Eins plus eins macht drei! von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 33: Von Spritzern an der Wand und einer Leiche in der Badewanne ----------------------------------------------------------------------- @ : Du scheinst Genma ja wenig zuzutrauen … Na, wer weiß? @ : Nein, den Stilbruch halte ich in Maßen, auch wenn er in diesem Kapitel vielleicht ein bisschen aus dem Ruder geraten ist. :D @ : Danke für dein Verständnis. Ich versuche auch, es für die Leser so verträglich wie möglich zu halten. :) @ : Da ich mich per ENS schon ausführlich bedankt habe, hier die Kurzform: Danke, danke, danke! =) Viel Spaß beim Lesen! ════════════════════════════════════════════════════ Kapitel 33: Von Spritzern an der Wand und einer Leiche in der Badewanne Mit kleinen weißlichgrauen Klumpen durchsetzte große Spritzer getrockneten Blutes verklebten die Tapete … Temari lief es eiskalt den Rücken herunter. Es war eine ziemlich widerliche Vorstellung, ein Hotelzimmer zu betreten, in dem gerade einem Mann das Gehirn – das sich in tausend kleinen Stückchen zusammen mit einer Menge Blut im Raum verteilt hatte – weggepustet worden war. Und als ehemalige Kunoichi hatte sie ja schon einiges gesehen und erlebt … Sie platzierte das Lesezeichen zwischen den Seiten und klappte das Buch zu. Der Wasserkocher hatte sich vor einigen Sekunden ausgeschaltet und sein Inhalt wartete darauf, dass er über einen Kräuterteebeutel in eine Tasse geschüttet wurde. Also ging sie in die Küche, machte sich ihren Tee und kehrte mit diesem ins Wohnzimmer zur Couch zurück. Nachdenklich starrte sie den Dampf an, der von dem heißen Getränk emporstieg. Heute fühlte sie sich nicht besonders wohl – und dummerweise schien die Geschichte einen gewissen – wenn auch geringen – Anteil daran zu haben. Auf der einen Seite war sie, an einem düsteren Regentag allein zu Hause – auf der anderen eine Familie, die in einem Hotel gefangen waren, in dem die seltsamsten Dinge vor sich gingen … Welche Person an ihrer Stelle würde sich da nicht unwohl fühlen? Wahrscheinlich keine außer mir, dachte sie ironischerweise und begann, am Faden des Teebeutels herumzufuchteln, damit sich das Aroma schneller im Wasser ausbreitete. Und um sich von widerwärtigen Gehirn- und Blutspritzern an der Wand abzulenken. Das klappte auch für eine geschlagene halbe Minute, dann war das leicht beklemmende Gefühl wieder da. Sie kam sich wie der größte Hasenfuß der Welt vor, da sie sich von einem Roman paranoid machen ließ. Wie dämlich das war! Wenn davon in Sunagakure auch nur eine einzige Person erfuhr, war ihr Ruf ruiniert – nicht dass sie jemals großen Wert darauf gelegt hatte – und Gelächter so sicher wie die Erde keine Scheibe war. Und in dem Punkt hatte sich Galilei tausendprozentig nicht geirrt. Temari drückte den Beutel zwischen den Fingern aus, damit die restliche Flüssigkeit nicht quer über den Tisch lief und verbrannte sich dabei prompt. Fluchend ließ sie ihn neben die Tasse fallen, auch wenn er im Mülleimer besser aufgehoben war. Doch da ihr Magen rebellierte, machte sie sich nicht die Mühe noch einmal aufzustehen und ihn wegzuwerfen. Sie legte sich zurück auf die Couch und schielte zur Uhr herüber. Viertel nach vier … Aller Wahrscheinlichkeit nach kam Shikamaru also innerhalb der nächsten Stunde von seiner lästigen Pflicht, wie er das Überwachen der verschiedenen Genin-Teams nannte –angemerkt, dass er nur dank ihr immer für die Frühschicht eingeteilt war –, nach Hause. Und wenn er erst zurück war, würde sie für den Rest des Tages wie eine Klette an ihm kleben und so das paranoide Unwohlsein vertreiben. Ihr inaktives Töchterchen war ihr, was das betraf, heute bisher keine große Hilfe gewesen. Sie griff wieder nach dem Buch, obwohl sie wusste, dass es vielleicht besser war, es nicht weiterzulesen und auf etwas Harmloseres auszuweichen. Aber dafür gruselte sie sich zu gerne – mit allen Konsequenzen. Gute Unterhaltung glich den einen oder anderen Moment des Verfolgungswahns schließlich wieder massig aus. --- Sie lief durch einen dunklen Flur. Beunruhigt schaute sie ständig über ihre Schulter hinter sich. Aus der Ferne vernahm sie ein Rascheln – fast so, als würde sich eine Schlange durch Gras schlängeln. Sie beschleunigte ihre Schritte und strauchelte plötzlich, sodass sie zu Boden fiel. Einen Moment lang rieb sie sich den Arm, mit dem sie sich abgefangen hatte und wollte anschließend wieder aufstehen, doch irgendetwas hielt ihren linken Fuß fest. Sie wandte sich um und entdeckte eine Pflanzenranke, die aus dem Teppich herausragte und sich um ihr Gelenk geschlungen hatte. Es schien, als wäre das Dschungelmuster gerade dabei, sich selbstständig zu machen … Nein, das hatte es natürlich schon. Angst stieg in ihr auf, als sich unmittelbar darauf eine weitere Ranke um ihr Handgelenk schloss. Sie versuchte sich loszumachen, doch mit jedem Ruck zogen sich die Arme der Schlingpflanze nur fester um sie, gruben sich auf schmerzhafte Weise tiefer in ihre Haut und färbten das Grün des Teppichs allmählich blutrot. Panisch stellte sie fest, dass das Schlängeln mit jedem Augenblick lauter wurde, bis letztendlich eine bizarre Schlange im Lichtkegel der schwachen Wandbeleuchtung auftauchte. Das Reptil wirkte wie die schlechte Parodie eines veralteten Wasserschlauchs, wenn nicht die vielen scharfen Zähne gewesen wären, die gefährlich blitzten und es kaum erwarten konnten, sich in ihr Fleisch zu bohren und blutige Stücke herauszureißen. Verzweifelt schaute sie sich um, suchte nach einer Lösung, um dieser Situation noch irgendwie zu entkommen. Doch es gab keine. Sie saß auf einem Teppich, aus dem immer mehr Schlingen schossen und die sich wie Fesseln um sie legten und weit und breit keine Spur eines Menschen, der ihr eventuell zu Hilfe kommen konnte. Es war aussichtslos. Mit weit aufgerissenem Maul kam die Schlange Stück für Stück auf sie zu, schnellte letzten Endes auf sie zu und – Ein lautes Geräusch hinter ihr ertönte und alles um sie herum löste sich in weißes Nichts auf. Temari schlug die Augen auf und verengte sie sofort wieder zu Schlitzen, als das Licht der Deckenlampe sie blendete. In ihrer rechten Hand verspürte sie eine gewisse Taubheit. Sie war mit dem Buch in der Hand eingeschlafen. Sie klappte es zu und versuchte ihre Finger zum Aufwachen zu bewegen, was auch einigermaßen funktionierte. Im Flur waren Schritte zu hören. „Verdammt gutes Timing“, murmelte sie vor sich hin und verschwendete nur noch einen kurzen Gedanken an den Traum – pardon, Albtraum. Die Zeit für eine richtige Definition musste sein. Obwohl das, was sie sich im Unterbewusstsein zusammengesponnen hatte, wohl eher die Bezeichnung totale Scheiße verdiente. Nichts anderes war es nämlich gewesen. Sie rollte sich zur Seite und war drauf und dran, sich mal wieder auf den Bauch zu legen – so lag es sich nach einem beschissenen Traum zusammen mit einem weichen Kissen und einer Bettdecke, die man sich über den Kopf zog, eben am besten –, aber die Kugel, die sich dort gebildet hatte, wusste das zu verhindern. Seltsam, nur ein einziges Hirngespinst in nicht schwangerem Zustand und schon hatte sie für einen Moment vergessen, dass sich ein gut dreißig Zentimeter großer Fetus in ihrem Unterleib tummelte. Und wie er sich tummelte! Ihr Töchterchen feierte gerade wohl eine Ein-Mann-Party! Nein, Ein-Frau-Party passte natürlich besser. Warum erst jetzt?, dachte sie verdrießlich. Immer, wenn man Aufmunterung gebrauchen konnte, kam sie nicht und wenn sie mehr oder weniger überflüssig war, drängte sie sich einem auf. Das wiederum war verdammt beschissenes Timing. Aber so die regen Lebenszeichen seines ungeborenen Kindes zu bezeichnen, war wohl eher unpassend. Sehr unpassend. Shikamaru kam gut durchnässt ins Wohnzimmer und das Erste, das sich ihr in den Sinn schlich, war begossener Pudel. Auch wenn er mit einem Pudel überhaupt keine Ähnlichkeit hatte. „Schon mal was von einem Regenschirm gehört?“, neckte sie ihn zur Begrüßung und merkte, dass sie sich in der Magengegend gleich deutlich wohler fühlte. „Schon mal was von einer anständigen Begrüßung gehört?“, konterte er, obwohl er sich gar nicht daran störte. Dieses tägliche Blabla Schatz, wie war dein Tag? – Super! – Knutsch, knutsch! wie es in Yoshinos Soaps immer dargestellt wurde, war schließlich schon unendlich ausgelutscht. Nicht, dass etwas dagegen sprach, sich nach dem Tag des Partners zu erkundigen, doch man musste sich ja nicht hundertprozentig an das von allem und jedem assoziierte Schema halten. Seine Freundin ging nicht auf seine Bemerkung ein und fragte stattdessen: „Willst du gar nicht wissen, was ich den ganzen Tag so gemacht habe?“ „Okay, wie war dein Tag?“ Toll, jetzt stellte er diese Frage ja doch … „Langweilig wie immer.“ Wenn’s mal so gewesen wäre, bedauerte sie insgeheim. Aber dass sie sich stundenlang auf die Couch verkrümelt hatte, weil sie vor einem fiktiven Setting ein bisschen Schiss hatte, erzählte sie ihm trotzdem nicht. Machte ja die Illusion kaputt, dass sie eine uneingeschränkt starke Frau war … Wobei er das ohnehin schon lange besser wusste. Allerdings musste sie dieses Image ja nicht unbedingt noch unterstreichen. Oder sie schob ihre paranoiden Anwandlungen auf ihre Schwangerschaft … Na, wer’s glaubt, wird selig. Nicht mal der größte Hohlkopf würde ihr das abkaufen und Shikamaru konnte man höchstens gelegentlich im Umgang mit Frauen so betiteln. Intelligenz hatte eben auch seine Grenzen. „Liest du das Buch denn nicht?“, fragte er weiter. „Doch, aber ich kann ja nicht den ganzen Tag nur lesen. Außerdem müsste ich mir dann alle drei Tage ein neues kaufen.“ „Du brauchst echt dringend ein Hobby.“ „Ha, ha“, bemerkte sie trocken. „Wenn du kein Talent hast, lern ’ne Fremdsprache.“ „Und welche?“ „Englisch, Chinesisch, Deutsch – ganz egal!“ „Wir sprechen Deutsch!“ „Ich schon, aber bei dir bin ich mir manchmal nicht so sicher“, ärgerte er sie. „Was soll denn das heißen?“ „Du betonst manche Wörter anders – wie alle aus Suna mit ihrem Dialekt.“ „Ich hab keinen Dialekt!“, protestierte sie. „Das ist höchstens ’ne Mundart, wenn überhaupt.“ „Du weißt, dass Mundart nur ein Synonym für Dialekt ist?!“ „Klugscheißer.“ Er grinste und erwiderte: „Ein Synonym wäre Besserwisser.“ Temari griff spontan nach dem nächsten Kissen, feuerte es mit Schwung in seine Richtung – und verfehlte ihn knapp. Ihr Freund verschwand mit einem siegreichen Grinsen auf den Lippen ins Bad. --- Es war dunkel. Ihre ungeborene Tochter befand sich gerade wohl im tiefsten Schlummerland und die langsamen und flachen Atemzüge ihres schlafenden Vaters neben ihr waren das Einzige, das die Stille der Nacht begleitete. Automatisch griff Temari zu dem Digitalwecker, der seit neuestem auf dem Schrank neben dem Bett stand – Shikamaru hatte ihn mitgebracht, da die analoge Uhr vor einigen Tagen unter mysteriösen Umständen kaputtgegangen war –, und betätigte die Taste für die Beleuchtung. Es war kurz vor Mitternacht. Geisterstunde, dachte sie augenblicklich und kam sich anschließend gehörig dumm vor. Das Märchen der Geisterstunde hatte sie schon als sechsjähriges Mädchen nicht mehr geglaubt – und ausgerechnet jetzt, fast achtzehn Jahre später, stellten sich leicht die Härchen in ihrem Nacken auf?! Unglaublich … Noch unglaublicher war allerdings, dass sie bereits seit einer Dreiviertelstunde wach lag, weil sie dringend aufs Klo musste – die unberechenbare Blase einer Schwangeren eben –, sich aber nicht traute, aufzustehen und alleine ins Badezimmer zu gehen, das keine zehn Meter entfernt lag. An sich wäre das wahrscheinlich das kleinste Problem gewesen, da sie ja die Nachttischlampe anschalten konnte, doch … Ihre Nackenhaare stellten sich bei dem Gedanken noch mehr auf und sie bekam eine Gänsehaut. Diese verdammte tote Frau in der Badewanne von Zimmer Nummer 217! Die Szene, wie der kleine Junge versucht den Raum zu verlassen, verfolgt von der aufgequollenen Leiche, ging ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf. Einfach eine grausige Vorstellung! Und das ganz ohne Splatter-Effekte. Sie legte sich auf die Seite und kniff die Oberschenkel zusammen. Der Druck auf ihre Blase verschwand einen kurzen Moment lang, um dann unangenehm mit voller Wucht zurückzukehren. Mist, wenn sie nicht bald ging, machte sie noch wie ein Kleinkind ins Bett … Einige Minuten lag sie noch so da, die Vorderzähne vor Anspannung fest auf die Unterlippe gepresst, bevor sie zu einem Entschluss kam: Keine würgende – nebenbei bemerkt nicht mal existierende – tote Frau konnte sie länger von der Toilette fernhalten! Okay, vielleicht konnte sie es noch etwas so aushalten, aber wenn ihre Tochter spontan beschloss, Salsa in die falsche Richtung zu tanzen, geschah wirklich ein Unglück. So schaltete sie die Nachttischlampe ein – es war inzwischen sieben nach Mitternacht –, schlug die Bettdecke zurück und stand langsam auf, wobei es in dieser Bewegung noch mehr drückte als zuvor. „Höchstens eine halbe Minute“, flüsterte sie ermutigend vor sich hin und machte selbstbewusst die ersten Schritte. Mitten im Raum, außerhalb des Lichtkegels der Lampe, verflog ihr Mut abrupt und sie blieb stehen. Im Halbdunkel des Zimmers hatte sie ein Etwas namens Angst wieder eingeholt – oder besser gesagt sein kleiner, etwas harmloserer Bruder namens Schiss. Und den hatte sie nun unbestreitbar: Eine gehörige Portion Schiss. Wie angewurzelt stand sie auf der Stelle – mit einer so vollen Blase, dass sie fürchtete, sie würde in wenigen Augenblicken explodieren – und starrte die dunkle Badtür an. Sie starrte und starrte scheinbar ohne zu blinzeln, damit ihr auch ja nicht die kleinste verdächtige und bedrohliche Veränderung der Schatten entging, unfähig, sich vorwärts oder zumindest rückwärts ins Bett zurück zu bewegen. Ironischerweise dachte sie wieder einmal an ihr Ansehen, das einen gehörigen Knacks wegbekommen würde, wenn ein Außenstehender sie so sah. Jeder Akademieschüler würde sich über sie lustig machen – von gestandenen Chuunin und Jounin ganz zu schweigen – und in der Wildnis wäre sie ein gefundenes Fressen für jeden feindlichen Shinobi. Wobei sie bei einer Begegnung mit Letzterem eine geringe Überlebenschance hatte, wenn dieser sich bei ihrem Anblick totlachte. Gut, dass sie sich ihre Wohnung ausgesucht hatte, um sich zum Affen zu machen, denn dort gab es außer ihrer Tochter keine weiteren Zeugen – und diese konnte sich in ein paar Jahren sicher nicht mehr daran erinnern, dass sich ihre Mutter wegen einer Gruselgeschichte fast in die Hose gemacht hatte, weil sie befürchtete, auf der Toilette einer wandelnden Leiche zu begegnen. Ein Knarren ertönte plötzlich. Temari zuckte unter einem leisen Aufschrei zusammen und wandte sich abrupt um, darauf gefasst, dass ein Zombie hinter ihr stand. Ihre Muskeln entspannten sich rasch wieder und eine Spur Erleichterung machte sich in ihr breit. Als Zombie konnte man Shikamaru nach dem Aufwachen tatsächlich bezeichnen, da sich sein Wortschatz für gute zwanzig Sekunden genau auf die Darstellung eines dieser Untoten beschränkte, doch nun war sie bloß froh, dass er wach war. „Was schreist du denn so?“, murmelte er verschlafen vor sich hin und klang dabei so routinemäßig, als würde es ihn nicht interessieren – was es, ehrlich gesagt, mitten in der Nacht auch nicht wirklich tat, aber als guter Partner fragte man eben nach. In erster Linie natürlich, um schnellstmöglich weiterschlafen zu können. „Nichts, ich dachte nur, ich hätte eine Maus gehört“, antwortete sie für seinen Geschmack ein wenig zu schnell. Eine Maus … Er war zwar verpennt, aber nicht blöd. „Dieser Bau ist gerade mal drei Jahre alt. Da gibt’s keine Mäuse“, bemerkte er. „Ich sagte ja auch, dass ich dachte, ich hätte eine gehört“, verbesserte seine Freundin. „Selbst wenn … Du hast ein Fünftel deines Lebens draußen verbracht, da hat man keine Angst vor kleinen Nagern.“ „Von Angst war ja auch keine Rede …“ „Gut, und jetzt die Wahrheit: Warum schreist du um Viertel nach Zwölf herum?“ Sie schwieg. „Lass mich raten. Du traust dich nicht aufs Klo, weil du dir vorstellst, eine Leiche könnte im Bad auf dich losgehen?“ „Woher weißt du das?“, entfuhr es ihr perplex. Scheiße, jetzt war sie im Eimer … „Geraten“, gab er zurück, nicht gerade überzeugend. Temaris Augenbrauen zuckten leicht. „Wie wär’s mit der Wahrheit?!“, forderte sie ihn ruhig, aber bestimmt, auf. Okay, mal wieder Zeit für alte Geschichten … „Ich kenne die Verfilmung und die wandelnde Leiche hat mich auch nicht ruhig schlafen lassen“, antwortete er in völlig ernstem Tonfall. „Tatsächlich?“ „Tatsächlich“, legte ihr Freund fest, „vor elf Jahren zumindest.“ Das schadenfrohe Lachen – obwohl sie dafür gar nicht in der richtigen Position war; absolut nicht –, das sich in ihrer Kehle angebahnt hatte, löste sich komplett in Luft auf. „Warum guckt sich ein Achtjähriger Horrorfilme an?“ „Langeweile?!“, nahm er schulterzuckend an. „Nee, keine Ahnung. Hast du dich nie heimlich nachts zum Fernsehen ins Wohnzimmer geschlichen?“ „Nachts nicht, aber frühmorgens, um mir Zeichentrickserien anzugucken.“ „Ist doch dasselbe.“ „Ich glaube nicht, dass man ein paar niedlich gezeichnete Mumins mit mordlüsternden Zombies und Monstern in Realoptik vergleichen kann.“ „Mu-was?“ „Mumins“, wiederholte sie. „Kennst du nicht diese weißen Trolle, die wie Nilpferde aussehen?“ „Hab ich frühmorgens vor der Glotze gesessen?“ „Natürlich nicht“, pflichtete sie ihm bei. „Langschläfer wie du pennen ja auch lieber bis zum Mittagessen und verschwenden den halben Tag mit Schlafen.“ Wie streitlustig sie mal wieder war … Wenn sie in ihrem Element war, vergaß sie einfach alles. Zeit also, sie ans Wesentliche zu erinnern. „Musstest du nicht aufs Klo?!“, merkte er gelassen an und traf damit voll ins Schwarze. Die Lust zu dissen verging ihr augenblicklich. Temaris Blick glitt erneut zur Badtür herüber und sie stammelte: „Ja, aber …“ „Soll ich mitkommen und aufpassen, dass keine Leiche aus der Wanne steigt und dich anfällt?“, fragte er rasch. „Nicht nötig“, antwortete sie kopfschüttelnd angesichts dieser absoluten Blamage, überwand die letzten Meter und verschwand – natürlich nachdem sie das Licht angeschaltet hatte – ruckzuck mit einem flauen Gefühl in der Magengrube ins Badezimmer. Quasi in Rekordzeit verließ sie es wieder. Innerlich war sie so erleichtert, dass sie sich fühlte wie ein neuer Mensch. Hastig kroch sie zurück ins Bett, schaltete die Lampe aus und kuschelte sich ohne Rücksicht auf Verluste an ihren Freund. Jetzt war wirklich alles in bester Ordnung. Zumindest bis zum nächsten Klogang, der hoffentlich erst nötig war, wenn es draußen hell war. Shikamaru starrte in die Dunkelheit und überlegte, ob er ihr das unter die Nase reiben sollte, entschied sich aber dagegen. Erstens war es total unreif und zweitens zog es wahrscheinlich nur wieder Stress nach sich. Und dass in einer Schwangerschaft einiges anders lief, wusste er ja inzwischen, aber dass Paranoia zu einer Begleiterscheinung gehörte, hatte er noch nie gehört – und bezweifelte es auch stark. Trotzdem waren gegen menschliche Schwächen ja nichts auszusetzen – er hatte auch genug davon –, selbst wenn es sich um die nach außen hin fehlerlose Temari handelte. „Weißt du, was das wirklich Gruselige an dem Buch ist?“, fragte er schließlich. „Was denn?“ „Die ganzen Rechtschreibfehler.“ Sie musste herzhaft lachen. ════════════════════════════════════════════════════ Die deutsche Ausgabe von The Shining, aus der übrigens der erste Satz des Kapitels stammt (ich muss mich ja ans Zitatrecht halten), ist in puncto Rechtschreibung wirklich eine bodenlose Frechheit. Dafür ist es meiner Meinung nach aber wirklich eins der unheimlichsten Romane von King. Der Herr schafft es, mich gut zu unterhalten, doch gegruselt hab ich mich bis auf diese Ausnahme noch bei keinem seiner Bücher so richtig. Thematisch war dieses Kapitel (zum Glück! :D) erstmal das Letzte, das aus dem Rahmen fällt. Ab dem Nächsten geht es endlich wieder mit dem Plot weiter. Kennt hier eigentlich noch jemand die Mumins? Die fand ich als Kind so klasse! :D Ich wünsche ein frohes Osterfest und danke fürs Lesen! =) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)