L'Amour Immortel von abgemeldet ================================================================================ Prolog: Die Geburt eines Menschen. ---------------------------------- Paris, den 18. Juli im Jahre 1873 Die Stimmung im gesamten Haus war angespannt, einzelne Schreie zerrissen die Stille jedoch. Mit jedem Mal wurde der Schrei leiser und schwacher. Auf einmal war da nicht mehr der Schrei einer Frau, sondern eines Babys – eines glücklichen Babys. »Sie haben es geschafft, Mademoiselle!«, rief jemand und eine blonde Krankenschwester, die vor der Tür gespannt gewartet hatte, kam nun mit frischen Tüchern herein. Ihre Augen fixierten das Kind, das gerade in den Armen seiner erschöpften und schweißbedeckten Mutter einschlief. »Ein Junge!«, rief die Krankenschwester erfreut und nahm der Mutter ihren Kleinen ab, als sie sah, wie müde und erschöpft die arme Frau doch war. »Ein wunderschöner Junge …«, flüsterte sie erneut und wischte den Jungen sachte das Blut und den Schleim von seiner geröteten Haut. »Er sieht aus wie sein Vater …«, flüsterte die Frau im Bett und schloss ihre Lider. Die Krankenschwester sah von dem Kleinen auf und musterte die Frau. Sie hoffte inständig, sie würde wieder aufwachen. »Wie mein Jonathan …« Doch sie würde nicht aufwachen. Der Junge müsste ohne Eltern aufwachsen. Und nur sie konnte dieser armen Frau ihre Lebenskraft zurückgeben! Also übergab sie den kleinen Jungen seiner Hebamme, die dort weitermachte, wo sie aufgehört hatte, und lief zu der Frau. Sie kniete sich zu ihr hin, damit sie ihr in die halbgeöffneten Augen sehen konnte. »Jonathan ist ein schöner Name«, murmelte sie und lächelte die Frau an, die ihr Lächeln schwach erwiderte. »Sie sollten Ihren Jungen nach seinem Vater benennen, Miss«, schlug sie vor. »Eine wunderbare Vorstellung, meinen Jonathan aufwachsen zu sehen …«, flüsterte die Frau und streckte die Hand nach der jungen Krankenschwester aus. Diese umschloss die schwache Hand mit den ihren und schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, hatte die Frau ihre Augen geschlossen und lächelte seelenruhig. »Danke.« Die Krankenschwester verbeugte sich leicht und flüsterte ein »Ich danke Ihnen« ehe sie wieder aufstand und die Frau seelenruhig im Bett einschlief. Der junge Jonathan würde also doch eine Mutter haben! Kapitel 1: Zurück in Paris. --------------------------- Paris, den 3.Oktober.1895 Arcadia sah nach draußen. Es war noch recht früh, doch schon langsam schmolz der Tau auch schon wieder auf den Wiesen. Lächelnd streckte sie ihren Kopf nach draußen. Paris – die Stadt des Lebens und der Liebe. Hier hatte sie volle zweihundert Jahre ihres Lebens damit verbracht, die Menschen zu beobachten, wie sie die Welt Stück um Stück revolutionierten. Sie spielten mit der Welt herum, pflanzten Pflanzen und Gemüse et cetera an, und bekamen Kinder. Wie gerne wäre Arcadia doch ein Teil davon! Doch sie wusste, dass sie das nicht durfte. Die Menschen kamen auch so schon gut alleine zurecht. Ihr Fahrer redete gerade darüber, was er alles gehört hatte. »… Und dieser Edison!«, rief er und Arcadia bemerkte, wie er die Kutsche leicht beschleunigte. »Der Arme hat erst im letzten Jahr seine geliebte Frau Mary verloren, und jetzt kursieren schon Gerüchte herum, die besagen, dass er wieder heiraten und seinen drei Kindern eine gute Mutter geben will!« »Menschen leben und Menschen sterben«, entgegnete Arcadia und zuckte leicht mit den Schultern. Ihr war der Tod bekannt. Auch er hatte sie vor Jahrtausenden an den Füßen ins Reich der Toten geschleift – damals im Tempel … »Ja, das mag wohl sein«, murmelte der Fahrer vor ihr und riss sie aus den Gedanken. »Trotzdem ist es bedauerlich, dass Edisons drei Buben ohne Mutter aufwachsen müssen! Vor allem ist der Eine ja schon ein kleiner Rebell!« »Ich wette, Edisons zweite Ehe wird genauso harmonisch wie die mit Mary Stilwell …«, murmelte sie und musste lächeln als der Mann verwirrt schnaubte. »Woher wissen Sie das so genau, Mademoiselle?«, fragte er erstaunt fasziniert. Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es einfach, wissen Sie?«, entgegnete sie und sah wieder nach draußen. Sie waren fast da. Der Fahrer schwieg den restlichen Weg lang und dachte höchstwahrscheinlich darüber nach, woher diese komische junge Lady das alles wusste; doch das war Arcadia egal! Sie interessierte es nicht, was die Menschen von ihr hielten. »Wir sind da!«, rief der Fahrer und hielt die Kutsche an. Arcadia sah auf die Villa – ihr neues Zuhause. Es war weiß und hatte sogar einen Springbrunnen vor der Haustür; der Garten lag dahinter. Arcadia musste lächeln und stieg aus, nahm ihre zwei Lederkoffer von der Kutsche und achtete nicht auf den Fahrer, der sie verwirrt beäugte – normalerweise wurde eine Frau Arcadias Standes bedient, doch Arcadia wollte einfach nur in ihr neues Zuhause und sich in die Sonne legen. »Au revoir, Mademoiselle!«, rief der Fahrer, rückte seinen Hut zurecht und ließ die Pferde an der Kutsche aufwiehern. »Au revoir, Monsieur!«, erwiderte Arcadia höflich und erkannte eine Gestalt, die ihr die Tür öffnete als die Kutsche verschwunden war. »Bonjour, Madame«, sagte die Frau still und sah etwas ehrfürchtig auf den Boden. »Ich nehme Ihr Gepäck …« Als die Frau ihr die zwei braunen Lederkoffer abgenommen hatte, verschwand sie in einer Tür. Verwirrt sah Arcadia sich um. Das Haus sah aus wie ein weißer Schleier. Es gab einen Kamin, jedoch kein einziges Bild im ganzen Haus. Der Wohnraum hatte vier weiße Sofas, die einen Holztisch umkreisten. Das Schlafzimmer hatte eine ganze Sammlung von teurem Parfüm und Lippenstiften et cetera. Außerdem gab es einen großen Spiegel, der an der Wand lehnte, ein Bett und zwei schickverzierte Schränke. Als Arcadia sich alles angesehen hatte, ging sie zu der Frau, die damit beschäftigt war, ihre Kleider zu stapeln. Seufzend schüttelte sie den Kopf. »Ich sehe schon, mein Ruf eilt mir voraus …«, murmelte sie und sah sich im Raum um. Er war ziemlich dunkel; außer einer kleinen Glühlampe gab es kein Licht - geschweige denn ein Fenster! Die Frau wand sich verwirrt zu ihr um. An ihren Wangen waren einpaar Sommersprossen, und in ihren grünen Augen glänzte Ehrfurcht und Reue vor einem so mächtigen Wesen wie Arcadia. Ihr Haar war glänzend kastanienbraun, das ihr wie ein Schleier um ihr Gesicht und Schultern fiel. »Miss?«, fragte sie verwirrt. »Wie ist dein Name, ma chérie?«, fragte Arcadia mit einem Lächeln auf ihren vollen, rot geschminkten Lippen. »Mein Name ist … Katarina«, stotterte die Frau und erst jetzt viel Arcadia auf, dass sie einen leichten deutschen Akzent hatte. »Welch ein schöner Name …«, murmelte sie und zwinkerte Katarina zu. »Wir werden sicherlich gute Freunde, Katarina!« Sie deutete auf ein himmelblaues Stück Stoff, das Katarina gerade zusammenfalten wollte. »Ich gehe ein bisschen Spazieren. Würden Sie mir bitte mein Kleid geben?« Katarina stotterte etwas, nickte heftig und gab Arcadia mit zittrigen Fingern das Kleid. »Vielen Dank!«, sagte Arcadia, küsste die erstaunt keuchende Katarina auf jede Wange und lief die Holztreppe hoch in ihr Schlafgemach. Dort angekommen ließ sie sich auf ihr Seidenbett fallen und betrachtete das Kleid kritisch. Es zeigte ein kleines Dekolté, war aber sonst ein bisschen zu brav. Arcadia seufzte und knöpfte die Knöpfe ihres weißen Reisekleides, das sie gerade trug, auf. Als das weiße Kleid ausgebreitet auf dem Bett lag, zog sie das Andere an. Es war etwas unangenehm, weil es so eng an den Hüften anlag. »Brav …«, murmelte Arcadia leise und lachte kurz verächtlich auf – was aber viel mehr wie ein Keuchen klang. »Was tut man nicht alles um schön zu sein?« Als sie es fertig zurecht gezupft hatte, stand sie auf und stellte sich vor den Spiegel. Das Kleid zeigte einwenig ihrer Beine und mit den Absatzschuhen sah es aus, als würde sie gerade auf ein vornehmes Picknick gehen. Arcadia verzog ihr Gesicht zu einer Fratze und musste lachen. Manchmal benahm sie sich wirklich noch wie ein kleines Kind! Sie sah aus dem Fenster und dachte darüber nach, ob sie nicht doch einen Hut tragen sollte. Doch das Wetter war viel zu schön dafür und sie liebte die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut einfach viel zu sehr! »Katarina?«, rief sie nach unten. »Ich gehe jetzt! Mach dir noch einen schönen Tag und genieß das schöne Wetter!« Arcadia gefiel es, wie ihre Schönheit auf die Menschen wirkte. Sie hatte etwas reines an sich, das den Menschen sofort auffiel. Bis jetzt hatten sie drei Mädchen angesprochen und ihr für ihre Schönheit beglückwünscht, und ein staatlicher Gentleman hatte sie sogar gefragt, ob er ihr Paris zeigen könnte – doch sie hatte abgelehnt. Sie war nicht auf der Suche nach einem Geliebten; das würde sie nie sein! Arcadia lief in eine Gasse, die sie schon von früheren Besuchen kannte. Sie führte zu einer wunderschönen Wiese mit einer Bank und ohne jegliche Menschen. Ihr absoluter Lieblingsplatz in ganz Paris! Als sie dort angekommen war, war sie erstaunt, dass alles noch wie früher war: die Sonne kitzelte auf ihrer Haut, einpaar Bienen summten durch die Gegend und die Blumen blühten in jeder erdenklichen Farbe! Sie sog lächelnd und mit geschlossenen Lidern die Luft ein und setzte sich auf die Bank. Dieser Ort spiegelte ihre Reinheit im Herzen wieder … In ihrem Herz ruhte Liebe, die sie jedem gab, der sie brauchte. So war es immer und so würde es immer sein! Sie hatte kein eigenes Leben … Schon als Mensch nicht … »Wow.« Arcadia schrak aus ihren Gedanken und riss die Augen auf. Ihr Blick fiel auf einen Mann, der die Wiese mit stummem Erstaunen musterte. »Das ist wunderschön, finden Sie nicht auch?« »Verschwinden Sie!«, zischte Arcadia und wandte den Blick ab. Sie wollte allein sein! Doch irgendwas an diesem Menschen erinnerte sie an ihre Vergangenheit … also musterte sie ihn noch einmal. Er hatte haselnussbraune Haare, welche ihm als kurze Strähnen über die Schultern und Hals fielen. Seine Augen waren mattgrün und fixierten sie mit einem freundlichen Lächeln. Er trug eine Art Anzug, wirkte aber nicht besonders wohlhabend. »Habe ich Sie etwa gestört?«, fragte er und setzte sich neben sie auf die Bank. Er seufzte auf und sah in den Himmel. »Ja, bitte gehen Sie wieder«, brummte Arcadia und blickte starr auf eine Tulpe. Sie versuchten, den jungen Mann aus ihren Gedanken zu verbannen, doch es ging nicht. Er erinnerte sie zu sehr … »Ist das etwa Ihre Wiese?«, fragte er und sie sah ihn geschockt an. Anscheinend hatte er kein bisschen Benehmen! Er lächelte sie an, doch es sah viel zu sehr wie ein schelmisches Grinsen aus. Sie hätte ihn am liebsten geschlagen, aber sie wusste, dass das für jemanden wie sie unmöglich war! Sie seufzte und gab sich geschlagen. »Mein Name ist übrigens Jonathan«, sagte der Mann, der anscheinend Jonathan hieß, und sie erstarrte. Vor 22 Jahren war sie bei der Geburt genau diesen Mannes dabei gewesen … Sie konnte es einfach nicht glauben! »Jonathan?«, fragte sie verwirrt. »Jonathan Abrams?« Jetzt wirkte auch er verwirrt ehe er leicht nickte. »Ja, richtig …«, murmelte er. »Woher kennen Sie meinen Namen …?« Es stimmte also … wie verrückt! »Ich …«, stammelte sie und blinzelte verwirrt. »Ich … kannte Ihre Mutter Evangeline.« Etwas in seinen Augen blitzte auf, also fügte sie etwas besorgt hinzu: »Wie geht es ihr denn?« »Sie ist tot«, sagte Jonathan kurz und der Schmerz, den er ausstrahlte, brachte Arcadia schon fast dazu, ihm die Hand auf die Schulter zu legen – doch sie tat es nicht! »Übermorgen ist ihre Beerdigung … Sie können ja ruhig kommen, wenn Sie wollen!« Arcadia nickte und war genauso überrascht wie Jonathan, als sie ihm doch die Hand auf die Schulter legte. »Es tut mir wirklich Leid«, sagte sie leise. »Evangeline war ein wunderbarer Mensch.« Sie musste lächeln. »Ihre Liebe war schon fast ansteckend.« Dann zog sie ihre Hand zurück und Jonathan seufzte. »Ja …«, murmelte er gedankenverloren. »Ja, das war sie …« Arcadia stand auf. Sie konnte nicht reden, es war viel zu riskant! »Ich muss jetzt leider gehen«, sagte sie. »Aber ich werde bei der Beerdigung da sein!« Jonathan stand auch auf und lächelte leicht. »Das habe ich mir schon gedacht …«, murmelte er und legte den Kopf leicht schief. »Dürfte ich wenigstens noch Ihren Namen erfahren?«, fragte er und machte einen ganz leichten Schmollmund. Arcadia sah schüchtern auf den Boden. Sie wusste, dass er ihr nicht glauben würde, wenn sie die Wahrheit sagte, also murmelte sie: »Mein Name ist … Eva.« Jonathan lächelte und nickte leicht. »Au revoir, Eva.« Arcadia verbeugte sich leicht und lief mit gesenktem Kopf davon. Die Stadt der Liebe war ja so voller Geheimnisse … »Du machst das gut, Marie!«, sagte Arcadia mit einem Lächeln auf den Lippen. Der Hund – den Maria, Arcadias Schülerin, mit einem Spruch verhext hatte, sodass er sich nicht mehr bewegen konnte – sah sie mit großen, hilflosen Augen an und versuchte vergebens, zu bellen. Marie stand daneben und spielte nervös mit dem Stoff ihres rosa Kleides herum. Marie war ein nettes, jedoch schüchternes Mädchen, das eher einem Küken ähnelte als einer echten Hexe! Jedoch sah Arcadia ihr großes Potential – und außerdem mochte sie sie! Ihr Pony und die langen, blonden Haare bedeckten ihr Gesicht als sie beschämt auf den Hund sah. »Und jetzt …?« In ihrer Stimme klang Unsicherheit und Angst wider, die Arcadia zerfraßen. Sie lächelte Marie einfühlsam zu und streichelte den winselnden Hund. »So ein armes Tier …«, murmelte sie und legte den Kopf leicht schief ehe sie wieder Marie musterte. »Weißt du noch, wie du es rückgängig machen kannst?« Marie nickte schwach und schloss die Augen. Sie atmete tief ein und aus während Arcadia kritisch beobachtete. Mit einem Mal fing der Hund an zu bellen und rannte so schnell er konnte aus der Villa. Arcadia sah ihm seufzend hinterher als sie spürte, welcher Besuch auf sie wartete – sie hätte es ihm am liebsten gleich getan und wäre auch weggerannt. »Mademoiselle?« Katarina stand in der Tür und wirkte auf einmal nervös. Hinter ihr war ein riesiger Schatten. »Sie haben Besuch.« »Ich glaube, sie weiß schon, wer es ist!«, rief der Besucher und trat in den Raum – André, der Sohn des mächtigsten und ältesten Vampirs auf Erden! Er war noch recht jung für sein Aussehen, aber André hatte wahrscheinlich mehr Menschen und Hexen umgebracht als alle Vampire in ganz Paris! Er trug ein schwarzes Gewand und sein Haar war nass vom Regen. Auf seinen Lippen lag ein brutales Grinsen. »Marie, das ist genug für heute«, murmelte Arcadia und funkelte André kalt an. »Du gehst jetzt besser!« Marie nickte hektisch, verbeugte sich kurz und verschwand – ja, flüchtete sogar – aus dem Haus. »Au revoir!« »Auf Wiedersehen, kleines Hexchen …«, murmelte André und sah Marie mit einem Interesse nach, das Arcadia rasend machte. »Wie kannst du es wagen, mich zu stören, André?«, zischte sie und stand von ihrem Sessel auf. Sie trat André entgegen, der sie weiter beobachtete. »Ich habe ein Angebot für dich«, sagte er und sein Grinsen verschwand. Er wirkte hart und eiskalt – was er ja auch war! »Wenn du nicht willst, dass deine geliebten Hexchen ausgelöscht werden, solltest du es dir wenigstens anhören!« Arcadia knurrte ihn an, sagte aber nichts. Es gab viel zu viele Vampire in der Welt, alle höchstgefährlich und tödlich, und doch nur einpaar Mädchen und Jungen mit der Gabe, schwarze oder gute Magie zu benutzen! »Gut …«, sagte er und sie schlug seine Hand weg als er versuchte, ihr Kinn anzuheben. »Hast du eine Ahnung, wie wertvoll dein Blut doch ist, meine Schönheit …?« »Ich bin nicht deine Schönheit!«, zischte sie entgegen und mit einem Mal spielten ihre Augen verrückt. Sie wechselten ihre Farbe in kürze von Sekunden! – Eine dumme Nebenwirkung bei der Unsterblichkeit. »Und was ist mit diesem kleinen Menschen?«, fragte André mit einem warnenden Unterton. Arcadia musterte ihn verwirrt, wurde aber dann wieder hart. Er hatte sie also gesehen; was soll’s? André grinste plötzlich wieder. »Ist es nicht für eine Unsterbliche verboten, einen Geliebten zu haben?« Sie sah ihn empört an und sagte schnell: »Jonathan ist nicht mein Geliebter!« Sie hätte sic am liebsten geschlagen! André grinste weiterhin dieses perverse Grinsen. »Jonathan also …«, murmelte. »Du angelst dir einen Engländer? Und ich dachte, du magst den Akzent nicht …« »Hattest du nicht ein Angebot für mich?«, fragte sie um das Thema von Jonathan abzulenken. Sie zog ihre Augenbraue fragend in die Höhe. »Gut, ich mach’s kurz!«, sagte André seufzend und kam einen Schritt auf sie zu. »Gib uns dein Blut oder das hier wird ein Massaker!« Arcadia sah ihn geschockt an. Was hatte er da gerade gesagt?! Was zur Hölle wollte er von ihrem Blut?! Das war genug! Arcadias Krallen quetschten sich in Andrés Fleisch als sie ihn knurrend und Zähne fletschend an der Kehle nach oben hob, sodass er röchelte. Mit einpaar einfachen Zaubersprüchen ließ sie seinen Körper durch Schmerz beben und zusammenzucken. Immer und immer wieder. »Was sagst du da, du Wicht?!«, zischte sie ihn an und hätte ihn am liebsten in Stücke gerissen. So etwas Törichtes hatte sie noch nie in ihrem langen Leben gehört! »Niemand erpresst eine Unsterbliche ohne die Strafe dazu zu bekommen!« Auf einmal lachte André qualvoll auf. »Töte mich doch!«, sagte er grinsend. »Doch du weißt genau, was dann passiert …« Arcadia ließ ihn abrupt los und schleuderte ihn zur Tür. Sie wusste, dass sie ihn nicht töten konnte! Brachte sie nur einen Vampir eines so hohen Standes um, würde es Krieg geben – genau wie vor hundert Jahren … Arcadia schüttelte es und sie atmete tief und lange aus und ein. Aus und ein … »Verschwinde und komm nie wieder!«, sagte sie schließlich nach einer langen Zeit des Schweigens. »Verschwinde und komm nie wieder!«, sagte sie schließlich nach einer langen Zeit des Schweigens. André zuckte mit den Schulten und stand auf; Staub klebte an seiner Kleidung und ein kleines Blutrinnsal lief über sein Kinn. »Bevor du mir noch den schönen Teppich beschmutzt!«, fügte sie mit einem leichten schelmischen Grinsen hinzu und André wischte das Blutrinnsal ab. »Denk darüber nach«, sagte er noch ehe er die Tür mit einem lauten Knall schloss. Kapitel 2: Alte Freundinnen. ---------------------------- Jonathans Blick wanderte umher. Männer und Frauen aller Hautfarben, meistens schon mit Augenringen und Falten, liefen umher und redeten über ihn und seine Mutter. Aber keine Eva! Sie war auch nicht bei der Beerdigung gewesen und Jonathan wurde immer nervöser. Mit einem Mal hielt sein Herz an als jemand ihn auf die Schulter klopfte – hinter ihm stand Eva in den einzigen weißen Kleid im ganzen Raum! Sie lächelte ihn an ehe sie sich umsah. »Ich dachte schon, dir wäre etwas passiert!«, sagte er außer Atem und lächelte. »Ich musste noch etwas erledigen; es tut mir wirklich Leid!«, sagte sie und sah ihn entschuldigend an. Dann sah sie sich wieder um. »Sehe ich etwas so furchteinflößend aus?« Jonathan musste lachen und schüttelte den Kopf. »Nein, nein!«, murmelte er und funkelte die Leute an, die Eva wie ein Ungeheuer beäugten. »Es ist nur ziemlich komisch, dass du … weiß trägst!« »Weiß ist die wahre Farbe des Todes …«, murmelte Eva und sah zum Büffet. »Evangeline hätte sich im Grab umgedreht wenn sie gewusst hätte, was auf der Speisekarte bei ihrer Beerdigung steht!« Sie musste lächeln. Jonathan grinste leicht ehe er sich beschämt räusperte. »Woher kanntest du meine Mutter noch mal?« Eva zuckte zusammen ehe sie seufzte. »Ich habe sie … einmal getroffen, als sie spazierte.« Jonathan nickte stumm. Er wusste, dass sie gerade beide nicht über seine Mutter reden wollten. »Wollen wir nicht raus?«, fragte er stattdessen. »Das hier ist alles so deprimierend!« »Glaub mir, deine Mutter ist nicht weg«, sagte Eva mit einem Lächeln auf den Lippen, als sie hörte, wie traurig und tief gekränkt er klang. »Ja, das sagt jeder …«, murmelte er und sah seufzend auf den Boden. Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und er sah sie geschockt an. So viel Zuneigung war ungewöhnlich für das 19. Jahrhundert! »Ich kann sie sehen«, flüsterte sie und blickte starr durch den Raum ehe ihr Blick wieder Jonathans traf. In ihren Augen konnte man nur Liebe erkennen – wie immer! »Sie sagt, dass du ruhig öfters auf Beerdigungen gehen könntest!« Eva kicherte als sie seinen verwirrten Gesichtsausdruck wahrnahm. »Dir steht die Farbe Schwarz.« Beinahe wäre er rot geworden – aber auch zum Glück nur beinahe! »Und«, murmelte er, »was denkst du darüber? Steht mir Schwarz?« Abrupt zog sie ihre Hände zurück und wich einen Schritt zurück. Sie sah stumm auf den Boden. »Was ich denke, ist unwichtig …«, murmelte Eva und seufzte gekränkt auf. »Das ist nicht wahr!« Er drückte ihre Schulter leicht, die unter seiner Berührung zitterte. Er zwang seine Lippen zu einem warmherzigen Lächeln. »Du bist die … erstaunlichste Person, die ich kenne! Und ich glaube, ich kann noch viel von dir lernen.« »Lernen …«, wiederholte sie leise und kaum hörbar. Dann schüttelte sie den Kopf und schüttelte seine Hand ab. »Alle muss ich lieben … die Guten und die Schlechten. Das ist der einzige Grund, warum ich überhaupt noch auf dieser Erde weile … gefangen unter Menschen und bedroht von Untoten …« Ohne ein weiteres Wort verschwand sie und war wie vom Erdboden verschluckt! Arcadia rannte aus dem Gebäude – sie konnte die vielen Menschen einfach nicht ertragen! Ihre Fröhlichkeit machte Arcadia traurig, denn sie könnte nie so sein wie sie. Glücklich … Tief ein und aus atmend blieb sie in einer Gasse stehen und lehnte sich gegen die kalte und nasse Wand. Einpaar Ratten huschten an ihr vorbei; ihr Herzschlag pulsierte in Arcadias Kopf und ließ sie frösteln. »Harte Zeiten, was?« Arcadias Lider öffneten sich sofort wieder als sie die honigsanfte Stimme einer alten Freundin wahrnahm – Clara. »Was treibt dich nach Paris, Clara?«, fragte sie stattdessen und sah zum Ende der Gasse. Clara trug ein extrem enganliegendes und kurzes Kleid; ihre Absätze ließen das Wasser aufplatschen. Claras Mund war zu einem netten Lächeln geschwungen – eine rote Versuchung, der kein Mann widerstehen konnte. Ihr hochgestecktes braunes Haar machte ihr Portrait nur noch viel schöner. »Ich hörte, die Männer hier seien fast allesamt ledig«, scherzte sie und zwinkerte ihrer Freundin zu. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust, lächelte aber immer noch. »Und war ist mit dir?« Sie legte den Kopf leicht schief. Ihre kristallblauen Augen glänzten für eine Sekunde fast bedrohlich auf. »Was reizt dich so an dieser Stadt?« Noch ehe Arcadia antworten konnte, sprach Clara schon weiter. »Oder, nein! Ich weiß es doch schon!« Sie kam einen Schritt näher und Arcadia richtete sich wieder etwas auf. »Ist dein Gentleman wenigstens die Sünde wert, die du begehst?« Ihre Augen funkelten Arcadia an und stachen in sie wie Messerspitzen. Arcadia biss sich auf die Unterlippe. Allmählich wurde dieses Spiel nervig! »Waren es deine?«, fragte sie stattdessen um ihre Freundin anzustacheln. Clara war schon mehrfach verheiratet gewesen und war nicht ganz unschuldig daran, dass sie jetzt Witwe war – was sie natürlich ihren nächsten Ehemännern niemals erzählen würde! Clara lachte auf und zeigte ihre weißen Zähne. »Gewiss!«, antworte sie ehe sie enttäuscht seufzte. »Ich wünschte nur, ihre Liebe hätte mir gereicht. Aber du weißt ja selbst, wie schwierig es ist, die große Liebe zu begegnen!« Arcadia seufzte auch auf. »Das wird mir nie passieren …«, murmelte sie und blickte auf den Boden. »Vergewissere dich besser, ob es nicht schon passiert ist!«, meinte Clara leise. Arcadia sah sie geschockt an, doch sie zwinkerte ihr nur zu und verschwand wieder in der Dunkelheit. Einige Sekunden verstrichen ehe Arcadia jemanden hörte. Sie presste sich nur noch fester an die Wand. »Eva!«, rief Jonathan und kam der Gasse immer näher. Sie wollte nicht mit ihm reden. Die letzten Worte ihrer Freundin hatten sie besorgt – sehr besorgt! Was wäre, wenn sie sich verlieben würde? Oder wenn sie sich schon verliebt hatte? Sie wollte keinen Geliebten; das war wirklich das Letzte, was sie in ihrem Leben dulden würde! Also, warum ging sie dann nicht einfach weg? Jonathan wusste nicht, wo sie wohnte, und ihren richtigen Namen hatte sie auch nicht genannt … »Eva, was machst du denn da?« Arcadia zuckte zusammen als etwas Kaltes ihren Arm traf und festhielt. »Geht es dir nicht gut?« »Bitte …«, flüsterte sie, ihre Unterlippe bebte vor Angst. »Geh einfach … und lass mich in Ruhe …« Jonathan hob ihr Kinn an und zwang sie, in seine besorgten Augen zu blicken. »Habe ich etwas Falsches gesagt?« Arcadia hätte am liebsten losgelacht, doch dann schüttelte sie doch nur den Kopf. »Nein, nein …«, murmelte sie. »Du hast gar nichts getan!« »Wieso bist du dann so aufgebracht?«, fragte er weiter und zwang sie, sich nur noch fester gegen die Wand zu pressen. »Ich werde jetzt gehen«, sagte sie und setzte mal wieder die Fassade der wunderschönen Eisprinzessin auf. »Und du … Sie werden mich nicht aufhalten!« Sie schüttelte langsam den Kopf. »Ich bin nicht menschlich«, murmelte sie in einem kalten Ton. »Ich war es einmal – vor langer Zeit! Doch nichts wird mein Herz wieder zum Schlagen bringen … Noch nicht einmal du!« Jonathan blinzelte verwirrt, wich jedoch leicht zurück. »Ich … verstehe nicht …« Erleichtert atmete Arcadia auf und machte einen Schritt nach vorn – um ihn auf die Wange zu küssen. »Es war dumm von mir, hierher zu kommen und Sie in Gefahr zu bringen«, antwortete sie kühl. »Auf Wiedersehen, Monsieur Abrams.« Jonathan sah ihr verwirrt hinterher als sie in der Dunkelheit verschwand. Kapitel 3: Frischfleisch. ------------------------- Der Raum platzte beinahe schon vor sexueller Spannung und Rauch – viel Rauch! André sah sich belustigt um. Hierher kamen wohlwollende Männer, die es satt hatten, der Gentleman zu sein. Es gab Betten, auf denen wahrscheinlich schon mehr Kinder gezeugt worden waren, als in dem Bett Andrés Vaters. Bei dem Gedanken musste André hämisch grinsen. Sein Vater hatte schon viele Nachkommen gehabt, jedoch hatten nur André und sein Halbbruder Raoul überlebt. Vampirkinder waren ja so verletzlich! Die Mutter musste eine starke Menschenfrau sein, die jedoch trotz all ihren guten Vorraussetzungen als Mutter sterben würde, und nicht gerade schmerzempfindlich. Denn die Geburt eines Vampirs war das Schlimmste, was man einer Frau antun konnte – und dann waren Vampirkinder auch immer so verdammt hässlich! Das Phantom der Oper wäre nichts gegen ein lebendiges Vampirkind. Keine Nase, wässrige Augen, blasse Haut, die hin und wieder abfiel, und – das Schlimmste – Gestank! Wie verfaulte Eier oder eine ein Jahr alte Leiche. Aber zum Glück starben die meisten schon nach einigen Stunden – entweder sie würden platzen oder ihre Haut würde so sehr abfallen, dass sie nur noch aus Knochen beständen! Doch nach dem ersten Tag wären die Neugeborenen dann wirkliche Unsterbliche. André schüttelte es leicht als er sich vorstellen musste, wie wohl er ausgesehen haben musste. Er fuhr sich durch die schwarzen Haare und sah sich weiter um. Einige betrunkene Männer sangen irgendein Volkslied: »So komm, meine Schönheit! Zeig mir deine Bierkrüge und ich werde so gehorsam sein wie ein Hündchen!« Die Szene wirkte wie ein Wettbewerb – wer am lautesten Grölen konnte und gleichzeitig sein Bier am weitesten verschütten konnte! Lächerlich! Er war nicht hergekommen um sich voll zu dröhnen – sein Hunger brachte ihn um den Verstand! Seine Fangzähne waren ausgefahren und seine Augen so dunkel wie die Nacht – was zum Glück bei dem dunklem Licht nicht auffiel! Der Hunger nahm ihm die Sicht, vernebelte seine Sinne, und ließ die Menschen wie rote Strichmännchen aussehen. Aber am Schlimmsten war immer noch das Kribbeln auf seiner Haut, so als würde er jeden Moment in Stücke zerrissen werden. Es war einfach unerträglich, dieser Hunger! Mit einem Mal drückte etwas Schweres auf seine Schulter und er blickte in traurige, smaragdgrüne Augen. »So ein edler Gentleman …«, girrte die Frau und zeigte ihre Zähne. Sofort wurde der Schmerz schlimmer. »Soll ich Ihnen Gesellschaft leisten?« »Ich bin kein besonderer Menschenfan«, murmelte André und drehte sich zu der Frau um. Sie schwankte leicht und musste sich an ihm stützen. Etwas belustigt musterte er sie. »Aber du riechst einfach zu gut, meine Liebe!« Die Frau lächelte zufrieden und ließ ihre braunen Haare nach hinten fallen. Ihr Kleid war schon etwas schmutzig, jedoch trotzdem fast genauso grün wie ihre Augen, und hatte einen tiefen Ausschnitt. Sie war zierlich und wirkte wie ein Mensch, der seine Trauer und Probleme in Sex und Alkohol ertrank. Normalerweise trank er nicht von Dirnen, doch dieses Mädchen hatte eine Unschuld an sich, die ihn faszinierte. Prüfend strich er ihr über die heiße Wange. Er konnte mit den Fingerspitzen das Pochen des Blutes unter ihrer Haut erfühlen und ließ die Hand etwas schmerzerfüllt wieder sinken. »Was treibt dich in eine Gasse wie diese?«, fragte er und machte sich gar nicht die Mühe, das Nuscheln in seiner Stimme zu vertuschen. Das Siezen ließ er auch sein – er war kein Gentleman; er war ein Monster! Und ein Monster konnte tun und lassen, was es wollte! Zuerst schrak die Frau zurück, schüttelte dann jedoch verführerisch lächelnd den Kopf. »Das Gleiche, was dich hierher führt«, flüsterte sie und strich über seinen Arm. »Lust, Liebe und Leidenschaft.« André lachte kurz auf und hielt ihre Hand, mit der sie ihn mit ihren pulsierenden Adern angefasst hatte, fest umklammert. »Falsche Antwort!« Das Mädchen wehrte sich gegen seinen Griff, doch er zeigte keine Regung und lief langsam mit ihr weiter in die Dunkelheit, in ein Hinterzimmer. »Soll ich dich retten, Mädchen?« »Was zum -?!« Er hielt ihr den Mund zu und schloss mit der einen Hand langsam die Holztür, ohne auch nur ein Geräusch zu verursachen. »Ich kann dir helfen«, flüsterte er und sah wie ihre smaragdgrünen Augen in der Dunkelheit aufblitzten. »Ich kann dich von dieser grausamen Welt befreien! Mit mir an deiner Seite wird dir niemand Böses antun können.« André nahm seine Hand weg und umklammerte ihr Gesicht als er sie küsste. Ihre Lippen waren warm und schmeckten nach teurem Wein und Bier. Frischfleisch, dachte er erfreut. »Bitte, bitte, hilf mir«, flüsterte die Frau und schloss die Augen. André lächelte friedlich und fragte sich, ob er sie nicht doch vielleicht verwandeln sollte? Sie könnte ein kleiner Zeitvertreib für ihn werden und ihm dienen. »Ich hoffe, du magst Schmerzen«, murmelte er noch ehe er ihren Mund wieder verschloss, ihren Hals entblößte und die Augen schloss. Er liebte die Melodie eines schlagenden Herzens einfach! Dann biss er zu. Die Frau fing an zu zappeln, wurde aber nach jedem Schluck schwacher. Süß kitzelte das Blut seinen Gaumen und floss durch seine ausgetrocknete Kehle. André hatte schon viele Frauen gebissen, also wusste er genau, wie er seine Lippen legen musste, damit nichts auf den Boden lief. Nach einiger Zeit löste er sich von ihr und versiegelte die Wunde mit seiner Zunge. Die Frau hatte inzwischen die Augen geschlossen und bewegte nur ihre Lippen leicht. »Das wird jetzt wahrscheinlich am Anfang komisch schmecken …!«, murmelte er zur Vorsicht und entblößte sein Handgelenk. Er hatte kein Messer dabei, also musste er sich selbst in die Hand beißen und die Wunde dann an die Lippen der Frau führen. Langsam fing sie an zu schlucken während ihr Blut, gemischt mit seinem, aus Andrés Mund lief … Schmerzen. Unerträgliche Schmerzen. Das war der erste Gedanke, der sich zu ihr durchdrang. Danach kam die Kälte und die große Frage, wo sie war. Mit einem Mal ran eine Feuerflut durch ihre Adern und sie schrie auf. Das Schreien tat gut; dann wusste sie wenigstens, dass sie noch lebte. Es war komisch, aber sie konnte ihr Herz im eigenen Körper pulsieren hören. Dieses starke schnelle Pochen wurde jedoch mit der Zeit immer langsamer und langsamer bis es ganz aufhörte. []Herr, verschone mich!, dachte sie zitternd, jedoch geschah nichts. Außer, dass die Feuerfluten mit jedem Mal weniger und schneller wurden – und somit etwas erträglicher. In ihrem Kopf hörte sie Stimmen. »Maman, maman! Wann kommt Papa wieder?« … »Mein lieber Mann hat mir heute diese Kette geschenkt! Ist sie nicht wunderschön?« Die Stimmen wurden wieder mit diesem leisen Pochen vermischt. Doch dieses Mal war es nicht ihr Herz, welches schlug. Es waren viele; alle in weiter Ferne und doch so nah. »Wo … bin ich …?« Die Worte flossen wie Blut durch ihren Mund und sie spürte einen leichten Brechreiz. Ihre Augen wollten sich einfach nicht an dieses grelle Licht gewöhnen. »Guten Morgen, meine Schönheit!« Sie zuckte zusammen und krümmte sich wie ein Fisch. Ihr Körper vibrierte vor Schmerz. »Willkommen in meiner Welt!«, rief die Stimme weiter und hinterließ ein leises Echo in ihrem Kopf. »Keine Sorge, wenn du das hier trinkst, wird der Schmerz und das komische Gefühl in deinem Kopf vergehen!« Die Stimme – ein Mann – gab ihr etwas Rundes mit einer Flüssigkeit darin, die verdächtig nach Metall roch. Doch mit einem Mal mochte sie diesen Geruch und sie versuchte sich vorzustellen, wie es wohl schmecken würde … Kurzerhand ließ sie alles durch ihre Kehle laufen und schnurrte zufrieden wie eine Katze als der Schmerz aufhörte und sie endlich sah, wo sie war. Es war ein Keller, nur mit einer einzigen Glühbirne, die schwach flimmerte. Vor ihr stand der selbe Mann, den sie in der Kneipe getroffen hatte … »Was … hast du mit mir gemacht?«, fragte sie wimmernd und leckte sich über die Lippen. Sie wusste es eigentlich schon – das Getränk war Blut gewesen! Es gab nicht anderes, was so metallisch hätte schmecken können. Sie wollte es ausspucken, jedoch hatte sie schon alles ausgetrunken. Verwirrt musterte sie den Mann. »Ich dachte, du wolltest mir helfen …?«, fragte sie mit einer zitternden Stimme. Der Mann grinste und kniete sich zu ihr. »Mein Name ist André und wie du sicherlich schon bemerkt hast, bin ich ein Vampir!«, sagte er und strich mit der Fingerspitze über ihre Wange. Er war eiskalt. »Und ich habe dir geholfen!« Er küsste sie kurz, fast genauso wie bei der Kneipe. Nur dieses Mal spürte sie das Pieksen seiner Fangzähne nicht mehr. Nach einiger Zeit löste er sich wieder. »Du gehörst jetzt mir!« Kapitel 4: Blutige Begierde. ---------------------------- Tausende rote Punkte schwirrten herum und vernebelten Alicia die Sicht. Ihr war warm und kalt zugleich, ihre Hände zitterten vor blutiger Sehnsucht. Langsam bohrten sich ihre Reißzähne in ihre Lippen und sie war etwas enttäuscht als sie kein Blut schmeckte. Sie wollte trinken. Unbedingt. Ihr Meister hatte ihr gezeigt, wie man sich ernäherte; jetzt, da sie ein Vampir war. Und doch zwang er sie, zu warten. Er wollte, dass sie für ihn jemanden umbrachte – einen gewissen Jonathan Abrams. Sie war ihm vorher schon einmal begegnet und André hatte ihr versprochen, dass er kommen würde. Ihre Lider flatterten als sie seinen Geruch wahrnahm – endlich! Das wurde aber auch Zeit! Geschmeidig folgte sie ihm zwischen die Menschenmenge. Sein Herz schlug unregelmäßig, wahrscheinlich war er aufgeregt. Wieso, wusste sie nicht – wollte sie aber auch nicht; das war unwichtig! Sein Geruch war beschämend, so als würde man einem Hungernden mit frischen Croissants vor der Nase herumwedeln. Speichel lief in ihren Mund als sie immer schneller wurde. »Oh, was für ein edler Herr«, girrte Alicia neben ihm und drückte sich an ihn, sodass sie ihn in eine Gasse zwang. »Es … tut mir Leid …«, stammelte Jonathan und versuchte, sich von ihr zu befreien. Zu spät, Süßer, dachte Alicia zufrieden. Mein Meister will dich tot, und mein Meister bekommt eben immer was er will! »Will der edle Herr mir etwa Gesellschaft leisten?« Verzückt quiekte sie aus und lächelte ihn an. Ihre roten Augen durchstachen die Dunkelheit wie Dolche – und sie zielten genau auf ihre Beute! »Nein, wie höflich von Ihnen …« Sie drückte ihn gegen die Wand und so langsam fing er an, herumzuzappeln. Er versuchte, sie von sich zu stoßen, doch Alicia hielt mühelos stand. Ihre neuen Kräfte als Jägerin waren verblüffend! »Suchen Sie sich jemand anderen, Ma’am!«, rief Jonathan und Alicia sah, wie sein Blick verzweifelt umherschweifte. Um ihm den Mund zu stopfen, küsste sie ihn einfach – wodurch er nur noch mehr herumzappelte. Er biss ihr sogar in die Zunge, was sie vergnügte. Sie mochte es, wenn das Blut noch in Wallungen war. »Was zur Hölle?!«, kreischte Jonathan auf und wand seinen Kopf in die verschiedensten Richtungen, was seinen Duft mit dem von Dreck und Alkohol vermischte. »Hilfe!« Mit einem Mal brannte ihr Kopf und Alicia wich kreischend und krümmend zurück. Jemand zog sie an den brennenden Haaren immer weiter weg. »Du hattest wohl heute noch kein Abendessen, was?« Alicia kannte diese Stimme; irgendwoher kannte sie diese reine, sanfte Stimme, die nun vor Wut und Zorn regelrecht bebte. »Ich darf nicht wählerisch sein!«, zischte sie entgegen und versuchte, die schreckliche Hitze zu ignorieren. Alicia heulte wie ein armer Hund auf als ihr Hinterkopf nach unten gedrückt wurde und sie in blaue Augen sah. Waren sie blau? Sie wusste es nicht; die Augenfarbe wechselte sich ständig. »Weißt du, wer ich bin, Liebes?«, ertönte wieder die sanfte Stimme und als Alicia den Kopf schüttelte, heulte sie noch einmal auf. Der Schmerz war einfach unerträglich! »Nicht? Nun, ich bin dein Mörder!« Für kurze Zeit konnte sie in ihr Inneres blicken; in ihre Seele. All die Männer, die Armut, die schwere Krankheit ihrer geliebten Mutter, all das Leiden und dann die Glückseligkeit – die Unsterblichkeit. »Oh, nein …«, hörte sie jemanden in ihrem Kopf reden – es war wieder diese Frau; oder was auch immer sie war! »Der Dämon in dir ist gewaltig … Ich kann nichts mehr für dich tun, mögest du in Frieden ruhen und keine Schmerzen haben.« Dann war alles dunkel und so langsam verschwand die Welt. Und dann starb sie, friedlich. »Was zur Hölle war das?!«, platzte es aus Jonathan heraus während die Leiche langsam verschwand. Eva achtete nicht auf ihn und nahm stattdessen seine Hand. »Wer war das, Eva?!« »Blutsaugender Abschaum«, murmelte sie und zog ihn schon mit. »Wir müssen hier weg! Ich befürchte, das war nicht der einzige Vampir, der hier herumläuft …« Er hatte ihr widersprechen sollen; es gab doch gar keine Vampire. Aber er konnte nicht leugnen was er gesehen hatte. Die spitzen Zähne, rote Augen, Krallen anstatt Hände. Er glaubte ihr und er wusste selber, dass das verdammt idiotisch war. Vielleicht glaubte er ihr aber auch nur um ihre Hand halten zu können oder ihre Stimme zu hören … Er hatte sie vermisst. »Hast du mich beobachtet?« Er hätte nicht fragen sollen, tat es aber trotzdem. Eva wurde rot und senkte den Blick ehe sie sich räusperte. »Ja«, flüsterte sie dann nach einer kurzen Pause. »Und wenn du es genau wissen willst, Jonathan«, ihr Blick schweifte sein verwirrtes Gesicht ehe sie wieder wegsah, »ich heiße nicht Eva. Mein Name ist Arcadia.« Was für ein Name ist denn Arcadia?!, dachte er verwirrt und hielt ihre Hand nur noch stärker fest. Sie war warm und Regentropfen klebten auf ihrer Haut. »Ich erkläre dir alles später!«, sagte sie und sah sich um. »Aber jetzt musst du mir folgen! Mein Haus ist nicht weit entfernt und dort kann kein Vampir herein.« Wenn Jonathan doch nur gewusst hätte, dass das eine Lüge war … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)