Das Tiefe an stillen Wassern von Hotepneith (Lord Sesshoumarus sechzehnter Fall) ================================================================================ Kapitel 6: Die Aussage des Küchenpersonals ------------------------------------------ Sesshoumaru bedachte kurz die Aussage des Heilers. Nyoko und Daiki – nein, Kawagushi durfte nicht der Täter sein, das wäre gegen Vaters Wunsch und damit seine eigene Arbeitshypothese. Aber womöglich die Ehefrau? Der Diener hatte jedoch nichts dazu gesagt, dass sie hereingekommen wäre. Und er war anwesend geblieben. Daiki allein würde seine Angebetete vermutlich decken wollen. Was sollte diese Aussage Rinakos, sie sei Schuld? Schuld am Tode ihres Zwillingsbruders, logischerweise? Aber solange diese unter Mohnsaft schlief konnte man keine Aussage bekommen. Shinichi, der Erbe, und seine unerwünschten Teehausbesuche, ein verärgerter Kanzleivorsteher und anderes Personal… In diesem Schloss hatte einer ein besseres Motiv Kisho Tamada zu töten als der andere. Nein, dachte er. Das Motiv ist unwichtig. Wie. Wie kam der Majolica in den Salat? Und nicht zuletzt – was war mit dieser seltsamen Erkrankung vor einem Jahr? „Die Krankheit Kishos vor einem Jahr war aber keine Majolicavergiftung.“ „Nein, Lord Sesshoumaru. Zum einen waren keine Lähmungen dabei, zum anderen – diese würde weder eine Woche anhalten noch das Opfer überleben.“ Atsudo musste sich zurückhalten diesem so jugendlich aussehenden Dämon nicht unhöflich zu kommen. Aber zum einen ermittelte der im Auftrag des Daimyo und zum anderen – nun ja, das war ein Monster, ein Tiergeist, auch, wenn der Junge so menschenähnlich wirkte. Er musste nur einen Blick auf die Hände werfen – das waren Klauen und er wollte sich nicht vorstellten, wie es sich anfühlen mochte, sie in sich zu spüren. Aber er war nicht gewohnt gegenüber halben Kindern so ehrerbietig zu sein. Immerhin genoss er als Heiler einen gewissen Respekt innerhalb des menschlichen Schlosses. „Niemand anderer im Schloss war derart krank? Damals und heute.“ „Damals sicher nicht. Darum war mein Verdacht, es könnte sich um Typhus handeln, ja auch hinfällig. Auch heute und gestern kam niemand zu mir.“ Außerdem, aber das sagte er lieber nicht, war der Tod des Herrn doch eindeutig Mord gewesen, wieso sollte da jemand krank werden? Was war das denn für ein Menschenmädchen, das hereinkam, sich vor dem Dämonen verneigte, ohne jemand anderen zu beachten, und niederkniete? Eine Heilerin? Sesshoumaru betrachtete kurz Sakuras gesenkten Kopf. Täuschte er sich oder war ihr sehr warm? Bekam sie etwa wieder Fieber? Stimmt, sie hatte bereits wiederum lange nichts zu sich genommen. Das fehlte noch, dass sie aufgrund seiner Ermittlungen erneut zusammenbrach. Vaters Bestrafung bei abermaliger Missachtung seines Gebotes wäre sicher mehr als unangenehm. Er entsann sich durchaus der einen oder anderen derartigen Situation, in der der Herr der Hunde ihm bewiesen hatte, warum er dies war. Darauf, seine eigene Schnauze schmerzhaft in der des Vaters zu finden, wie ihm das als Welpe passiert war, konnte er verzichten, von anderem ganz zu schweigen. Nun, warum nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden: „Sakura, geh in die Küche und besorge dir etwas zu essen und trinken. Frage dann nach, wie die Zubereitung des Salates für Kisho ablief.“ „Danke, Lord Sesshoumaru.“ Das war ja direkt nett, dass er daran dachte, dass sie etwas benötigte. Hatte ihr Zusammenbruch neulich ihn doch etwas an die menschlichen Grenzen erinnert? Der Salat…nun, das sollte herauszufinden sein. Und ja, dort war ja das Gift enthalten gewesen. Allerdings war ein gewisser Weg von der Küche bis zum Zimmer des Hausherrn. Nun, sie sollte nicht raten sondern ihren Auftrag erfüllen und zusehen, dass sie möglichst rasch etwas zu sich nahm. Auch, wenn Lord Sesshoumaru ihr erlaubt hatte, zu essen und zu trinken, war nicht davon auszugehen, dass er damit eine geruhsame, ausführliche Mahlzeit gemeint hatte. So stellte sie sich dem Küchenpersonal höflich vor. Ein Junge und eine Frau arbeiteten dort, die fast natürlich schon gehört hatten, ein Dämon sei auf Wunsch des Daimyo gekommen um im Todesfall des verstorbenen Herrn zu ermitteln. Ein wenig überrascht, dass ein Mensch bei ihm arbeitete, erwiesen sie sich als nett und gaben Sakura zu essen und zu trinken. Sie nannten sich als Noriko und Yuki. Yuki sei der Kochschüler. Leider sei der eigentliche Herr der Küche, Ono, heute nicht anwesend, da er gestern erkrankte. Während sie aß, erkundigte sich die Heilerschülerin pflichtgemäß nach der Zubereitung des Salates. „Oh, das will dein Herr wissen? Nun ja, es scheint ja klar zu sein, dass unser Salat irgendwie schuld am schrecklichen Tod des Herrn Kisho war.“ Noriko setzte sich zu ihr: „Aber ich bin ganz sicher, dass der das nicht war. Das Gift muss dieser Kawagushi dazu getan haben.“ „Ich soll fragen“, entschuldigte sich Sakura höflich und aß den Reis. Die Küche war sauber, soweit sie dies sehen konnte. „Ja, natürlich. Und die Herren mögen es nicht, wenn man ihre Befehle missachtet. Die Strafen eines Dämons…“ Noriko schüttelte sich: „Aber es war wirklich wie immer, nicht wahr, Yuki?“ „Ja.“ Der Kochschüler nickte: „Der Salat kommt immer ganz frisch aus dem Garten. Junichi, das ist der Gärtner, pflückt ihn und andere Zutaten, die Herr Ono wünscht, und legt alles in einen Korb am Rande des Gartens. Dann hole ich das dort ab. Und bringe es her. Herr Ono überprüft die Frische und gibt es mir zum waschen. Anschließend richtet er den Salat an. Gewöhnlich kommt dann auch schon Yuji, der persönliche Diener des….verstorbenen Herrn und holt ihn ab. So war das auch gestern. Also, alles war ganz frisch.“ „Und den Tee haben wir auch wie immer gekocht,“ ergänzte Noriko hastig: „Morgens schon, denn der Herr musste ihn ja immer kalt trinken. Ich selbst bringe ihn ihm dann . Sicher, das ist unhöflich gegenüber Gästen, dass nicht die Dame das macht, aber er kann...konnte ihn ja nicht heiß trinken. Der arme Herr.“ Also konnte da auch nicht das Majolica drin gewesen sein oder Kisho hätte sich bereits beim ersten Schluck vergiftet. Moment: „Herr Ono ist krank?“ Der Küchenjunge nickte: erneut „Ja. Er meinte schon gestern Nachmittag, er werde wohl krank, da er Fieber bekäme und so ein eigenartiges Kribbeln in den Händen spüre. Heute ist er auch nicht gekommen. Es geht ihm sicher schlecht.“ „Ja“, bestätigte Noriko: „Herr Ono war eigentlich noch nie krank, solange ich hier arbeite. Morgen wird er allerdings sicher wieder kommen, das ließ er bereits ausrichten.“ „Ja, sicher“, bestätigte Sakura in Gedanken. Majolica – der konnte nach ihrem Wissen allein bei Berührung schon Vergiftungen hervorrufen, mit Symptomen wie Kribbeln und leichte Lähmungen. War der bereits im Salat gewesen, als die Zutaten in die Küche kamen? Aber warum sollte nur Herr Ono betroffen sein? Yuki hatte den Salat doch gewaschen…. Natürlich. Und dabei auch das Gift von seinen Händen abgewaschen. Glück für den Jungen. Nur, wie war diese Giftpflanze in den Korb gekommen? Der Gärtner? Oder hatte jemand den Moment genutzt, als der Korb am Rande des Gartens stand? Nun, so oder so würde sie Bericht erstatten müssen. Überdies fehlte auch noch Hides Aussage Seiner Lordschaft. Das sollte sie irgendwie rasch nachholen, ehe sie noch etwas vergaß. Ihr Gedächnis war gut und geübt, aber es hatte seine Grenzen. Als sie zu dem Haus des Heilers zurückkehrte und vor ihrem Herrn niederknien wollte, sagte der nur: „Komm.“ Atsudo, der Heiler, und Matsui, der Burgvogt des Daimyo, hüteten sich, ihre gewisse Erleichterung zu erkennen zu geben. Sie waren schon minutenlang mit einem schweigenden Dämon, ja, Dämonenprinzen, in der Hütte gestanden und hatten weder gewagt ihn anzusprechen noch einfach zu gehen. Sesshoumaru blieb am Rande des Gartens stehen: „Nun?“ Sie kniete eilig nieder: „Die Aussage von Hide…“ Als sie zu dem Punkt kam, dass die Zwillinge womöglich von dem Verstorbenen stammten, unterbrach er sie – ungewöhnlich genug: „Ist das bei Menschen möglich?“ „Ich vermute nein, Lord Sesshoumaru. Er hatte aus fünf Ehen keine Kinder – warum hätte es bei einer sechsten Frau auf Anhieb klappen sollen…“ „Weiter.“ Sie erzählte weiter, auch den Bericht aus der Küche, mitsamt ihrer eigenen Schlussfolgerung, dass Herr Ono wohl die Pflanze berührt, ja zerschnitten hatte und so dem Gift ausgesetzt gewesen war. Wunderbar, dachte Sesshoumaru zynisch. Da waren ein Opfer und ein Nebenbuhler, der allerdings nicht in Betracht kommen sollte. Weiter eine unwillige Ehefrau, eine hysterische Zwillingsschwester, die sich die Schuld am Tode ihres Bruders gab. Überdies waren da noch Shinichi, der Erbe und betrogene Ehemann, und auch Hide, letztlich das Opfer von Tamadas Kinderwünschen. Hinzu eine unbekannte Menge Personal, das sich durch die Art und Weise des Herrn verärgert fühlte. Er seufzte innerlich. Nein, an Motiven herrschte hier wahrlich kein Mangel. Nun, er sollte sich wirklich an den Satz halten, den er in mittlerweile doch einigen Mordfällen erprobt hatte: das WIE zu finden war der Schlüssel zu dem, was vorgefallen war. Also: der Salat wurde vom Gärtner gepflückt, in einen Korb gelegt und anscheinend unbeaufsichtigt stehen gelassen, bis der Küchenjunge ihn holte. Nach Sakuras medizinischen Kenntnissen und der Aussage des Küchenpersonals schien sich diese Giftpflanze bereits zu dem Zeitpunkt der Anrichtung im Salat befunden zu haben. Warum war das dem Koch nicht aufgefallen? Er schien ja mit diesem Gift in Kontakt gekommen zu sein. Sah sie einer anderen, harmlosen Pflanze, so ähnlich? Dass der Korb dort stand, war vermutlich kein Geheimnis und jeder konnte mal eben vorbeigehen und Blätter hineinwerfen – nun, jeder, der wusste, dass diese Pflanze hochgiftig sei und dem Koch kaum auffallen dürfte. Shinichi und seine Mutter verfügten über die Bücher des verstorbenen Vaters, der Heiler gewesen war. Auch Hide könnte vermutlich darauf zugreifen. Nyoko wohl weniger, aber sie hatte seit Jahren mit Heilern zusammengearbeitet, um diese Heilstätte für ihre Eltern gemeinsam mit Kawagushi aufzubauen. Nein. Auch so war es kein Weg. Anders gefragt: woher sollte jemand Majolica bekommen? Er stellte diese Frage laut. Sakura erwiderte nach bestem Wissen: „Majolica wächst gewöhnlich am Waldrand, Lord Sesshoumaru. Soweit mir mein verehrter Lehrer sagte, gibt es allerdings auch einige Heiler, die es anbauen. Genaueres weiß ich leider nicht.“ Im nächsten Moment erkannte sie nur noch einen Blitz. Ein wenig irritiert, aber durchaus vertraut mit der Geschwindigkeit, die er an den Tag legen konnte, sah sie ihn vor dem Haus des Heilers stehen, der sich dort mit Matsui unterhielt – wohlweislich nicht über den Dämonenprinzen. Als dieser nun mehr oder weniger plötzlich unmittelbar vor ihnen stand, konnten beide Menschen ein Zusammenzucken nicht verhindern. „Atsudo.“ Da lag schierer Frost in dem Namen. „Ja, Lord Sesshoumaru?“ Doch die Stimme zitterte etwas. Prompt kam die Frage, die er befürchtete: „Hast du Majolica im Garten?“ Der Heiler schluckte, zumal ihn der Burgvogt des Daimyo auch so seltsam anblickte: „Ich selbst nicht. Mein verehrter Vorgänger baute ihn an. – Genau darum habe ich das nicht erwähnt….“ Noch ein Wort zuviel...: „Zeige die Pflanze.“ Atsudo wusste, dass ihm nichts anderes übrig blieb. Er konnte nur hoffen, dass diese noch heil und ganz dastand – und er sie überhaupt finden würde. Er hatte sie wachsen lassen, wie alle Pflanzen, mit denen sein Vorgänger experimentiert hatte. Auch Pflanzen waren Lebewesen. „Wozu?“ fragte der Dämonenprinz kühl. Der Heiler verstand, was gemeint war: „Majolica wirkt in geringen, äußerst geringen, Dosen gegen Lähmungserscheinungen und bestimmte Ängste. Ich persönlich nehme es nie her.“ Das erschien ihm zu riskant. „Warum hast du verschwiegen, dass die Pflanze hier wächst?“ Das war nur mehr ein Knurren. Sesshoumaru hasste Menschen, ihre verdrückte Art, ihr andauerndes Bemühen selbst gut dazustehen. Und am meisten hasste er Menschen, die ihn für dumm verkaufen wollten. Er bemerkte, dass Sakura noch immer an der Stelle kniete, an der er sie verlassen hatte. Nun ja, Ausnahmen bestätigten die Regel. Er sagte ihren Namen, sah zufrieden, wie sie unverzüglich aufstand und sich ihm und den beiden Männern anschloss. „Warum,…ja, Lord Sesshoumaru….“ Atsudo suchte eine gute Begründung, jedenfalls eine bessere, als es die Wahrheit gewesen wäre, ehe er doch zugab: „Ich nahm nicht an, dass jemand die Pflanze aus meinem Garten stahl. Er ist eingezäunt und niemand außer mir geht hinein. Es sind doch einige Pflanzen darin, die giftig sind. Und ich vermutete doch, wie es sich jetzt zeigt, dass dies zu Verdächtigungen führen könnte…“ „Sakura.“ Diese kam eilig vor: „Ja, Lord Sesshoumaru?“ „Wozu haben Heiler Giftpflanzen?“ „Es ist oft allein die Dosis, die zwischen Heilung und Gift unterscheidet, Lord Sesshoumaru.“ Hm. Also musste nur jemand in den Heilergarten gehen und sich bedienen? Wäre das aufgefallen? Vielleicht. Aber hier war niemand weit und breit zu sehen. Der Hof samt dem Garten war dank der ungewöhnlichen Bauart des Schlosses meist leer, da alle innen durchlaufen konnten. Ein Risiko, ja. Aber kein übermäßiges. Atsudo irrte etwas nervös durch seinen Garten, ehe er erleichtert auf eine blühende Pflanze zeigte: „Hier, bitte Lord Sesshoumaru. Und sie ist unberührt.“ Der Hundeprinz warf nur einen Blick auf die hübsche Blüte: „Sakura – such eine andere.“ Sie drehte sich wortlos um. Das also dachte er. ** Der gute Atsudo geht gerade auf der Klinge eines Rasiermessers - ob er das überhaupt mitbekommt? Ds nächste Kapitel bringt eine neue Aussage von ihm und die des Gärtners und damit die letzten Indizien. bye hotep Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)