Eins plus eins macht drei! von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 50: Wenn es keine Liebe ist ... --------------------------------------- Kapitel 50: Wenn es keine Liebe ist … „Zweimal in gerade mal vierundzwanzig Stunden?“, fragte Temari. „Macht dich mein Gequatsche von der Vergangenheit so an oder was ist los? Das ist fast unheimlich …“ „Zu selten, zu oft …“ – Shikamaru seufzte und zog die Decke zu sich heran – „Egal, wie man es macht, es ist dir nie recht.“ Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter und sagte belustigt: „Das täuscht. Du glaubst gar nicht, wie recht mir das gerade war.“ Ein Lachen. „Ich gewöhne mich gerne wieder an die Häufigkeit von damals. Zumindest solange es noch geht.“ Also nicht mehr lange, setzte sie in Gedanken nach. Sie tätschelte ihren Bauch und als Reaktion folgte ein sanftes Ruckeln. Das wiederholte sich noch ein paar Mal, dann bewegte sich nichts mehr. „Dein Kind hat anscheinend auch nichts dagegen, wenn es gleich wieder in den Tiefschlaf fällt“, bemerkte sie. Sie bekam keine Antwort und hörte stattdessen ein leises, regelmäßiges Atmen. Temari sah zu ihm herüber. Vor zwei Minuten hatte sie noch mit ihm geredet und jetzt schlief er, obwohl er schon den halben Tag verschlafen hatte. Und sie hatte inzwischen sechzehn Stunden hinter sich und war immer noch hellwach. Irgendwas lief da schief. Sie drehte sich auf die Seite. Vor drei Jahren hätte sie nie im Leben gedacht, dass sie heute noch neben ihm liegen würde. Von dem Kind, das sie von ihm erwartete, ganz zu schweigen. Sie schloss die Augen und ihre Gedanken schweiften ab. In die Vergangenheit. „Du bist gar nicht so dominant, wie du immer tust“, bemerkte Shikamaru amüsiert. Temari sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Bild dir bloß nichts ein, weil du mal oben sein durftest.“ „Mal?“ Sie zwickte ihm in die Seite und lachte. Er drückte ihr einen Kuss auf und legte sich zu ihr. In Momenten wie diesen fühlte sie sich besonders merkwürdig. Obwohl die Prüfungsvorbereitung seit drei Wochen vorbei und sie nicht mehr gezwungen waren, Zeit miteinander zu verbringen, trafen sie sich jeden Tag. Er blieb dann eins, zwei Stunden, je nachdem, wie lange er sich loseisen konnte, ohne Verdacht zu schöpfen. Meist schliefen sie miteinander, aber nicht immer. Und er ging nie sofort, wenn sie fertig waren, wie das bei einer Affäre so üblich war. Erst vögeln, dann gehen. Aber er blieb. Sie redeten viel. Über ihre Aufgaben bei der Prüfung, den Tag, Gott und die Welt. Über alles Mögliche. Wie ein normales Paar. Es war befremdlich. Und irgendwie schön. Sie verbrachte gerne ihre Zeit mit ihm. Weil sie in Konoha sonst niemanden zum Reden hatte. Aber war das der einzige Grund? Das konnte sie sich nicht vorstellen, aber sie wusste auch nicht, woran es noch liegen könnte. „Was ist das hier eigentlich zwischen uns?“, fragte sie. Wollte sie darauf überhaupt eine Antwort haben? Es gefiel ihr, wie es war, also warum ging sie die Gefahr ein, dass sich etwas änderte? „Ist das nicht eindeutig?“, erwiderte Shikamaru. „Du wolltest es so.“ „Und du etwa nicht?“, gab sie zurück. „Am Anfang nicht.“ Sehr zum Anfang, dachte sie, fragte aber stattdessen: „Und jetzt?“ „Schon.“ Temari seufzte. Das kam davon, wenn sie von ihm eine klare Ansage erwartete. „Geht’s noch ein bisschen unpräziser?“ Ein Achselzucken, dann fragte er: „Was willst du hören?“ Ja, was wollte sie hören? Warum hatte sie diese Unterhaltung vom Zaun gerissen, anstatt einfach weiter still hier mit ihm zu liegen? Aber nein, stattdessen hatte sie beschlossen, über Gefühle zu reden, wo keine waren. Zumindest keine Tieferen. „Einfach nur, wie es ist.“ Eigentlich war es schwachsinnig, mit ihm darüber zu reden. Wenn sie selbst das Ganze nicht einordnen konnte, konnte er es erst recht nicht. Eine kurze Pause, dann sagte er: „Wir haben Spaß, es gefällt mir und ich kann dich gut leiden, obwohl du ’ne Frau bist.“ Seine Wortwahl brachte sie zum Schmunzeln. „Du kannst mich gut leiden?“, wiederholte sie. „Ich glaube, so was Nettes hast du noch nie zu mir gesagt.“ „Okay, wenn man’s genau nimmt, mag ich dich sogar“, warf er ein und sie musste lachen. „Übertreib es bloß nicht“, sagte sie. „Und ist es nicht das Mindeste, dass man die Person, mit der man vögelt, wenigstens mögen sollte?“ „Keine Ahnung. Davon versteh ich nicht viel.“ „Nicht viel?“ „Hm … Es ist so kompliziert.“ Kompliziert … Mit dem Wort hatte er einen absoluten Volltreffer gelandet. Besser konnte man das, was sich zwischen ihnen abspielte, nicht beschreiben. Von einer kleinen, oberflächlichen Affäre konnte keine Rede sein. Aber was es genau war, wusste sie auch nicht. „Stimmt“, sagte sie mehr zu sich selbst als zu ihm. Sie spürte seine Hand an ihrer und sie konnte sich nicht erinnern, ob er ihre oder sie seine genommen hatte. Noch so eine Sache, die nach ihrer Auffassung nicht vorkommen sollte, wenn man Sex ohne Liebe hatte. Liebe … Wie hirnrissig. „Bist du etwa schwanger?“, fragte er. Die Frage überraschte sie. „Legst du es etwa drauf an?“, gab sie im Affekt zurück. „Nein.“ Ein einfaches Nein. Mehr nicht. Ihn konnte wirklich nichts aus der Fassung bringen. Von den beiden Malen, als sie ihn dazu überredet hatte, mit ihr zu schlafen, mal abgesehen. Er fragte sie, ob sie schwanger war, wie andere Leute nach der Butter am Frühstückstisch. Unglaublich. „Wie kommst du dann darauf?“ „Weil du auf einmal so merkwürdige Dinge fragst.“ „Die übermäßige Ausschüttung von Glückshormonen macht mich wohl ein bisschen gefühlsduselig.“ Das musste es sein. Warum dachte sie sonst über so einen Unsinn wie Liebe nach? Das hatte die Natur wirklich geschickt eingerichtet. „Übrigens schön, dass du dich mit der Verhütungsfrage beschäftigst, nachdem wir es etwa drei Dutzend Male getrieben haben.“ „Du hast mitgezählt?“ Er überging das Wesentliche schon wieder. Und sie ärgerte sich nicht mal darüber. „Nur ’ne grobe Schätzung“, sagte Temari. „Du fragst mich, ob ich schwanger bin und ich stelle komische Fragen? Wie kommst du auf die Idee?“ „Müsstest du nicht inzwischen mal dein Frauenproblem gehabt haben?“ „Solange wie das hier läuft, verschwende ich doch nicht vier Tage damit“, entgegnete sie. „Deshalb nehm ich die Pille durch. Im Gegensatz zu dir denke ich mit.“ „Meinst du, dass ich während der Prüfungsvorbereitungen nicht jeden Abend gesehen habe, wie du sie eingenommen hast?“ „Und was, wenn es Kopfschmerztabletten gewesen wären?“ „Jeden Tag um dieselbe Uhrzeit?“ „Okay, der Punkt geht an dich“, gab sie zu. „Eigentlich hätte ich mir denken können, dass du nicht so dermaßen leichtsinnig bist. Und was Kinder betrifft, kannst du mich in zehn Jahren noch mal fragen.“ In zehn Jahren? Warum hatte sie denn das jetzt gesagt? Als ob dieses Was-auch-immer überhaupt so lange hielt … „Eventuell komm ich drauf zurück“, sagte Shikamaru amüsiert und sie war froh, dass er sie mit dieser Aussage nicht aufzog. Langsam verfluchte sie diese Endorphine. In Zukunft hielt sie unmittelbar nach dem Vögeln die Klappe. Dann kam wenigstens kein Blödsinn heraus. Sie schaute auf die Uhr und obwohl sie sich bei dem Gedanken ertappte, dass sie gerne noch ein bisschen länger so mit ihm gelegen hätte – was zum Teufel war das nur? ,– war es höchste Zeit für ihn zu gehen. „Es ist gleich halb elf“, bemerkte sie. „Und?“, fragte er. Seine Teilnahmslosigkeit überraschte sie. „Musst du nicht los?“ „Jetzt oder in einer Stunde …“ Er zuckte die Schultern. „Wo ist der Unterschied? Stress gibt’s sowieso.“ Sie hatte den Vorteil – wenn man es so nennen konnte, dass man in ihrem Alter keine Eltern mehr hatte – und musste sich vor niemandem rechtfertigen. Sie hatte ihre Brüder, aber sie waren drei Tage entfernt und das, was sie in ihrer Freizeit tat und mir wem sie sich traf, ging beide nichts an. Nicht im Geringsten. Er hingegen hatte einen Hausdrachen als Mutter, die ihn mit Adleraugen überwachte. Eine Tatsache, um die sie ihn nicht beneidete. Gerne hätte sie ihm zugestimmt und es dabei belassen – seine Probleme zu Hause waren schließlich seine Sache –, aber … „Du musst es ja nicht noch schlimmer machen, als es ist.“ Sie ließ seine Hand los und zog ihm die Decke weg. „Also hau schon ab, bevor ich dich eigenhändig rausschmeiße. Du hängst hier eh schon viel zu lange herum.“ Ein erneuter Blick auf die Uhr. Er war wirklich schon seit viereinhalb Stunden hier. Und nur zwanzig Minuten davon waren für Sex und das Drumherum draufgegangen. Was hatten sie nur die restliche Zeit gemacht? So lange konnte man doch nicht reden, ohne dass einem die Gesprächsthemen ausgingen, wenn man sich jeden Tag sah. Dieses – sie wusste es immer noch nicht – nahm ganz absurde Züge an. Ein Seufzen, dann stand er widerwillig auf und zog sich an. „Und jetzt raus!“, sagte sie, um ihren Standpunkt zu untermauern. „Du weißt, wo die Tür ist.“ Sie erntete einen genervten Gesichtsausdruck, dann murmelte Shikamaru ein „Bis dann“ und verschwand in den Flur. Temari hörte noch das Knarren der Wohnungstür, als sie aufging, dann war es still. Sie drehte sich auf die Seite und starrte auf den türlosen Rahmen in der Wand, durch den er eben gegangen war. Ein paar Zeilen eines Liedes liefen in ihrem Kopf ab. Sie hatte keine Ahnung, warum sie ausgerechnet jetzt daran dachte, aber es passte ausgesprochen gut zu ihrer Situation. Ihre Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln und die Frage, die sie beschäftigte, nahm Form an: Wenn es keine Liebe ist, warum fühlt es sich dann so verdammt gut an? Die Antwort darauf hätte sie nur zu gerne gekannt. Und andererseits … Warum dachte sie in den letzten Tagen so viel darüber nach? In fünfzehn Tagen war die Chuuninprüfung vorbei und mit ihr … Dieses Wir-haben-Sex-und-mögen-uns-Dingens, das sie mit ihm hatte, hatte ein Ablaufdatum. Und das war der Tag ihrer Abreise. Gut, mit einer Ausrede schaffte sie es vielleicht noch, sie ein wenig hinauszuzögern, aber dann? Es gab kein Dann. Spätestens Mitte Juli war die Sache erledigt und jeder ging seines Weges, als wäre nie etwas gewesen. So einfach war das. Wenn es keine Liebe ist, spielte es sich in ihren Gedanken ab. Vielleicht war es doch so etwas wie Liebe und sie konnte sich das nur nicht eingestehen?! So ein Schwachsinn … Sich in einen Typen aus einem Dorf zu verlieben, das so weit entfernt war, sprach gegen jede Logik. Diese verfluchten Hormone … Jetzt redeten sie ihr schon ein, dass sie eventuell dabei war, sich zu verlieben. Emotional war das nicht ganz von der Hand zu weisen – es war zumindest eine Erklärung dafür, warum sie sich in seiner Gegenwart fühlte, wie sie sich fühlte –, aber rational machte es null Sinn. Das war wirklich die komplizierteste Scheiße, in der sie sich je befunden hatte. Und dabei hatte alles so simpel mit ein wenig Spaß angefangen. Wahrscheinlich war es ein Fehler gewesen, nach dem Abschluss der Prüfungsvorbereitungen weiterzumachen. Von ursprünglichen Stressabbau war schließlich lange keine Rede mehr. Nein, inzwischen hatte sich Gewohnheit eingeschlichen. Genau, das war das Problem: Sie hatte sich an ihn gewöhnt. Nicht weniger und vor allem nicht mehr. Mit Liebe hatte das nichts zu tun. Temari bekam eine Gänsehaut. Nicht, weil sie ihre Gefühle ein wenig geordnet und erkannt hatte, sondern weil ihr kalt war. Sie zog sich die Decke bis unter ihr Kinn und schaute zu dem großen Fenster, unter dem das Bett stand. Es war geschlossen. Und die beiden, die sich in der Küche und im Bad befanden, waren definitiv zu. Sie seufzte. Dieser Idiot hatte wahrscheinlich die Wohnungstür nicht richtig geschlossen, als er gegangen war. Idiot … Sie lächelte. So hatte sie ihn selbst in ihren Gedanken schon lange nicht mehr genannt. Sie setzte sich auf, fischte das T-Shirt, das sie zum Schlafen trug, vom Bettende und warf es sich über. Sie fröstelte und sie verkreuzte die Arme, um sich zu wärmen. Dann ging sie zur Tür und blieb an der Schwelle stehen. Die Wohnungstür stand tatsächlich offen. „Hab ich dir nicht gesagt, dass du abhauen sollst?“, fragte sie, fühlte sich aber gleichzeitig irgendwie erleichtert, dass er nicht auf sie gehört und gegangen war. Die liebe Gewohnheit. „Es regnet“, sagte Shikamaru. „Und ich friere“, bemerkte sie. „Also mach die Tür zu. Egal, von welcher Seite.“ So egal war es ihr nicht, aber sie wollte sich nicht anmerken lassen, dass es ihr ganz recht war, wenn er noch blieb. Er schloss die Tür. Von innen. Die Raumtemperatur kam ihr ohne den Wind von draußen gleich ein paar Grad wärmer vor. Sie ließ von ihren Armen ab und fragte: „Sicher, dass du dir solchen Ärger einhandeln möchtest?“ „Es regnet“, wiederholte er, wandte sich zu ihr um und zuckte die Schultern. „Von daher hab ich ’ne einigermaßen brauchbare Ausrede.“ Temari warf einen Blick aus dem Wohnzimmerfenster. Okay, die Äste der Bäume wogen hin und her, hier und da schlugen Regentropfen gegen die Scheibe, aber viel mehr als Nieselregen war das nicht. Und somit keine brauchbare Ausrede für ihn. „Ganz sicher?“, fragte sie noch einmal. Er antwortete nicht und während sie ihn ansah, sprang die Melodie des Liedes wieder in ihren Gedanken an. Wenn es keine Liebe ist, übersetzte sie für sich. Warum fühlt es sich dann so gut an? Sie hatte immer noch keine Antwort darauf und langsam bezweifelte sie, dass sie sie überhaupt fand. In zwei Wochen ist es vorbei, dachte sie. Sobald sie Konoha hinter sich gelassen hatte, musste sie sich mit solch schwierigen Fragen nicht mehr beschäftigen. Aber bis dahin … „Ich übernehme nicht die Verantwortung, wenn dich deine Mutter morgen früh umbringen sollte“, bemerkte sie und lächelte. „Na, dann komm ins Bett. Ich bin müde.“ Sie wartete nicht auf ihn, ging zurück ins Wohnzimmer und legte sich hin. Komm ins Bett … Sie hätte niemals gedacht, dass sie das mal zu ihm sagen würde, ohne es als Aufforderung zum Sex zu meinen. Nein, sie wollte tatsächlich schlafen. Und diesmal war sie dabei nicht allein. Die erste Nacht seit Wochen, die sie nicht allein verbringen musste. Eine merkwürdige Vorstellung. Aber seit Kurzem war ohnehin alles merkwürdig. Nur noch zwei Wochen … Verdammt, warum stimmte sie diese Aussicht nicht euphorisch? Was zur Hölle ging nur in ihr vor? Und was ging in ihm vor, dass er freiwillig so einen Stress in Kauf nahm? Scheiße, war das kompliziert. Wenn sie das gewusst hätte, dann … „Fühlst du dich wohler, wenn ich auf der Couch schlafe?“ Shikamaru saß am Bettende. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass er ihr gefolgt war. Sie schaute ihn an und runzelte die Stirn. „Wir treiben’s miteinander“, sagte sie. „Da wäre es lächerlich, wenn ich dich zum Schlafen auf die Couch verbannen würde.“ Er deutete zur Wand hin. „Auf die Seite?“ Ein Nicken. Sie zog die Beine etwas an und er rückte an ihr vorbei. Dann lehnte sie sich über die Bettkante und schaltete die Lampe aus. Als sie sich zurücklegte, spürte sie seinen Oberarm an ihrer Seite. Sie drehte sich nach rechts und starrte in die Dunkelheit. Nur wenige Zentimeter von ihr entfernt lag er. Und obwohl sie nicht gerade eben mit ihm geschlafen hatte, musste sie zugeben, dass es sich gar nicht so übel anfühlte, dass er einfach nur da war und ihr beim Schlafen Gesellschaft leistete. Sie schloss die Augen. Was auch immer es war: Es fühlte sich wirklich verdammt gut an. Temari schmunzelte. Sie wusste nicht, warum sie es zu dem Zeitpunkt noch nicht eingesehen hatte, aber natürlich war es Liebe gewesen. Gefühle konnte man eben nicht immer mit Verstand und Logik erklären. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)