stehen, sodass sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen konnten. Zum Glück hatte er noch andere gute Sinne außer seine Augen. Seine Ohren waren nach vorne gerichtet und seine Nase funktionierte sowieso besser als seine Augen. Wölfe sahen mehr mit dem Geruchs- als mit dem Sehsinn. Als die Gruppe in die Höhle getreten war, hatte er bemerkt, dass es mehr nach Seetang und Salz roch. Bei der genauen Betrachtung der Höhlenwände fiel ihm auf, dass sie natürlichen Ursprungs waren und nicht künstlich angelegt waren. Zudem spürte Yen, ein Ziehen in seiner Brust, seitdem er den Seeboden berührt hatte. Es schmerzte nicht, oder war unangenehm, sondern es war eher vertraut, so als hätte er dieses Gefühl schon immer gehabt. Doch er ließ sich nicht beirren. Kurz blickte er zurück zu seinen Freunden. Esaila war direkt hinter ihm. Er war froh, solche Freunde gefunden zu haben. Sie hatten zwar keine Rangfolge in ihrem Rudel, was er sehr gut fand, doch sahen ihn die anderen schon eher als eine Art Alpha an. Er selbst hatte einen großen Beschützerinstinkt für alle entwickelt und wollte seine Freunde gar nicht mit in die Höhle nehmen. Doch er wusste, dass sie ihn niemals alleine gehen ließen. So ging er entschlossenen Schrittes weiter ins Höhleninnere. Alle wollten herausfinden, was mit dem Wassergott war und wieso die Kräfte langsam verschwanden. Der Gang wurde bald breiter, sodass auch mehr Wölfe nebeneinander herlaufen konnten, bis sie in einen kleinen Raum kamen. Dort blieben die Wölfe stehen und blickten sich um. Der Raum war heller, als die Gänge. Als Yen nach oben blickte, konnte er einen Kristall sehen, der ein sanftes Licht verströmte. Es war genauso ein Kristall, wie die, die sie schon in der Höhle der Wasserwölfe gesehen hatten. „Nun, was machen wir jetzt? Hier gibt es zwei Wege“, sagte Nurik, der zu den beiden Eingängen blickte. „Welchen sollten wir nehmen? Oder sollten wir uns aufteilen?“ Sikona und Kian waren in dieser Zeit schon jeweils in einem der Gänge verschwunden, um sich kurz umzublicken. Als Sikona fertig mit ihrer kleinen Erkundung war, ging sie zum Blitzwolf, um die Höhlen zu vergleichen. „Beide riechen gleich und sind wieder dunkel. Es ist also egal ...“, weiter kam die Eiswölfin nicht, da begann die Erde zu beben und Steine flogen von der Decke auf sie nieder. Sikona versuchte noch, durch die fallenden Steine zu springen, doch da wurde sie von Kian aufgehalten. „Spinnst du?“, schrie er sie an. „Komm da gefälligst weg!“ Da folgte Sikona dem Blitzwolf in Sicherheit. Die anderen Wölfe rannten in die entgegengesetzte Richtung und drängten sich an die Höhlenwand. Doch in dem kleinen Raum blieben alle Steine an der Decke. Nur der Durchgang, den Kian und Sikona genommen hatten, war verschüttet. So schnell wie das Beben angefangen hatte, so schnell hörte es auch wieder auf. Yen und Nurik sprangen sofort ihren Freunden zur Hilfe. „Sikona! Kian!“, schrie Nurik und versuchte verzweifelt, die Steine aus dem Weg zu räumen. „Antwortet uns, wenn ihr uns hört.“ „Nurik, sei mal still“, sagte Yen und spitzte die Ohren. „Ich kann sie hören. Sie sind also nicht tot.“ Yen trat vorsichtig über die Steine, bis er fast an der Decke war. „Kian?“, fragte er etwas lauter. „Ja, Yen?“, kam sofort von der anderen Seite. „Geht es dir und Sikona gut?“ „Nur einen kleinen Schock sonst nichts. Es sind nur hier die Steine von der Decke gefallen. So wie es aussieht hat sich Nuriks Frage beantwortet. Da wir nicht alle Steine wegschieben können, werden Sikona und ich uns einen anderen Weg suchen. Wir werden euch schon finden, keine Angst. Sag bitte Nurik, dass ich gut auf seine Schwester aufpassen werde. Er braucht sich keine Sorgen zu machen.“ Yen wünschte seinen beiden Freunden noch Glück und wand sich dann an Nurik. Er richtete Nurik die Worte von Kian aus. Dieser nickte. „Ich werde mich später bei ihm bedanken.“ Sobald sich alle wieder beruhigt hatten, gingen die Wölfe durch den anderen Höhlendurchgang weiter. Kian und Sikona gingen auch ihres Weges. „Na toll... jetzt sind wir von den anderen getrennt“, sagte Sikona nach einiger Zeit. „Ob wir sie je wieder finden?“ „Natürlich werden wir das. Hier muss irgendwo ein Ausgang sein.“ Kian war eigentlich nicht der Typ dafür, andere Wölfe aufzumuntern. Doch irgendwie respektierte er diesen lieben Umgang, den der Feuer- und Eiswolf miteinander hatten, auch wenn ihm manchmal Nurik auf die Nerven ging. „Komm, wir müssen schnell weiter.“ Sikona folgte ihm ohne ein weiteres Wort. Kians Worte ließen sie optimistischer denken und wieder Hoffnung schöpfen. Ihr Weg führte nur den Gang entlang und kein weiterer Raum folgte. Somit blieben die beiden im Dunkeln. Nach einiger Zeit legten sie eine kleine Pause ein und ruhten ihre Pfoten aus. Irgendwann war die Stille für Sikona erdrückend und sie versuchte, mit dem sonst so schweigsamen Wolf eine Unterhaltung anzufangen. „Du Kian ... du hast mal erzählt, du kommst aus dem Osten. Wir sind ja jetzt im östlichsten Teil von Daromi. Wo genau von hier aus gesehen hatte dein Geburtsrudel sein Revier? War das dann auch ein Gemischtrudel?“ Kian blickte die Eiswölfin mit seinen kühlen blauen Augen an. Er wusste nicht, ob er auf diese Fragen antworten sollte. Eigentlich hatte er keine große Lust, sich die Zeit mit Fragen tot zu schlagen, doch Sikona war gerade über einen kleinen Schock hinweg und da war es auch in seinem Interesse, die Stimmung etwas zu lockern. So schüttelte er den Kopf. „Nein, das war kein Gemischtrudel, sondern ein reines Lichtrudel.“ Diese Aussage verwirrte Sikona etwas. „Ein Lichtrudel im Osten von Daromi?“ Kian schwieg auf diese Feststellung und drehte seinen Kopf von Sikona weg. Er wollte über das Thema nicht weiter reden. Zwar kam einem Sikona häufig etwas unterbelichtet vor, doch vormachen konnte man ihr nichts. Ihr fiel auf, dass Kian etwas verborgen hielt und nicht darüber reden möchte, doch sie wollte nicht, dass er dachte, ihr würde das entfallen sein. „Nun gut. Ich weiß, dass da irgendwas ist, über das du nicht sprechen möchtest. Das verstehe ich. Wir wollen dir alle nur helfen.“ Da legte die Eiswölfin ihren Kopf auf ihre Pfoten und schloss etwas die Augen. Sikona hatte gehofft, mit Kian ein bisschen reden zu können. Doch er war sehr verschlossen, dies hatte sie schon von Anfang an bemerkt. Diese Tatsache machte sie etwas traurig, da sie alle nette Wölfe waren. Doch am Grundcharakter eines Wolfes kann man nichts ändern. Die Eiswölfin döste etwas vor sich hin, als Kian sie ansprach. „Sikona? Bist du wach?“ Die Angesprochene öffnete die Augen und sah den Blitzwolf an. „Ja, Kian? Wollen wir schon weiter?“ „Ja, gleich, aber vorher möchte ich dir noch etwas erzählen. Ich erzähle das jetzt nur dir, weil ich denke, dass ich dir vertrauen kann und ich nicht will, dass durch irgendwelche Missverständnisse Unmut aufkommt.“ Sikona nickte. „Du kannst mir vertrauen, Kian.“ „Gut. Du musst wissen, damals, als ich zu euch gestoßen bin, habe ich euch angelogen. Ich komme nicht aus dem Osten. Ich war noch nie hier. Ursprünglich komme ich aus dem Süden, wie schon gesagt, aus einem Lichtrudel. Dort wuchs ich unter einem sehr strengen Rudelführer auf, der auch mein Vater war. Ich war damals das einzige Kind in der Familie und musste also einen gewissen Stand im Rudel bewahren. Doch das konnte ich nicht, da ich kein Lichtwolf war. Fast alle anderen Wölfe waren dem Element Licht wohl gesonnen. Es hat über ein Jahr gedauert, bis ich herausfand, dass ich kein Licht, sondern Blitze beherrschen konnte. An diesem Tag erinnere ich mich noch gut. Blitze sind kein friedliches Element. Sie bringen Katastrophen und Zerstörung und so war es auch, als sich das erste Mal meine Kraft gezeigt hatte.“ Sikona hörte Kian aufmerksam zu. Sie hatte den gelben Wolf noch nie so viel erzählen gehört. Doch sie wusste, das, was er jetzt preis gab, erzählte er nur ein einziges Mal. „Ich war in unserer Höhle und zudem ziemlich aufgebracht, da fing mein Fell zum Knistern an. Meine Mutter rief mir noch zu, ich solle mich beruhigen, doch diese Beschwichtigungen haben es nur noch schlimmer gemacht. Du musst wissen, dass mein Vater immer einen Lichtwolf in mir sehen wollte, doch das war ich nicht und ich konnte auch mit dem Element Licht nichts anfangen. Doch er hörte nie auf, mir unmögliche Aufgaben zu stellen. Da wurde ich sauer, entlud eine große Ladung Blitze und hätte uns beinahe alle in der Höhle eingesperrt, da ich einen Erdrutsch verursacht hatte. Zum Glück hatten wir noch einen Hinterausgang, der unversehrt blieb. Da habe ich meine eigentlichen Fähigkeiten entdeckt und fasste einen Entschluss. Ich verließ am darauffolgenden Tag das Rudel, um meiner Familie keinen weiteren Schaden zuzufügen und selbst an meinen Fähigkeiten zu feilen. Zudem war ich damals schon lieber ein Einzelkämpfer und mein Vater wollte mich sowieso aus dem Rudel schmeißen. Es war zwar nichts Schlimmes passiert, da die Höhle eh etwas brüchig war, doch, wenn ich mich nicht unter Kontrolle habe, könnte ich tatsächlich eine Gefahr darstellen. So ging ich, lernte meine Fähigkeiten kennen und vor allem zu kontrollieren. Ich bin noch weit davon entfernt, sie effektiv einzusetzen, doch ich habe die volle Kontrolle über mich erlangt.“ Kian machte eine kurze Pause. „Konntest du mir bis dahin folgen?“ Sikona nickte nur und hörte ihrem Freund weiterhin zu. „Als ich nach drei Jahren zu meinem Rudel zurückkehrte, war nichts mehr davon übrig. Alle starben bei einem Waldbrand. Ich fand ihre verkohlten Leichen in der Nähe der Höhle und in der Höhle selbst. Keiner war übrig geblieben und der Wald roch nach Tod und Verderben. Da beschloss ich, den Wolf aus der Legende zu finden, denn ich wusste, wenn die Lichtwölfe in meinem Rudel über ihre volle Kraft verfügt hätten, wären sie irgendwie davongekommen.“ Damit endete Kians Geschichte und er drehte seinen Kopf wieder weg. Was Sikona nun von ihm dachte, war ihre Sache. „Das ist keine schöne Geschichte und es tut mir Leid um dein Rudel.“ Kian blieb weiterhin liegen. „Ich finde es nicht schlimm, dass du uns angelogen hast. Das war eine Notlüge und das verstehe ich. Ich würde auch keinem fremdem Haufen Wölfe trauen, die mich ausfragen. Die anderen werden von mir nichts erfahren. Es ist deine Sache, wem du alles die Wahrheit erzählst, aber danke, dass du sie mir erzählt hast. Weißt du, manchmal ist es besser, über gewisse Dinge zu reden, als zu versuchen, sie zu ersticken. Ich hoffe, dir geht es nun etwas besser.“ Mehr sagte sie zu all dem nicht und blickte noch immer Kian an, der weiterhin den Kopf von ihr weggedreht hatte. Irgendwann legte auch sie sich wieder hin. „Danke, Sikona“, sagte Kian und stand auf. „Ich denke, wir sollten weitergehen.“ Sikona stand ebenfalls auf und folgte dem gelben Wolf. Sie wusste, dass sie ihrem Freund eine große Hilfe war, auch wenn er es nicht anmerken ließ. So war Kian eben: Verschwiegen und ein Einzelgänger, doch auch ein Einzelgänger brauchte Freunde. Der Gang blieb weiterhin schmal, aber nicht dunkel. An den Wänden erschienen leuchtende Kristalle, die ihren Weg erhellten. Somit kamen sie auch schneller voran. Nach einiger Zeit kam ein kleiner Windstoß durch den Tunnel. „Ich glaube, wir haben den Ausgang bald erreicht“, sagte Kian und fiel in einen leichten Trab. Sikona folgte ihm und sie hoffte, am Ende ihr Rudel wieder zu finden. Die Kristalle an der Wand wurden immer mehr und der Gang immer breiter. Irgendwann trug der Windstoß ein paar Stimmen mit. „Das sind sicher die anderen!“, rief Sikona und sie rannte los, dicht gefolgt von Kian. Der Gang endete in einem riesigen Raum, umgeben von vielen Kristallen, die alle Schatten in die Ecken trieben. Ganz in der Nähe ihres Ausganges lagen ihre Freunde. „Nurik!“, rief Sikona und rannte zum Feuerwolf. Dieser sprang sofort auf und begrüßte seine Schwester ausgiebig. „Schön, dass du wieder da bist“, sagte der Feuerwolf und schleckte Sikona über die Schnauze, woraufhin eine kleine Dampfwolke aufstieg. Dann drehte er sich um und blickte Kian an. „Danke, dass du auf sie aufgepasst hast. Du hast was gut bei mir.“ „Lass stecken. Du bist mir nichts schuldig.“ Kian wandte sich an Yen und fragte ihn, wie sie zu dieser Höhle gekommen und wie lange sie schon hier waren. „Ich kann es schlecht sagen, wie lange wir schon warten. Aber noch nicht all zu lange. Der Gang den wir nahmen, wurde irgendwann breiter und bald floss ein kleiner Bach neben uns entlang. Da wussten wir, dass dieser Bach in etwas Größeres münden musste und sind diesem bis hierher gefolgt. Da es hier viele kleine Höhlen gibt, war unsere Hoffnung, dass ihr irgendwann aus einer dieser Höhlen auftauchen würdet. Und hier seid ihr. Hattet ihr Probleme?“ Kian schüttelte den Kopf. „Nein, alles lief wunderbar.“ Yen drehte sich um und blickte sich in der Höhle um. Der Raum war riesig und ausgiebig beleuchtet. Der Bach, dem sie hierher gefolgt waren, endete in einem See, der in der Mitte der Höhle lag. Rundherum flossen mehrere kleine Bäche in den See hinein, die aus unterschiedlichsten Richtungen kamen. Viele flossen von der Decke oder aus der Wand. Doch das eigenartigste an der Höhle war die Konstellation in der Mitte des Raumes. Dort war ein Gebilde aus Stein, an dessen Balken und Säulen überall die Kristalle hingen. „Ich fürchte, wir müssen über den See zu dieser Konstellation“, meinte Yen dann und blickte seine Freunde an. „Los, lasst uns rüberschwimmen.“ Nurik war zwar von dieser Aktion nicht gerade begeistert, doch er wollte seine Freunde jetzt so kurz vorm Ende nicht im Stich lassen. So ging das kleine Rudel zum See. Am See selbst gab es keinen Strand, sondern er befand sich mehr in einem Kessel. Die Wasser- und Eiswölfin gingen zuerst ins Wasser. Es war kalt, doch erträglich. Die anderen folgten ihnen wortlos und zusammen schwammen sie zu der Insel in der Mitte des Sees. Dort angekommen, schüttelten sie sich das kalte Nass aus dem Fell und blicken sich um. Hier waren die meisten Kristalle, die in allen Farben leuchteten. „Hier muss es sein“, meinte Nyrona. „An diesem Ort pulsiert das Wasser vor Macht.“ Vorsichtig suchten die Wölfe nach Hinweisen auf den Wassergott. Doch es gab hier nichts zu finden außer Steine und Wasser. Nyrona und Sikona standen in der Mitte der Insel. „Glaubst du, wir müssen irgendetwas machen?“, fragte Nyrona ihre Schwester. „Ich weiß es nicht. Es ist hier alles so... gleich.“ Nyrona kam zu ihrer Schwester. „Das wäre irgendwie sehr einfalls- ...“, doch weiter kam Nyrona nicht, da plötzlich alle Kristalle noch heller leuchteten. Erschrocken blieb sie stehen und blickte an sich herunter. Sie war in ein kleines Wasserrinnsal getreten, das nun in allen Farben leuchtete. Das Rinnsal floss in Sikonas Richtung, wo es an einem Stein endete. Um diesen war ebenfalls ein kleines Wasserrinnsal. Überall auf der Insel leuchteten schmale Wasserstraßen. Doch nicht nur dieses Wasser leuchtete, sondern auch der See. Überall waren die Kristalle an der Wand im See angebracht, die pulsierten und Licht spendeten. Erschrocken rannten alle Wölfe zu Yen und bildeten einen Kreis. „Was ist passiert?“ fragte der schwarze Wolf Nyrona, doch diese konnte nur den Kopf schütteln. Da begann die Insel zu beben. „Wer wagt es, mein Heiligtum zu betreten? Welcher Feind stört meine Ruhe?“, rief eine tiefe dröhnende Stimme. Der Boden bebte immer heftiger „Seht dort!“, rief Esaila und zeigte mit ihrer Schnauze auf das Wasser. Dort blubberte und spritzte es. Plötzlich brach aus dem Wasser eine riesige Gestalt, die über die Insel flog und mit seinem großen, vor Wut verzerrtem Auge, das kleine Rudel anblickte. Das Wesen tauchte auf der anderen Seite der Insel wieder im Wasser ab. „Sah das jetzt nur ich, oder habt ihr diesen riesigen Wal auch gesehen?“, fragte Ruki die anderen. „Nein, du hast keinen Geist gesehen, Ruki. Dieser Wal ist echt.“ Da begann erneut die Stimme zu ihnen zu sprechen. „Wer meine Ruhe stört, muss bestraft werden.“ ~~Der Wassergott Ende~~ Wie wird der Wassergott zu besänftigten sein? Schaffen es die Wölfe, gegen ihn zu bestehen? Was hat den Gott überhaupt so rasend vor Wut gemacht? Viele ungeklärte Fragen, die im Wasser verschwimmen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)