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Magenta III

Im Bann der Aspekte
von

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Ein "neuer" Verbündeter

Nebel hing über dem Tal und strich mit weißen Wattefingern über den kleinen Tümpel hinweg, der wie ein dunkler Spiegel auf der morgendlichen Lichtung lag. Einige Vögel sangen bereits ihr Lied, seit die ersten Anzeichen des nahenden Sonnenaufgangs über den schroffen Felskanten des Un’goro-Kraters erschienen waren. Bald schon würde sich die Sonne ganz über den Berg schieben und das Tal mit lebensspendendem Licht fluten. Doch noch regierte der Schatten zwischen den hohen Bäumen und ließ das Unterholz zu einer schwarzen, verschlungenen Masse gerinnen.

Eine Bewegung in den Büschen veranlasste einen Frosch, der soeben sein Tageskonzert beginnen wollte, das breite Maul wieder zuzuklappen. Misstrauisch beobachteten seine goldgesprenkelten Augen den ungebetenen Besucher, der jetzt ein wenig unschlüssig am gegenüberliegenden Ufer stand. Der Frosch spannte die Hinterbeine, um die Flucht ins Wasser anzutreten, als ihm der potentielle Fressfeind zuvorkam. Mit einem eleganten Sprung tauchte der Fremde Kopf voran in die Fluten und verschwand darin.

Der Frosch wartete bewegungslos und drehte die Glotzaugen nach rechts und links, aber der Zweibeiner tauchte nicht wieder auf. Wäre der Frosch ein Vogel gewesen, so hätte er sehen können, wie ein langgezogener Schatten gerade so weit unter der Wasseroberfläche entlang tauchte, dass diese nur in minimale, nicht zu erahnende Wellenbewegungen geriet. Aber ein Frosch ist nun einmal kein Fink und so ereilte den amphibischen Burschen sein Schicksal aus heiterem Himmel…oder eben Tümpel.

„Hab ich dich.“, knurrte Easygoing, als sich seine Finger um den dicken Gelbbauchfrosch schlossen. „Du bist der Letzte, mein Freund.“

Der Druide setzte den Frosch behutsam zur Seite und öffnete dann die fleischigen Blätter des Blutblütensprosses, auf dem der Frosch gesessen hatte. Im Inneren des Sprosses wucherte etwas, das aussah wie ein kleines, dunkelrotes Herz. Easygoing nahm seinen Dolch und kappte vorsichtig den Stiel des parasitären Gewächses. Mit einem zufriedenen Lächeln richtete der Druide sich auf und steckte seinen Fund in den an seinem Gürtel, in dem sich bereits sieben weitere Exemplare des seltenen Pilzes befanden.
 

Für eine Weile stand der Nachtelf regungslos am Rand des Tümpels. Wasser tropfte unablässig aus den langen Zöpfen und bildete dünne Rinnsale auf der violetten Haut seines Oberkörpers, während die leuchtenden Augen die Wasseroberfläche abtasteten. Uferschlamm quoll zwischen seinen Zehen hervor, als er schließlich näher an das Gewässer herantrat. Irgendetwas war dort unten gewesen, als er zwischen Schlamm und Schlingpflanzen durch das Halbdunkel des flachen Sees getaucht war. Irgendetwas, das nicht natürlichen Ursprungs war. Kurzentschlossen holte er tief Luft und sprang erneut ins Wasser.

Die Gestalt des Druiden wandelte sich, bis sein kegelförmiger Körper pfeilschnell durch das kalte Wasser glitt. Fische stoben aufgeschreckt zur Seite und die Wasserpflanzen bogen sich in den Wellen, die der Seelöwe verursachte. Abgestorbene Blätter wurden aufgewirbelt und sanken wie verirrte Träumer wieder zu Boden, nur um kurz darauf erneut hilflos durch die Fluten zu trudeln.

Wo steckt es nur? Es muss hier doch irgendwo sein. Ah da!

Als er gefunden hatte, wonach er suchte, verwandelte der Druide sich zurück und ließ sich auf den Boden des Weihers sinken. Seine Hände tasteten über durch Algen und Zerfall glitschig gewordene Holzbalken, die einst Teil eines Ganzen gewesen waren.

Ein Floß? , dachte Easygoing bei sich. Hier? Noch dazu ein so großes. Wie kommt es hier her?

Aus den Augenwinkeln sah der Druide etwas nahe dem havarierten Floß aufblitzen. Ein kräftiger Schwimmzug brachte ihn zu der Stelle. Behutsam wühlte er im faserigen Schlamm und förderte schließlich ein Bündel zutage, aus dessen Umschlagtuch die Spitze eines metallenen Gegenstands herausragte. Kurzentschlossen packte Easygoing das Bündel und schwamm mit ihm zurück zur Oberfläche.

Am Ufer angekommen warf er noch einen prüfenden Blick auf die Bäume, die rund um den See herum standen. Wie es schien, führte der Fluss, der den Tümpel speiste, hin und wieder mehr Wasser, als es zunächst den Anschein hatte.

Was wiederum das Floß erklärt. Aber ich habe keine Zeit, mich hier damit zu befassen. Die anderen warten bereits und ich würde ungern allein von einem Haufen Raptoren überrascht werden.

So schulterte Easygoing das Bündel und machte sich auf den Rückweg zu dem Lager, dass er und seine Freunde seit drei Tagen mit einem ungewöhnlichen Fremden teilten.
 


 

Die massige Gestalt saß mit untergeschlagenen Beinen da und der breite, gehörnte Kopf war vorneüber gesunken. Vor ihr stand eine Schale mit verbrannten Kräutern auf dem Boden und daneben züngelte und knackte ein kleines Feuer in der kühlen Morgenluft. Friedliche Ruhe lag über der Szene, bis die Gestalt plötzliche mit den pelzigen Ohren zuckte und laut und vernehmlich schnarchte.

Ceredrian, der ebenfalls im Schneidersitz auf der anderen Seite des Feuers saß, öffnete ein Auge und zog die Augenbraue darüber nach oben.

„So viel zu meiner Morgenmeditation.“, seufzte der Priester und rief dann lauter: „Hey, Torwa, aufwachen!“

„Was? Wo? Wie?“ Der Taure blinzelte überrascht. „Bin ich schon wieder eingeschlafen?“

„Allerdings.“, bestätigte der Nachtelf.

„Wie kann man auch vor dem Frühstück meditieren.“, beschwerte sich der Taure und entknotete seine Hufe. „Euer Freund soll sich beeilen.“

Der Taure schnaubte und schüttelte das mächtige Haupt. Ein Tropfen war ihm direkt auf die Nase gefallen und in eine seiner Nüstern gelaufen. Und noch einer!

„Es wird doch wohl nicht schon wieder regnen?“, brummelte er vor sich hin und griff nach einem kleinen Topf. Ein Geräusch in seinem Rücken ließ ihn stutzen und plötzlich wurde er der Gestalt gewahr wurde, die wie aus dem Boden gewachsen dicht hinter ihm stand. Hastig drehte der Taure sich herum, seine Hand glitt zu seiner Axt… und sank hernieder, ohne die Bewegung zu Ende zu führen, als er schließlich erkannte, mit wem er es zu tun hatte.

„Die Blutkappen, die Ihr mich batet zu finden, Meister Pathfinder.“, sagte Easygoing mit einer angedeuteten Verbeugung und hielt dem Tauren den kleinen Beutel mit Pilzen hin. „Ich hoffe, Sie finden Eure Zustimmung?“

Torwa Pathfinder blinzelte ein paar Mal verblüfft und brach dann in schallendes Gelächter aus. „Ihr Nachtelfen seid mir schon ein komisches Volk. Die Erdenmutter allein weiß, was sie sich bei Eurer Erschaffung gedacht hat. Im einen Moment reicht Ihr einem hilfreich die Hand und im nächsten fürchtet man gleich Euren Dolch in den Rücken zu bekommen.“

„Hat da jemand meinen Namen genannt?“, erklang eine heisere Stimme aus den Schatten und Deadlyone glitt in einer einzigen, geschmeidigen Bewegung auf einen der Felsen, die das Lager des Tauren einfassten. Der Schurke hatte eine kleine Schnittwunde an der Wange und seine Lederrüstung wies einige frische Kratzer auf. Nichtsdestotrotz wirkte er entspannt, als er ebenfalls seine Beute vor dem Tauren ablud.

„Wie bestellt: acht Stachel dieser widerlichen Wespenviecher.“

„Ich danke euch beiden.“, sagte der Taure und neigte den Kopf. „Jetzt werde ich endlich in der Lage sein, das besänftigende Gift zu brauen, das es mir ermöglichen wird, die phantastischen Kreaturen hier im Krater zu befrieden. Ich wusste doch, dass allein die kundigen Augen eines Druiden in der Lage sein würden, die befallenen Exemplare aus den tausenden von Blutblütensprossen herauszufinden.“

Easygoing nahm das Lob des Tauren mit einem Nicken entgegen und widmete sich dann einer Ecke des Lagers, in der er einen Haufen Erde aus dem Krater aufgeschichtet und mit den Samenkörnern aus Darnassus versetzt hatte. Wie schon in den letzten Tagen waren wieder einige der Pflanzen bereit, abgeerntet zu werden. Der Druide pflückte die intakten, bläulichen Schoten und entfernte diejenigen, die eine kränkliche, braune Farbe aufwiesen.

„Die Erde ist wirklich erstaunlich fruchtbar, nicht wahr?“, vernahm er Ceredrians Stimme neben sich. „Wie alles in diesem Tal. Es scheint, als würde der Kreislauf von Leben und Tod hier schneller verlaufen. Die schöpferische Kraft, die dies vorantreibt, ist ebenso fremd wie die Kreaturen, die sie hervorbringt. Nicht göttlich und doch…so ursprünglich und roh wie sie ist, könnte es sein, dass sie von den Titanen selbst stammt.“

„Ist das das Ergebnis deiner Meditationen?“, knurrte Easygoing.

„Ja. Ich hatte eigentlich gehofft, dass sich an diesem Ort vielleicht etwas von Elunes Macht offenbart, doch ich wurde enttäuscht.“

„Titanen…“, brummte der Druide. „Das würde zumindest die Menge an eigenartiger Energie und die fremdartigen Tiergattungen erklären, die man nirgends sonst auf diesem Kontinent trifft. Auch die Kristallformationen, auf die wir immer wieder stoßen…sie sind zumindest höchst ungewöhnlich. Aber ich bin mir gar nicht sicher, ob ich das wirklich wissen will.“

Ceredrian ließ seinen Blick über die urtümliche, grüne Landschaft streichen. „Vielleicht hast du Recht, Cousin. Sollte dies tatsächlich das Werk der Titanen sein, so werden wir es vermutlich weder herausfinden, noch können wir etwas daran ändern. Lassen wir es also, wie es ist.“
 

Torwa Pathfinder mischte derweil unter Deadlyones wachsamen Augen die Zutaten für das Gift in einem Kessel, gab eine gute Portion Un’goro-Erde dazu und beschnüffelte kritisch das Ergebnis.

„Wie es scheint, ist die Mixtur geglückt.“, stellte er fest. „Jetzt muss ich das Gift nur noch an einer Kreatur testen. Oder vielleicht könntet Ihr…?“

Noch bevor Deadlyone dazu kam zu antworten, schnitt Easygoing ihm bereits das Wort ab. „Es ist genug.“, donnerte der Druide. „Wir haben Euch bereits geholfen, den Tod Eures Bruders zu rächen, indem wir Euch den Kopf des Raptors Lar’korwi zu Füßen legten. Und gegen meine Überzeugung ließ ich mich hinreißen, Euch den Pelz des mächtigen Affen U’cha zu bringen. Aber jetzt ist es endgültig genug mit den Gefälligkeiten, Torwa. Wir sind keine Jäger!“

Der Taure blinzelte überrascht. „Seid Ihr nicht? Nun, Nachtelf, mir scheint, Ihr verkennt das Geschenk, das die Erdenmutter Euch gab. Augen, die im Dunkeln sehen, Schnelligkeit und Kraft, Ausdauer und Wenigkeit. Ihr solltet diese Gaben ehren, indem Ihr sie benutzt.“

„Das tun wir.“, knurrte Easygoing. „Aber wir setzen sie gegen unsere Feinde ein und diejenigen, die das Gleichgewicht der Natur bedrohen.“

Torwa Pathfinder schüttelte das mächtige Haupt. „Habt Ihr je gesehen, dass ich eine der Gaben, die Ihr mir brachtet, verschwendet habe? Habe ich je mehr genommen, als ich brauchte? Und ist nicht auch Eure Kleidung aus den Häuten von Tieren? Euer Essen aus ihrem Fleisch?“

Der Taure erhob sich und richtete sich vor Easygoing zu seiner vollen Größe auf, die den Nachtelfen noch um Haupteslänge überragte. „Die Tiere sind meine Brüder, meine Jagd auf sie ein Wettstreit auf gleicher Augenhöhe, die Beute am Ende der Jagd ein Geschenk der Erdenmutter. Und eines Tages werde ich den Wettstreit verlieren. Dann wird mein Fleisch und Blut wieder übergehen in den Schoß der großen Mutter und sie wird neue Kinder gebären, die ihre Welt bevölkern. Doch solange ich noch auf dieser Erde weile, werde ich weiter jagen und mich bei jedem getöteten Tier bedanken, dass es mir Wärme und Nahrung gibt.“

Easygoing hatte die Hände zur Faust geballt und auf seinem Gesicht rangen die widersprüchlichen Empfindungen miteinander.

„Wenn Ihr den Wettkampf mit Euren Brüdern doch so schätzt“, spuckte er schließlich aus. „Warum rückt Ihr ihnen dann mit heimtückischem Gift zu Leibe?“

„Das Gift ist dafür gedacht, die großen Teufelssaurier zu besänftigen.“, erklärte Torwa Pathfinder ruhig. „Denn selbst wenn ich den Kampf gegen eines der Biester gewinnen würde, so wäre dies doch nur die Gelegenheit für ein anderes, seinen Platz einzunehmen. Und außerdem…“, der Taure schmunzelte, „selbst jemand mit Eurem gesegneten Appetit würde es wohl kaum schaffen, einen ganzen Teufelssaurier zu vertilgen, bevor das Fleisch verdirbt.“

„Das wäre ich mir jetzt aber nicht so sicher.“, frotzelte Deadlyone aus dem Hintergrund. „Easy kann manchmal ganz schön reinhauen.“
 

Gelächter löste die Spannung, die sich über den Lagerplatz gelegt hatte. Der große Druide senkte in der Andeutung eines Nickens den Kopf. „Verzeiht meine Unhöflichkeit, Meister Pathfinder. Es steckt viel Weisheit in Euren Worten.“

„Nichts für ungut, Druide.“, brummte der Taure. „Ihr habt mir ein gutes Stück weit geholfen und dafür bin ich Euch zu Dank verpflichtet. Ohne Eure Hilfe würde ich wohl immer noch durch den Krater streifen und unnötigerweise eine junge Blutblüte nach der anderen aus der Erde reißen. Dies wurde nun durch Euer Eingreifen verhindert.“

Der Taure trat noch ein Stück näher, so dass sein feuchter Atem Easygoings Gesicht streifte. „Ich durchschaue Euch, Freund.“, wisperte er so leise, dass die anderen ihn nicht hören konnten. „Ihr kämpft gegen einen Feind, den Ihr nicht mit Klauen und Zähnen besiegen könnt. Angst und Sorge kümmern Euer Herz und bringen Unfriede in Euer inneres Gleichgewicht. Doch grämt Euch nicht. Eure kleine Begleiterin wird heil und sicher hierher zurückkehren.“

„Was…“, begann Easygoing.

„Ihr könnt es ruhig leugnen.“, lächelte der Taure. „Doch ich sehe, wie Ihr jeden Tag wie ein Tiger im Käfig um das Lager streift und versucht, die Zeit dazu zu bringen, schneller zu vergehen. Übt Euch in Geduld, Freund. Wer allzu vorschnell in den Kampf eilt, wird leicht selbst zur Beute. Ein Jäger muss warten können.“

„Ich kann aber nicht herumsitzen und nichts tun.“, begehrte Easygoing auf.

„Dann helft mir bei meinem Experiment.“, erwiderte Torwa Pathfinder bestimmt und drückte dem verdutzten Easygoing einen langen Speer in die Hand. Die Spitze der Waffe war mit Widerhaken versehen, die im Licht der Morgensonne verräterisch glitzerten. „Findet einen Teufelssaurier und benutzt den Speer um seine dicke Haut zu durchdringen und ihm das Gift zu verabreichen.“

Easygoing sah von dem Speer in das Gesicht des Tauren und wieder zurück zu dem Speer. „Ihr hättet nicht Jäger werden sollen, sondern Politiker.“, grollte der große Druide und schulterte den Speer. „Also schön, Pathfinder. Ich gehe und fange dir deinen Teufelssaurier.“

„Und was machen wir so lange?“, maulte Deadlyone. Ihm war anzusehen, dass er sich schon wieder langweilte.

„Du kannst dich hiermit beschäftigen.“, rief sein Bruder und warf ihm das Bündel vor die Füße, das er vom Grund des Sees gefischt hatte. „Du hast doch eine Vorliebe für fremder Leute Taschen. Vielleicht findest du ja diesmal etwas Interessantes.“
 

Der Schurke sah seinem Bruder aus zusammengekniffenen Augen nach. „Etwas Interessanteres als den schlüpfrigen Romatikschmöker, den ich in deiner Tasche gefunden habe?“, raunte er grinsend. „Wohl kaum. Aber sehen wir mal, was du da mitgebracht hast.“

Die langen Finger des Nachtelfen glitten über den schlammbedeckten Stoff, der sich am Grunde des Sees mit Wasser vollgesogen hatte. Kundig lösten sie Knoten und Schnüre, bis sich der Inhalt des Päckchens auf den Waldboden ergoss. Mit einem halben Auge verfolgte Ceredrian das Tun seines Cousins, der jetzt in den Fundsachen herumstöberte.

„Und? Ist etwas Interessantes dabei?“, fragte er möglichst unbeteiligt.

„Mhm, schwer zu sagen.“, antwortete Deadlyone. „Viel wert ist es auf jeden Fall nicht. Da ist ein Kompass, der noch ganz brauchbar scheint, und etwas, das vielleicht einmal eine Karte war. Allerdings ist es völlig aufgeweicht. Dann haben wir noch ein verblasstes Bild und eine Schlüssel mit einem Löwenkopf. Ich frage mich, was er wohl aufschließt.“

Während Deadlyone sich dem Schlüssel widmete, griff Ceredrian nach dem vergilbten Bild. Es zeigte einen Gnom mit einer Kapuze und einem Schwert und neben ihm eine Gnomin in einer einfachen Robe. Hinter den beiden waren unscharf die Umrisse einer Stadt zu erkennen. Ceredrian war sich sicher, dass er sie schon einmal irgendwo gesehen hatte.

„Eine Statue von einem Zwerg…und ist das da ein Paladin? Dann muss das Stormwind sein.“, murmelte der Priester vor sich hin. „Aber wer sind die beiden und wie kommt ihr Gepäck in den Un’goro Krater?“

„Zeig mal.“ Deadlyone pflückte das Bild aus Ceredrians Händen und zog die Nase kraus. „Noch mehr Gnome? Haben wir nicht schon genug Ärger mit diesen kleinen…“ Er schwieg, als er Ceredrians Gesichtsausdruck sah.

„Ist ja schon gut.“, brummte er halblaut. „Ich meine ja nur, dass wir unmöglich noch einem Gnom helfen können. Ich wette mit dir, dass es mit dem Zurückbringen des Bündels nämlich nicht getan ist. Und am Ende reisen wir durch die halbe Weltgeschichte, nur weil irgendeiner von diesen kleinen Technikratten nicht mit seinem Boot umgehen konnte.“

Ceredrian betrachtete nachdenklich das Bild. „Vielleicht hast du Recht. Obwohl ich mich des Gefühls nicht erwehren kann, dass tatsächlich noch mehr hinter diesem Fund steckt, wird es wohl besser sein, wenn wir es einfach wieder dahin zurückbringen, wo Easy es gefunden hat. Würdest du das übernehmen?“

Deadlyone zögerte. „Was ist mit dem Schlüssel? Wer weiß, vielleicht wird er uns irgendwann nochmal nützlich sein. Was, wenn er geheime Schatzkammern in Stormwind öffnet“

„Du wirst alles wieder in dem Bündel verstauen und es zurückbringen.“, versetzte Ceredrian dem Schurken. „Wer auch immer das Bündel irgendwann findet, wird alle Hinweise brauchen, die er kriegen kann, um das Rätsel zu lösen. Außerdem gehört dir der Schlüssel nicht. Du kannst ihn nicht einfach behalten.“

„Wie du meinst.“, schmollte Deadlyone. „Dann geh ich jetzt halt ne Runde Schwimmen. Erwarte mich nicht vor dem Abendessen.“
 

Der Schurke trollte sich ins nahe Dickicht und Ceredrian ließ sich mit einem leisen Seufzer wieder auf seinen Sitzplatz sinken. Manchmal hatte er das Gefühl, er sei mit zwei bockigen Kleinkindern unterwegs, die einfach nur widersprachen, um ihn zu ärgern. Wie gut, dass sie so gut wie nie merkten, wenn er seine gedankenbesänftigenden Kräfte auch gegen sie einsetzte. Es erleichterte vieles und brachte manchmal den Vorteil mit sich, dass man ein paar freie Stunden bekam, um sich seiner Meditation zu widmen. Ceredrian atmete tief ein und schloss die Augen.
 


 


 

Ein erboster Schrei hallte zwischen den dicht bepackten Bücherwänden der Bibliothek von Ironforge wider und brachte den obersten Aufseher dazu, vorwurfsvoll über seinen Brillenrand zu gucken und noch vorwurfsvoller „Schhh!“ zu machen. Der aufgebrachten Bibliotheksbesucherin war das jedoch herzlich egal.

„Was soll das heißen, es ist nicht genug?“ Magenta schob die Stirn in Falten und die Unterlippe nach vorn. „Ich habe diesen Schleim unter Aufbietung meines Lebens von diesen… diesen Dingern gesammelt und jetzt erklärt Ihr mir, es sei nicht genug?“

Der Gnom vor ihr, Laris Geardawdle, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und durch die spärlichen, grauen Haare, die daraufhin von seiner Stirn abstanden wie bei einem störrischen Böckchen. „Ich hatte sechs Proben verfluchten und sechs Proben besudelten Schleim bestellt. Das sind insgesamt zwölf, meine Dame. Zwölf!“

„Rechnen kann ich selber.“, fauchte Magenta.

„Und warum habt Ihr mir dann nur acht Probenbehälter gebracht?“, wollte Laris Geardawdle wissen. Er kniff missbilligend ein Auge zusammen, während das andere Magenta eingehend von unten herauf musterte.

„Ich…die anderen sind verlorengegangen.“, versuchte Magenta sich herauszureden. Am liebsten hätte sie den Gnom mit dem Kopf zuerst in eine der riesigen, antiken Vasen gesteckt, die hier in der Bibliothek herumstanden. Aber vermutlich wäre das weder ihr noch den Vasen besonders gut bekommen. Nicht genug, dass sie Laris Geardawdle zunächst im falschen Viertel von Ironforge vermutet hatten und erst, nachdem sie unzählige Alchemielabore mit blubbernden Glaskolben, stinkenden Dämpfen und gesundheitsgefährdenden Explosionen durchquert hatten, vom Besitzer von „Sachen, die Bumm machen“ darüber aufgeklärt worden waren, dass der Gesuchte nicht in der Tüftlerstadt, sondern in der Halle der Forscher zu finden war, nein, jetzt nörgelte dieser undankbare Knilch auch noch an ihrem Schleim herum. Die ganze Sache fing an, Magenta mächtig auf den Zeiger zu gehen. Zu allem Überfluss erhielt sie keinerlei Rückendeckung von Abbefaria.

Der Druide hatte, seit sie Ironforge betreten hatten, nicht einmal fünf Worte am Stück von sich gegeben. Gut, vielleicht waren die riesigen Becken mit geschmolzenem Metall inmitten fauchender Blasebälge und dröhnender Schmiedehämmer nicht unbedingt etwas, was einem Nachtelfen behagte. Und ja, sie verstand auch, dass er sich eingepfercht in die winzigen Labore, in denen er sich kaum umdrehen konnte und seine Ohren die Decke streiften, während in den gläsernen Apparaturen um ihn herum bunte Flüssigkeiten eine beunruhigende Aktivität entwickelten, nicht eben wohl gefühlt hatte. Aber insgeheim fand sie trotzdem, dass er übertrieb.

„Was ist nun, wollt Ihr den Schleim oder nicht?“ Magenta erwischte sich dabei, wie ihr Fuß ungeduldig auf den Boden tappte.

Laris Geardawdle überlegte kurz, dann ließ er sich zu einem gequälten Seufzen hinreißen. „Also schön, ich nehme die Proben. Weil Ihr Freunde von Emanuelle seid. Aber Ihr bekommt nicht die vollen 75 Silber ausbezahlt, die ich mit ihr ausgemacht hatte, sondern nur…30 Silber.“

„Bei acht von zwölf Proben wären das aber 50 Silber.“, rechnete Magenta unter Zuhilfenahme ihrer Finger aus.

„Ich muss schließlich einen Ausgleich für die Probengefäße abziehen, die Ihr verloren habt.“, entgegnete der Gnom und händigte Magenta ihre Belohnung aus. „Und jetzt ab mit Euch. Normalerweise würde ich Euch ja bitten, mir noch mehr Proben zu besorgen, doch dann stehe ich am Ende noch völlig ohne unzerbrechliche Phiolen dar. Und die sind nicht eben billig und außerdem schwierig zu bekommen. Also los, verschwindet!“

Magenta wollte schon auf dem Absatz herumfahren und aus der Bibliothek stürmen, als sich ein langohriger Schatten auf sie und den Gnom legte.

„Verzeiht.“ Abbefarias Stimme war dunkler Samt in Magentas Ohren. „Wir hofften hier noch jemandem zu treffen.“

„Davon weiß ich nichts.“, keifte der Gnom und wandte sich seinen Proben zu. Er schüttete etwas davon in einen kleinen Kessel und entzündete ein Feuer darunter. Abbefaria beobachtete ihn dabei.

„Was genau hofft Ihr über den Schleim herauszufinden?“

Laris Geardawdle rührte ein-, zweimal energisch in seinem Kessel und versuchte den fragenden Blick des Nachtelfen zu ignorieren. Ohne Erfolg.

„Ich sehe schon, Ihr werdet ja ohnehin keine Ruhe geben.“, brummte er schließlich. „Also schön. Meine Theorie, auch wenn sie nicht eben beliebt ist, lautet, dass die Brühschlammer irgendwie mit der Entstehung unserer Welt zu tun haben. Ja dass sie vielleicht sogar der Ursprung allen Lebens sind. Wenn ich diese These beweisen könnte, wäre ich einer der größten Wissenschaftler der gesamten Forscherliga. Das würde den Zwergen endlich beweisen, dass es kein Fehler war, uns Gnome aufzunehmen nach dieser dummen Geschichte, die da in Gnomeregan passiert ist. Meine Theorie beruht darauf, dass…“

„Das ist ja alles furchtbar interessant, aber wir müssen jetzt wirklich los.“, unterbrach Magenta den Gnom rüde und griff nach Abbefarias Arm. „Viel Erfolg noch bei Euren Studien und nichts für ungut wegen der Phiolen.“

Mit diesen Worten schob sie den Nachtelfen nach draußen. Kaum außer Hörweite, ließ sie ihn los und atmete geräuschvoll aus. „Puh, das war knapp.“

„Warum hast du ihn nicht ausreden lassen?“

„Ausreden?“, schnaubte Magenta. „Hast du jemals gehört, dass ein Gnom freiwillig aufhört zu reden?“

Hinter Magenta räusperte sich jemand.

„Zumal, wenn es um irgendwelche Erfindungen geht?“

Das Räuspern wiederholte sich.

„Außerdem dachte ich, wir suchen hier nach deinen Verbündeten im Kampf gegen die schwa…“

Das Räuspern wiederholte sich erneut und wurde diesmal so energisch, dass nicht einmal Magenta in der Lage war, es weiter zu ignorieren. Sie fuhr herum und setzte zu einer geharnischten Antwort an, als ihr das Wort im Halse stecken blieb und sie lediglich ein schwaches Piepsen herausbrachte.
 

Vor ihr stand mitnichten Laris Geardawdle, wie sie zunächst vermutet hatte, sondern ein Zwerg mit einer üppigen, braunroten Bart-und Haartracht, lustig funkelnden Augen und einem verschmitzten Grinsen. Seine Daumen steckten lässig im Gürtel seines ledernen Wamses und ihm war anzusehen, dass er sich königlich amüsierte.

„Hallo Magenta.“, sagte Schakal. Der Blick des Zwergs wanderte weiter zu dem Nachtelfen. „Und wir hatten, glaube ich, auch schon mal das Vergnügen. Abbefaria, wenn mich nicht alles täuscht?“

Der Druide nickte.

„Schön, schön.“ Schakal strich sich über den Bart. „Dann können wir ja gehen. An einen Platz, wo uns weniger neugierige Augen zusammen sehen können. Außerdem könnte ich einen Happen zu Essen vertragen. Ihr auch?“

„Bist du? Ich meine…der geheime…“ Magenta konnte ihre Überraschung immer noch nicht recht in Worte fassen.

„Ja, genau der bin ich.“, antwortet der Zwerg und zwinkerte Magenta vertrauensvoll zu. „Aber wenn du noch weiter hier herumschreist, war´s das bald mit der Geheimhalterei. Also los, kommt, ich habe einiges an Neuigkeiten zu berichten. Außerdem muss man sich ranhalten, wenn`s im Bronzekessel Eberrippchen in Biersauce gibt. Die gehen weg wie warme…Eberrippchen in Biersauce halt.“
 

Kurz darauf fanden sich Magenta und Abbefaria in einer lauschigen Ecke einer gut besuchten Zwergenkneipe wieder. An den rußgeschwärzten Wänden hingen ausgestopfte Köpfe von allerlei Bergtieren von Gämse bis Murmeltier und vor jedem der beiden stand ein Napf auf dem grob behauenen Tisch, randvoll gefüllt mit fettigem Fleisch in einer braunen Tunke. Schakal, dem seine Portion sichtlich mundete, winkte mit dem Löffel in ihre Richtung.

„Langt nur ordentlich zu. Ich kenne den Wirt. Wenn ihr noch mehr wollt, müsst ihr nur Bescheid sagen.“

„D-danke.“, stotterte Magenta und stippte höflich etwas Brot in die dickflüssige, braune Brühe. Vorsichtig nahm sie einen Bissen und musste zugeben, dass das Ganze schlimmer aussah, als es schmeckte. Abbefaria hingegen schob seinen Teller von sich und wandte sich an dem fröhlich vor sich hin futternden Schakal.

„Ihr seid also derjenige, mit dem wir uns hier treffen sollten.“, stellte er fest. „Emanuelle hat Euch informiert, worum es geht?“

Schakal kaute und nickte und spülte seine Rippchen mit einem kräftigen Schluck Bier herunter. „Ja, hat sie. Ziemlich hartnäckiges Persönchen, das muss man ihr schon lassen. War etwas in Eile wegen dieser Meuchelmörder, die ihr auf den Fersen waren. Kaum, dass sie mir die Geschichte erzählt hatte – husch – war sie auch schon verschwunden.“

„Und wie soll es jetzt weitergehen?“, wollte Abbefaria wissen. Seine langen Fingen trommelten unruhig auf der Tischplatte herum.

„Gemach, gemach.“, brummte Schakal, während er den letzten Rest Soße aus seiner Schüssel kratzte. „Zunächst einmal: Esst Ihr das noch? Nein? Gut. Dann nehme ich Eure Portion.“

Ungeduldig verfolgten Abbefaria und Magenta, wie auch noch die zweite Portion Rippchen in dem Zwerg verschwand. Eine dralle Kellnerin brachte dazu ein weiteres Bier und erst, als er dieses zur Hälfte geleert hatte und ein Pfeifchen angebrannt hatte, ließ Schakal sich endlich dazu erweichen, die Geschichte weiter zu erzählen.
 

„Also, wo waren wir…ah ja. Marschall Maxwell sollte also eigentlich Unterstützung durch Emanuelle erhalten, nachdem Hochlord Bolvar sie zum offiziellen Vertreter von Stormwind ernannt hatte. Wie wir alle wissen, kam sie dort nie an. Stattdessen habe ich mich auf den Weg in die Brennende Steppe gemacht und dem Marschall meine Aufwartung gemacht. Maxwell jedoch lachte nur bitter und meinte, ich wäre nicht der Erste, der mit solchen Nachrichten zum ihm käme, und dass ihm irgendwann die Soldaten ausgehen würden, wenn Stormwind nicht endlich reagieren würde. Unglücklicherweise sei Ihr vorheriger Kommandant, Marschall Windsor, zusammen mit allen Informationen, die sie bereits über die Bedrohung aus dem Blackrock gesammelt hatten, vor einiger Zeit spurlos verschwunden.

Also habe ich mich mal ein wenig umgehört und dem richtigen Zwerg ein paar Bier ausgegeben. Struppiger John, nannten sie ihn. Nur ein Auge und hat gestunken wie dreizehn Esel. Nachdem er das achte Bier geleert hat, kam der Kerl dann so richtig in Plauderlaune. Er hat mir erzählt, wie er und Marschall Windsor im Blackrock auf einen Trupp Blackrock-Orks stießen. Überall waren auf einmal Grünhaute, das Blut spritzte, Waffen klirrten, Kampfgeschrei so laut, dass man sein eigenes Wort nicht verstehen konnte. Ein tosendes Gefecht, in dem sich der Marschall so gut es ging seiner Haut erwehrte…“

„Und sie schlugen die Orks zurück?“, unterbrach Abbefaria den Zwerg.

„Nein, taten sie nicht.“, brummte Schakal und guckte böse.

„Aber der Zwerg, von dem ihr erzählt habt, hat doch überlebt. Orks machen normalerweise keinen Gefangenen, habe ich gehört.“

„Wollt IHR jetzt die Geschichte erzählen, oder darf ich?“

Abbefaria ließ die Ohren sinken. „Es war nicht meine Absicht, Euch zu kränken.“

„Dann unterbrecht gefälligst nie wieder einen Zwerg, wenn er von einer Schlacht erzählt.“

„Das ist ungefähr so, wie wenn ein Gnom von Erfindungen spricht.“, warf Magenta ein und grinste den ungehaltenen Schakal an. „Nun sag schon: Wie hat der Held der Geschichte überlebt?“

„Nun ja, Held ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck.“, knurrte Schakal. „Um es kurz zu machen, hat der Struppige John sich einfach verkrümelt und Marschall Windsor den Kampf allein ausfechten lassen. Der Marschall warf sich mit seinem legendären Kriegshammer Eisenfeind den Orks entgegen und mähte sie nieder, bis er bis zu den Hüften in toten Orks stand und in mindestens achtzehn Schichten ihres Bluts gebadet war. Und dann endete der Kampf.“

„Weil Windsor starb?“, fragte Magenta dazwischen.

„Das hab ich auch gedacht. Aber falsch geraten. Es mischte sich noch jemand in den Kampf ein.“

„Schwarze Drachen.“, vermutete Abbefaria.

„Nein, verdammt. Und schreit nicht so laut, es müssen ja nicht alle mitkriegen. Es waren Dunkeleisenzwerge. 300 Mann hoch, alle bis an die Zähne bewaffnet. Windsor und seine Männer müssen zwischen die Fronten geraten sein, als sich die Zwerge und die Orks mal wieder die Schädel einschlagen wollten. Nur dass die feigen Orks schon früher auf dem Schlachtfeld erschienen waren, wahrscheinlich um irgendwelche hinterhältigen Fallen aufzubauen.“

„Also haben die Dunkeleisenzwerge den Marschall getötet.“

„Nein, haben sie nicht. Als sie sahen, dass der Marschall all die Orks getötet hatte, haben sie zum Glück erst mal genauer hingesehen, wer da eigentlich vor ihnen steht. Natürlich haben sie den legendären Eisenfeind sofort erkannt, denn immerhin wurde diese Waffe von einem Dunkeleisenzwerg erschaffen und zwar für den Ururgroßvater von Windsor. Da standen sie also und konnten den Marschall nicht töten. Aber laufen lassen konnten sie ihn auch nicht. Deswegen haben sie ihn mitgenommen und irgendwo in die Tiefen des Blackrocks verschleppt.“

Schakal, sichtlich zufrieden mit seiner Geschichte, nahm einen großen Schluck aus seinem Krug und strahlte Magenta und Abbefaria an. „Und, was sagt Ihr dazu?“

Abbefaria räusperte sich höflich. „Ich würde eigentlich nur gerne wissen, was das Ganze jetzt mit den schwarzen Drachen zu tun hat.“

„Ist doch klar: Windsor hatte diese ganzen tollen Informationen über die Vorgänge im Blackrock.“, erklärte Schakal. „Irgendjemand muss davon gewusst haben und hat dafür gesorgt, dass der Marschall ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt durch den Blackrock reiste, damit er in den Hinterhalt tappt. Allerdings hat derjenige wohl nicht damit gerechnet, dass Windsor überlebt und – was noch viel wichtiger ist – dass jemand entkommt und noch davon zu berichten weiß. Und, ich gebe zu, wenn Emanuelle mich nicht so eindringlich darum gebeten hätte, hätten mich keine zehn Pferde in die Brennende Steppe gebracht. Da wäre ich nämlich gleich in die Blackrocktiefen gega…“

Schakal verstummte schlagartig und nahm in Ermangelung einer besseren Beschäftigung einen großen Schluck Bier. Schweigen machte sich am Tisch breit und verdrängte sogar den Lärm der übrigens Kneipengäste. Schließlich hielt es Magenta nicht mehr aus.

„Was wolltest du denn im Blackrock?“

Schakal nuschelte etwas in sein Bier, das sich verdächtig nach „Prinzessin“ anhörte. Magentas Augen wurden schmal.

„Wenn du mir jetzt erzählst, dass du auf der Suche nach einer verschwundenen Prinzessin warst und dass ein schwarzer Drache sie entführt hat, dann siehst du mich in diesem Moment dort hinten durch die Tür verschwinden. Von verwunschenen, verschwundenen oder verzauberten Prinzessinnen habe ich nämlich die Nase gestrichen voll.“

„‘S war `n Zwerg.“, murrte Schakal. „Kein Drache. Die verdammten Dunkeleisenverräter haben Moira Bronzebeard entführt, die Prinzessin von Ironforge.“
 

Abbefaria war der Erste, der seine Sprache wiederfand. „Dann haben wir jetzt also einen entführten Marschall und eine entführte Prinzessin?“

„Korrekt.“, antwortete Schakal und blickte düster in seinen Bierkrug.

„Und beide befinden sich tief unten im Blackrock, in dem es von Orks und feindseligen Zwergen nur so wimmelt?“

„Nur von Zwergen.“, wand Schakal ein. „Die Orks haben sich in der Spitze des Bergs verschanzt, die Tiefen sind den Dunkeleisenzwergen vorbehalten.“

„Gut, dann also nur ein paar hundert wütende, angriffslustige Zwerge…“

„Eher ein paar tausend.“, seufzte Schakal. „Ich weiß ja auch nicht, wie ich mich habe hinreißen lassen, mich auf diese Mission zu begeben. Aber, ich meine, es ist die Prinzessin. Die Tochter meines Königs. Da kann nicht mal ich einfach sagen: Magni, alter Junge, nichts für ungut, aber such dir `nen anderen Dummen.“

„Der König hat dich allein losgeschickt, um seine Tochter zu befreien?“ Magenta schüttelte den Kopf. „Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.“

„Naja, ganz so war das auch nicht.“, murmelte Schakal und malte mit dem Finger in einer Bierpfütze herum. „Angefangen hat das Ganze mit einer Wette, die wohl irgendwie beinhaltete, dass ich es nicht schaffen würde, in die königliche Schatzkammer einzubrechen. Natürlich habe ich es geschafft. Und ich habe auch wirklich nur einen ganz kleinen Ring als Beweis genommen, als plötzlich der König samt Gefolge hinter mir stand und zu wissen verlangte, was ich da mache. Tja und bevor ich mich versah, hatte ich ihm versprochen, dass ich als Preis für meine Freiheit nach seiner Tochter suche. Wisst ihr, wenn er einfach mit einer Armee in den Blackrock einmarschieren würde, würde es nur unnötiges Blutvergießen geben. Außerdem bleibt zu befürchten, dass die zur Verfügung stehenden Truppen nicht für eine Schlacht dieser Größenordnung ausreichen würden. Die stetig tobende Auseinandersetzung um den Thandol-Übergang und die Rückeroberung von Dun Modr haben mehr Truppen gekostet…ihr habt keinen Schimmer, wovon ich rede, oder?“

Magenta und Abbefaria schüttelten einhellig die Köpfe. Schakal machte ein unanständiges Geräusch.

„Kein Wunder. Wenn nicht einmal die Führungsspitze der Menschen es für nötig hält, die Belange der Zwerge zu unterstützen, wie kann da das einfache Volk darüber informiert sein. Von den Langohren am anderen Ende der Welt mal ganz zu schweigen. Als die Zwerge euch halfen, euren Krieg zu gewinnen, waren wir aber noch gut genug um…ach Schwamm drüber.“

Schakal guckte böse in seinen Krug und leerte ihn mit einem Zug. Danach guckte er noch böser. Immerhin war sein Bier jetzt alle.

Magenta rang einen Augenblick mit sich, dann atmete sie tief durch. „Also gut, wir machen es.“

„Was?“, fragte Schakal und Abbefaria im Chor.

„Na wir befreien Windsor und diese komische Prinzessin, was denn sonst? Ein Zwerg, ein Nachtelf, ein Mensch. Haben doch von jeder Sorte einen dabei. Was soll also schiefgehen? Und schuld an allem ist ein Gnom. Perfekt.“

Zwerg und Nachtelf sahen die Menschenfrau an, als hätte sie den Verstand verloren. Dann jedoch breitete sich langsam aber sicher ein Grinsen auf Schakals behaartem Gesicht aus. „Weißt du was, Mädel? Das ist so bescheuert, dass es schon fast wieder klappen könnte. Wir drei gegen den Blackrock. Wenn das keine Lieder wert ist, dann weiß ich auch nicht.“

„Genau.“, strahlte Magenta. „Wir schleichen uns rein, finden die zwei und machen uns wieder aus dem Staub, bevor jemand was merkt. Wann geht´s los?“

„Ich muss erst noch ein paar Vorräte besorgen.“, sagte Schakal. „Dazu noch Ausrüstung und Reittiere. Das alles vorrätig zu halten, wäre zu auffällig gewesen. Schließlich wusste ich ja nicht, wann Emanuelles komischer Verbündeter auftauchen würde und um wen es sich dabei handelt. Schlimm genug, dass ich mich die ganze Zeit in einer Bücherei herumtreiben musste. Bin fast gestorben vor Langeweile. Wozu das geführt hat, hat man ja gesehen. Alles in allem würde ich sagen, dass wir morgen früh reisefertig sind.“

„Ihr wisst aber schon, dass ihr beide vollkommen verrückt seid?“, ließ sich Abbefaria vernehmen. Er hoffte immer noch, dass das Ganze nur ein Scherz sein sollte.

„Das will ich doch stark annehmen, Jungchen“, feixte Schakal. „Denn sonst würde dieser Plan vermutlich nicht funktionieren.“
 


 


 

Donnerndes Gebrüll erschütterte den Urwald. Bebende Schritte ließen die Bäume wie unter einem Erdbeben erzittern. Krachend stürzte das Unterholz zusammen, als sich eine Lawine aus fleischgewordenem Tod durch den Dschungel wälzte und alles niedertrampelte, das es wagte, sich ihr in den Weg zu stellen. Und man brauchte sicherlich kein Wörterbuch, um aus dem animalischen Gebrüll recht deutlich die Worte „Wenn ich dich kriege, dann zermalme ich dich zwischen meinen mächtigen Kiefern, zerquetschte dich mit meinen gewaltigen Klauen und schneide dich mit meinen messerscharfen Krallen in mikroskopische kleine Stücke…und jetzt bleib endlich stehen du verdammter Bastard! “ herauszuhören.

Derjenige, dem das Gebrüll galt, dachte jedoch gar nicht daran stehen zu bleiben, sondern nahm im Gegenteil die Pfoten in die Hand und sprintete wie ein pelziger Schatten zwischen Bäumen und Farnen hindurch, als ginge es um sein Leben….was im Grunde genommen genau der Fall war.

Verdammte Echse, fluchte Easygoing lautlos, als er auf dem durch den einsetzenden Regen feucht gewordenen Waldboden fast ausglitt. Blitzschnell balancierte er sein Gewicht neu aus und nahm die enge Kurve um einen der Urwaldriesen herum. Seine Pfoten berührten kaum den Boden, während er über umgestürzte Bäume hinwegsetzte, durch flache Wasserläufe preschte und über moosbedeckte Felder huschte. Ihm auf den Fersen ein gigantischer Teufelssaurier, in dessen Flanke immer noch Torwa Pathfinders Speer steckte.

Ich muss ihn irgendwie abhängen, schoss es dem Druiden durch den Kopf, während der Teufelssaurier so eben den jahrhundertealten Baum zerlegte, an dem die schwarze Katze gerade noch vorbeigekommen war. Aber wie?

Mit einem beherzten Sprung katapultierte Easygoing sich auf einen plötzlich vor ihm aufragenden Felsen und wollte gerade wieder auf der anderen Seite hinunterspringen, als er sah, dass sich vor ihm eine flache Landschaft bar jeder Bäume und Deckung auzsbreitete. Eilends drehte er auf dem Pfotenabsatz herum und wollte wieder ins Unterholz flüchten, als der Teufelssaurier aus dem Dickicht hervorbrach. Die Bestie war riesig. Ihre schuppige Haut hatte einen auffallenden Orangeton mit schwarzen Streifen, die Stacheln auf ihrem Rücken waren hoch wie ein Mann und jeder ihrer Zähne war so lang wie ein zweihändiges Breitschwert. Ihre kleinen, tückischen Augen funkelten voller Mordlust, als sie den Druiden auf seinem Präsentierteller erblickten. Die Echse brüllte erneut markerschütternd und ging zum Angriff über.
 

Ohne lange zu überlegen gab Easygoing Fersengeld und rannte auf die schutzlose Ebene hinaus. Hinter ihm schabten die Zähne der Bestie über den Stein und zertrümmerten die obere Hälfte des Felsens. Geröllstücke spritzten durch die Gegend und ließen den Druiden Haken schlagen, während die gigantische Echse ihre Wut über die entgangene Beute herausbrüllte.

Weiter und weiter weg von jeglicher Deckung trugen ihn seine Pfoten, die Bestie schon wieder auf seinen Fersen, als ihm plötzlich ein merkwürdiger Geruch auffiel. Stechend und eigenartig süßlich hatte er nichts mit den Gerüchen von Fauna und Flora gemein, die Easygoing kannte. Mit jedem Schritt, den er tat, wurde der Geruch intensiver, bis der beißende Gestank alle anderen Gerüche verdrängt hatte. Und immer noch hatte der Druide keine Ahnung, worum es sich handelte.

Vor ihm tauchte ein schwarzer See auf und Easygoing erkannte sofort, dass dies die Quelle des alles beherrschenden Aromas war. Irgendetwas an diesem See war faul.

Wieder brüllte die Bestie, die auf dem freien Gelände, wo sie sich ungehindert bewegen konnte, rasch aufgeholt hatte. Easygoings Ohren vibrierten, sein Atem ging keuchend, als er den Rand des eigenartigen Sees erreichte. Der beißende Geruch steigerte sich ins schier Unermessliche. Blasen stiegen an der Oberfläche des schwarzen Wassers auf, dehnten sich bis an ihre Grenzen und zerplatzten schließlich mit einem leisen Plopp. Wärme und Gestank wehten dem Druiden entgegen.

Egal, im Wasser kann ich dem Biest entkommen, dachte Easygoing und wollte schon hinein springen, als er die abgenagten Knochen eines Dimetrodons am Rand des Sees erblickte. Der gesamte Kopf und Hals der breit gebauten Raubechse sowie Teiles des Bauches fehlten. Die Beine, die in den See hineinragten, waren jedoch unberührt. Verwundert sah Easygoing genauer hin und entdeckte neben dem Kadaver einen Raptor, der ebenfalls bis zum Bauch im Wasser stand. An seinem Maul hingen noch Fleischfetzen, vermutlich von dem Dimetrodon. Die kleinere Echse fauchte und spuckte, machte jedoch keinerlei Anstalten, das Wasser zu verlassen, obwohl sie immer tiefer und tiefer sank. Da endlich verstand der Druide.

Die Teergruben von Lakkari! Torwa hat davon erzählt. Wenn ein Tier den Fehler macht, das Wasser zu betreten, versinkt es mit den Füßen im klebrigen Untergrund und wird unter die Oberfläche gezogen. Je schwerer ein Tier ist, desto schneller versinkt es in dieser tückischen Falle.
 

Stampfende Schritte kündigten Easygoings Verfolger an. Die Bestie erblickte den Druiden, der immer noch am Rand der Teergrube kauerte, und brüllte seinen Triumph in den Himmel hinauf. Jetzt endlich schien seine Beute sicher zu sein.

Nicht so schnell, mein Lieber.

Easygoing wich den zuschnappenden Kiefern aus und versetzte dem Teufelssaurier gleichzeitig einen Hieb gegen die empfindlichen Nasenlöcher. Die Bestie fauchte ärgerlich und schnappte erneut nach der flüchtenden Katze. Die hingegen setzte in großen Sprüngen am Rand des Sees entlang. Schnaubend wollte die Echse ihr folgen, doch Wurzelstränge hatten sich um ihre Hinterläufe gelegt und hielten sie fest. Wütend zerrte sie daran, bis die Wurzeln mit einem peitschendne Laut rissen.

„Hey du!“, rief eine Stimme. Der Kopf des Teufelssauriers schnappte nach oben. „Ja dich mein ich, den Hässlichen mit den Stacheln am Rücken.“

Misstrauisch betrachtete der Teufelssaurier die Gestalt, die auf der anderen Seite des Sees stand und mit beiden Armen winkte. Die schwarze Katze war verschwunden, ebenso wie sie vorhin einfach aufgetaucht war, nachdem der Zweibeiner verschwunden war. Der Teufelssaurier schüttelte den breiten Kopf. Zu viele Gedanken, die von einem einzigen verdrängt wurden: dem Wunsch die Krallen endlich in weiches Fleisch zu schlagen. Mit einem Grollen trat der Teufelssaurier einen Schritt vor.

„Na los, komm doch, wenn du dich traust.“, rief Easygoing und nahm einen Stein vom Boden, den er nach der Bestie warf. Das Geschoss fiel auf halbem Weg in das schwarze Wasser und versank.

Der Teufelssaurier senkte den Kopf in Richtung der Wasseroberfläche und schnüffelte.

Nein, nein, nein. Er darf es nicht riechen.

„Hey, hier bin ich! Na los, komm und friss mich!“

Easygoing nahm noch einen Stein und zielte diesmal sorgfältiger. Das Geschoss segelte durch die Luft und traf den Teufelssaurier an der Schläfe. Vermutlich spürte er den Schlag nicht einmal wirklich, aber die Provokation reichte aus, um das Misstrauen des Tiers zu zerschlagen und die Mordlust wieder zum Vorschein zu bringen. Mit einem wütenden Gebrüll stürzte es sich in die Fluten. Es kam drei Schritte weit, bis der Teer sich buchstäblich an seine Fersen heftete. Die Falle hatte zugeschnappt.

Das Toben des Tiers wurde zunehmend verzweifelter, als es merkte, dass es sich nicht mehr befreien konnte. Schwarzes Wasser spritze in alle Richtungen, doch alles Wüten führte nur dazu, dass die riesige Echse noch schneller versank.

Easygoing wandte sich ab, verwandelte sich wieder in eine Raubkatze und machte sich auf den Rückweg. Er musste das hier nicht mit ansehen. Außerdem, so versuchte er sich zu beruhigen, bestand immer noch die Chance, dass der Teufelssaurier irgendwann den Boden der Teergrube erreichte und Easygoing zog es vor, sich dann lieber nicht mehr in seiner Nähe zu befinden.
 

Der Druide erreichte Torwa Pathfinders Lager in der Abenddämmerung. Der Taure erwartete ihn bereits, geduldete sich jedoch, bis der Druide gegessen und sich etwas ausgeruht hatte. Dann jedoch ließ sich seine Neugier nicht mehr bezähmen.

„Und?“, fragte er aufgeregt. „Hat es funktioniert?“

„Nein.“ Easygoing nahm einen Stock und stocherte in der Glut des Lagerfeuers herum. Der Taure auf der anderen Seite der Kochstelle seufzte.

„Ich hatte es befürchtet. Die Blutkappen waren nicht stark genug. Um so ein großes Tier zu beruhigen, brauche ich ein stärkeres Mittel.“

Die braunen Augen des Tauren taxierten den Nachtelfen. Der Druide hob den Blick und schnaubte.

„Vergesst es! Ich helfe Euch nicht mehr. Wir brechen morgen noch vor der Dämmerung auf und wenn wir haben, was wir brauchen, werden wir dieses verrückte Tal hoffentlich so schnell wie möglich hinter uns lassen.“

„Ich verstehe.“, brummte Torwa Pathfinder. „Vermutlich ist es auch wirklich etwas viel verlangt. Aber wenn Euch Euer Weg trotzdem irgendwann einmal in den Versunkenen Tempel in den Sümpfen des Elends führen sollte, denkt an mich. Ich benötige eine Fäulnisranke von einem der Tempelwächter.“

„Ich wüsste nicht, was mich dorthin bringen sollte.“, knurrte der Druide und warf seinen Stock ins Feuer.

„Man weiß ja nie, wohin einen das Schicksal bringt.“, orakelte der Taure. „Und jetzt werde ich dieses Gift entsorgen.“

„Halt!“

Ein schlanker Schatten löste sich aus dem Dunkel. Deadlyones leuchtende Augen richteten sich auf Torwas Kessel. „Wenn Ihr es nicht mehr benötigt, gebt es mir.“, säuselte der Schurke. „Ihr erspart Euch einen Weg und ich…nun, ich werde schon eine Verwendung dafür finden.“

Der Taure blickte zweifelnd in den Kessel. „Aber es wirkt nicht.“

„Oh, eine große Kreatur wie einen Teufelssaurier vermag man damit vielleicht nicht zu betäuben.“, erwiderte Deadlyone mit einem listigen Grinsen. „Aber schließlich ist nicht alles auf dieser Welt hoch wie drei Häuser.“

„Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken.“, murmelte Torwa Pathfinder. „Aber Ihr alle habt mir viel geholfen, daher werde ich Eurer Bitte nachkommen und Euch etwas von dem Gift abfüllen.“

„Verbindlichsten Dank.“, gab der Schurke zurück und verschmolz wieder mit den Schatten.
 

Easygoing ließ sich schwer neben Ceredrian fallen. Der Priester blickte von dem Buch auf, in dem er gelesen hatte.

„Anstrengender Tag?“

„Kann man wohl sagen.“, ächzte der Druide und machte sich daran, sein Nachtlager vorzubereiten. „Habt ihr eigentlich etwas wegen dieses Pakets herausfinden können?“

„Wertloser Plunder.“, antwortete Ceredrian in beiläufigem Tonfall. „Wir haben es weggeworfen. Kein Grund, sich damit zu belasten.“

„Gut. Eine Sorge weniger.“
 

Die Atemzüge des Druiden wurden schnell gleichmäßiger. Ceredrian betrachtete ihn eine Weile lang nachdenklich und wandte sich dann wieder seinen Aufzeichnungen zu. Morgen galt es, eine gefährliche Mission zu bestehen. Er war gespannt, welche Erkenntnisse sie bringen würde und ob endlich etwas Licht in das Rätsel um die Silithiden kam. Insgeheim aber ahnte er bereits, dass dies nicht der Fall sein würde.
 


 


 

„Der Blackrock machten seinem Namen aber wirklich alle Ehre.“

Magenta fühlte, wie sich ihre Nackenhaare sträubten, während ihr Blick über das pechschwarze Felsmassiv glitt, dessen feurige Adern die Sengende Schlucht in glutrotes Licht tauchten. Der Berg strahlte eine Feindseligkeit aus, die die Hexenmeisterin innerlich frösteln ließ, obwohl ihr der Schweiß die Stirn herunter ran. Der Geruch von Asche und glühendem Metall lag in der Luft, nicht zuletzt wohl wegen der gewaltigen Schmieden, die hier an der Thoriumspitze aufgebaut worden waren. Schakal verhandelte gerade noch mit einem der hier ansässigen, merkwürdig dunkelhäutigen Zwerge über den Preis einer Eskorte, die sie in die Tiefen des Blackrocks bringen sollte. Wie es schien, hatte er jedoch nicht sehr viel Erfolg damit.

„‘S ist ne Unverschämtheit, was dieser Halsabschneider verlangt“, knurrte Schakal, als er zu Magenta und Abbefaria zurückkehrte. „Er hätt‘ auch gleich sagen können, dass er nicht will. Hätt’s wissen müssen, dass man mit einem Dunkeleisen eben keine Verhandlungen führen kann.“

„Das sind Dunkeleisenzwerge?“, keuchte Magenta. „Aber wenn du ihnen unseren Plan verraten hast…“

„Keine Sorge, Mädchen, der alte Schakal is` ja nicht blöd.“, brummte der Zwerg. „Ich hab lediglich nach einem Führer gefragt. Aber ‘s is ‘ne komplizierte Sache mit der Politik hier. Die von der Thoriumbruderschaft sind zwar Dunkeleisenzwerge, haben aber mit dem Pack, dass sich unten im Blackrock verkriecht, nicht viel zu schaffen. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie uns einfach so mirnichtsdirnichts helfen. Die wollen bezahlt werden und das nicht zu knapp.“

„Was war ihr Preis?“, ließ sich die dunkle Stimme des Nachtelfen vernehmen.

„Dunkeleisenerz.“, knurrte Schakal. „Nur ratet mal, wo man das bekommt. Genau. Unten im Blackrock. Um einen Führer zu bekommen, der uns dort runterbringt, müssten wir also erst mal dort runter. Außerdem glaub ich nicht, dass einer von uns ein besonders guter Bergbauer ist. Wir werden es also auf eigene Faust versuchen.“
 

Sie bestiegen die Reittieren und machten sich auf den Weg in Richtung Süden, immer genau auf den drohend aufragenden Blackrock zu, der mit jedem Meter, den sie zurücklegten, größer und düsterer zu werden schien. Um sie herum breitete sich die Aschelandschaft der Sengenden Schlucht aus. Das Dröhnen der unterirdischen Schmieden und Bergwerke hallte von den Wänden der breiten Schlucht wider, die diesem Landstrich ihren Namen gegeben hatte. Von Ferne konnte man dunkelhäutige Zwerge an ihrem Rand herumkrabbeln sehen und zwischen ihnen immer wieder die kantigen, knapp vier Meter hohen Umrisse der Kriegsgolems, die in den Tiefen gefertigt wurden. In der wabernden Hitze der rauchgetränkten Luft, gerannen ihre Umrisse zu monströsen Zerrbildern, die die Stimmung zusätzlich drückten. Zu Magentas Erstaunen war es Abbefaria, der die rußschwangere Stille als Erster brach.

„Was wisst Ihr über die Dunkeleisenzwerge und wie kommt es, dass sie sich ausgerechnet in dieser lebensfeindlichen Gegend angesiedelt haben?“

Schakal, an den die Frage gerichtet war, knurrte unwillig. „Interessiert Euch das wirklich, oder fragt Ihr nur, um höfliche Konversation zu betreiben.“

„Ich weiß gern, auf was ich mich einlasse.“, erklärte der Nachtelf diplomatisch.

„Oh, na schön.“, brummte Schakal. „‘S ist ja eh noch ein ganzes Stück bis zum Eingang des Blackrocks.“

Der Zwerg überlegte kurz und begann dann zu erzählen.
 

„Die Geschichte der Dunkeleisenzwerge, wie sie heute sind, beginnt wohl mit dem Krieg der Drei Hämmer. Schon davor hatte sich das ständig wachsende Volk der Zwerge in drei Stämme aufgeteilt: Da war der Clan der standhaften Bronzebeards mit ihrem Anführer Than Madoran Bronzebeard, die die gewaltigen Bergstädte bewohnten. Dann der Clan der freiheitsliebenden Wildhammer, der unter der Führung von Than Khardos Wildhammer die die Vorgebirge besiedelt hatte. Und schließlich der Clan der Dunkeleisenzwerge, an deren Spitze der zauberkundige Than Thaurissan saß, und der sich mit seinen dunklen Künsten ränkeschmiedend tief unter den Berg zurückgezogen hatte. Jahrelang hielt sich der brüchige Frieden zwischen den drei Stämmen, waren sie doch alle vereint unter der Herrschaft eines einzigen, mächtigen Königs, Hochkönig Modimus Anvillmar.“

Schakal unterbrach sich und taxierte seine beiden Begleiter. „Seine Statue ist es übrigens, die die Tore von Ironforge bewacht. Nur damit ihr das wisst, ihr Banausen.“

Magenta und Abbefaria nickten pflichtschuldig und Magenta konnte sich eines kleinen Lächelns über diesen plötzlichen Anflug von Volksstolz nicht erwehren.

„Aber wo war ich.“, fuhr Schakal fort. „Ah ja, der Hochkönig starb also und im Zug der Frage, wer sein Nachfolger sein wollte, kamen sich die Anführer der drei Stämme mächtig in die Haare. Ein Bürgerkrieg brach aus, der später als der erste Teil der Krieg der drei Hämmer in die Geschichte eingehen sollte. Am Ende dieses Kriegs gingen die zahlreich überlegenen Bronzebeards schließlich als Sieger hervor, während die anderen beiden Clans aus der Hauptstadt verdrängt wurden. Die Wildhammer zogen sich daraufhin weit in den Norden bis hinter die Grenzen von Dun Algaz zurück und gründeten in Grim Batol ihr neues, eigenständiges Reich. Sie ließen den Krieg, Krieg sein und nutzen ihre Kenntnisse und Fähigkeiten, um ihren Stamm in eine Zeit des Wohlstands zu führen. Die Dunkeleisen jedoch…hatten nicht so viel Glück. Sie waren gen Süden gezogen und hatten sich im Redrigde-Gebirge ein neues Heim gesucht Eine Stadt, die sie nach ihrem Anführer Thaurissan benannten.

Doch die Niederlage hatte Hass und Neid in den Herzen der Dunkeleisen-Zwerge hinterlassen und sie blickten voller Groll auf die anderen Stämme und deren Erfolg. Im Geheimen planten sie eine Offensive gegen die beiden anderen Stämme und rückten schließlich gleichzeitig gegen die beiden feindlichen Festungen vor. Thaurissan selbst griff mit seinen Zauberern Ironforge an und hätte die Stadt auch um Bartesbreite eingenommen, aber schlussendlich mussten er und seine Diener sich Marodan Bronzebeard geschlagen geben und flohen zurück in die Sicherheit ihrer eigenen Stadt. In der Zwischenzeit hatte Thaurissans Weib Modgud die Attacke gegen Grim Batol eingeleitet. Sie rückte mit Zaubern ins Feld, die Angst und Schrecken in die Herzen der Krieger säte. Bestien aus Schatten und Rauch gehorchten ihrem Befehl und suchten die Wildhammer in ihren eigenen Hallen heim. Die Lage schien aussichtslos. Da erhob sich Khardos Wildhammer über das ausgebrochene Chaos. Er stürmte quer über das Schlachtfeld und fällte die dunkle Zauberin mit nur einem einzigen Schlag seines mächtigen Kriegshammers. Als Modguds Truppen das sahen, flohen sie Hals über Kopf in Richtung Süden. Dort aber wurden sie bereits von den Truppen des Bronzebeard-Clans erwartet, die von dem Angriff auf Grim Batol gehört hatten und den Wildhammern zur Hilfe eilen wollten. Die verbliebenen Streitkräfte der Dunkeleisen-Zwerge wurden daraufhin zwischen den zwei Armeen aufgerieben und vollkommen vernichtet.

Die vereinten Armeen der Wildhammer und der Bronzebeards wandten sich nach der Schlacht gen Süden, um auch noch den Rest des streitsüchtigen Dunkeleisen-Clans zu vernichten. In seiner Verzweiflung und dem Zorn über den Tod seines geliebten Weibs entfesselte Than Taurissan jedoch versehentlich eine Macht, die größer war als alles, was die Welt bis dahin gesehen hatte. Bei dem Versuch einen mächtigen Verbündeten zu finden, löste er die Fesseln, mit denen die Titanen einst Ragnaros, den Feuerfürsten und Herrscher über alle Feuer-Elementargeister, in die Tiefen der Erde verbannt hatten. In einer gewaltigen Eruption von Feuer und flüssigem Gestein erhob sich die grausame Gottheit aus den Tiefen. Sie zerschmetterte das Redridge-Gebirge und ließ in seinem Zentrum einen riesigen Vulkan entstehen.“
 

Schakal deutete nach vorn, wo der Blackrock inzwischen ihr gesamtes Sichtfeld einnahm. „Jetzt wisst ihr, wo diese Scheußlichkeit da herkommt.“

„Aber was geschah mit den Dunkeleisen-Zwergen?“, wollte Magenta wissen.

„Und wie haben die anderen Clans darauf reagiert?“, fragte Abbefaria.

„Oh naja. Den Dunkeleisen ist das Ganze nicht gut bekommen. Thaurissan selbst wurde bei Ragnaros‘ Befreiung von der Lava hinweg gespült, seine Stadt vernichtet und der Rest seines Volkes von der feurigen Gottheit versklavt. Als die anderen beiden Clans die Zerstörung sahen, die Ragnaros angerichtet hatte, entschlossen sie sich, lieber schnell das Feld zu räumen und in ihre Heimstädten zurückzukehren. Doch während die Bronzebeards sich daran machen konnten, ihr geliebtes Ironforge wieder aufzubauen, mussten die Wildhammer feststellen, dass Modguds Zauber Grim Batol für immer verseucht hatten. Ein Angebot von König Bronzebeard, ihnen Unterschlupf zu gewähren, lehnten die stolzen Wildhammer jedoch ab und zogen weiter gen Norden, wo sie sich schließlich in den Bergen des Aerie Peak niederließen. Um den Kontakt nicht abreißen zu lassen, ließ König Bronzebeard drei gewaltigen Brücken über den Thandol-Übergang errichten. Und das war dann das Ende des Kriegs der Drei Hämmer.“

Schakal nahm ein Taschentuch heraus und putzte sich umständlich die Nase. Er nahm einen tiefen Schluck aus seiner Feldflasche und erklärte: „Seit dem tauchen immer mal wieder Dunkeleisen-Zwerge auf und machen Ärger. Besonders der Thandol-Übergang ist ihnen ein Dorn im Auge, weil er ein Zeichen der Verbundenheit der restlichen Zwergenclans ist. Wobei das eigentlich unbegründet ist, denn die Beziehung zwischen Ironforge und Aerie Peak sind inzwischen allenfalls locker. Die Wildhammer haben sich durch den Krieg und den mehrmaligen Verlust ihrer Heimat verändert. Sie leben nicht mehr wie die Zwerge von einst unter der Erde, sondern haben sich stattdessen mit ihren wilden Greifen in die Lüfte erhoben. Auch scheren sich auch nicht mehr um ihr titanisches Erbe. Für sie zählt nur das Hier und Jetzt. Man grüßt sich halt, aber sein Bier trinkt jeder für sich allein.“
 

Der Zwerg schien nicht mehr gewillt weiter zu sprechen. Magenta sah zu Abbefaria hinüber, der ebenfalls in Gedanken versunken schien. Doch gerade, als sie den Mund öffnete, um etwas zu sagen, kam ihr der Druide zuvor.

„Das alles ist wirklich hochinteressant.“, murmelte er. „Und es verrät uns einiges über die Gegner, die uns erwarten.“

„Ach ja?“, fragte Magenta erstaunt. Sie fand die Geschichte ja auch irgendwie ganz spannend, aber von den vielen, unbekannten Namen schwirrte ihr ein bisschen der Kopf.

„Ja.“, antwortete Abbefaria lächelnd. „Zunächst einmal wissen wir, dass die Dunkeleisen-Zwerge Zauberkräfte beherrschen. Dieses Wissen, dass sie von den anderen Zwergenclans unterscheidet, werden sie gepflegt haben. Ihr Kampfstil wird dementsprechend weniger leicht zu durchschauen sein.“

„`S is` wahr.“, warf Schakal ein. „Bei `nem Dunkeleisen kannst du dir nie sicher sein, ob du nicht auf einmal ein Messer zwischen den Rippen hast. Ein Bronzebard würde dir einfach geradeheraus den Schädel einschlagen und gut wär´s.“

Abbefaria Lächeln wurde etwas gequält, als er fortfuhr. „Als zweites stehen die Dunkeleisen-Zwerge jetzt unter der Führung von Ragnaros. Das bedeutet einerseits, dass ihre Truppen sicherlich durch allerlei Elementargeister verstärkt worden sind. Auch scheinen sie mir viele dieser eisernen Wachposten erbaut zu haben. Wir haben es also mit mehr als Zwergen zu tun.“

„Aye.“, rief Schakal. „Die Kriegsgolems aus der Schmiede von Golem-Lord Argelmach sind berühmt-berüchtigt. Er lässt sich ständig neue Schweinereien einfallen, die diese Biester beherrschen. Feuerlohen, magische Blitze, abschießbare Steinfäuste. Kaffeekochen ist wahrscheinlich das Einzige, was so ein Klotzkopf noch nicht kann. Hat angeblich sogar Gnome gekipnappt, damit sie für ihn arbeiten.“

„Und als drittes bedeutet das, dass wir eventuell eine Chance haben, einige von ihnen auf unsere Seite zu bringen. Immerhin sind sie selbst nur Gefangene und…“

Schakal unterbrach den Druiden mit einer ärgerlichen Geste. „Das kannst du mal ganz schnell vergessen, Jungchen. Die Dunkeleisen sind fanatisch bis ins Blut. Ich mein‘, von denen von der Thorium-Bruderschaft mal abgesehen, aber davon wirste im Blackrock keine finden. Die ganze schwarze Bande ist diesem feurigen Ungetüm Ragnaros treu ergeben, und wenn´s nur ist, weil sie inzwischen alle umgebracht haben, die anderer Meinung waren. Auf Hilfe brauchst du da unten nicht zu hoffen. Die einzige Hilfe, die wir bekommen werden, steckt hier oben drin.“ Schakal tippte sich mit dem Finger gegen den Kopf.

Abbefaria sah den Zwerg mit einer Mischung aus Unglauben und Verärgerung an. Doch ebenso schnell wie der Ausdruck auf seinem Gesicht erscheinen war, verschwand er auch schon wieder. „Fein, Freund Zwerg. Dann seid Ihr also dafür verantwortlich, uns in den Blackrock zu bringen.“

Schakals Augenbrauen schoben sich zusammen. „Ich mag´s nicht, wie Ihr Zwerg sagt. Aber Ihr habt Recht, ich habe tatsächlich eine Idee, wie wir da unten reinkommen. Aber dafür müssen wir erst mal bis in den Bereich kommen, wo die Dunkeleisen sich eingenistet haben, ohne dass uns eine Patrouille erwischt oder ein schwarzer Drache den Kopf abbeißt. Also kommt jetzt und vermeidet jedes unnötige Aufsehen. Wir wollen unseren lieben Freunden doch nicht die Überraschung verderben.“
 

Magenta sah an den riesigen Steintoren empor, die den Eingang zu der feurigen Höhle unter dem Berg bildeten. Angesichts der gigantischen Ausmaße wirkten sie und die anderen fast wie Ameisen, auf die die zwei steinernen Gesichter, die die Tore schmückten, voller Heimtücke heruntersahen. Ein glühendheißer Wind wehte ihnen durch die Tore entgegen und Magenta wendete unwillkürlich das Gesicht ab.

„So ging es mir auch, als ich das erste Mal hier war.“, wisperte Abbefaria neben ihr und sie spürte seine beruhigende Gegenwart dicht neben sich. „Die Hitze wird noch schlimmer, aber was du zu sehen bekommst, wird dich erstaunen.“

„Du warst schon einmal hier?“

„Auf der Durchreise.“, erklärte der Nachtelf, während sie einen Gang von gewaltigen Ausmaßen entlang schritten. „Wir waren damals auf dem Weg nach Westfall, wenn du dich erinnerst.“

„Ganz schöner Umweg.“, murmelte Magenta und konnte nicht verhindern, dass sie bei der Erinnerung an ihr erstes Treffen rot wurde. Abbefaria lächelte sie an und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.

„Seid ihr Turteltäubchen endlich fertig?“, nörgelte Schakal. „Wir betreten jetzt den geschmolzenen Übergang.“
 

Magenta stockte tatsächlich der Atem, als sie die riesige Halle betraten, auf deren Grund ein Lavasee brodelte und deren oberes Ende sich irgendwo im hitzeschwangeren Dunkel verlor. Eine breite Plattform, die gut und gerne ein ganzes Reiterregiment gefasst hätte, zog sich mehrere hundert Meter über der Lava an den Wänden entlang. Trotzdem hatte Magenta das Gefühl, sie würde mit jedem Luftholen flüssiges Feuer in ihre Lungen pumpen. Doch es schien, als wäre das noch nicht genug der Hitze.

„Wir müssen da rüber.“, sagte Schakal und wies auf einen kolossalen Felsbrocken, der von dicken Metallketten über der Lava gehalten wurde.

„Da rüber?“, echote Magenta. „Das muss ein Scherz sein. Ich klettere doch nicht an irgendwelchen Ketten über mehrere Millionen Grad heiße Lava. Gibt es denn keinen anderen Weg?“

„Du könntest durch die Lava schwimmen, wenn dir das lieber ist.“, bot Schakal an.

Magenta knurrte eine unfreundliche Antwort.

„Unser damaliger Führer sagte, dies sei eine Schutzeinrichtung der Zwerge. So können sie sicherstellen, dass ihre Feinde immer nur einer nach dem anderen zu ihnen hinabsteigen können.“, warf Abbefaria ein. Die Hand des Nachtelfen strich gedankenverloren über den Beutel an seinem Gürtel. Anstatt wie seine zwei Begleiter in die feurige Tiefe zu blicken, irrte sein Blick an den steinernen Wänden empor, fast so als hoffte er, auf den zahlreichen Balkonen, die in den oberen Teil der Wände gehauen worden waren, jemanden zu sehen. Aber die Balustraden blieben leer.

„Was ist, kommst du?“

Magenta und Schakal hatten bereits begonnen, die dicken Ketten zu besteigen, deren einzelne Glieder größer waren als ein Fuhrwerk. Abbefaria beeilte sich ihnen zu folgen und gemeinsam hangelten sie sich, so gut es ging, über die kochende Lava.
 

Die Minuten schienen sich zu Stunden zu dehnen, während sie über dem See aus heißem Gestein in der Luft hingen. Zwar bildeten die Kettenglieder einen etwa einen halben Meter breiten Sims, auf dem man bequem gehen konnte, doch es gab kein Geländer, keine Absicherung. Hand folgte auf Fuß und wieder auf Hand. Nicht nach unten sehen. Keinen Gedanken daran verschwenden, was geschah, wenn man fehltrat oder mit den schwitzenden Händen von den glatten Metalloberflächen abrutschte. Auch die Ruhepause, die sie sich gönnten, als sie auf dem Felsbrocken angekommen waren, der von den dicken Adamantitsträngen über den feurigen Fluten gehalten wurde, war nur von kurzer Dauer.

„Wenn uns hier jemand erwischt, sind wir geliefert.“, erklärte Schakal. „Die schmeißen uns einfach in die Lava und dann bleibt nicht mal ein Aschehäufchen von uns übrig.“

Abbefaria, der Magenta gerade seine Wasserflasche reichte, nickte nachdenklich. „Dies ist wirklich nicht der beste Ort für eine Rast. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir nicht allein sind. Dass uns irgendjemand beobachtet.“

„Solang´s nur beim Beobachten bleibt, soll´s mir Recht sein.“, knurrte Schakal. „Also los, keine Müdigkeit vorschützen.“

Magenta wusste nicht, wie sie es schaffte, auch noch den zweiten Teil der Strecke zu bewältigen. Wahrscheinlich hatte sie sich genau wie die anderen beiden einfach mechanisch weiter bewegt. Es war das Einzige, was einem in dieser Situation übrig blieb. Ihre Knie zitterten, als sie endlich die rettende Plattform am Ende der langen Kette erreichten. Unwillig verdrängte die Hexenmeisterin den Gedanken, dass sie den steilen Abstieg auf dem Rückweg in umgekehrter Richtung noch einmal bewältigen mussten. Denn wer wusste schon, ob sie überhaupt so weit kamen.

Dein Optimismus ist ja heute mal wieder nicht zu übertreffen, nölte eine Stimme in ihrem Kopf. Ich persönlich finde es hier herrlich.

Dich hat aber keiner gefragt, gab Magenta lahm zurück. Selbst zu einer schneidenden Erwiderung ihrem Wichtel gegenüber fehlte ihr jetzt die Kraft.
 

„So, das war also der einfache Teil der Reise.“, witzelte Schakal. Dem Zwerg war die Anstrengung nicht so sehr anzumerken wie Magenta und Abbefaria, doch auch die Teile seines Gesichts, die nicht von seinem Bart verdeckt wurden, glänzten vor Schweiß. „Wir kommen jetzt gleich in den Steinbruch. Dort wird es ungleich ungemütlicher.“

Magenta hatten den Kopf gegen die Wand gelehnt und lauschte dem Gespräch nur noch unbeteiligt. Aus der Ferne hörte man den Klang von Metall auf Stein, den die Spitzhacken der Arbeiter verursachten.

„Inwiefern ungemütlicher?“, fragte Abbefaria.

„Naja, dort unten werden wir vermutlich auf die ersten Dunkeleisenzwerge treffen. Deswegen wird es Zeit für unsere Verkleidung.“

„Verkleidung?“ Abbefarias Tonfall klang alarmiert. „Ich dachte, wir wollen uns dort unten einschleichen.“

„Jaha, guter Witz, Jungchen.“, lachte Schakal. „Ich meine, selbst wenn wir beide hier allein wären – ich hab mir ja sagen lassen, ihr Nachtelfen hab so einige Erfahrung darin, Euch anzuschleichen – haben wir immer noch Magenta dabei.“

„Oh danke, jetzt bin ich also Schuld.“

„Und zweitens“, fuhr Schakal fort ohne auf den Einwurf einzugehen, “haben die da unten Wachhunde. Und wenn ich Wachhunde sage, meine ich nicht so einen trotteligen Schäferhundverschnitt, den man auf jedem Bauernhof findet. Ich rede hier von blutrünstigen Bestien, von denen jeder mindestens einen Dämon irgendwo im Stammbaum hat. Die Viecher sehen im Dunkeln besser als jede Katze und erschnüffeln ihre Beute schon über mehrere hundert Meter. Wenn du einmal so einen Bluthund auf deiner Fährte hast, dann war´s das.“

„Und wie wollt Ihr ihnen dann entkommen?“

„Das werd ich Euch zeigen.“, grinste Schakal. „Magenta, zieh deine Robe aus.“

„Wie bitte?“ Die Hexenmeisterin glaubte, sich verhört zu haben.

„Das Hemd kannst du anlassen, aber ich brauche noch deinen Unterrock. Stattdessen nimmst du die hier.“

Schakal warf Magenta eine Hose aus braunem Leder in den Schoß. Sie ging Magenta ungefähr bis zum Knie und war dafür um die Hüfte herum um einiges zu weit.

„Für wen ist die geschnitten?“, maulte die Hexenmeisterin, während sie versuchte das Gebilde mit einem Strick festzuzerren. „Für einen Zwerg? Oh…“

„Ich wäre dir verbunden, wenn du möglichst keine Löcher reinmachen würdest.“, entgegnete Schakal mit einem augenzwinkernden Lächeln. Dann begann er unter Magentas Protestgeschrei, ihren Unterrock in Streifen zu reißen „Und jetzt zu unserem langohrigen Freund. Beugt Euch mal runter, Ihr langes Elend. Hab schließlich keine Leiter dabei. So und so und jetzt hier noch und da einen Knoten. Fertig.“

Abbefaria betastete den Turban den der Zwerg ihm aus den Stoffstreifen um den Kopf gebunden hatte. Vermutlich sah er damit ziemlich lächerlich aus, doch seine langen Ohren waren so nicht mehr zu sehen.

„So und jetzt runter mit den Sachen und allem, was irgendwie wertvoll aussieht. Schmuck, Amulette, Waffen, Geldbörsen. Alles schön hier in den Rucksack. Und dann macht euch mal ein bisschen schmutzig. Vor allem diesen auffälligen, violetten Hautton solltet Ihr nach Möglichkeit loswerden, Herr Nachtelf. Und wenn Ihr dann vielleicht auch noch diese kleidsamen Fesseln anlegen würdet? Ihr sollt schließlich aussehen, als wärt ihr welche von den Sklaven, die hier im Steinbruch arbeiten.“

„Und was bist dann du?“, wollte Magenta wissen, während sie sich ein bisschen zögerlich mit dem schwarzen Staub einrieb, der hier alles bedeckte.

„Na euer Aufseher.“, grinste Schakal und begann, die schwarze Krume zunächst mit Fett zu vermischen und sich dann großzügig auf Gesicht und Händen zu verteilen. Bald lugten nur noch seine Augen weiß aus dem Gesicht hervor, während der Rest aussah wie eine frischgepresste Kohle. Zum Abschluss setzte er sich eine Brille auf die Nase, deren dunkelgetönte Gläser seine Augen verbargen.

„Hab ich mir eigentlich mal gegen die Sonne machen lassen.“, erklärte er auf Magentas Nachfrage. „Macht sich hier unten eigentlich nicht so gut, aber die Dunkeleisenzwerge haben so merkwürdig glühende Augen. Ein Geschenk ihres Wohltäters Ragnaros. Da ich damit nicht dienen kann, muss eben die dunkle Brille her.“

Der Zwerg verstaute ihre Habseligkeiten hinter einem großen Felsbrocken und türmte noch ein paar Steine darüber. Dann klatschte er unternehmungslustig in die Hände.

„Also los. Versuchen wir mal, ob wir diesem Dunkeleisen-Abschaum nicht ein Schnippchen schlagen können.“
 

„Das ist eine selten dämliche Idee.“, zischte Abbefaria, während er und Magenta eine herrenlos herumstehende Lore mit Steinen und Geröll beluden. „Wir werden sofort damit auffliegen. Und dann haben wir nicht einmal Waffen.“

„Wir brauchen auch keine Waffen.“, wisperte Magenta zurück. „Wir setzen uns dann eben einfach mit Magie zur Wehr. Außerdem glaube ich nicht, dass uns irgendwelche Waffen etwas nutzen werden, wenn die erst mal entdecken, wer wir sind.“

„Ruhe da und keine Müdigkeit vorschützen, ihr faulen Hunde!“, bellte Schakal und ließ eine Peitsche, die er einem der anderen Aufseher abgenommen hatte, haarscharf über ihren Köpfen knallen.

„Für meinen Geschmack genießt er seine Rolle etwas zu sehr.“, knirschte Abbefaria, machte sich dann aber daran, den schweren Waggon in Bewegung zu setzen. Auf dem unebenen Gelände ging das schwerer als gedacht und schon bald keuchten die beiden Sklaven genauso wie alle anderen, die um sie herum unter den strengen Augen der Aufseher Steine und Bodenschätze aus dem Fels gruben. Glücklicherweise achtete aber tatsächlich niemand auf die beiden und ihren Aufseher, so dass sie sich unbehelligt immer tiefer in den Berg bewegten.
 

Sie konnten bereits das Ende des Steinbruchs erkennen, als hinter ihnen auf einmal eine seltsam fauchende Stimme etwas in einer fremden Sprache rief. Keiner der drei reagierte auf das Geräusch und es wiederholte sich. Magenta wollte sich gerade neugierig herumdrehen, als die alarmierte Stimme ihres Wichtels durch ihren Kopf schallte.

Das ist Kalimag! Die Sprache der Elementarwesen.

Voller dunkler Vorahnungen wendete Magenta den Kopf und entdeckte einen riesigen Feuerelementar, der wie eine brennende Wand hinter Schakal aufragte. Inzwischen hatte anscheinend auch der Zwerg mitbekommen, dass er gemeint war. Mit einem pflichtschuldigen Lächeln drehte er sich zu dem Feuerwesen herum und neigte ehrerbietig den Kopf.

„Wie meinen?“

Was sagt er? , dachte Magenta verzweifelt.

Keine Ahnung! Seh ich vielleicht aus wie ein Elementar?

Aber du hast doch gesagt…

Nur weil ich die Sprache erkenne, kenne ich sie doch noch lange nicht. Aber was kann er schon groß wollen? Biete ihm halt ein Stück Kohle an, da fahren die voll drauf ab.

Magenta verdrehte die Augen. Na schlimmer kann es ja nicht mehr werden.

Sie griff in die Lore und angelte nach einem der schwarzen Brocken, die sich darin befanden. Hoffentlich habe ich keinen Stein erwischt. Die Hitze des Feuerwesens wurde stärker, als sie vortrat und Schakal die Kohle in die Hand drückte.

„Gib sie ihm.“, wisperte sie tonlos.

Schakal überlegte nicht lange und machte erneut eine Verbeugung. „Wenn ich Euch etwas anbieten könnte.“

Die rudimentären Züge des Elementarwesens verzogen sich, während es erneut sprach. „Ich dachte schon, Ihr wolltet Euch mir widersetzen, Zwerg. Und es ist nicht klug sich Übermeister Pyron zu widersetzen. Und jetzt zeigt her!“

Die feurige Klaue des Wesens griff nach der Kohle und ließ das schwarze Stück in Pyrons brennendem Schlund verschwinden. Ein wohliges Geräusch wie das Aufprasseln eines gemütlichen Kaminfeuers war zu hören.

„Guuut.“, zischelte die Kreatur. „Lord Incendius wird sehr zufrieden damit sein. Seht zu, dass die Lieferung zügig in die Schmieden gelangt.“

„Sehr wohl…äh… Übermeister Pyron.“, antwortete Schakal.

Der Zwerg verneigte sich noch einmal und ließ dann die Peitsche knallen. „Los, ihr faulen Hunde, auf in die…äh…Schmieden.“

Magenta und Abbefaria wollte schon anfangen zu schieben, als Übermeister Pyron sie erneut anhielt.

„Wartet einen Augenblick.“, säuselte das Flammenwesen und trat auf Magenta zu. Die brennenden Augen bohrten sich förmlich in die Hexenmeisterin und diese hielt den Blick krampfhaft gesenkt. Die Rolle des verängstigten Sklavens fiel ihr in diesem Moment nicht besonders schwer.

„Diese hier schein magische Talente zu besitzen. Verhörmeisterin Gerstahn wäre vielleicht an ihr interessiert.“

Der Feuerelementar winkte einer Wache der Dunkeleisenzwerge. „Du da. Bring diese Menschenfrau in den Gefängnisblock zur Verhörmeisterin.“

Die Wache salutierte. „Zu Befehl, Übermeister Pyron.“

„Äh, das ist doch nicht nötig.“, stammelte Schakal. „Ich werde sie selbst hinbringen. Wollte doch eh zu den Schmieden. Ist ja kein Umweg.“

„Genau genommen ist es ein Umweg.“, antwortete die Dunkeleisenwache. Je länger Magenta den fremden Zwerg musterte, desto lächerlicher kam ihr Schakals Verkleidung vor. Der dunkelhäutige Zwerg war ein merkliches Stück größer als Schakal und seine Gestalt war weniger gedrungen. Jetzt verengten sich seine eigenartig glühenden Augen, während er Schakal und die Sklaven näher ins Auge fasste. Gerade, als er seinen Mund öffnete, um etwas zu sagen, erklang hinter Magenta ein animalischer Aufschrei gefolgt von einem gewaltigen Scheppern und dem Kollern loser Steine.

„Was zum…“, schnappte die Dunkeleisenwache und brüllte im gleichen Atemzug: „Alarm! Aufstand! Wachen zu mir!“

Abbefaria, der seine Ketten abgestreift und die schwere Lore umgeworfen hatte, wich leichtfüßig einem Schwertstreich des Dunkeleisenzwergs aus und versetzte ihm im Gegenzug einen Stoß, der den Zwerg haltlos auf den Rücken fallen ließ. Danach begann der Nachtelf damit, die heranstürmenden Zwerge mit Gesteinsbrocken zu bewerfen. Dabei tobte und wütete er wie toll und veranstaltete ein Heidenspektakel.

„Jetzt hab ich aber genug von dir!“, rief Schakal erbost, schnappte sich eine der umherliegenden Schaufeln und zog sie dem Nachtelfen über den bandagierten Schädel. Magenta unterdrückte einen Aufschrei, als Abbefaria wie ein gefällter Baum zu Boden ging und sich nicht mehr rührte. Das Ganze hatte nicht mehr als ein paar Augenblicke gedauert.
 

„Gut gemacht, Zwerg.“, lobte Übermeister Pyron Schakal, der immer noch mit der Schaufel in der Hand dastand und versuchte, unverdächtig auszusehen. „Du weißt, wie man rebellische Sklaven im Schach hält. Aber trotzdem hätte es nie so weit kommen dürfen. Bring die beiden in den Gefängnisblock. Ihr anderen holt Euch Arbeiter, die das hier aufräumen. Ich dulde keinen Ungehorsam in meinem Steinbruch!“

„Sehr wohl, Übermeister Pyron.“, antwortete Schakal und trat dem bewusstlosen Abbefaria in die Seite. „Also los, Schlafmütze, beweg dich.“ Und wie durch ein Wunder fing der Gefallene just in diesem Moment an, wieder zu sich zu kommen, rappelte sich auf und ließ sich scheinbar reumütig zusammen mit Magenta in Richtung Gefängnisblock abführen.
 

Als sie außer Hörweite der andere Zwerge waren, zischte Magenta: „Ihr zwei habt mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt, wisst ihr das eigentlich?“

Zwerg und Nachtelf sahen einander an und grinsten.

„Nun ja, wir mussten improvisieren um nicht aufzufallen.“, erklärte Abbefaria mit einem Achselzucken.

„Obwohl es mich ja schon gejuckt hat, Euch die Schaufel wirklich um die langen Ohren zu hauen.“, kicherte Schakal und drohte dem Nachtelfen spielerisch mit dem Zeigefinger. „Ihr habt Glück, dass ich so schnell geschaltet habe.“

„Genau darauf habe ich vertraut, Freund Zwerg.“, gab Abbefaria mit einer Verbeugung zurück.

„Und wie finden wir jetzt Marschall Windsor?“, brachte Magenta den eigentlichen Grund ihres Abenteuers zur Sprache.

„Nun, wir werden eben einfach die Zellen absuchen müssen.“, meinte Schakal mit einem Blick auf die steinernen Hallen, die vor ihnen lagen. „Ich meine, so viele Zellen wird es hier unten schon nicht geben.“
 


 


 

„Sie ist zu spät.“

Easygoing lief bereits seit Stunden Furchen in den weichen Untergrund des Un’goro Kraters. Er und seine zwei Freunde hatten die Morgennebel aufsteigen und vergehen sehen, die Sonne hatte ihren Zenit überschritten und neigte sich inzwischen schon deutlich dem Horizont entgegen, doch immer noch war keine Spur von Emanuelle zu sehen.

„Beruhige dich, sie wird auftauchen.“, antwortete Ceredrian. Der Priester hatte sich im Schatten eines Baums niedergelassen und fächelte sich mit einem großen Blatt Luft zu. „Im Übrigen wird sie nicht schneller kommen, wenn du den ganzen Krater zusammenbrüllst. Außerdem machst du mich mit deinem Herumgelaufe ganz wahnsinnig. Also setz dich endlich hin und halt die Klappe.“

Der Druide bedachte den Priester mit einem funkensprühenden Blick und fuhr fort, den Untergrund platt zu stampfen. Ceredrian seufzte lautlos. Manchmal war es eine Strafe, einer von den Guten zu sein, denn andernfalls hätte sich sein Cousin schneller auf dem Hosenboden wiedergefunden, als ihm lieb gewesen wäre. Aber man durfte es nicht übertreiben.

„Sie kommt.“ Deadlyone war wie üblich aus dem Nichts erschienen und lungerte jetzt auf einem halb verrotteten Baumstumpf herum.

Easygoing blieb abrupt stehen. „Wo? Ich sehe nichts.“

„Dann hör halt richtig hin.“, kicherte der Schurke. „Oder hast du deine Ohren nur, damit du mir ähnlicher siehst.“

„Witzbold.“, knurrte Easygoing, schloss die Augen und richtete seine Ohren auf den Weg aus, auf dem Emanuelle ankommen musste. Erst vernahm er nur die Geräusche des Urwalds, doch dann mischte sich zunehmend ein mechanisches Hämmern und Klopfen darunter. Das Geräusch von Metall auf Metall wurde immer wieder von kleineren Explosionen unterbrochen, die die Nachtsäbler, die ebenfalls in den Schatten lagerten, nervös mit den Schwänzen zucken ließen. Ein leichtes Lächeln schmuggelte sich auf Easygoings Lippen.

„Ja, ohne Zweifel, das ist sie. Unmögliche Gnomen-Person!“

„Mein Reden.“, stimmte Deadlyone zu. „Ich bin gespannt, mit was für einer Scheußlichkeit sie uns diesmal wieder beehrt.“
 

Wie sich herausstellte, war die Gnomin ebenso froh, die Nachtelfen zu sehen, wie andersherum. Allerdings aus anderen Grüden.

„Verflixte Goblin-Technologie.“, schimpfte die kleine Magierin anstatt einer Begrüßung und gab der Maschine, auf der sie angekommen war, einen kräftigen Tritt. „Dieses Monster wäre beinahe mein Tod gewesen. Nehmt doch mein Motorrad, hat er gesagt. Wenn ich nicht wüsste, dass wir auf derselben Seite stehen, würde ich ja vermuten, er wollte mich schlichtweg umbringen. Hallo allerseits!“

Emanuelle schob die Brille von ihren Augen nach oben und grinste die Nachtelfen vom Sitz eines höchsteigentümlichen Gefährts an. Im Gegensatz zu dem mechanischen Vogel, mit dem sie sonst unterwegs war, ähnelte das Motorrad nichts, was die Nachtelfen schon einmal gesehen hatten. Der Fahrer saß auf einer Art Sessel hinter dem ein großes, brummendes, blubberndens Fass angebracht war, in dem es immer wieder leise knallte. Schwarzer Rauch stieg aus einem Rohr in dem Fass auf. Vorne gab es einen Haltegriff, mit dem das Gefährt anscheinend gesteuert wurde. Dazu besaß das stinkende Ding drei Räder, die sich jetzt tief in den Morastboden eingruben.

„Wusst ich´s doch.“, konstatierte Emanuelle, als sie es bemerkte. „Für hier völlig ungeeignet. Und in der Wüste musste ich ständig Sand aus dem Getriebe puhlen und aufpassen, dass mir der Antrieb nicht heiß läuft. Man sollte doch meinen, dass Goblins wenigstens bei ihren Fortbewegungsmitteln mal auf unnötige Risiken verzichten. Aber nein, Hauptsache es stinkt und macht jede Menge Krach. Dass einem der Kram jederzeit um die Ohren fliegen kann, ist ja völlig egal.“

„Ich entnehme Euren Worten, dass es dieses Gefährt war, das Euch auf Eurem Weg aufgehalten hat?“, fragte Ceredrian höflich.

„Und ob es das hat.“, schimpfte Emanuelle und kletterte vom Rücken des Dings. „Aber als ich gemerkt habe, dass das Dampfdruckventil nicht ausgereift ist und die hintere Federmuffe nicht über einen Staubschutz verfügt, war es bereits zu spät um umzukehren. Außerdem waren da auch gerade ein paar sehr unfreundliche Oger hinter mir her. Die dachten wohl, nur weil ich mal kurz durch ihr Lager gedüst bin, können sie einen auf Anhalter machen. Aber ohne mich. Hab denen ein paar Pyroschläge um die Ohren gefeuert und dann Vollgas gegeben.“

„Klingt aufregend.“, antwortete Ceredrian pflichtschuldig.

„Oger hin, Motorrad her…habt ihr den Köder mitgebracht?“, beendete Easygoing die Konversation rüde. „Wir sind schließlich nicht zum Spaß hier.

„Oh ja.“, erwiderte Emanuelle. „Alchemist Pestlezugg war mit unserer Duftdrüse zufrieden und zusammen mit ein paar weiteren Zutaten und der Erde aus dem Krater braute er mir das hier zusammen.“

Emanuelle fischte eine bauchige Flasche aus ihrem Gepäck. Der Inhalt war eine ölige, grüne Flüssigkeit, deren eigenartiges Leuchten noch anhielt, als das Licht der Sonne schon nicht mehr darauf fiel.

„Und was machen wir jetzt damit?“, wollte Deadlyone wissen. „An einem der Eingänge auskippen und warten, dass die Königin herauskommt?“

„Ich wünschte, es wäre so einfach.“, seufzte Emanuelle. „Alchemist Pestlezugg hat gemeint, wir müssten sicherstellen, dass das Signal die Königin auch erreicht, bevor seine Wirkung verfliegt. Dazu müssten wir einen der Resonanzkirstalle finden, die die Silithiden seinen Forschungen zufolge für eine bauweite Kommunikation benutzen. Jeder Bau hat mindestens einen und er sagte, dass sie sich meist in der Nähe der Bruststätten befinden. Vermutlich, um Eindringlinge in diesen Bereich möglichst schnell und effektiv bekämpfen zu können. Wenn wir den Lockstoff dort benutzen, wird die Königin mit ihren Wachen auftauchen. Wir töten sie und entfernen ihr Gehirn.“

„Ich mach das diesmal aber nicht.“, ließ sich Ceredrian vernehmen.

„Ja, ich weiß, das klingt eklig.“, sagte Emanuelle. „Aber durch die Untersuchung des Gehirns können wir herausfinden, ob die Silithiden von irgendeiner bösen Macht geleitet werden. Obwohl ich mir nicht vorstellen mag, was so etwas Heimtückisches wie die Silithiden kontrollieren könnte.“

„Vielleicht könntet ihr mal aufhören, den Nachtsäbler von hinten aufzuzäumen.“, knurrte Easygoing ungehalten. „Erst mal müssen wir zu dem Silithidenbau oder, besser gesagt, hinein gelangen, dann müssen wir die Wachen besiegen, die mit Sicherheit die stärksten Kämpfer des gesamten Volkes sind, und schlussendlich noch die Königin besiegen. Und dann können wir uns Gedanken darüber machen, wer den Insektenschädel knacken muss. Verstanden?“

Die übrigens Drei nickten gehorsam.

„Schön, dann lasst uns aufbrechen.“ Sein Blick blieb an Emanuelle hängen. „Ihr solltet nicht auf dieser lärmenden Maschine mit uns reisen.“

„Oh das hatte ich auch nicht vor.“, zwitscherte Emanuelle. „Ich hatte das Ding ohnehin nur ausgeborgt, um Rosa nicht noch einmal die Reise durch die Wüste zuzumuten. Jetzt wollte ich eigentlich mit Euch reiten.“

Easygoing ignorierte das Kichern, das irgendwo aus Deadlyones Richtung kam. Mit stoischem Gesichtsausdruck rutsche er im Sattel seines Nachtsäblers nach hinten. Emanuelle grinste und sprang mit einem einzigen Satz auf den Rücken der großen Katze. Dort richtete sie sich gemütlich ein und strahlte in die Runde.

„Von mir aus kann´s losgehen.“

„Vorwärts!“, rief Easygoing. „Treten wir ein paar Käfern in den gepanzerten Hintern.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2012-01-19T03:30:18+00:00 19.01.2012 04:30
Tut mir leid, dass ich so lange nichts mehr von mir hab hören lassen *Asche über mein Haupt streu* Hatte einfach irgendwie viel Stress.

Das Kapi hat viel spaß gemacht beim Lesen ;) Ich freu mich schon darauf, die anderen nachzuholen^^ (wenngleich es wohl nicht mehr jetzt sein wird, mein Bettchen wartet :D )
Von:  MilliBee
2011-05-01T14:21:36+00:00 01.05.2011 16:21
Huhu!
Habe jetzt endlich auch mal in deiner Geschichte herumgestöbert und muss sagen, dass du mit einen hervorragenden Schreibstil die ganzen (zum Teil in Wirklichkeit ja doch arg langweiligen) Quests ausgesprochen amüsant und originell erzählst. Gefällt mir gut!
Weiter so!
Kreative Grüße
Milli

Von:  darkfiredragon
2011-04-25T10:00:36+00:00 25.04.2011 12:00
Ach ja, das war ein geniales Osterei, hat wie immer mega Spaß gemacht zu lesen. Schön dass Schakal auch mal wieder mit von der Partie ist, das macht die ganze Sache doch nochmal lustiger^^
Ich freue mich aufs nächste Kapi und würde auch wieder länger warten wenns denn nötig ist^^


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