Watashi wa Akuma von Ricchan ================================================================================ Kapitel 3: Wahrheit und Qual ---------------------------- Kapitel 3: Wahrheit und Qual Vergangenheit Leise summend zog die Witwe ihre Fäden durch das dunkle Netz aus Schatten und Visionen, dass sie vor sich zwischen die Äste der hohen Weiden gespannt hatte. Der frische Tau würde sich in ein paar Stunden darüber bilden und ihr Netz in eine unsichtbare, tödliche Schönheit verwandeln. Es war fast vollbracht. * * * 1889, January Der Mond stand hoch über der Insel des Gewesen und Vergessen und tauchte sie in ein schwammiges Licht aus Gold und Blau. Auf Sebastians Lippen lag ein Lächeln, als er seinen jungen Herren auf den Armen über den steinernen Weg auf die Mauern der alten Ruine trug. Dieser Ort war nur noch eine Widerspiegelung dessen, was einst eine der höchsten Schulen der Zwischenwelt gewesen war. Seiner Schule. Vor gar nicht all zu langer Zeit war die Stätte des Lernens, die auch er besucht hatte, zerstört worden. Von wem, das wusste keiner und auch Sebastian, als bester Absolvent konnte nur erahnen, was hier stattgefunden haben musste. Trotzdem empfand er diesen Ort als perfekt. Der perfekte Abschluss eines kurzen, langen Weges, den er mit seinem Herren gegangen war. Oh, er war immer zuvorkommend, freundlich und ausgesprochen ergeben gegenüber Ciel Phantomhive gewesen und es entsprach der Tatsache, dass er diese Seele mehr liebte, als alle zuvor. Und doch war auch sie nur eine Mahlzeit. Das Hauptgericht seines bisherigen Lebens, ja, aber dennoch nichts weiter als Nahrung. Vorsichtig setzte er Ciel auf der steinernen Bank ab und trat einen Schritt zurück. „Das ist es also?“, fragte der Junge und kein Hauch von Angst lag in seiner Stimme. Sebastian lächelte: „Ja.“ Ciels Augen wanderten kurz in der Gegend umher, den Ort seines letzten Atemzuges begutachtend, bevor er ihn ebenfalls als perfekt bedachte. „Wird es weh tun?“ „Ein wenig.“ Sebastian hielt inne. „Ich werde es so sanft wie möglich machen.“ Plötzlich wurde Ciels Blick ernst: „Nein. Mach es so schmerzhaft wie du kannst. Ich will, dass der Schmerz des Lebens sich in meine Seele einbrennt.“ Ein Anflug von Überraschung stand dem Dämon ins Gesicht geschrieben, bevor er zu lächeln begann und vor seinem Herrn auf die Knie ging: „Yes, my Lord.“ Ciel lehnte den Kopf zurück und blickte seinem Butler fest in die Augen, während Sebastian innerlich den Schritt vom Menschen zum Dämon tat. Dem Jungen seine Hand auf die Stirn legend und das weiche Kinderhaar zur Seite streichend, neigte er sich zu ihm hinab. „Nun denn, Bocchan.“ * * * Claude ließ einen Tropfen seines Blutes auf das Netz fallen und die Falle schnappte zu. Die blau leuchtende Seele wurde wie ein in Stromschnellen geratener Fluss aus dem Jungen heraus gerissen und über die Spinnenfäden in den Saphirring gezogen, den Claude an seinem Finger trug. Es war ein herrliches Gefühl der Macht, das ihn einen kurzen Augenblick durchströmte und die Tatsache erträglicher machte, dass er die Seele nicht fressen konnte, solange er keinen Packt mit dem Jungen einging. Aber hiermit war der wichtigste Stein der Mauer gelegt, die er so viele Jahrhunderte aufgebaut hatte. Es würde nicht mehr viel genügen, bis er endlich sein Ziel erreicht hatte: Die Vernichtung von Sebastian Michaelis. * * * Sebastian riss den Kopf zurück und starrte die leblose Gestalt vor ihm an, die einst sein geliebter Bocchan gewesen war. Das konnte nicht sein, durfte einfach nicht sein, war unmöglich. Sein Aufschrei brachte die Burgmauern der Ruine zum Einsturz und die Insel ins wanken. Wie war es nur möglich, dass die Seele des Jungen, die an IHN gebunden war, wie vom Wind davon getragen wurde?! Er verstand es nicht. Schmerz und Wut brannten in seinen Adern und verdunkelten seinen Geist. Rache. Das glockenhelle Lachen, das hinter ihm ertönte, kratzte an seinem Inneren und ließ seine Beherrschung noch weiter reißen. „Fallyn!“, schrie er, „Warst du das?!!“ Die Schatten, die eben noch über dem einzig noch stehenden Mauerstück lagen, lichteten sich als die Dämonin ihr Gesicht zeigte. Sie kicherte ungehalten und in ihren Augen lag der pure Schalk. „Wie könnte ich?“, fragte sie gegen und schlug ein Bein über das andere, sodass ihr sowieso schon viel zu kurzer Rock noch ein bisschen mehr von ihrer Haut zeigte, „Aber wenn du wissen willst, ob ich etwas weiß, dann kann ich dies nur bejahen.“ Sebastian sprang vor, riss die Dämonin von ihrem selbst erbauten Thron herunter und stieß sie mit dem Rücken gegen den Stein, eine Hand fest um ihre Kehle geschlungen. „Sprich.“, knurrte er unter zusammen gepressten Zähnen hervor. Fallyns Miene war ausdruckslos: „Das Netz einer Spinne, die nur von Hass und Rache lebt, kann äußerst mächtig sein.“ Sebastian drückte noch fest zu und schnürte der Dämonin die Luft somit ab. „Du bewegst dich auf sehr dünnem Eis, Witwe.“ „Claude Faustus hasst dich aus tiefstem Herzen.“, würgte sie hervor. Es würde sie nicht wie einen Menschen umbringen, wenn er ihr die Luft nahm, aber es konnte ihrer Stimme ernsten Schaden zufügen. Es war also besser zu sprechen, als einen Verlust in Kauf zu nehmen, den sie nicht verkraften würde. Sebastian ließ von ihr ab und ging einen Schritt zurück. Sofort fuhr sich die Spinne über die Haut und webte einen heilenden Faden in sie hinein. Es würde ein paar Tage dauern, bis sie wieder normal sprechen konnte, was sie zutiefst ärgerte. Der dämonische Butler wandte sich von ihr ab, trat die wenigen Schritte auf die seelenlose Hülle seines Herrn zu und ging vor ihm auf die Knie. „Warum sollte er das tun?“, flüsterte er und strich über das kalte Fleisch. Er würde es in seinem Blut baden müssen, damit es nicht zu verwesen begann, bevor er nach der Seele suchen konnte, die ihm hätte gehören sollen. Er biss sich auf die Lippen und drehte seinen Kopf, sodass er Fallyn ansehen konnte. „Warum sollte er das tun?!“, schrie er sie an. Der Dämonin fuhr ein Lächeln über die Lippen: „Frag dich selbst, was in eurer Vergangenheit passiert sein könnte, dass ihn so wütend gemacht haben könnte.“ Es brauchte keine Sekunde um das Bild des goldenen Engels vor seinen Augen aufblitzen zu lassen. „Maria?“ Fallyn schwieg. „Aber… er wollte sie doch nicht. Sie hatte ihm angeboten sie zu nehmen, ohne Packt… Und er war nicht gekommen, als sie ihn um Hilfe rief… Er wollte sie nicht…“ „Vielleicht wollte er ja auch das Leben bewahren, in das er sich verliebt hatte?“, überlegte die Witwe laut, „Du solltest nicht immer von dir auf andere schließen, Sebastian Michaelis.“ War es wirklich möglich? Sebastian hob den leblosen Körper auf und drückte ihn gegen seine Brust. So kalt, so leer. So sollte es nicht sein. Nicht so. Er wandte sich ein letztes Mal an Fallyn, während seine schwarzen Schwingen sich gegen die Nacht abzuheben begannen. „Wo finde ich, Claude Faustus?“ * * * Endlich. Der Dämon lachte triumphierend, während er vorsichtig den Ring in die kleine Teedose gleiten ließ, sie wieder fest verschloss und mit einem Bann belegt zurück in das Regal legte. Endlich war der Sieg sein. Es war noch kein endgültiger, denn noch konnte er die Seele des Jungen nicht fressen, die Sebastian Michaelis so sehr begehrte, doch er war diesem Ziel näher als jemals zuvor. Das kleine Nervenbündel, mit dem er einen Packt ein gegangen war, um unter den sterblichen Wandeln zu können, würde ihm nun endlich vom Nutzen sein. „Claude!“, rief die Stimme zornentbrannt in seinem Kopf und das ziehen an dem Band wurde stärker. Was wollte das Balg denn nun schon wieder? Der Knabe war ihm eine Last, eine Plage, denn nie war er zufrieden, nie konnte er etwas richtig machen und nie wusste er, zu welcher Gefühlslage er in der nächsten Sekunde wieder wechseln würde. Jim war nicht einschätzbar, selbst für einen Dämon nicht, denn sein Geist war zu zerrüttet vom Leben, dass er erfahren musste. In dieser Welt wurde die Brechung eines Geister als Wahnsinn bezeichnet, doch niemand hier erkannte dies, wenn der Geist nicht komplett in Stück lag, sondern nur Teile abgebrochen oder verschoben waren. Doch Claude hatte einen Vorteil, den anderen Dämonen hier im Haus gegenüber. Denn er wurde von dem Jungen geliebt. Er hatte diese Liebe bei Satan nicht verdient, aber er würde einen Teufel tun sie nicht auszunutzen, solange er den Knaben damit unter seiner Kontrolle hielt. Jede Lüge glaubte er ihm. Auf jedes noch so schöne Wort, dass von der Wahrheit zu so weit entfernt war, vertraute er, hörte er. Und nun endlich würde Fallyns Rat, auf den Ruf von Jim McCain zu hören, sich endlich bezahlt machen. „Claude!!!“, ertönte es nun nicht mehr nur über das Band hinweg und der Dämon seufzte. Er löschte die Fackeln, die den Keller erhellten und trat auf die steinerne Treppe, die ihn zurück in das Anwesen von Alois Trancy bringen würde, ein hämisches Grinsen auf den Lippen tragend. * * * Hannah Annafellows starrte auf die weiße Rose vor ihr, bevor sie den Stiehl zwischen ihre Finger nahm und der Blüte den Lebensfaden nahm. Es sollte ihr als Dämonin nicht solche Schmerzen zufügen, einem anderen Lebewesen in die Welt der Toten zu verhelfen, vor allem keiner Pflanze. Doch es tat es. Der plötzliche kalte Hauch eines Schattens auf ihrem Rücken ließ sie zusammen zucken. „Wer ist da?“, fragte sie in die Dunkelheit hinein, die Rose noch immer in ihrer Hand haltend, sodass die Dornen sich in ihre Haut gruben und kleine Blutstropfen aus den Wunden flossen. Das junge, schöne Gesicht der Frau tauchte mitten im Dunst der Finsternis auf, lächelnd, Angst einflössend. Sie schien in der Luft zu schweben, nur von den Schatten getragen, die sich kreisend und windend um das Gesicht herum bewegten. „Hanna, mein liebes Kind.“, flüsterte das Gesicht im Singsang, der nicht mehr ganz so glockenhell, wie einst gewesen, war. Die Dämonin fiel auf die Knie und vergrub ihr Gesicht unter ihren langen, silberweißen Haaren. „Mutter.“, flüsterte sie mit trockener Kehle, „Verzeiht, ich habe euch nicht erwartet.“ Sie schloss ihre Augen, den Schmerz der Wut ihrer Erschafferin erwartend. Oh, die Schmerzen und Qualen, die ihr Danna-sama zufügte waren schrecklich und brannten wie Höllenfeuer. Doch sie liebte den Jungen und verzieh ihm alles, aber dieser Frau… Kein Dämon kannte seine Eltern, denn sie gaben die Kinder fort, aus Schutz vor sich selbst und anderen Dämonen. Warum hat es ihre Mutter nicht auch so gehandhabt? Was hatte sie davon, dass sie wusste, wer sie Erschaffen hatte außer Leid und Qual? In menschlichen Augen wäre die Beziehung zwischen ihr und ihrer Mutter sehr harmonisch gewesen, doch für einen Dämonen… Hannah hatte es immer gehasst von dieser Frau wie eine kostbare Puppe behandelt zu werden, die zu teuer war, als das man sie zum spielen hätte benutzen können. Immer und immer wieder war ihr versichert worden, dass sie eine ganz spezielle Aufgabe auf dieser Welt erfüllen musste. Das sie nur für einen ganz bestimmten Grund von ihr erschaffen worden war. Und das sie sich ihr fügen musste, wenn sie nicht wollte, dass dieser Sinn verloren ging. Also beugte sie sich der schwarzen Witwe, die ihr Schicksal schon gesponnen hatte. Die Schatten flossen durch die Nacht, schlangen sich um die Dämonin und zogen sie in das innere des Netzes, sodass es ihr möglich war, die ganze Gestalt ihrer Mutter zu sehen. Die Frau lächelte. „Ich wollte dich warnen, mein Kind.“ „Wovor?“ „Ein Sturm ist hier her unterwegs. Und er trägt blinde Wut in sich.“ Hannah starrte die Witwe an, die Rätsel entschlüsselnd, in denen sie sprach. Dann verstand sie: „Er kommt?“ Die Spinne nickte. „Dann ist Danna-sama in Gefahr! Ich muss-“ „Du bleibst.“, schnitt die Witwe ihr die Worte ab, „Er wird kommen und sich das holen, was der rote Weberknecht ihm gestohlen hat. Dem Jungen droht keine Gefahr.“ Die Frage, woher sie das wusste, steckte Hannah in der Kehle, doch die Augen ihrer Mutter sprachen nicht aus einer reinen Vermutung heraus. Sie wusste es. Sie senkte den Kopf: „Was soll ich tun, Mutter?“ „Du bist ein Schwert, mein Kind. Du kannst deinen geliebten Jungen verteidigen und du kannst für ihn kämpfen.“ Die Fäden kamen aus allen Richtungen, schnürten sich um den Körper der Dämonin, schnitten in ihre Haut, zerfleischten sie, bis die blanke, silberne Klinge des Dämonenschwertes frei lag. Der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen. „Dies ist, woraus du erschaffen wurdest, mein Kind.“, sprach die Witwe geifernd, „Dies ist, was du bist.“ Hannah wusste nicht, was qualvoller war. Der Schmerz ihres halb abgetrennten Körpers, nur durch die Klinge zusammen gehalten, oder die Wahrheit über ihre Existenz? Sie weinte still, während die heilenden Netze ihren Körper wieder zusammen setzten, zu einem werden ließen, der das Schwert schützend vor den Klauen der Dämonen bewahrte. Dann glitten die kalten, schlanken Finger ihrer Mutter über ihre Schultern, umarmten sie. „Du wirst dem Weberknecht von dem Schwert erzählen, mein Kind. Und du wirst ihm anbieten, es zu benutzen, sollte er es brauchen.“ Hannahs Stimme zitterte: „Jawohl.“ „Du wirst den Weberknecht lenken und den Jungen töten lassen, wenn die Zeit reif ist.“ Hannah weinte: „Jawohl.“ „Und du wirst den Jungen zu etwas überreden, was nur ein Packt erfüllen kann.“ Hannah starb: „Jawohl.“ Hosted by Animexx e.V. 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