Tycker om när du tar pa mej von Lady_Kuromitsu (Ich mag es, wenn du mich anfasst [DenSwe]) ================================================================================ Kapitel 1: o1. -------------- Hej hej! + So. Wage ich mich hiermit also an eine Hetalia-FF. Öfters mal was Neues, oder wie war das? Im Großen und Ganzen kam mir die Idee durch meine unglaubliche Sehnsucht nach Schweden. Ein Land, in das es mich schon seit Jahren zurückzieht. + Zudem ist mein Leben mittlerweile ziemlich international geworden - ein Wunsch, den ich lange hatte. Man lernt viel, wenn man sein Leben mit Menschen teilt, die in vollkommen anderen Gegenden der Welt aufgewachsen sind. Über sich, das eigene Land - und natürlich die eigene Sprache. + Eine besondere Herausforderung und speziellen Spaß bereitet es mir, Mathias' mangelnde Schwedischkenntnisse deutlich zu machen. Wenn ich linguistisch korrekt bleiben wollen würde, würde die Sache noch anders aussehen - aber hier geht's ja um die Freude am Schreiben und Lesen, also wayne. ;) Ich bemühe mich um Authenzität, 'nuff said. + Ich weiß, dass Dänemark keinen offiziellen Namen hat, aber mir ist der Name Mathias in sehr vielen englischen FFs begegnet. Bleiben wir mal dabei. Genug der Worte: Ha det så kul! & viel Spaß. Teil 01 Erstaunlich, wie man sich im Rhytmus der Musik verlieren konnte. Wie die einzelnen Beats sich tief ins Gedächtnis gruben, die intensivsten von ihnen dabei sogar das Kurzzeitgedächtnis zu überdauern vermochten. Die Menschen tanzten alles weg. Die Nacht, Leid, Freude, Schmerz, Liebe. Berwald hatte nichts davon. Der 21-jährige stand abseits, beobachtete das wilde Treiben vom Rande aus. Jede Woche der selbe Anblick im Club G, eine der angesagtesten Szeneadressen hier in Stockholm. Jeden Samstag der selbe Anblick, bekannte Beats, vertraute Gesichter, die gleichen Getränke. Manchmal wurde er angesprochen, manchmal nicht. Es gab wenig Abwechslung. Das Leben verlor sich zwischen den Beats, die die Zeit wie Herzschläge abzählten. Berwald nippte an seinem Drink. Er vertrug viel wie die meisten seiner Landsleute, und heute war es einer dieser Samstage, an denen er seinen starken Magen aufs Äußerste verfluchte. Kein warmes Gefühl stellte sich in ihm ein. In Schweden war Alkohol fast unbezahlbar teuer. Es fiel ihm allgemein schwer, locker zu werden und den Moment zu genießen, aber er hätte es gerade gerne gekonnt. Aus der Ferne sah er Marie und Marina, ein befreundetes Pärchen, denen er hier des öfteren über den Weg lief. Doch heute Nacht verspürte er nicht das Verlangen, sich auf eine Konversation oder gar einen Tanz mit den beiden blonden Schwedinnen einzulassen. Nein, auch sonst war es sicherlich kein Verlangen. Höchstens pure Verzweiflung. Er mochte die beiden wirklich gerne, aber heute Abend waren sie nicht die Gesellschaft, die er sich erhofft hatte. Er zog es vor, den Gedanken zu verdrängen. Stattdessen schloss er die Augen, leerte sein Glas mit einem Zug und lehnte sich gegen die Wand hinter ihm. Es mochte zwei Uhr sein. Allzu lange würde der Club ohnehin nicht mehr geöffnet sein. Mit einem Mal fühlte er sich alt und erschöpft - vielleicht sollte er sich langsam auf den Heimweg machen. Die große Annomalie, die Ausnahme, auf die der 21-jährige jede Woche so beharrlich wartete, war ja doch wieder nicht eingetreten. Er seufzte und stellte das leere Glas an der Bar ab. Ihn trennte nur noch eine Horde extatischer, glücklicher Tänzer vom Ausgang. Time to go. Der blonde Stockholmer watete durch das Körpermeer. Keine große Herausforderung, bei seiner stattlichen Statur. Es waren nur noch wenige Meter Meer zu durchschwimmen, als ihn jemand ungeschickt und grob am Handgelenk packte. Ganz schönes Gewicht zog an seinem Arm. Der Besitzer der Hand musste gestolpert sein und in Ermangelung einer anderen Hilfe nach dem nächstbesten Arm gelangt haben. Aus Reflex stämmte Berwald sich gegen das Gewicht und zog den Unbekannten hoch. Das Menschenmeer teilte sich leicht, und zum Vorschein kam der Fang der Nacht. Zerstrubbelte, vermutlich dunkelblonde Haare, schwarzes Hemd und um den Hals eine dünne Kette mit rotem Anhänger. Ein junger Mann. Der aus dem Meer Gefischte grinste unbeholfen und hinterließ bei Berwald den Eindruck einer sehr angetrunkenen Gestalt. "Hej!" Sein Handgelenk wurde in die Freiheit entlassen und Berwalds Gegenüber lachte großzügig. "Unskyld!" Nun war es an dem Schweden, kurzzeitig einen geistig nicht ganz klaren Eindruck zu erwecken. Es dauerte einen Moment, bis der Groschen fiel. Er hatte sich einen Dänen geangelt. Offenbar war dem Kleineren auch klar geworden, dass er die falsche Sprache benutzt hatte, denn er verbesserte sich säuselnd. "Ah, sorry. Das passiert immer wieder." Sein Schwedisch hatte eine kräftige, dunkle Einfärbung, und der Klang berührte Berwald. Kurz war der Beat aus seinem Kopf gewichen - doch dann besann er sich wieder darauf, dass er ja eigentlich hatte gehen wollen. Nun wusste er nicht, wie er reagieren sollte, denn der Däne lächelte ihn beinahe schon provokant an. Um nicht zu sagen, unmissverständlich. Die Entscheidung wurde ihm allerdings abgenommen, denn jetzt war es an dem Dänen, unsanfte Bekanntschaft mit den Körpern neben sich zu machen. Es war keine gute Idee, mitten auf der Tanzfläche stehenzubleiben, und das wurde ihm durch unsanftes Anrempeln nur allzu deutlich gezeigt. Der Däne stolperte erneut. Zu offensichtlich, dass er bereits mehr als genug Alkohol im Blut hatte. Berwald wollte ihn schon erneut hochziehen, doch der namenlose Fang hielt sein Gleichgewicht bemerkenswerterweise von alleine, drehte sich genervt um und begann damit, den Rempler auf eine unfeine, dänische Art zu beleidigen. Davon ging Berwald jedenfalls aus. Seine Dänischkenntnisse reichten bei weitem nicht, um zu verstehen, was gesagt wurde - aber es war mehr als eindeutig, dass es keineswegs freundlicher Natur war. Er hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Es war besser, es nicht auf einen Streit ankommenzulassen, und er hatte den Club ja ohnehin verlassen wollen. Kurzerhand und ohne große Worte zu verlieren angelte er erneut nach dem Dänen, packte ihn am Hemd und zog ihn mit sich aus der Menge heraus. Er spürte leichten Widerstand, doch der Kleinere hatte definitiv genug für heute Nacht. "Hej hej! Let go of me! Loslassen!" Der Däne zappelte lebhaft und relativ energisch, doch Berwald leistete der Aufforderung erst Folge, als sie bereits bei der Garderobe angekommen waren. Er räusperte sich und versuchte, möglichst langsam und deutlich zu sprechen. Anscheinend verstand sein Gegenüber ja Schwedisch - und wenn es so nicht ging, würde er sich eben mit Englisch behelfen müssen. "Du hast genug. Besser, du gehst ins Bett." Ob der Alkohol nun doch Wirkung zeigte? Oder war das das Werk seiner sozialen Ader? Der 21-jährige wusste nur, dass es ungewöhnlich für ihn war, solche Schritte zu gehen. Es war nicht seine Art, andere zu belehren. Doch er hätte den betrunkenen Ausländer unmöglich dort zurücklassen können. "Nej, ich will feiern." Wortlos ließ Berwald sich seinen Mantel geben, marineblau und gut gefüttert. Es war Oktober, und Schweden war nicht gerade für warme Winter bekannt. Ein Seuftzen entfuhr ihm. "Du bist betrunken." Über das Gesicht des Dänen huschte ein Strahlen. "Ich bin Mathias!" Schön. Sehr schön. Die Dame von der Garderobe neben ihm konnte ihr Lachen kurzzeitig nicht unterdrücken. Völkerverständigung war doch etwas Wunderbares. "Gut. Dann gib der Dame hier deine Garderobenmarke, Mathias. Bitte." Im Augenblick wäre er wirklich viel lieber zu Hause und bereits im Bett. Wäre er doch früher gegangen... Andererseits war der Kleine ja schon niedlich, und ihm war wohler, dass er sich ihm für den Moment annahm, als dass es irgendein anderer tat. Für ihn war die Nacht gelaufen, aber für andere hatte sie gerade erst begonnen. Mathias schwankte, doch begann tatsächlich, in seinen Taschen nach dem richtigen Zettel mit der Nummer seiner Jacke zu suchen. Einen Augenblick später hielt er ihn triumphierend zwischen zwei Fingern und reichte ihm der wartenden Frau. Ein paar andere Partygänger, die sich ebenfalls auf den Heimweg gemacht hatten, drängten sich an ihnen vorbei. Der Bass der Musik erreichte in dumpfer, abgeschwächter Form ihre Ohren. Berwald ließ Mathias nicht aus den Augen, was dieser bemerkte und mit einem weiteren Grinsen quittierte. "Du bist sweet." Manchmal kam es vor, dass er angesprochen wurde, manchmal nicht. Aber niemals bekam der junge Schwede so etwas zu hören. Auch von Betrunkenen nicht. Hastig schob er seine Brille zurecht um einen Grund zu haben, nicht sofort auf die Aussage reagieren zu müssen. Erneut rettete ihn perfektes Timing vor einer unangenehmen Entscheidung. Im richtigen Moment drückte die Garderobendame Mathias seine Jacke in die Hände - rotes Leder, sportlich geschnitten. Einer der Ärmel war mit einem Schal ausgestopft. Berwald war dankbar, dass er dem Dänen nicht dabei helfen musste, sie anzuziehen. Als sie beide zum Gehen bereit waren, hatte der Kleinere bereits vergessen, dass er etwas irritierendes zu dem Größeren gesagt hatte. Zumindest hoffte Berwald das, und von Mathias' Seite aus kam keine weitere Anspielung mehr. Die eisige, vertraute Nachtluft schlug ihnen entgegen. Vor ihnen bildeten sich Miniaturwolken, sobald sie exhalierten. Kurz schloss der Schwede die Augen und atmete tief durch. Vertrautes, schönes, wunderschönes Stockholm. Du gamla, du fria. Du Alter, du Freier. Er liebte seine Heimat, und trotz all der Internationalität, die Stockholm bereithielt, hatte er noch nie einen Dänen in den Clubs getroffen. Was Mathias wohl hier machte? Er warf dem jungen Mann einen Blick zu. Dieser fummelte umständlich an seinem Schal herum und sah beim Licht der Laternen noch angetrunkener und müder aus, als er es unten im Club bereits getan hatte. Und attraktiver. Zwar besaß er durchaus bereits erwachsene Züge, doch schimmerte noch viel von dem Jugendlichen durch, der er einmal gewesen sein musste. Wie alt er wohl war? Berwald bereute es, dass er nicht der Typ für kurze Abendteuer war. Mathias saß aus, als wäre er heute Nacht leicht für Spaß gehabt zu wesen... Aber das war einfach nicht seins. Verdammt, er musste dringend ins Bett. Hastig schlug er alle Gedanken aus seinem mentalen Weg. "Wohnst du weit weg?" "Mh?" Mathias hob den Kopf und sah ihn mit kristallklaren Augen an. "Ich rufe ein Taxi. Du?" Berwald schüttelte den Kopf. Er konnte von Slussen aus fahren, die U-Bahnstation ganz in der Nähe. Von da aus musste er nur einmal am Hauptbahnhof umsteigen und würde seine Wohnung im Stadtteil Kungsholmen leicht erreichen. "Ich nehme die T-Bana." "Schade." Mathias verzog das Gesicht; offensichtlich hatte er sich wirklich mehr von der ungewöhnlichen Begegnung erhofft. Zugegeben, alleine rein optisch war er ja schon sein Typ, aber Berwald würde seine Situation jetzt sicherlich nicht ausnutzen. "Kann ich dein Mobiltelefon benutzen?", brach es plötzlich aus dem Dänen heraus. Berwald runzelte die Stirn. "Hast du kein eigenes?" "Nej. Ich habe noch nicht einen schwedischen Vertrag." Er lachte ausgelassen und rieb sich den Kopf. Irgendwie war der sehr merkwürdige Akzent des Kleineren wirklich faszinierend. Anziehend. Wahrscheinlich war er zu nett, doch Berwald griff nachgiebig, wenngleich auch unwillig, in seine Manteltasche, zog das Handy hervor und reichte es Mathias. Dieser schien zu wissen, welche Nummer er zu wählen hatte, und keine fünf Sekunden später hatte er sich von seinem Gönner abgewandt, um unverständlich in das Telefon zu sprechen. Berwald unterdrückte ein Gähnen und sah auf seine Uhr. Er musste sich beeilen, die nächste Bahn fuhr schon bald. Nicht, dass er es bereute, dem Dänen geholfen zu haben. Ganz und gar nicht. Vielleicht wäre er nüchtern sogar noch sympathischer als betrunken. Wahrscheinlich würde er nicht die Chance bekommen, das herauszufinden. "Okeey! Ich werde abgeholt. Tack tack. Ich schulde dir was." Mathias lächelte - ein ziemlich verführerisches Lächeln, oder war das nur seine Müdigkeit? - und mehr als glücklich und deutete hinter sich die Straße hinab. Erneut wurde deutlich, dass er gerade alles andere als klar im Kopf war. Aber was dann kam, hatte selbst Berwald nicht kommen sehen. Der Däne beugte sich hoch und küsste ihn - immer noch lächelnd - flüchtig auf den Mund. "See you!" Mit diesen Worten drehte er sich um, lief in Schlangenlinien davon und verschwand in der Nacht. Der Geküsste blieb perplex stehen. Erst, als weitere Menschen den Club G an ihm vorbei verließen, wurde er wieder in die Realität geholt. Er ließ sich zu leicht aus dem Konzept bringen. Müde und verwirrt über sich und den Abend trugen ihn seine Füße Richtung Slussen. Nach wie vor perplex wartete er auf die Bahn, die kurz nach seinem Eintreffen einfuhr. Er starrte aus dem Fenster. Hätte er Mathias vielleicht seine Nummer geben sollen? Immerhin, wenn er sich nicht missverständlich ausgedrückt hatte und sich noch einen schwedischen Vertrag holen wollte, hieß das ja vielleicht... Verdammt! Das Handy! Berwald hätte sich ohrfeigen können. Irgendwo in Stockholm hatte er nicht nur einen anziehenden Mann und den Fang der Nacht, sondern auch sein Handy verloren. Kein gutes Ende für den Abend. Natürlich war er selber Schuld, aber es frustrierte ihn trotzdem oder gerade deswegen ungemein. Nun konnte er sich morgen überlegen, wie er an sein Handy herankam. Wunderbar. Aber vielleicht hatte das ja auch einen Vorteil... Er war frustriert, wütend und vorallem ziemlich aufgeregt. Kapitel 2: o2. -------------- Nach zwei turbulenten Wochen geht es nun also weiter mit der Story. Ich möchte mich bei den zwei Kommentatorinnen bedanken! Ehrlich gesagt hatte ich nicht wirklich mit Kommentaren gerechnet, da zählt jedes umso mehr. Ich würde mich freuen, wenn ich euch mit der Story weiterhin zufriedenstellen kann. Haltet euch nicht mit konstruktivem Feedback zurück! Viel Spaß mit Teil 2. Teil 02 Als er wach wurde, war es bereits Nachmittag. Verschlafen drehte Berwald sich herum, sodass sein Blick auf das große Fenster vor ihm gerichtet war. Noch versperrten ihm schwere Vorhänge die Sicht, doch allein der Ausblick auf das Meer, den er von hier aus hatte, war ihm die überteuerte Miete wert gewesen. Der 21-jährige räkelte sich und zog die Decke enger um seinen Körper. Der Schatten der vergangenen Nacht lag noch über ihm, und er war sich nicht sicher, ob er ihn abschütteln wollte. Als erstes musste er jedenfalls versuchen, sein Handy zurückzubekommen. Er konnte nach wie vor nicht fassen, dass er so perplex gewesen war, als dass er es komplett vergessen hatte. Aber hey, er wurde eben nicht jeden Tag einfach so geküsst. Auch nicht von Betrunkenen. Trotzdem war es ungemein ärgerlich. Unwillig, die Dinge so stehen zu lassen, tastete der junge Stockholmer auf dem Nachttisch nach seiner Brille, setzte sie auf und sah klarer. Immerhin würde es so nicht bei der einen Begegnung mit Mathias bleiben. Vorausgesetzt, er war in der Lage, ihn zu erreichen. Und auch, wenn er sich nicht sicher war, ob er mit dem anscheinend recht extrovertierten Mann überhaupt zurechtkommen würde. Das musste er einfach herausfinden. In ihm drängte alles darauf. Berwald konnte nur hoffen, dass Mathias ihm das Handy nicht bewusst geklaut hatte. So viel war ihm das Mobiltelefon nicht wert, als dass er deswegen einen Papierkrieg bei der Polizei angezettelt hätte, aber es hätte seinen Ärger vergrößert. Der Schwede stand auf, zog die Vorhänge beiseite und genoss kurz den Anblick des Wassers. Stockholm bedeutete für ihn vorallem den Zugang zum Meer. Einen Ort, an dem der junge Mann sich immer heimisch fühlen würde. Er liebte die Stadt und ihr buntes Treiben sehr, all der unfassbaren Hektik zum Trotz - doch ohne eine Wohnung mit Meerblick hätte er sich hier wahrscheinlich nicht dauerhaft niedergelassen. Er wandt sich beinahe widerstrebend ab, zog sich an und versuchte, Kontakt mit Mathias aufzunehmen. Immerhin konnte er sich ja vom Festznetz aus selber anrufen. Er ließ es klingeln. Einmal, zwei Mal, drei Mal. Nichts passierte. Niemand hob ab. Kein gutes Zeichen. Vielleicht schlief der Däne einfach nur seinen Rausch aus. Er würde es später erneut probieren. Doch auch alle weiteren Versuche blieben erfolglos. Als Berwald sich am nächsten Morgen auf den Weg ins Büro machte, hatte er nach wie vor keine Ahnung, wo in dieser Stadt sein Handy samt Entführer abgeblieben sein könnten. Lange hatte er überlegt, ob er das Telefon sperren lassen sollte. Wenn Mathias es mit Absicht entwendet hatte, hatte er leichtes Spiel, die Rechnung des eigentlichen Besitzers in unschöne Höhen zu treiben. Aber er verbaute sich damit vielleicht die Chance, ihn noch irgendwie zu erreichen. Wenn er bis morgen nichts von ihm hören würde, würde er bei seinem Handyanbieter anrufen. Er war einfach zu nett für diese Welt. Immerhin besaß er noch seine Wertgegenstände... Was den Verlust nicht minder katastrophal machte. Eigentlich studierte Berwald Architektur, doch zur Zeit absolvierte er ein Pflichtpraktikum. Das Büro, in dem er arbeitete, beschäftigte sich neben Innenarchitektur auch mit dem Design des Interrieurs - etwas, wofür der 21-jährige schon früh ein Auge gehabt hatte. Als er noch zur Schule gegangen war, hatte er hier bereits einmal gearbeitet. Vielleicht, so hoffte er, konnte er nach dem Studium hier fest angestellt werden. Das war sein heimlicher Wunsch; wie die Chancen dazu standen, wusste er allerdings noch nicht. Als er das Büro betrat, war er froh, ins Warme zu kommen. In Südschweden war es in dieser Jahreszeit selbst in den wenigen Stunden, die mit Sonnenlicht geflutet waren, überaus kalt. Er konnte sich schon glücklich schätzen, das es nicht geschneit hatte. Das Büro bestach vorallem durch skandinavische Schlichtheit. Blau dominierte; ein Umstand, der den privaten Geschmack Berwalds sehr gut traf. Der Eingangsraum war mit Abstand der größte. Hier befanden sich mehrere Schreibtische, die alles andere als steif im Raum angeordnet waren. Dazu ein modischer Kleiderständer und eine elegante Couch mit Samtbezug. Eine Tür am Ende des Raums führte auf einen Flur, der das Bad, die Küche und das Büro ihres Chefs, Lars, mit dem Rest verband. Berwalds Kollegen, Leif und Thomas, saßen bereits an ihren PCs. Berwald nickte ihnen zu und grüßte die Runde allgemein, bevor er sich seines Mantels und Schals entledigte und den eigenen Computer hochfuhr. Das erste Praktikum hatte sich äußerst bezahlt gemacht; denn so war es ihm dieses Mal gestattet, weitaus eigenständiger zu arbeiten. Der Geruch von frisch gekochtem Kaffee erfüllte das Büro. Göttlich. Der junge Schwede hätte nun selber gut eine Tasse vertragen können, doch er zog es vor erst einmal seine Emails zu checken. Für die insgesamt sechs Monate, die er hier verbrachte, hatte er eine eigene Firmenadresse bekommen, die er von zu Hause aus nicht abrufen konnte. Er rieb sich die Schläfen. Gedanklich anwesend war das Letzte, was man von ihm gerade behaupten konnte. Irgendwie musste er an sein Handy rankommen. Oder sich noch heute Abend zumindest einen Ersatz besorgen. Nicht die Lösung, die er persönlich anstrebte. Vorerst aber musste er das Thema wohl fallen lassen. Andere wären in seiner Situation sicherlich forscher gewesen, doch das war einfach nicht seine Art. Die Arbeit ging vor und er wollte Mathias wirklich nicht unterstellen, das Handy mit Absicht mitgehen lassen zu haben. Er ergab sich also in sein Schicksal und erwartete nichts außer den üblichen Emails, die er jeden Montag Morgen vorfand. Etwas Werbung und ein oder zwei Aufträge, die Lars persönlich für ihn ausgewählt und an ihn weitergeleitet hatte. Nichts außergewöhnliches. Dieses Mal aber fand er doch etwas, was nicht so recht in den Rahmen passen wollte. Der Absender war unbekannt, sah aber keineswegs nach Spam oder Spyware aus. Und der Betreff ließ sein Herz für eine Sekunde lang stillstehen. 'Handy & Kaffee' Hastig klickte Berwald die Mail an, und siehe da - offenbar hatte er eine Sorge weniger. Hej hej, wie geht's? Hier ist Mathias. I don't need to ask if you remember me, right? Sorry wegen dein Handy. ): I was way TOO drunk on Saturday. Aber du hast mir sehr geholfen. Ich möchte mich bedanken und dir das Handy wiedergeben. Lust auf Kaffee? Ich möchte dich sehen. Sag wann! Take care, Mathias Woher auch immer der Däne ausgerechnet diese Emailadresse hatte... Sie war absolut unbekannt. Berwald googelte probehalber danach, aber fündig wurde er nicht. Dann hatte er wahrscheinlich sein Handy durchsucht... Aber gut, immerhin war er damit nicht in der Versenkung verschwunden. Auch, wenn selbst der nüchterne Mathias wohl äußerst direkt war. Etwas, was Berwald so gar nicht gewöhnt war. Er selber war alles andere als ein Mann großer Worte und bekannt für seine eher nordisch-kühle Art. Nicht gefühlskalt, sondern schlicht und ergreifend sehr zurückhaltend. Die Email überforderte ihn. Was sollte er dazu sagen? Sein Handy wollte und brauchte er auf jedenfall wieder. Und ja. Prinzipiell war er auch offen dafür, Mathias wiederzusehen. Wo der Däne ihm schon nicht aus dem Kopf ging und eine derartige Begegnung sicher nicht so schnell wiederkommen würde. Ohne weiter darüber nachzudenken, klickte er auf 'Beantworten' und schrieb Mathias zurück; darauf bedacht, seine Sätze möglichst simpel und unmissverständlich zu halten. Da er nicht wusste, was der junge Mann tagsüber trieb oder wie gut er sich in Stockholm überhaupt auskannte, überließ er es ihm, Treff- und Zeitpunkt festzulegen. Diese Sache nun vorerst abgeharkt konnte er sich jetzt zumindest auf seine Arbeit konzentrieren. Die Stunden flogen vorbei. Zwischendurch organisierte sich Berwald zunächst Kaffee und später Mittagessen, wechselte ein paar Worte mit seinen Kollegen und sah zu, dass er seine Aufträge ordentlich bearbeitete. Doch davon einmal abgesehen verstrich der Tag ohne sein großes Zutun. Ehe er sich versah war es bereits kurz vor Büroschluss. Seinem Posteingang hatte er bis jetzt keine weitere Beachtung mehr geschenkt, doch nun warf er als letzte Amtshandlung des Tages noch einen Blick hinein. Er versuchte, sich keine allzu großen Hoffnungen zu machen - was war er denn überhaupt so dermaßen unruhig wegen dieser Sache? Wahrscheinlich war Mathias bei Licht betrachtet doch ohnehin nicht sein Typ. Doch ganz abschalten konnte er diese Erwartung in ihm nicht. Immerhin - seine Bitte war nicht unerhört geblieben. Eine neue Nachricht wartete auf ihn, und der Absender war die gewünschte dänische Person. Hej! Danke für die Antwort :) Kannst du heute um sieben Uhr in Wayne's Coffee sein? Ich will nach der Uni da hin. Komm bitte, wenn du kannst. See you! Aha. Also war er ebenfalls Student. Interessant zu wissen. Dann waren sie wahrscheinlich wirklich etwa gleich alt. Zudem bedeutete das, dass Mathias zumindest ansatzweise mehr Intellekt besitzen musste, als man ihm am Wochenende hatte anmerken können. Berwald war alles andere als oberflächlich. Natürlich war Mathias rein optisch eine absolute Augenfreude gewesen, aber letztendlich entschied sein Charakter darüber, ob sie in Kontakt bleiben würden. Er beschloss, Feierabend zu machen und sich kurz zu Hause umzuziehen, ehe er sich auf den Weg zu seiner Verabredung machen würde. Date! Er hatte ein Date. Da half nur noch tiefes Durchatmen auf dem Weg zur Garderobe. Der junge Stockholmer zog sich seinen Mantel über, als Lars hinter ihm auftauchte. Sein Chef lächelte. "Na, du scheinst mir ja heute eine gute Laune zu haben." Oh Gott, war das so offensichtlich? Der Angesprochene konnte nur perplex nicken. Er fühlte sich ertappt, um es vorsichtig auszudrücken. "Na, dann sieh mal zu, dass du die beibehälst!" Lars klopfte ihm zustimmend auf die Schultern. "Einen schönen Abend wünsche ich dir noch. Bis morgen!" Ja, der Ältere war definitiv ein sehr guter Vorgesetzter. Aber manchmal wäre es Berwald entschieden lieber gewesen, wenn dem nicht so wäre. Peinlich. Eilig machte er sich auf den Nachhauseweg, ohne zu registrieren, dass auch seine Kollegen verschwörerische Blicke austauschten. Es kam zu selten vor, dass man erahnen konnte, was im Kopf des Stockholmers vor sich ging, als dass man seine Laune heute hätte ignorieren können. Aber das war nichts, wovon Berwald wusste. Zu Hause angekommen hätte er liebend gerne noch schnell geduscht. Aber keine Chance, die Zeit lief ihm auch so schon davon. Die Gefahr war zu groß, dass Mathias früh wieder gehen würde, wenn er sich nicht blicken ließ. Wegen des Dates alleine machte er sich nicht so viel Stress, aber das Handy... Oder war es im Grunde doch die bevorstehende Begegnung, die ihn so hastig werden ließ? Okay. Er wollte den Dänen wiedersehen. Und wie er das wollte. Verdammt seien all seine Gefühle. Aber wie auch immer der Beweggrund geartet sein mochte: Er musste los, und das ohne zu duschen. Immerhin blieb Zeit für einen eiligen Kleidungswechsel. Im Bad betrachtete er sich im Spiegel. Schwarze Hose, dunkelblaues Hemd, darunter ein schwarzes T-Shirt und eine dünne Kette. Modisch und elegant zugleich. Der 21-jährige schnappte sich Schlüssel und Portemonee und verließ die Wohnung wieder, um keine halbe Stunde später in die Nähe des Treffpunkts zu kommen. Wayne's Coffee war nicht allzu weit vom Hauptbahnhof entfernt. In diesem Stadtteil und zu dieser Uhrzeit waren die Straßen belebt. Draußen war es bereits seit einigen Stunden dunkel, und das bunte Menschengewirr fand im Angesicht von Mondlicht und künstlichem Schein statt. Um ihn herum wurden die unterschiedlichsten Sprachen gesprochen. Oftmals Schwedisch in den verschiedensten Dialekten und Einfärbungen, doch auch Englisch, Türkisch und allerlei, was er beim besten Willen gerade nicht zu identifizieren vermochte. Dazu war er zu sehr von seiner Verabredung abgelenkt. Berwald brauchte etwas, um zu Wayne's zu kommen, doch schließlich gelang ihm der Durchbruch aus der Menge in die Freiheit des Ladens hinein. Der Tatsache zum Trotz, dass es hier ebenfalls an Überfüllung nicht mangelte, hatte er ihn sofort erspäht. Mathias saß auf einem bequemen Sessel im hinteren Teil und schien die Tür kaum aus den Augen gelassen zu haben. Ihre Blicke trafen sich sofort. Berwald lief ein angenehm-eiskalter Schauer über den Rücken. Er lockerte seinen Schal und ging auf den Dänen zu. Kapitel 3: o3. -------------- Hejsan! Und weiter geht's mit Teil Nummer drei. Ich hatte erst etwas Angst, dass es sich am Ende wie ein Füllkapitel lesen könnte, doch eigentlich finde ich - nach einiger Überarbeitung ;D - dass es an Relevanz gewonnen hat und nun vollkommen in Ordnung ist. Und hurra - es geht auf Weihnachten zu. Ich genieße den restlichen Abend jetzt mit Vanillekerzen und Gewürztee. Vi ses! Teil o3. Mathias hatte es sich bereits sichtlich bequem gemacht. Der junge Däne hatte seinen schwarzen Mantel, den er heute offensichtlich trug, über die Rückenlehne seines Sessels gelegt. Ein rostroter Rollkragenpullover bekleidete seinen Oberkörper. Schlicht, aber die Qualität des Kleidungsstückes sprach Bände. Hier hatte jemand definitiv nicht an seiner Garderobe gespart. Ein selbstbewusstes Lächeln umspielte die Lippen des Dänen. Als Berwald bei ihm ankam, erhob er sich und umarmte den Neuankömmling etwas zu kräftig für dessen Geschmack. Es war bereits ungewöhnlich genug, dass Mathias schon jetzt auf Tuchfühlung ging. Skandinavier waren nicht gerade für Körperkontakt bekannt – wobei er zugeben musste, dass man in Schweden gerne und viel umarmte. Begrüßungen, Aufmunterungen, freundschaftliche Zustimmungen. Anlässe dazu gab es genug. Trotzdem war der Griff des Ausländers forscher als jene, die Berwald gewöhnt war. Doch wirklich gestört, nein... Wirklich gestört hatte es ihn nicht. Mathias roch gut. Nach exklusivem Eau de Toilette. Vielleicht war es auch das Aftershave. Und nach salziger Meeresluft. „Hej! Gosh, I'm sorry about the mobile. Wanna drink something?“ Mathias behielt sein breites Lächeln bei, mit dem er seinen schwedischen Gesprächspartner maßlos überforderte. Er war wirklich nicht so gut darin, offen auf fremde Leute zuzugehen. Um der sofortigen Antwort auszuweichen, räusperte er sich verhalten und legte erst einmal seinen Mantel inklusive Schal ab. Anschließend setzte er sich Mathias gegenüber. „Hej.“ Oh, wunderbar. Sollte er eigentlich auf Englisch oder auf Schwedisch reden? Aber eigentlich machte sein Gegenüber den Eindruck, als würde er sich bemerkbar machen, sollte er nicht mehr hinterher kommen. „Ist schon okay. Ich hatte ja auch nicht mehr daran gedacht. An das Handy, meine ich. Ein Kaffee wäre gut, ja...“ Er räusperte sich erneut. Egal, wie alt er werden würde, Berwald wusste, dass er niemals eine Auszeichnung für überragende rhetorische Leistungen bekommen würde. Er wusste ja selber, dass er schrecklich steif war, aber was sollte er machen? Meistens brauchte er ewig, bis er auftaute. Mathias schien das aber nicht zu stören. „Ein Kaffee? Verstanden.“ Der Däne stand auf, nach wie vor begleitet von seinem Lächeln, und war Richtung Kasse verschwunden. Eigentlich hätte Berwald sein Handy ja lieber sofort wieder in Empfang genommen, aber daraus wurde ja wohl offensichtlich nichts. Ein Grund, vorerst doch noch misstrauisch zu bleiben. Entweder, Mathias wollte ihn reinlegen, oder aber er brauchte einen Vorwand, damit der Schwede nicht direkt wieder verschwand. Konnte man nur hoffen, dass er diese Entscheidung nicht gleich bereuen musste. Als erlesenen Konversationspartner konnte man ihn ja schließlich kaum bezeichnen. Zwei Minuten später kehrte der Däne zurück und platzierte einen dampfenden Kaffee vor Berwald. Unschlüssig darüber, wie der Schwede sein Getränk wohl mochte, hatte er Zucker und Milch separat geholt. „Here we go. Und... hier.“ So schnell, wie das Misstrauen gekommen war, war es auch verschwunden. Mathias hatte in seine Hosentasche gegriffen und das vermisste Handy ans Tageslicht befördert. Nun lag es neben der Tasse Kaffe vor Berwald, der beinahe zögerlich danach griff. „Danke.“ Da er ja selber merkte, dass so kein Gespräch in Gang kommen würde, fügte er ohne große Pause hinzu: „Ich dachte schon, ich sehe es nicht mehr wieder.“ Kurzzeitig blickte Mathias ihn verdutzt an, ehe er sein Grinsen wiederfand. „Oh, you thought I ran off with it? Sweet.“ Ob er Probleme damit hatte, sich auszudrücken, oder ob ihn die indirekte Unterstellung doch mehr getroffen hatte, konnte Berwald nicht sagen. Er schien ihn allerdings gut zu verstehen, aber bei der Vermutung wollte er es lieber nicht belassen. „Du verstehst viel, richtig? „Ja, ich bin nur schlecht im Reden.“ Mathias lachte, als ob dieser Aspekt vollkommen irrelevant sei, und trank einen Schluck seines eigenen Kaffees. Immerhin war er nicht alleine, was das Reden anging. Wobei Mathias nur von mangelnden Sprachkenntnissen abgehalten wurde. „Wie lange bist du schon in Schweden?“, wollte Berwald wissen, erneut bemüht, keine allzu lange Pause aufkommen zu lassen. Dass er so viel redete, passte gar nicht zu ihm. Aber besser als peinliches Schweigen war es allemal. „Seit zwei Monaten?“, Mathias überdachte seine Aussage noch einmal, nickt dann aber. „Zwei Monate. Ich studiere hier und habe vorher eine Sprachschule besucht.“ Ahja, richtig. Sie waren beide Studenten. Berwald trank nun selber von seinem Kaffee, wobei er Mathias nicht aus den Augen lassen konnte. Auch bei Helligkeit betrachtet war er optisch sehr ansprechend. Um es zurückhaltend zu formulieren. Unter all den Männerbekanntschaften war er mit Abstand der Einschlägigste. Was verrückt war, denn sie kannten sich nicht. Er stellte seine Tasse ab. „Was studierst du?“ Der Ausdruck auf Mathias' Gesicht bekam etwas ernstes, wenn auch nur für Sekunden. „Nothing special. Actually, it's kinda... boring. Deswegen will ich nicht in Dänemark studieren. Das wäre noch mehr... you know, boring. Wie sagt man? Langweilig.“ „Langweiliger“, verbesserte Berwald reflexartig. Bevor er auch nur einen Moment Zeit hatte, über die Aussage des Blonden nachzudenken, ging dieser in die Offensive und stellte eine Gegenfrage. „What about you?“ „Mh?“ „Studierst du?“ „Ja, Architektur. Auch hier in Stockholm.“ „Oh, sounds very... Technisch?“ Es weckte den Anschein, als wäre das nicht wirklich in seinem Interesse. Was den Schweden nicht sonderlich verwunderte. Es fiel ihm schwer, sich den Blonden als Bücherwurm vorzustellen. Um nicht zu sagen, sehr schwer. „Ja, meistens ist es das. Zumindest im Studium. Aber es macht mir sehr viel Spaß.“ Während sie redeten konnte er den Blick nicht von Mathias lassen. Diese widerspenstige, zerstrubbelte Mähne. Diese ablenkenden, blauen Augen. Wild. Überwältigend. Dass er nicht herausbekommen hatte, was der Däne nun eigentlich genau studierte, hatte er bereits vergessen. „Am I that distracting?“ Der Angeschaute grinste provokant. Er hatte sich vorgebeugt, seine Ellenbogen auf den Tisch abgestützt und das Kinn auf die Handflächen abgelegt. Für Berwald kam die Situation sehr filmreif vor, doch das änderte nichts an ihrer Intensität. Irgendetwas, und das spürte er bereits sehr deutlich, zog ihn ungemein zu dem etwa Gleichaltrigen hin. Beängstigend, da gerade der Schwede solch innere emotionale Tumulte gar nicht gewohnt war. Er räusperte sich, verlegen beinahe, und trank hastig einige weitere Schlucke seines Kaffees, was ihm ein Lachen Mathias' einbrachte. „I take it as a yes. Süß.“ Okay, beinahe wäre der soeben getrunkene Kaffee brühwarm in Mathias' Gesicht gelandet. Äußerst ungern wollte er sich als süß abstempeln lassen, dafür war ihm seine Männlichkeit zu wichtig. Abgesehen von dieser Lächerlichkeit aber... Genoss er den offensichtlichen Flirtversuch. Mathias war gut darin. Vielleicht etwas zu gut sogar. Selbstbewusst hatte er es sich in seinem Sessel bequem gemacht. Berwald hätte ihn nur zu gerne gefragt, wie oft er schwedische Männer als süß betitelte, doch dazu reicht seine Courage nicht aus. Noch nicht, zumindest. „C'me on, don't be so shy! Or did I say something wrong?“ Jetzt schlich sich doch tatsächlich soetwas wie der Hauch einer Sorge auf das Gesicht des Dänen. Zeit, doch den Mund aufzumachen. „Nein. Gar nicht. Ich war nur... überrumpelt.“ „Überrumpelt?“ Mathias zog die Augenbrauen zusammen und blickte ihn sonderbar irritiert an. „Ja, weil... Das sagt man mir nicht oft.“ Herrlich. Er nuschelte wieder. Na wunderbar. Der Däne blinzelte ihn kurz an, doch dann schüttelte er den Kopf. „Nein, ich verstehe das Wort nicht.“ Oh. Auch gut. Darauf hätte er aber selber kommen können. „I was kind of... caught off-guard.“ Es war definitiv angenehmer, in einer Fremdsprache zu reden. Aber eigentlich wollte er damit gar nicht erst anfangen. Mathias konnte ruhig noch etwas Schwedisch bei ihm lernen. „Das ist gut.“ Allem Anschein nach war der Däne mit dieser Antwort mehr als zufriedengestellt, auch, wenn Berwald nicht direkt einleuchtete, warum. Vermutlich sah man ihm das Unverständnis an, denn Mathias ließ es nicht dabei bleiben. „Ich bin glücklich, weil ich nicht das Falsche gesagt habe.“ Es war niedlich, wie er sich bemühte, passende, korrekte Sätze mit seinem begrenzten Wortschatz zu formulieren. Kurz lächelte der Schwede unbewusst. „Du meinst, du freust dich, dass du nichts unpassendes gesagt hast.“ „Unpassendes?“ „Nichts Falsches. Inappropriate.“ „Das nächste Mal bringe ich ein Heft mit.“ Der ausländische Student lachte und kratzte sich am Kopf. Langsam fühlte es sich eher an wie ein Sprachtraining denn wie ein Date. Aber das störte den unfreiwilligen Lehrer nicht. Er gehörte ohnehin nicht zu der Sorte Mensch, die sich schnell hoffnungslos verrannten. Es war schon ungewöhnlich genug, dass er sich dermaßen zu Mathias hingezogen fühlte, obwohl sie sich kaum zwei Tage kannten. Ja, etwas in ihm war absolut auf den Dänen angesprungen. Seine Stimme, seine selbstbewusste Haltung. Das dunkelblonde, zerwühlte Haar und der Akzent, der ihn etwas unbeholfen wirken ließ. Er konnte wirklich nur hoffen, dass es nicht bei diesem einen Treffen bleiben würde. Doch dazu musste er sich erst einmal noch etwas mehr anstrengen. „Wann musst du morgen in die Uni?“, war deshalb die nächste Frage, die er stellte, um die Konversation am Laufen zu halten. „Nicht so früh. Um ein Uhr. Und du?“ „Ich mache im Moment ein Praktikum. Um acht Uhr muss ich im Büro sein.“ „Eww... Zu früh.“ Wieso passte es nur zu ihm, dass er Langschläfer war? Urplötzlich beugte der Däne sich zu ihm vor. „Aber du hast noch Zeit, oder? Ich möchte Stockholm heute Abend sehen. Mit dir.“ Die Schlichtheit seiner Formulierungen und der Umstand, dass er offenbar ohnehin selten ein Blatt vor den Mund nahm, machte die Botschaft umso eindringlicher. Berwald war für einen Augenblick wie versteinert, dann schluckte er schwer. Sein Herz klopfte heftig unter seinen Rippen. Mathias' blaue Augen stachen in seine Seele, machten ihn nervös, willenlos. Erst im zweiten Moment realisierte er, dass er langsam aber zustimmend nickte. Ja... Stockholm bei Nacht, in all seiner Schönheit. In all seiner Farbenpracht und Anmut. Mit Mathias zusammen. Er musste sich beherrschen, doch schien er seine Beherrschung bereits auf dem Weg zu Wayne's verloren zu haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)