I hate that I love you von Tamanna (L x Light) ================================================================================ Prolog: Winternacht ------------------- Hallo, ihr kleinen Elfen. Meine neueste Geschichte ist mit meinem neuen Lieblingspairing Light und L. Sie ist sehr romantisch und kitschig, was daran liegt, dass sie mir einfiel, als ich die Serie Romeo x Juliet ansah und wer die kennt… Na, ich bin halt so melancholisch und das wirkt sich jetzt auch auf die Geschichte aus… ^^ Prolog Ich wünschte, du würdest mich aus Liebe töten… Was wäre das für ein Glück… Es schneite. Kleine, weiße Flocken, die sanft vom Himmel segeln. Eine Windböe lässt sie tanzen. Ein schöner Anblick. Doch weder die Schneeflocken, noch der kalte Wind, der hin und wieder auffrischte, konnte den jungen Mann aus seiner Starre reißen. Die Schneeflocken verfingen sich in seinen braunen Haaren, der kalte Wind zauberte seine Wangen rot – doch er blieb regungslos. Seine braunen Augen fixierten allein die leblose Person in seinen Armen. Ja, töte mich ruhig. Aber bitte iss meine Leiche auf, wenn es vorbei ist. Koch meine Leiche, so, dass sie weich wird… Leck meine Knochen dann sauber ab… Dann bin ich ganz in deinem Körper und werde zu deinem Fleisch und Blut. Dann gehöre ich dir ganz alleine… Wenn wir auf diese Art miteinander verschmelzen, wird mein Herz ein Teil von dir sein. Sirenen durchbrachen die Stille dieser, für diese Jahreszeit frühen, Winternacht. Sie kamen näher, im rasenden Tempo. Mit quietschenden Reifen hielten die Polizeiwagen vor der kleinen, verlassenen Kirche. Türen wurden aufgestoßen, Menschen stiegen eilig aus und rannten durch den Schnee auf die Kirche zu. Sie öffneten die gusseisernen Tore, die laut quietschten, als hätten sie etwas dagegen, dass diese Personen sich Eintritt verschafften. Ihre für den Schnee nicht geeigneten Schuhe rutschten auf den glatten Boden und hinterließen Spuren im weißen Pulver. Die Männer stürmten durch die große Holztür in die Kapelle, am Altar vorbei durch eine kleine Tür am Ende einer schmalen Treppe. Im Raum dahinter sahen sie sich zunächst orientierungslos um, bis jemand mit einem leichten Kopfnicken nach draußen zeigte. Dort, im kleinen Innenhof, saß er. Die Männer nickten sich zu, als Zeichen, dass sie nun zuschlagen würden. Endlich würden sie ihn festnehmen können! Sie stießen die Balkontür auf und rannten die schmale Treppe hinunter in den Innenhof. Sie umzingelten den jungen Mann und richteten drohend ihre Waffen auf ihn. Ein junger, schwarzhaariger Polizist zitterte angesichts des Bildes, das sich ihm bot. Er deutete auf die leblose Gestalt in den Armen des Jungen. „W- Was… Was hast du getan?!“ schrie er. „Du hast ihn umgebracht!!! Wie konntest du nur?!!!“ Ein Polizist mit Afro-Frisur hielt seinen Kollegen zurück. „Beruhig dich, Matsuda!“ Endlich regte sich der junge Mann. Müde hob er seinen Kopf, als sei er unendlich schwer, seine ausdruckslosen Augen schienen durch die beiden Männer hindurch zu sehen. „Seid still“, sagte er tonlos. „Macht nicht so viel Krach, sonst weckt ihr ihn noch auf.“ Ein älterer Polizist mit Brille, dessen schwarze Haare teilweise stark ergraut waren, beugte sich behutsam zu ihm hinunter, legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Junge, was redest du denn da? Er schläft nicht. Er ist tot.“ Der Brünette lachte. „Nein, das stimmt nicht. Er wird sicher gleich wieder aufwachen.“ Kopfschüttelnd steckten Matsuda und der andere Polizist ihre Waffen weg und hoben den Schwarzhaarigen aus den Armen des Brünetten, um ihn den Sanitätern zu übergeben. Dieser schrie und wehrte sich, wollte den Anderen nicht loslassen, nicht hergeben. „Nein! Gebt ihn mir zurück!! Er gehört mir! Ryuzaki!! Verlass mich nicht!! Du kannst unmöglich tot sein! RYUZAKI!! NEIN!!!!!!!!“ In meiner verrückten Welt warst du hässlicher und schöner als jeder andere. Nur du warst schön… Die Erinnerung an dein lachendes Gesicht brennt sich wie Feuer in mein Gedächtnis. „Die Welt kann endlich aufatmen“, verkündete der Nachrichtensprecher. „Kiraist endlich gefasst! Es handelt sich bei ihm um den 18-Jährigen Student Light Yagami. Seit gut einem Jahr hat er Verbrecher ermordet. Doch auch FBI-Agenten und unschuldige Bürger sind sein Ziel geworden. Die Art, wie er seine Opfer tötete, ist uns jedoch noch nicht bekannt. Gerade führt die Polizei Light Yagami den Haftrichter vor.“ Ein Raunen ging durch die Menge der Zuschauer, die den Prozess unbedingt verfolgen wollten. Schließlich hatte Kira die Welt seit einem Jahr im Atem gehalten. „Seht nur, da ist er!“ „Den hab ich mir aber anders vorgestellt!“ „Wie kann er ein Mörder sein? Das ist doch noch ein halbes Kind!“ „Und wir haben ihn jeden Tag gesehen!“ „Er wirkte immer so freundlich. Unfassbar!“ „Ich würde nur zu gern wissen, wie er die alle umgebracht hat.“ „Sein letztes Opfer soll ja der Meisterdetektiv L gewesen sein!“ „Schrecklich, wenn das wahr ist.“ „So ein Monster!“ Ich liebe dich! Ich liebe dich doch! Bitte… Ich will dir alleine gehören! Ich lass dich nie mehr gehen! Der Prozess begann. Der Richter betrat den Saal. Die Zuschauer verstummten und setzten sich auf ihre Plätze. Unter ihnen befanden sich auch Light´s Vater, seine Mutter und seine Schwester Sayu. Fassungslos, dass ihr Light so etwas tun konnte. Der Staatsanwalt erhob sich, um die Anklage vorzulesen. Light´s Pflichtverteidiger blätterte gelangweilt in seinen Unterlagen. Er wusste eigentlich gar nicht, was er hier sollte, denn er war genauso von der Schuld seines Mandanten überzeugt, wie jeder andere hier im Saal. Und wenn es nach ihm ginge, sollte der verzogene Bengel neben ihm so schnell wie möglich hingerichtet werden. Wegen diesem Gör waren ihm im vergangenen Jahr sämtliche Fälle davongeschwommen. Mein Fleisch und mein Blut… selbst mein Herz… das alles… gehört dir… Ich gehöre dir… Ich liebe dich! Ryuk, der Todesgott, stand hinter Light und musterte ihn nachdenklich. Vor einem Jahr war der Brünette noch so von sich überzeugt. Wollte eine neue Welt ohne Verbrecher schaffen und diese Welt als Gott beherrschen. Und jetzt? Jetzt war er nur noch ein Schatten seiner selbst. Saß wie ein Häufchen Elend auf seinem Stuhl, besaß nicht mal mehr einen Bruchteil der Stärke und der Entschlossenheit, die er damals hatte. Wie konnte es nur dazu kommen? Ich wünschte… du würdest mich aus Liebe töten… *********************************************************************** So, das war erstmal der Prolog. Ich hoffe, er hat genug Spannung und Interesse erzeugt, wie er es sollte. Wann ich die nächsten Kapitel schreibe, kann ich noch nicht sagen. Ich werde mir aber nicht allzu viel Zeit damit lassen. Bis dann. Eure Tamanna. Kapitel 1: Gerechtigkeit ------------------------ Kapitel 1: Gerechtigkeit Alles begann vor genau einem Jahr. Obwohl Zeit in der Welt der Todesgötter keine Rolle spielt. Das Leben kann entsetzlich lang und vor allem langweilig sein, wenn man quasi unsterblich war. Natürlich können Todesgötter auch sterben. Todesgötter verlängern ihr Leben, indem sie den Menschen ihres nehmen. Wie sie das anstellten? Sie verfügten über ein Notizbuch, das die Fähigkeit besaß, jeden zu töten, dessen Name hineingeschrieben wird: das Death Note. Schrieben sie den Namen eines Menschen hinein, wurde dessen verbliebene Lebenszeit ihrer gutgeschrieben. Also konnte ein Todesgott nur sterben, wenn er nie einen Namen hineinschrieb. Doch vorher wusste so ein Todesgott, ob der Mensch wirklich starb oder wo er sich aufhielt? Überall in der Welt der Todesgötter befanden sich riesige augenartige Gebilde, durch die man in die Menschenwelt schauen konnte. Abgesehen von dem Töten oder dem Beobachten der Menschen, gab es kaum etwas zu tun, außer vielleicht dem Kampf gegen die Langeweile. Ryuk wurde der Alltag in der Welt der Todesgötter zu langweilig. Er wollte Spaß, Action und Spannung. Und da kam ihm auch schon eine Idee, wie er genau das bekommen könnte: Er warf sein Death Note in die Menschenwelt. Dann brauchte er nur noch 39 Tage zu warten, dann konnte er in die Menschenwelt gehen und dem neuen Besitzer des Death Note „Hallo“ sagen… Der neue Besitzer des Death Note sollte Light Yagami werden. Doch wie kam er in den Besitz des Death Note? Wahrscheinlich hätte Light das Notizheft nie benutzt, wäre diese Sache nicht passiert… Light drehte konzentriert den Ball in seinen Händen. Nur ein Wurf, nur ein Treffer trennte ihn vom Sieg. Und er hatte nur einen Versuch. Der musste einfach sitzen! Light schloss die Augen, holte tief Luft, fixierte den Korb… und warf. Der Ball flog im hohen Bogen durch die Luft und landete im Korb. Das war der Sieg! Light’s Team jubelte. „Du hast es geschafft! Du bist der Größte!“ Light grinste. „So, wir haben gewonnen. Jetzt müsst ihr euer Versprechen einhalten und den jüngeren Schülern den Platz überlassen.“ Die Jungs von der Oberstufe verzogen das Gesicht, nickten aber. Ein Deal war nun einmal ein Deal. Unwirsch zogen sie von dannen. Light krempelte seine Ärmel herunter, schnappte sich seine Uniform-Jacke und zog sie wieder an. „Du bist wirklich ein Held, Light Yagami“, säuselte eine sanfte Stimme. Light hob den Kopf und lächelte. Vor ihm stand eine hübsche, schwarzhaarige junge Frau. Sie reichte ihm mit einem Lächeln seine Schultasche. „Ich bin kein Held. Ich bin nur ein Schüler, wie jeder andere, Romy“, winkte Light ab und nahm die Tasche entgegen, warf sie sich über die Schultern und ging hinaus. Romy folgte ihm. „Du bist alles andere als wie die anderen. Du bist hochintelligent, allseits beliebt und wahnsinnig gut aussehend.“ Sie knuffte ihm in die Seite. „Und dann bist du auch noch so wahnsinnig gerechtigkeitsliebend. Dass du die Raufbolde von der Parallelklasse zu einem Spiel herausforderst, damit die Jüngeren den Basketballplatz benutzen können… Du bist wirklich klasse! Ich bin stolz darauf, deine Freundin zu sein!“ Light blieb stehen. Er bedachte Romy mit einem liebevollen Lächeln. „Ich könnte mir auch keine bessere Freundin vorstellen, als dich, Romy- chan…“ Romy umarmte Light und küsste ihn ganz sanft. „Und? In ein paar Wochen hast du Geburtstag. Was wünscht du dir?“ „Ich hab alles, was ich will. Ich brauche nichts“, flüsterte Light und küsste sie erneut. Romy kicherte in den Kuss hinein, dann löste sie sich von dem Brünetten. „Ich muss jetzt zum Nachhilfekurs. Bis morgen, Light!“ Light sah Romy nach, bis sie um die Ecke verschwand. Dann schlenderte er nach Hause. Er konnte nicht ahnen, dass er sie zum letzten Mal gesehen hatte… Light saß an seinem Schreibtisch und machte seine Hausaufgaben, als die schreckliche Nachricht kam. Es klopfte an seiner Zimmertür und ein junges, schwarzhaariges Mädchen steckte ihren Kopf herein. „Huhu, großer Bruder! Hilfst du mir wieder bei den Hausaufgaben?“ Light seufzte. „Sayu! Kannst du deine Hausaufgaben nicht selber machen?“ Sayu zog einen Schmollmund. „Ich versuche es doch! Aber ich kapier das einfach nicht! Unser Mathelehrer ist so blöd!“ Light kannte den besagten Lehrer; er hatte auch ihn unterrichtet. Er war wirklich nicht gut in dem, was er tat. Daher erklärte er sich wie immer bereit, Sayu zu helfen. Eine halbe Stunde später rief ihre Mutter nach ihnen. „Sayu! Light! Das Abendessen ist fertig!“ Das Klingeln des Telefons lenkte Sachiko Yagami kurz ab. Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und nahm den Hörer ab. „Yagami?… Oh, guten Abend, Frau Miamoto! Wie geht es Ihnen?... … Was?!“ Sachiko hätte um ein Haar den Hörer fallen lassen. „I- ist gut… Ich sag es ihm…“ Wie betäubt legte Sachiko auf. Das war ja schrecklich. Wie sollte sie das nur Light erklären? Dieser kam gerade mit Sayu fröhlich lachend die Treppe runter. Als sie das bleiche Gesicht ihrer Mutter sahen, verstummte ihr Gelächter. Besorgt eilte Sayu zu ihrer Mutter. „Mama, was ist passiert? Wer war denn das?“ „Light… Das war… Frau Miamoto. Romy… sie… sie ist…“ So schnell wie er konnte eilte Light ins Krankenhaus. An der Rezeption fragte er sich nach Romy’s Zimmer durch. Vor ihrem Zimmer musste er sich erstmal beruhigen. Er konnte nicht glauben, dass das wirklich passiert war… Romy wurde auf dem Heimweg von einem unbekanntem Mann überfallen. Er… er hat sie zu Boden gedrückt und… vergewaltigt. Sie soll sich heftig gewehrt haben. Das hat ihn wohl wütend gemacht. Er hat sie mit Faustschlägen schwer verletzt. Passanten haben sie gefunden und den Krankenwagen gerufen. Die Ärzte wissen nicht, ob sie durchkommt… Light holte noch einmal tief Luft, dann drückte er die Klinke runter. Ihm blieb fast das Herz stehen, als er seine geliebte Romy in diesem Krankenhausbett liegen sah, mit all den Schläuchen und den vielen Verbänden. „Romy…“ Light versagte die Stimme. Er spürte einen dicken Kloß in seinem Hals, konnte nur mit größter Mühe die aufkommenden Tränen runterschlucken. Er näherte sich langsam dem Krankenbett. Vorsichtig berührte er ihre Wange und registrierte besorgt, dass sie kalt war. „Romy?“, fragte er leise, seine Stimme zitterte heftig. Romy schlug die Augen auf. Als sie Light sah, griff ihre Hand nach der Beatmungsmaske und nahm sie ab. „Nein, Romy! Lass das! Du darfst die Maske nicht abnehmen!“ Romy wollte etwas sagen, war aber zu schwach. Light beugte sich zu ihr hinunter, hielt ihr sein Ohr hin. „Was… was willst du mir sagen?“ „Ich weiß… wer es war… Herr… Katsura…gi…“ Light wurde kreidebleich. Genta Katsuragi war seit Jahren der Nachbar seiner Familie und Vaters bester Freund. Wie viele Nachmittage hatte Light im Garten dieses Mannes verbracht? Er hatte ihm vertraut, ihn gemocht… Light war so weggetreten, dass ihm das Piepsen gar nicht auffiel. Erst, als der Arzt und die Krankenschwestern reingestürmt kamen und verzweifelt versuchten, Romy wiederzubeleben, fiel ihm auf, dass ihr Herz ausgesetzt hatte. Ehe er reagieren konnte, schob eine Krankenschwester den starren Körper nach draußen. Einige Tage später fand die Beerdigung von Romy Miamoto statt. Auch Light und seine Familie waren unter den Trauergästen. Light konnte immer noch nicht glauben, dass seine geliebte Romy nicht mehr am Leben war. Er fühlte sich leer, ausgelaugt, wie tot. Wie sollte er ohne seine große Liebe weiterleben? Kaum, dass sie das Auto verließen, bedachten sowohl die Kollegen seines Vaters, als auch der Großteil der anderen Trauergäste Light mit mitleidigen Blicken. Light wäre am Liebsten abgehauen. Er konnte diesen Ausdruck in ihren Augen nicht ertragen. Es verschlimmerte das beklemmende Gefühl in seiner Brust nur noch. Light schloss die Augen und holte tief Luft. Er musste das durchstehen. Romy zuliebe… Gerade, als Light sich im Kondolenzbuch eintragen wollte, trat ein weiteres, unerträgliches Problem auf, als eine vertraute Stimme sagte: „Ich kann immer noch nicht glauben, dass Romy tot ist. Sie war ein so liebes Mädchen.“ Das dürfte doch wohl nicht wahr sein! Wie konnte DER es wagen, hier aufzutauchen?! Langsam drehte sich Light um. Neben seinem Vater stand er: Genta Katsuragi. Der Mann, der ihm seine Romy gestohlen hatte. Und er tat so, als ob er trauern würde! Das war zuviel für Light. Kochend vor Zorn knallte er den Stift auf den Tisch und packte Katsuragi am Kragen. „SIE! Wie können Sie es wagen, hier aufzutauchen?! Sie elender Mörder, verschwinden Sie sofort von hier!!!“ „Light!“ Sachiko legte ihrem Sohn eine Hand auf die Schulter. „Bitte, beruhige dich doch! Was redest du denn da?“ „Er war es! Er hat Romy das angetan!“ Nun horchten auch die anderen Trauergäste interessiert auf. Alle hatten sich um Light und seine Familie versammelt und beobachteten die Szene. Nun mischte sich Soichiro Yagami, Light’s Vater, ein. „Light. Ich habe es dir doch schon erklärt: es ist völlig ausgeschlossen, dass Genta der Täter ist. Er hat ein wasserdichtes Alibi.“ „Aber Romy hat es doch gesagt, bevor sie…“ Hilflos brach Light ab. Flehend sah er seinen Vater an. Dieser bedachte seinen Sohn mit einem mitleidigen Blick. „Du musst dich verhört haben. Niemand sonst konnte das bestätigen.“ „Natürlich nicht! Die kamen ja auch erst, als der Täter schon längst weggelaufen war! Ich habe mich ganz sicher nicht verhört, Vater! Romy hat SEINEN Namen gesagt!“ „Jetzt ist aber Schluss! Es gibt keine Beweise für diese Behauptung. Außerdem würde Genta Romy niemals wehtun!“ Soichiro löste Light’s Griff von Katsuragi’s Kragen. „Und jetzt beruhige dich. Die Leute gucken ja schon und wir wollen doch keine falschen Anschuldigungen äußern.“ Light ließ Katsuragi los, fixierte ihn aber immer noch mit den Augen. Katsuragi sah zu Boden. Aus seinen Augen war ganz eindeutig die Schuld abzulesen. Und dennoch schwieg er. Kein Geständnis, keine Reue. Nur… „Schon gut, Soichiro. Der Junge ist nur aufgewühlt. Er weiß nicht, wie er mit dem Verlust umgehen soll.“ Katsuragi sah nun endlich auf. Und nun schien sein Blick zu sagen: Ich werde niemals zugeben, dass ich es war. Und es wird auch niemand herausfinden können. Tut mir leid für dich Junge, aber ich werde ungeschoren davonkommen. Katsuragi´s Mundwinkel hoben sich ganz leicht, als würde der Gedanke ihn amüsieren, mit einem Mord davonzukommen. Das war zuviel für Light. Wutentbrannt rannte er davon. Er wusste nicht, wohin. Er rannte einfach nur weiter. Immer weiter und weiter. Bis er ins straucheln kam und wegen Atemnot anhalten musste. Light lehnte gegen eine Mauer, sein Blick war gen Himmel gerichtet. Mittlerweile regnete es. Der Musterschüler versuchte, sich zu beruhigen, doch es wollte ihm einfach nicht gelingen. Der Schmerz und die Wut waren einfach zu stark. Er konnte es nicht ertragen, dass Katsuragi nicht dafür bestraft werden würde, dass er Romy getötet hatte. Romy hatte ihn gesehen, dessen war sich Light absolut sicher. Und das war auch der Grund, weshalb sie sterben musste. Light ballte seine Hände zu Fäusten. War das etwa die Gerechtigkeit, von der ihm sein Vater immer voller Stolz erzählt hatte? Seit er ein kleiner Junge war, wollte er in die Fußstapfen seines Vaters treten, um auch wie er für die Gerechtigkeit zu kämpfen und das Gute zu wahren. Und nun musste er feststellen, dass es keine Gerechtigkeit gab. Heute… hatte er die beiden wichtigsten Dinge in seinem Leben verloren: Romy und sein Glaube an die Gerechtigkeit. Kraftlos stieß er sich von der Mauer ab und wankte seinen Heimweg entlang. Seine leeren Augen wanderten über den Boden… und sahen plötzlich diesen schwarzen Gegenstand. Light blinzelte mehrmals, um den Blick zu schärfen, dann konnte er erkennen, was es war: Ein schwarzes Notizbuch! Warum lag es denn hier mitten auf dem Boden? Light bückte sich und hob es auf. Death Note stand auf dem Einband geschrieben. Was für ein seltsamer Name… Als er es aufschlug, las er als erstes die Regeln. Regeln? Für ein Notizbuch? Die Regeln waren auf Englisch geschrieben. Die erste lautete: Derjenige, dessen Name in dieses Notizbuch geschrieben wird, muss sterben. Light las den Eintrag noch einmal. Ein Notizbuch, das Menschen töten kann? Er schüttelte den Kopf und wollte es wieder fallen lassen… doch irgendetwas in ihm wollte es nicht loslassen. Schließlich steckte er es in seine Jacke und ging nach Hause. Daheim angekommen, zog er sich die nassen Sachen aus und duschte ausgiebig. Seine Familie war noch nicht wieder zurück, obwohl die Trauerfeier bereits vorbei war. Hunger hatte er keinen, also ging er rauf in sein Zimmer und schloss ab. Erschöpft fiel er auf sein Bett und fiel augenblicklich in einen ruhelosen Schlaf. Am nächsten Morgen beschloss Light, endlich wieder in die Schule zu gehen. Immerhin waren bald die Abschlussprüfungen und danach fanden auch bald die Aufnahmeprüfungen für die Touou- Universität statt. Leider musste sich Light eingestehen, dass er nicht mehr wusste, wieso er noch auf die Universität gehen sollte. Alles schien so sinnlos, jetzt, wo Romy nicht mehr da war. Er hatte geplant, zu studieren und wie sein Vater Polizist zu werden. Dann wollte er Romy heiraten und mit ihr Kinder haben… Light vertrieb den Gedanken an Romy und die geplante Zukunft mit ihr. Es schmerzte zu sehr. Zu allem Unglück begegneten ihm auch in der Schule wieder die verhassten Mitleidsblicke, untermalt von diesen grässlichen Beileidsbekundungen. Jeder von ihnen meinte es ernst, das wusste Light. Romy war das beliebteste Mädchen an der gesamten Schule gewesen. Und sie waren das Traumpaar schlechthin… Nur mit Mühe ertrug Light den Tag. Den Sportkurs nach dem Unterricht schwänzte er jedoch. Er hatte einfach keine Kraft dafür. Wieder daheim ging Light sofort wieder auf sein Zimmer und schloss sich ein. Er warf seine Tasche auf den Boden und zog die Vorhänge zu, um die schöne Abendsonne auszusperren. Er wollte viel lieber in Dunkelheit getaucht sein. Dann setzte er sich auf sein Bett und starrte seine Hände an. Wusste nicht, was er als Nächstes tun sollte. Ihm fiel ein, dass ja heute der Nachmittagskurs war. Er warf einen Blick auf die Uhr. Er hatte noch eine Stunde Zeit. Er beschloss, den Fernseher einzuschalten. Das inhaltlose Programm von Sakura TV würde ihn schon ablenken. Während der Fernseher im Hintergrund lief, tauschte Light seine Schuluniform gegen seine Alltagskleidung aus; machte seine Hausaufgaben und starrte dann die Decke an. „Wir unterbrechen die Sendung für eine wichtige Mitteilung. Der gesuchte Kinderschänder Kuro Otoharada soll heute in der Nähe von Tokio gesichtet worden sein. Die Polizei bittet die Bevölkerung um äußerste Vorsicht und sofortige Meldung, sollte jemand diesen Mann zu Gesicht bekommen.“ Die Nachrichtensprecherin erläuterte nähere Details über Otoharada’s Verbrechen. Light starrte das Bild des Mannes mit wachsender Abscheu an. Wie konnte so einer immer noch frei rumlaufen? Wenn doch nur jemand solche Bestien zur Rechenschaft ziehen würde! Genau in diesem Moment fiel Light’s Blick auf das Death Note, das er immer noch besaß. Der Wunsch, es auszuprobieren überfiel ihn, daher schlug er noch einmal die Regeln auf. Die nächsten vier Regeln besagten: Schreibt man den Namen einer Person hinein, muss man dabei das Gesicht dieser Person vor Augen haben, sonst ist der Eintrag wirkungslos. Dadurch sind niemals zwei Personen mit dem gleichen Namen gleichzeitig betroffen. Hat man den Namen einer Person eingetragen, hat man danach 40 irdische Sekunden Zeit, um die Todesursache zu notieren. Verzichtet man darauf, stirbt die Person an Herzversagen. Bestimmt man die Todesursache, hat man danach weitere 6 Minuten und 40 Sekunden Zeit, die genauen Todesumstände zu notieren. Light sah wieder in den Fernseher. Das Bild des Verbrechers flimmerte wieder über den Bildschirm. Light prägte sich sein Gesicht genau ein, dann zog er einen Stift und schrieb den Namen auf die erste Notizseite des Heftes. Doch kaum, dass er das getan hatte, kam er sich dämlich vor. Lächelnd schlug er das Heft zu, machte den Fernseher aus und machte sich auf den Weg zum Nachmittagskurs. Light bereute es, den Nachmittagskurs besucht zu haben. Es war noch schlimmer, als der Unterricht davor! Er beschloss, in Zukunft nicht mehr dorthin zu gehen. Schwerfällig hievte sich Light von seinem Platz hoch, zog sich seine Jacke an und griff nach seiner Tasche, als er das aufgeregte Gespräch zweier Mädchen mithörte. „Hast du schon von dem Kinderschänder gehört? Ich hab so Angst, dass er hier auftaucht!“ „Brauchst du nicht. Er ist tot.“ Light blieb mitten im Raum stehen. Tot? Das musste Zufall sein… „Tot? Wieso das denn?“ „Keine Ahnung. Ich hab mir einen Newsletter für das Handy abonniert und der hat mir vor einer halben Stunde mitgeteilt, dass die den Typen gefunden haben – und er war tot. Anscheinend ist er an Herzversagen gestorben.“ „An Herzversagen? Der war doch noch gar nicht so alt…“ „Tja…“ Die Mädchen trabten aus dem Klassenzimmer und plauderten weiter. Light stützte sich auf einem Tisch ab. Das MUSSTE ein Zufall sein… Obwohl er doch keine genaue Todesursache hingeschrieben hatte… Wodurch die Person an Herzversagen starb… Nein, das war Unsinn! Völliger Unsinn! Oder etwa nicht? Sofort eilte Light nach Hause, rannte in sein Zimmer, schloss ab und griff nach dem Notizbuch. Auf der ersten Seite stand der Name, Kuro Otoharada. War er wirklich tot? Vielleicht war es ja nur ein Irrtum… Light schaltete Sakura TV ein. Dort liefen gerade die Nachrichten. „Kommen wir nun zu dem Topthema des heutigen Abends. Der wegen mehrfachen Kindesmissbrauchs gesuchte Verbrecher, Kuro Otoharada, ist heute Abend gegen 18:30 Uhr tot aufgefunden worden. Die Todesursache war ein plötzlicher Herzstillstand. Der Tod des Kriminellen gibt den Mediziner Rätsel auf, war Otoharada doch eigentlich kerngesund. Die Polizei…“ Light schaltete den Ton ab, ließ sich langsam auf den Stuhl sinken. Es war tatsächlich wahr! Aber war das wirklich er gewesen? Hatte er diesen Mann wirklich getötet, indem er seinen Namen in ein Notizheft schrieb? Das war unmöglich! Aber wieso war dieser Mann jetzt tot? Es gab nur einen Weg, die Wahrheit herauszufinden: er musste es noch einmal benutzen und diesmal musste er dabei anwesend sein! Light warf einen Blick auf ein Foto, das auf seinem Nachttisch stand. Darauf waren er und Romy abgebildet, in enger Umarmung. Und er wusste, an wem er das Death Note ausprobieren wollte… Entschlossen schnappte er sich das Heft und einen Stift und lief damit nach nebenan. Katsuragi machte ihm sofort auf. Als er Light sah, gefror ihm das Grinsen, dass die Comedy- Sendung auf sein Gesicht gezaubert hatte. Dennoch trat er beiseite und ließ Light reinkommen. „Was willst du hier? Wenn du gekommen bist, um mich zu einem Geständnis zu zwingen, dann vergiss es. Ich hab damit nichts zu tun!“ „Natürlich bist du der Täter. Ich weiß es ganz genau. Romy würde mich nicht anlügen. Und ich bin gekommen, um dich zu bestrafen.“ „Willst du mich töten?“ Katsuragi lächelte mild. „Dann wirst du eingebuchtet. Vergiss es, Junge. Du schadest damit nur dir selbst.“ Jetzt lächelte Light. „Tue ich nicht. Ich habe einen Weg gefunden, wie ich dich töten kann, ohne, dass ich dafür bestraft werde. Ich werde damit davonkommen, genau wie du.“ „Und wie?“ Light hielt das Heft hoch. Katsuragi gluckste. „Damit? Was ist los mit dir? Bist du wahnsinnig geworden?“ „Ich habe damit heute schon jemanden getötet“, prahlte Light selbstbewusst und schlug die erste Seite auf. Katsuragi’s Augen weiteten sich. „Du hast die Nachrichten doch bestimmt auch gesehen, nicht wahr? Onkel Genta… Ich habe diesen Mann getötet… indem ich seinen Namen in diesen Heft schrieb.“ Wieder lachte Katsuragi, diesmal klang es jedoch nervöser. „So ein Unsinn! Das geht doch gar nicht! Du fantasierst ja!“ „Wollen wir es mal ausprobieren? Ich schreibe jetzt einfach mal deinen Namen hier rein, dann werden wir ja sehen, ob ich bluffe.“ Light spielte mit dem Feuer, das wusste er genau. Er hatte keine Garantie dafür, dass es funktionierte. Wenn Katsuragi nicht starb, könnte das hier noch Böse für ihn enden. Katsuragi indessen beobachtete ihn genau. Er schien nervös zu sein. Der seltsame Tod des Verbrechers schien ihn verunsichert zu haben. „Das… das kannst du nicht tun“, stammelte er. Damit wirst du niemals durchkommen!“ „Wieso nicht? Du bist doch auch damit durchgekommen!“ „Ich wollte sie doch gar nicht töten!“ rief Katsuragi. Light schluckte. Sicher, er hatte immer gewusst, dass dieser Mann schuldig war. Aber das er es jetzt zugab, war schon schwer zu verkraften. „Wieso hast du sie getötet?“, hauchte Light. Katsuragi sah rasch zu Boden. Er hatte sich verplappert. Jetzt war es auch egal… „Ich… ich fand sie schon immer… sehr attraktiv. Ich hab immer versucht… mich dagegen zu wehren, aber dann… An diesem Abend… hab ich sie gesehen… Sie war wunderschön, wie immer. Ich hatte mich einfach nicht mehr im Griff! Ich bin über sie hergefallen… Ich wollte sie doch nur berühren… Aber sie hat sich gewehrt! Sie… schlug um sich… und riss mir die Maske vom Kopf. Sie hatte mein Gesicht gesehen! Ich bin völlig ausgerastet… Ich hab zugeschlagen, mehrmals. Härter, als ich eigentlich wollte… Sie hat sich nicht mehr bewegt. Ich bin weggerannt. Als ich hörte, dass sie gestorben ist… Ich wollte das wirklich nicht, das musst du mir glauben!“ Light zitterte am ganzen Körper – vor Wut. „Du… bist ein Scheusal!“ Er zückte den Stift und schrieb Katsuragi’s Namen in das Heft. Seine Hände zitterten dabei, dennoch konnte er den Namen vollständig rein schreiben. Katsuragi schrie auf. Er stürzte sich auf Light und wollte ihm das Buch aus der Hand reißen. Sie rangelten auf dem Boden. Dabei gewann Katsuragi die Oberhand. Er schaffte es, Light unter sich festzuhalten und würgte ihn. Light versuchte vergeblich, die Hände von seinem Hals zu lösen, doch es ging nicht. Katsuragi drückte immer fester zu, sein Blick war regelrecht besessen. Light dachte schon, dass er jetzt sterben müsste… doch dann geschah es: Katsuragi erstarrte. Seine Hände lösten sich langsam von Light’s Hals, sein ganzer Körper verkrampfte sich. Er gab erstickte Laute von sich, riss seine Augen auf, fasste sich an die linke Brust. Katsuragi kämpfte einige Sekunden mit seinem Schmerz, dann fiel er einfach um. Light brauchte ein paar Sekunden, um Luft zu holen, dann richtete er sich langsam auf. Ängstlich starrte er auf den leblosen Körper. Er kroch vorsichtig auf ihn zu und fühlte den Puls. Katsuragi war tatsächlich tot! Es funktionierte! Fassungslos hob Light das Death Note hoch. Was war das nur für ein seltsames Heft? Während er das Death Note weiter anstarrte, als würde es ihm dadurch sein Geheimnis offenbaren, spürte er plötzlich einen Luftzug in seinem Rücken… und dann meldete sich diese unheimliche Stimme. „Na? Das Death Note gefällt dir wohl? Schon irre, dass man damit andere einfach so abmurksen kann…“ Vor Schreck ließ Light das Heft fallen. Er wirbelte herum – und schrie. Hinter ihm stand die merkwürdigste Gestalt, die er je gesehen hatte. Sie war ganz in schwarz gekleidet, hatte dunkles Haar und große gelbe Augen mit roten Pupillen, die ihn fixierten. Sie stand mit krummen Rücken da, die Arme baumelten schlaff herunter. Light kroch automatisch von der Kreatur weg. „Was… was bist du? Wer bist du?“ Die Kreatur grinste breit und entblößte dabei eine Reihe spitzer Zähne. „Wer ich bin? Ich heiße Ryuk und ich bin ein Shinigami.“ „Ein Todesgott…“, hauchte Light fassungslos. Ryuk hob einen Arm und deutete mit seinem Krallenfinger auf das Death Note zu Light’s Füßen. „Das Heft hab ich fallen gelassen. Es gehört mir.“ „Und… willst du es jetzt zurückhaben? Oder mir als Strafe, weil ich es benutzt habe, die Seele stehlen?“ Ryuk kicherte hämisch. „Ist das die Vorstellung, die ihr Menschen von uns Todesgöttern habt? Nein, ich werde dir nicht die Seele stehlen. Und das Death Note gehört jetzt dir.“ „Es gehört jetzt mir?“ „Ja. Als du das Death Note berührt hast, bist du automatisch sein neuer Besitzer geworden.“ „Und wieso… hast du mich auserwählt?“ „Auserwählt?“ Ryuk kicherte wieder. „Jetzt bilde dir mal nichts ein, Junge. Ich hab es einfach fallen gelassen. Jeder hätte es nehmen und sein neuer Besitzer werden können. Das du es hast, ist bloß reiner Zufall, mehr nicht.“ „Warum hast du fallen lassen?“ Ryuk schüttelte den Kopf. Diese Menschen! Warum mussten die immer soviel fragen? Aber eigentlich war es nur zu verständlich, dass er das fragte. Immerhin war es nicht üblich, dass das Heft eines Todesgottes in der Menschenwelt landete. Es kam in der Vergangenheit zwar schon mal vor, nur hatte es keiner gefunden. Ryuk zuckte mit den Schultern. „Einfach so. Mir war langweilig. Es gibt in der Welt der Todesgötter nichts zu tun, da hab ich es einfach mal ausprobieren wollen…“ Light starrte das Death Note zu seinen Füßen an. „Und jetzt?“ „Das bleibt dir überlassen, Junge. Was auch immer du mit dem Death Note anstellen willst. Du kannst es mir auch wieder zurückgeben, wenn du es nicht haben willst.“ „Und das hat keine Konsequenzen, wenn ich es benutze?“ „Na ja… Wer immer das Death Note benutzt, kann nach seinem Tod weder in den Himmel noch in die Hölle. Das ist der Preis, den du dafür zahlen musst. Natürlich nur, wenn du vorhast, es weiter zu benutzen. Wenn du es mir wieder zurückgibst, lösche ich deine Erinnerung daran und du lebst weiter, wie bisher.“ Light’s Blick wanderte von dem Death Note zu der Leiche von Katsuragi. Dann musste er wieder an Romy denken. „Ich werde es benutzen“, sagte Light schließlich mit fester Stimme. „Ich werde es benutzen, um damit die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“ „Einem besseren Ort?“ „Ja. Auf dieser Welt gibt es viele Menschen, die Verbrechen begangen haben, ohne dafür bestraft zu werden. So wie er hier… Für die Hinterbliebenen der Opfer ist das besonders schrecklich, aber vor allem stellen diese Menschen weiterhin eine Bedrohung für die restliche Bevölkerung dar. Das Gesetz ist da machtlos, sie können nicht immer für Gerechtigkeit sorgen. Und deshalb… werde ich es tun. Ich werde von nun an all diesen Verbrechern ihrer gerechten Strafe zufügen. Ich werde… eine neue Weltordnung schaffen!“ Ryuk kicherte. Er hatte es ja geahnt: bei den Menschen würde es ihm sicher nicht zu langweilig werden! So kam es, dass die Verbrecher dieser Welt nach und nach den Tod durch Herzversagen fanden. Egal, wo er sich befand. Egal, welches Verbrechen er begangen hatte. Er war vor der Hand der Gerechtigkeit nicht sicher. Schon bald ging unter der restlichen Bevölkerung das Gerücht um, dass jemand für Gerechtigkeit sorgte und die Bösen bestrafte. Light war zufrieden. Alles lief nach Plan… „Die Welt von heute ist nur allzu praktisch“, erklärte Light Ryuk. „Ich kann über das Internet alle Informationen bekommen, die ich brauche. Außerdem hake ich mich zusätzlich in die Datenbank der Polizei ein, um an geheime Ermittlungsdaten heranzukommen.“ „Aber warum schreibst du nie eine Todesursache dazu? Dadurch sterben doch alle an Herzversagen.“ Ryuk warf einen fragenden Blick ins Death Note. Light lächelte und lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück. „Das ist ja der Sinn daran, Ryuk. Dadurch, dass ich alle an Herzversagen sterben lasse, merkt bald der dümmste Typ, dass all diese Verbrecher durch die Hand einer einzigen Person sterben. Ich will die Welt von meiner Existenz wissen lassen. Sie sollen wissen, dass jemand das Schwert der Gerechtigkeit schwingt. Hier, sieh dir das an.“ Light tippte auf seinem Laptop herum und rief eine Seite auf. Ryuk trat hinter Light und sah sich den Bildschirm genau an. Kira – unser Erlöser! stand dort groß als Überschrift. „Von diesen Seiten gibt es massig im Internet. Sie haben mir den Namen Kira gegeben, eine Ableitung von dem englischen Wort Killer. Recht einfallslos, aber da die Welt mich mittlerweile bereits unter diesem Namen kennt, werde ich ihn auch annehmen.“ Doch nicht nur die Tugendhaften, die Kira anfeuerten, und die Verbrecher, die Kira fürchteten, wurden auf Kira aufmerksam. Ein junger Mann saß auf dem Boden seines Appartements und las leicht amüsiert die neuesten Ermittlungsergebnisse im Kira-Fall. „Aha. Endlich rührt sich die schwerfällige Interpol. Ich denke, es wird Zeit dass ich auch aktiv werde. Aber selbst ich werde in diesem Fall nicht ohne die Hilfe der Polizei auskommen.“ „Chef? Chef?!“ Soichiro Yagami wandte sich um. Toda Matsuda, seit einem Jahr von der Polizeischule und noch sehr unerfahren, was den praktischen Polizeidienst betraf, hatte ihn angesprochen. Er war recht nervös, unsicher. Kein Wunder. In ein paar Minuten würde das Experiment beginnen. „Glauben Sie, wir können diesem Kerl vertrauen?“ Soichiro rückte seine Brille zurecht. „Ich denke schon. Immerhin hat er zahlreiche, schwierige Fälle gelöst. Er wird schon wissen, was er tut…“ Matsuda verzog das Gesicht und wandte sich wieder dem großen Bildschirm in der Zentrale zu. Na hoffentlich… Light saß gerade wieder am Schreibtisch und machte Hausaufgaben – schrieb aber nebenbei Namen in das Death Note – als die Sendung, die gerade im Fernsehen lief, für eine wichtige Sondersendung unterbrochen wurde. L, der beste Detektiv der Welt, wollte sich persönlich an Kira wenden. Diese Sendung sollte weltweit ausgestrahlt werden. Ein schwarzhaariger Mann saß an einem Rednerpult, die ernste Miene stur auf die Kamera vor sich gerichtet. „Guten Abend. Mein Name ist Lind L. Tailor, der Welt auch bekannt als L, der Meisterdetektiv. Ich möchte das Wort an alle Menschen da draußen, aber vor allem an dich, Kira, richten. Es geht dabei um die Serienmorde, die an Verbrechern begangen werden. Das ist ein Verbrechen größten Ausmaßes, das wir auf keinen Fall hinnehmen sollten. Daher habe ich mir vorgenommen, die als Kira bezeichnete Person zu verhaften, koste es, was es wolle. Kira, ich kann mir nur wage vorstellen, was dich dazu bewegt, all diese Menschen zu töten. Aber was du da tust, ist falsch. Du bist mindestens genauso schlimm, wie die, die du tötest. Du bist das Böse! Und deshalb werde ich dich höchstpersönlich zum Schafott führen!“ Light’ Gesicht war wutverzerrt. Er sprang auf. „Ich soll das Böse sein?! Ich bin die Gerechtigkeit! Und das werde ich dir und der ganzen Welt beweisen!!“ Light nahm den Stift wieder zur Hand und schrieb den Namen des Mannes in das Heft. Dann sah er auf seine Armbanduhr und wartete geduldig, bis die 40 Sekunden abgelaufen waren. Tailor brach pünktlich auf die Sekunde genau zusammen und starb. Die Sendung wurde sofort abgebrochen. Light lächelte zufrieden. Das hatte dieser L verdient! Ihn mit diesem Abschaum zu vergleichen, war unverzeihlich! Er war ein guter Mensch! Die Gerechtigkeit. Light wandte sich wieder seinen Hausaufgaben zu… als plötzlich eine Stimme aus dem Fernseher ertönte. „Nicht zu fassen… Ich würde es immer noch nicht glauben, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Du kannst also wirklich Menschen töten, ohne selbst anwesend zu sein.“ Light drehte sich wieder zum Fernseher. Dort ersetzte das Störbild nun ein weißer Hintergrund mit einem großen L in altenglischer Schrift. Light war fassungslos. Was war denn jetzt los? „Hör zu, Kira. Dieser Mann war ein verurteilter Mörder, der heute hingerichtet werden sollte. Seine Verhaftung fand unter extremer Geheimhaltung statt. Daher konntest nicht mal du von seiner Existenz wissen. Aber ich existiere wirklich! Na los! Versuch doch, mich zu töten! … So wie es aussieht, gibt es Menschen, die auch du nicht töten kannst. Das ist eine sehr wichtige Information für mich. Und jetzt verrate ich dir auch etwas Wichtiges: Diese Sendung sollte zwar weltweit ausgestrahlt werden. In Wirklichkeit aber wurde sie nur in der Kanto-Region in Japan ausgestrahlt. Der erste Mord, den Kira begangen hatte, fand auch in Japan statt. Ein wichtiges Indiz, dass mich glauben ließ, dass du dich dort aufhältst. Und ich hatte recht, andernfalls hättest du Lind L. Tailor nicht töten können. Dass das so glatt laufen würde, hätte selbst ich nicht erwartet. Aber bald schon werde ich dich zu deiner Hinrichtung führen können. Ich finde deine wahre Identität heraus und ziehe dich aus dem Verkehr! Denn ich… bin die Gerechtigkeit!“ Das Bild wurde durch den Wetterbericht für morgen abgelöst. Light stützte sich auf dem Schreibtisch ab. Ich bin das Böse? Er will mich überführen und zum Schafott führen? Das werden wir ja noch sehen… Ich werde deine Identität zuerst lüften und dich zuerst aus dem Verkehr ziehen! Denn ICH bin… die Gerechtigkeit! ~ Fortsetzung folgt ~ Kapitel 2: Misa --------------- Kapitel 2: Misa Light beobachtete den Sonnenuntergang und sog genüsslich die milde Abendluft ein. Was für ein schöner Abend! Genau richtig, um mal zu entspannen. „Hey, Light! Hast du mal kurz Zeit?“ Oder auch nicht… Träge wandte Light seinen Kopf. „Was gibt es denn, Ryuk? Du sollst mich doch nicht hier draußen ansprechen!“, flüsterte er ungehalten. „Ich weiß. Ich wollte auch nur sagen, dass ich dich ziemlich gut leiden kann und ich bin froh, dass einer wie du das Death Note gefunden hat. Du musst wissen, dass ich gezwungen bin, solange hier zu bleiben, bis entweder du oder das Death Note das Zeitliche segnen. Allerdings… bin ich weder auf deiner noch auf L’s Seite. Ich meine bloß, dass ich das, was ich gleich sage, nicht als dein Verbündeter sage, sondern weil es mich einfach nervt. Es ist mir gleich aufgefallen, da ich ja immer hinter dir bin. Seit zwei Tagen… wirst du von jemandem verfolgt.“ Seit zwei Tagen schon… Das ist wirklich extrem lästig. Aber warum verfolgt der mich? L kann mir doch unmöglich schon auf die Schliche gekommen sein… oder doch? Ohne sich etwas anmerken zu lassen, lief Light geradewegs nach Hause. Dort ging er wie immer sofort in sein Zimmer und schloss ab. Mal überlegen… Laut den Ermittlungsakten hat die Sonderkommission, die Kira fassen soll, bisher herausgefunden, dass Kira die Namen und Gesichter seiner Opfer aus den Medien kannte. Zudem hat L angeordnet, dass die Todeszeitpunkte überprüft werden sollten. Wodurch er schlussfolgerte, dass Kira ein Schüler oder ein Student sein muss. Soweit, so gut. Aber dadurch kann er doch nicht schon auf mich gekommen sein. Es sei denn…! Ja klar! Allem Anschein nach vermutet L, dass Kira unter dem Kreis der Sonderkommission zu finden ist. Und lässt daher alle Mitglieder und deren Angehörige beschatten. Das Beste wird sein, wenn ich mich ruhig verhalte und mir nichts anmerken lasse, sonst bin ich geliefert. „Light? Ich hätte da einen Vorschlag zu machen. Es gäbe einen Weg, wie du den Namen des Mannes herausfinden könntest, der dich verfolgt.“ Light brach seine Gedankengänge ab und wandte sich dem Bett zu, auf dem Ryuk saß und schmatzend einen Apfel verzehrte. „Hast du dich eigentlich je gefragt“, sagte er kauend, „woher wir Todesgötter die Namen unserer Opfer kennen?“ Es fiel Light wie Schuppen von den Augen. „Du kannst sie sehen…“, stellte er aufgeregt fest. Ryuk grinste und bleckte dabei seine Zähne, aus dem der zerkaute Apfelbrei hervorquoll. „Richtig. Mit den Augen eines Todesgottes kann man sowohl den Namen, als auch die verbleibende Lebenszeit einer Person sehen. Willst du sehen, was ich sehe? Wenn du bereit bist, mir die Hälfte deiner Lebenszeit zu opfern, gebe ich dir im Gegenzug die Augen eines Shinigami. Damit kannst du dann den Namen des Mannes herausfinden und ihn ins Death Note schreiben.“ „Auf keinen Fall!“, sagte Light so entschieden, dass Ryuk hinter über kippte. „Schon gut, Kleiner. War ja nur ein Vorschlag. Aber anscheinend willst du deine Lebenszeit nicht halbieren, he?“ „Darum geht es nicht“, entgegnete Light mürrisch. „Ich will den Namen dieses Mannes nicht in mein Death Note schreiben.“ „Wie jetzt?! Wieso denn nicht?!“, rief Ryuk und sprühte Light mit Apfelresten voll. Angewidert wischte sich Light das Zeug von der Wange und antwortete: „Ganz einfach! Ich will das Death Note benutzen, um die Welt von Verbrechern zu befreien. Dieser Mann ist aber kein Verbrecher, er beschattet mich lediglich. Wenn ich ihn töte, bin ich selbst ein Verbrecher.“ Lind L. Tailor zu töten, war ebenfalls ein Verbrechen. Das wusste Light nur zu gut. Er konnte sich selbst nicht erklären, warum er dessen Namen in sein Death Note geschrieben hatte. Sicher, Tailor hatte ihn mit Verbrechern auf eine Stufe gestellt, aber hatte Light nicht diese Behauptung gestützt, indem er Tailor getötet hatte? Sein zuweilen kindischer Stolz hatte ihn dazu veranlasst; eine negative Eigenschaft seinerseits, die ihm schon oft im Wege stand. Romy hatte das auch immer bemängelt. Es schien so, als ob das Death Note seine negativen Seiten verstärken würde. Er musste aufpassen, sonst würde er bald nicht mehr er selbst sein und selbst die größte Gefahr für die Bevölkerung darstellen! Das musste er unbedingt verhindern. „Dieser Mann… und auch L… ich werde beide von meiner Unschuld überzeugen, ohne sie zu töten.“ Ryuk verzog das Gesicht. Wie langweilig… „Schön. Aber dann will ich noch mehr Äpfel haben. Schließlich muss ich noch länger die Blicke dieses Typen im Nacken ertragen.“ Von Ryuk und Light unbemerkt, bewegte sich am Fenster ein Schatten. Die Gestalt hatte ihr Gespräch mit angehört und sie musste zugeben, dass das Ergebnis sie überraschte. Das musste sie Ihr erzählen! Mal sehen, was Sie jetzt zu tun gedachte… Neun Tage später veranstaltete der Sender Sakura-TV eine Art Jahrmarkt. Überraschenderweise tauchten viele Leute dort auf, denn eigentlich war der Sender nicht sehr beliebt bei den Zuschauern. Unter den Besuchern waren auch Sayu und eine Freundin. Mit Cola-Bechern bewaffnet standen sie ziemlich Abseits und beobachteten das rege Treiben. „Mann, die Veranstaltungen dieses Senders sind echt unter aller Kanone“, höhnte Sayu’s Freundin und musterte die Leute kritisch. Sayu nickte zustimmend. „Stimmt. Wenn wenigstens eine berühmte Persönlichkeit hier auftauchen würde… Aber die haben sicher alle Besseres zu tun, als sich hier zu langweilen.“ Die beiden Mädchen kicherten. Plötzlich schaltete der riesige Bildschirm, der eben noch eine dümmliche Comedy- Sendung ausstrahlte, ins Studio. Eine Nachrichtensprecherin mit ernster Miene erschien. „Verehrte Zuschauer. Wir von Sakura-TV haben gestern Abend 4 Nachrichten von jemandem erhalten, der sich selbst Kira Nummer 2 nennt. Im ersten Band kündigte dieser Kira den Tod zweier weiblicher Schwerverbrecher an, die tatsächlich gestern um 19 Uhr an Herzversagen starben. In der ersten Nachricht verkündete Kira zudem, dass wir heute, exakt um 17 Uhr 59 das zweite Band öffentlich abspielen sollen, andernfalls würde er alle Mitarbeiter des Senders töten. Sie verstehen sicher, dass wir dieser Forderung nachgehen müssen. Es hieße, dass auch in diesem Band Morde an Menschen angekündigt werden.“ Sayu und ihre Freundin warfen sich besorgte Blicke zu. Das war jetzt ein bisschen zuviel Aufregung. Die Nachrichtensprecherin verschwand und exakt zur angegebenen Uhrzeit spielte der Sender die Nachricht ab. Auf weißem Hintergrund tauchte der Name Kira auf und eine verzerrte Stimme sprach: „Ich bin Kira 2. Wenn dieses Band am 18. März um 17: 59 abgespielt wird, wird der Nachrichtensprecher Kazuhiko Hibima vom Sender Taiyo-TV exakt um 18 Uhr an Herzversagen sterben.“ Sofort lieferte Sakura-TV ein Bild von dem Sender. Dort fand gerade eine Diskussion zum Thema Kira statt. In dem Moment, als es 18 Uhr schlug, bekam Kazuhiko Hibima, der sich gerade über Kira aufregte, einen Herzinfarkt und starb. Die Zuschauer des Festivals schrieen entsetzt auf, starrten aber weiterhin wie gebannt auf den Bildschirm. Die Stimme meldete sich wieder. „Herr Hibima hat es gewagt, sich öffentlich gegen Kira auszusprechen. Das war unverzeihlich. Ich bin ein großer Verehrer von Kira und dulde es nicht, dass jemand sein Werk kritisiert oder in Frage stellt.“ Die Zuschauer plauderten aufgeregt durcheinander, dann begannen sie einstimmig, Kira zu bejubeln. „Das ist doch krank“, flüsterte Sayu. Ihre Freundin sah das aber anders. „Also… Ich muss zugeben, dass ich auch auf Kira’s Seite bin… Ich meine… die Kriminalitätsrate ist dank ihm stark zurückgegangen…“ Sayu sah sie entsetzt an. „Das mag ja sein! Aber das ist doch noch lange kein Grund, um…“ Der Klang von Polizeisirenen unterbrach das allgemeine Geplapper und ein Polizeiauto hielt mitten auf dem Platz. Zwei Polizisten sprangen aus dem Wagen und schoben sich durch die Menge, um für Ordnung zu sorgen. „Macht sofort, dass ihr hier alle wegkommt! Hier ist es viel zu gefährlich!“, rief der eine. „Das Festival ist vorbei! Wir übernehmen das hier jetzt!“, rief auch der andere, dann sagte er zu seinem Kollegen: „Ukita, wir müssen auf der Stelle diese Übertragung stoppen!“ Die Besucher reagierten empört und beschimpften die beiden Männer, ließen sie nicht zum Gebäude durch. Ukita versuchte, die Menschen beiseite zu schieben. Und dann geschah das Unfassbare: Ukita bekam plötzlich starke Schmerzen im Herz und brach zusammen. Kurz darauf durchfuhr seinem Kollegen ebenfalls der stechende Schmerz, ebenso sämtliche uniformierte Polizisten, die ihnen zur Hilfe geeilt waren. Wie die Fliegen starben sie alle einer nach dem anderen an Herzversagen. Einige Kilometer entfernt saß Light vor seinem Fernseher und ballte die Hände zu Fäusten. Was zum Teufel ging da vor sich? Ryuk stand hinter ihm und kicherte. „Sieht ganz so aus, als gäbe es da noch jemanden mit einem Death Note. Und anscheinend hat dieser den Deal mit den Augen abgeschlossen.“ „So ein Mistkerl! Was denkt der sich dabei?!“ „Warum bist du denn so sauer? Der ist doch auf deiner Seite.“ „Es ist mir egal, was dieser Typ für eine Motivation hat! Er tötet unschuldige Menschen! Und das auch noch in meinem Namen! Ich würde niemals jemanden töten, nur weil er sich gegen mich ausspricht! Jedenfalls nicht noch mal…“ Ryuk riss die Augen auf und deutete auf den Fernseher. „Es kommt noch schlimmer! Sieh mal da!“ Light erstarrte, als er das Mädchen sah, das langsam auf die Leichen der Polizisten zu ging. „Sayu!“ Sayu starrte zitternd auf die beiden Männer. „Herr Ukita… Herr Ide…“ Fassungslos sank sie neben die Leichen und weinte. Sie kannte die beiden Männer sehr gut. Wenn sie ihren Vater besucht hatte, wurde sie immer von ihnen begrüßt, hatten mit ihr gescherzt und ihr heimlich Kekse zugesteckt. Und jetzt waren sie einfach so tot umgefallen… Kira’s Stimme ertönte wieder: „Sie haben es gewagt, sich gegen Kira aufzulehnen. Das ist unentschuldbar! Kira wird eine neue Welt erschaffen, in der nur die Guten leben.“ Wütend drehte sich Sayu zu dem Bildschirm um. „Deine blöde, neue Welt interessiert hier keinen!!!“ Sayu sprang auf und sah direkt in die Kamera. „Warum hast du sie getötet? Das waren gute Menschen, sie haben niemanden etwas getan! Was versprichst du dir davon, andere zu töten, nur, weil sie sich gegen Kira auflehnen?! Das hat überhaupt nichts mit Gerechtigkeit zu tun! Du bist nur ein Mörder! Mörder! Mörder!!“ Light sprang von seinem Stuhl auf. „Sayu, sei still! Sonst tötet er dich noch!“ Doch aus irgendeinem Grund geschah nichts. Sayu blieb unversehrt. Stattdessen raste ein Lieferwagen direkt auf den Festivalplatz und fuhr mit höchster Geschwindigkeit mitten in die Übertragungswand. Ein Mann mit einem Helm stieg aus, sah sich suchend um und steuerte schnurstracks auf die Kabel zu. Dann zückte er seine Waffe und schoss das Kabel kaputt. Die Besucher schrieen entsetzt auf und stoben auseinander. Der Mann ging nun auf Sayu zu und sagte: „Sayu, bist du in Ordnung?“ Tränen stiegen in Sayu’s Augen auf. „Daddy?“, schluchzte sie. Soichiro schob den Sichtschutz hoch. „Hier, verdeck damit dein Gesicht und geh rein!“, sagte er und gab ihr sein Jackett. Sayu warf es sich über den Kopf und rannte in das Gebäude. Soichiro beschloss, die Gegend nach jemanden abzusuchen, der als Verdächtiger in Frage käme. Er konnte nicht ahnen, dass die Person sich im Sender befand. Mürrisch legte sie das Fernglas weg. Es ärgerte sie, dass man sie gestört hatte. Aber jetzt konnte sie die 2. Stufe ihres Plans in die Tat umsetzen. Derweil hatte sich Light auf den Weg zum Sender gemacht. Er machte sich große Sorgen um Sayu und seinen Vater. Es war jetzt wichtig, sie in Sicherheit zu bringen. Seinen Nachahmer konnte er später immer noch ausfindig machen. In der Eingangshalle des Senders suchte Light nach seiner Schwester. Er fand sie auf einer Bank sitzend, in Begleitung eines blonden, hübschen Mädchens. Das Mädchen sprach beruhigend auf seine Schwester ein und strich ihr über den Rücken. „Sayu!“, rief Light und rannte erleichtert auf sie zu. Als Sayu ihren Bruder sah, sprang sie auf und fiel ihm schluchzend in die Arme. „Oh, Light! Ich hatte solche Angst! Es war so schrecklich! Herr Ukita… und Herr Ide… sind tot!“ „Ich weiß. Ich hab es im Fernsehen gesehen.“ Light wandte sich an das Mädchen. „Danke, dass du dich um Sayu gekümmert hast.“ Die Blondine lächelte freundlich. „Kein Problem. Sayu und ich sind gut befreundet.“ Light hob eine Augenbraue. „Ach ja? Wie kommt es, dass ich dich noch nicht kenne?“ „Du hängst meistens in deinem Zimmer rum. Aber vielleicht sollte ich mich erst mal vorstellen. Ich heiße Misa Amane.“ Sie streckte ihm ihre Hand hin. Light schüttelte sie. „Und was tust du hier, Misa? Habt ihr euch hier verabredet?“ „Gewissermaßen. Ich arbeite hier. Eigentlich bin ich ja Model, aber ich moderiere hier bei dem Sender eine kleine Kochshow. Sayu und ich wollten nach dem Drehtermin noch was Essen gehen.“ „Sayu. Light.“ Soichiro betrat die Halle. Sayu eilte sofort in seine Arme. „Ich konnte leider niemanden finden, der als Verdächtiger in Frage kommt… Ich bringe Sayu jetzt nach Hause.“ „Ist gut, ich komm auch gleich mit“, sagte Light, dann wandte er sich Misa zu. „Also, noch mal vielen Dank.“ Misa hielt ihn zurück, trat ganz nah an ihn heran und flüsterte: „Willst du schon gehen? Ich dachte, wenn Sayu nicht mit Essen gehen kann… dann könnten wir beide doch zusammen etwas unternehmen.“ Sie lächelte Light verführerisch an. Der war allerdings alles andere als angetan. Verärgert zog er seinen Arm weg und zischte: „Du spinnst wohl? Ich dachte, du machst dir Sorgen um Sayu. Das hier ist wohl kaum angebracht. Machs gut, Misa!“ Kopfschüttelnd verließ Light den Sender. Misa sah ihm grinsend nach. „Sieht ganz so aus, als ob er nicht so reagiert hat, wie du es dir erhofft hast.“ Misa kicherte. „Das macht nichts. Das war nicht der richtige Zeitpunkt, das ist alles. Aber er wird mich noch lieben…“ Raye Penber war seit 18 Jahren Mitglied beim FBI. Er liebte seinen Job, auch wenn er ihn des Öfteren auszulaugen pflegte. Dennoch hatte er sich weder jemals beschwert, noch eine Sekunde lang ans Aufhören gedacht. Als er jedoch vor einigen Wochen von seinem Vorgesetzten mitgeteilt bekam, dass er von nun an auf Wunsch von L, dem Meisterdetektiv, zusammen mit 11 Kollegen in Japan Leute beschatten sollte, von denen einer der berühmte Serienmörder Kira sein sollte, wurde ihm etwas mulmig zumute. Zumindest hatte ihm L glaubhaft versichert, dass Kira nur dann töten konnte, wenn er den Namen und das Gesicht seiner Opfer kannte. Solange er also nicht in eine Situation geriet, in der er seinen Namen gegenüber einem der Verdächtigen preisgeben musste, war er in Sicherheit. Das hatte er geglaubt. Der gestrige Tag war für ihn wie ein schrecklicher Alptraum gewesen. Kira hatte Menschen getötet, dessen Namen er unmöglich wissen konnte! Und er war nicht einmal anwesend… Selbst L hatte dafür keine Erklärung. Auch die Beschattung hatte bisher nichts gebracht. Keiner der Verdächtigen hatte irgendetwas getan, was auf Kira hindeuten könnte. Nun war Raye auf dem Weg zurück in sein Hotel. Er hatte einen langen Tag der Beschattung hinter sich. Er hatte sich gerade eine Abendzeitung gekauft, als plötzlich eine Stimme hinter ihm sagte: „Raye Penber. Wenn Sie sich umdrehen, werde ich Sie umbringen. Ich bin Kira. Sie glauben mir bestimmt nicht, deshalb werde ich es Ihnen beweisen. Sehen Sie den Mann da drüben? Er ist ein verurteilter Vergewaltiger, ist aber wieder auf freiem Fuß. Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass er wieder rückfällig geworden ist. Ich werde ihn jetzt töten.“ Fassungslos blickte Raye hinüber zu dem Mann, der vor einem Restaurant fegte. Er wirkte ganz normal, doch dann bekam er plötzlich schmerzhafte Krämpfe und fiel tot um. Raye schluckte. Hinter ihm stand also wirklich Kira. „Sie sehen also, dass ich nicht lüge. Wenn Sie nicht wollen, dass ich Sie und alle Menschen, die hier rumlaufen, töte, dann tun Sie besser das, was ich Ihnen sage! Sie haben doch sicher einen Laptop bei sich. Nehmen Sie diesen Umschlag.“ Raye nahm den Umschlag entgegen, den die Person ihm hinhielt. „In dem Umschlag steckt ein Funkgerät. Stecken Sie sich die Ohrstöpsel ins Ohr und folgen Sie meinen Anweisungen.“ Während Raye das Funkgerät aus dem Umschlag holte, es sich in die Jackentasche steckte und die Ohrstöpsel ins Ohr tat, hatte sich die Person hinter ihm verzogen. Dafür hörte Raye die Stimme verzerrt über das Funkgerät. „Steigen Sie jetzt in die Bahn. Die Richtung ist mir völlig egal. Bedenken Sie, dass ich Ihnen folge und alles sehen kann, was Sie tun. Wenn Sie in die Bahn eingestiegen sind, suchen Sie sich einen Platz direkt an der Tür. Wenn alle Plätze dort besetzt sind, warten Sie, bis einer frei ist.“ Als die Bahn eintraf, stieg Raye ein und setzte sich auf einen Platz direkt neben der Tür, wie Kira es angeordnet hatte. Von ihm unbemerkt, stieg die Person, die ihre Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte, um unerkannt zu bleiben, in das Abteil nebenan ein. Sie stellte sich direkt an die Tür, die die beiden Abteile miteinander verbannt und in deren Mitte ein großes Fenster war, und sprach leise in ein Funkgerät, wobei sie Raye nicht aus den Augen ließ. „Im Umschlag befinden sich fünf weitere Umschläge und ein Kugelschreiber. Wie Sie sehen, sind die Umschläge versiegelt, aber auf der linken Seite befinden Sie sich mehrere Öffnungen. Auf dem ersten Umschlag befindet sich nur eine Öffnung. Schreiben Sie dort den Namen Ihres Vorgesetzten hinein, den kennen Sie bestimmt. Stellen Sie sich dabei das Gesicht ihres Chefs vor.“ Raye tat, wie ihm geheißen. Einige Minuten lang war es still, dann meldete sich die Stimme wieder. „Öffnen Sie jetzt Ihren Laptop. Ihr Vorgesetzter in Amerika müsste Ihnen nun eine Datei per Mail zugeschickt haben. In dieser Datei befinden sich Fotos und die Namen aller FBI-Ermittler, die mit Ihnen zusammen die Verdächtigen im Fall Kira observieren.“ Raye schaltete seinen Laptop ein und rief seinen Mailserver auf. Tatsächlich hatte sein Vorgesetzter ihm eine solche Datei geschickt. Was hatte Kira nur vor? Was sollte er damit anfangen? „Schreiben Sie die Namen der Personen in die Schlitze der übrigen vier Umschläge und betrachten Sie dabei genau die Gesichter der Ermittler. Machen Sie keinen Fehler, sonst ist Ihre Familie geliefert!“ Der gestandene FBI-Ermittler hatte keine andere Wahl, als zu gehorchen. Als er fertig war, steckte er die Umschläge und den Kugelschreiber zurück in den großen Umschlag. „Sieht so aus, als wären Sie fertig. Legen Sie das Funkgerät auch wieder in den Umschlag und deponieren Sie ihn auf der Ablage über Ihrem Sitz. Bleiben Sie dann noch 30 Minuten in der Bahn sitzen. Steigen Sie erst aus, wenn Sie sicher sein können, dass niemand mehr im Zug ist, dem es auffallen könnte, dass Sie den Umschlag dort liegen gelassen haben.“ Mit zitternden Beinen erhob sich Raye und legte den Umschlag, in den er zuvor das Funkgerät hineingesteckt hatte, auf die Ablage. Als er sich wieder hinsetzte und aus dem Fenster gegenüber sah, erblickte er plötzlich diese grauenvolle Gestalt. Es flog für den Bruchteil einer Sekunde am Fenster vorbei und war dann verschwunden, sodass Raye an seinem Verstand zweifelte. Die nächsten Minuten verbrachte Raye damit, fieberhaft zu überlegen. Als Kira noch direkt hinter ihm stand und er dessen Stimme direkt hören konnte, glaubte er, diese schon einmal gehört zu haben. Doch ihm wollte einfach nicht einfallen, wo. Zumindest klang sie weiblich, was den Kreis der Verdächtigen schon einmal stark eingrenzte. Nach einer geschlagenen Dreiviertelstunde, in der er mehrmals die Strecke entlang fuhr, stieg Raye schließlich aus. Er beschloss, sofort mit L Kontakt aufzunehmen, sobald er im Hotel war, und diesen über die neuesten Geschehnisse zu informieren. Sie mussten überlegen, wie es weiterging, jetzt, wo Kira die Namen der FBI-Ermittler wusste. Dazu würde es allerdings nicht kommen. Nur wenige Sekunden, nachdem Raye Penber aus der Bahn stieg, durchfuhr ihn ein stechender Schmerz in der Brust. Keuchend packte er sich an die Brust und sackte zusammen. Er wälzte sich auf dem Boden, schnappte nach Luft und wurde von Krämpfen geplagt. Mehr durch Zufall sah Raye in den Zug – an der Tür stand die Person, die sich als Kira ausgegeben hatte und jetzt erkannte Raye sie. Aber das konnte doch nicht sein! Wie konnte ausgerechnet SIE Kira sein? Von einem letzten, heftigen Krampf gefoltert, starb Raye Penber schließlich. Doch nicht nur er: zeitgleich mit ihm starben auch alle anderen FBI-Ermittler an Herzversagen. Die Person im Zug nahm sich seelenruhig den Umschlag, setzte sich auf den Platz, auf dem zuvor Raye saß, öffnete ihn und holte die fünf Umschläge raus. Diese waren oben offen, sodass sie jeweils ein Blatt aus dem Umschlag ziehen konnte. Diese Blätter entpuppten sich nun als Seiten aus dem Death Note. Von ihr vorgefertigt, standen dort Zeitpunkt und Todesursache. Raye selbst hatte dann durch die Öffnungen die Namen dazugeschrieben und damit seinen eigenen Tod und den seiner Kollegen herbeigeführt. Die Person lächelte zufrieden. Die Regeln im Death Note hatten sich als sehr nützlich erwiesen. Es ist möglich, zuerst die Todesursache und die genauen Umstände zu notieren und den Namen nachträglich vor diesen Eintrag zu schreiben. Nach dem irdischen Kalender bleiben dafür 19 Tage Zeit. Das Death Note entfaltet auch seine Wirkung, wenn man nicht der eigentliche Besitzer ist, solange man Namen und Gesicht der Person kennt, die man hinein schreibt. Fröhlich schob sie die Blätter in ihre Tasche, zog Jacke, Mütze und Handschuhe aus, warf sie in einen Kleidercontainer und machte sich auf den Weg, ihre Freundin zu besuchen. Light tappte ungeduldig mit dem Fuß auf den kalten Boden. Er wartete auf Ryuk, der die Gegend auskundschaften sollte. Schon heute Morgen war es ihm aufgefallen, hatte es aber als Ausnahme abgetan. Doch als er nach dem Unterricht immer noch nicht zu sehen war, schickte er Ryuk los, nach ihm zu suchen. Nach wenigen Minuten sah Light den Todesgott auf sich zufliegen. „Und? Hast du ihn irgendwo gesehen?“ Ryuk landete und fuhr seine großen, schwarzen Flügel ein. „Nein. Ich hab überall gesucht, aber er ist nirgendwo zu sehen! Vielleicht hat der Typ es ja aufgegeben, dich zu verfolgen.“ „Das kann ich mir nicht vorstellen… Gestern war er doch noch hinter uns her.“ Nachdenklich betrat Light das Haus. Im Flur fiel ihm gleich auf, dass sie Besuch hatten. Wahrscheinlich Sayu’s komische Freundin, dieses Model. Light mochte sie nicht besonders. Sie war ihm zu aufdringlich gewesen. Außerdem war es für Light noch zu früh, an eine neue Beziehung zu denken. Romy’s Tod war gerade mal ein paar Wochen her! Light nahm sich aus dem Obstkorb, der auf dem Esstisch stand, einen Apfel als Belohnung für Ryuk mit, dann ging er rauf in sein Zimmer. Bevor er jedoch abschließen konnte, drückte jemand die Tür wieder auf. Eine strahlende Misa lugte durch den Türspalt. „Hallo, Light. Erinnerst du dich noch an mich?“ Light nickte kühl. „Sicher. Was gibt es? Ich wollte jetzt meine Hausaufgaben machen.“ „Ich möchte mit dir reden. Hättest du ein paar Minuten für mich?“ „Eigentlich nicht. Sayu wartet sicher auf dich, geh besser zu ihr.“ Light wollte die Tür wieder schließen, da zückte Misa einen Gegenstand und hielt ihn Light hin. Light stockte, starrte geschockt auf das schwarze Buch. Ein Death Note! „Du? Du bist der zweite Kira?“ Schnell schob sich Misa an ihm vorbei ins Zimmer. „Hast du jetzt Zeit für mich?“ Light schloss die Tür und drehte den Schlüssel um. Er deutete auf seinen Schreibtischstuhl, als Zeichen, dass Misa dort Platz nehmen sollte. Er selbst setzte sich auf das Bett ihr gegenüber. Sie schwiegen sich eine Weile an, dann fragte Light: „Wie hast du herausgefunden, dass ich Kira bin?“ „Du hast den Deal mit den Augen also nicht gemacht, das habe ich mir schon gedacht. Mit den Augen eines Todesgottes kann man den Namen und die verbliebene Lebenszeit einer Person erkennen. Nur bei Menschen mit einem Death Note sieht man nur den Namen, sonst nichts. Ich habe dich vor ein paar Wochen zum ersten Mal gesehen und sofort erkannt, dass du dieser Kira sein musst. Da dich aber dieser FBI-Typ verfolgt hat, konnte ich dich nicht einfach so ansprechen. Also hab ich mich mit deiner Schwester angefreundet. So konnte ich hier ein- und ausgehen, ohne, dass es verdächtig aussah. Irgendwann wurde mir das dann aber doch zu lästig und da hab ich den Mann und all seine Kollegen aus dem Weg geräumt.“ Light traute seinen Ohren nicht. Nicht zu glauben, dass dieses zierliche, sanftmütig wirkende Mädchen so kaltblütig mehrere Menschen getötet hatte! „Warum hast du das gemacht?!“ Light konnte seine Wut kaum unterdrücken. „Ich würde niemals einfach so Menschen töten, nur weil sie mir im Weg sind! Ich töte nur Verbrecher. Und selbst da differenziere ich noch. Menschen, die aus Notwehr oder im Affekt getötet haben oder ihre Taten aufrichtig bereuen, werden ebenfalls von mir verschont. Du aber hast unschuldige Menschen getötet, ohne mit der Wimper zu zucken! Du bist nicht besser, als diese Verbrecher!“ Misa sprang auf. „Wie kannst du nur so was sagen?! Ich hab doch das alles nur getan, weil ich dir helfen wollte. Du solltest sehen, dass ich jede deiner Anweisungen sofort ausführe. Du kannst mich ruhig benutzen, wenn du willst!“ „Wie kannst du nur so was sagen?“ Misa plumpste auf den Boden und schluchzte. „Vor einem Jahr… habe ich meine Eltern verloren. Sie hatten einen Einbrecher überrascht und wurden von ihm ermordet. Ich habe ihn gesehen, wie er floh. Doch meine Zeugenaussage reichte nicht aus, um ihn zu bestrafen und so kam er wieder frei. Ich bin in ein tiefes Loch gefallen… Doch dann… las ich vor einem Monat in der Zeitung, dass der Mörder meiner Eltern von Kira zur Rechenschaft gezogen wurde. Als ich das las, fand ich meinen Lebensmut zurück. Ich wollte dir unbedingt dienlich sein… Für die Gerechtigkeit muss man Opfer bringen, das ist unumgänglich! Und ich wusste keinen anderen Weg… um dir zu danken. Ich wollte dich unbedingt treffen!“ Misa brach ab und weinte. Light erhob sich vom Bett, kniete sich vor Misa und nahm sie in den Arm. „Danke, Misa“, flüsterte er. „Nach der Sache mit Lind L. Tailor hatte ich ernsthafte Zweifel, ob das, was ich tue, wirklich richtig ist. Aber du hast mich daran erinnert, warum ich das Death Note benutze. Um den Hinterbliebenen der Opfer von Verbrechen Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen! Es freut mich wirklich, dass ich dem feigen Mörder deiner Eltern bestrafen konnte und du wieder Freude am Leben hast. Trotzdem musst du mir versprechen, dass du nie wieder Menschen tötest, die nichts Schlechtes getan haben! Hast du verstanden?“ Misa wischte sich die Tränen aus den Augen. „Ja. Ich mach es nie wieder. Ich töte nur noch, wenn du es sagst.“ Light half Misa zurück auf den Stuhl, dann fiel ihm etwas ein. „Hast du eigentlich auch einen Todesgott, Misa?“ Misa nickte und hielt ihm ihr Death Note entgegen. Light berührte es. Hinter Misa tauchte ein gerippeartiges Wesen auf, ganz in weiß und mit grauem Haar. Die rechte Gesichtshälfte war von einem Verband verdeckt. „Das ist Rem“, stellte Misa das Wesen vor. „Darf ich deinen auch sehen?“ Light hielt Misa auch sein Death Note hin. Als sie es berührt hatte, konnte sie Ryuk auf dem Bett sitzen und einen Apfel essen sehen. „Ich hätte jetzt noch eine Bitte an dich, Light.“ Misa faltete die Hände im Schoß und lächelte geheimnisvoll. „Ich möchte… deine Freundin sein!“ Währenddessen fand wieder eine Konferenz bei der Sonderkommission statt. Dort erlebte Soichiro Yagami eine böse Überraschung: fast alle Polizisten der Sonderkommission hatten ihren Entlassungsgesuch auf seinen Schreibtisch gelegt. Sie wollten von dem Fall abgezogen werden. Soichiro wunderte das nicht. Immerhin hatten sie heute Mittag, als sie die Leichen von 12 FBI-Agenten fanden, herausgefunden, dass L ihre Angehörigen und Freunde beschatten ließ, weil er vermutete, dass Kira unter ihnen sei. Kira war es schließlich möglich, sich geheime Informationen aus den Ermittlungsakten zu beschaffen. Soichiro konnte es gut nachvollziehen, dass L Verdacht schöpfte, trotzdem war es nicht zu tolerieren gewesen, dass er ohne ihr Einverständnis diese Beschattung vorgenommen hatte. Der Großteil aller Polizisten weigerte sich, mit L weiter zusammen zu arbeiten. Sie misstrauten L. Außerdem fürchteten sie um ihr Leben, nachdem Ukita und Ide ums Leben kamen. Soichiro jedenfalls traute L, immerhin hatte er ihm den entscheidenden Tipp gegeben, sein Gesicht mit dem Helm zu verdecken, als er die Übertragung von Sakura-TV unterbrach. Soichiro sah von seinem Schreibtisch auf. Außer ihm wollten nur noch drei weitere Männer an dem Kira-Fall arbeiten: Toda Matsuda, Kanzo Mogi und Shuichi Aizawa. Nicht viel, aber immerhin… Vier Leute, die ihr Leben riskieren wollten, waren besser als nichts. „Und, was jetzt?“, fragte Matsuda besorgt. „Wie soll es jetzt weitergehen?“ „Wir alle sollen mit L zusammen arbeiten. Aber wir trauen ihm nicht! Wie sollten wir auch jemanden trauen, der uns nicht sein Gesicht zeigen will?“, warf Aizawa ein. „Darum geht es jetzt“, antwortete Soichiro ruhig und erhob sich. „L hat mir über Watari eine Nachricht zukommen lassen. Wir sollen in Zweiergruppen ins Teito-Hotel gehen, im Abstand von einer halben Stunde. Dort werden wir dann… L begegnen.“ Eine Stunde später standen alle vier Männer vor dem Zimmer, das L ihnen genannt hatte. Soichiro trat entschlossen vor und klopfte an. Ein älterer Herr, gekleidet wie ein Butler, öffnete ihnen die Tür. „Guten Abend die Herren. Ich bin Watari. L wartet schon auf Sie. Treten Sie bitte ein.“ Nacheinander betraten die Polizisten das Hotelzimmer. Im Wohnbereich sahen sie auf einem Tisch einen offenen Laptop und jede menge Süßigkeiten rum liegen. Ein heilloses Chaos, typisch für ein Genie. Doch wo war L? „Ich hab Sie schon erwartet.“ Ein junger Mann trat hinter einer Ecke vor. Die Polizisten kamen aus dem Staunen nicht mehr raus. Vor ihnen stand der seltsamste Typ, den sie je gesehen hatten. Er hatte kinnlanges, schwarzes Haar, das ziemlich struppig war. Seine Augen waren groß und schwarz und von dunklen Augenringen untermalt. Offenbar litt er unter Schlafmangel, was darauf hindeutete, dass er Tag und Nacht damit zubrachte, die Welt zu einem sicheren Ort zu machen. Er trug ein weites, weißes Shirt und ausgewaschene Jeans. Seine Füße waren nackt. Er hob einen Fuß und kratzte sich damit am anderen Bein. „Ich bin L“, sagte er tonlos. Der Reihe nach stellten sich die Polizisten vor. „Yagami, Polizeiministerium.“ „Matsuda.“ „Aizawa.“ „Mogi.“ L hob müde eine Hand, formte mit Daumen und Zeigefinger eine Pistole und machte nur „Peng!“ Die Polizisten zuckten zusammen. Was sollte das? „Wenn ich Kira wäre, wären Sie jetzt alle tot“, erklärte L ruhig. „Kira kann töten, wenn er den Namen und das Gesicht seiner Opfer kennt. Benutzen Sie daher in Zukunft nicht mehr Ihre richtigen Namen, wenn Sie sich ausweisen müssen, sonst geben Sie alle bald den Löffel ab. Das gilt natürlich auch für mich. Nennen Sie mich bitte von jetzt an Ryuzaki.“ Ryuzaki deutete auf die Couch. „Wollen Sie sich nicht setzen? Ach und schalten Sie bitte Ihre Handys ab. Ich mag es nicht, wenn fremde Handys klingeln, während ich rede. Sie dürfen sich auch keine Notizen machen. Das sind alles Vorsichtsmaßnahmen.“ Ryuzaki nahm in einem Sessel platz – genauer gesagt hockte er sich auf den Sessel und legte seine Hände auf seine Knie. Die Männer setzten sich auf die Couch. Ryuzaki teilte Ihnen seine Gedanken zum Kira-Fall mit, dann nahm er einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. Angewidert verzog er das Gesicht, nahm sich mehrere Zuckerwürfel und ließ sie nacheinander in die Tasse plumpsen. Das ganze rührte er dann mit einem Löffel um, den er nur mit Daumen und Zeigefinger festhielt. „Gibt es noch Fragen?“ Die Männer schüttelten den Kopf. Das ergriff Matsuda das Wort. „Wir haben es also mit zwei Kiras zu tun, von dem der eine nur das Gesicht braucht, um zu töten. Haben Sie einen Verdächtigen? Und was wollen Sie jetzt unternehmen?“ L lehnte sich im Sessel zurück. „Ja, ich habe einen Verdächtigen. Und ich habe auch einen Plan, wie ich Kontakt zu ihm aufnehmen kann. Später mehr dazu. Ich möchte Sie zunächst einzeln befragen.“ L erhob sich aus dem Sessel und schlürfte zum Panorama-Fenster. Zeit für einen Überraschungsangriff. Mir fehlt nur ein einziges Detail, um dich zu überführen. Ich darf jetzt nur nichts übersehen… Nur ein Detail. ~ Fortsetzung folgt ~ Kapitel 3: "Freunde" -------------------- Kapitel 3: „Freunde“ Mittlerweile war der Frühling eingekehrt. Die Kirschbäume blühten und warfen ihre zartrosafarbenen Blüten sanft auf die Erde. Die Menschen erfreuten sich an ihrem Anblick und nahmen sich teilweise sogar von der Arbeit frei, um sich mit ihren Familien unter die Bäume zu setzen. Light Yagami gehörte aber nicht zu diesen Menschen. Heute hatte er keine Zeit, um die Blütenpracht zu genießen. Heute, am 05. April, fand die Immatrikulationsfeier an der Touou-Universität statt. Durch seine Tätigkeit als Kira seine mentale Stärke zurück gewonnen, hatte Light die Aufnahmeprüfung mit voller Punktzahl bestanden. Zwar war es gestattet, dass die Familie ebenfalls zur Immatrikulationsfeier erschien, doch Light bestand darauf, allein dorthin zu gehen. Obwohl er ja gar nicht allein war, denn Ryuk begleitete ihn. Als Todesgott dürfte er sich nicht von dem jetzigen Besitzer entfernen. Ryuk legte den Kopf schief und bedachte Light mit seinem üblichen Alice-im-Wunderland-Grinsen. „Du wurdest also an der Uni angenommen. Ich bin so stolz…“ Light ignorierte ihn und schlürfte gemächlich in die Eingangshalle. Ihn interessierte nur eines: Er wurde zum Studentenvertreter gewählt und sollte heute eine Rede halten – aber nicht allein. Es gab noch jemanden, der, genau wie er, die volle Punktzahl bei der Prüfung erreicht hatte. Das hatte Light neugierig gemacht. Jemand, der sich offenbar mit seinem Intellekt messen kann… Wer mag das bloß sein? Ein Junge oder ein Mädchen? Eigentlich war Romy bisher die Einzige, die mit ihm mithalten konnte. So saß Light äußerlich ruhig auf seinem Stuhl und lauschte den Worten des Direktors. Innerlich konnte er es aber kaum erwarten zu erfahren, wer diese Person war. Endlich fand das Geschwafel des Direktors ein Ende. „Und nun ein Gruß von der Studentenvertretung. Ich bitte Light Yagami auf die Bühne.“ Light stand auf. „Ja“, sagte er laut und marschierte auf die Bühne. „Und ebenfalls Hideki Ryuga.“ Sofort ging ein Raunen durch die Halle und alle tuschelten laut durcheinander. Light runzelte die Stirn. Hideki Ryuga war ein berühmter Sänger. Aber der hatte doch nie im Leben genug Grips, um an der Touou angenommen zu werden. Na toll! Wahrscheinlich wahr der Typ auf Schlagzeilen aus und beschlossen, sich an irgendeiner Uni einzuschreiben. Und weil er ja so ein reicher und berühmter Promi war, bekam er natürlich auch gleich einen Bonus. Light seufzte genervt auf. Jetzt musste er sich auch noch mit so einem Dummkopf rumärgern. Plötzlich ertönte leises Gelächter von den Studenten hinter ihm. Am Podest angekommen, konnte Light endlich einen Blick auf diesen Hideki Ryuga werfen. Glücklicherweise war es nicht dieser hirnlose Promi. Der Typ, der offenbar denselben Namen trug, wie der Sänger, sah ganz anders aus. Er hatte schwarzes, verwildertes Haar und trotz des festlichen Anlasses, trug er ein weites, weißes Sweatshirt und verblichene Jeans. Die Schnürsenkel seiner Turnschuhe waren offen, er trug nicht mal Socken. Außerdem konnte Light genau sehen, dass auf dem Zettel, von dem er angeblich seine Rede ablas, kein einziges Wort stand. Der klassische, verquere Hochbegabte. Light musste sich ein Lachen verkneifen. Es schien so, als würde der junge Mann neben ihm sich über all das hier lustig machen. Sein lässiges Auftreten amüsierte den Brünetten sehr. Nachdem beide ihre Rede gehalten hatten, verließen sie unter Applaus die Bühne. Erst jetzt viel Light auf, dass sie die ganze Zeit nebeneinander gesessen hatten. Unauffällig beobachtete Light den Jungen neben sich. Er hatte seine Turnschuhe ausgezogen und saß nun barfuß und mit angezogenen Knien auf dem Stuhl. Den linken Arm hatte er um beide Knie geschlungen. Seine Augen wirkten gelangweilt, während er an seinem rechten Daumennagel knabberte. Plötzlich wandte der Junge sich ihm zu. Fragend legte er seinen Kopf schief. „Hast du was? Warum schaust du mich denn so an?“ Light lächelte und sah weg. „Nichts. Ich habe nur über etwas nachgedacht. Entschuldige bitte. Darf ich mich vorstellen: Ich bin Light Yagami.“ Der Schwarzhaarige knabberte weiter an seinem Nagel und musterte Light ausdruckslos, als wolle er überprüfen, ob er die Wahrheit sagte. „Hideki Ryuga“, erwiderte er dann schlicht. Wieder ergriff der Dekan das Wort. Um nicht zu stören, beugte sich Light zu Hideki rüber und flüsterte ihm ins Ohr: „Hast du nach der Feier noch etwas Zeit?“ „Wofür?“, fragte Hideki, ohne den Blick von der Bühne zu nehmen. „Ich würde dich gerne etwas besser kennen lernen. Was hältst du davon, wenn wir anschließend noch irgendwo zusammen hingehen?“ Hideki überlegte kurz, dann nickte er nur zustimmend. Dann konzentrierten sich die beiden Jungs wieder auf die Rede des Dekans. Nach der Feier schlenderten Light und Hideki den von Kirschbäumen gesäumten Weg entlang. Dass alle anderen Anwesenden das ungleiche Paar anstarrten – Light in seinem maßgeschneiderten Anzug und Hideki ganz nonchalant gekleidet – war ihnen völlig egal. Light führte Hideki zu einem Cafe´, ganz in der Nähe der Uni. Sie setzten sich ganz nach hinten in eine Ecke, die von mehreren Topfpflanzen verdeckt wird und so idealen Sichtschutz bot. Light bestellte ihnen beiden einen Kaffee, dann lächelte er sein Gegenüber freundlich an. „Das hier ist mein Lieblingscafe´. In dieser Ecke kann man sich ungestört unterhalten.“ Hideki sah sich um. Light konnte nicht sagen, ob er interessiert war oder nicht, sein Gesichtsausdruck war derselbe wie vorher. Schließlich sagte Hideki nur: „Guter Tipp.“ „Und du brauchst dir auch keine Sorgen wegen deiner Sitzhaltung zu machen“, versuchte Light wieder ein Gespräch zu beginnen. „Die fällt hier gar nicht weiter auf. Haha…“ „Ich kann es mir gar nicht leisten, mich anders hinzusetzen. Wenn ich mich normal hinsetze, sinken meine Denkfähigkeiten um 40%.“ Wieder schwiegen sie, bis der Kaffee serviert wurde. Light nippte an seiner Tasse und beobachtete den Schwarzhaarigen. Er war definitiv ein interessanter Typ, nur leider hatte er anscheinend keine Lust, etwas von sich zu erzählen. Aber irgendwie mussten sie sich doch besser kennen lernen… „Light? Ich würde dich gerne zu einem Tennismatch herausfordern.“ Überrascht sah Light von seiner Tasse auf. Warum war Hideki auf einmal so gesprächig? Und wie kam er dazu, mit ihm gerade Tennis spielen zu wollen? „Tennis spielen?“ „Ja.“ Hideki nippte an seiner Tasse. „Ich weiß eine menge über dich. Du bist der Sohn von Chefinspektor Soichiro Yagami. Deine Mutter Sachiko ist Hausfrau, deine Schwester Sayu ist drei Jahre jünger als du und geht auf die Mittelschule. Dich zeichnen Respekt vor deinem Vater und ein starker Gerechtigkeitssinn aus. Du strebst eine Polizeilaufbahn an und hast der Polizei in der Vergangenheit schon oft Ratschläge erteilt, die zur Lösung des Falls beigetragen haben. In der Mittelschule warst du nationaler Mittelschulchampion. Bei der Preisverleihung in der 9. Klasse hast du dann erklärt, dass du mit dem Tennis aufhören willst und hast seitdem an keinem Turnier mehr teilgenommen.“ Light war schwer beeindruckt – und auch sehr geschmeichelt, dass Hideki sich so gut über ihn informiert hatte. Jetzt war er mehr denn je daran interessiert, ihn näher kennen zu lernen. „Wenn du weißt, mit wem du dich hier anlegst, warum forderst du mich dann heraus?“, fragte Light amüsiert und beugte sich etwas weiter vor. „Keine Sorge. In England war ich mal Juniormeister.“ Endlich! Er hatte ihm etwas Persönliches über sich erzählt! Vielleicht konnte er noch mehr erfahren. „Bist du in England aufgewachsen, Hideki?“ „Ich habe fünf Jahre in England gelebt.“ „… Bist du Engländer?“ „Zu einem Viertel.“ „Und was ist mit dem anderen Dreiviertel?“ „Zu einem Viertel Russe, zu einem Viertel Italiener und zu einem Viertel Franzose.“ „Dein Name ist aber Japanisch.“ Hideki zuckte nur mit den Schultern, als Zeichen, dass er auch nicht wisse, wieso er diesen Namen trug. „Und? Was ist jetzt mit dem Match?“ Light lächelte mild. „Ja, ich würde sehr gern mit dir spielen…“ Ein lautes Surren unterbrach die traute Zweisamkeit. Hideki fischte sein Handy aus seiner Hosentasche. „Ja? … Ist gut. Bis gleich.“ Hideki legte auf und erhob sich, wobei er wieder in die Turnschuhe, die er zuvor ausgezogen hatte, schlüpfte. „Light, ich muss jetzt leider gehen.“ Light stand ebenfalls auf. „Warte, ich begleite dich noch.“ Er bezahlte und verließ dann mit Hideki das Cafe´. „Light~! Da bist du ja, mein Süßer!“ Light zuckte zusammen. Das dürfte doch wohl nicht wahr sein! Was machte die denn hier? Der Brünette drehte sich langsam um. Gerade noch rechtzeitig, um die Person, die auf ihn zusprang, aufzufangen, statt von ihr umgerissen zu werden. Misa kicherte und schmiegte sich an den warmen Körper. „Oh, Light! Es tut mir so leid, dass ich zu der Feier nicht kommen konnte, aber ich musste diesen Fototermin wahrnehmen. Zum Glück war der Termin hier in der Nähe, da dachte ich, ich komme danach sofort her! Es ist so schön, dass ich dich noch antreffe! Ich hab dich so vermisst…“ Misa. Bist du wahnsinnig? Ich hab dir doch gesagt, ich will nicht, dass du meine Freundin wirst! Aber vielleicht sollte ich erstmal gute Miene zum bösen Spiel machen – sie hatte immerhin die FBI-Ermittler umgebracht. Sie sagte, die Idee dafür ist ihr durch einen Roman gekommen, den ihr Vater geschrieben hatte. Wer weiß, was für Ideen sie noch durch die Romane ihres Vaters bekommt… Misa’s Aufmerksamkeit richtete sich auf Hideki. Sie löste sich von Light und trat freundlich lächelnd näher. „Ist das ein Freund von dir? Cool, ein ganz eigener Stil! Hallo, ich heiße Misa Amane! Ich bin Light’s Freundin. Und wer bist du?“ „Ich bin Hideki Ryuga.“ Misa’s Lächeln erstarb. „Du heißt Hideki Ryuga?“, fragte sie ungläubig. Ihre grünen Augen wanderten langsam über Hideki’s Kopf, als würde dort etwas geschrieben stehen. Dem war ja auch so, nur konnte das nur Misa sehen. Seltsam… Das ist doch aber gar nicht der Name, den ich da oben sehe… Da steht doch… „Misa! Hier steckst du!“ Erschrocken wirbelte die Blondine herum. „Oje, tut mir leid, dass ich einfach abgehauen bin, Yosshi!“ Eine verärgerte, streng aussehende Frau mit Brille und Dutt stakste auf Misa zu, packte sie grob am Arm und zog sie weg. Dabei warf sie Light und Hideki missbilligende Blicke zu. „War das nicht MisaMisa?“ Hideki’s Blick wanderte von Misa zu Light. Dieser meinte, in den schwarzen Augen einen abschätzigen Ausdruck zu erkennen. „So eine ist deine Freundin?“ Das ärgerte Light und er fühlte sich aus irgendeinem Grund dazu verpflichtet, sich zu erklären. „Misa ist Sayu’s Freundin. Sie steht auf mich, aber sie ist absolut nicht mein Typ.“ Wieder musterte Hideki ihn, als wolle er den Wahrheitsgehalt dieser Aussage in dessen Gesicht ablesen. Und er schien zu dem Ergebnis zu kommen, dass Light die Wahrheit sagte. „Gut. Wir sehen uns dann in der Uni. Ich melde mich bei dir wegen dem Match.“ Hideki machte auf dem Absatz kehrt und schritt zu einer alten, englischen Limousine. Ein älterer Herr im Smoking hielt ihm die Tür auf. Unter den neidischen Blicken der anderen Studenten stieg der Schwarzhaarige ein. Light sah dem dunkelgrünen Fahrzeug nach, bis es um die Ecke bog und verschwand, dann machte auch er sich auf den Heimweg. Wieder zuhause ignorierte Light den Schwall an Fragen, den Sayu und seine Mutter auf ihn niederprasseln ließen und schloss sich mal wieder in seinem Zimmer ein. Endlich konnte sich Ryuk wieder zu Wort melden. „Sieht so aus, als ob du einen Freund gefunden hättest.“ „Ja…“ Light lächelte sanft. „Ich hoffe jedenfalls, dass er mein Freund wird. Ich würde es mir wünschen. Endlich habe ich jemanden gefunden, der sich mit meinem Intellekt messen kann. Ich habe zwar viele Freunde, aber mit denen konnte ich mich nie so richtig unterhalten.“ Ryuk kicherte. „Aber was ist, wenn dein »neuer Freund« erfährt, dass du Kira bist?“ Das Lächeln in seinem Gesicht erstarb. Ja, was wäre dann? Er konnte sich nicht vorstellen, dass Hideki dafür Verständnis hätte… oder doch? Wenn sie sich so gut verstehen, wie Light es sich vorstellte, dann würde er ihm sicher helfen… Zwei Tage später war dann das Tennismatch. Nach dem letzten Kurs am Nachmittag begaben sich Light und Hideki zum Tennisplatz, der sich hinter der Uni befand. Einige ältere Semester spielten auf den anderen Plätzen, aber es war noch ein Feld frei. Hideki spielte mit seinem Schläger, den er extra mitgebracht hatte, und wartete, bis sich Light seines Trainingsanzuges entledigt hatte, unter der er sein Tennisoutfit trug. Dann schnappte sich Light auch seinen Schläger und beide stellten sich auf ihre Positionen. „Wer den ersten Satz mit sechs Spielen gewonnen hat, ist Sieger. Einverstanden?“, fragte Hideki. „Ja, okay.“ Hideki schlug zuerst auf. Light war bereit, zurückzuschlagen – doch er hatte Hideki unterschätzt. Hideki schlug glatt mit einem Schmetterball auf. Der Ball zischte mit einer irren Geschwindigkeit an Light vorbei und schlug auf dem Feld auf. Light hatte nicht einmal die Chance, zu reagieren. Ihm fiel die Kinnlade runter. Der war ja klasse. Nach dem ersten Schock erwachte in Light der Kampfgeist. Das war endlich ein starker Gegner. Wie lange hatte er auf ihn gewartet… Light zitterte vor Aufregung. Er geht gleich aufs Ganze. Hideki ließ den Ball auftitschen und sagte ungerührt: „15:0“ Nach wenigen Minuten hatte ihr Spiel die Aufmerksamkeit aller Studenten auf sich gezogen. Sie versammelten sich alle am Gitter, das um die Tennisfelder aufgebaut war, um die Bälle abzufangen. „Seht mal, da spielen zwei Neue auf dem Tennisplatz.“ „Welche aus dem Tennisclub?“ „Nein, die kenne ich nicht.“ „Es sind Hideki Ryuga und Light Yagami. Die beiden haben dieses Jahr die Aufnahmeprüfung mit voller Punktzahl bestanden.“ „Seit der Immatrikulationsfeier hängen die zusammen rum.“ „Die scheinen keine Amateure zu sein.“ „Dieser Light war Mittelschulchampion. Über diesen Ryuga sind allerdings keine Infos zu finden. Er existiert praktisch gar nicht.“ „Dieser Light ist schon ein toller Typ!“ „Und wie cool ist erst dieser Hideki? Dass er es mit einem Mittelschulchampion aufnimmt… Der ist so süß!“ „Du hast einen furchtbaren Geschmack, Kyoko…“ „Wie können die Spitzensportler und zugleich Genies sein? Das ist doch nicht fair!“ „Aber ich hätte sie gern im Tennisklub.“ Gerade hatte Light einen Punkt gemacht. Mittlerweile hatten sie sogar Linien- und Schiedsrichter bekommen. Der Schiedsrichter rief laut den Punktestand. „ Spielstand 4:4“ Light und Hideki keuchten und schwitzten. Sie schenkten sich wirklich nichts und gaben in diesem Match alles. Und nun trennte beide nur noch ein Punkt vom Sieg… Zum letzten Mal schlug Hideki auf. Die beiden Genies schlugen den Ball hin und her, mit einer immensen Power und ohne Rücksicht auf den anderen. Light hatte noch nie soviel Spaß. Dieser Hideki verlangte alles von ihm ab! Es war wie ein Ritual, das ihre Freundschaft vertiefen würde – da war sich Light ganz sicher. Egal, wer gewinnen würde… Schließlich stürmte Hideki nach vorne, wechselte überraschend von der Defensive zum Angriff, schlug den Ball gezielt in die linke Ecke. Light konnte den Ball nicht rechtzeitig erreichen. Hideki hatte gewonnen. „Spiel, Satz und Sieg für Hideki Ryuga! 6:4!“ Light stützte seine Hände keuchend auf seine Knie. „Du… du hast mich… geschlagen“, keuchte er und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Ein Handtuch tauchte vor seiner Nase auf. Hideki hielt es ihm hin, damit er sich damit das Gesicht abwischen konnte. Dankbar lächelnd nahm Light es entgegen und wischte sich damit das Gesicht ab. „Du hast gewonnen. Ich schulde dir etwas. Kann ich irgendetwas für dich tun?“ Hideki legte seinen Zeigefinger auf seine Lippen und überlegte. „Weiß nicht. Ich denk noch drüber nach. Lass uns erstmal gehen. Hier ist es ganz schön voll geworden.“ „Ja, wir haben durch dieses Match viel Aufmerksamkeit erregt. Gehen wir.“ Light zog wieder seinen Trainingsanzug an und packte den Schläger zurück in die Sporttasche. Gemeinsam verließen die beiden Jungs den Campus und beschlossen, das Cafe aufzusuchen. Unterwegs kamen sie an einem Plakat vorbei. Hideki blieb davor stehen und stierte es an. „Was ist los? Gibt es da was Interessantes?“ Da Hideki nicht antwortete, stellte sich Light hinter ihn und sah sich das Plakat ebenfalls an. Eine Kirmes war in der Stadt! Light blickte amüsiert drein. „Möchtest du da hingehen, Hideki?“ Der Schwarzhaarige drehte seinen Kopf zu Light – er sah aus, wie ein kleiner Junge, der ein neues Spielzeug entdeckt hatte und sich nun darauf freute. Light war gerührt. „Das soll wohl ja heißen. Gut, ich schulde dir ja noch etwas. Also lass uns dort hingehen!“ Gesagt, getan. Light und Hideki besuchten gemeinsam die Kirmes. Dort stürzte sich Hideki sofort auf den Stand mit den Süßigkeiten und stierte hungrig auf die Zuckerwatte. Light musste lachen. „Möchtest du Zuckerwatte, Hideki? Komm, ich kaufe dir welche.“ Zuckerwatte kauend schlenderten die beiden Jungs über die Kirmes, betrachteten die vielen Stände und die vielen Lichter, die in der Dunkelheit noch besser zur Geltung kamen, und genossen den regen Trubel. Ein Lächeln zauberte sich auf das blasse Gesicht des Schwarzhaarigen. Er blühte heute Abend richtig auf. Light gefiel das sehr. Mit einem Autokarussell oder so wollten sie nicht fahren. Dafür waren sie wohl beide nicht der Typ. Bei dem Riesenrad waren sich allerdings beide einig, dass sie ruhig eine Runde drehen konnten. Sie setzten sich in eine Gondel, dann setzte sich das riesige Rad in Bewegung. Als sie ganz oben angekommen waren, schaute Hideki fasziniert hinaus. Von hier oben hatte man eine traumhafte Aussicht. Light beobachtete ihn heimlich dabei. Er sah wirklich aus, wie ein kleiner, neugieriger Junge. „Bist du glücklich, Hideki?“, hörte der Brünette sich fragen. Hideki senkte langsam den Blick, seine leuchtenden Augen verblassten wieder. Light sah besorgt drein. Was hatte er denn auf einmal? „Hideki…?“ „… Light… ich muss dir etwas sagen… Es geht um den Kira- Fall.“ Light schluckte. Es musste ja mal die Sprache auf dieses Thema fallen. Aber wie würde Hideki reagieren, wenn er die Wahrheit wüsste? Plötzlich war sich Light nicht mehr so sicher, dass der Schwarzhaarige auf seiner Seite wäre. Aber es gab nur einen Weg, Gewissheit zu erlangen. „Um Kira? Was ist mit ihm?“ Hideki musterte Light eindringlich, als überlege er, ob er wirklich diese Information herausrücken sollte. „Dieser L… das bin ich!“ Geschockt riss Light die Augen auf. Das war ja wohl ein Witz! Das kann nicht sein! Was redet er da? Außerdem… würde L doch niemals zugeben, dass er L ist. Nein, das muss ein Scherz sein. „Hahaha! Du bist mir vielleicht einer, Hideki! Solche Scherze solltest du aber wirklich lassen. Sonst glaubt dir das noch einer!“ „Es ist kein Witz. Ich bin L.“ Wieder lachte Light, diesmal etwas nervöser. „Das… ist doch Quatsch… Wenn du L wärst, wieso gibst du das erst jetzt zu? Wieso tust du erst ein paar Tage lang so, als wärest du jemand anderes?“ Light stützte seine Arme auf seine Oberschenkel und sah Hideki herausfordernd an. Er war sich ganz sicher, dass der Schwarzhaarige darauf keine Antwort hatte und so zugeben musste, dass er ihn bloß ärgern wollte. Tatsächlich machte Hideki ein betretenes Gesicht. „Ja, weißt du, dass ist…“ Plötzlich klingelte es in Hideki’s Hosentasche. Er fischte sein Handy heraus und ging ran. „Entschuldige mich bitte… Was ist?“ Hideki riss die Augen auf. „Wie bitte? Gut, habe verstanden.“ Hideki legte auf. „Light, dein Vater…“ Nun klingelte auch das Handy von Light. „Hallo? Mutter, was…“ Der Brünette schnappte nach Luft, ließ das Handy langsam sinken. „Mein Vater… hatte einen Herzinfarkt!“ Sofort eilten die beiden Jungs ins Ibaraki-Hospital. Dort saß schon Sachiko am Krankenbett ihres Mannes. Dieser versicherte den dreien, dass er wirklich nur überarbeitet war. „Sachiko, Light ist ja jetzt da. Geh ruhig nach Hause. Und sag bitte nichts zu Sayu, ich will nicht, dass sie sich noch mehr Sorgen macht.“ Geschlagen erhob sich Sachiko von ihrem Stuhl. „Ist gut. Ich bringe dir morgen frische Sachen ins Krankenhaus. Light, pass gut auf ihn auf.“ Light wartete, bis seine Mutter aus dem Raum raus war, dann fragte er sofort: „Vater, bist du sicher, dass du nur überarbeitet bist? Vielleicht… war es ja auch dieser Kira!“ Soichiro schüttelte schwach den Kopf. „Nein, keine Sorge. Ich bin einfach nur gestresst und überarbeitet. Das ist alles, wirklich.“ „Ich denke mal, wenn es Kira gewesen wäre, hätte Herr Yagami wohl kaum überlebt. Hat schließlich auch keins der anderen Opfer.“ Light musterte ihn von der Seite. „Dann… hast du also keine Witze gemacht, als du sagtest, dass du L bist…“ „Das ist richtig, mein Sohn“, stimmte Soichiro zu. „Dieser junge Mann hat sich uns vor ein paar Tagen als L zu erkennen gegeben. Wir ermitteln gemeinsam im Kira- Fall. Wir nennen ihn übrigens Ryuzaki.“ Light spürte einen leichten Stich in der Brust. Bis jetzt hatte er noch gehofft, dass das alles bloß Zufall war. Aber wenn sein Vater schon bestätigte, dass er L war, dann musste es wohl stimmen. Ryuzaki knabberte nachdenklich an seinem Daumennagel. „Aber ich bin wohl auch nicht ganz unschuldig an Ihrem Zustand. Dass ich Light verdächtige, Kira zu sein, hat wohl auch dazu beigetragen, was?“ Light sprang von seinem Stuhl auf. „Wie bitte? Du verdächtigst mich, Kira zu sein?! Und das hast du meinem Vater auch noch gesagt?!“ „Und, Ryuzaki? Hat das Treffen mit meinem Sohn den Verdacht gegen ihn zerstreut?“ „Ehrlich gesagt, hat er sich sogar noch verhärtet. Die Wahrscheinlichkeit liegt jetzt bei 7%.“ „Hey! So was kannst du doch nicht vor meinem Vater sagen! Du hast wohl überhaupt kein Feingefühl!“ „Ist schon gut, Light. Mir ist es so lieber, als wenn man mich im Unklaren lässt.“ „Und wie kommst du auf mich, wenn ich fragen darf?!“ „Kira hat alle zwölf FBI-Ermittler auf einmal getötet. Und es ist eine Tatsache, dass Kira zu jeder Zeit über den Ermittlungsstand der Polizei informiert ist. Ich vermute, dass ein Mitglied der Sonderkommission ein Angehöriger Kiras ist. Und da ist noch etwas… Einer der FBI-Agenten, Raye Penber, hat im Augenblick seines Todes unentwegt in den Zug gesehen. Ich vermute, dass Kira im Zug war. Das bedeutet, dass er Kira’s Gesicht gekannt hatte, woraus ich schlussfolgere, dass Kira zu dem Kreis der Personen gehört, den Penber observiert hatte. Und das waren die Familien von Herrn Yagami und Herrn Kitamura, dem Polizeipräsidenten.“ Na toll! Dank Misa’s blöder Aktion verdächtigt L mich jetzt erst recht! Warum musste sie die FBI-Agenten auch unbedingt töten? Und das alles nur, weil Misa so berühmt ist. Klar, dass Penber sie erkannt hatte. Ach, mit dieser Tussi habe ich echt nur Ärger!!! Soichiro unterbrach die beiden Jungs in ihrem Gespräch, ehe das ganze in einem handfesten Streit ausartete. „Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen so viele Unannehmlichkeiten bereitet habe, Ryuzaki. Ich komme so schnell wie möglich zurück.“ „Was redest du da, Vater? Du wirst nichts tun, bevor du nicht wieder gesund bist!“ „Er hat recht. Überstürzen Sie nichts, Herr Yagami“, stimmte ihm Ryuzaki zu. Es klopfte an der Tür und die Krankenschwester trat ein. Als sie die beiden Jungs sah, stemmte sie die freie Hand in die Hüfte und herrschte sie an: „Die Besuchszeit ist jetzt um. Bitte gehen Sie jetzt!“ Light und Ryuzaki verabschiedeten sich von Soichiro und verließen das Krankenhaus. Light war aber noch nicht mit der Sache durch. „Hideki… Ryuzaki… oder wie auch immer du heißt… gibt es irgendeine Möglichkeit, dich davon zu überzeugen, dass ich nicht Kira bin?“ „Wenn du nicht Kira bist, ist es auch nicht nötig, mich davon zu überzeugen“, erwiderte Ryuzaki streng. Ärgern konnte er sich also auch… Light ärgerte sich aber auch. „Jetzt hör doch mal auf! Was glaubst du eigentlich, wie jemand sich fühlt, der verdächtigt wird, Kira zu sein?!“ Ryuzaki überlegte kurz. „Ich denke… er fühlt sich ziemlich beschissen… Aber mach dir keine Gedanken. Wenn du nicht Kira bist, wird sich das schon irgendwann herausstellen.“ Ryuzaki stieg in die Limousine ein, die vorgefahren war. Der ältere Herr schloss die Tür und ging nach vorne. Wie vor zwei Tagen sah Light dem Auto nach, bis es verschwunden war. Doch diesmal hatte er kein angenehmes Gefühl dabei. Und ich habe geglaubt, du wärest mein Freund. Aber du und ich… haben anscheinend gar nichts gemeinsam… Völlig erschöpft kam Light später als sonst nach Hause. Aber der Stress sollte für ihn noch nicht enden. In seinem Zimmer wartete noch eine böse Überraschung auf ihn. Eine wütende Misa saß mit verschränkten Armen auf seinem Bett und funkelte ihn böse an. Light seufzte, ließ seine Tasche auf den Boden fallen. „Misa. Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du nicht ungefragt in mein Zimmer kommen sollst?“ Misa ignorierte ihn. „Wo warst du?!“, keifte sie, ihre Augen sprühten Gift und Galle. So war sie Light erst recht unsympathisch. Um nicht zu sagen, so fand er sie richtig hässlich. „Was geht dich das an?“ „Du warst mit irgend so einer Tussi aus, stimmt’s?!“ „War ich nicht. Und selbst, wenn es so wäre, ist das doch wohl meine Sache.“ „Ich will das aber nicht!!!! Ich will dich nicht mit einer anderen teilen! Wenn ich das mitkriege, bringe ich sie um!!!“ Light’s Schläfen zuckten verdächtig. Diese Person hatte wirklich ein Händchen dafür, ihn zu verärgern. „Ich hatte dir doch ausdrücklich verboten, unschuldige Menschen zu töten!!“ „Ich weiß. Aber ich will dich für mich allein!!“ Wie ein bockiges Kind stampfte die Blondine mit dem Fuß auf. Light hasste sie mit jeder Sekunde mehr. „Was redest du da? Du kennst mich doch gar nicht!“ „Liebe auf den ersten Blick… kennst du das etwa nicht?“ Misa faltete die Hände wie zum Gebet und sah ihn mit leuchtenden Augen an. Light wollte ihr widersprechen, doch dann beschlich ihn ein seltsames Gefühl und er hielt lieber den Mund. „Und wie kommst du darauf, dass ich mit dir zusammen sein will? Du machst mir nur Ärger! Wegen deiner saublöden Aktion mit den FBI-Agenten verdächtigt L mich jetzt, Kira zu sein! Deinetwegen überführt er mich noch!!“ Er hatte sie eigentlich nicht so anbrüllen wollen, aber er war einfach unglaublich wütend. Wegen dem Zustand seines Vaters; wegen der Kira- Sache… und wegen Ryuzaki. Er atmete tief durch, dann beugte er sich bedrohlich zu Misa vor. „Wenn du noch einmal einen unschuldigen Menschen tötest, dann werde ich dich töten müssen!“ „Das lasse ich nicht zu, Light Yagami“, zischte eine bedrohliche Stimme neben den beiden. Rem hatte sich eingemischt und fixierte den Brünetten eindringlich, sodass dieser sich schütteln musste. „Ich kann die Lebenszeit, die dem Mädchen noch bleibt, genau sehen“, fuhr Rem leise fort. „Sollte sie vorher sterben, weiß ich, dass du dahinter steckst. Lass dir eines gesagt sein, Light Yagami. Solltest du Misa töten, werde ich deinen Namen ins Death Note schreiben!“ Light hätte am Liebsten laut geschrieen. Auch das noch! Jetzt hab ich diese Misa wahrscheinlich für immer am Hals. Und das alles nur, weil du unbedingt ein weiteres Death Note in die Menschenwelt bringen musstest, Rem… ~ Fortsetzung folgt ~ Kapitel 4: Experimente ---------------------- Kapitel 4: Experimente Wie soll ich bloß aus dem Schlamassel herauskommen? Misa will unbedingt meine Freundin werden, aber ich empfinde nicht das Geringste für sie. Ich finde sie total nervig und besonders hübsch ist sie auch nicht… Ich stehe echt nicht auf blond. Aber da sie immer noch so tut, als wäre sie mit Sayu befreundet, geht sie ungehindert bei uns ein und aus. Und ich kann ihr das nicht verbieten. Aber das sie mir einfach verbieten will, mit anderen Mädchen auszugehen… Was denkt die sich? Ich kann mit Mädchen ausgehen, wann ich Lust dazu habe! Am meisten stört es mich, dass sie töten kann, wen sie will, ohne, dass ich sie daran hindern kann. Denn wenn ich das tue, bringt Rem mich um. Zwar würde Misa das nie zulassen, aber es ist trotzdem extrem lästig. „Light?“ Der Angesprochene wandte seinen Kopf zur Seite. Dort saß eine hübsche junge Frau mit einem eleganten Kurzhaarschnitt. Sie blickte unauffällig zu ihm rüber, damit auch niemand etwas von ihrem Gespräch mitbekam. „Was ist denn los? Ich dachte, wir beide gehen miteinander oder habe ich da was falsch verstanden?“ flüsterte sie so leise, wie möglich. Light lächelte. „Ja, wir beide gehen miteinander. Deswegen sitzen wir ja auch in der Vorlesung nebeneinander.“ „Aber du scheinst mit deinen Gedanken ganz woanders zu sein. Es scheint, als würdest du dich gar nicht darüber freuen, dass wir zusammen sind.“ „Ach was. Ich habe mir nur Gedanken darüber gemacht, was wohl die Anderen dazu sagen, wenn ich so kurz nach Semesterbeginn mit der amtierenden Miss Touou ausgehe. Du bist eine Schönheit, Takada…“ Takada errötete und hüstelte verlegen in ihre Faust. „Mir gefällt aber gar nicht, was du da sagst. Dieses Miss Soundso…“ Light lachte leise. „Ja, ich hab verstanden. Entschuldige. Kümmern wir uns einfach nicht um die anderen, okay?“ Trotzdem ist die Kleine echt hübsch… Romy’s Tod ist schon ein paar Monate her und zum ersten Mal fühle ich mich wieder in der Lage, auf ein Date zu gehen. Das lass ich mir doch nicht von so einer Ziege vermiesen! Nachdem die Vorlesung vorbei war, schlug Light vor, dass sie beide noch etwas essen gehen. Tatsächlich zogen die beiden alle Blicke auf sich. „Hey! Das ist doch Kyomi Takada, die »Reine«! Seit wann ist die denn mit Yagami zusammen?“ „Angeblich seit gestern.“ „Dann schnappen sich also doch die gut aussehenden Elitetypen alle schönen Frauen weg.“ „Nein, es soll von ihr ausgegangen sein.“ „Was?! Von Takada, der Reinen?! Da enttäuscht sie mich aber!!“ Light ignorierte das Geschwafel. Es kümmerte ihn einen Dreck, was die Anderen dazu sagen. Und um das zu verdeutlichen, hakte er Takada bei sich ein und schenkte ihr ein charmantes Lächeln. Takada errötete, schmiegte sich aber dennoch an Light’s Arm. Aus ihrem schönen Date wurde allerdings nichts. Schuld daran war diesmal ausnahmsweise nicht Misa, sondern eine Person, über dessen Anblick Light genauso wenig erfreut war: auf der Bank, im Schatten eines Baumes, hockte Ryuzaki alias Hideki und las in einem Buch. Dabei fiel Light auf, dass der Schwarzhaarige nicht nur eine komische Sitzhaltung hatte, sondern auch das Buch in einer eigenwilligen Art festhielt. Trotz seines Ärgers musste Light schmunzeln – dieser Typ schwamm wirklich in jeder Hinsicht gegen den Strom. Nun schien auch Ryuzaki die beiden zu entdecken. Fröhlich winkte er ihnen zu. „Hallo, Light!“, rief er, dann erstarb sein Lächeln so plötzlich, wie es kam. „ Und? Wie geht’s?“ Resigniert löste Light Takada von seinem Arm. „Bitte entschuldige. Ich fürchte, aus unserem Date heute wird nichts. Aber wir holen das ganz bestimmt nach! Versprochen!“ Takada nickte nur. Sie war recht konfus. Zuerst hakte er sie bei sich ein, will mit ihr ausgehen… und nun wimmelte er sie einfach so ab. Versteh einer die Männer! Schulter zuckend stakste Takada davon. Light sah ihr nach. Ich hoffe, du willst etwas Wichtiges von mir. Dafür, dass du mir ein Date mit so einem hübschen Mädchen versaust… Er näherte sich der Bank. Ryuzaki steckte sein Buch in seine Hosentasche. „Ist das wirklich okay, wenn du sie einfach so wegschickst?“ „Ja sicher. Das ist kein Problem. Aber was führt dich hierher? Ich habe dich seit unserem Spiel nicht mehr in der Uni gesehen.“ Light spürte einen dicken Kloß im Hals. Die Erinnerung daran warf die Enttäuschung wieder auf. Am Liebsten hätte Light ihn angeschrieen; warum er ihn belogen hätte. Aber Ryuzaki setzte noch einen drauf: „Keine Sorge. Wenn du Kira bist, stecke ich eh schon längst in der Klemme. Schließlich bist du der Einzige hier draußen, der weiß, dass ich L bin. Ich habe deinem Vater und den anderen Ermittlern gesagt, sollte ich in den nächsten Tagen sterben, dann bist du mit Sicherheit Kira.“ „Fängst du schon wieder damit an?!“, schnauzte Light ihn an, riss sich aber wieder rasch zusammen. „Der Verdacht gegen dich ist nun einmal noch nicht ausgeräumt“, erklärte Ryuzaki ruhig. Das Light gekränkt war, war deutlich aus dessen Stimme zu hören, aber dies schien den Meisterdetektiv entweder nicht zu kümmern oder er bemerkte es tatsächlich nicht. Jedenfalls ignorierte er Light und schlüpfte gemütlich in seine Turnschuhe hinein. „Gehen wir in die Mensa Kuchen essen?“, fragte Ryuzaki ganz beiläufig und musterte den Brünetten typisch ausdruckslos. Dieser zuckte mit den Schläfen. „Ryuzaki…“ „Nenn mich hier draußen Hideki. Schließlich kennt man mich hier unter dem Namen.“ „… Hideki. Wolltest du mir nicht sagen, was du hier willst?“ „Darf ich nicht zur Uni kommen? Ich bin schließlich Student hier.“ Ryuzaki wirkte beleidigt. Light unterdrückte einen tiefen Seufzer. Manchmal kam es ihm so vor, als rede er mit einem kleinen Kind. „Natürlich. Aber du bist nicht der Typ, der grundlos etwas tut. Du bist doch nicht bloß zum Kuchen essen hergekommen!“ Ryuzaki lächelte verschmitzt. „Du hast mich durchschaut. Ehrlich gesagt, bin ich hergekommen, weil ich dich um einen Gefallen bitten möchte. Einen Gefallen, von dem dein Vater nichts mitbekommen soll, um genau zu sein.“ Light hob beide Augenbrauen. „Worum geht es denn?“ „Nicht hier. Ich habe jetzt meinen Psychologie-Kurs. Lass uns in den Hörsaal gehen, dann erkläre ich dir alles in Ruhe.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, schlürfte Ryuzaki in Richtung Hörsaal, wohl wissend, dass Light ihm sicher folgen würde. Einen Gefallen, von dem sein Vater nichts erfahren dürfte. Was sollte denn diese Geheimniskrämerei? Was hatte er nur vor? Im Hörsaal steuerte Ryuzaki zielstrebig die letzte Reihe an, gut darauf achtend, dass sich niemand in ihre Nähe setzte. „Wenn du nicht zuhören willst, warum gehen wir dann in die Vorlesung? Warum setzen wir uns dann nicht in ein Cafe?“ Ryuzaki, der sich gerade seine Turnschuhe auszog, um sich in üblicher Position hinzusetzen, hielt inne und sah Light verdutzt an. „Was meinst du? Natürlich will ich zuhören. Warum sonst will ich hier mit dir reden? Das eine schließt das andere nicht aus. Komm, setz dich!“ „Du kannst gleichzeitig mit mir reden und der Vorlesung folgen?“ Light konnte es nach außen hin gut verbergen, aber insgeheim war er ein wenig beeindruckt. Er selbst konnte sich immer nur auf eins von beiden konzentrieren. Nicht, dass sich das irgendwann mal negativ auf sein Leben ausgewirkt hätte… Light zuckte mit den Schultern, setzte sich neben Ryuzaki und beobachtete, wie der Dozent die Vorlesung begann. Die ersten Minuten geschah nichts, sie saßen nur nebeneinander und lauschten den Worten des Dozenten. Light fand das gar nicht mal so schlecht. Es erinnerte ihn an den schönen Tag, den sie in der Kirmes verbracht haben. Sein Ärger war zwar immer noch nicht verraucht, dennoch mochte Light Ryuzaki immer noch sehr gern. Gut, dass Ryuzaki in Wirklichkeit der berühmte Meisterdetektiv L war, war schon eine böse Überraschung gewesen. Und eigentlich hätte Light das stören müssen, immerhin war es L’s Aufgabe, Kira zu fassen. Aber in Ryuzaki’s Gegenwart verspürte Light nicht das Bedürfnis, seinem Werk als Kira nachzugehen. Als ob die Nähe des Schwarzhaarigen seine Wut besänftigen könnte. Light musterte Ryuzaki unauffällig. Er würde sonst was dafür geben, wenn er wüsste, wie der Schwarzhaarige über all das dachte. Seit er ihm aber eröffnet hatte, dass er L war, sprachen sie nur noch über Kira. Keine Chance, ihre Freundschaft zu vertiefen. Light seufzte und beschloss, das Schweigen zu brechen. Ryuzaki war auf ihn zugekommen, um ihn um einen wichtigen Gefallen zu bitten. Vielleicht ging es diesmal ja nicht um Kira. Vielleicht hatte ihre Freundschaft ja noch eine Chance… „Wolltest du nicht mit mir reden?“, flüsterte der Brünette leise. „Sicher. Es geht um das hier.“ Ryuzaki kramte in seiner Hosentasche herum und zog einen Lolli und einen Zeitungsausschnitt hervor. Den Zeitungsausschnitt gab er Light, damit dieser ihn lesen konnte. Es war ein Bericht über den Pharma-Konzern Ikagu. Mysteriöse Todesfälle bei Ikagu Der Pharma-Konzern Ikagu weißt zurzeit eine Vielzahl von Todesfällen innerhalb des Personalkreises auf. In den vergangenen drei Wochen sind immer wieder Mitarbeiter des Entwicklungslabors ums Leben gekommen. Seltsam sind dabei die Umstände, die den Tod verursacht haben: ein Mitarbeiter, der ehrenamtlich als Pfleger im Zoo gearbeitet hat, wurde von Raubtieren zerfleischt, nachdem er sich mit deren Futter übergossen hatte. Eine andere Mitarbeiterin stürzte sich aus dem 39. Stock eines Hochhauses. Der Konzern weist jegliche Schuld von sich. Trotz intensiver Ermittlungen konnten die Todesfälle nicht aufgeklärt werden. Einige behaupten sogar, dass Kira die Männer und Frauen bestraft hatte. Light verzog das Gesicht. Soviel zu dem Thema „diesmal geht es vielleicht nicht um Kira“. Aber wieso sollte Kira etwas damit zu tun haben? Abgesehen davon, dass Light tatsächlich nichts damit zu tun hatte – warum auch? Diese Menschen hatten doch gar nichts getan. Und wieso kam Ryuzaki darauf? Schließlich war es bekannt, dass Kira seine Opfer nur durch Herzversagen tötet. Ryuzaki, der den Lolli inzwischen ausgewickelt und sich in den Mund gesteckt hatte, schien Light’s Gedanken erraten zu haben. „Ich glaube nicht, dass Kira dahinter steckt. Er tötet seine Opfer nur durch Herzversagen. Diese Todesursachen sind zu abstrakt. Wenn Kira nicht gerade Handlungen und Todesursache bestimmen kann, ist er nicht dafür verantwortlich.“ „Natürlich nicht. Wenn ich das hier so lese, klingt das für mich eindeutig nach Selbstmord. Zwar ungewöhnlich, so zu sterben, aber…“ „Genau darum geht es ja. Es waren eben keine Selbstmorde.“ „… Und wie kommst du darauf?“ „Eine Frau brachte mich darauf. Sie war die Ehefrau des Mannes, der ehrenamtlich im Zoo gearbeitet hatte. Einige Tage nach seiner Beerdigung besuchte sie das örtliche Polizeirevier und wollte Anzeige wegen Mordes erstatten.“ „Wegen Mordes? Wie kommt sie darauf? Es sieht doch alles nach Selbstmord aus!“ „Das dachten die Polizisten auch, daher schickten sie sie wieder weg. Trotzdem schrieben sie ihre Aussage ins Protokoll. Sie war der festen Überzeugung, dass ihr Mann diese Tat nicht aus freien Stücken begangen haben kann. Er hatte nämlich… panische Angst vor Katzen.“ Jetzt war Light überrascht. „Er hatte eine Katzenphobie? Ich verstehe…“ „Ja. Ihr Mann arbeitete zwar im Zoo, meidete allerdings das Raubtiergehege. Und er ging nicht einmal in die Nähe von den Wildkatzen. Und ausgerechnet er stirbt, weil er von solchen Raubkatzen zerfleischt wird? Das klingt doch sehr unglaubwürdig. Und es war nicht nur bei ihm so. Die Frau, die aus dem Fenster sprang, hatte schreckliche Höhenangst. Sie traute sich angeblich nicht einmal auf die 2 Meterbretter im Schwimmbad. Und dann soll sie aus dem 39. Stock gesprungen sein? Du siehst, der Verdacht liegt zumindest nahe, dass sie das nicht aus freien Stücken getan haben.“ „Wurde eine Autopsie vorgenommen, um festzustellen, ob sie vielleicht irgendwelche Drogen genommen haben?“ „Mit welcher Begründung denn? Man kann nicht einfach eine Autopsie vornehmen, nur weil man einen wagen Verdacht hegt. Für die Polizei war es Selbstmord und solange es keine Beweise gibt, die dagegen sprechen, gibt es auch keinen Grund, die Leichen zu untersuchen. Dennoch bezweifele ich, dass Kira damit etwas zu tun hat. Das sieht ihm einfach nicht ähnlich.“ „Wie kommen die überhaupt darauf, dass Kira etwas damit zu tun hat? Wofür sollte er diese Menschen denn bestrafen? Was haben sie so schlimmes verbrochen?“ Ryuzaki zückte noch einen Artikel und gab ihn Light, zusammen mit einem zweiten Lolli. Light nahm beides entgegen – wobei er den Lolli diskret in die Tasche steckte – und las auch den zweiten, viel kürzeren Artikel: Immer mehr Kinder sind wegen einem seltsamen Virus in den letzten Wochen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Die Ursache des Virus ist bislang unklar. Trotz Untersuchungen konnte weder ein Erreger, noch sonst eine Ursache für die Krankheit festgestellt werden. Auffällig ist jedoch, dass das Krankheitsbild bei allen Kindern gleich aussieht. Ansteckungsgefahr besteht nicht. „Diese Kinder sind zwei Tage, nachdem dieser Artikel veröffentlicht wurde, gestorben. Die Ursache für den Virus konnte nie geklärt werden. Aber einige der Eltern waren der Meinung, dass Ikagu schuld daran war.“ „Und wie kommen die darauf? Haben die ein Medikament hergestellt, dass den Kindern nicht bekommen ist?“ „Ich habe auch nicht verstanden, warum sie sich da so sicher waren. Darum habe ich Naomi Misora gebeten, Nachforschungen anzustellen. Sie ist eine sehr erfahrene FBI-Agentin. Sie schlich sich undercover in die Firma ein. Vor ein paar Tagen dann rief sie mich an und teilte mir mit, dass sie etwas Unglaubliches herausgefunden habe; irgendein Geheimprojekt, dass der Konzern heimlich ausgeführt hatte. Frau Misora wollte erst noch mehr Beweise sammeln, aber dann brach der Kontakt zu ihr ab. Ich kann sie einfach nicht mehr erreichen.“ „Glaubst du, ihr ist etwas zugestoßen?“ „Davon gehe ich aus.“ „Und… was soll ich da jetzt machen?“ „Ich würde gerne herausfinden, was es mit all dem auf sich hat. Ich schaffe das aber nicht allein und Frau Misora kann ich nicht mehr erreichen… Vielleicht hast du ja eine Idee, was ich jetzt tun soll, um die Wahrheit herauszufinden.“ Light glaubte, sich verhört zu haben. Bat er ihn wirklich gerade um seine Hilfe? Darauf lief es doch hinaus. Warum sonst sollte sein Vater nichts von diesem Gespräch erfahren? „Das klingt voll krass. L und Kira arbeiten zusammen an einem Fall und strecken einen Verbrecher nieder! Das hätte ich nicht erwartet.“ Ryuk biss herzhaft in einen Apfel hinein. „Das ist ungefähr so spannend, wie Unkraut beim wachsen zuzusehen“, leierte er kauend. Light massierte sich die Schläfen. Konnte dieser vorlaute Todesgott nicht mal die Klappe halten? Er musste nachdenken. Ryuzaki hatte ihn um Mithilfe gebeten. Das war die Chance, den Verdacht von sich abzulenken. Und er hätte da auch schon einen Plan, wie er dafür sorgen könnte, dass er nicht mehr verdächtigt wird, Kira zu sein. Trotzdem sollte er erst gründlich darüber nachdenken. Immerhin war dieser Fall nicht ungefährlich. Light war sich sicher, dass diese Naomi Misora getötet wurde, weil die Mitarbeiter des Konzerns sie erwischt hatten. Und auch der Tod der Mitarbeiter war mit Sicherheit nicht einfach nur irgendein Testlauf. Wenn etwas schief lief, könnte er ebenso draufgehen. Dann fiel Light wieder der Ausdruck in Ryuzaki’s Augen ein, als er ihm von den Todesfällen erzählte. Diese Sache ging dem Meisterdetektiv gründlich an die Nieren und es quälte ihn, dass er nichts dagegen tun konnte. Light war seine einzige Chance, den Hinterbliebenen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen – und war das nicht genau der Grund, warum Kira überhaupt erschaffen wurde? Hatte er, Light Yagami, sich nicht dazu verpflichtet, die Welt von allem Bösen zu befreien? Es war quasi seine Aufgabe, diesem Abschaum das Handwerk zu legen. Entschieden nahm sich Light seinen Kugelschreiber und klappte das Death Note auf. Zeit für die Vorkehrungen… Ryuzaki schob sich genüsslich eine Stück von der Erdbeertorte im Mund. Sein leerer Blick war auf den Bildschirm vor sich gerichtet. Gerade hatte er die endgültige Nachricht von Watari erhalten: die Leiche von Naomi Misora wurde am Ufer eines Sees gefunden. Was auch immer sie herausfand, es musste ihr zum Verhängnis geworden sein... Ryuzaki wollte sich gerade noch ein Stück können, da musste er zu seinem Bedauern feststellen, dass der Teller schon leer war. Glücklicherweise war die Erdbeere noch da. Gedankenverloren kullerte Ryuzaki mit der Gabel die Erdbeere hin und her. Wie sollte es jetzt weitergehen? Wie auf Stichwort klingelte sein Handy. Mit der freien Hand fischte Ryuzaki es aus seiner Hosentasche, ohne die Erdbeere ruhen zu lassen, und ging ran. Es war Light. „Ryuzaki? Ich habe mich entschieden. Ich werde mich in die Firma einschleichen und Infos sammeln.“ „Bist du verrückt? Das ist viel zu gefährlich! Naomi Misora hat dasselbe getan und nun hat man ihre Leiche gefunden. Wenn sie dich erwischen, bist du in Lebensgefahr!“ „Mach dir keine Sorgen. Ich gehe nur rein und sammele Infos. Sobald ich herausgefunden habe, was mit den Menschen geschehen ist, verschwinde ich sofort von da. Aber ich brauche deine Hilfe, um Zugang zu der Firma zu erhalten. Kannst du da was machen?“ Ryuzaki legte die Gabel beiseite und knabberte wieder an seinem Daumennagel. Was sollte er tun? Wenn irgendetwas schief ging, könnte Light sterben. War es das wirklich wert? „Vertrau mir, Ryuzaki“, meldete sich Light wieder zu Wort. „Ich weiß, was ich tue. Und wenn irgendetwas schief laufen sollte, bist du immer noch da. Du wirst nicht zulassen, dass mir etwas zustößt. Du würdest niemals zulassen, dass einem Unschuldigen Leid widerfährt.“ „… Du weißt, wie ich ticke?“ „Ja. Und ich vertraue dir.“ „… Gut. Ich bringe dich da rein. Ich melde dich dann bei dir. Und sag deinem Vater nichts davon. Er liegt immer noch im Krankenhaus und ich will nicht, dass er sich aufregt und wohlmöglich noch einen Herzinfarkt erleidet.“ „Sehe ich auch so. Bis dann also.“ Ryuzaki legte auf, starrte das Handy in seiner Hand aber noch lange an. Es war doch die richtige Entscheidung gewesen, Light um Hilfe zu bitten. Hoffentlich würde er auch das Ergebnis erhalten, dass er sich erhofft hatte… Nur drei Tage später hatte Ryuzaki sein Versprechen eingelöst und Light als Mitarbeiter in der Firma eingeschleust. Light arbeitete nun für zwei Wochen neben dem Studium als Assistent im Chemielabor. Abgesehen von der wirklich guten Bezahlung und dem überraschend angenehmen Arbeitsklima unter den Angestellten, gab es aber nichts Auffälliges zu berichten. Nach 9 Werktagen erfolgloser Suche war Light schon dabei aufzugeben, als ihm der Zufall zur Hilfe eilte. Es war nach Feierabend und Light war gerade dabei, die Chemikalien wieder einzuräumen, als ihm dabei etwas auffiel: Hinter dem Regal versteckt befand sich in der Wand ein leicht zu übersehener Riss in Form eines Vierecks. Konnte man es reindrücken, sodass sich ein Geheimgang öffnet? Das wäre ja wahnsinnig klischeehaft! Sorgfältig sah sich Light um, ob auch niemand in der Nähe war, dann drückte er vorsichtig gegen das Viereck. Und tatsächlich: die Wand hinter ihm öffnete sich und gab die Sicht auf einen Fahrstuhl frei. Light verzog das Gesicht. Das hier war wirklich Klischee pur. Aber wenigstens befand sich dahinter ein Fahrstuhl und keine vermoderte Treppe, die mit Fackeln erhellt wurde. Noch einmal vergewisserte sich Light, dass niemand ihn beobachtete, dann betrat er den Fahrstuhl und drückte auf den einzigen Knopf. Der Fahrstuhl fuhr lange nach unten. Mit jeder Sekunde wurde Light nervöser. Das hier erinnerte ihn an einen Horrorfilm. Hoffentlich erwarteten ihn unten nicht irgendwelche Zombies oder ein Typ alla Frankenstein. Großer Gott, jetzt werde bloß nicht albern, Light! Ein melodisches „Ping“ kündigte die Ankunft des Fahrstuhls an. Die Türen öffneten sich. Vorsichtig spähte Light nach draußen. Vor ihm erstreckte sich ein langer Korridor, rechts und links davon befanden sich Labore, das konnte Light durch die riesigen Glaswände sehen. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Light trat vorsichtig von einem Fuß auf den anderen. Was forschten die Leute nur hier unten? Es wirkte zwar alles recht kalt und steril, aber es war nichts Ungewöhnliches an diesen Labors. Was gab es hier nur zu verheimlichen? Vielleicht wäre es ja jetzt an der Zeit, Ryuzaki zu informieren. Light schnappte sich das Handy und wählte dessen Nummer. Leider lag dieser Bereich so weit unter der Erde, dass Light keinen Empfang bekam. Beunruhigend. Ein Grund mehr, so schnell wie möglich herauszufinden, was hier gespielt wird und dann von hier zu verschwinden. „Wer bist du?“ Light schreckte zusammen. Hatte ihn jemand entdeckt? Hastig sah er sich um – niemand zu sehen. Woher kam bloß diese Stimme? „Ich bin in dem Labor links von dir. Du kannst einfach darauf zugehen. Ich öffne die Tür für dich.“ Verwirrt und doch neugierig befolgte Light die Anweisungen der Stimme und ging auf die Tür zu seiner Linken zu. Sie öffnete sich von selbst, obwohl man dafür eigentlich einen Code eingeben musste. Noch merkwürdiger war der Raum dahinter: er war eingerichtet, wie ein Kinderzimmer. Lauter Spielzeug und Puppen, alles in Rosa – eindeutig ein Mädchenzimmer, auch sehr klischeehaft eingerichtet. Die Leute hier hatten wohl nicht viel für Innovation übrig. „Und? Sagst du mir jetzt, wer du bist“, ertönte wieder die Stimme, diesmal klar und deutlich. Und diesmal entdeckte Light auch die dazugehörige Person. In einem Berg aus Plüschtieren und Rüschenkissen saß ein junges Mädchen und musterte ihn ausdruckslos. Wegen ihrer roten Haare und ihrem rosafarbenen Kleid war sie beinahe nicht zu erkennen. „Äh… Ich bin Light Yagami. Und wer bist du?“ „Mein Name ist Arisa Maki“, antwortete sie sehr höflich. „Du bist keiner von diesen Leuten, die hier forschen.“ Es war eine Feststellung, keine Frage und das überraschte Light. „Du fragst dich, woher ich das weiß. Ich kann deine Gedanken lesen. Ich hab sie schon gelesen, seit du aus dem Fahrstuhl gestiegen bist.“ „Du… du kannst Gedanken lesen?!“ Light musste sich auf dem Boden setzen. „Ein Nebeneffekt, hervorgerufen durch das Medikament, dass man mir verabreicht hat.“ „Du… wie alt bist du denn?“ „8 ½ , wieso?“ „Du redest wie eine Erwachsene.“ „Das Medikament hat zusätzlich die Leistung meines Gehirns verdreifacht.“ „Und was ist das für ein Medikament?“ Ein Medikament? Vielleicht war das ja die Lösung. Arisa drückte den Teddy in ihren Armen ganz fest an sich. Zum ersten Mal wirkte sie wie ein Kind auf Light – ein verängstigtes, einsames Kind. Light hätte sie am Liebsten in den Arm genommen. Er kroch zu ihr rüber und setzte sich neben sie. „Was ist passiert? Was war das für ein Medikament?“ fragte er sanft. Arisa druckste herum. „Es ist besser, wenn du nichts davon weißt. Wenn sie erfahren, dass ich irgendjemandem davon erzählt habe, steckst du in großen Schwierigkeiten.“ Light schüttelte den Kopf. „Mach dir keine Gedanken. Ich komme im Auftrag von L.“ „L?“ Arisa bekam tellergroße Augen. „Dem weltberühmten Ermittler?“ „Ja. Wir wollen diesen Leuten hier das Handwerk legen. Aber dafür müssen wir Beweise finden, sonst können wir nichts unternehmen. Darum ist es ganz wichtig, dass du mir sagst, was das für ein Medikament war, dass man dir verabreicht hat.“ „Nicht nur mir.“ „Wie?“ „Man hat es nicht nur mir gegeben. Auch anderen Kindern. Wir waren alle noch Babys. Ikagu hat vor 8 Jahren mehrere Säuglinge mit einem neuartigen Medikament geimpft. Natürlich mit dem Einverständnis ihrer Eltern. Ich war eines dieser Babys. Der Wirkstoff im Medikament sollte angeblich unser Immunsystem verstärken und zudem unsere Leistungen verbessern. Das war allerdings eine Lüge… wie die Eltern erst vor einigen Monaten erfahren sollten…“ „Die Todesfälle der Kinder?“ „Das Medikament… war ein Prototyp. Es wurde nicht ausreichend getestet. Das Medikament reagierte in ihren Körpern wie ein Virus, er hat nach und nach sämtliche Zellen zerstört. Bis sie… … Nur bei mir nicht…“ „Bei dir hat es so gewirkt, wie es sollte?“ Arisa nickte. „Und sogar noch mehr. Ich kann seitdem die Gedanken anderer Menschen lesen. Und außerdem…“ Arisa fixierte ein Kissen in der anderen Ecke des Zimmers – und plötzlich schwebte es wie von Geisterhand zu ihnen rüber. Light rutschte erschrocken von Arisa weg und beobachtete fassungslos, wie das Kissen zur ihr schwebte und in ihrer Hand landete. „Wie gesagt, meine Intelligenz ist um das dreifache gestiegen… aber wie das geschehen ist, kann sich niemand erklären. Daher bin ich hier. Sie wollen herausfinden, wie das möglich ist… und welche Möglichkeiten sich ihnen dadurch bieten.“ „Deine Eltern sind damit einverstanden?“ Wieder wurde Arisa ganz traurig, wirkte einsam und verlassen. Da wurde Light die Antwort von alleine klar. „Sie sind… tot?“ Arisa schniefte und nickte. „Schon seit zwei Jahren. Ich hab seitdem bei meinem Onkel gelebt. Er ist Architekt und viel unterwegs. Es kam ihm ganz recht, dass die Leute von Ikagu mich zu sich holen wollten, dann bräuchte er nicht immer dafür zu sorgen, dass sich jemand um mich kümmert, wenn er verreist.“ Light schüttelte den Kopf und dachte kurz nach. „Arisa… kann man irgendwie nachweisen, dass dieses Medikament existiert?“ „Sicher. Wenn ich davon erzähle und mich untersucht, werden sie es sicher noch nachweisen können.“ Light überlegte. Das wäre sicher ein Grund, um die Leichen der Kinder zu untersuchen. Die Eltern der Kinder würden Arisa’s Aussage bestätigen… aber damit ist die Sache mit den Mitarbeitern noch nicht geklärt. Egal. Ich sollte erst einmal dafür sorgen, dass Arisa von hier verschwindet. Sie darf auf gar keinen Fall an so einem Ort bleiben. Außerdem muss ich mich mit Ryuzaki beratschlagen, was wir als Nächstes tun. Light erhob sich und klopfte sich den Dreck von den Händen und der Hose. „Komm, Arisa. Ich bringe dich von hier weg.“ „Das bezweifle ich, Herr Yagami“, sagte eine Stimme hinter ihm. Das Letzte, das Light mitbekam, war ein dumpfer Schlag auf seinen Kopf… ~ Fortsetzung folgt ~ Kapitel 5: Rettung ------------------ Kapitel 5: Rettung Sein Kopf schmerzte, alles drehte sich. Er versuchte, die Augen zu öffnen, doch irgendwie wollte das nicht funktionieren. Sie fühlten sich schwer wie Blei an. Er versuchte, sich zu erinnern, was geschehen war, doch da war nur Leere in seinem Kopf. Okay, Light! Atme erst einmal tief durch! Konzentriere dich! Was ist geschehen? Ich habe diesen Geheimgang entdeckt… und da war dieses unterirdische Labor… Arisa… und die Todesfälle der Kinder… Genau… und dann spürte ich diesen Schmerz… Wie viel Zeit ist seitdem vergangen? Wo bin ich hier nur? Erneut versuchte Light, die Augen zu öffnen, diesmal mit Erfolg. Er sah nur grelles Licht. Automatisch drehte Light seinen Kopf zur Seite. Jetzt konnte er erkennen, dass er in einem grell weißen, sterilen Labor war. Und offenbar lag er auf einer Bahre. So weit, so gut. Als Light aber aufstehen wollten, musste er erstmal feststellen, dass er sich nicht rühren konnte. Ein Blick nach unten offenbarte ihm, dass Fesseln an Hand- und Fußgelenken, sowie einmal um seine Hüfte ihn am Flüchten hinderten. Befreien war nicht möglich, dass spürte Light, als er sich leicht bewegte. Er steckte ordentlich in der Klemme. Aber Light wäre nicht landesweit der Beste, wenn er nicht bereits einen Plan für diese Situation hätte. Light erinnerte sich wieder daran, dass er die Mitte seiner Gürtelschnalle gedrückt hatte, bevor er ohnmächtig wurde. Sein Gürtel war nämlich eine Spezialanfertigung von Watari, die Ryuzaki ihm gegeben hatte. Sollte irgendetwas schief laufen, musste Light nur die Mitte seiner Gürtelschnalle betätigen und schon würde automatisch ein Notrufsignal an Watari’s Handy gesendet werden. Ryuzaki müsste also mittlerweile alarmiert worden sein. Sicher war er verdammt schlecht gelaunt, schließlich war er von Anfang an gegen Light’s waghalsige Aktion gewesen. Trotzdem würde Ryuzaki ihn nicht hier sterben lassen. Light vertraute ihm. Jetzt gab es eigentlich nur noch eines zu tun… „R… Ry…“ Light versuchte vergeblich zu sprechen. Sein Mund fühlte sich staubtrocken an. Er hustete ein paar Mal kräftig, dann versuchte er es noch einmal. „Ryuk… Bist du noch da?“ Über seinen Kopf erschien das vertraute Gesicht mit dem typisch breiten Grinsen. „Uh-hu~ Sieh einer an! Du steckst aber ordentlich in der Tinte, was Junge?“ „Scheint dich ja sehr zu freuen…“ „Sicher. Endlich mal wieder ein bisschen Spannung für mich. Außer, dass du zig Verbrecher mit dem Death Note getötet hast, ist ja in den vergangenen Wochen nichts weiter passiert.“ „Ryuk… Du weißt doch noch, was wir besprochen haben… Geh jetzt… und sorge dafür, dass alles nach Plan verläuft…“ Ryuk’s Grinsen erstarb allmählich. „Bist du sicher, dass ich dich hier allein lassen soll?“ „Du kannst hier nichts tun… Geh ruhig, ich komme schon zurecht… Sag ihr… dass die Leute hier definitiv schuldig sind… und was sie als Nächstes tun soll… und vor allem… wann sie es tun soll…“ „Ist gut… Bis später dann, Kleiner.“ Ryuk fuhr seine pechschwarzen Flügel aus und verschwand durch die Decke. Light entspannte seine Muskeln, schloss die Augen und holte tief Luft. Es war alles vorbereitet und Hilfe war bestimmt schon unterwegs. Jetzt musste er nur noch durchhalten – und das würde das Schwierigste werden… „Und, Doktor Ashimoto? Wie steht es um meine Gesundheit? Kann ich endlich das Krankenhaus verlassen?“ Soichiro rutschte unruhig unter seiner Bettdecke umher. Seit über einen Monat lag er nun schon im Ibaraki-Hospital. Mittlerweile ging es ihm schon viel besser und es juckte ihn in seinen Fingern, wieder am Kira-Fall zu arbeiten. Dr. Ashimoto schrieb etwas auf sein Untersuchungsformular, dann hing er es zurück ans Fußende des Krankenhausbettes und stopfte beide Hände in die Taschen seines Arztkittels. „Sie sind soweit wieder fit. Ich denke, Sie können morgen das Krankenhaus wieder verlassen. Sie dürfen sogar wieder arbeiten, da sehe ich kein Problem. Dennoch muss ich Ihnen nahe legen, es langsam anzugehen. Sie dürfen sich auf keinen Fall wieder so überanstrengen. Meiden Sie alles, was Sie übermäßig aufregt. Essen und schlafen Sie regelmäßig! Ein Herzinfarkt ist keine Kleinigkeit!“ „Selbstverständlich. Haben Sie vielen Dank, Dr. Ashimoto.“ Der Arzt verließ das Zimmer. Soichiro griff sofort nach dem Telefonhörer, um daheim anzurufen und die guten Nachrichten mitzuteilen. „Hallo, Sachiko, mein Schatz. Stell dir vor, ich kann morgen das Krankenhaus wieder verlassen!“ „Oh… das ist ja wunderbar, Liebling…“ „Stimmt etwas nicht? Du klingst so bedrückt.“ „Nein. Nein, es ist alles in bester Ordnung… Ich freue mich schon darauf, dass du endlich wieder nach Hause kommst. Sayu vermisst dich schon sehr.“ „Ja, ich freue mich auch. Sachiko, könnte Light mich morgen abholen?“ „… Wieso? Ich kann dich doch auch abholen…“ Soichiro wollte Light unbedingt fragen, ob sich der Verdacht gegen ihn schon entkräftet hätte, aber das konnte er ja schlecht seiner Frau erzählen. Dennoch wurde Soichiro das Gefühl nicht los, das irgendetwas nicht in Ordnung war. Das spürte er sofort. Immerhin waren Sachiko und er seit fast 20 Jahren verheiratet, kannten sich seit 25 Jahren und waren ebenso lange verliebt. Sachiko konnte ihm nichts vormachen. „Sachiko… ist etwas mit Light?“ „…“ „Sachiko, ich weiß ganz genau, das etwas nicht in Ordnung ist. Was ist mit Light passiert?“ Soichiro vernahm als nächstes ein leises Fiepen, dann ein Schluchzen. „Sachiko?“ „Es ist so schrecklich! Light… Light ist verschwunden! Ich habe gestern den ganzen Tag auf ihn gewartet, aber er ist nicht von der Arbeit nach Hause gekommen! Als ich dort anrief, sagte man mir, dass er heute nicht zur Arbeit erschienen wäre…“ „Welche Arbeit?! Was ist passiert, Sachiko? Erzähl mir alles der Reihe nach…“ Er hatte es gewusst. Er hatte es gewusst! Missmutig stocherte Ryuzaki in seinem Eisbecher herum. Er hätte Light niemals in diese Firma einschleusen sollen. Er hatte doch von Anfang an geahnt, dass das Schwierigkeiten geben würde und nun hatten sie den Salat! Jetzt musste er schnell handeln. Die Vorbereitungen dafür liefen momentan auf Hochtouren. Hoffentlich konnten sie Light unversehrt aus diesem Höllenloch befreien. Sorgfältig wischte Ryuzaki den Rand des Glasbechers mit dem Zeigefinger ab und schleckte diesen genüsslich ab. Ein Signal ertönte. Watari meldete sich. „Was gibt es, Watari?“ „Ryuzaki, Herr Yagami ist hier. Er möchte Sie umgehend sprechen. Ich vermute, es geht um seinen Sohn.“ Ryuzaki, der seinen Finger wieder in den Glasbecher tauchen wollte, hielt inne. Wie hatte dieser Mann nur davon erfahren? Hoffentlich regte er sich nicht zu sehr auf. „Gut. Lassen Sie ihn rein. Ach, und ich hätte gerne ein Stück Erdbeertorte.“ „Bedaure, die ist alle. Ich bin noch nicht dazu gekommen, Nachschub zu kaufen.“ Ryuzaki seufzte. Die schlechten Nachrichten hörten einfach nicht auf! „Ryuzaki! Wo ist mein Sohn?!“ Soichiro stieß die Tür auf. Ryuzaki musterte ihn eingehend. Sein Haar, das früher rabenschwarz war, wurde nun von dicken, grauen Strähnen durchzogen. Die Strapazen der vergangenen Tage waren ihm ganz klar anzuerkennen. „Bitte beruhigen Sie sich, Herr Yagami. Sie dürfen sich auf gar keinen Fall aufregen, das täte Ihnen nicht gut. Ich vermute, dass Sie bereits im Bilde darüber sind, was mit Light geschehen ist.“ „Ja. Meine Frau hat mich darüber informiert, dass Light in dieser Firma arbeitet. Und dass er seit gestern verschwunden ist.“ „Light hat sich auf meine Bitte hin dort eingeschleust. Diese Firma steht in Verdacht, Schuld an mehreren Morden zu tragen. Aber irgendetwas ist dabei schief gegangen. Vorgestern ging ein Notrufsignal von Light ein. Ich konnte bisher nicht herausfinden, was genau vorgefallen ist, aber ich werde ganz sicher nicht abwarten, was passiert. Ich habe Watari und die anderen Mitglieder der Sonderkommission angewiesen, sich darauf vorzubereiten, die Firma zu stürmen. Sobald die Vorbereitungen abgeschlossen sind, holen wir Light da raus.“ Soichiro nickte nur. Er kannte den Meisterdetektiv mittlerweile lange genug, um zu wissen, dass dieser genau wusste, was er tat. Hoffentlich ging das gut… Derweil lag Light immer noch auf der Bahre und starrte die kahle Decke an. Langsam wurde das hier langweilig. Er hatte sich sonst etwas ausgemahlt, was diese Leute mit ihm tun würden – aber schon seit Stunden tauchte hier keiner auf. Hatten die ihn vergessen, oder was? Wie, um seine Frage zu beantworten, wurde seine Bahre plötzlich in die senkrechte gebracht. „Wie geht es Ihnen, Herr Yagami? Gefällt Ihnen unsere Gastfreundschaft? Ist es bequem?“ Light rollte mit den Augen. „Aber ja, Herr Osoreda. Sie kümmern sich mal wieder ausgezeichnet um mich“, murrte er sarkastisch. Kiichiro Osoreda trat gemächlich vor Light, die Hände auf dem Rücken verschränkt, ein breites Grinsen im Gesicht. „Wissen Sie, Herr Yagami, ich bin sehr enttäuscht von Ihnen. Ich hatte in den letzten Tagen den Eindruck gewonnen, dass Sie ein sehr tüchtiger und intelligenter junger Mann sind. Ich wollte Ihnen sogar eine Festanstellung bei uns anbieten. Aber das war, bevor Sie Detektiv gespielt haben…“ Den letzten Satz hatte Osoreda äußerst bedrohlich von sich gegeben. Light beeindruckte das aber nicht im Geringsten. Dieser Mann war für ihn Abschaum. Ein widerlicher Kerl, der sich einbildete, entscheiden zu können, wer leben darf und wer nicht. Er hatte keine Angst vor ihm. „Ich habe nicht »Detektiv gespielt«“, erwiderte Light schnippisch, „ich habe Beweise für Ihre Schuld gesammelt.“ „Meiner Schuld? Habe ich etwas verbrochen?“ fragte Osoreda in gespielter Verblüffung. Light verengte die Augen zu Schlitzen. „Tun Sie nicht so unschuldig. Sie wissen doch genau, wovon ich rede! Oder wollen Sie etwa behaupten, dass Ihre Mitarbeiter sich freiwillig umgebracht haben?!“ Osoreda bleckte die Zähne. „Sie werden überrascht sein: Ja!“ Light war tatsächlich überrascht. Meinte der das ernst? Aber das war doch völlig unsinnig! „Reden Sie keinen Unsinn! Ich weiß, dass der Mann, der im Zoo gearbeitet hat, an einer Katzenphobie litt!“ „Jeder, der Mitarbeiter, die gestorben sind, litten an einer Phobie. Höhenangst, Angst vor der Geschwindigkeit, Feuerphobie… Das war wirklich eine bunte Mischung. Aber ich kann Ihnen versichern, dass jeder von ihnen freiwillig in den Tod ging. Ich habe sie zu nichts gezwungen. Sie haben sich geopfert… für das Wohl der Menschheit. Um ihren Leidensgenossen Hoffnung und Mut zu geben. Und um der Forschung zu dienen.“ „Wovon reden Sie eigentlich?!“ „Nun, ich denke, es schadet nicht, wenn ich Ihnen die Hintergründe dieses Experiments erläutere. Sie werden dieses Gebäude ohnehin nicht lebend verlassen.“ Light verzog das Gesicht. Schon wieder so ein dummes Klischee! Und nun wusste er auch, wer für diesen Blödsinn verantwortlich war. Osoreda betrachtete nachdenklich seine Hand. „Wissen Sie, wie es sich anfühlt, an einer Phobie zu leiden?“ „Nein, nicht wirklich. Ich leide an keiner.“ „Es ist die Hölle, Herr Yagami. Mit dieser Angst leben zu müssen. Die Angst, die unser ganzes Leben bestimmt… und es ständig einschränkt. Was meinen Sie, was solche Menschen tun sollen? Sich von der Angst auffressen lassen? Oder sie eines Tages bezwingen, ohne zu weinen, ohne zu schreien, ohne die Fassung zu verlieren? Die Angst ist ein Feind, Herr Yagami. Ein Feind, der unser Leben zu kontrollieren und oft zu zerstören droht. Und was macht man mit solchen Feinden?! Man bekämpft sie – immer und immer weiter – bis sie bezwungen sind! Bis man als Sieger hervorgeht! Ich habe das schon früh erkannt… und nach einer Methode gesucht, um den Kämpfern zum Sieg zu verhelfen. Nach 25 Jahren intensiver Forschung ist meine Suche nun endlich von Erfolg gekrönt!“ Allmählich wurde Light doch nervös. Dieser Mann redete wirres Zeug… und klang dabei so nüchtern und gefasst, dass einem ein kalter Schauer über den Rücken lief. Herr Osoreda wandte sich dem Tisch hinter sich zu und nahm einen kleinen Gegenstand von dort weg. Er zeigte ihn Light: es war ein kleine Elektrode. „Diese Elektrode ist das Mittel, um über die Angst zu siegen, Herr Yagami.“ „Und wie soll das bitte schön funktionieren?“ „Wissen Sie, welche Region im Gehirn die Angst steuert?“ „… Die Amygdala.“ „Ausgezeichnet! Richtig, die Amygdala steuert einen ganz simplen Prozess im Gehirn: Sie schnappt die winzigste Information auf, zum Beispiel das Sehen oder Hören von Gefahr, fühlt sich stimuliert, setzt eine Substanz frei und schon lösen Neuronen eine Vielzahl von Reaktionen aus: Lähmung oder Erregung, akute Muskelkrämpfe, Herzklopfen und noch etliche andere Erscheinungsformen, die aber alle Komponenten der Angst sind. Schaltet man die Amygdala aus, so verschwindet die Angst.“ „Ja, allerdings nicht nur die. Angenommen die Amygdala wird verletzt, dann empfindet man nicht nur keine Angst mehr, sondern empfindet auch sonst keinerlei Emotionen. Was man dann noch hat, ist ein gefühlloser Roboter!“ erwiderte Light unwirsch. Osoreda lächelte nachsichtig. Was versteht so ein junges Ding schon von lebenswichtigen Entscheidungen? „Ich denke, das ist ein geringer Preis, dafür, dass man den Kampf gegen die Angst gewinnt!“ „Aber wie haben Sie die Elektrode an die Amygdala angebracht?“ „Ganz einfach mittels einer Gehirnoperation. Aber keine Sorge: wir haben hier keine illegalen Operationen durchgeführt. Das Einsetzen der Elektrode wurde ganz legal bei einer Operation in einem Krankenhaus vorgenommen.“ „Kein Arzt implantiert bewusst eine Elektrode an der Amygdala!“ Zur Antwort hielt Osoreda Light eine Pillendose vors Gesicht. Es war ein Medikament gegen Herzversagen, doch nahm ein gesunder Mensch dieses Medikament regelmäßig ein, bewirkte es heftiges Zittern. „Unsere Kämpfer haben das Medikament buchstabengenau nach den Angaben auf dem Etikett eingenommen. Solange, bis sich das Zittern auf unerträgliche Weise einstellt. Die einzige Möglichkeit, das Zittern wieder loszuwerden…“ „… ist das Einsetzen einer Elektrode im Thalamus, einer Hirnregion zwei Zentimeter von der Amygdala entfernt“, beendete Light aufgeregt den Satz. Er konnte sich schon denken, wie die Geschichte weiterging. „Wieder richtig! Es wurde also eine Operation angesetzt, um die Elektrode im Thalamus einzusetzen. Durch das sogenannte stereotaktische Verfahren wird die Zone im Gehirn lokalisiert, die durch diese Operation stillgelegt werden soll. Das machen aber nicht die Chirurgen selbst, sondern die Radiologen. Wenn der Chirurg den OP-Saal betritt, liegen ihm alle exakten Daten bereits vor. Er muss dann nur noch die Elektrode an der angegebenen Zone einsetzen.“ „Und unter den Radiologen befindet sich einer Ihrer Leute, nicht wahr? Und der hat dann die Daten gefälscht, damit der Chirurg die Elektrode an der Amygdala implantiert und nicht im Thalamus.“ „So sieht es aus. Dann waren sie bereit für die letzte Schlacht. Der letzte Kampf, bei dem es darum ging, die Angst zu bezwingen und endlich den Sieg einzufahren! Und da die Zeitung über diese Vorfälle berichtet hatte, konnten alle Leidensgenossen dieser Welt an ihrem Sieg teilhaben! Sie alle haben gesehen, dass das Unmögliche möglich ist. Bald schon werden nicht nur die Menschen, die an einer Phobie leiden, von unserer Wunderheilung profitieren wollen. Dann ist die Angst… nur noch Geschichte!“ Light schüttelte nur den Kopf. „Und was ist mit Arisa und den anderen Kindern? Und dem Medikament, dass Sie ihnen gegeben haben?“ „Ach ja, die Kinder…“ Osoreda’s Blick wurde ganz glasig. „Eine schreckliche Tragödie… Ich gebe zu, da habe ich einen Fehler gemacht. Ich hätte das Medikament noch gründlicher testen sollen, ehe ich es ausprobiere. Da der Wirkstoff sich aber erst nach 8 Jahren entfaltet, musste ich sofort handeln. Ich konnte unmöglich noch länger warten! Dass die Kinder sterben, war ein Risiko, dessen ich mir durchaus bewusst war. Dennoch bedaure ich es zutiefst. Glücklicherweise war unser Experiment kein völliger Fehlschlag. Arisa ist der Beweis dafür. Bei ihr hat sich der Wirkstoff in etwas Proteinartiges verwandelt und ihre Fähigkeiten erweitert. Jetzt müssen wir sie nur noch untersuchen, um herauszufinden, was sie den anderen Kindern voraus hatte, um so die Fehler dieses Versuchs zu beseitigen.“ „Wozu?! Was wollen Sie denn damit erreichen?!“ „Perfektion… Herr Yagami. Die Menschen sind fehlerhaft und machen sich selbst das Leben schwer. Ich suche nach einem Weg, dass zu ändern. Und nach 8 Jahren intensiver Forschung und Experimente bin ich kurz vorm Ziel angelangt. Ich stehe so kurz davor, den perfekten Menschen zu erschaffen. Ein Mensch, der keine Angst mehr spürt, dessen IQ ums dreifache gestiegen ist und vielleicht die ein oder andere ungewöhnliche Fähigkeit erhalten hat.“ „Und dem jede Emotion fehlt“, fügte Light trocken hinzu. „Herr Yagami, Emotionen sind hinderlich. Sie sind der Hauptgrund, dass Menschen so unvollkommen und fehlerhaft sind. Ohne sie wird es den Menschen viel besser gehen. Das hier ist alles nur zum Wohl der Menschheit.“ „Gehört es auch zum Wohl der Menschheit, Menschen als Versuchskaninchen zu benutzen?“ „Warum Versuchskaninchen? Meine Mitarbeiter haben mit Freuden gegen ihre Angst angekämpft. Sie waren dankbar!“ „Die meine ich nicht!!! Ich rede von den Kindern! Und was ist mit dieser Frau Misora?! Keiner von denen wollte sterben!!“ „Ich sagte doch schon: das war ein bedauerlicher Zwischenfall. Und was diese Frau Misora angeht, so hätte sie einfach nicht hier herumschnüffeln dürfen. Außerdem habe ich gehört, dass ihr Verlobter einer dieser FBI-Agenten war, die von Kira getötet wurden. Sie ist sicher glücklich, jetzt, wo sie wieder bei ihm ist.“ „SO EIN UNSINN!!!“ Light zog wie verrückt an seinen Fesseln. Er platzte fast vor Wut. Am Liebsten hätte er Osoreda ins Gesicht geschlagen. „Sie werden damit niemals durchkommen! Dieser Schwachsinn mit dem perfekten Menschen wird nie funktionieren!!“ Osoreda hob eine Augenbraue. „So? Nun, das können wir doch gleich mal testen!“ Schwungvoll drehte er sich um und füllte eine Spritze mit einer klaren Flüssigkeit. Light schluckte schwer und fragte nervös: „Was ist das?“ „Der besagte Wirkstoff“, flüsterte Osoreda andächtig. „Allerdings auch nur ein Prototyp. Ich weiß nicht genau, wie es auf Menschen wirkt. Aber keine Sorge: diesmal werde ich es vorher noch testen, ehe ich es in Umlauf bringe. Und zwar an Ihnen!“ „…!“ „Ja, Herr Yagami. Sie dürfen sich freuen. Sie dürfen sich heute im Namen der Wissenschaft opfern!!“ Mit beängstigend freundlichem Lächeln trat Osoreda mit der Spritze in der Hand an die Bahre heran. Light versuchte vergeblich, sich zu befreien. Aber je mehr er an den Fesseln zog, desto fester wurden sie. Er konnte nicht entkommen… Dann, ganz plötzlich, spürte er einen Stich in seinem Oberarm. Hilflos musste er mitansehen, wie Osoreda die Spritze runterdrückte und die Flüssigkeit in seine Blutbahnen gelangte. Das Zeug wirkte unheimlich schnell: Innerhalb weniger Sekunden drehte sein Kreislauf völlig durch, sein Herz raste unnatürlich schnell und er hatte Schwierigkeiten, Luft zu holen. Alles drehte sich… sein Blick verschwamm… und dann gab es einen lauten Knall. Das Letzte, was Light sah, ehe sein Blick sich verdunkelte, war eine vertraute Gestalt mit heller Haut und schwarzem Haar, die seinen Namen rief… Wo bin ich? Bin ich… tot? Muss wohl so sein… da hinten ist ein weißes Licht. Aber wer war diese komische Gestalt? Etwa ein Engel? Und was ist das für ein Piepsen? „Wie geht es ihm, Herr Doktor?“ Was ist das für eine Stimme? „Nun… wir haben seinen Körper ausgepumpt. Das Problem ist, dass wir noch nicht feststellen konnten, welchen Schaden der Wirkstoff bisher angerichtet hat. Innerlich geht es ihm jedenfalls gut. Das ist alles, was wir im Moment tun können. Jetzt bleibt uns nur noch abzuwarten, bis Ihr Sohn aufwacht…“ „… Gut, ich danke Ihnen, Herr Doktor…“ Aufwachen? Kann es sein, dass… Lebe ich etwa noch?! Light’s Augen flackerten. Er versuchte, sie zu öffnen, seine Gliedmaßen zu bewegen, aber alles fühlte sich schwer wie Blei an. Er spürte, wie sich jemand über ihn beugte, wobei er sich auf die Matratze stützte. „Light?“ flüsterte er aufgeregt. „Light, hörst du mich? Wach doch bitte auf, mein Junge!“ Na los, Light! Schlag endlich deine Augen auf! Zu seiner Erleichterung stellte Light fest, dass sein Körper ihm endlich gehorchte. Zuerst war alles nur verschwommen, dann erkannte er allmählich die Person neben sich: es war sein Vater - überaus erleichtert und ziemlich abgekämpft, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen. „Light! Gott sei Dank, du bist aufgewacht! Ich habe mir solche Sorgen gemacht…“ „Wie lange… war ich bewusstlos?“ krächzte Light leise. „Drei Tage“, sagte eine Stimme an der Tür. Light drehte den Kopf zur Tür – dort stand Ryuzaki, sein Blick war von seinem Haarschopf verdeckt. „Drei Tage…“ flüsterte Light kaum hörbar. Betretenes Schweigen legte sich zwischen die drei Personen. Ryuzaki brach es schließlich: „Herr Yagami, Sie haben seit Tagen nicht mehr geschlafen. Für einen Mann, der gerade einen Herzinfarkt hinter sich hatte, ist das gar nicht gut. Ich schlage vor, dass Sie jetzt nach Hause fahren und sich erstmal gründlich ausschlafen. Light ist jetzt wach…“ Soichiro wollte widersprechen, doch es ging ihm tatsächlich nicht besonders gut. Und jetzt, wo Light endlich wach war, entspannte er sich auch langsam. Also nahm er sein Jackett von der Stuhllehne und verließ mit einem letzten, erleichterten Blick auf seinen Sohn das Krankenzimmer. Nachdem sein Vater gegangen war, drückte Light auf den Knopf seiner Fernbedienung des Bettes, um seine Kopflehne höher zu stellen. „Ryuzaki… es tut mir wirklich Leid. Ich habe wirklich nicht gewollt, dass es soweit…“ Light verstummte schlagartig, als er etwas Glitzerndes aus dem Gesicht des Meisterdetektivs tropfen sah. Weinte er etwa? „Ryuzaki…“ „Es tut mir so leid, Light“, schluchzte Ryuzaki kaum hörbar. „Ich hätte nie zulassen sollen, dass du dich in Gefahr begibst. Wenn du gestorben wärst…“ Ryuzaki’s Stimme brach ab. „Aber ich lebe noch“, erwiderte Light sanft. „Du hast mich gerettet. Wie ich es erwartet habe. Ich wusste, du würdest mich beschützen. Ich hatte keine Angst…“ Langsam trat Ryuzaki an das Krankenbett, ließ sich behutsam neben ihn nieder. In seinen dunklen Augen schimmerten Tränen. Und dann fiel er Light um den Hals und weinte sich an dessen Schultern aus. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht…“ Light legte sofort seine Arme um den Älteren und drückte ihn ganz fest an seine Brust. Er fühlte sich warm an. Nachdem sich Ryuzaki wieder beruhigt hatte, erzählte Light ihm genau, was im Labor geschehen war. Ryuzaki seufzte und zog seine Knie an. „Die Angst vernichten… so ein Unsinn.“ „Nun ja… es ist zumindest verständlich“, warf Light zögernd ein. „Angst haben wir alle. Sie ist uns angeboren. Sie ist sogar notwendig. Sie verlässt uns auch nie. Sie ist eine Lebensgrundlage. Ohne Angst käme man gar nicht über die Kindheit hinaus. Angst ist die Wahrnehmung von Gefahr und die Reaktionen, die sie in dir auslöst, schützt dich vor der Gefahr. Erst der Tod lässt die Angst verschwinden. Aber das kann ja wohl nicht die Lösung sein.“ „Ich weiß. Ich weiß auch, dass eine Phobie keine simple Angst ist. Sie ist ein Handicap, nicht kontrollierbar. Das Leben richtet sich nach ihr aus… und manchmal bringt sie einen sogar um.“ „Falsch. Man stirbt an seiner Phobie, wenn man sich von der Angst überfluten lässt. Man muss nur lernen, mit ihr zu leben. Ohne Angst kann man jedenfalls nicht leben. Sie ist noch viel mehr als eine Emotion: Sie ist ein Grundpfeiler der Persönlichkeit.“ Light hob eine Augenbraue. „Was meinst du mit »Grundpfeiler der Persönlichkeit«?“ Wieder einmal begann Ryuzaki, an seinen Fingernägeln zu knabbern. „Hast du noch nie etwas von der mentalen Pyramide gehört?“ Light schüttelte den Kopf und Ryuzaki fuhr fort: „Sie ist eine faszinierende und originelle Darstellung der menschlichen Persönlichkeit. Die Angst ist demnach eine der fundamentalen Komponenten unserer Persönlichkeit, wie auch Schmerz und Begehren. Diese drei Energien haben wir in uns, zwar in variablen Proportionen und Ausformungen, aber immer sind sie genetisch bedingt. Jedes Individuum besitzt eine Art energetische Karte. Die darin vorherrschende Energie bestimmt unsere Persönlichkeit: ist es der Bezug zur Angst, ist man eher schüchtern oder waghalsig; ist es der Schmerz, wird man kämpferisch oder aggressiv, sobald man auf einen starken Widerstand stößt; ist man aber sehr schmerzempfindlich, bleibt man in Deckung, leidet still. Ist das Begehren vorherrschend, ob bewusst oder unbewusst, wird man es immer aufs Verführen anlegen. Verstehst du?“ Wieder nickte Light. Und er war beeindruckt. Ryuzaki verstand wirklich viel von Psychologie. „Die Kombinationsmöglichkeiten dieser drei Komponenten ergeben die unterschiedlichsten Persönlichkeiten! Wie soll man nun, davon ausgehend, sich vorstellen, dass ein Mensch sich von der Angst frei machen könnte, wenn sie doch ein Grundstein seiner Persönlichkeit ist?“ „Ich verstehe. Befreit man sich von der Angst, befreit man sich von seiner Persönlichkeit, seiner Emotionen. Und zurück bleibt nur ein gefühlloser Roboter.“ „So kann man das ausdrücken.“ „Und wie geht es jetzt weiter? Was passiert zum Beispiel mit Arisa?“ „Watari hat sich ihrer angenommen. Er hat sie in ein spezielles Waisenhaus gebracht. Dort wird man sich gut um die Kleine kümmern. In dem Waisenhaus wird sie lernen, mit ihren besonderen Fähigkeiten umzugehen.“ „Was ist mit den Leuten von Ikagu? Und Herr Osoreda?“ „Wir haben sie alle verhaftet. Dank deinem Undercover-Einsatz konnten wir genügend Beweise finden, um sie zu verhaften. Sogar die fahrlässige Tötung der vielen Kinder. Sie müssten gerade überführt werden…“ Ryuzaki schnappte sich die Fernbedienung und schaltete den Fernseher an. Der Sender zeigte live, wie die Mitarbeiter – allen voran Kiichiro Osoreda – von den Polizisten abgeführt wurden. Viele Schaulustige hatten sich versammelt, darunter anscheinend auch Angehörige der Opfer. Sie riefen laut: „Ihr Mörder!! Haftstrafe ist noch zu wenig für euch! Kira sollte euch dafür bestrafen!!“ Und von einer Sekunde auf die andere wurden ihre Gebete erhört: einer nach dem anderen schrieen plötzlich auf, krampften sich zusammen und fielen dann leblos um. Ryuzaki sprang auf. Vor seinen Augen hatte Kira diese Menschen ermordet! Aber was noch interessanter war: Light hatte anscheinend keine Muskel bewegt, um etwas Derartiges zu bewirken. War er etwa doch nicht Kira? Was Ryuzaki nicht wissen konnte: Light hatte das von Anfang an geplant. Zuerst wollte Light selbst die Mitarbeiter von Ikagu zur Strecke bringen. Aber dann hielt er inne. Was wäre, wenn diese Menschen doch nicht schuldig waren? Wenn er zu voreilig handelte? Dann würde er Unschuldige töten… Also fasste er einen neuen Plan: Misa sollte ihm dabei helfen. Sobald Ryuk bei ihr auftauchte, sollte sie alles stehen und liegen lassen und sich bereithalten. Sollten diese Menschen tatsächlich festgenommen werden, gäbe es keinen Grund, sie nicht zu bestrafen. Bei einem so schwerwiegenden Fall war sich Light sicher gewesen, dass die Presse davon live berichten würde. Misa brauchte dann nur noch die Namen der Personen im Fernseher zu lesen und aufzuschreiben. Und da L die ganze Zeit mit ihm zusammen war, konnte dieser sich selbst davon überzeugen, dass Light unmöglich Kira war. Alles lief nach Plan… ~ Fortsetzung folgt ~ Kapitel 6: Krankheit -------------------- Kapitel 6: Krankheit „Nun, Herr Yagami… Ihre äußeren und inneren Verletzungen sind soweit verheilt. Daher können Sie das Krankenhaus wieder verlassen. Dennoch muss ich Sie eindringlich warnen: Wir konnten immer noch nicht herausfinden, ob dieser seltsame Wirkstoff Veränderungen in Ihnen hervorruft und wenn ja, welche. Es mag in den letzten Tagen keine Vorkommnisse dieser Art gegeben haben, was aber nicht heißen muss, dass nicht doch irgendetwas passiert. Laut den Unterlagen von Ikagu dauert es etwa 40 Tage, bis sich der Wirkstoff im ganzen Körper bemerkbar macht, daher werden wir sie in ungefähr einem Monat noch einmal untersuchen. Sollten Sie bis dahin irgendwelche Veränderungen feststellen oder Beschwerden haben, kommen Sie bitte sofort her! Geben Sie auf sich acht!“ Die Worte des Arztes verfolgten Light sogar in den Schlaf. Seit dem Vorfall in dem geheimen Labor fiel es ihm ohnehin sehr schwer, Schlaf zu finden. Schuld daran war dieser Horrorwirkstoff, der ihm injiziert wurde. Er konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass er auf grässlichste Weise mutierte oder eines qualvollen Todes starb. Daher reagierte er auch dementsprechend panisch, als er dieses seltsame Stechen in seiner Brust zum ersten Mal spürte. Es kam in Schüben, unregelmäßig. Und es verursachte einen nie gekannten Schmerz in Light’s Brust. Mit jedem Tag wurde der Schmerz schlimmer und schlimmer. Sein Appetit ließ mittlerweile nach, seine Konzentration ebenso. Zum ersten Mal, seit er denken konnte, hatte er in einem Test nicht die volle Punktzahl erreicht. Der Dozent hatte ihn zwar mit den Worten beruhigt, dass jeder mal einen schlechten Tag haben konnte, aber Light war sehr beunruhigt. War das schon ein Zeichen dafür, dass er sich veränderte? Nahm sein Intellekt etwa ab? Er musste Gewissheit haben! Dass ein Dozent kurzfristig krank wurde, kam Light gerade recht. Er wimmelte Misa und Takada ab, die ihn beide - getrennt voneinander - fragten, ob er Lust auf ein Date habe, und suchte sofort den Dr. Ashimoto auf. Der hatte ihn, trotz vollem Terminplan, sofort untersucht. Nun saß Light nervös im Büro des Arztes und wartete auf die Ergebnisse. Er betete im Stillen darum, dass er nicht bald sterben möge – oder dass sich sein Verstand teilweise verabschiedet. Nach einer quälend langen halben Stunde tauchte dann Dr. Ashimoto auf. Mit einem tiefen Seufzer ließ er sich auf den bequemen Chefsessel hinter dem Schreibtisch nieder und warf die Akte auf den Tisch. Light schluckte schwer. „Und… Herr Doktor? Wie… wie schlimm ist es?“ stammelte Light ängstlich. Er rechnete mit dem Schlimmsten. Dabei waren die 40 Tage doch fast rum gewesen! Doch was der Arzt ihm dann sagte, hatte Light wohl nicht erwartet. Ashimoto beugte sich vor, faltete die Hände zusammen und sagte ruhig: „Sie sind kerngesund, Herr Yagami.“ Light riss die Augen auf. „Wie bitte?!“ „Wir haben Sie gründlich untersucht und wir können nun endgültig sagen, dass der Wirkstoff keinerlei Schäden bei Ihnen verursacht hat. Sie sind offiziell kerngesund.“ „A- aber… es sind doch noch 7 Tage… Wie können Sie da jetzt schon sagen, dass…“ Light brach ab. Er konnte nicht fassen, was hier gerade passierte. Dr. Ashimoto legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. „Beruhigen Sie sich. Sicher, es sind noch 7 Tage Zeit, aber ich denke nicht, dass da noch etwas passiert. Auch wenn es 40 Tage dauert, bis der Wirkstoff sich voll entwickelt, müsste man dennoch jetzt schon etwas entdecken können. Sie sind gesund, glauben Sie mir ruhig.“ Light schüttelte nur den Kopf. „Das kann nicht sein…“, murmelte er nur, erhob sich und verließ umgehend das Krankenhaus. Wenn er nicht krank war, was war denn dann mit ihm los? Der junge Mann stand nun seinem Engel gegenüber. Gerade noch rechtzeitig hatte er sie erreicht. Sie wollte heute zurück gehen. Zurück in den Himmel. Ihre Mission hier auf Erden war erfüllt, jetzt wurde sie nicht mehr gebraucht, hatte Gott gesagt. Aber er irrte sich. Sie wurde gebraucht. ER brauchte sie. Schwer atmend trat er näher an den Springbrunnen, vor dem sie stand. Sie trug ein traumhaftes rosafarbenes Seidenkleid, ihre blonden Haare schmückte eine Blumenkrone. Sie war so schön… Wären da nicht die großen, weißen Engelsflügel gewesen, er hätte sie immer noch für einen Menschen gehalten. „Bitte…“, flüsterte er atemlos. „Bitte geh nicht fort. Meine Liebste, ich verspreche dir, ich werde für dich sorgen! Gott mag allmächtig sein, dennoch hat er nicht das Recht, dich mir zu entreißen! Bleib bei mir…“ Er berührte sie sanft an den Schultern, beugte sich zu ihr hinunter, um sie zu küssen… Doch kurz, bevor seine Lippen die ihren berührten, drehte sich das Mädchen weg und rief: „Herr Regisseur, können wir die Liebesszene nicht streichen? Ich hab nämlich einen Freund!“ Der fette Mann mit Sonnenbrille und Baskenmütze warf den Kopf genervt in den Nacken und ließ sein Megaphon in den Schoß fallen. Dieses Mädchen trieb ihn noch zur Verzweiflung! „Hör zu, Misa“, mischte sich Yosshi, Misa’s Managerin, ein. „Ich weiß, dass der Job als Schauspielerin dir einiges abverlangt, aber so ist das in der Filmbranche! Auch, wenn es dir nicht gefällt, du wirst dich fügen müssen.“ Hideki Ryuga, der Sänger, rieb sich müde die Augen. Weder er noch Misa Amane hatten jemals einen Film gedreht. Und für beide könnte dieser Streifen den internationalen Durchbruch bedeuten! Aber dieses schwierige Frauenzimmer stellte sich mal wieder quer. Ihretwegen mussten sie schon alle bisherigen Liebesszenen streichen, aber auf die hier konnten sie nicht verzichten! Wie sollten die Zuschauer denn sonst glauben, dass der Held und der Engel ineinander verliebt sind? Kapierte diese Diva das nicht?! Misa warf ihre offenen Haare nach hinten und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ist mir völlig egal, Yosshi!“, fauchte Misa, ihre grünen Augen blitzten arrogant auf. „Du bist meine Managerin, also sorg gefälligst dafür, dass meine Wünsche erfüllt werden! Entweder, diese blöde Kussszene wird gestrichen, oder ich drehe den Film nicht weiter, kapiert?! Ich werde jetzt in meinen Wagen gehen und mich kurz ausruhen und du kannst inzwischen das hier klären. Und du solltest besser erfolgreich sein.“ Hoch erhobenen Hauptes stolzierte Misa in den Wohnwagen, der als ihre Umkleidekabine diente, und knallte die Tür zu. Drinnen ließ sie sich auf die Couch plumpsen und warf die Engelsflügel in eine Ecke. „Warst du nicht ein bisschen zu streng?“, erkundigte sich Rem. „Ach was, Yosshi verträgt das“, winkte Misa müde ab und öffnete eine Flasche Cola-Light. „Ich finde diesen Film ohnehin total dusselig! So eine blöde Handlung, wer hat die sich bloß ausgedacht?! Mir doch egal, ob der Film fertig gedreht wird!“ Rem musterte Misa nachdenklich, was dieser natürlich nicht entging. Sie merkte es immer, wenn man sie ansah – sie genoss es, bewundert zu werden. Zumindest in Rem’s Fall war der Grund für die Blicke nicht erkennbar. „Was ist los, Rem? Du hast doch was auf dem Herzen.“ „Kann ich dich etwas fragen, Misa?“ „Klar.“ „Warum hast du Light dein Death Note gegeben?“ „Weil er es haben wollte, darum“, antwortete Misa schlicht und trank einen Schluck Cola. „Aber warum tust du nur das, was er will? Du könntest dein Death Note für dich benutzen, stattdessen verwendest du es, um Light Yagami auf dich aufmerksam zu machen. Auch danach benutzt du es nur dann, wenn er es dir erlaubt. Und jetzt hast du es ihm auch noch übergeben!“ „Ich weiß nicht, was du willst! Solange ich mein Besitzrecht daran nicht aufgebe, werde ich meine Erinnerungen nicht verlieren. Das ist doch richtig, nicht wahr Rem?“ „Ja, das ist richtig.“ „Na also. Nach der Sache mit den Ikagu-Typen hatte Light Angst, dass L mir auf die Schliche kommt, wenn ich weiterhin Menschen töte und hielt es daher für besser, wenn ich ihm mein Death Note zur Aufbewahrung überlasse. Wäre ja echt blöd, wenn L hinter unser kleines Manöver käme, nachdem wir den Verdacht so erfolgreich von Light abgewandt hatten.“ Rem wandte sich von Misa ab, sah aus dem Fenster hinaus. Misa musterte ihre Gefährtin nachdenklich. Eigentlich hatte sie Rem sehr gern, betrachtete sie als ihre einzige, richtige Freundin. Aber wenn es um Light ging, war Rem etwas zu besorgt. Wie konnte Misa ihr nur verständlich machen, dass sie Light liebte und sie sich keine Sorgen zu machen brauchte? „Rem? Warum ist dir die Sache mit dem Death Note so wichtig? Ich weiß ja nicht mal, warum du es mir gegeben hast.“ „… Ich hielt es für richtig.“ „Woher hast du eigentlich das zweite Death Note her? Ich weiß, dass Ryuk sein zweites Death Note, das er Light gegeben hat, einem Todesgott namens Shidoh geklaut hat. Aber woher hast du meins? Hast du es auch gestohlen oder vielleicht jemanden dafür getötet?“ „Ich habe niemanden getötet. Ich war nur zufällig dabei, als ein Todesgott starb und hab sein Death Note an mich genommen.“ „Ich dachte, Todesgötter können nicht sterben.“ „Doch, können sie. Ein Todesgott stirbt… wenn er sich in einen Menschen verliebt.“ „… Das ist aber eine schöne Art zu sterben“, hauchte Misa beeindruckt. „… Gut, ich erzähle es dir. Dein Death Note gehörte früher einem Todesgott namens Jealous. Jealous verliebte sich eines Tages in ein Menschenmädchen. Er beobachtete sie jeden Tag von der Welt der Shinigami aus. In jedem Moment ihres Lebens war er bei ihr. Und eines Tages… kam der Tag, an dem ihre Lebenszeit abgelaufen war. Ich wollte wissen, wie es passieren würde und gesellte mich zu ihm. Das Mädchen kam gerade von ihrer Abendschule, an der sie ihren Schulabschluss nachholte, da tauchte dieser Mann auf. Er hatte ein Messer bei sich. Er schrie sie an »Ich liebe dich! Ich will dich doch nur beschützen!«. Das Mädchen kannte den Mann aber nicht. Sie hatte Angst und floh. Der Mann verfolgte sie und bedrohte sie mit dem Messer. Und dann tat Jealous etwas, was uns Todesgöttern nicht gestattet ist: er schrieb den Namen des Mannes, der das Mädchen töten wollte, in sein Death Note. Wir Shinigami können mit unserem Death Note das Leben von Menschen verkürzen. Es zu benutzen, um es zu verlängern, ist uns nicht gestattet. Den Tod verhindern ist nicht möglich, jedenfalls nicht ohne Konsequenzen. Jealous starb sofort. Die Lebenszeit, die ihm noch geblieben wäre, wurde zu der Lebenszeit des Mädchens.“ Misa stellte ihr Glas ab. „Verstehe“, murmelte sie leise. „Dann war es also ein Todesgott namens Jealous… der mich damals vor dem Stalker gerettet hat.“ „Richtig. Du kannst dank Jealous weiterleben. Und da er sein Leben für dich gegeben hat, hielt ich es für richtig, dass du sein Death Note bekommen solltest. Daher… finde ich, du solltest nicht leichtfertig mit deinem neuen Leben umgehen… oder mit dem Death Note.“ Misa lächelte und stand auf. „Mach dir keine Sorgen. Ich weiß, was ich tue.“ „Aber…“ „Was auch immer passiert, ich kümmere mich nicht darum. Light wird mich beschützen, da bin ich mir sicher. Eigentlich… hätte ich ja schon längst tot sein sollen.“ Misa öffnete die Wohnwagentür und ging hinaus. „Ah, Misa! Da bist du ja wieder! Dann können wir ja weiterdrehen!“ rief der Regisseur ihr zu. Rem sah ihr nach, dann sah sie wieder hinaus aus dem Fenster. Hast du wirklich dafür dein Leben gegeben… Jealous? Zur selben Zeit tischte Sachiko ihren beiden Kindern das Abendessen auf. Ihr Mann, Soichiro, war seit Tagen nicht zuhause gewesen, aber das war in der Vergangenheit schon öfters der Fall gewesen. Sachiko machte sich keine Sorgen deswegen. Es gab auch Wichtigeres: Sayu, ihr kleines Kücken, hatte endlich ihren ersten, festen Freund. Ein Jahr älter als sie war er und ging in ihre Klasse. Sie hörte gar nicht mehr auf, von ihm zu reden. „Oh! Und… und an übermorgen, da kommt er zu meiner Geburtstagsparty. Dann lernt ihr ihn auch mal kennen!“ „Das ist schön, Sayu. Wir würden uns freuen, deinen Freund kennen zu lernen. Nicht wahr, Light?“ „Ja“, brummte Light mit vollem Mund und stocherte missmutig mit den Essstäbchen in seinem Essen herum. Sachiko sah ihren Sohn überrascht an. „Aber Junge, was ist denn los?“ „Weiß ich auch nicht“, zischte Sayu verärgert. „Eigentlich hat er keinen Grund, sich zu ärgern. Schließlich hat er doch jetzt auch eine Freundin!“ Light stöhnte auf und knallte seine Essstäbchen auf den Tisch. „Bist du immer noch sauer auf mich? Es tut mir leid, das habe ich doch schon gesagt! Ich kann doch nichts dafür, dass Misa sich nur mit dir angefreundet hat, weil sie auf mich steht! Und nur zu deiner Information: sie ist NICHT meine Freundin! Ich mag sie nicht!“ Sayu wandte sich bockig von ihrem großen Bruder ab und aß weiter. Wütend widmete sich Light wieder seinem Teller. Es war aber nicht das – berechtigte – Verhalten seiner Schwester, dass ihn so wütend machte, sondern die Enttäuschungen des heutigen Tages. Nachdem er Dr. Ashimoto’s Klinik verlassen hatte, besuchte er noch fünf weitere Ärzte, die aber alle dieselbe Diagnose verkündeten: Light war kerngesund. „Shinji ist ja so süß!“, säuselte Sayu munter weiter. Das konnte doch nicht wahr sein! Die konnten sich doch nicht alle irren! „Wenn er lacht, hat er so zauberhafte Grübchen in seinen Wangen!“ Oder irrt er sich? „Ich wuschle so gerne durch seine Haare…“ Aber was ist das dann für ein stechender Schmerz in seinem Herzen? „Ich liebe es, wenn wir zusammen sind!“ Der Schmerz war ja auch nicht die ganze Zeit über da. „Er gibt mir Halt, vertreibt all meine Sorgen und meinen Ärger…“ Eigentlich nur dann, wenn er Namen ins Death Note schreibt oder darüber nachdenkt… „Shinji ist so anders, als alle, denen ich begegnet bin!“ Das waren doch nicht etwa Gewissensbisse? „So habe ich noch nie gefühlt!“ Aber warum konnte Light dann keine Namen aufschreiben? „Wenn er nicht bei mir ist… habe ich solche Sehnsucht nach ihm, dass mein Herz schmerzt.“ Moment mal… „Was?“ Light sah von seinem Teller auf und sah seine Schwester fragend an. „Dein… Herz schmerzt?“ „Ja. Das ist die Sehnsucht. Die Tatsache, dass er nicht bei mir ist, schmerzt mich. So ist das eben, wenn man verliebt ist. Kennst du das etwa nicht, Light? Du warst doch drei Jahre mit Romy zusammen! Dann müsste es dir doch auch so ergangen sein, wenn du sie nicht gesehen hast. Oder hast du sie etwa nicht geliebt?“ „Sayu! Sag so was nicht! Natürlich hat Light Romy geliebt! Und jetzt iss auf!“, schimpfte Sachiko. „Hab doch bloß gefragt…“, nuschelte Sayu und schnappte sich ein Stück Fleisch von ihrem Teller. Light starrte auf seinen Teller. Der Appetit war ihm gründlich vergangen. Das konnte doch nicht die Antwort sein! …Oder etwa doch? Noch Stunden später in seinem Bett konnte Light seine Gedanken nicht zum Schweigen bringen. Er lag hellwach unter seiner Decke und stierte die Zimmerdecke an. Liebe… War wirklich Liebe die Antwort auf sein Problem? Das Gefühl, das Sayu vorhin beschrieben hatte, war haargenau das, was Light fühlte: Sein Herz schmerzte und er fühlte eine starke Sehnsucht. Doch wonach? Oder besser: nach wem? Hatte er sich wirklich in jemanden verliebt, ohne es zu merken? Doch es gab etwas, das Light noch mehr störte, als die Tatsache, dass er jemanden liebte, ohne zu wissen, wer es war. So, wie jetzt, hatte er noch nie empfunden – nicht mal bei Romy! Sie waren fast drei Jahre zusammen gewesen und seit dem Sandkasten befreundet, dennoch hatte Light nicht einmal so empfunden, wie er es jetzt tat. Wenn er genauer darüber nachdachte, hatte er auch nie das Bedürfnis verspürt, mit Romy zu schlafen. Und nicht nur bei ihr war das so gewesen. Vor Romy hatte Light noch drei andere Freundinnen gehabt: Yuri, Shiho und Emi. Auch mit ihnen hatte Light nicht geschlafen, geschweige denn das Bedürfnis verspürt. Er hatte sie nicht einmal geküsst. Romy war die erste Frau, die Light geküsst hatte – oder besser gesagt, war SIE es, die IHN geküsst hatte. Fast immer eigentlich. Und er hatte sich das gefallen lassen. Nicht, dass Light generell keinen Sex wollte. Nur eben nicht mit diesen Frauen. Die Erkenntnis, die sich zwangsläufig daraus ergab, war für Light ein schwerer Schock: Sayu hatte recht. Er hatte Romy nicht geliebt. Als seine beste Freundin, ja. Aber nicht als Frau. Aber wenn das nicht Liebe war, wie man sie für eine Frau empfinden sollte, was sollte das Ganze dann? Warum war sie dann seine Freundin geworden? Warum hatte er seine Zukunft mit ihr geplant? Light vergrub seinen Kopf in seine Hände. Seine ganze Welt stand auf einmal auf den Kopf. Seine Gefühlswelt war das reinste Chaos. Was passierte hier nur? „Light?“ Light ließ die Hände sinken und wandte den Kopf. Takada saß neben ihm und musterte ihn besorgt. Erst jetzt kehrte Light langsam wieder in die Realität zurück und registrierte allmählich, dass es mittlerweile Tag war und er sich in der Uni befand. „Geht es dir gut, Light? Du siehst so aus, als hättest du große Sorgen“, flüsterte Takada. Light schüttelte den Kopf und versuchte, zu lächeln. Mehr brachte er im Moment nicht zustande. Takada spürte, dass das gelogen war, aber sie wollte ihn nicht zwingen, sich zu öffnen. Aufmunternd strich sie ihm über die Hand, dann widmete sie sich wieder der Vorlesung. Light schielte unauffällig zu Takada rüber und überlegte, ob er vielleicht mit ihr schlafen würde. Sie war hübsch, ohne Zweifel. Aber die Vorstellung von ihnen beiden im Bett wollte Light einfach nicht gelingen. Obwohl die Erkenntnis des Tages ihn völlig geschlaucht hatten, schaute Light nach der Uni noch bei dem Ermittlungsteam vorbei. Sein Vater hatte ihn heute Mittag angerufen und ihm mitgeteilt, es gäbe neue Erkenntnisse im Fall Kira. Light fragte sich, worum es dabei wohl gehen könnte. Es war eigentlich nichts geschehen, womit er sich hätte verraten können. Misa’s Death Note befand sich in seinem Besitz, sie konnte also nichts angestellt haben. Vielleicht erschien es Ryuzaki einfach nur merkwürdig, dass Kira schon seit einigen Tagen keine Morde mehr begangen hatte. Light betrat den Fahrstuhl des Hotels und fuhr in den fünften Stock hoch. Vor dem Zimmer hielt er kurz inne und betete, dass nichts Schlimmes geschehen war, dann klopfte er an und trat ein. Ryuzaki, der in einem Sessel vor einem großen Bildschirm saß, drehte sich zu ihm um. „Ah, hallo Light! Da bist du ja!“ Light seufzte erleichtert. Ryuzaki’s Anblick fegte sofort alle Sorgen weg. Wie schaffte er das nur jedes Mal? Er stellte seine Tasche auf der Kommode ab und trat näher an den Sessel. „Und? Was gibt es denn Neues?“ Ryuzaki nahm sich einen Teller mit einem Stück Erdbeertorte vom Tisch und inspizierte diesen wie ein Beweisstück. Dann nahm er sich die Kuchengabel und schaufelte die Sahne vom Kuchen. „Ich hab nicht oft mit dem japanischen Polizeisystem zu tun. Dafür bin ich sogar ganz froh. Dieser alberne Papierkrieg und diese ewigen Verzögerungen sind Gift für die laufenden Ermittlungen. Es hat drei Monate gedauert, bis wir die verdammten Videobänder von Sakura-TV ausgehändigt bekommen haben!“ „Drei Monate? Klingt nach einer Menge Papierkrieg und Nerven. Und? Was war drauf?“ „Nun, die ersten beiden Bänder kannten wir ja schon. Auf Band drei befand sich eine Nachricht für die Polizei von Japan. Darin wurden wir aufgefordert, mit Kira zusammen zu arbeiten. Kira 2 teilte uns auch mit, was geschehen würde, wenn wir eine Zusammenarbeit verweigern. Auf Band vier ist eine Botschaft an den ersten Kira. Er bittet um ein direktes Treffen mit ihm und dass sie sich dabei… ihre Shinigami zeigen könnten.“ Light schluckte. Misa!! Die spinnt wohl! Wie kann sie das nur verraten! „Das war schon ein Schock für mich“, fuhr Ryuzaki fort. „Ich hätte nie gedacht, dass es die gibt… Aber dann kam ich auf die Idee, dass er mit »Shinigami« wahrscheinlich ihre Fähigkeit meint, Menschen ohne große Mühe zu töten. Aber das ist nicht weiter relevant. Viel wichtiger ist das, was die Videobänder uns noch verraten haben.“ Light zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Das da wäre?“ „Wir haben Fingerabdrücke auf den Videobändern gefunden. Offenbar war der Typ, der sie abgeschickt hatte, nicht besonders clever.“ Fingerabdrücke also… Kein Problem. Misa hat mich bereits darüber in Kenntnis gesetzt. Rückblick Es war an dem Abend, als sich Misa als Kira 2 zu erkennen gegeben hat. Light fiel etwas ein. „Was ist eigentlich mit den Videobändern, die du an den Sender geschickt hast? Da sind vielleicht Spuren zu finden, die auf dich hindeuten. Das war ganz schön leichtsinnig.“ „Mach dir da mal keine Sorgen. Da sind höchstens Fingerabdrücke zu finden. Und die sind nicht von mir. Selbst ich weiß, wie solche Dinge funktionieren. Die Fingerabdrücke sind von einer Freundin. Wir waren früher Nachbarn. Ich besuche sie manchmal in Osaka. Meine Freundin interessiert sich für okkultistische Dinge und so. Ich hab sie überredet, vier Videobänder an den Sender zu schicken, auf denen angeblich ein Geist zu sehen ist. Diese Bänder habe ich mit meinen Nachrichten überspielt und natürlich darauf geachtet, dass ich keine Spuren hinterlasse. Dann habe ich sie an den Sender geschickt.“ „Nicht schlecht. Aber dein Plan hat einen Haken: Kira 2 war an dem Tag des Festivals vor Ort. Wie willst du das erklären?“ Misa kicherte und stupste sich wissend gegen die Nase. „Keine Sorge. Meine Freundin arbeitet bei einem Caterer. Und der hat für das leibliche Wohl beim Festival gesorgt! Sie war also sehr wohl vor Ort! Na? Wie hat Misa das gemacht?“ Rückblick Ende „Wie auch immer.“ Ryuzaki nippte an seinem Kaffee. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Kira und Kira 2 längst Kontakt zueinander aufgenommen haben.“ Light war überrascht. „Wie kommst du darauf?“ „Hattest du nicht den Eindruck? Ich dachte eigentlich, du wärest auch zu dem Schluss gekommen. Als die Mitarbeiter von Ikagu von Kira getötet wurden, ist mir das klar geworden. Wie hätte Kira die Namen der Mitarbeiter wissen sollen? Er konnte sie nicht kennen. Daher gibt es nur eine Möglichkeit: Kira 2 hat diese Menschen getötet. Nur er kann Menschen töten, indem er nur ihre Gesichter ansieht.“ „Wieso hätte er das tun sollen?“, warf Matsuda ein. „Kira 2 tötet doch nur weibliche Verbrecher; Verbrechen, in denen Frauen die Opfer sind oder Menschen, die Kira diskriminieren!“ „Genau das habe ich mich auch gefragt. Und es kann dafür nur einen Grund geben: Kira hat Kira 2 die Anweisung dazu gegeben. Vermutlich, um den Verdacht von sich abzulenken.“ Soichiro trat geschockt näher. „Ryuzaki, was soll das heißen? Wollen Sie damit sagen, dass Sie Light immer noch verdächtigen, Kira zu sein?!“ „Ich dachte, dass hätten wir hinter uns! Traust du mir immer noch nicht, Ryuzaki?“, fragte Light aufgebracht. Ryuzaki rührte in seinem Kaffee. „Nein, Light ist nicht Kira. Das wünsche ich mir zumindest. Immerhin ist Light… der erste, echte Freund, den ich gefunden habe“, erwiderte er leise. Light klappte die Kinnlade runter. Er hatte nicht mehr zu hoffen gewagt, dass sie beide noch Freunde werden würden. Ryuzaki wandte sich zu ihm um und musterte ihn. Sein Gesicht war wie immer ausdruckslos, doch seine Augen schimmerten erwartungsvoll. Ob Light nach all dem noch sein Freund sein wollte? Light schenkte ihm ein sanftes Lächeln, kam noch näher und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Sofort spürte Light ein angenehmes Kribbeln im ganzen Körper. „Du bist auch ein sehr guter Freund für mich, Ryuzaki.“ „Danke.“ „Es ist schade, dass du nicht mehr in die Uni kommst. Du fehlst mir. Wir müssen mal wieder Tennis spielen.“ „Ja, auf jeden Fall. Das wäre schön.“ Ein paar Sekunden lang herrschte ein angenehmes Schweigen zwischen den beiden jungen Männern. Dann fiel Light ein, dass sie ja nicht alleine waren und er löste sich wieder von dem Meisterdetektiv. „Gut. Dann… verabschiede ich mich mal für heute. Wir sehen uns“, sagte Light hastig, schnappte sich seine Tasche und verließ verlegen das Hotel. Das Gespräch mit Ryuzaki hatte Light richtig gut getan. Voller Elan machte er sich daheim an die Hausaufgaben. Namen ins Death Note schreiben wollte er aber auch heute nicht. Nach einer Weile klingelte Light’s Handy. Es war Ryuzaki. „Hallo. Was gibt es denn?“ „Sieh mal nach draußen.“ Light war verwirrt, schaute aber dennoch aus dem Fenster. Ryuzaki stand unten auf der Straße und sah zu ihm hinauf. Freudig legte Light auf und lief zu ihm nach draußen. „Hey, was machst du denn hier?“ „Ich muss unbedingt mit dir reden.“ Ryuzaki schien nervös. Er scharrte ständig mit den Füßen auf dem Boden. „Wegen dem, was du vorhin sagtest… meintest du das ernst?“ Light lächelte. „Klar. So etwas sage ich nicht einfach so.“ Ryuzaki wirkte immer noch unsicher. „Weißt du, ich… ich hatte noch nie einen Freund… und ich mag dich wirklich… aber wenn du mich nicht magst, dann…“ Sofort legte Light dem Älteren einen Finger auf die Lippen, damit dieser schwieg. Wieder verspürte Light dieses Kribbeln… „Sag jetzt nichts mehr…“ flüsterte Light, strich Ryuzaki ganz sanft eine Strähne aus dem Gesicht und küsste ihn zärtlich… Das Klingeln des Weckers ließ Light hochfahren und beendete seinen süßen Traum. ~ Fortsetzung folgt ~ Kapitel 7: Kuss --------------- Liebe. Ein großes Wort. Will man es in einem Wörterbuch nachschlagen, stellt man überrascht fest, dass die meisten dieses Wort gar nicht aufgeführt haben. Kein Wunder. Kaum ein anderes Wort definiert sich auf so unterschiedliche und vielseitige Weise. Es gibt vieles, was der Mensch liebt. Und jede Art zu lieben unterscheidet sich in gewisser Weise von der anderen. Da wäre die Liebe zu den Eltern, die dich geboren und dich umsorgt haben. Die Geschwisterliebe, auch wenn man sich mit seinen Geschwistern nicht immer versteht. Die Kinder, die man irgendwann mal hat, werden auch geliebt. Liebe verbindet auch den Menschen und sein treues Haustier. Außerdem lieben die Menschen es, ihren Hobbys oder kleinen Alltagsdingen nachzugehen. Freunde, die immer für einen da sind, einem zuhören und mit denen man Spaß hat, lieben wir auch. Dann gibt es noch die Liebe, die man für berühmte Stars empfindet – zumindest glauben viele, dass es Liebe ist. Ebenso weit verbreitet ist die Verliebtheit. Oft wird sie für Liebe gehalten, verschwindet aber nach einiger Zeit und weicht dem Alltagstrott. Und dann ist da noch sie… die wahre Liebe. Nur sehr wenige haben das Glück, sie zu finden, sodass viele bezweifeln, dass es sie überhaupt gibt. Light Yagami hatte nie an die wahre Liebe geglaubt. Dieses ganze Gerede von „füreinander bestimmt sein“ und „Liebe auf den ersten Blick“ erschien ihm stets sehr suspekt. Doch in den letzten Monaten war etwas mit ihm geschehen, das er sich nicht erklären konnte. Diese ganze Sache mit Ryuzaki war von Anfang an irgendwie seltsam gewesen. Das er so fixiert darauf war, sein Freund zu werden, war schon eigenartig gewesen. Oder das er Ryuzaki immerzu anstarren musste. Oder das er sich für ihn in Lebensgefahr begeben hatte. War das vielleicht Liebe? Aber Ryuzaki war doch ein Mann! Etwas, dass sich Light noch viel weniger vorstellen konnte, als die wahre Liebe zu erleben, war es, dass diese Liebe ein Mann war! Es gab sicher eine vernünftige Erklärung für all das. Es war alles in Ordnung. Es war nur ein Traum. Einfach nur ein wirrer Traum. Light beschloss, die ganze Sache auf sich beruhen zu lassen. Es konnte unmöglich sein, dass er sich in einen Mann verlieben würde. Nachdem das geklärt war, stieg Light aus seinem Bett, streckte sich genüsslich und zog die Vorhänge auf. Draußen war herrlichster Sonnenschein, die Vögel zwitscherten und der Wind ließ leise die Blätter rascheln. Was für ein wunderbarer Tag! Warum war ihm das nur nie vorher aufgefallen? Light öffnete die Balkontür und trat hinaus auf den Balkon, den er als Einziger besaß. Er stützte sich auf den Rand und beobachtete die Leute bei ihrem munteren Treiben. Der Postbote verteilte die Briefe und die Morgenzeitung. Die ältere Dame, die drei Häuser weiter wohnte, führte ihre beiden kleinen Hunde Gassi. Sie waren ihre einzige Gesellschaft, nachdem ihr Mann verstarb. Das schwarze Fellknäuel war besonders lebhaft. Meist saß er in einem Körbchen auf ihrem Fahrrad und guckte begeistert in die Gegend. Nebenan, im ehemaligen Haus von Herrn Katsuragi, war heute Morgen großer Betrieb. Ein Lastwagen parkte vor dem Eingang und mehrere Menschen liefen hinein und hinaus. Etwas abseits stand eine junge Frau und beobachtete das Ganze. Sie wirkte gelangweilt und sah ständig auf die Uhr. „Light?! Komm runter, das Frühstück ist fertig!“ Light löste sich vom Anblick des regen Treibens nebenan, verließ den Balkon und schloss die Tür hinter sich. Als er sich umdrehte, schreckte er kurz zusammen. Ryuk saß auf seinem Bett und starrte ihn an. Eigentlich hatte sich Light längst an den Anblick seines zweiten Schattens gewöhnt. Aber in letzter Zeit pflegte Ryuk es, selten zu reden. Ein Segen, wenn man bedenkt, dass er öfter recht geschwätzig war. Dafür zog er es vor, Light – so wie jetzt – stumm anzustarren und das nervte den Brünetten ganz gewaltig. Light ignorierte ihn und zog sich an. Dann tänzelte er die Treppen hinunter und betrat gut gelaunt das Wohnzimmer/Küche. Sayu erhob sich gerade vom Esstisch. Als sie ihren Bruder sah, zog sie eine Schnute. „Als Student hat man es echt gut. Stehst erst jetzt auf…“ „Dafür muss ich aber auch viel tun. Sei froh, dass du noch zur Schule gehst. Später wirst du dich nach dieser Zeit zurücksehnen, Sayu.“ Sayu schnappte sich ihre Schultasche, verabschiedete sich von Light und Sachiko und verließ das Haus. Light aß gemütlich seinen Toast und sein Müsli, trank seinen Kaffee und las die Morgenzeitung. Die Journalisten wunderten sich darüber, warum Kira sich in letzter Zeit so rar gemacht hatte. Des Weiteren war die Kriminalitätsrate wieder gestiegen. Light legte die Zeitung beiseite. Es war wohl mal wieder an der Zeit, die Verbrecher an die Existenz Kiras zu erinnern. Also setzte er sich rasch an seinen Schreibtisch, schlug seit langem mal wieder das Death Note auf und schrieb jede menge Namen von Verbrechern nieder. Plötzlich klingelte sein Handy. Ein Blick auf das Display ließ Light schwer schlucken. Es war Ryuzaki. Was er wohl wollte? „Ja?“ „Guten Morgen, Light. Ich störe doch nicht?“ „Nein, nein. Was gibt es denn?“ „Du hast deine Jacke gestern bei uns vergessen. Ich dachte, du willst sie vielleicht wiederhaben. Dein Vater kann sie dir nicht bringen. Ich hab ihn heute in den Urlaub geschickt. Kira ist ja zurzeit nicht aktiv, da dachte ich, es wäre gut, wenn er sich mal erholt. Wahrscheinlich wird er heute mit deiner Mutter irgendwohin reisen.“ Light musterte aus den Augenwinkeln heraus das Death Note und verspürte sofort ein schlechtes Gewissen. Hoffentlich bekam sein Vater nichts hiervon mit. „Gut, Ryuzaki. Ich komme nach der Uni vorbei und hole die Jacke.“ „ …Ist alles in Ordnung? Du klingst irgendwie bedrückt.“ „ Nein. Es geht mir gut. Ich… muss nur gleich los. Wir sehen uns dann heute Nachmittag.“ „Mach’s gut.“ Light legte auf und stierte das Handy an. Er lächelte. Ryuzaki hat sich Sorgen um ihn gemacht. Und das er ihn wegen der Jacke extra anruft… Ryuk kicherte amüsiert. Light drehte sich zu ihm um, um herauszufinden, was denn jetzt wieder so lustig war. Doch Ryuk grinste ihn nur an. „Was ist, Ryuk? Sagst du mir gleich, was so komisch ist oder soll ich raten?“ „Ich hab mich schon gefragt, warum du in letzter Zeit keine Namen ins Death Note schreibst. Aber jetzt ist mir alles klar.“ „Was meinst du?“ „Naja, dein Lächeln eben sprach Bände, Kleiner.“ Light errötete leicht, schlug das Notizheft zu, schnappte sich seine Tasche und verließ wortlos sein Zimmer. In der Bahn versuchte er, seinen Ärger zu vergessen. Was sollte denn das heißen, »sein Lächeln sprach Bände«?! Wollte Ryuk ihm etwa damit sagen, dass der Anruf von Ryuzaki ihn glücklich gemacht hatte? Sicher, es war schön zu hören, dass Ryuzaki sich Sorgen um ihn machte, aber… das machte ihn doch nicht glücklich! Nein, Ryuzaki war einfach nur ein Freund. Genau! Und nun Schluss mit diesen Gedanken! Er musste sich jetzt auf sein Studium konzentrieren. Heute stand ein äußerst wichtiger Test an und nach den Pleiten in den vergangenen Tests war es höchste Zeit, dass er wieder zu seinen üblichen Leistungen zurückfand. Entschlossen endlich wieder der Beste zu sein, setzte sich Light im Hörsaal wie immer in die Nähe von Takada. Sie führten kurz bedeutungslose Gespräche, dann war es auch schon Zeit für den Beginn des Tests. Light konzentrierte sich voll und ganz auf die Fragen, schrieb fleißig die Antworten hin, die ihm auf die Fragen sofort einfielen und glaubte, wieder zu alter Form zurückgefunden zu haben. Wenn er sich da mal nicht zu früh freute… Ein Räuspern verlangte nach seiner Aufmerksamkeit. Um aber nicht den Eindruck zu erwecken, er würde betrügen, sah er nicht von seinem Blatt auf, sondern grunzte nur als Zeichen, dass er hörte. „Light? Wer ist Bitteschön »L«?“, zischte Takada ungehalten. Jetzt sah Light doch auf. Verwirrt suchte er in Takada’s Gesicht nach der Antwort auf diese Frage, fand sie jedoch nicht. „Wie? Was… wie kommst du auf L?“, stammelte er verblüfft. Takada warf einen Blick nach vorne zum Dozenten. Dieser arbeitete an seinem Laptop und ignorierte die Studenten. Die Schwarzhaarige tippte mit ihrem Bleistift demonstrativ auf Light’s Blatt. Mehr wollte sie zur Erklärung nicht beisteuern. Mehr war aber auch nicht nötig. Wie Light schnell feststellte, als er scheinbar zum ersten Mal richtig auf das Papier sah und las, was er WIRKLICH geschrieben hatte. Die Antworten waren so klar in seinem Kopf und als er schrieb, kam es ihm auch so vor, als würde er die Antworten auch wirklich niederschreiben. Hatte er aber nicht. In Wirklichkeit stand dort nur in mehrfacher Ausführung folgender Satz: „Ich liebe L.“ Light fielen fast die Augen aus den Höhlen. So ein Schlamassel! Klar, dass Takada da sauer aufstieß. Er dürfte ihr auf keinen Fall sagen, dass L ein Junge war. „Also“, hakte Takada beleidigt nach, „wer ist denn nun L? Hast du neben mir noch andere Frauen?“ „Nein. Nein, Takada! L ist… L ist… L steht für mein neues Geschwisterchen!“ „Was?!“ „Ja, ich kriege bald ein neues Geschwisterchen… und es soll einen Namen mit L bekommen!“ Oh Gott, was für eine schwachsinnige Erklärung! Habe ich eigentlich nur noch Mus im Hirn? Ob sie mir das wohl glaubt? Aber scheinbar schien diese Erklärung Takada zufrieden zu stellen. „Ach so. Wie schön für dich!“ Nicht zu fassen. Die glaubt das echt! Hey, da fällt mir noch was ein… „In den letzten Tagen gab es einige Probleme. Der Arzt war nicht sicher, ob es gesund ist.“ „Deshalb warst du in letzter Zeit so neben dir?“ „Genau. Aber jetzt ist alles in Ordnung und ich freue mich nur noch.“ Takada nickte freundlich, dann widmete sie sich beruhigt wieder ihrem Blatt. Light atmete erleichtert aus. Das ging noch mal gut. Aber jetzt hatte er ein neues Problem. Mit geknickter Miene hob er seinen Test hoch und starrte seine Pseudoantworten missmutig an. So wie es aussah… war er wohl noch lange nicht wieder auf der Höhe… Grausame neunzig Minuten später war der Test vorbei. Light musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen, um die Antworten, die ihm durch den Kopf gingen auch aufzuschreiben. Takada half ihm diskret dabei, indem sie ihn immer leicht anstupste, wenn er wieder diesen Satz hinschrieb. Nach getaner Arbeit legte Light seinen Arm um Takada und schlug fröhlich vor, zum Mittagessen in ein Restaurant zu gehen. Takada freute sich, sah sie doch darin eine Wiedergutmachung für das verpatzte Date. Also setzten sich die beiden in ein italienisches Restaurant, bestellten sich beide einen Rotwein, dazu Spaghetti Vongola im Tomaten-Weißwein-Sud und plauderten ausgelassen. Irgendwann schwenkte das Gespräch zum Thema Babys – ein Thema, über das Light nicht wirklich gerne sprach. Aber Takada schien nun ganz in ihrem Element zu sein und schnatterte auf einmal wie der Typ Frau, den Light nicht leiden konnte. Folglich kippte die Stimmung ins negative. Takada schien das nicht zu merken. Sie verlor sich in ihren Schwärmereien, wie niedlich Babys doch waren. Light stocherte genervt in seiner Creme Catalana und hing seinen Gedanken nach. Wow. Ich dachte immer, Takada sei eine Intelligenzbestie. Aber das hier klingt gar nicht nach der starken und zielstrebigen Karrierefrau, die sie sonst zu sein scheint. Hast echt einen guten Fang gemacht, Light. Light hob den Kopf. Das klang jetzt aber nicht wie seine Stimme. Es klang nach… Um ein Haar hätte Light seine Dessertgabel fallen gelassen. Neben Takada hockte auf einmal Ryuzaki! Oder bildete sich Light nur ein, dass er da saß? Takada bemerkte ihn jedenfalls nicht. Keine Sorge, Light. Ich bin nicht wirklich hier. Das spielt sich nur in deinem Kopf ab. „Das wüsste ich wohl“, murrte Light, verärgert, dass Ryuzaki ihm schon wieder sein Date vermasselte. Ich weiß echt nicht, was du an ihr findest. Klar, sie ist hübsch. Aber ihre Fixiertheit auf ein Baby ist doch beängstigend, findest du nicht? „Sie ist nicht darauf fixiert. Es ist doch ganz normal, dass eine Frau gerne ein Baby möchte. Außerdem hat sie mehr zu bieten, als nur ihr gutes Aussehen. Aber was weißt du schon davon?“ Ich weiß zufällig, dass du immer an mich denkst, mein Lieber. „Ich denke überhaupt nicht an dich“, zischte Light fast zu laut. „Würdest du bitte endlich verschwinden?! Du störst mein Date!!“ Dann hör doch einfach auf, an mich zu denken. Light rollte mit den Augen. Gelingt dir wohl nicht, was? Was ist denn so schlimm daran, in mich verliebt zu sein? Bin ich denn so wenig liebenswert? „Das ist es nicht. Wirklich nicht! Es ist nur… Ich habe schon mal jemanden verloren, von dem ich glaubte, sie zu lieben. Wenn es wieder schief läuft… Ach, ich weiß auch nicht.“ Du brauchst keine Angst zu haben. Wenn du aus Angst deine Gefühle ignorierst, dann wird dir das später noch Leid tun! Lass es doch einfach geschehen. Vielleicht wird ja aus uns was… Ryuzaki gab Light einen Wangenkuss, dann klarten die Gedanken des Brünetten wieder auf. Genau in dieser Sekunde klingelte Light’s Handy. Es war Sayu. „Hey, Sayu. Was ist los?“ „Hallo, Brüderchen. Mama und Papa sind ja jetzt für einige Tage verreist und da wollte ich dich fragen, ob ich auf eine Party gehen kann?“ „Was für eine Party?“ „Meine Freundin Yusuki feiert ihren Geburtstag und sie hat uns alle dazu eingeladen. Wir wollen auch gleich bei ihr übernachten, weil am nächsten Tag Misa’s Konzert ist und wir da hingehen wollen.“ Light rümpfte die Nase. Dass sich Sayu und Misa wieder vertragen hatten, gefiel ihm gar nicht, denn nun konnte Misa weiterhin ungehindert bei ihm ein- und ausgehen. Überhaupt gefiel ihm diese ganze Sache nicht. „Du wirst nicht zu dieser Party gehen!“, sagte er entschieden. „Wieso denn nicht?! Ach, ich weiß schon! Du machst dir Sorgen, dass da was mit Jungs laufen könnte. Aber das brauchst du nicht. Auf die Party kommen echt nur Mädels. Jungs haben da keinen Zutritt. Yusuki ist nicht so Eine!“ „Ich hab Nein gesagt, Sayu! Mir ist völlig egal, ob nur Mädchen oder alte Greise auf dieser Party sind. Du gehst da nicht hin und das ist mein letztes Wort!!“ „… Du bist so ein Blödian!!!“, schrie Sayu und legte wütend auf. Jetzt war sie wieder sauer auf ihn. Aber Light konnte sich nicht darum kümmern. Er war noch viel verwirrter, als vorher… Nach der Uni machte sich Light auf den Weg, um seine Jacke zu holen. Vorhin hatte Ryuzaki ihm mitgeteilt, in welchem Hotel er inzwischen abgestiegen war. Jeden zweiten Tag wechselte Ryuzaki das Hotel, in dem er sich aufhielt – aus Sicherheitsgründen. So viele Vorsichtsmaßnahmen, um die eigene Identität geheim zu halten. Wie kam Ryuzaki damit nur klar? Und wieso nahm er das alles überhaupt in Kauf? Light fuhr mit dem Aufzug in den sechsten Stock und betrat ohne anzuklopfen das Zimmer. „Ah, da bist du ja, Light“, grüßte Ryuzaki ihn. Das Light nicht angeklopft hatte, störte ihn nicht weiter. „Deine Jacke liegt da drüben.“ „Ah, ja. Danke für den Anruf.“ Light stand einige Zeit unschlüssig im Raum. Nach allem, was seit ihrem letzten Treffen geschehen war, war es seltsam, Ryuzaki wieder zu sehen. Zu seiner Überraschung stellte Light fest, dass er nervös war. Eigentlich gab es dafür doch gar keinen Grund… „Ist noch etwas? Du scheinst noch etwas auf dem Herzen zu haben“, bemerkte Ryuzaki nach einer Weile. Light musterte ihn stumm. Dann kam ihm eine Idee. „Ryuzaki, was hältst du davon, am Wochenende zu mir zu kommen?“ Ryuzaki drehte sich zu ihm um. Sein Gesichtsausdruck verriet echte Überraschung. „Was war das?“ „Naja, du hast doch zurzeit nicht viel zu tun, oder? Da könntest du dir doch einen Abend lang freinehmen! Ich dachte mir, dass du am Samstagabend zu mir nach Hause kommst und wir uns einen schönen Abend machen. Als Freunde versteht sich…“ Ryuzaki musterte Light fragend, dann schob er sich einen Finger in den Mund und überlegte kurz. „Hmmmm…. Wenn du unbedingt willst… Einverstanden, ich komme.“ „Sehr schön. Dann sehen wir uns Samstag um 19 Uhr.“ Light schnappte sich seine Jacke und ging. Ryuzaki sah ihm fragend nach. Was hatte Light bloß vor? Light ging derweil nach Hause. An der Tür erwartete ihn eine zu allem entschlossene Sayu. Light hob überrascht eine Augenbraue. „Was gibt es denn, Sayu?“ Sayu holte tief Luft, dann setzte sie zu ihrem Vortrag an: „Ich weiß nicht, was du für ein Problem hast, aber ich versichere dir, dass wir ganz anständig sein werden und…“ „Ist gut.“ „Äh… wie?“ „Ich bin damit einverstanden, dass du zu der Party gehst.“ „Äh… ich hab mir einen so guten Vortrag zurechtgelegt, um dich zu überzeugen…“ „Schade. Der war sicher gut. Ich hab noch mal drüber nachgedacht und ich hab meine Meinung geändert. Du darfst zu der Party.“ „Echt?!! Oh, danke, danke, danke!!“ Sayu fiel Light um den Hals und drückte ihn ganz fest. Dann hopste sie zum Telefon, um ihrer Freundin die guten Nachrichten zu erzählen. Light ging nach oben in sein Zimmer und schloss ab. Damit wäre alles geklärt. Am Samstag würde er ein für allemal klarstellen, dass er Ryuzaki nicht liebte. „Fragen darf ich doch wohl noch?“ „Sicher. Aber mir steht es genauso zu, nicht darauf zu antworten.“ Light lehnte an der Wand, die Arme verschränkt und starrte in die Luft, während sich seine Schwester Sayu die Schuhe anzog. Seit Minuten versuchte die junge Dame ihren Bruder auszuquetschen. Die anfängliche Freude hatte sich im Laufe der Woche in Neugierde verwandelt. Warum hatte ihr Bruder auf einmal zugestimmt, dass sie auf diese Party gehen dürfte, nachdem er so vehement dagegen war? Es musste dafür eine Erklärung geben! Doch die wollte Light ihr nicht geben. Sie musste nichts über die möglichen Neigungen ihres Bruders wissen. „Solltest du dich nicht langsam auf den Weg machen?“, fragte Light nach einer Weile genervt. Sayu hob neugierig eine Augenbraue. „Willst du mich loswerden?“ „Natürlich will ich das. Endlich hab ich das Haus mal für mich allein!“ Sayu überlegte kurz, dann ging ihr ein Licht auf. „Ah! Du hast gleich ein Date, stimmt’s? Nutzt die Abwesenheit unserer Eltern für ein paar unanständige Stunden, was Bruderherz?“ Light lächelte sie schief an, schnappte sich ihre Handtasche und ihre Jacke, drückte ihr Beides wortlos in die Arme und schob sie in Richtung Tür. „Jetzt aber raus hier!“, sagte er entschieden und warf sie regelrecht aus dem Haus. „Aua, ist ja schon gut!“, hörte er Sayu noch sagen, bevor er die Tür schloss. Gemütlich schlenderte Light ins Wohnzimmer und warf einen Blick auf die Uhr. Viertel vor acht. Ryuzaki müsste bald hier sein. Light ging den Abend noch einmal gründlich durch. Ja, es war alles perfekt. Wenn es er schaffen würde, diesen romantischen und perfekten Abend mit Ryuzaki zu verbringen, ohne auch nur die geringsten Anzeichen für Liebesgefühle zu verspüren, dann hatte er bewiesen, dass er ihn nicht liebte. „Dein Liebster wird bald hier eintreffen. Bist du schon aufgeregt, Kleiner?“ Ach ja. Da war ja noch was. „Ryuk, ich will, dass du solange in meinem Zimmer wartest und es auch nicht verlässt, verstanden? Du kommst nicht raus, klar?“ Ryuk kratzte sich am Kopf. „Ich darf nicht zugucken? Das ist so gemein von dir!“ „Ich meine es ernst, Ryuk“, erwiderte Light mit Nachdruck. „Pass auf, wenn du in meinem Zimmer wartest, bekommst du zur Belohnung einen ganzen Korb mit Äpfeln. Einverstanden?“ Plötzlich war Ryuk hellwach. „Einen ganzen Korb? Nur für mich? Geht klar, Kleiner!“ Es klingelte an der Tür. Light sah auf die Uhr. Ryuzaki war wirklich überaus pünktlich! „Geh jetzt in mein Zimmer!“, rief Light Ryuk zu und eilte zur Tür. „Oki-doki!“ Ryuk holte seine Flügel raus und verschwand durch die Decke nach oben. Light holte noch einmal tief Luft, dann öffnete er die Tür. Ryuzaki lächelte ihn an. Er war wirklich seiner Einladung gefolgt! Light war überglücklich. Sein Herz pochte ganz schnell und er spürte die Hitze auf seinen Wangen… Verdammt! Das geht ja gut los… „Schön, dass du hier bist…“, stammelte Light, ärgerte sich aber gleichzeitig, dass seine Stimme seine Nervosität verriet. Ryuzaki schien das nicht zu bemerken. Er blieb gelassen und undurchschaubar, wie immer. Gemächlich schlürfte er an Light vorbei, schlüpfte beim Laufen wie von selbst aus den Schuhen und sah sich ausdruckslos im Flur um. „Ich dachte mir, wir könnten erstmal was essen“, schlug Light vor, nicht wirklich sicher, was er Ryuzaki sagen sollte. Irgendwie hatte er sich die ganze Sache leichter vorgestellt. „Was hältst du davon, wenn du dich hinsetzt und ich koche uns was?“ Ryuzaki wandte sich ihm zu, in seinem Blick lag wieder ernsthafte Überraschung. „Du kannst kochen?“ „Nur dieses eine Gericht. Selbst gemachte Teigtaschen mit verschiedenen Füllungen… Nichts Großartiges…“ „Würde ich nicht sagen. Du kannst ein Gericht mehr kochen, als ich. Ich hab nie die Zeit gefunden, mal zu kochen. Es gab ja auch Niemanden, der es mir beigebracht hätte…“ Da war er wieder: dieser traurige Ausdruck in seinen schwarzen Augen, der Light so schmerzte. Er hätte den Älteren gerne gefragt, was denn mit seinen Eltern ist, aber er befürchtete, damit ein Thema anzuschneiden, dass Ryuzaki nur noch mehr verletzen würde. „Wollte Watari dir das nicht beibringen?“, fragte Light stattdessen. „Nein. Er wollte nicht, dass ich eine Küche betrete und da was mache. Ich weiß auch nicht, wieso…“ Nachdenklich schlürfte Ryuzaki ins Wohnzimmer. Light folgte ihm. Er hatte eine Idee, um das Eis zu brechen. „Na wie wäre es, wenn wir das Essen zusammen kochen?“ „Gute Idee. Machen wir das.“ „Gut. Ich mixe den Teig, du kümmerst dich um die Füllung.“ Gesagt, getan. Die beiden Jungs stellten sich in die Küche, wo bereits sämtliche Zutaten parat standen. Light mixte den Teig in einem Plastiktopf zusammen und schielte ab und zu zu Ryuzaki hinüber, der Tomaten und Zwiebeln klein schnitt. „So und wenn du die kleingemacht hast, kannst du sie in den Topf da geben“, sagte Light und deutete auf den Topf neben Ryuzaki – dabei hatte er noch etwas Mehl in der Hand, das er bei der schwungvollen Geste mitten in Ryuzaki’s Gesicht warf. Light erstarrte. Das war jetzt denkbar ungünstig. Sprachlos wartete er ab, was als Nächstes passieren würde. Ryuzaki pustete das weiße Zeugs von seinem Mund und warf Light böse Blicke zu. Dann nahm er sich eine handvoll Mehl aus der Packung und warf sie Light ins Gesicht. Jetzt war der Brünette sauer. Er hatte Ryuzaki ja nicht mit Absicht mit Mehl beworfen! Aber wenn der Meisterdetektiv unbedingt Krieg wollte, dann sollte er ihn haben! Schnell schnappte sich Light zwei Eier und schlug sie über Ryuzaki’s Kopf zusammen, sodass die ganze glibberige Masse dem Schwarzhaarigen über das Gesicht und die Haare lief. „Jetzt weißt du schon mal, wie man Eier trennt!“, sagte Light trocken und warf die Eierschalen auf den Tisch. „Wie schön“, erwiderte Ryuzaki bissig und nahm sich die Schüssel mit dem Quark, „aber ich persönlich finde das…“, Ryuzaki klatschte die Schüssel mitten auf Light’s Haupt, „ …viel lustiger!“ Einige Sekunden lang starrten sich die beiden Jungs böse an, dann begann auch schon eine wilde Essensschlacht – jeder schnappte sich, was er erwischen konnte und bewarf den anderen damit. Nachdem sie etliche Lebensmittel verschwendet hatten, saßen beide Jungs atemlos auf dem verdreckten Küchenboden. „Sagen wir… es ist unentschieden“, schlug Light erschöpft vor. „Einverstanden“, nickte Ryuzaki und wischte sich das Gesicht am Ärmel ab. Dann fing er an zu prusten und zu lachen. Light musterte ihn überrascht. Er hatte Ryuzaki noch nie lachen sehen… „Was ist?“ „Ach nichts…“, lachte Ryuzaki, „… ich hatte nur schon lange nicht mehr so viel Spaß.“ Der Schwarzhaarige schenkte Light ein Lächeln. „Vielen Dank.“ Light errötete und wandte den Blick ab. Mist, verdammter! Warum wurde er denn jetzt Rot? Aber wenigstens schien das Eis jetzt gebrochen zu sein… Light sah sich in der Küche um und verzog das Gesicht. „Sieh dir an, was wir angerichtet haben. Was für ein Saustall! Naja… wenigstens haben wir den Wohnbereich nicht getroffen.“ „Und was machen wir jetzt? Ich nehme mal an, es gibt heute keine Teigtaschen mehr...“ Light lachte. „Nein, wohl eher nicht.“ Er stand auf. „Okay, folgendes: ich werde jetzt die Küche sauber machen. Schließlich habe ich ja damit angefangen… irgendwie. Du gehst inzwischen ins Bad und duschst. Und leg deine dreckigen Sachen auf die Waschmaschine.“ „Ist gut“, stimmte Ryuzaki zu, hievte sich hoch und trabte ins Badezimmer, gut darauf achtend, nichts dreckig zu machen. Light säuberte sich grob, holte dann den Mob aus der Abstellkammer, füllte einen Eimer mit Wasser und Putzmittel und fing an zu wienern. Zwischendurch lauschte er, vernahm das Rauschen des Duschkopfes und stellte sich vor, wie Ryuzaki darunter stand, das Wasser floss über seinen Körper und… Halt! Das waren gefährliche Gedanken! Besser, er konzentrierte sich aufs Putzen …und dachte besser an abturnende Dinge. Nach einer halben Stunde war die Küche blitzeblank. Light wischte sich den Schweiß von der Stirn und begutachtete zufrieden sein Werk. Ein Blick in den Flur verriet ihm, dass Ryuzaki immer noch im Bad war. Was machte er denn solange da drin? Light beschloss, schnell nach oben zu gehen und frische Anziehsachen zu holen. In seinem Zimmer traf er auf einen amüsierten Ryuk, der angesichts seines Anblicks zu kichern anfing. „Wie siehst du denn aus?“, höhnte er. „Das geht dich nichts an“, erwiderte Light trocken und nahm sich saubere Klamotten und einen Bademantel. „Bleib hier oben, verstanden?“ „Ja, ja. Ist ja gut.“ Schwungvoll ging es wieder die Treppen runter – am Fuße selbiger krachte er dann fast mit Ryuzaki zusammen, der nur seine Shorts trug. Light schrie auf. „Was… was machst du denn? Wie läufst du denn rum?“ Ryuzaki legte fragend den Kopf schief. „Du sagtest doch, ich soll meine dreckigen Sachen auf die Waschmaschine legen. Und außer meinen Shorts war alles dreckig.“ „Ah… ja… klar… Gut… hier… zieh das an“, stammelte er verlegen und hielt Ryuzaki rasch den Bademantel hin. Dann huschte er an dem Älteren vorbei ins Bad. Ryuzaki trat an die Tür heran. „Light? Was wollen wir denn jetzt essen?“ „Ähm… Im Wohnzimmer müssten noch Speisekarten liegen. Such dir was raus und bestell es beim Lieferdienst.“ „Und was ist mit dir?“ „Bestell mir ne große Pizza.“ „Okay.“ Light zog sich aus, warf seine Sachen zusammen mit Ryuzaki’s in die Waschmaschine und schaltete sie ein. Dann stellte er sich unter die Dusche – wobei er versuchte, nicht daran zu denken, dass Ryuzaki gerade noch an derselben Stelle gestanden hatte. Nach der entspannenden Dusche klingelte es auch schon an der Tür. Rasch trocknete Light sich ab und zog sich an. Vor dem Bad stand Ryuzaki im Bademantel und hielt zwei Kartons in seinen Händen. „Und was jetzt?“, fragte er neugierig. Light holte ihnen beiden was zum Trinken und schob Ryuzaki in Richtung elterliches Schlafzimmer. Dort stand ein ebenso riesiger Fernseher wie im Wohnzimmer. Die beiden Jungs plumpsten auf das große Bett und schalteten die Flimmerkiste ein. „Machst du das öfter?“, fragte Ryuzaki und gab Light die Pizzaschachtel. „Wenn ich mich entspannen und faulenzen will, gibt es nichts Besseres! Was hast du dir bestellt?“ „Käsekuchen!“, antwortete der Schwarzhaarige und öffnete begierig die Schachtel. „Den hier mag ich am Liebsten! Die Kruste ist buttrig und knusprig und die Käsecreme verdient seinen Namen. Das ist der beste Käsekuchen der Welt!“ So saßen die Jungs auf dem Bett, sahen fern und aßen Pizza und Kuchen. Light dürfte sogar vom Kuchen probieren und stimmte Ryuzaki in seiner Aussage zu. Ein Piepsen verkündete das Ende der Arbeit der Waschmaschine. Light schwang sich vom Bett. „Ich kümmere mich um die Wäsche“, sagte er und ging ins Bad. Dort nahm er die Wäsche aus der Maschine und lud sie um in den Trockner. Als er wieder zurückkam, bot sich ihm allerdings ein seltsames Bild: Ryuzaki stand mitten im Raum, trug eine Seidenstrumpfhose und Pumps und begutachtete sich kritisch. „Was tust du da?“, schmunzelte Light amüsiert. „Der Mann da im Fernsehen macht das auch“, verteidigte sich Ryuzaki. „Er sagte, dadurch könne man sich besser in Frauen hineinversetzen, da wollte ich es auch mal versuchen…“ Light sah in den Fernseher. Dort lief „Was Frauen wollen“. Light nickte verstehend. „Aber hör mal: du kannst nicht einfach an den Kleiderschrank meiner Mutter rangehen und ihre Sachen anziehen!“ „’Tschuldige“, nuschelte Ryuzaki und zog die Sachen aus. Light beobachtete ihn amüsiert. Noch vor wenigen Monaten hatte Light nichts über den geheimnisvollen Schwarzhaarigen gewusst und heute saß er im Schlafzimmer seiner Eltern und trug Strumpfhose und Stöckelschuhe. Der Brünette hätte nie gedacht, dass sie beide je so vertraut miteinander umgehen würden. „Das ist das sechste Mal.“ „Wie?“ „Das ist das sechste Mal, dass du mich so anstarrst. Gibt es dafür einen Grund?“ Wieder lief Light rot an und versuchte sich rasch rauszureden. „Ich… ich hab nur über etwas nachgedacht. Naja… ich hab mich gefragt, wieso sich jemand dafür entscheidet, weltweit Kriminalfälle zu lösen und es in Kauf nimmt, ständig isoliert leben zu müssen. Außer Watari hast du ja keinen menschlichen Kontakt…“ Ryuzaki’s Blick wurde plötzlich ganz glasig. Das beunruhigte Light. Hatte er was Falsches gesagt? „Ryuzaki…“ „… Du redest genau wie alle anderen…“, murmelte der Schwarzhaarige leise. „Dabei dachte ich, wenn mich jemand verstehen würde, dann wärest du es… Du kennst sie doch auch… die Wirklichkeit… dieses beschissene Gefühl, diejenigen, die du liebst, nicht beschützen zu können…“ Ryuzaki schloss die Augen, krallte seine Finger in den Bademantel. „Light… es tut weh… so weh… Mein Herz…“ Light kam sich mies vor. Er selbst kannte dieses Gefühl doch nur zu gut. Warum hatte er nicht erkannt, dass es Ryuzaki genauso ging? Und er wollte Ryuzaki’s Freund sein… Langsam krabbelte Light über das Bett zu Ryuzaki hinüber, schlang vorsichtig seine Arme um den zierlichen Körper und drückte ihn ganz fest an sich. Der Brünette spürte, wie der Ältere heftig zitterte und kuschelte sich enger an ihn. Langsam entspannte sich Ryuzaki und schmiegte sich an Light’s warmen Körper. Eine ganze Weile verharrten die beiden jungen Männer in dieser Position und genossen die Nähe des Anderen – bis das Piepsen des Trockners sie wieder in die Realität zurückholte. Geschockt sah Ryuzaki auf und befreite sich rasch aus der Umarmung. „Ich sollte jetzt gehen…“, nuschelte er hastig und verließ den Raum. Light blieb auf dem Bett sitzen und starrte auf seine Arme. Er war nicht fassungslos, im Gegenteil. Diese Umarmung erschien ihm als absolut richtig. Ryuzaki hatte sich so gut angefühlt… Ursprünglich hatte er Ryuzaki eingeladen, um zu beweisen, dass er ihn nicht liebte. Aber das Gegenteil war eingetreten. Nach dieser wunderschönen Umarmung musste sich Light eingestehen, dass er Ryuzaki liebte. Mehr als irgendjemanden sonst. Und er würde den Schwarzhaarigen nicht einfach so gehen lassen! Sofort sprang der Brünette auf und eilte in den Flur. Glücklicherweise erwischte er Ryuzaki noch an der Tür. Inzwischen war der Schwarzhaarige wieder angezogen und schlüpfte in seine Turnschuhe. Als er Light vor sich stehen sah, wandte er schnell den Blick ab. „Wir sehen uns dann, wenn es Neuigkeiten von Kira gibt…“, sagte er noch, dann wollte er nach draußen verschwinden – doch dazu kam es nicht. Light packte Ryuzaki’s Arm und zog ihn zurück in seine Arme. Ehe Ryuzaki wusste, wie ihm geschah, spürte er Light’s Lippen auf seinen. Zuerst völlig überrascht, fielen dem Schwarzhaarigen dann die Augen zu und er ließ sich in den Kuss hineinfallen… ~ Fortsetzung folgt ~ Kapitel 8: Sehnsucht -------------------- Light Yagami hätte sich niemals erträumen lassen, dass ein Kuss ihn je so umhauen könnte. Dabei war das nicht sein erster Kuss. Er und Romy hatten sich oft geküsst, doch war es nie so schön gewesen wie jetzt. Und dabei küsste Light gerade einen anderen Mann… Aber das war ihm nicht mehr wichtig. Für ihn zählte nur noch der umwerfende Mann in seinen Armen und das Wahnsinnsgefühl, dass die Berührung mit ihm in seinem Körper auslöste. Es sollte niemals aufhören… Mit sanfter Gewalt wollte Light Ryuzaki zurück ins Haus ziehen, damit sie ungestört weiter machen konnte, doch der riss sich plötzlich los. „Nein… das ist… nicht richtig“, keuchte Ryuzaki schwer atmend und schuf schnell Abstand zwischen ihnen. Light lächelte sanft. „Schon gut. Ich hatte am Anfang auch Probleme mit dem Gedanken, dass wir uns so nahe kommen, aber… Wenn wir beide es wirklich wollen, ist es auch nicht falsch.“ Light fasste nach Ryuzaki’s Arm, den dieser aber wegzog, gefolgt von einem heftigen Kopfschütteln. „Nein! Es ist nicht richtig! Ich sollte nicht rumknutschen mit einem… einem…“ „Einem Mann?“, half Light sanft nach. „Mit einem Hauptverdächtigen!“, rief Ryuzaki, biss sich aber gleich darauf auf die Zunge. Das hatte gesessen! Light hatte das Gefühl, sein Herz würde von tausend Nadeln durchbohrt. Das war jetzt nicht sein ernst! „Du… du glaubst immer noch, dass ich Kira bin?“, fragte er geschockt. „Ja… Ich verdächtige dich immer noch. Ich hab nur noch keine Beweise, aber die Vorfälle sprechen alle gegen dich. Und daher… sollte ich dich nicht küssen! Eigentlich sollte ich gar keine persönliche Beziehung zu dir aufbauen… Ich weiß gar nicht, was ich hier überhaupt tue! Ich hätte nicht hierher kommen sollen!“ Light griff nach Ryuzaki’s Hand und schüttelte verzweifelt den Kopf. „So was darfst du nicht sagen! Dieser Abend war… einfach wundervoll! Ich bin so gern mit dir zusammen. Du bist für mich… du bist… ich… ich lie…“ Schnell legte Ryuzaki ihm eine Hand auf den Mund. „Sag es nicht… Bitte. Ich muss jetzt gehen… Mach’s gut.“ Mit diesen Worten löste sich Ryuzaki von Light und ging. Light sah ihm fassungslos nach. „Warum bist du so geschockt? Ich meine, er hat doch recht. Du bist doch Kira“, mischte sich Ryuk ein. Die ganze Zeit über hatte er die beiden heimlich belauscht und war dann zum Fenster gehuscht, als Ryuzaki gehen wollte. Der Kuss war der Schock seines Todesgottesdaseins gewesen und er fiel vorwärts durch die Mauer nach draußen. Dort bekam er dann das ganze Drama mit. Light ballte die Hände zu Fäusten. Klar hatte Ryuk recht. Er WAR ja Kira. Aber dennoch… Ohne Ryuk weiter zu beachten, kehrte Light wieder ins Haus zurück. Sofort ging er auf sein Zimmer und schloss ab. Er machte sich nicht mal die Mühe, im Schlafzimmer seiner Eltern aufzuräumen. Auf seinem Schreibtisch entdeckte er das Death Note – und der Anblick des schwarzen Notizheftes weckte lodernden Zorn in ihm. Er schnappte es, starrte es wütend an und warf es wütend gegen die Wand. „Hey, hey! Schmeiß das Heft nicht durch die Gegend! Schließlich ist es nicht Schuld daran, dass du jetzt in diesem Schlamassel steckst, Kleiner! Wenn du das Death Note nicht mehr haben willst, dann sag es und gib es mir wieder!“, beschwerte sich Ryuk. „Lass mich in Ruhe…“, murrte Light und ließ sich aufs Bett fallen Eigentlich hätte er damit rechnen müssen, dass sein zweites Ich, Kira, seiner Liebe im Weg stehen würde. Was sollte er nur tun? „Kommt Light heute wieder nicht runter frühstücken?“ Sayu schob sich ihre Toastscheibe zwischen die Backen und sah auf zu ihrer Mutter. Sachiko stand vor dem Spülbecken und wusch das Geschirr ab. Ohne von ihrer Arbeit aufzusehen, antwortete sie ihrer Tochter: „Nein. Schon seit Wochen will er nicht runterkommen. Er geht nur zur Uni, kommt dann wieder her und schließt sich in seinem Zimmer ein. Es ist genauso wie damals, als Romy gestorben ist.“ „Aber was ist denn bloß passiert? Als ich vom Wochenende bei Yuzuki zurückkam, saß er nur wie versteinert am Küchentisch und hat kein Wort gesagt.“ „Und du weißt nicht, was er gemacht hat?“ „Nein, keine Ahnung. Er hat ja kein Wort zu mir gesagt. Und dann musste ich auch noch euer Schlafzimmer wieder aufräumen! Keine Ahnung, was er da drin gemacht hat… Glaubst du… er hat sich da mit einem Mädchen amüsiert?“ „Sayu! Red nicht so über deinen Bruder! Außerdem würde das nicht erklären, warum er jetzt so betrübt ist.“ Sachiko warf einen Blick auf die Uhr. „Light muss gleich los zur Uni. Gehst du ihm bitte Bescheid sagen?“ „Klar.“ Sayu aß auf und eilte die Treppen hinauf. Sie klopfte an die Zimmertür ihres Bruders. „Light?! Bist du wach? Es ist langsam Zeit für die Uni! Light?!!“ Sayu wollte gerade die Türklinke herunterdrücken, da ging die Tür plötzlich auf. „Ah, Light! Hast du mich nicht gehört? Ich hab dich gerufen…“ Sayu verstummte langsam, als ihr Bruder wortlos die Tür zumachte und die Treppen hinunter ging. Er würdigte sie nicht einmal eines Blickes. Besorgt sah Sayu ihrem Bruder nach. Was war denn bloß vorgefallen? „Light? Hey, Light! Was ist denn los mit dir? Geht es deinem Geschwisterchen nicht gut? … Oder vielleicht deiner Mutter? … Jetzt sag doch was, du machst mir Angst.“ Seit mehreren Tagen versuchte Takada, Light zum Sprechen zu bringen – ohne Erfolg. Er saß nur da wie ein Häufchen Elend, schrieb von Zeit zu Zeit etwas auf und sagte ansonsten zu niemandem etwas. Seit diesem einen Mal waren sie nie wieder ausgegangen. Auch sonst machte Light keinerlei Anstalten, sich um sie zu bemühen. Hatte er kein Interesse mehr an ihr? Takada konnte ja nicht wissen, dass Light an Liebeskummer litt. Nach dem gemeinsamen Abend mit Ryuzaki, der ein so furchtbares Ende genommen hatte, kam es einige Tage sogar noch schlimmer… Light erinnerte sich noch genau an Ryuzaki’s Worte… Rückblick Light lag auf seinem Bett und überlegte, wie er Ryuzaki davon überzeugen konnte, ihm zu glauben, da klingelte sein Handy. Schnell nahm Light den Anruf an. Es war Ryuzaki. „Ryuzaki? Gott sei Dank, endlich meldest du dich! Ich wollte…“ „… Light, ich mach es kurz. Ich will nicht, dass du weiterhin an den Ermittlungen teilnimmst.“ „Was? Ich versteh nicht.“ „Angesichts der jüngsten Ereignisse… halte ich es für besser, wenn wir uns nicht mehr sehen. Du bringst mich dazu, Dinge zu tun, die ich sonst nie tun würde. Mich mit einem Verdächtigen anzufreunden… verstößt gegen die Regeln. Wer weiß, wozu du mich noch bringst. Und wer weiß, vielleicht tust du das alles nur, um mich zu täuschen…“ „Was redest du da für einen Unsinn?! Ich manipuliere dich doch nicht! Wie kannst du nur so was von mir denken?“ „… Es ist entschieden. Von heute an wirst du nicht mehr in die Ermittlungen eingeweiht.“ Dann legte Ryuzaki auf. Rückblick Ende Natürlich hatte Light versucht, mit Ryuzaki darüber zu reden, mehrmals. Doch dieser ließ ihn einfach nicht in seine Nähe. Inzwischen hatte das Ermittlungsteam wieder ihre „Zentrale“ gewechselt, weshalb es ohnehin nicht möglich war, Ryuzaki zu treffen. Doch nicht nur das… Light saß auf seinem Schreibtischstuhl und starrte auf sein Handy. Die letzten paar Stunden hatte er nur wage mitbekommen, ebenso den vergeblichen Versuch seiner Mutter, ihn zum Essen zu bewegen. Aber das war ohnehin alles nicht wichtig – nicht war mehr wichtig, nichts außer Ryuzaki. Entschlossen wählte Light noch einmal Ryuzaki’s Nummer, hielt das Handy an sein Ohr und betete. „Bitte, nimm ab. Nimm ab. Nimm ab…“, flehte der Brünette. Es tutete… und tutete… und tutete… „… Du nimmst nicht ab“, stellte Light verzweifelt fest und legte auf. Wie oft hatte er schon versucht, Ryuzaki anzurufen? Aber er reagierte nicht einmal mehr auf seine Anrufe. Light’s Kopf sank auf den Tisch. Er wusste wirklich nicht mehr weiter. Ryuzaki starrte immer noch auf sein Handy. Es hatte inzwischen aufgehört, zu klingeln, trotzdem konnte er den Blick nicht davon abwenden. Es war kindisch, Light auf diese Art aus dem Weg zu gehen – aber Fakt war, dass der Meisterdetektiv trotz aller Genialität und seiner Fähigkeiten sehr kindisch und unreif war. Und Light einfach zu ignorieren erschien ihm als einzig richtige Lösung. Es war ihm einfach nicht geheuer, welche Gefühle Light in ihm auszulösen vermochte. Und immerhin war er immer noch der Hauptverdächtige im Kira-Fall. Apropos Kira, es war schon seltsam, dass in letzter Zeit wieder nichts von Kira zu hören war. Eigentlich ein weiteres Indiz dafür, dass Light Kira sein musste. Oder hatte das eine etwa nichts mit dem anderen zu tun? Würde Kira nur wegen Liebeskummer aufhören, Verbrecher zu exekutieren? Oder würde Kira sich überhaupt verlieben, noch dazu in seinen Gegner? Oder war das alles nur Show? Angenommen, Kira hätte versucht, ihn reinzulegen, indem er ihm vorgaukelte, in ihn verliebt zu sein. Würde er dann mit dem Morden aufhören, nur, weil sein Plan nicht aufging? Das wäre denkbar unwahrscheinlich. Also ist Light doch nicht Kira? Ryuzaki schüttelte den Kopf. Dieses hin und her führte zu nichts. Er brauchte Beweise! „Ryuzaki?“ Der Schwarzhaarige wandte seinen Kopf halbherzig um. „Was gibt es, Herr Yagami?“ „Ich frage mich, warum Sie meinen Sohn von den Ermittlungen wieder ausgeschlossen haben. Gab es dafür irgendeinen Grund?“ „Natürlich gab es den. Ich tue nie irgendetwas grundlos.“ „Ist denn etwas vorgefallen? Es geht doch nicht wieder um Kira, oder?“ „Es geht doch immer um Kira“, antwortete Ryuzaki schlicht. Das stimmte zwar nicht wirklich, aber Light’s Vater musste nicht unbedingt wissen, was zwischen seinem Sohn und ihm vorgefallen war. „Konzentrieren wir uns wieder darauf, Kira zu fassen.“ Egal, ob Light nun Kira ist oder nicht. Kira zu fassen, ist jetzt das Wichtigste. Für alles andere ist später noch genug Zeit. Light lag auf seinem Bett. Er gähnte. Wieder eine Nacht, in der er kaum geschlafen hatte. Dabei brachte es gar nichts, sich dauernd den Kopf zu zerbrechen. Ryuzaki wollte ihn nicht mehr sehen und auch nicht mehr mit ihm sprechen. Es wäre besser, wenn er ihn einfach vergessen würde. Nur leider war das nicht so einfach. Light’s Augen wanderten die Zimmerdecke entlang, als ob sie dort irgendeinen Halt suchen würden. Aber den gab es nicht. Er musste den Schmerz ertragen, ob er wollte oder nicht. Seine einzige Hoffnung war es, dass der Schmerz bald vergehen würde. Unter Umständen war es sogar von Vorteil, dass Light Ryuzaki nicht mehr sehen oder mit ihm sprechen konnte. Das machte es einfacher, über ihn hinwegzukommen. Das Leben ging schließlich so oder so weiter. Völlig übermüdet machte sich Light wie üblich auf den Weg zur Uni. Dort angekommen, gab es vor dem schwarzen Brett, an dem stets die neuesten Mitteilungen für die Studenten zu finden waren, einen großen Menschenauflauf. Was es da wohl Interessantes zu lesen gab, dass da alle davor standen? Neugierig trat Light näher. „Hey, was gibt es denn hier zu seh…“ Die Worte blieben Light glatt im Halse stecken, als er den Grund für die Menschenansammlung sah. Es war ein Flugblatt, auf dem stand: „Light Yagami’s heimliche Liebesbeziehung“ und darüber war ein Bild von ihm und Ryuzaki, wie sie sich vor seinem Haus küssten! Light wurde kreidebleich. Woher kam dieses Foto? Hatte sie etwa jemand heimlich beobachtet und fotografiert? Aber wer könnte das gewesen sein? Und war dann auch noch dazu fähig, ein Flugblatt mit diesem Foto in der Uni aufzuhängen? Wütend riss Light das Blatt vom Brett, zerknüllte es und stampfte in den Seminarraum, die Blicke und das Getuschel der anderen Studenten ignorierend. Am Liebsten hätte sich Light einfach auf seinen Platz gesetzt und das alles vergessen – doch dieser Jemand, der sie beide beobachtet hatte, schien ihm diesen Frieden nicht gönnen zu wollen. Auf jedem Platz lag ein solches Flugblatt; auf dem von Light sogar ein ganzer Stapel! Was sollte das alles? Light suchte den Raum nach der Person ab, die das getan haben könnte. Aber niemand sah verdächtig aus. Dafür starrten ihn alle an und tuschelten. „Ich dachte, Yagami wäre mit Takada zusammen.“ „Ich auch. Das ist ja das Überraschende daran.“ „Er wirkte auf mich immer, wie so ein Frauenschwarm. Aber das er schwul ist…“ „Also ich hatte ja schon immer den Verdacht, dass mit dem Kerl was nicht stimmt!“ „Ach, hör doch auf! Das sagst du doch bloß, weil du eifersüchtig auf ihn bist!“ „Das hat damit gar nichts zu tun!“ „Ich kann gar nicht glauben, dass er auf Männer stehen soll! Ich fand ihn doch so süß!“ „Und dann auch noch auf diesen Ryuga.“ „Ja. Er hat wirklich einen guten Geschmack. Hideki ist ja so ein süßer Typ…“ „… Du hast sie echt nicht mehr alle, Kyoko.“ Light hatte die Nase voll. So was konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen. Er schnappte sich den Stapel und verließ schleunigst den Raum, dann das Gebäude. Auf dem Unigelände hielt er vor einem Waschbecken, nahe dem Sportplatz, warf die Flugblätter hinein und ließ viel Wasser darüber laufen, bis nur noch Brei davon übrig war. Es ist nun mal Realität, was mir da vorgeworfen wird. Es ist alles wahr, was auf diesem Zettel steht. Alles, jedes Wort. Ich weiß, dass es unnatürlich ist, wenn man den Wunsch verspürt, mit einem anderen Mann schlafen zu wollen. Ich weiß es doch selbst! Es ist genug! Es reicht… Wieder sollte Light sich irren. Etwas fiel neben ihm auf den Boden. Light warf einen Blick darauf: es war schon wieder dieses Flugblatt! Ehe Light sich versah, segelten hunderte von diesen Flugblättern aus der Luft hinunter. Sie schienen überall im ganzen Bezirk hinunterzufallen. Fassungslos sah Light zu, wie die Menschen auf der Straße die Flugblätter aufhoben und lasen. Das war zufiel des Guten! Hastig schlug sich der Brünette die Hände auf die Ohren und rannte davon. Er merkte gar nicht, wohin er lief. Dafür sah er, dass alle Menschen, denen er begegnete, ihn entsetzt oder vorwurfsvoll ansahen. Glotzt nicht so! SEHT MICH NICHT SO AAAAAAAAANNNNNNNNNN! Kopflos rannte Light mitten auf die Straße. In diesem Augenblick raste ein Auto heran. Es hupte laut, Light blieb wie angewurzelt stehen. Um ein Haar hätte das Auto ihn umgefahren – doch plötzlich riss ihn jemand um und schubste ihn auf den sicheren, mit Gras bewachsenen Mittelstreifen. Keuchend lag Light auf dem Gras, sein Retter saß ebenso atemlos neben ihm. „Alles in Ordnung?“, fragte er schließlich leise. Endlich wandte Light seinen Kopf, um sich seinen Retter anzusehen. Als der Brünette diesen erkannte, fiel er ihm erleichtert um den Hals. „Herr Aizawa“, schluchzte Light nur, dann weinte er sich an der Schulter des Polizisten aus. Die ungewollte Liebe und dann die Trennung von Ryuzaki und dann auch noch diese Flyer – das war einfach zuviel. Aizawa nahm ihn zaghaft in den Arm und rief gleichzeitig einen Krankenwagen. Sie beide hatten zwar keine erkennbaren Verletzungen, dennoch konnte es nicht schaden. Nachdem der Krankenwagen verständigt war, überlegte er kurz, dann informierte er auch Soichiro Yagami. Vielleicht konnte er ja herausfinden, was mit seinem Sohn los war… ~ Fortsetzung folgt ~ Kapitel 9: Liebe ---------------- Soichiro Yagami machte sich nach einem langen Wochenende wieder auf dem Weg zur Arbeit. Hinter ihm lag wieder ein emotionales Chaos, dass er trotz aller Mühe nicht auflösen konnte. Langsam gingen ihm die Ideen aus. Unten am Hoteleingang stieß Soichiro mit Aizawa zusammen. „Hallo Chef“, grüßte Aizawa und klappte seinen Regenschirm zusammen. „Wie geht es Ihrem Sohn?“ Soichiro seufzte. „Nicht besser. Ich weiß immer noch nicht, was an diesem Tag mit ihm los war. Und er will immer noch nicht mit mir darüber reden. Sachiko und Sayu wissen auch nichts. Sein Zustand wird von Tag zu Tag schlimmer. Jetzt verlässt er nicht mal mehr das Haus und er isst kaum noch. Er liegt nur noch wie apathisch auf seinem Bett. Ich mache mir große Sorgen um ihn. Wenn ich nur wüsste, wie ich ihm helfen kann…“ „Tja… Wir haben damals Gott sei Dank nur ein paar blaue Flecke davongetragen, aber seitdem redet Light kein Wort mehr. Aber er ist nicht der Einzige, der in letzter Zeit komisch drauf ist.“ Soichiro hob verwirrt eine Augenbraue. „Wer denn noch?“ „Matsuda und mir ist aufgefallen, dass sich Ryuzaki auch sehr merkwürdig verhält. Es fing doch schon damit an, dass er Light von den Ermittlungen ausgeschlossen hatte, ohne dafür einen triftigen Grund zu nennen. Finden Sie das nicht auch irgendwie eigenartig?“ „Stimmt. Er hat zwar gesagt, er hätte dafür einen Grund gehabt, aber welcher das gewesen war, wollte er nicht sagen. Glauben Sie, das hängt zusammen? Aber was haben denn Light und Ryuzaki miteinander zu tun?“ Aizawa schwieg. Er wusste eigentlich, was mit Light und Ryuzaki los war, immerhin hatte er das Flugblatt gesehen. Da er aber wusste, wie sein Chef über gleichgeschlechtliche Beziehungen dachte, hielt er es für besser, nichts zu sagen. „Ich denke, wenn es Probleme zwischen den beiden gäbe, sind sie auf jeden Fall alt genug, um das selbst zu klären. Es bringt nichts, wenn wir uns jetzt Sorgen machen. Wir müssen schließlich Kira fassen.“ „Sie klingen ja schon wie Ryuzaki“, erwiderte Soichiro, beließ es aber dabei. Oben im Hotelzimmer angekommen, bot sich den beiden Polizisten ein befremdliches Bild. Auf dem Tisch neben Ryuzaki türmten sich die Süßigkeiten – und anders als sonst machte der Meisterdetektiv keinerlei Anstalten, sich daran zu bedienen. „Was ist denn mit Ryuzaki los?“, fragte Aizawa Matsuda. Matsuda stand mit verschränkten Armen da und musterte den Schwarzhaarigen kritisch. „Keine Ahnung. Er sitzt schon die ganze Zeit so da und knabbert nur an seinen Fingernägeln. Ich werde aus dem Kerl einfach nicht schlau.“ „Mit mir ist alles in Ordnung“, antwortete Ryuzaki plötzlich, sodass die drei Männer zusammen zuckten. „Würden Sie sich jetzt bitte wieder auf Ihre Arbeit konzentrieren? Diese persönlichen Gespräche sind unangemessen.“ Sofort widmeten sich wieder alle den Ermittlungen. Alle bis auf Ryuzaki. Dieser hing seinen Gedanken nach. Nachdem er von dem Zwischenfall mit Light unterrichtet wurde, war die Jagd nach Kira nur noch Nebensache geworden. Ryuzaki konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken, ob er vielleicht schuld daran war. Ob Light aus lauter Kummer diesen Unfall provoziert hatte. Doch selbst, wenn es so wäre, was könnte er da schon tun? Was tat man denn in so einer Situation? Ryuzaki massierte sich die Nasenflügel. Sicher, seine Fähigkeiten als Detektiv waren außer Konkurrenz, doch in zwischenmenschlichen Beziehungen war er stets ratlos. Oft wusste er nicht, wie er auf bestimmte Situationen reagieren sollte. Was Andere als selbstverständlich erachteten, fiel ihm so unglaublich schwer. Auf Außenstehende wirkte er dadurch manchmal kühl, distanziert, manchmal sogar herzlos. Seine Reaktionen waren ihnen unverständlich. Wie an dem Tag nach Light’s Unfall. Als Aizawa zu ihm kam und ihm dieses Flugblatt unter die Nase hielt. Jeder andere hätte vermutlich versucht, es zu erklären oder es geleugnet, aber Ryuzaki blieb ruhig und kühl. Was hätte er auch sagen sollen? Es zu leugnen hätte keinen Sinn gehabt. Das Bild war eindeutig. Und erklären… konnte er es ja nicht mal sich selber. Nichts von dem, was geschehen war, seit er Light zum ersten Mal traf, konnte er sich erklären. Nichts davon… Rückblick „Hast du was? Warum schaust du mich denn so an?“ Light lächelte und sah weg. „Nichts. Ich habe nur über etwas nachgedacht. Entschuldige bitte. Darf ich mich vorstellen: Ich bin Light Yagami.“ Der Schwarzhaarige knabberte weiter an seinem Nagel und musterte Light ausdruckslos, als wolle er überprüfen, ob er die Wahrheit sagte. „Hideki Ryuga“, erwiderte er dann schlicht. Wieder ergriff der Dekan das Wort. Um nicht zu stören, beugte sich Light zu Hideki rüber und flüsterte ihm ins Ohr: „Hast du nach der Feier noch etwas Zeit?“ „Wofür?“, fragte Hideki, ohne den Blick von der Bühne zu nehmen. „Ich würde dich gerne etwas besser kennen lernen. Was hältst du davon, wenn wir anschließend noch irgendwo zusammen hingehen?“ Hideki überlegte kurz, dann nickte er nur zustimmend. Rückblick Ende Eigentlich hatte ich mich nur an dieselbe Uni eingeschrieben, um Kontakt zu Light Yagami aufzunehmen. Mir persönlich ein Bild von ihm zu machen. Abwägen, ob er Kira ist. Von allen, die Penber observiert hatte, passte er am Besten ins Bild, das ich mir von Kira gemacht habe. Ja, so hat es angefangen… Aber das danach habe ich nicht kommen sehen. Rückblick „Light? Ich würde dich gerne zu einem Tennismatch herausfordern.“ Überrascht sah Light von seiner Tasse auf. Warum war Hideki auf einmal so gesprächig? Und wie kam er dazu, mit ihm gerade Tennis spielen zu wollen? „Tennis spielen?“ „Ja.“ Hideki nippte an seiner Tasse. „Ich weiß eine Menge über dich. In der Mittelschule warst du nationaler Mittelschulchampion. Bei der Preisverleihung in der 9. Klasse hast du dann erklärt, dass du mit dem Tennis aufhören willst und hast seitdem an keinem Turnier mehr teilgenommen.“ „Wenn du weißt, mit wem du dich hier anlegst, warum forderst du mich dann heraus?“, fragte Light amüsiert und beugte sich etwas weiter vor. „Keine Sorge. In England war ich mal Juniormeister.“ „Bist du in England aufgewachsen, Hideki?“ „Ich habe fünf Jahre in England gelebt.“ „… Bist du Engländer?“ „Zu einem Viertel.“ „Und was ist mit dem anderen Dreiviertel?“ „Zu einem Viertel Russe, zu einem Viertel Italiener und zu einem Viertel Japaner.“ Hideki genehmigte sich einen Schluck Kaffee. „Und? Was ist jetzt mit dem Match?“ Light lächelte mild. „Ja, ich würde sehr gern mit dir spielen…“ Rückblick Ende Das Tennismatch… Ich weiß selbst nicht, wozu es diente. Hinweise darauf, ob er Kira war oder nicht gab das Match nicht. Und warum hab ich ihm eigentlich etwas über meine Herkunft erzählt? Sicher, es hätte ihm nicht dabei geholfen, mehr über L herauszufinden, aber… ich weiß nicht, irgendwie wollte ich, dass er mehr über mich weiß… In seiner Gegenwart… konnte ich zum ersten Mal in Anwesenheit eines Fremden ich selbst sein… und nicht bloß der weltberühmte Detektiv L. Rückblick Light und Hideki besuchten gemeinsam die Kirmes. Dort stürzte sich Hideki sofort auf den Stand mit den Süßigkeiten und stierte hungrig auf die Zuckerwatte. Light musste lachen. „Möchtest du Zuckerwatte, Hideki? Komm, ich kaufe dir welche.“ Zuckerwatte kauend schlenderten die beiden Jungs über die Kirmes, betrachteten die vielen Stände und die vielen Lichter, die in der Dunkelheit noch besser zur Geltung kamen, und genossen den regen Trubel. Ein Lächeln zauberte sich auf das blasse Gesicht des Schwarzhaarigen. Er blühte heute Abend richtig auf. Light gefiel das sehr. Mit einem Autokarussell oder so wollten sie nicht fahren. Dafür waren sie wohl beide nicht der Typ. Bei dem Riesenrad waren sich allerdings beide einig, dass sie ruhig eine Runde drehen konnten. Sie setzten sich in eine Gondel, dann setzte sich das riesige Rad in Bewegung. Als sie ganz oben angekommen waren, schaute Hideki fasziniert hinaus. Von hier oben hatte man eine traumhafte Aussicht. Light beobachtete ihn heimlich dabei. Er sah wirklich aus, wie ein kleiner, neugieriger Junge. „Bist du glücklich, Hideki?“, hörte der Brünette sich fragen. Hideki senkte langsam den Blick, seine leuchtenden Augen verblassten wieder. Light sah besorgt drein. Was hatte er denn auf einmal? „Hideki…?“ „… Light… ich muss dir etwas sagen… Es geht um den Kira- Fall.“ Light schluckte. „Um Kira? Was ist mit ihm?“ Hideki musterte Light eindringlich, als überlege er, ob er wirklich diese Information herausrücken sollte. „Dieser L… das bin ich!“ „Hahaha! Du bist mir vielleicht einer, Hideki! Solche Scherze solltest du aber wirklich lassen. Sonst glaubt dir das noch einer!“ „Es ist kein Witz. Ich bin L.“ Wieder lachte Light, diesmal etwas nervöser. „Das… ist doch Quatsch… Wenn du L wärst, wieso gibst du das erst jetzt zu? Wieso tust du erst ein paar Tage lang so, als wärest du jemand anderes?“ „Ja, weißt du, dass ist…“ Rückblick Ende Ja. Warum hab ich ihn eigentlich angelogen? Ich hatte vor, ihm von Anfang an zu erzählen, dass ich L bin. Warum hab ich das dann nicht gemacht? Nun ja, nachdem feststand, dass ich L bin, ist unsere Beziehung ja ganz schön abgekühlt. Vielleicht bin ich deshalb auf ihn zugegangen, um ihn um seine Mithilfe zu bitten. Rückblick „Ryuzaki? Ich habe mich entschieden. Ich werde mich in die Firma einschleichen und Infos sammeln.“ „Bist du verrückt? Das ist viel zu gefährlich! Naomi Misora hat dasselbe getan und nun hat man ihre Leiche gefunden. Wenn sie dich erwischen, bist du in Lebensgefahr!“ „Mach dir keine Sorgen. Ich gehe nur rein und sammele Infos. Sobald ich herausgefunden habe, was mit den Menschen geschehen ist, verschwinde ich sofort von da. Aber ich brauche deine Hilfe, um Zugang zu der Firma zu erhalten. Kannst du da was machen?“ Ryuzaki legte die Gabel beiseite und knabberte wieder an seinem Daumennagel. Was sollte er tun? Wenn irgendetwas schief ging, könnte Light sterben. War es das wirklich wert? „Vertrau mir, Ryuzaki“, meldete sich Light wieder zu Wort. „Ich weiß, was ich tue. Und wenn irgendetwas schief laufen sollte, bist du immer noch da. Du wirst nicht zulassen, dass mir etwas zustößt. Du würdest niemals zulassen, dass einem Unschuldigen Leid widerfährt.“ „… Du weißt, wie ich ticke?“ „Ja. Und ich vertraue dir.“ „… Gut. Ich bringe dich da rein. Ich melde dich dann bei dir. Und sag deinem Vater nichts davon. Er liegt immer noch im Krankenhaus und ich will nicht, dass er sich aufregt und wohlmöglich noch einen Herzinfarkt erleidet.“ „Sehe ich auch so. Bis dann also.“ Rückblick Ende Im Nachhinein betrachtet war das eine totale Schnapsidee. Ich hätte wissen müssen, dass sich hineinschleichen die einzige Lösung wäre. Trotzdem habe ich ihn gefragt. Weil ich wissen wollte, ob er Kira ist oder nicht. Denn wenn er Kira wäre, hätte er die Mitarbeiter von Ikagu beim kleinsten Anzeichen ihrer Schuld getötet. Dass er das nicht getan hatte, war sehr erleichternd für mich. Aber um welchen Preis? Rückblick „Wie lange… war ich bewusstlos?“ krächzte Light leise. „Drei Tage“, sagte eine Stimme an der Tür. Light drehte den Kopf zur Tür – dort stand Ryuzaki, sein Blick war von seinem Haarschopf verdeckt. „Drei Tage…“ flüsterte Light kaum hörbar. Betretenes Schweigen legte sich zwischen die drei Personen. Ryuzaki brach es schließlich: „Herr Yagami, Sie haben seit Tagen nicht mehr geschlafen. Für einen Mann, der gerade einen Herzinfarkt hinter sich hatte, ist das gar nicht gut. Ich schlage vor, dass Sie jetzt nach Hause fahren und sich erstmal gründlich ausschlafen. Light ist jetzt wach…“ Nachdem sein Vater gegangen war, drückte Light auf den Knopf seiner Fernbedienung des Bettes, um seine Kopflehne höher zu stellen. „Ryuzaki… es tut mir wirklich Leid. Ich habe wirklich nicht gewollt, dass es soweit…“ Light verstummte schlagartig, als er etwas Glitzerndes aus dem Gesicht des Meisterdetektivs tropfen sah. Weinte er etwa? „Ryuzaki…“ „Es tut mir so leid, Light“, schluchzte Ryuzaki kaum hörbar. „Ich hätte nie zulassen sollen, dass du dich in Gefahr begibst. Wenn du gestorben wärst…“ Ryuzaki’s Stimme brach ab. „Aber ich lebe noch“, erwiderte Light sanft. „Du hast mich gerettet. Wie ich es erwartet habe. Ich wusste, du würdest mich beschützen. Ich hatte keine Angst…“ Langsam trat Ryuzaki an das Krankenbett, ließ sich behutsam neben ihn nieder. In seinen dunklen Augen schimmerten Tränen. Und dann fiel er Light um den Hals und weinte sich an dessen Schultern aus. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht…“ Light legte sofort seine Arme um den Älteren und drückte ihn ganz fest an seine Brust. Er fühlte sich warm an… Rückblick Ende Ich habe seit über 17 Jahren nicht mehr geweint… Als wäre ich in der Zwischenzeit völlig abgestumpft… Allerdings hatte ich seitdem auch nie wieder solche Angst um einen anderen Menschen… weil ich außer Watari keinen anderen an mich heran ließ. Aber dann kam Light… und alles wurde anders… Rückblick „Nein, Light ist nicht Kira. Das wünsche ich mir zumindest. Immerhin ist Light… der erste, echte Freund, den ich gefunden habe“, erwiderte er leise. Light klappte die Kinnlade runter. Er hatte nicht mehr zu hoffen gewagt, dass sie beide noch Freunde werden würden. Ryuzaki wandte sich zu ihm um und musterte ihn. Sein Gesicht war wie immer ausdruckslos, doch seine Augen schimmerten erwartungsvoll. Ob Light nach all dem noch sein Freund sein wollte? Light schenkte ihm ein sanftes Lächeln, kam noch näher und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Du bist auch ein sehr guter Freund für mich, Ryuzaki.“ „Danke.“ „Es ist schade, dass du nicht mehr in die Uni kommst. Du fehlst mir. Wir müssen mal wieder Tennis spielen.“ „Ja, auf jeden Fall. Das wäre schön.“ Rückblick Ende Freundschaft. Das war meine Erklärung für meine neuartigen Gefühle. Endlich hatte ich jemanden gefunden, der mich versteht und bei dem ich ganz ich selbst sein konnte. Außer Watari natürlich… Und er empfand dasselbe wie ich… dachte ich zumindest… Aber dann kam diese Einladung. Was sollte das überhaupt? Er benahm sich auch irgendwie so komisch. Andererseits wurde ich noch nie von einem Freund zu sich nach Hause eingeladen. Und es war ja auch ein wirklich schöner Abend. Es war nicht gelogen, als ich sagte, ich hätte noch nie soviel Spaß gehabt. Bis wir dann auf dieses Thema zu sprechen kamen… Rückblick „Ich hab mich gefragt, wieso sich jemand dafür entscheidet, weltweit Kriminalfälle zu lösen und es in Kauf nimmt, ständig isoliert leben zu müssen. Außer Watari hast du ja keinen menschlichen Kontakt…“ Ryuzaki’s Blick wurde plötzlich ganz glasig. Das beunruhigte Light. Hatte er was Falsches gesagt? „Ryuzaki…“ „… Du redest genau wie alle anderen…“, murmelte der Schwarzhaarige leise. „Dabei dachte ich, wenn mich jemand verstehen würde, dann wärest du es… Du kennst sie doch auch… die Wirklichkeit… dieses beschissene Gefühl, diejenigen, die du liebst, nicht beschützen zu können…“ Ryuzaki schloss die Augen, krallte seine Finger in den Bademantel. „Light… es tut weh… so weh… Mein Herz…“ Rückblick Ende Ryuzaki schloss die Augen. Er kannte diesen Schmerz sehr gut. Der Schmerz, den der schwache Mensch, der er eigentlich war - der den großen und einsamen Meisterdetektiv L mimen musste - in sein tiefstes Inneres verdrängt hatte, ohne ihn ganz verbannen zu können. Was hatte man dem weltberühmten Meisterdetektiv nicht alles vorgeworfen, wenn es einmal nicht um seine Fähigkeiten als Detektiv gegangen war… „Ein schrulliger Detektiv, der sich mit Vergnügen auf groteske Serienmorde stürzt.“ „Der Computer in Menschengestalt, der in Massenmorden nichts als Mathematik sieht.“ „Einsiedler ohne Persönlichkeit.“ Es blieb jedoch stets L’s Geheimnis, wie er mit diesen Einschätzungen seiner Persönlichkeit zurechtkam und umging. Was die Menschen nämlich nicht wussten, war, dass L die tausenden von Kriminalfällen, die er gelöst hatte, und auch die Verbrechen und die Opfer, die hinter diesen Fällen standen, niemals vergaß und auch gar nicht vergessen konnte. Diese tagtägliche Konfrontation mit Verbrechern, für die ein Menschenleben nicht das Geringste zählte… wie könnte Jemand verstehen, was im Inneren eines Menschen vor sich geht, der stets einen solchen Alltag erleben muss. Wie sollten sie verstehen, welchen Schmerz so jemand im Herzen trägt? Light hätte das verstehen müssen… Oder nicht? Schließlich verstarb seine Freundin vor einigen Monaten. Er hatte eine Freundin gehabt… und jetzt knutschte er mit ihm rum? Rückblick Light packte Ryuzaki’s Arm und zog ihn zurück in seine Arme. Ehe Ryuzaki wusste, wie ihm geschah, spürte er Light’s Lippen auf seinen. Zuerst völlig überrascht, fielen dem Schwarzhaarigen dann die Augen zu und er ließ sich in den Kuss hineinfallen… Mit sanfter Gewalt wollte Light Ryuzaki zurück ins Haus ziehen, damit sie ungestört weiter machen konnte, doch der riss sich plötzlich los. „Nein… das ist… nicht richtig“, keuchte Ryuzaki schwer atmend und schuf schnell Abstand zwischen ihnen. Light lächelte sanft. „Schon gut. Ich hatte am Anfang auch Probleme mit dem Gedanken, dass wir uns so nahe kommen, aber… Wenn wir beide es wirklich wollen, ist es auch nicht falsch.“ Light fasste nach Ryuzaki’s Arm, den dieser aber wegzog, gefolgt von einem heftigen Kopfschütteln. „Nein! Es ist nicht richtig! Ich sollte nicht rumknutschen mit einem… einem…“ „Einem Mann?“, half Light sanft nach. „Mit einem Hauptverdächtigen!“, rief Ryuzaki, biss sich aber gleich darauf auf die Zunge. „Du… du glaubst immer noch, dass ich Kira bin?“, fragte er geschockt. „Ja… Ich verdächtige dich immer noch. Ich hab nur noch keine Beweise, aber die Vorfälle sprechen alle gegen dich. Und daher… sollte ich dich nicht küssen! Eigentlich sollte ich gar keine persönliche Beziehung zu dir aufbauen… Ich weiß gar nicht, was ich hier überhaupt tue! Ich hätte nicht hierher kommen sollen!“ Light griff nach Ryuzaki’s Hand und schüttelte verzweifelt den Kopf. „So was darfst du nicht sagen! Dieser Abend war… einfach wundervoll! Ich bin so gern mit dir zusammen. Du bist für mich… du bist… ich… ich lie…“ Schnell legte Ryuzaki ihm eine Hand auf den Mund. „Sag es nicht… Bitte. Ich muss jetzt gehen… Mach’s gut.“ Mit diesen Worten löste sich Ryuzaki von Light und ging. Rückblick Ende Ryuzaki strich sich vorsichtig über die Lippen. Er konnte den sanften Kuss immer noch spüren… Und wenn er ganz ehrlich war, musste er zugeben, dass er sich nach mehr sehnte. Aber war das nicht falsch? Immerhin waren da die neuesten Ermittlungsergebnisse. Bei der Untersuchung der Videokassetten, die der zweite Kira an Sakura-TV geschickt hatte, fanden sich auf dem Umschlag Haare und Make-Up-Rückstände von Misa Amane, die sich an diesem Tag im Sender aufhielt, um ein Interview zu geben. Demnach stand außer Frage, dass sie Kira 2 war. Und hatte sie Light nicht als ihren Freund bezeichnet? War sie nicht stets in seinem Haus ein- und ausgegangen, angeblich, weil sie mit dessen Schwester befreundet war? Andererseits war das nicht wirklich ein Beweis für Light’s Schuld. Und obwohl Ryuzaki die Ermittlungsergebnisse zu diesem Zeitpunkt schon kannte, war er zu dem Treffen gegangen. Ryuzaki seufzte. Nie hätte er gedacht, dass dieser Fall so kompliziert werden könnte. „Darf ich mich vorstellen? Ich bin Light Yagami.“ „Hideki Ryuga.“ „Ich würde dich gerne etwas besser kennen lernen. Was hältst du davon, wenn wir anschließend noch irgendwo zusammen hingehen?“ „… Light… ich muss dir etwas sagen… Dieser L… das bin ich!“ „Wie bitte? Du verdächtigst mich, Kira zu sein?!“ „Es tut mir so leid, Light. Ich hätte nie zulassen sollen, dass du dich in Gefahr begibst. Wenn du gestorben wärst… Ich bin so froh, dass es dir gut geht…“ „Nein, Light ist nicht Kira. Das wünsche ich mir zumindest. Immerhin ist Light… der erste, echte Freund, den ich gefunden habe.“ „… Du redest genau wie alle anderen... Dabei dachte ich, wenn mich jemand verstehen würde, dann wärest du es… Du kennst sie doch auch… die Wirklichkeit… dieses beschissene Gefühl, diejenigen, die du liebst, nicht beschützen zu können… Light… es tut weh… so weh… Mein Herz…“ „Nein! Es ist nicht richtig! Ich sollte nicht rumknutschen mit einem… einem… Mit einem Hauptverdächtigen! Ja… Ich verdächtige dich immer noch. Ich hab nur noch keine Beweise, aber die Vorfälle sprechen alle gegen dich. Und daher… sollte ich dich nicht küssen! Eigentlich sollte ich gar keine persönliche Beziehung zu dir aufbauen… Ich weiß gar nicht, was ich hier überhaupt tue! Ich hätte nicht hierher kommen sollen!“ „… Light, ich mach es kurz. Ich will nicht, dass du weiterhin an den Ermittlungen teilnimmst. Angesichts der jüngsten Ereignisse… halte ich es für besser, wenn wir uns nicht mehr sehen. Du bringst mich dazu, Dinge zu tun, die ich sonst nie tun würde. Mich mit einem Verdächtigen anzufreunden… verstößt gegen die Regeln. Wer weiß, wozu du mich noch bringst. Und wer weiß, vielleicht tust du das alles nur, um mich zu täuschen…“ Light presste die Hände auf seine Ohren, doch es nützte nichts. Die Stimme in seinem Kopf verschwand nicht. Ebenso wenig wie die Bilder dazu. Immerzu hatte er SEIN Gesicht vor Augen. Die blasse, kränkliche Haut. Die großen, schwarzen Augen, die gekrönt waren von tiefen, dunklen Augenringen. Wenn er verärgert war, ähnelten seine Augen dunklen Sturmwolken; wenn er neugierig oder erfreut war, leuchteten sie wie der nächtliche Sternenhimmel. Sein Gesicht wirkte oft ausdruckslos und kühl. Aber wenn er sich freute, wirkte er so süß und unschuldig wie ein kleines Kind. Und wenn er weinte… sah er so einsam, so verlassen und traurig aus, dass man ihn am Liebsten umarmen und ganz fest an sich drücken möchte. Für einen Mann ist er recht zierlich gebaut. Er selbst sagte mal, er hätte Untergewicht. Das läge daran, dass sein Gehirn die ganzen Kalorien aufbraucht und der Tag nicht lang genug sei, um für genügend Nachschub zu sorgen. Light lächelte. Ryuzaki hatte schon jede menge komischer Angewohnheiten. Er knabberte beim Nachdenken ständig an seinen Fingernägeln. Sie sahen unmöglich aus. Nie setzte er sich richtig hin, sondern hockte sich nur hin. Vermutlich lief er deshalb in gebückter Haltung herum. Dadurch, dass er ständig so dasaß, konnte er seinen Rücken wahrscheinlich nicht ganz gerade machen. Seine schwarzen Haare waren ganz zerzaust. Wann er sie wohl das letzte Mal gekämmt hatte? Außerdem trug er jeden Tag dieselben Klamotten. Ob er die wohl jemals wusch? Muss wohl, er roch ja nicht. Light lachte laut los, als er sich vorstellte, dass Ryuzaki irgendwo einen Schrank hatte, der gefüllt war mit denselben Klamotten, die er trug. So konnte er seine Sachen wechseln und sah trotzdem immer gleich aus. Socken trug er nie, weil er die hasste. Ja, Ryuzaki hatte eine menge seltsamer Angewohnheiten. Aber am Schlimmsten war die, anderen Menschen gegenüber ständig misstrauisch zu sein – selbst dann, wenn dieser Mensch ihm all seine Zuneigung entgegenbringt. War das wirklich nur deshalb so, weil er glaubte, dass Light Kira war? Oder fürchtete sich der Schwarzhaarige nur davor, seine Gefühle zuzulassen? Aber was mag geschehen sein, dass er sich fürchtete? Wenn sie doch nur wieder miteinander reden könnten… Plötzlich fiel ein kleiner Lichtstrahl in die Dunkelheit, die den Brünetten umgab. Schritte waren zu hören und jemand setzte sich zu ihm aufs Bett. „Light? Schläfst du?“, ertönte dann Sayu’s Stimme. Light antwortete nicht. Sayu seufzte und sah sich im Zimmer um. „Findest du nicht, dass es hier viel zu dunkel ist? Mach doch mal die Vorhänge auf!“ Ohne Light’s Antwort abzuwarten, stand Sayu auf, ging zur Balkontür und zog den Vorhang beiseite. Light murrte und hielt sich die Hand vor die Augen. „Sayu, lass das!“, quengelte er. Sayu baute sich vor ihrem Bruder auf. „Maul hier nicht rum! Es täte dir gut, mal wieder das Haus zu verlassen!“ „Ich will aber nicht. Was soll ich denn da draußen?“ Sayu setzte sich direkt neben ihn und strich ihm zärtlich über den Rücken. „Hör mal, Brüderchen. Ich weiß ja, dass Liebeskummer echt schlimm ist, aber du kannst doch nicht ewig das Leben aussperren! … Vielleicht… ist es ja sogar besser so, dass es nicht mit euch geklappt hat. Papa hätte das gar nicht gut gefunden.“ Überrascht nahm Light die Hand weg und sah seine Schwester an. Sie trug einen Yukata mit Blumenmuster und Wellenlinien. „Was?“ „Ich hab das Flugblatt gesehen. Es lag in unserem Briefkasten. Ich hab es schnell an mich genommen, damit Mama oder Papa es nicht sehen.“ Light stöhnte. „Ohhhh Goooott! Nicht das auch noch!“ „Ich muss zugeben, dass es echt merkwürdig war zu sehen, dass du einen Jungen küsst. Aber dann wurde mir auch gleichzeitig bewusst, dass du seinetwegen so niedergeschlagen bist und das kann ja nur bedeuten, dass er dir sehr viel bedeutet. Aber andererseits könnte das nie gut gehen, schon allein wegen Papa.“ „Ich weiß… Aber ich kann das nicht einfach so abstellen. Was würdest du an meiner Stelle tun?“ „Mich ablenken!“ Light seufzte. „Ich meine es ernst, Light! Seit Wochen verlässt du das Haus nicht und richtig gegessen hast du auch schon lange nicht mehr. Dir muss doch schon die Decke auf den Kopf fallen! So geht das nicht weiter! Geh mal wieder raus, dann wirst du sehen, dass das Leben trotzdem weiter geht und vielleicht passiert sogar etwas Wunderbares!“ „Glaub ich nicht.“ „Ach, du alter Muffelkopf! Jetzt versuch es doch wenigstens! Heute ist der letzte Tag des Awa-Odori. Mama, Misa und ich gehen da gleich hin und du kommst mit!“ Energisch sprang Sayu auf und zog am Arm ihres Bruders. „Los, komm hoch!“ Eigentlich hatte Light keine Lust dazu. Aber es stimmte wirklich, ihm fiel die Decke fast auf den Kopf und er war es leid, ständig an Ryuzaki denken zu müssen. Also ließ er sich von seiner Schwester auf die Füße ziehen und trottete zu seinem Kleiderschrank, um seinen Yukata rauszusuchen. Vielleicht geschah ja wirklich etwas Wunderbares… Einige Zeit später schlenderten die drei Damen und ihre männliche Begleitung durch die Straßen nahe der großen Einkaufspassage in der Stadtmitte. Überall hingen bunte Girlanden und helle Lichter. An den Straßenrändern reihte sich ein Stand an den anderen. Vor den Ständen, auf dem großen Marktplatz und in den Gassen tummelten sich Kinder mit ihren Eltern, Jugendliche mit ihren Freunden und Pärchen. Es herrschte überall reges, buntes Treiben und die gute Laune, die daraus resultierte, schien jeden anzustecken, der sich dazu gesellte. Sogar Light konnte sich dem nicht lange entziehen. Er tat zwar nichts anderes, als Sayu und Misa dabei zuzusehen, wie sie von Stand zu Stand wanderten und sich prächtig amüsierten, dennoch vertrieb das seine trüben Gedanken. Insgeheim dankte er seiner kleinen Schwester für diese willkommene Abwechslung. „Endlich lächelst du mal wieder“, sagte Sachiko nach einer Weile. „Hm?“ Light hatte gerade Sayu und Misa amüsiert dabei beobachtet, wie sie vergeblich versuchten, einen Goldfisch zu fangen. Nun wandte er sich seiner Mutter zu, die sehr erleichtert wirkte. Da begriff Light langsam, wie sehr sich seine Mutter um ihn gesorgt haben musste und er fühlte sich schuldig. Schuldig, weil er so sehr mit seinem eigenen Schmerz beschäftigt war, dass er völlig ignoriert hatte, welches Leid er mit seinem Verhalten anderen zugefügt hatte. Seine Mutter, die sich um Light’s Gesundheit ängstigte. Sein Vater, der so hilflos wirkte, angesichts der Verzweiflung seines Sohnes. Seine Schwester Sayu, die auch nicht wirklich weiterwusste. Misa, die ihm all ihre Liebe entgegenbringt und nichts zurückbekommt. Ryuzaki, der sich einsam fühlte und wahrscheinlich nur seine Freundschaft wollte… Wenn dem wirklich so war, war es vielleicht an der Zeit, endlich nach vorne zu blicken. Sich nicht länger an eine Beziehung zu klammern, die es gar nicht gab. Light griff nach der Hand seiner Mutter und drückte sie sanft. „Vielen Dank, Mutter.“ „Wofür denn?“ Ehe Light ihr antworten konnte, schrie Sayu begeistert auf. Sie hatte endlich einen Goldfisch gefangen. Misa hingegen ging immer noch leer aus. Wütend darüber, versuchte sie es nun mit roher Gewalt, was aber nur zur Folge hatte, dass sie alle umstehenden Personen nass spritzte, inklusive sich selbst. Light lachte auf. „Warte, Misa. Ich zeig dir, wie das geht.“ Der Brünette hockte sich neben sie. „Mit Gewalt erreichst du gar nichts. Wichtig sind das Timing und die richtige Technik. Pass auf.“ Light hob das Fangnetz aus Papier hoch, beobachtete konzentriert einen Fisch und schlug dann blitzschnell zu – als Ergebnis schwamm der kleine Goldfisch in der Schale, die er in der anderen Hand hielt. Misa klatschte begeistert in die Hände. „Wow! Super gemacht, Light! Du bist wirklich toll!“ „So, bitteschön, die Dame“, sagte der Brünette und reichte ihr einen mit Wasser gefüllten Beutel, in der der Fisch herumschwamm. Freudig betrachtete Misa den kleinen, orangefarbenen Kerl, dann fiel sie Light um den Hals. Dieser ließ es ausnahmsweise geschehen, auch wenn er dabei einen Stich im Herzen verspürte. Schließlich zog das kleine Grüppchen weiter. Ihr Weg führte sie zu einem Riesenrad. Sayu deutete darauf und sprang begeistert auf und ab. „Ein Riesenrad! Kommt, lasst uns damit fahren!“ „Oh ja, dass ist eine tolle Idee!“, stimmte Misa zu. „Du musst auch mitfahren, Mama!“ „Ach Liebes, ich weiß nicht recht…“ „Komm schon! Oder traust du dich nicht, weil du dich nicht an Papa klammern kannst?“ „Werd’ nicht frech!“ Die Mädchen lachten und steuerten auf das Riesenrad zu, doch Light löste sich von Misa. „Was ist denn los, Light?“, wunderte sich Misa. Gerade, wo es doch so schön war… „Geht ihr mal allein. Ich mag keine Riesenräder. Ich schlendere einfach noch ein bisschen herum und stoße dann später wieder zu euch.“ Sayu musterte ihren Bruder besorgt. „Hey, du willst dich doch nicht schon wieder zurück ziehen?“ „Nein, keine Sorge. Ich mag einfach nur keine Riesenräder.“ Zu viele schmerzliche Erinnerungen… „Also… wenn Light nicht mitkommt, dann tue ich das natürlich auch nicht!“, ereiferte sich Misa. Sie hatte eigentlich gehofft, mit Light allein sein zu können. Dieser schüttelte den Kopf. „Du musst doch meinetwegen nicht verzichten. Ich hab eine Idee: was hältst du davon, wenn wir beide uns um kurz vor 19 Uhr auf dem großen Platz treffen?“ Das Angebot verfehlte seine Wirkung nicht: Misa bekam große, leuchtende Augen. In dieser Gegend war es üblich, den letzten Tag des Awa-Odori nicht nur mit einem großen Stadtfest zu feiern. Um Punkt 19 Uhr gab es zum krönenden Abschluss noch ein riesiges Feuerwerk. „Du willst dir mit mir zusammen das Feuerwerk ansehen?! Oh, klasse!!!“ „Dann musst du ihr aber noch ein paar Blumen besorgen, mein Junge“, mischte sich Sachiko ein. „Es ist Tradition, dass der Mann seiner Liebe einen Strauß ihrer Lieblingsblumen schenkt, bevor das Feuerwerk beginnt. Das soll ihnen beiden Glück bringen.“ Light zuckte zusammen. „Wa… Liebe?!“, stammelte er. „Oh ja, das wäre toll!!!“, jauchzte Misa. Dann fügte sie verlegen hinzu: „Meine Lieblingsblumen sind rote Rosen… Bringst du mir welche mit?“ „Öh… Ich… äh…“ „Lass dich doch überraschen, Misa“, schlug Sayu vor. „Wenn er am vereinbarten Treffpunkt mit einem Strauß roter Rosen auf dich wartet, dann weißt du, ob ihr beide eine Chance habt.“ „Eine tolle Idee, Sayu! Gut, ich werde warten und hoffen. Wir sehen uns dann in einer Stunde, Light!“ Dann hakte sich Misa bei Sayu ein und die drei Damen verschwanden in der Menge. Light blieb leicht perplex zurück. Das hatten sie sich ja schön ausgedacht! Kopfschüttelnd zog er weiter durch die Straßen und beobachtete die Menschen. Schließlich setzte er sich auf eine Bank, neben einem Essensstand, und bestellte sich eine Cola und eine große Portion gebratener Nudeln. Doch jetzt, wo er wieder allein war, fühlte er wieder den altbekannten Schmerz – und er hatte es so satt. Vielleicht sollte er es tatsächlich in Erwägung ziehen, mit Misa eine Beziehung anzufangen. Gut, sie war eine ziemliche Nervensäge, trotzdem gab es auch viel Positives über sie zu sagen: Sie war wirklich sehr hübsch und irgendwie auch süß. Sie tat alles, um ihm zu gefallen, was ihm irgendwie sehr schmeichelte. Und sie liebte ihn, obwohl sie wusste, dass er Kira war – oder eher deswegen? Nein, sie bewunderte Kira und war ihm dankbar, aber ihre Liebe galt nur Light Yagami. Ja, er sollte es mal darauf ankommen lassen. Entschlossen aß er auf, erhob sich und sah auf die Uhr. Es war gleich soweit. Den immer stärker werdenden Schmerz in seinem Herzen ignorierend und stattdessen nur noch auf seine Vernunft hörend, suchte Light den nächsten Blumenladen auf. Dort stach ihm schon von weitem ein großer Strauß roter Rosen ins Auge und er steuerte darauf zu – doch dann weckte ein Strauß weißer Iris seine Aufmerksamkeit. Er hing nur als Dekoration an der Wand, dennoch ließ er alle anderen Blumen verblassen. Light konnte seinen Blick einfach nicht von ihnen abwenden. Ihr Anblick weckte wieder die Erinnerung an Ryuzaki in ihm. Starke Gefühle überfluteten ihn, rissen ihn beinahe mit sich fort – doch dann kam Light rasch wieder zur Besinnung. Das hier war nicht gut! Schnell verließ Light das Geschäft, um frische Luft zu schnappen. Plötzlich fiel ihm etwas auf den Kopf. Überrascht nahm Light es runter. Es waren zwei Schwertlilien, mit einer Schleife zusammengebunden. Verwirrt sah Light nach oben… Rückblick Ryuzaki betrachtete ein paar Staubweben an der Decke. Sie wogen sanft hin und her, obwohl kein Lüftchen durch den Raum wehte. Ihre Bewegungen hatten etwas Hypnotisches. Andererseits hatte Ryuzaki im Moment auch nichts Besseres zu tun. Er war allein. Da Kira sich offenbar seit längerem eine Auszeit gönnte, waren die Mitarbeiter der Tokioter Polizei irgendwo was Essen gegangen. Ihn hatten sie eingeladen, mitzukommen, aber Ryuzaki war nicht nach Essen zumute. Jetzt saß er allein im Hotelzimmer und stellte fest, dass das Reinigungspersonal des Hotels seine Arbeit nicht gründlich verrichtete, was für ein angebliches Fünf-Sterne-Hotel schon ziemlich armselig war. Nun, ganz allein war er nicht. Watari leistete ihm wie immer Gesellschaft. „Ryuzaki, wollen Sie nicht ein wenig nach draußen gehen?“, schlug Watari vor und musterte Ryuzaki besorgt. „Nein. Was soll ich denn allein da draußen?“ „Nun ja, es würde Ihnen ganz gut tun. Ich merke doch, dass Sie etwas bedrückt. Und wenn Sie sogar darauf verzichten, Kuchen und andere Süßigkeiten zu verzehren, muss es wirklich ernst sein. Ich kann verstehen, wenn Sie nicht darüber reden wollen. Allerdings muss ich darauf bestehen, dass Sie dann wenigstens mal an die frische Luft gehen. Ein Tapetenwechsel wird Ihnen sicher nicht schaden und vielleicht geht es Ihnen dann besser. Im Stadtzentrum findet ein Straßenfest im Rahmen des Awa-Odori statt.“ „Awa-Odori? Ist das nicht dieses viertägige Tanzfestival, das ein Teil des Obon-Festivals ist? Ich dachte, das wird nur in der Tokushima Präfektur in Shikoku gefeiert.“ „Das stimmt, aber diese Gegend veranstaltet jedes Jahr am letzten Tag des Awa-Odori ein großes Straßenfest im Stadtzentrum für all jene, die es zum Fest nicht nach Shikoku schaffen oder nicht hinfahren wollen. Es ist bestimmt sehr schön dort.“ „… Würden Sie mich dahin begleiten?“ „Nein. Ich bin zu alt dafür.“ Ryuzaki lächelte. „Das war jetzt aber eine schlechte Ausrede. Wenn ich etwas in all den Jahren, in der Sie und ich jetzt schon zusammen leben, gelernt habe, dann, dass sie definitiv nicht zu alt für irgendetwas sind. Aber schon gut. Ich hab verstanden. Ich geh allein hin.“ „Ich habe Ihnen einen Yukata auf das Bett gelegt. Er wird Ihnen sicher gut stehen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß auf dem Fest.“ Mit diesen Worten verschwand Watari wieder. Ryuzaki sah ihm nach, dann stand er schwerfällig auf und schlich in Richtung Schlafbereich. Dort starrte er auf den Yukata, der wie angekündigt auf seinem Bett lag, und seufzte. Einen Versuch war es Wert… Doch kaum, dass Ryuzaki die ersten Schritte durch die Straßen gegangen war, bereute er seinen Entschluss schon. Er kam sich einsam und verlassen vor unter all den glücklichen Menschen. Er war einfach nicht der Typ, der sich allein auf solchen Festen amüsieren konnte. Der Meisterdetektiv stellte sich vor den großen Brunnen und suchte die Menge nach etwas ab, obwohl er gar nicht so recht wusste, was er dort zu finden hoffte. Ein bekanntes Gesicht? Light? Ja, er wollte Light in dieser Menge finden. Mit Light hatte er zum ersten Mal seit Jahren Spaß gehabt… Aber nachdem, was zwischen ihnen vorgefallen war, würde Light sicher nie wieder etwas mit ihm zu tun haben wollen. Der Gedanke stimmte den Schwarzhaarigen sehr traurig – und das schien man ihm anzusehen. Ein kleines Mädchen trat an ihn heran und musterte ihn. „Bist du traurig?“, fragte sie. Ryuzaki war überrascht über soviel Direktheit und nickte nur. Daraufhin kam das Mädchen noch näher und hielt ihm einen Strauß weißer Iris entgegen. „Hier. Den schenke ich dir! Aber dafür bist du dann auch nicht mehr traurig!“ Völlig perplex nahm Ryuzaki den Strauß. Ehe er etwas sagen konnte, war das Mädchen auch schon wieder weg. Da stand er nun, mit einem Blumenstrauß in der Hand, verloren in einer Menge aus fröhlichen Menschen. Besser, er ginge wieder zurück, bevor er noch mehr mitleidige Geschenke aufgedrückt bekam. Eilig entfernte er sich von dem Brunnen und stieg die Treppen zu einer Brücke hinauf, um die Menschen zu umgehen. Auf dem Weg zum Ausgang erspähte Ryuzaki in einiger Ferne das Riesenrad. Erinnerungen an den schönen Abend mit Light tauchten in seinem Kopf auf und er trat ans Brückengeländer heran, lehnte sich dagegen und schwelgte in Erinnerungen. Völlig in Gedanken versunken, fiel ihm zunächst gar nicht auf, dass ihm der Strauß weißer Iris aus der Hand gefallen war. Als er es dann doch merkte, sah er rasch hinunter… Rückblick Ende Da standen sie sich nun gegenüber, der eine unten, der andere oben auf einer Brücke, und sahen sich seit Monaten zum ersten Mal wieder. Light öffnete mehrmals den Mund, um etwas zu sagen, doch all die Worte, die er im Herzen trug und darauf drängten, gesagt zu werden, gingen auf dem Weg nach oben verloren. Ryuzaki hingegen war dieses unverhoffte Treffen unangenehm. Zwar hatte er sich gewünscht, Light zu sehen, doch jetzt, wo er ihm tatsächlich begegnet war, überfielen ihm wieder die üblichen Zweifel und er ergriff sofort die Flucht. Doch diesmal wollte Light ihn nicht davonkommen lassen. Diese wenigen Sekunden, in denen er Ryuzaki wieder gegenüberstand, hatten alle Zweifel und trübe Gedanken von vorhin vertrieben. Er musste einfach mit ihm zusammen sein! Sofort rannte der Brünette ihm hinterher. „Warte!! Ryuzaki!! Lauf nicht weg!!! ICH LIEBE DICH!!!!“ Plötzlich trat ein Mann mitten in den Weg. Light versuchte, auszuweichen, rempelte den Mann aber trotzdem an. „Verzeihung“, entschuldigte sich Light hastig und nahm sofort wieder die Verfolgung auf. Ryuzaki hatte durch diesen kleinen Zwischenfall einen kleinen Vorsprung ergattert. Der Meisterdetektiv rannte mitten durch eine Menschenmenge durch, die sich in einer vertikalen Reihe aufgestellt hatten. Auch Light rannte hindurch, musste aber ruckartig bremsen. Eine große Parade lief die Straße hinunter und versperrte dem Studenten den Weg. Wenn Light sich nicht beeilte, würde er seinen Liebsten verlieren. Ryuzaki hingegen hatte es gerade so noch durchgeschafft und entfernte sich in die dunkle Nacht. Er rannte so schnell, wie er konnte, ohne anzuhalten oder sich umzudrehen. Er wollte einfach nur weg. An einer großen Brücke, weit abseits von dem Fest, kam er dann endlich zum stehen. Atemlos stützte er sich auf dem Geländer ab, versuchte seinen Pulsschlag zu beruhigen. Oder den Schmerz in seinem Herzen. Wieso konnte er Light nicht mehr in die Augen sehen? Nicht mehr mit ihm reden? Würde es von jetzt an immer so sein? War das das Ende ihrer Freundschaft? Es sah ganz danach aus… Schweren Herzens löste sich Ryuzaki von dem Geländer und wollte zurück ins Hotel gehen – doch als er sich umdrehte, stand ein atemloser Light vor ihm. „Gott sei Dank… du bist noch nicht weg…“, keuchte der Brünette und ging ein paar Schritte auf ihn zu. Instinktiv setzte Ryuzaki schon wieder zur Flucht an. „Warte! Bitte geh nicht wieder weg!“, flehte Light und bekam den Schwarzhaarigen am Handgelenk zu fassen. „Ich kann nicht bleiben!“, rief Ryuzaki flehend. Light aber ließ ihn nicht gehen. Er zog Ryuzaki in seine Arme und drückte ihn ganz fest an sich. Dieser versuchte vergeblich, sich aus der Umarmung zu befreien, doch seine schwachen Versuche, Light von sich wegzudrücken, wurden mit einem leidenschaftlichen Kuss endgültig erstickt. Schlagartig beruhigte sich Ryuzaki und ließ sich in den Kuss hineinfallen. Da beide noch erschöpft von der „Jagd“ waren, mussten sie den Kuss leider viel zu früh wieder beenden. Völlig überwältigt von ihren Gefühlen sahen sie sich gegenseitig in die Augen, bis Light etwas einfiel. Er reichte Ryuzaki den Strauß weißer Iris, den er immer noch in der Hand hielt. „Es ist… zwar nur der, den du hast fallen lassen…“, begann Light verlegen, verstummte aber, als er den Schwarzhaarigen lächeln sah. „Vielen Dank“, entgegnete Ryuzaki und nahm ihm den Strauß ab. Kurz darauf ertönte ein lautes Zischen, gefolgt von einer Explosion. Das Feuerwerk begann. Light und Ryuzaki stellten sich ans Brückengeländer - Ryuzaki hielt den Strauß in seinen Händen, Light hatte seinen Arm um den Schwarzhaarigen gelegt – und sahen sich gemeinsam das Feuerwerk an… ~ Fortsetzung folgt ~ Kapitel 10: Flucht ------------------ Toda Matsuda litt an diesem Morgen an immensen Kopfschmerzen. Seit seiner bestandenen Prüfung der Polizeischule hatte er nicht mehr soviel getrunken. Klar war das mit seinen 26 Jahren noch ganz normal, bei einem großen Fest viel zu trinken, aber dafür musste er am nächsten Tag wieder arbeiten. Und das war mit üblem Kater gar nicht mal so einfach. Der Chiefinspektor wird sicher sauer sein… Apropos Chiefinspektor. Dieser kam gerade im Eiltempo auf ihn zu gerannt. Er wirkte irgendwie so gehetzt, als wäre der Teufel hinter ihm her. Verwirrt warf Matsuda einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war doch noch genug Zeit, bis zum Arbeitsbeginn, den sie mit Ryuzaki vereinbart hatten. Kein Grund also, so gehetzt zu sein. Überhaupt kam der Chef doch sowieso nie zu spät. Wieso also die Eile? „Äh… guten Morgen, Chef. Was ist denn los?“ „Matsuda! Wir müssen uns beeilen!“, rief ihm Soichiro entgegen und rannte in die Hotellobby. Matsuda versuchte, trotz Kater, Schritt zu halten. „Aber wieso denn?“, keuchte er. „Wir sind doch gar nicht zu spät!“ „Es geht nicht um die Arbeitszeit, Matsuda!“ Soichiro rannte am Fahrstuhl vorbei und zu Matsuda’s Leidwesen ins Treppenhaus. „Es geht um die neuesten Ermittlungsergebnisse! Ich muss Ryuzaki unbedingt davon erzählen!“ Matsuda, der seine Hand in die Hüfte presste, weil sich langsam schmerzhaftes Seitenstechen bemerkbar machte, sah überrascht auf. „Es gibt neue Ergebnisse? Wirklich?!“ Soichiro eilte weiter die Treppen rauf, ohne auf Matsuda’s Frage einzugehen. Nach einigen Minuten waren sie endlich oben angekommen. Dort erwarteten sie Aizawa und Watari – Mogi befand sich in der Polizeistelle, als Ansprechpartner – und alle beide wirkten sehr aufgebracht. „Aizawa, Watari, was ist passiert?“, wunderte sich Soichiro. Matsuda sank erschöpft neben ihn auf den Boden. Aizawa kratzte sich nervös am Kopf, unschlüssig, ob er seinem Chef die Nachricht überbringen sollte. Dann entschied er sich doch dafür und reichte seinem Chef einen Brief. Light hatte ihn geschrieben. Lieber Vater, verzeih, dass ich es dir auf diesen Weg mitteile, aber ich will damit verhindern, dass du mich aufhältst – und das würdest du, das weiß ich. Der Punkt ist, dass ich mich in Ryuzaki verliebt habe – und er liebt mich auch. Da wir aber wissen, dass du und die anderen dagegen sein werden, haben wir beschlossen, an einen Ort zu gehen, an dem wir ungestört zusammen sein können. Versuch bitte nicht, uns zu finden. Alles, was wir wollen, ist glücklich miteinander zu werden. Ich hoffe, du kannst mich eines Tages verstehen… Vergib mir, Vater. Light Soichiro klappte vor Entsetzen die Kinnlade runter. Er konnte kaum fassen, was er da las. Er rang nach Luft, suchte nach den richtigen Worten. „Das glaube ich nicht!! Das dürfen wir nicht zulassen! Wir müssen da sofort etwas unternehmen!“, rief er schließlich. Aizawa näherte sich seinem Chef vorsichtig. „Chef, ich weiß ja, dass Sie ein Problem damit haben, aber ich finde, Sie sollten versuchen, die Gefühle Ihres Sohnes zu akzeptieren. Auch wenn es schwer fällt…“ „Nein, nein, nein“, fuhr ihm Soichiro heftig dazwischen, „darum geht es jetzt wirklich nicht! Ich meine etwas ganz Anderes!“ Matsuda, der endlich wieder zu Atem gekommen war, erhob sich und fragte verblüfft: „Das haben Sie auf dem Weg hierher auch schon gesagt. Was gibt es denn für wichtige neue Erkenntnisse im Fall Kira?“ Soichiro fuhr sich gestresst durch die stark ergrauten Haare, dann setzte er sich erschöpft auf einen Sessel. „Ich… wir müssen die beiden unbedingt finden. Ryuzaki… ist wohlmöglich in Lebensgefahr. Ich… habe eindeutige Beweise, die belegen, dass… mein Sohn Light… Kira ist.“ In der Zwischenzeit durchfuhr der Shinkansen gerade den letzten Bahnhof vor Nagano. Light sah aus dem Fenster und beobachtete die Menschen, die in den Zug einstiegen. Nach ein paar Minuten ertönte das Signal, dass die Türen sich schlossen, und der Zug fuhr weiter. Sie passierten eine wunderschöne Landschaft, mit vielen Hügeln auf der einen Seite, kristallklares Wasser auf der anderen Seite. Light betrachtete diese wunderschöne Aussicht mit gemischten Gefühlen. Einerseits war er in diesem Augenblick wahnsinnig glücklich, andererseits fürchtete er sich vor dem, was noch kommen würde. Eine weitere Person spiegelte sich neben ihm im Fenster. Ryuzaki saß neben ihm und legte ihm besorgt eine Hand auf den Arm. Light erwiderte diese Geste mit einem sanften Lächeln, als Zeichen, dass es ihm gut ginge. Erleichtert schmiegte sich Ryuzaki an Light’s Schulter und genoss es, dass der Jüngere ihm sanft durch die schwarzen Haare strich. Ich weiß, dass unser Glück nicht von Dauer sein wird. Aber jetzt in diesem Moment, ist das egal. Wir werden einfach nur unsere gemeinsame Zeit genießen. Ryuzaki schloss seine Augen und dachte an gestern Abend zurück… Rückblick Das Feuerwerk neigte sich langsam dem Ende. Light und Ryuzaki standen immer noch dicht beieinander auf der Brücke, obwohl man durch den dichten Rauch, der durch die vielen Explosionen entstand, kaum noch etwas sehen konnte. Light, der immer noch einen Arm um Ryuzaki gelegt hatte, spürte, wie dieser zu zittern anfing. „Ist dir kalt? Sollen wir uns irgendwo aufwärmen?“ Der Ältere schüttelte den Kopf. „Nein, schon gut. Ich halte es noch aus. Ich möchte noch nicht zurück. Wir…“ Ein Wassertropfen landete plötzlich auf Ryuzaki’s Nase und unterbrach ihn. Kleine Regentropfen fielen auf die Erde herab, die sich innerhalb weniger Sekunden in einen kräftigen Platzregen verwandelten. Light und Ryuzaki waren klatschnass. „Also… jetzt ist mir doch kalt“, murmelte Ryuzaki und zitterte heftig. Light sah sich um. „Lass uns irgendwo Unterschlupf suchen. Sonst erkälten wir uns noch!“ Er packte Ryuzaki am Arm und rannte mit ihm die Straße hinunter. Nach einigen Metern kamen sie schließlich an einer verlassenen Kirche an und gingen rasch hinein. Drinnen stellten sie fest, dass außer ihnen niemand hier war. „Meinst du, dass es in Ordnung ist, wenn wir hier einfach reinspazieren und hier schlafen?“, warf Ryuzaki ein und sah sich unsicher um. Der Brünette zog den Meisterdetektiv durch die Kirche auf der Suche nach einem Platz, wo sie bleiben konnten. In einem Hinterzimmer wurden sie schließlich fündig. Überrascht, dass sie dort ein fast sauberes Zimmer samt intaktem Kamin vorfanden, traten sie ein. „Dafür, dass hier keiner mehr wohnt, sieht das hier aber noch sehr ordentlich und gut erhalten aus“, stellte Ryuzaki fest, während Light den Kamin anzündete und den Vorhang vor der Balkontür zuzog, der nur wenige Löcher hatte. Dann musterte der Brünette nachdenklich das Bett im Raum. „Es gibt scheinbar nur ein Bett hier. Sieht ganz so aus, als ob wir uns das teilen müssten.“ Ryuzaki zuckte nur mit den Schultern und begann, seinen Yukata auszuziehen. Light zuckte zusammen. „Wa.. Was machst du denn da?“ „Meinen Sachen ausziehen. Die sind doch völlig durchnässt. Das solltest du übrigens auch besser tun. Sonst erkältest du dich noch.“ Light überlegte kurz, dann zog auch er sich aus. Als Ryuzaki das mitbekam, errötete er und sah rasch weg. Was hatte er da bloß heraufbeschworen? Es kam nicht oft vor, dass Ryuzaki eine Entscheidung bereute. Doch jetzt, in diesem Augenblick, wünschte er sich, er wäre dagegen gewesen, dass er und Light sich die nassen Sachen auszogen und im selben Bett schliefen. Eigentlich hatte sich das so harmlos angehört, aber nun, wo sie es in die Tat umgesetzt hatten, fühlte sich diese ganze Situation so unangenehm an. Die Decke schön hochgezogen und eng an den Körper gepresst, mit hochrotem Kopf und lautstark klopfendem Herzen lag Ryuzaki nackt im Bett, das Gesicht der Balkontür zugewandt, und betete, dass der ebenso nackte Light nicht auf irgendwelche Ideen kommen möge. Doch seine Gebete wurden nicht erhört. Plötzlich spürte er eine Bewegung neben sich und Light’s Stimme drang an sein Ohr. „Ryuzaki?“ Der Angesprochene zuckte zusammen, errötete noch mehr und stammelte: „J... Ja?“ „Mir ist kalt. Darf ein bisschen zu dir rüberrutschen?“ Ryuzaki schluckte schwer. „W… Wärmt dich… die Decke denn nicht…?“ „Nicht wirklich... Ist das so eine Qual für dich?“ Light klang sehr geknickt, daher wollte Ryuzaki nicht so sein. „Nein, so ist das nicht…“ Ein leises Kichern drang an sein Ohr. „Ich versteh schon. Pass auf…“ Light schnappte sich sein Kissen. „Das legen wir hier einfach zwischen uns, dann spürst du nichts. Einverstanden?“ Ryuzaki konnte kaum antworten, da legte sich der Brünette direkt hinter ihn, sodass der Schwarzhaarige dessen Wärme spüren konnte. Er schluckte schwer, sein Kopf wurde noch röter – falls das noch möglich war – und er presste nervös die Decke gegen seine Brust. Gut, das Kissen half wirklich und verhinderte, dass Ryuzaki wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett sprang, trotzdem war es immer noch zu nah. Dabei hatte Ryuzaki durchaus schon sexuelle Erfahrungen mit Anderen gemacht. Nun musste er allerdings feststellen, dass es etwas völlig anderes war, wenn man Jemandem so nahe war, den man liebte. Es verstrich einige Zeit, in der es Ryuzaki vor lauter Nervosität nicht gelang, einzuschlafen – nicht, dass er das vorgehabt hätte. Dafür schien Light eingeschlafen zu sein. Zwar konnte Ryuzaki es nicht sehen, weil er sich nicht traute, sich umzudrehen, trotzdem war er sich sicher. Zunächst war er erleichtert, glaubte er doch, dass Light wenigstens keinen Unsinn anstellte. Dann allerdings legte der Brünette seinen Arm um ihn und schmiegte sich eng an seinen Rücken. Ryuzaki starb tausend Tode. Er konnte nichts weiter tun, als die Augen fest zusammen zu pressen und zu hoffen, dass die Nacht schnell vorbei sein würde. Ein Kitzeln in der Nase, gefolgt von einem Nieser war es, dass Ryuzaki dann aus dem Schlaf holte. Schläfrig rieb er sich die Nase mit dem Zeigefinger und sah sich kurz im Raum um, zwecks der Orientierung. Als ihm wieder einfiel, wo er war, ließ er sich rücklings ins Kissen zurückfallen und starrte die Decke an. Er überlegte. Wie lange war es her, dass er eine ganze Nacht durchgeschlafen hatte? Bestimmt einige Jahre. Zumindest seit er seine Tätigkeit als L aufgenommen hatte. Seit er sich mit den ganzen Kriminellen und deren Opfern auseinandersetzte, viel es ihm schwer, nachts Ruhe zu finden. Der Schmerz der Opfer und die Gräueltaten der Verbrecher schienen ihn sogar im Schlaf zu verfolgen und nicht mehr loszulassen. Darum miet er den Schlaf sooft er konnte. Und wenn er schlief, dann nur solange es nötig war. Aber in dieser Nacht hatte er endlich mal wieder einen friedlichen, geruhsamen Schlaf hinter sich. Das konnte eigentlich nur an Light gelegen haben. Seine Umarmung verscheuchte die Schrecken in seinem Kopf. Apropos Light. Wo war er überhaupt? Ryuzaki wandte den Kopf neben sich, da lag aber kein Light. Dann wandte er den Kopf auf die andere Seite und stellte fest, dass die Balkontür ein Spalt breit offen war. Er musste wohl nach draußen gegangen sein. Also hievte sich der Meisterdetektiv wieder hoch, schnappte sich seinen inzwischen wieder trockenen Yukata, zog ihn sich schnell an und trat hinaus auf den Balkon. Einen Blick in Innenhof werfend, der leicht vom Nebel verhüllt wurde, erspähte Ryuzaki den Brünetten dann. Er kniete vor einem Blumenbeet und betrachtete wohlwollend die weißen Schwertlilien, die dort zahlreich blühten. Ryuzaki beobachtete ihn eine Weile, dann rief er ihm schließlich zu: „Guten Morgen, Light!“ Light drehte sich zu ihm um und schenkte ihm ein sanftes Lächeln. „Es ist ein wunderschöner Morgen, nicht wahr? Jetzt, wo es aufgehört hat, zu regnen…“ Ryuzaki erwiderte sein Lächeln, doch wirkte es irgendwie betrübt. So viele Dinge gingen ihm durch den Kopf. Fragen, auf die er gerne eine Antwort hätte, aber einfach keine fand. Vielleicht wusste Light sie ja? „Light? Warum sind wir uns begegnet?“ Light, der sich gerade wieder den Blumen zugewandt hatte, riss überrascht die Augen auf und drehte sich wieder um. „Was meinst du?“ Der Schwarzhaarige wich seinem Blick aus, fixierte stattdessen einen Punkt am Geländer, während er seinen Sorgen endlich Luft machte. „Ich wüsste gerne, warum wir uns begegnet sind. Warum ich mich gerade in dich verliebt habe, obwohl du doch der Hauptverdächtige in diesem Fall bist. Warum nur? Ich verstehe so vieles, was in den letzten Monaten passiert ist, nicht…“ Light spürte einen leichten Stich in seinem Herzen, aber der kam nicht nur daher, weil Ryuzaki ihn immer noch als »Hauptverdächtigen« bezeichnete. Nein, etwas ganz anderes schmerzte ihn noch mehr. „Bereust du… deine Gefühle für mich?“, fragte er vorsichtig. „Nein! Nein, das ist es nicht“, antwortete Ryuzaki hastig, ohne Light anzusehen. „Ich fühlte mich nur so unsicher, so verletzlich, so schwach, jedesmal wenn du nicht bei mir warst. Und… das kenne ich so gar nicht. Es ist alles so eigenartig. Obwohl wir uns doch so nah sind, kommt es mir vor, als würde eine riesige, unüberwindbare Mauer zwischen uns stehen…“ Light betrachtete den Älteren eine Weile, dann trat er entschlossen unter den Balkon und sagte mit fester Stimme: „Mir ist keine Mauer zu hoch! Für dich überwinde ich jedes Hindernis! Ryuzaki, du bist mein Leben! Wenn du bei mir bist, fürchte ich gar nichts mehr! Mir ist völlig egal, für wen man mich hält. Der Vorzeigesohn, der Musterschüler oder Kira. Ich bin DEIN Light. Etwas Anderes will ich nicht sein.“ Ryuzaki lächelte, diesmal aus tiefstem Herzen. Ob es nun Light’s Ausdruck in den Augen war oder die Tatsache, dass soviel Wahrheit in seinen Worten lag, konnte er nicht genau sagen. Aber irgendetwas in diesem Moment ließ Ryuzaki ihm endlich glauben schenken. „Ryuzaki, lass uns von hier verschwinden!“, schlug Light ernst vor. „Irgendwohin, wo wir zusammen leben können. Wo uns niemand kennt. Was sagst du?“ Der Schwarzhaarige brauchte gar nicht zu überlegen. „Ja. Lass uns gehen.“ Rückblick Ende Eine Durchsage holte Ryuzaki in die Gegenwart zurück. „Sehr geehrte Reisende. Wir erreichen in wenigen Minuten den Hauptbahnhof von Nagano auf Gleis 4. Dort haben sie Anschluss an den Shinkansen nach Tokio und Takasaki. Allen Aussteigenden wünschen wir noch einen schönen Tag.“ Light und Ryuzaki tauschten kurze Blicke miteinander aus, dann nickten sie zustimmend und standen auf. Hier in Nagano wollten sie heute bleiben. Am Bahnhof erkundigte sich Light nach einem guten Hotel in der Nähe. Tatsächlich wurde er auch fündig: das Kurohime-Hotel war günstig und dennoch gut. Als er Ryuzaki schnappen und ins Hotel verschwinden sollte, stellte er erschrocken fest, dass dieser verschwunden war. Hektisch suchte Light den Hauptbahnhof nach seinem Liebsten ab und war erleichtert, als er ihn schließlich im Touristenzentrum fand. Er schmökerte in einer Broschüre mit allen Sehenswürdigkeiten der Präfektur Nagano. Light lächelte. Für Ryuzaki war es heute wohl das erste Mal, dass er in eine Gegend kam und Zeit hatte, sich mit dessen Sehenswürdigkeiten zu beschäftigen. Nun gut, wenn er sich gerne etwas ansehen wollte, dann sollte er ruhig eine kleine Sightseeing-Tour bekommen. Light spähte ihm über die Schulter. „Und? Etwas gefunden?“ „Ja, hier zum Beispiel! Nagano ist berühmt für seinen Zenko-Ji Tempel. Den würde ich mir gern mal anschauen.“ „Ah ja, der Zenko-Ji. Gut, dann lass uns erstmal das Hotelzimmer buchen und dann ziehen wir los. Okay?“ Ryuzaki nickte und hakte sich bei dem Brünetten ein. Nachdem sie im Kurohime-Hotel eingecheckt hatten, machten sich die beiden Frischverliebten auf den Weg zum Tempel. Einige Meter vorher kündete ein Schild an, dass heute der Hibutsu betrachtet werden konnte. Ryuzaki war hocherfreut. Der Hibutsu war ein verstecktes Buddha-Idol, das den Buddha Amida darstellen sollte, der in diesem Tempel verehrt wurde. Dieser Hibutsu wurde nur alle 6 bis 7 Jahre der Öffentlichkeit präsentiert. Ihn sehen zu können, war also quasi eine seltene Ehre. Erwartungsvoll betraten die Beiden die Haupthalle. Dort erstreckte sich ein enger, stockdunkler Gang. Light fasste Ryuzaki’s Hand, weil ihn diese vollkommene Dunkelheit etwas unangenehm war. Ryuzaki gluckste leise, führte den Brünetten aber durch den Gang. Nach einigen Schritten erkannten sie schließlich einen Schlüssel, der von der Decke herabhing. Es hieß, wenn man diesen berührte, erlangte man die Erleuchtung. Light und Ryuzaki streckten gleichzeitig ihre Hände danach aus und berührten nicht nur den Schlüssel, sondern auch einander. Sie lächelten sich sanft an, dann küssten sie sich. Hand in Hand schlenderten sie dann durch das große Tor, um sich den Rest des Tempels anzuschauen. Nach einigen Stunden kamen Light und Ryuzaki schließlich aus der Burg geschlendert. Light sah auf seine Uhr. „Es ist jetzt halb zwei. Gehen wir was essen?“ „Gute Idee“, antwortete Ryuzaki, der seine Nase wieder in die Broschüre gesteckt hatte. „Und dann sollten wir unbedingt nach Shinano fahren.“ „Shinano? Was willst du denn da?“ „Ins Kurohime-Märchenhaus. Dort sammeln sie die Märchen aus aller Welt.“ Light lachte leise. „Das ist wohl ein kleines Zugeständnis an das Kind in dir, hm?“ Ryuzaki sah auf. „Ich hab als kleines Kind so gerne Märchen gehört. Meine Mutter hatte mir jeden Abend eines vorgelesen. Und zwar nicht nur Märchen aus unserem Land, sondern aus allen Ländern der Welt. Das hier wäre eine schöne Erinnerung an meine Kindheit.“ Light lächelte. Er musste den Schwarzhaarigen einfach auf die Wange küssen. „Dann sollten wir keine Zeit verlieren.“ Fröhlich machten sie sich auf den Weg. Ganz in Gedanken versunken bemerkte keiner von ihnen die bösen Blicke, die die Person hinter der Säule ihnen zuwarf. Ryuzaki biss ein großes Stück von seinem Crepe ab. Dieser Tag war großartig! Überhaupt war jeder Tag großartig, den er mit Light verbrachte. Nachdem sie den Nachmittag im Märchenhaus in Shinano verbracht hatten, besuchten sie nun die Kirmes, die nun in Nagano halt machte. „Amüsierst du dich?“, fragte Light und zupfte ein Stück von seiner Zuckerwatte ab. „Ja, das tue ich. Und das verdanke ich nur dir.“ Ryuzaki schnappte sich Light’s Hand und lächelte ihn an. Light fand das schön, Hand in Hand über die Kirmes zu schlendern. Früher wäre ihm das peinlich gewesen. Aber mit Ryuzaki kam ihm das alles absolut normal vor. Normal und schön. Außerdem freute es ihn zu sehen, wie Ryuzaki am heutigen Tag wieder aufblühte. Er wirkte wieder wie ein kleiner Junge. Das erinnerte ihn an den Tag, als sie sich kennen lernten. Als sich Light in ihn verliebte. Dessen war er sich nun sicher. Bei diesem Gedanken musste Light schmunzeln. Es klang wie ein Märchen: Zwei Menschen, die sich kennen lernen und sich innerhalb eines Tages ineinander verlieben. Ryuzaki zupfte an Light’s Arm. „Sieh mal, Light! Lass uns Karussell fahren!“ Light wirkte skeptisch. „Wirklich? Findest du nicht, dass wir zu alt für Karussells sind?“ „Nein, finde ich nicht.“ Ryuzaki musterte Light verwirrt. „Wie kann man denn zu alt sein, um sich zu amüsieren?“ Light spielte kurz mit dem Gedanken, dem Schwarzhaarigen zu erklären, dass es ziemlich albern wirkte, in ihrem Alter auf kleinen Karussellpferdchen zu sitzen, aber er nahm zurecht an, dass der Ältere diese Erklärung nicht durchgehen lassen würde. Also fügte er sich in sein Schicksal. Letztendlich war es toll. Und das lag natürlich wieder nur an Ryuzaki. Dieser saß freudig auf einem Pferd und strahlte mit den Lichtern um die Wette. Light beobachtete ihn fasziniert. „Was ist?“, fragte Ryuzaki. „Du bist wunderschön, wenn du lächelst.“ Jetzt errötete der Schwarzhaarige und wandte sich verlegen lächelnd von dem Jüngeren ab. „Dann sollte ich dich immer in meiner Nähe haben. Ich muss in deiner Gegenwart immer lächeln…“ Einige Stunden später machten sich die beiden Verliebten auf den Weg ins Hotel. „So oft, wie in den letzten Monaten, war ich in den letzten Jahren nicht auf einer Kirmes“, bemerkte Light schläfrig. Ryuzaki horchte auf. „Wie? Du warst noch nie auf der Kirmes?“ „Naja… Nur einmal. Und das war nicht gerade… schön.“ Light sah betreten zu Boden. „Ich… war 5. Wir sind zum ersten Mal als ganze Familie in einen Vergnügungspark gegangen. Ich hatte mich wochenlang darauf gefreut. Wir waren gerade mal eine halbe Stunde da, da bekam meine Schwester plötzlich starke Bauchschmerzen. Meine Eltern wollten sie sofort nach Hause bringen. Das war natürlich blöd für mich, aber ich hab mich gefügt. Auf den Weg zum Auto kamen wir an einem Clown vorbei, der Luftballons an die Kinder verteilt hatte. Ich wollte unbedingt einen haben. Ich hatte meinen Eltern noch zugerufen, dass sie auf mich warten sollen. Ich hatte den Clown nicht mal erreicht, da merkte ich, dass meine Eltern plötzlich weg waren. Ich hatte sie überall gesucht, aber sie waren einfach verschwunden. Ein Mann vom Sicherheitsdienst ist dann auf mich aufmerksam geworden und hat meine Eltern zuhause angerufen. Sie hatten bis zu diesem Zeitpunkt nicht mal bemerkt, dass sie mich vergessen hatten… Vater holte mich aus dem Büro des Mannes ab. Wir haben nie wieder ein Wort darüber verloren…“ Light seufzte tief, dann wandte er sich an Ryuzaki – und stellte fest, dass dieser nicht da war! Erschrocken sah er sich um, doch weit und breit war kein Ryuzaki zu sehen. Light schluckte. Plötzlich fühlte er sich wieder wie damals. Aber diesmal würde er nicht bleiben und warten. Gekränkt machte er sich allein auf den Weg zum Hotel. Light drehte nervös seine Armbanduhr an seinem Arm. Ryuzaki war immer noch nicht zurück. Das überraschte den Brünetten sehr. Er war eigentlich davon ausgegangen, dass der Ältere bereits vorgegangen war. Wo konnte er denn nur hingegangen sein? Hätte er ihn suchen sollen? Vielleicht war ihm etwas zugestoßen! Light hielt es nicht mehr aus. Entschieden sprang er vom Bett auf und wollte sich auf die Suche machen, da klopfte es an der Zimmertür. Sofort öffnete der Brünette die Tür und war sehr erleichtert, als Ryuzaki vor ihm stand. Dieser lächelte geheimnisvoll. „Wo warst du denn?!“, schimpfte Light. Ryuzaki lächelte ihn fröhlich an, dann holte er etwas hinter seinem Rücken hervor: jede menge Luftballons! „Ich hab lange suchen müssen, aber dann hab ich noch jemanden gefunden, der noch Luftballons hatte“, erklärte Ryuzaki. „Die sind alle für dich… damit du nur noch positive Erinnerungen an die Kirmes hast!“ Light war sprachlos. Er betrachtete die vielen, bunten Ballons und spürte eine wohlige, unglaublich schöne Wärme, die sich im ganzen Körper ausbreitete. Dann packte er Ryuzaki und zog ihn einfach in seine Arme… Am nächsten Tag frühstückten die beiden Jungs im Speisesaal des Hotels. Light goss sich einen Kaffee ein. „Hast du dir schon überlegt, wo wir als Nächstes hinfahren? Wir haben gestern ja keinen Flug oder so buchen können.“ „Das stört mich nicht. Weißt du, ich wollte mir noch einiges an Sehenswürdigkeiten angucken, wo wir schon mal hier sind. Ich dachte, wir fliegen dann einfach übermorgen weiter. Ist das okay?“ Light überlegte. Eigentlich sollten sie so schnell wie möglich weiter. Es dürfte für seinen Vater und die Anderen kein Problem sein, sie hier in der Chubu-Region ausfindig zu machen, wenn sie das nicht schon längst getan hatten. Und wenn sie sie fanden, würden sie sie mit Sicherheit voneinander trennen. Das dürfte auf keinen Fall passieren! Aber… Ryuzaki hatte den Großteil seines Lebens in Isolation verbracht und wahrscheinlich kaum etwas von der Welt gesehen. Das hier war vielleicht die einzige Chance für ihn, das nachzuholen. Und Light wollte seinem Liebsten diesen Wunsch nicht verwehren. „Klar ist das okay. Aber wir müssen vorsichtig sein, damit sie uns nicht finden. Ich will auf keinen Fall wieder von dir getrennt werden…“ „Ich auch nicht.“ „Gut, dann iss auf und dann geht’s los zur nächsten Sideseeing-Tour!“ Nach dem Frühstück reisten die beiden Jungs nach Matsumoto. Diese Region war berühmt für die Burg Matsumoto, eine der schönsten Burgen in Japan. Da sie eine der wenigen, noch original erhaltenen Burgen zählt sie heute zu Japans Nationalschätzen. Sie wird auch „Krähenburg“ genannt, wegen ihrer schwarzen Farbe und den „ausgebreiteten Flügeln“. Die Burg war für Touristen ein beliebtes Ziel, zumal sie von Tokio aus sehr leicht zu erreichen war. Ryuzaki fand allerdings, dass der Hype, den alle um die Burg machten, unberechtigt war. Enttäuscht beendete er frühzeitig die Tour. Um ihn Milde zu stimmen, schlug Light vor, noch das Ukiyo-e-Museum zu besuchen. Da es in Matsumoto ansonsten nichts Interessantes gab, bestand Ryuzaki darauf, nach Suwa weiterzufahren. In der Nähe des Suwa-Sees aßen sie verspätet Mittag. Besorgt betrachtete Light den Schwarzhaarigen. „Du bist heute so ungehalten.“ „Kein Wunder. Ich hab mir mehr von dem Vormittag erhofft. Stattdessen habe ich mich tödlich gelangweilt“, erwiderte Ryuzaki missmutig, schob sich ein Stück Schokoladenkuchen in den Mund und warf einen Blick hinaus auf den See. „Der See ist wunderschön…“ Light kam eine Idee. „Was hältst du von einer Bootsfahrt? Wir mieten uns ein Ruderboot und paddeln rüber zum Suwa-Taisha.“ „Zum Suwa-Taisha? Aber Light, das ist verdammt weit!“ „Und? Wir haben heute doch sonst nichts vor, oder? Außerdem werde ich paddeln.“ Ryuzaki legte die Gabel ab und musterte ihn kritisch. „Du bezweckst damit doch irgendwas.“ Light grinste. „Ja, aber ich sag dir nicht, was.“ Ryuzaki zog eine Schnute und versuchte, das Geheimnis aus Light herauszubekommen, doch dieser blieb verschwiegen. Schließlich ruderten sie im Boot über den Suwa-See zum Schrein. Auch während der Fahrt äußerte sich Light nicht zu seinem Vorhaben. Ryuzaki wurde langsam ungehalten. Er mochte keine Geheimnisse und Überraschungen, obgleich beides von seiner Seite stets zu erwarten war. Als sie dann am Steg ankamen, legte Light die Ruder beiseite, stieg zuerst aus dem Boot und reichte Ryuzaki die Hand, um ihm rauszuhelfen. Ryuzaki sah ihn verwirrt an, dann ließ er sich helfen. Beim Aussteigen stolperte er allerdings über einen unsauber eingehämmerten Nagel und fiel in Light’s Arme. „’Tschuldigung“, nuschelte Ryuzaki und sah auf – angesichts von Light’s sanftem Lächeln stockte ihm der Atem. Seine Verärgerung über diese ganze Geheimniskrämerei wich nun Aufregung. Was hatte Light nur vor? Die beiden Liebenden betraten dann den Schrein. Während Light einem Priester lauschte, der etwas erzählte, stand Ryuzaki etwas weiter abseits und beobachtete ihn. Dabei hörte er zufällig ein Gespräch von zwei Frauen mit. „Was für ein schöner See.“ „Ja. Kennst du die Legende vom See?“ „Nein. Erzähl mal!“ „Also, der Erbe des Schreins, Take-mi-nakata soll in einem Ruderboot den See überquert haben, um seine zukünftige Frau Yasakatome zu treffen. Es heißt, wenn zwei Liebende in einem Ruderboot den See überqueren, dann wird ihre Liebe ewig währen.“ „Wie schön~.“ Das war es also! Was für eine süße Idee von Light. Dieser wandte sich ihm gerade zu und rief: „Hey, Ryuzaki! Kommst du?!“ Der Schwarzhaarige nickte nur. Mit geröteten Wangen und klopfendem Herzen tapste Ryuzaki hinter Light her. Im Hotel angekommen, hatte sich Ryuzaki immer noch nicht wieder gefangen. Light war schon ganz beunruhigt, weil der Detektiv so schweigsam war. „Ryuzaki, geht es dir gut? Du bist so still…“ Light verstummte schnell, als Ryuzaki ganz plötzlich die Arme um ihn legte und sich an seinen Rücken schmiegte. „Ich… möchte dir ganz nahe sein… Näher als sonst.“ Der Brünette schluckte schwer, wusste er doch, was damit gemeint war. Und er wollte es auch. Sanft drückte er Ryuzaki’s Hände, da dieser leicht zu zittern anfing. „Ich hab Angst“, murmelte Ryuzaki, „und mir kommen fast die Tränen… aber warum… bin ich dann so glücklich?“ „Lassen wir es langsam angehen. Wir haben alle Zeit der Welt“, erwiderte Light ruhig, drehte sich um und küsste den Älteren sanft. Er konnte ja nicht ahnen, dass ihre gemeinsame Welt nicht lange bestand haben würde… „Habt ihr sie schon gefunden?“ Soichiro platzte in den Raum hinein. Er hatte viel zu schnell sein Abendessen zu sich genommen, sodass jetzt sein Magen leicht durchdrehte, aber das kümmerte ihn im Moment nicht wirklich. Ihn interessierte nur der Aufenthaltsort der beiden Jungs. Doch wieder wurden seinen Hoffnungen zunichte gemacht. Aizawa schüttelte betrübt den Kopf. „Wir können sie einfach nicht finden. Ihre Spur führte bis nach Nagano, dann waren sie verschwunden. Hätten sie doch bloß ihre Handys nicht hier gelassen, dann könnten wir sie orten! Hach… aber so leicht wollen sie es uns nicht machen.“ Soichiro setzte sich auf einen Stuhl und tippte wieder auf der Tastatur rum. Dabei spornte er seine Leute weiter an: „Sucht weiter nach ihnen! Wir müssen sie finden, bevor es zu spät ist!“ Dann fügte er noch leise hinzu: „Ich hoffe nur, dass dir nichts zugestoßen ist… Ryuzaki.“ „Ich war 7 Jahre alt, als meine Eltern gestorben sind. Das war das… erste und letzte Mal, dass ich geweint habe. Stunden… manchmal auch tagelang. Meine Eltern waren sehr vermögend, daher stand ich nicht auf der Straße. Unsere Hausangestellten haben sich um mich gekümmert und versucht, mir den Verlust zu erträglich wie möglich zu machen. Ein Jahr später… löste ich einen Fall, der mit Bombenlegern zu tun hatte, und lernte dabei Watari kennen. Er war von meinem Intellekt fasziniert, wie er mir sagte. Er wollte unbedingt, dass ich mit ihm komme. Er hatte ein Waisenhaus für Hochbegabte errichtet, in dem ich auch leben sollte. Er entließ die Angestellten meiner Eltern und nahm mich mit nach England. Dort lebte ich dann fünf Jahre, bis Watari entschied, dass ich »reif« bin. Du musst wissen, Watari hat die Klügsten der Waisenkinder mit einem Buchstaben versehen. Das ist sozusagen so was wie eine Auszeichnung. In jeder Generation kann ein Buchstabe nur einmal vergeben werden. Ich… war das L. Die »Absolventen« agieren dann weltweit im geheimen. Ich aber wollte ein Stück weit in die Öffentlichkeit treten. Ich wollte den Menschen Gerechtigkeit verschaffen und Verbrecher bestrafen. Und so… wurde der Meisterdetektiv L geboren. Zwölf Jahre ist das jetzt her… und obwohl die Menschen bezüglich meines Charakters immer schlecht von mir sprachen, habe ich diesen Schritt nie bereut… Aber jetzt… jetzt würde ich darauf verzichten… um mit dir zusammen zu sein.“ Ryuzaki drehte den Kopf auf dem Kissen zur Seite und sah Light neben sich in die Augen. Es war das erste Mal, dass er irgendjemanden von seiner Vergangenheit erzählte. Light lächelte dankbar und strich dem Älteren sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Du musst nicht darauf verzichten. Ich wäre auch bereit, mit dir zu gehen.“ „Aber… Dann musst du wie ich in der Isolation leben. Willst du das wirklich?“ „Hey, du willst ja auch für mich dein bisheriges Leben aufgeben.“ „Und… dein Vater?“ Light seufzte und starrte an die Decke. „Mein Vater… … … Ich denke, ich habe lange genug getan, was mein Vater wollte.“ „Wie meinst du das?“ „Ich hab dir doch die Geschichte im Vergnügungspark erzählt. Diese ganze Sache bedrückte mich noch Jahre lang. Seit der Geburt meiner kleinen Schwester waren meine Eltern nur noch auf sie fixiert, weil sie früher als andere Kinder laufen und sprechen konnte. Ich war zwar sehr intelligent, aber irgendwie fehlte mir die Motivation, meinen Verstand zu gebrauchen. Aber nach der Sache im Vergnügungspark… fühlte ich mich schlecht… und auch ungeliebt. Ich wollte unbedingt, dass meine Eltern stolz auf mich sind. Als ich dann in die Schule kam, habe ich immer viel gelernt und die besten Noten nach Hause geholt. Meine Mutter war sehr stolz auf mich, aber mein Vater… Er fragte mich eines Tages, warum ich denn soviel lerne. Als ich ihm sagte, dass ich auch mal Polizist werden möchte wie er, erst da habe ich gespürt, dass er stolz auf mich war. Ja, wenn ich so genau darüber nachdenke, war es eigentlich nie wirklich mein Wunsch, Polizist zu werden. Alles, was ich in meinem Leben getan habe, diente nur dazu, die Liebe meines Vaters für mich zu gewinnen. Ich glaube, dass war auch der Grund, warum ich mit Romy zusammenkam und meine Zukunft mit ihr plante. Aber jetzt… jetzt ist Schluss damit! Jetzt zählst nur noch du. Als mir klar wurde, dass ich dich liebe, wurde mir auch bewusst, was für eine Lüge ich die ganze Zeit gelebt hatte.“ Light wandte sich wieder Ryuzaki zu. „Danke… dass du mich aus diesem Albtraum befreit hast.“ Ryuzaki lächelte und gab ihm einen Kuss. „Dasselbe gilt auch für dich.“ Glücklich schmiegte sich der Schwarzhaarige an seinen jüngeren Liebsten. Dieser wurde plötzlich verlegen. „Ähm… Ryuzaki? Könnten wir… noch mal?“ Ryuzaki kicherte. „Natürlich. Sooft du willst!“ „Sieh dir die vielen Bäume an, Light! Im Frühling, wenn die Bäume voll von Kirschblüten sind, muss es wunderschön hier sein. Lass uns im Frühling auf jeden Fall noch mal herkommen!“ Ryuzaki lief aufgeregt über die Brücke, die zur Burg Takato führte, der schönsten Sehenswürdigkeit in Ina. Die Stadt Ina war ihre letzte Station, bevor sie dann morgen mit dem Flugzeug nach Los Angeles fliegen wollten. Light folgte dem Meisterdetektiv über die Brücke und lächelte. Ihre Beziehung hatte sich durch die gestrigen Gespräche noch vertieft und Ryuzaki schien dadurch endgültig aufzublühen. „Scheint so, als würdest du ihm gut tun, Kleiner“, ertönte eine Stimme hinter ihm. Light hatte sie schon lange nicht mehr gehört, obwohl er sich stets bewusst war, dass er die ganze Zeit in seiner Nähe war. „Er tut mir genauso gut, wie ich ihm, Ryuk“, antwortete Light leise. Ryuk flog hinter Light her. In den letzten Tagen hatte er die Geschehnisse stumm verfolgt. Zunächst war er über die Entwicklung nicht wirklich glücklich, fand er diesen ganzen Liebeskram doch fad und langweilig. Doch als Light beschlossen hatte, mit Ryuzaki zu fliehen, wurde es doch ein wenig interessant. Vor allem eins beschäftigte ihn seitdem permanent. „Light? Wenn er dir so gut tut, wie du sagst, wirst du ihm dann sagen, dass du Kira bist?“ Light blieb ruckartig stehen, sodass Ryuk fast gegen ihn geprallt wäre. Er landete, zog seine Flügel ein und trat näher. „Oder willst du ihn weiterhin belügen? Er ist zwar in dich verliebt, aber ob er das immer noch ist, wenn er erfährt, dass du ein Massenmörder bist? Oder glaubst du, seine Liebe ist so stark, dass er Verständnis für dich haben wird?“ Light überlegte. „Ich weiß, dass ich es ihm sagen muss. Aber ich habe Angst. Dass er mich versteht oder mir verzeiht, bezweifle ich. Ich befürchte, dass er mich verlassen wird.“ „Und was gedenkst du, dagegen zu tun?“ „Naja… vielleicht muss ich es ihm ja nicht sagen… wenn Kira einfach wieder verschwindet.“ „Häh?“ „Ich spiele mit dem Gedanken, dir das Death Note wieder zurückzugeben.“ „Das ist sehr lobenswert, Light Yagami. Für die Liebe auf das Death Note zu verzichten.“ Überrascht drehte Light sich um. Rem stand hinter ihm. „Rem?! Wo kommst du denn her?“ „Ich bin hier, um dich zu warnen, Light Yagami.“ Light hob eine Augenbraue. „Wieso? Womit willst du mir denn nun schon wieder drohen?“ Doch Rem schüttelte nur den Kopf. „Es geht nicht um mich. Glaub mir, mein Zorn gegen dich hat sich in dem Moment gelegt, als mir klar wurde, dass du diesen Ryuzaki aufrichtig liebst. Da wurde mir klar, dass du ein gutes Herz hast. Bedauerlicherweise gibt es da jemanden, der das nicht so sieht, wie ich.“ Light wurde kreidebleich. „Misa…“ Rem nickte. „Ich hab sie noch nie so wütend gesehen…“ Rückblick Es war am Tag des Festes. Du hattest Misa versprochen, mit ihr das Feuerwerk anzuschauen. Als du dann kurz vor Beginn immer noch nicht aufgetaucht bist, ging sie los, um dich zu suchen… und sah dich mit dem Jungen auf der Brücke stehen, wir ihr euch umarmt und euch geküsst habt. Mich hat es nicht gestört, aber Misa… Rem beugte sich vorsichtig zu Misa hinunter. „Misa… nimm es nicht so schwer. Natürlich ist das hart für dich. Aber wenn man jemanden wirklich liebt, sollte dessen Glück an oberster Stelle stehen. Und egal was passiert, er wird dir immer ein Freund sein.“ „SEI ENDLICH STILL!!!!“, schrie Misa. Ihre Augen funkelten vor Zorn. „Diese albernen, abgedroschenen Sprüche kannst du dir schenken! Light soll nicht »ein« Freund sein, sondern »mein« Freund, klar?! Dieser komische Typ da wird es noch bereuen, dass er mir meinen Light stehlen will!“ Entschlossen stakste sie wieder zurück zum Marktplatz. Dort empfingen sie Sayu und Sachiko, die beide sehr besorgt drein sahen. „Wo ist denn Light auf einmal?“, fragte Sayu. „Er hat einen Freund getroffen. Sie unterhalten sich gerade. Frau Yagami, könnten Sie mir einen Gefallen tun? Ich muss jetzt nach Hause, weil ich morgen früh raus muss. Ich brauche aber noch ein Notizheft, das habe ich dummerweise bei Light im Zimmer vergessen. Dürfte ich mir das schnell holen?“ „Äh… aber sicher. Kein Problem.“ Einige Zeit später war Misa zuhause. Sie saß an ihrem Schreibtisch, vor sich das aufgeschlagene Death Note, ein Stift in der Hand – eigentlich hinderte sie nichts daran, den komischen Kerl, der ihr ihren geliebten Light stehlen wollte, zu töten. Wieder erkannt hatte sie ihn. Es war der Typ, den sie damals bei Light’s Immatrikulationsfeier gesehen hatte und der ihr einen falschen Namen genannt hatte. Sie hatte damals seinen richtigen Namen gelesen – es wäre also kein Problem, diesen Namen aufzuschreiben und so den verhassten Nebenbuhler auszulöschen. Leider gab es ein Problem… Misa knallte wütend ihren Stift auf den Tisch und grub ihre Finger in ihre blonden Haare. „Ahhhhrrrggghhhh!!!!! Ich kann mich nicht an diesen blöden Namen erinnern!!“, fluchte sie. „Ich hab täglich hunderte… nein, tausende von Namen gesehen. Da ist seiner einfach untergegangen… Was mache ich denn jetzt bloß?“ „Sieh es doch einfach als Zeichen, dass du es besser lassen solltest“, schlug Rem vorsichtig vor. Seit Stunden sah sie zu, wie die Blondine ihre grauen Zellen bemühte und sich dabei gründlich überforderte. Misa verdrehte die Augen und stöhnte genervt auf. „Rem, wenn deine Ratschläge nicht dafür gedacht sind, meinen Plan in die Tat umzusetzen, dann verkneif sie dir gefälligst!“ Wütend schlug sie das Heft zu und drehte sich mit ihrem Schreibtischstuhl zu Rem um, dann verschränkte sie die Arme vor der Brust und zog einen Schmollmund, wie ein trotziges Kind. Rem seufzte. Eine Weile sagte keine von beiden etwas, dann klatschte Misa aufgeregt in die Hände. „Ich hab’s! Ich schaue mir einfach noch mal sein Gesicht an! Dann kann ich seinen Namen noch mal lesen und ihn dann aufschreiben! Ja, so wird’s gemacht!“ Voller Elan sprang Misa vom Stuhl auf, schnappte sich ihr Death Note und ihre Tasche und lief zur Tür hinaus. Rem folgte ihr. „Wo willst du denn hin? Du weißt doch gar nicht, wo sich dieser Junge aufhält!“ „Ach, ich bin sicher, dass er bei Light zuhause ist. Und wenn nicht, wird seine Mutter oder Sayu wissen, wo ich die beiden finde. Sie werden ganz sicher zusammen unterwegs sein!“ Rem musterte Misa aufmerksam. Obwohl sie im Begriff war, jemanden zu töten, schien sie voller Elan und Vorfreude. Rem konnte darüber nur den Kopf schütteln. Es war bereits früher Morgen, als sie an der Tür der Familie Yagami klingelte. Im Haus waren nach dem Klingeln ein lautes Poltern und schnelle Schritte, die sich der Tür näherten, zu hören. Die Tür wurde regelrecht aufgerissen. Eine völlig aufgelöste Sachiko sah Misa aufgeregt an. Als sie das Mädchen erkannte, starb die Hoffnung in ihren Augen und sie beruhigte sich wieder. „Frau Yagami, was ist denn los?“, fragte Misa überrascht. „Light… ist verschwunden. Heute Morgen lag ein Zettel auf seinem Bett, auf dem stand, dass er einen Mann lieben und mit ihm durchbrennen würde… Ich kann es immer noch nicht fassen, dass er mir so was antut…“ Misa hörte nicht mehr weiter zu. Ihre Augen wurden ganz glasig und sie schienen durch die Frau vor ihr hindurch zu sehen. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und ging einfach. „Misa?“ Rem beugte sich zu der Blondine hinunter. Diese gab ihm aber keine Antwort. „Misa, was machen wir hier?“ Wieder keine Antwort. Die junge Frau saß einfach auf einer Sitzbank am Bahnhof und starrte Löcher in die Gegend. „Ich sollte vielleicht wirklich aufgeben“, sagte sie schließlich. „Light hat sich entschieden. Er ist mit diesem Typen durchgebrannt. Vermutlich werde ich ihn nie wieder sehen. Ich sollte das als Zeichen sehen. Nach dem Tod meiner Eltern… bin ich in ein tiefes Loch gefallen. Light war ein richtiger Lichtblick für mich… Aber es sollte wohl nicht sein…“ Rem hatte Mitleid mit ihr. Aber es gab nichts, womit sie sie aufheitern konnte. Glaubte sie jedenfalls… Als die Todesgöttin aufsah, erkannte sie plötzlich zwei Männer auf dem Bahnhof: es waren Light und der junge Mann, mit dem er gestern zusammen war. Das dürfte Misa nicht sehen, sonst… Leider hatte Misa ebenfalls in die Richtung gesehen – und nun erwachte wieder ihre Entschlossenheit. Entschlossen stand sie auf und verfolgte die beiden heimlich… Rückblick Ende Light musste sich am Brückengeländer abstützen. Rem hob eine Hand. Dabei knackten all ihre Knochen. „Du solltest dich beeilen, Light Yagami. Rette den Mann, den du liebst, bevor Misa ihn dir für immer wegnimmt.“ Light sah sie geschockt an. „Misa ist hier, oder?“ Rem nickte. „Sie läuft irgendwo hier rum. Beeil dich und verschwindet von hier. Ich muss jetzt wieder zu Misa.“ Und schon war Rem auch schon wieder davongeflogen. Sofort suchte Light nach Ryuzaki, damit sie sich in Sicherheit bringen konnten. Verzweifelt suchte er die Menschenmenge nach dem Schwarzhaarigen ab – doch dieser war einfach verschwunden! Panik machte sich in ihm breit. Hatte Misa ihn etwa gefunden? „Light! Guck mal da!“ Ryuk deutete ein paar Meter weiter auf den Boden. Dort lagen ein Touristenführer und ein nasses Taschentuch. Light eilte sofort dorthin und hob beides auf. Das Taschentuch roch nach Chloroform! Und auf dem Touristenführer waren ihre Stationen eingekreist und unten in der Ecke war ein kleines Herz eingezeichnet, darin stand LxL. Der musste Ryuzaki gehören! Also hatte Misa ihn tatsächlich vor ihm gefunden. Doch wo hatte sie ihn nur hingebracht? Wie sollte Light seinen Liebsten finden, ehe Misa ihn umbrachte? Glücklicherweise kam ihm der Zufall zur Hilfe. Ryuk breitete wieder seine Flügel aus und schwang sich in die Lüfte. „Light, ich flieg los und suche Rem. Wenn ich sie gefunden habe, wissen wir, wo Misa ist.“ „Du hilfst mir?“ Ryuk grinste breit. „Ja sicher. Ich will schließlich wissen, wie du dich da wieder rauswinden willst. Bis später, Light!“ Light sah Ryuk nach. Er war froh, dass dieser ihm half, auch wenn sein Motiv alles andere als ehrenhaft war. Aber wenigstens würde er Ryuzaki vielleicht noch retten können. Völlig übermüdet saß Soichiro immer noch vor dem Computer und starrte den Bildschirm an. Es war ihnen immer noch nicht gelungen, Light und Ryuzaki zu finden. Und mit jeder Stunde, die ohne einen Sucherfolg verging, schwand seine Hoffnung. Aber nicht nur das. Mit jeder Stunde, die verstrich, schweiften Soichiro’s Gedanken immer mehr ab. Er dachte zum ersten Mal, seit er erfahren hatte, dass sein Sohn Kira war, darüber nach, was das eigentlich bedeutete und was Light erwartete, wenn sie ihn fanden: Sie würden ihn verhaften. Er würde vor Gericht gestellt und entweder lebenslang ins Gefängnis gesperrt oder zum Tode verurteilt werden. Eine schreckliche Vorstellung. Was hatte sich Light nur dabei gedacht? Nun ja, eigentlich konnte sich Soichiro schon denken, was seinen Sohn für ein Motiv hatte. Immerhin hatte er es ja gesehen. Nur glauben konnte er es nicht. Niemand würde das glauben können. Doch jetzt war es erst einmal wichtig, die beiden zu finden und Ryuzaki in Sicherheit zu bringen. Armer Ryuzaki. Wenn er sich tatsächlich in Light verliebt hatte, würde ihm diese Erkenntnis das Herz brechen. „Chef! Chef!!“ Matsuda eilte aufgeregt herbei. „Watari hat soeben ein Signal von Ryuzaki empfangen!“ Soichiro sprang auf. „Tatsächlich?!“ Matsuda nickte. „Anscheinend hat Ryuzaki noch ein Handy, mit dem er ein Notrufsignal an Watari senden kann, wenn irgendetwas ist. Wir haben es zurückverfolgt und wissen jetzt, wo er ist: in einer Gegend in Ina, in der Region Chubu.“ „Das ist ja gar nicht soweit weg. Gut, lasst uns schnell aufbrechen!“ „Wie weit denn noch, Ryuk?!“ Light keuchte und war völlig außer Atem, dennoch wollte er nicht stehen bleiben und verschnaufen. Ryuzaki brauchte seine Hilfe. Also rannte er trotz schmerzhaftem Seitenstechen dem Todesgott weiterhin hinterher. Dieser kehrte vor einigen Minuten zurück, mit der Nachricht, dass er Rem endlich aufgespürt hatte. Sofort nahm Light die Verfolgung auf. Nach etlichen Minuten laufen, schien sie schließlich in einem Park zu enden. Ryuk schlug mit den Flügeln und wartete, bis Light ihn eingeholt hatte. „Nicht mehr weit. Da drüben sind sie!“ Light lief weiter bis zu einer von einer einzigen Straßenlaterne erleuchteten Ecke. Unter der Laterne, vor einem Drahtzaun, saß auf einer Parkbank Misa Amane, auf ihrem Schoß das offene Death Note, in ihrer Hand ein Stift. Kalter Schweiß brach auf Light’s Stirn aus und er eilte schnell zu ihr hin. Als Misa Light erkannte, schlug sie schnell das Death Note zu und legte es mit dem Stift beiseite. „Hallo, Light“, rief sie fröhlich, als wäre nichts. „Was heißt hier »Hallo Light«?!!! Was tust du hier?!“ fauchte Light und verschnaufte endlich. Misa zuckte nur mit den Schultern und tat auf unschuldig. Das machte Light nur noch wütender. Er packte Misa an den Schultern, zog sie auf die Füße und schüttelte sie unsanft. „Verkauf mich nicht für dumm, Misa! Wo ist Ryuzaki? Hast du etwa seinen Namen schon ins Death Note geschrieben?! Sag schon!!!“ Misa begriff, dass es nichts nützte, sich weiter zu verstellen. Sie seufzte. „Nein, hab ich nicht.“ Sie lächelte ihn böse an. „Ich hab nämlich auf dich gewartet.“ „Auf mich?“ „Ich will, dass du damit einverstanden bist. Schließlich hab ich ja versprochen, dass ich nur dann Namen aufschreibe, wenn du es mir erlaubst. Ich kann natürlich nicht erwarten, dass du es selbst machst. Daher werde ich dir das abnehmen.“ „Bist du verrückt?! Du glaubst doch nicht im ernst, dass ich dir erlaube, Ryuzaki zu töten?!“ „Wieso denn nicht?!“ Misa stampfte verärgert mit dem Fuß auf. „Was findest du denn an diesem komischen Typen? Er ist überhaupt nichts Besonderes! Und außerdem ganz schön hässlich…“ Light lächelte jetzt ebenfalls böse. „Weißt du, Misa. Ein Mensch kann noch so hübsch sein, wenn er einen miesen Charakter hat und diesen dann auch noch zeigt, ist selbst der schönste Mensch potthässlich – so wie du jetzt!!!“ Misa zuckte entsetzt zurück. Doch Light legte noch nach: „Du hast überhaupt keine Ahnung, Misa. Dich interessiert nur das Aussehen, sonst nichts. Daher siehst du nicht, wie wunderschön Ryuzaki ist! Er mag auf den ersten Blick seltsam aussehen, aber er hat ein wundervolles Wesen und wenn man das erstmal erkannt hat, dann gibt es keinen schöneren Menschen, als ihn! Und er ist wohl etwas Besonderes, denn er hat sich sein Leben lang für die Menschen dieser Welt aufgeopfert! Was hast du schon groß getan, außer schick auszusehen?“ Misa schluckte ihre Tränen hinunter, bevor sie sagte: „Das ist total gemein von dir! Alle Welt liebt mich und du wagst es, mich für so einen abgewrackten Typen zu verschmähen?!“ Light schüttelte den Kopf. Misa verstand mal wieder gar nichts. Es war zwecklos, ihr etwas über wahre Schönheit beibringen zu wollen. „Wo ist Ryuzaki, Misa?“ „Was willst du von ihm?“ „Na was wohl? Ich nehme ihn mit und verschwinde! Wir werden zusammen leben.“ „Und was ist mit mir? Du weißt ganz genau, dass du alles für mich bist! Nach dem Tod meiner Eltern fühlte ich mich so allein… Erst als Kira den Mörder meiner Eltern bestraft hatte, schöpfte ich neuen Lebensmut. Und als ich dann herausfand, dass du Kira bist… du bist der wichtigste Mensch für mich, Light… wie kannst du mich nur einfach so verlassen?“ Light sah zu Boden. Trotz der Situation empfand er Mitleid mit Misa – aber mehr auch nicht. Er hatte eigentlich nie mehr für sie empfunden. „Hör zu, Misa. Es tut mir wirklich leid, was dir passiert ist. Und es freut mich, dass ich dir Frieden bringen konnte. Aber Fakt ist, dass ich dich einfach nicht ausstehen kann! Deine ganze oberflächliche und selbstverliebte Art nervt mich total! Und dann bist du immer so uneinsichtig und stur. Ich werde es dir nur noch einmal sagen: Ich liebe dich nicht. Ich finde dich nicht mal sympathisch! Du hast mir lediglich Leid getan, das war alles. Und jetzt sag mir, wo Ryuzaki ist, damit wir diesen Quatsch endlich beenden können!“ Jetzt fing Misa doch an, zu weinen. „Du sagst mir einfach so, dass du mich hasst? Nach allem, was ich für dich getan habe? Und jetzt glaubst du auch noch, ich lasse zu, dass du mit IHM verschwindest?! Aber das kannst du vergessen! Ich habe alles getan, um euch beide zu trennen! Aber ihr wolltet es ja nicht auf die friedliche Art haben! Selbst die Flyer damals haben nichts genützt…“ „Warte, warte!“ Light hob einen Zeigefinger. „Das warst du? Du hast die ganzen Flugblätter in der Uni verteilt?! Du hast das Foto von mir und Ryuzaki geschossen?!!! Was sollte das?!!!“ Misa schluckte. Jetzt hatte sie sich verplappert! Egal, jetzt machte das auch nichts mehr. „Ja, das war ich. Ich wollte dich an diesem Abend besuchen, als Sayu mir erzählte, dass eure Eltern verreist sind. Ich dachte, wir könnten uns einen schönen Abend zu zweit machen. Aber… aber stattdessen habe ich euch beide gesehen… wir ihr da standet und euch geküsst habt! Sollte ich das etwa auf mir sitzen lassen? Nein! Also hab ich euch fotografiert und Flugblätter gemacht, die ich dann in der Uni verteilt habe. Ich hatte gehofft, dass du dadurch einsiehst, wie falsch es ist, was du getan hast. Und anfangs schien es sogar so, als hätte das funktioniert. Bis zum Abend des Festes… als ich euch beide auf der Brücke wieder hab küssen sehen… Da wurde mir klar, dass ich dich nur zurückbekomme, wenn ich IHN töte. Und das werde ich auch tun! Wenn du nicht bereit bist, mir die Erlaubnis zu erteilen, dann mache ich es eben ohne! Ich werde dich von dem Fluch befreien, mit dem dich dieser Kerl belegt hat! Dann wirst du wieder zu Kira und wir können endlich zusammen leben.“ „Du hast sie nicht mehr alle, Misa“, erwiderte Light trocken. „Und nur, dass du es weißt: ich werde nie wieder Kira sein! Damit ist jetzt für immer Schluss!“ „Das sagst du jetzt, aber wenn dieser Typ erstmal weg ist, wirst du endlich wieder klar denken können, Light!“ „Ich fürchte, dazu wird es nicht kommen.“ Misa war während ihrer Erzählung einige Schritte von Light weggegangen. Jetzt drehte sie sich zu ihm um, um zu fragen, warum es denn nicht dazu käme – und erstarrte. Light stand neben der Bank, in der einen Hand den Stift, in der anderen Hand sein eigenes, aufgeschlagenes Death Note. Misa riss die Augen auf. „Was… hast du getan?“, stammelte sie. Light sah sie kühl an. „Ich hab deinen Namen aufgeschrieben, Misa. Ich kann nicht zulassen, dass du Ryuzaki etwas antust. Es tut mir wirklich leid, dass es soweit kommen musste, aber du lässt mir keine andere Wahl. Das hier… ist meine letzte Tat als Kira.“ Misa schrie. Nun mischte sich Rem ein. „Was hast du getan, Light Yagami? Du solltest sie zwar aufhalten, aber doch nicht so!“ „Es musste sein, Rem. Sein wir doch realistisch: Misa wird niemals zur Vernunft kommen, egal, was wir tun. Und nun ist sie eine große Gefahr für mich und Ryuzaki geworden. Ich muss das hier tun.“ Daraufhin wusste Rem nichts mehr zu sagen. Misa stürmte auf Light zu, fiel vor ihm auf die Knie und flehte ihn an: „Bitte! Du kannst mich doch nicht einfach so umbringen! Ich… ich liebe dich doch!“ „Ich dich aber nicht. Außerdem würdest du so was nicht tun, wenn du mich wirklich lieben würdest. Es ist vorbei, Misa. Selbst wenn ich es wollen würde, könnte ich es nicht mehr verhindern.“ Wieder schrie Misa. Sie schrie laut und weinte. Sie kroch von Light weg, setzte sich auf den Boden und suchte verzweifelt die Gegend ab, als könnte sie etwas finden, dass sie noch retten würde. Aber Rettung gab es für sie nicht mehr. Im nächsten Moment durchfuhr ein heftiger Schmerz ihren Körper. Ihr Herz blieb stehen. Panisch griff sie sich an die Brust und schnappte laut nach Luft. Dabei schrie und weinte sie immer noch. Dann, nach quälend langen Sekunden, brach sie schließlich zusammen und starb. Light seufzte schwer. Er hatte wirklich nicht gewollt, dass es dazu kam… „Komm, Ryuk. Lass uns Ryuzaki suchen und dann von hier verschwinden.“ Als dieser nicht antwortete, wandte sich Light verwirrt um. „Was ist los, Ryuk?“ Dieser grinste ihn breit an und deutete hinter ihm. „Scheinbar hast du noch mehr Probleme, Kleiner!“ Light drehte sich um. Im Dunkeln nicht zu erkennen, sehr weit links von der Bank entfernt, war ein großer Tunnel. Und in diesem Tunnel stand… „Ryuzaki!“ Light fiel fast in Ohnmacht. Hatte er das etwa mitangesehen? Sein schreckliches Geheimnis dürfte nicht ans Licht kommen. Nicht so… „Light?“ Ryuzaki trat vorsichtig aus dem Dunkel des Tunnels heraus. Er war noch blasser, als sonst und er schien sehr geschockt. „Du bist Kira… hab ich recht?“ ~ Fortsetzung folgt ~ Kapitel 11: Vertrauensbruch --------------------------- Kapitel 11: Vertrauensbruch Verbrechen. Es gibt große und kleine Verbrechen. Verbrechen, die aus Hass begangen wurden, aus Habgier oder aus Verzweiflung. Manche Verbrechen sind nachvollziehbar – andere scheinen dagegen unverzeihlich. Was fühlt ein Verbrecher, wenn er auf frischer Tat ertappt wird? Nervosität? Wut? Angst? Bedauern? Reue? Light Yagami empfand im Moment alles davon. Dabei hatte er sich selbst nie als Verbrecher gesehen. Vielmehr sah er sich selbst als denjenigen an, der die Verbrecher bestraft und Gerechtigkeit walten lässt. Daran hatte er fest geglaubt. Bis heute… Doch jetzt, wo er quasi auf frischer Tat ertappt wurde – noch dazu von seiner großen Liebe – fühlte er sich zum ersten Mal wie ein kaltblütiger Mörder. Tausend Dinge gingen ihm gleichzeitig durch den Kopf. Verzweifelt suchte er nach Worten, die das hier erklären konnten – doch gab es solche Worte überhaupt? Light war so in Gedanken versunken, dass ihm gar nicht auffiel, wie Ryuzaki sich Misa’s Leiche näherte, vor ihr stehen blieb und das schwarze Notizbuch in ihren kalten, toten Händen anstarrte. Das gleiche Notizbuch, mit dem Light das blonde Mädchen getötet hatte. Wie hatte er das nur angestellt? War das etwa Kira’s Macht, mit der er unzählige Verbrecher gerichtet hatte? Wie funktionierte das? Was war sein Geheimnis? Ohne auf Light zu achten, beugte sich Ryuzaki zu Misa hinunter und streckte seine Hand nach dem Death Note aus, zögerte aber noch. Light bemerkte das immer noch nicht – aber dafür Ryuk. Zum Glück. Schnell beugte er sich zu Light hinunter und zischte: „Light! Wenn der Besitzer eines Death Note stirbt, wird Derjenige, der es dann unmittelbar als Nächster berührt, der neue Besitzer des Death Note!“ Light musterte ihn fragend, verstand nicht, wieso der Todesgott ihm jetzt diese Information gab. Doch als Ryuk genervt mit dem Kopf in Misa’s Richtung deutete und Light dort hinsah, verstand er sofort: Ryuzaki war dabei, Misa’s Death Note zu berühren! Light geriet in Panik. Auf gar keinen Fall dürfte Ryuzaki in den Besitz eines Death Note gelangen! Was, wenn er der Macht des Death Note erliegen würde? Wenn es seine negativen Eigenschaften verstärken würde? Und was wäre mit Rem? Würde Ryuzaki Misa’s Death Note berühren, müsste Rem an seiner Seite bleiben. Was würde sie dann mit ihm machen? Würde sie ihn dann dazu bringen, ihn – Light – zu töten? Nein, er dürfte dieser rachsüchtigen Todesgöttin nicht erlauben, Macht über Ryuzaki zu haben! „Fass das nicht an!“, rief Light und eilte zu Ryuzaki. Der Schwarzhaarige zuckte zusammen und sah auf. Als Light die Hand nach ihm ausstreckte, sprang er auf und wich sofort zurück. Light blieb stehen, senkte die Hand aber nicht. Trotz der prekären Lage versuchte er, zu lächeln. „Ryuzaki… komm da bitte weg, ja? Dieses Heft… ist nichts für dich.“ „Ach, und warum nicht?“ Ryuzaki warf Light misstrauische Blicke zu. „Was ist das für ein Heft? Ich weiß genau, dass es kein normales Heft ist!“ Light lachte nervös und tat so, als wüsste er nicht, wovon Ryuzaki sprach. „Kein normales Heft? Weißt du, was du da sagst?“ „Wenn es harmlos ist, dann kann ich es ja anfassen!“, erwiderte Ryuzaki verärgert und wollte das Death Note aufheben. Light packte seinen Arm und zog ihn weg. „Nein, das darfst du nicht!“ Nun reichte es dem Meisterdetektiv endgültig! Schluss mit dieser nervenden Geheimniskrämerei! Er wollte jetzt wissen, was hier gespielt wurde! „Sag mir, was das für ein Heft ist!“, forderte er gereizt. „Warum darf ich das nicht anfassen? Und was hast du mit Misa gemacht? Ich hab genau gesehen, dass du etwas in dein Heft geschrieben hast und kurz darauf ist Misa gestorben! Ist es das? Ist das die Art, wie Kira seine Opfer tötet? Du schreibst die Namen hinein und dann sterben die Menschen?“ Light schwieg. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Eigentlich könnte er jetzt genauso gut auspacken, aber er irgendwie wusste er nicht, wie er es sagen sollte. Sein Schweigen wurde prompt bestraft: „Es stimmt also, ja? Es ist genauso, wie ich von Anfang an vermutet hatte. Du bist Kira!“ Ryuzaki schnappte nach Luft. Er kam sich so dumm vor. Es gab doch unzählige Indizien, die gegen Light sprachen. Warum nur war er so dumm gewesen, sie alle zu ignorieren und mit ihm mitzugehen? Was sollte das überhaupt? Wieso war Light mit ihm abgehauen? Was hatte er wirklich vor? „Light… warum bist du mit mir zusammen weggelaufen? Was hast du jetzt mit mir vor?“ Light verstand die Frage nicht. „Wieso ich… Aber Ryuzaki, das weißt du doch!“, erwiderte Light und wollte den Älteren berühren, doch dieser schlug Light’s Hand wütend weg. „Komm mir nicht mit diesem Ich-Liebe-Dich-Quatsch! Du willst mir doch nicht weißmachen, dass sich Kira in mich verliebt hat! Kira verliebt sich in L! Das ist doch… lächerlich! Gib es zu, du wolltest mich nur reinlegen! Du wolltest dir meine Zuneigung erschleichen, damit ich dir vertraue und du die Gelegenheit bekommst, mich zu töten, nicht wahr?!“ „Was redest du da? Wieso glaubst du auf einmal nicht mehr, dass ich dich liebe? Ich hab dir das nicht vorgemacht!“ „Ach, hast du nicht? Du hast es also ernst gemeint? Genauso ernst, wie mit der Studentin, mit der ich dich in der Uni zusammen gesehen habe? Oder mit Misa?!“ Jetzt wurde Light sauer. „Was soll das denn jetzt? Vorher haben dich die Frauen doch auch nicht gestört! Okay, das mit Takada… da wusste ich noch nicht, was ich für dich empfinde. Es ist ja auch nichts mit ihr gelaufen! Und mit Misa übrigens auch nicht! Ich hab ihr nichts versprochen! Misa hat sich da in etwas verrannt!“ Ryuzaki senkte den Kopf. „Ich weiß, dass Misa ein schlechter Mensch ist. Und ich weiß auch, dass sie Kira 2 ist.“ „Du weißt es?“ „Wir haben an den Umschlägen, in denen die Videobänder an Sakura-TV verschickt wurden, Haare von Misa und Rückstände von dem Make-up, das sie benutzt, gefunden. Am Tag, als Kira 2 zum ersten Mal aufgetaucht ist, war sie im Sender und hat ein Interview gegeben. Danach stand für uns fest, dass sie Kira 2 ist. Allerdings hat sich gleichzeitig der Verdacht gegen dich erhärtet. Immerhin kanntest du sie und sie war verliebt in dich.“ „Deswegen hast du geglaubt, ich wäre Kira?“ Light überlegte kurz. Vielleicht gab es ja doch einen Weg, wie er das hier wieder gerade biegen konnte. Er packte Ryuzaki an den Schultern. „Hör zu, Ryuzaki. Ich bin nicht Kira. Allerdings war mir auch aufgefallen, dass sich Misa seltsam benimmt. Also hab ich auf eigene Faust ermittelt und dabei habe ich Unglaubliches herausgefunden: In Wirklichkeit gab es von Anfang an nur Misa als Kira. Aber als sie mir dann begegnet ist, hat sie den wahnwitzigen Plan gefasst, dass ich auch zu Kira werden soll, um gemeinsam mit ihr eine neue Weltordnung zu erschaffen. Sie schickte daraufhin die Videobänder an Sakura-TV, um den Eindruck zu erwecken, dass es zwei Kiras gibt. Als sie mir das erzählt hat, hat sie mir dann dieses Heft gegeben und wollte, dass ich es benutze, aber… ich wollte das nicht. Als sie dann noch erfahren musste, dass ich mich in dich verliebt hatte, ist sie völlig ausgerastet und wollte dich töten. Aber ich bin ihr zuvorgekommen…“ Ryuzaki kaute auf seinem Daumennagel herum. Er wusste nicht, ob Light ihm schon wieder einen Bären aufbinden wollte. Er hatte zwar gesehen, wie Light etwas in dieses Heft geschrieben hatte und Misa dann gestorben war, aber er hatte nicht hören können, was sie gesagt hatten. Schon möglich, dass Light die Wahrheit sagte… Dafür sprach schließlich, dass eines der Opfer, die der erste Kira getötet hatte, der Mörder von Misa’s Eltern war. Misa hätte viel eher Grund gehabt, den zu töten, als Light. Dagegen sprach allerdings, dass der Mord an diesem Mann erst viel später stattfand. Warum hatte Misa ihn nicht gleich getötet, nachdem sie herausfand, dass sie das konnte? Irgendwie passte das Alles nicht zusammen. Er wurde einfach das Gefühl nicht los, dass Light ihn schon wieder anlog. Umso schlimmer war es für ihn, dass sein Herz ihm unbedingt glauben wollte. Ryuzaki schüttelte den Kopf. Seit er Light begegnet war, geriet er ständig in Situationen, in denen selbst er nicht wusste, wie es weiterging. Situationen, die seinen Verstand völlig überforderten. Doch bevor Ryuzaki seine Gedanken soweit ordnen konnte, dass er Light sagen konnte, ob er ihm glaubte oder nicht, hörten sie beide das Quietschen von Bremsen, gefolgt vom Geräusch hastiger Schritte. Im nächsten Moment sahen sich die beiden jungen Männer mit dem Rest der Kira - Sonderkommission konfrontiert. In Light’s überraschtes Gesicht blickend, erklärte Ryuzaki sofort: „Ich habe sie hierher gerufen. Als Misa mich entführt hatte, hatte ich Angst, sie könnte dir etwas antun. Also hatte ich ein Notsignal an Watari gesendet, damit sie herkommen und uns helfen. Das… ist doch in Ordnung?“ „Es ist mehr als in Ordnung“, mischte sich Watari schnell ein, ehe Light antworten konnte. „Es ist sogar besser so. Wir haben nämlich herausgefunden, dass Light Yagami Kira ist.“ Light zuckte zusammen und wich einige Schritte zurück. Ryuzaki sah abwechselnd Light und Watari an, hoffend, dass einer von ihnen ihm diese Neuigkeit erklären möge. Als er keine Erklärung erhielt, wandte er sich hilfesuchend an die anderen Männer. In ihren Augen konnte der Schwarzhaarige ablesen, dass Watari die Wahrheit sagte. Ryuzaki schüttelte wieder den Kopf. „Aber… wie?“ „Wir haben ein Videoband erhalten“, fuhr Soichiro fort. „Es stammt von Rika Katsuragi, der jüngsten Tochter von Genta Katsuragi. Sie lebt für gewöhnlich in Norden Japans und studiert dort Biologie. Vor einiger Zeit hatte sie seinen Haushalt aufgelöst und ist dabei auf versteckte Videokameras gestoßen, die unter anderem als Buch getarnt waren. Offenbar fürchtete sich Genta davor, dass man ihm wegen des Mordverdachts an Romy etwas antun könnte. Rika hat sich die Videobänder angesehen und suchte mich dann sofort auf, um sie mir ebenfalls zu zeigen. Und darauf… ist zu sehen, wie Genta getötet wird… von dir, Light. Und es ist ebenfalls zu hören, wie du planst, die Verbrecher dieser Welt auf dieselbe Weise zu töten.“ Zum ersten Mal an diesem Abend sah Soichiro in das Gesicht seines Sohnes. „Light. Die Beweise sind eindeutig. Es wäre besser für dich, wenn du mit uns kooperieren würdest. Gib uns jetzt das Notizbuch.“ Light brach der kalte Schweiß aus. Seine Atmung wurde heftiger. Dennoch versuchte er, nachzudenken. Irgendetwas musste ihm einfallen. Er dürfte jetzt auf gar keinen Fall verhaftet werden! Verzweifelt schnappte er sich Ryuzaki’s Handgelenk. „Ryuzaki! Schnell, lass uns fliehen!“ Ryuzaki war entsetzt. War das etwa alles, was er zu sagen hatte? „Was?! Nein, das werde ich nicht tun!“ Innerlich schalte sich Ryuzaki für seine Dummheit. Er hätte doch eigentlich wissen müssen, dass Light nur Quatsch erzählte. Aber es schien zu stimmen, was alle sagten: Liebe macht blind. Verflucht soll sie sein! Diese dämliche Liebe. Und dieser miese Betrüger, dem sie galt. „Du hast schon wieder gelogen…“, hauchte er verbittert. „Ryuzaki, bitte. Ich erklär dir alles in Ruhe, das verspreche ich dir. Aber jetzt komm bitte mit! Du willst doch nicht, dass sie mich verhaften, oder? Du liebst mich doch!“ Ryuzaki war sprachlos. Es stimmte also tatsächlich. Light hatte ihn nur ausgenutzt, genau wie Misa und diese Takada. Aber nicht mit ihm! Wütend riss sich Ryuzaki von Light los, seine Augen glühten vor Widerwillen. „Nein! Ich gehe nirgendwo mit dir hin! Mir ist egal, ob du verhaftet wirst! Du bist ein Lügner und ein Mörder!“ Light schnappte wieder nach Ryuzaki’s Arm, diesmal griff er energischer zu und zerrte heftig an ihm. „Bitte, du musst mit mir kommen! Du willst doch nicht sterben, oder?!“ Das war zuviel! Wütend ballte Ryuzaki eine Hand zur Faust und schlug kräftig zu. Light taumelte zurück und hielt sich die Nase. Er blutete. Geschockt sah er seinen Geliebten an. Dieser wandte sich von dem Brünetten ab, damit dieser seine aufkommenden Tränen nicht sehen konnte. „Du bist widerlich…“, hauchte der Meisterdetektiv. „Ryuzaki…“, flüsterte Light. Er ging einige Schritte auf ihn zu, um ihn zu berühren. Doch dann ertönte ein lauter Knall und ein stechender Schmerz durchfuhr seine Schulter. Vorsichtig fasste Light an seine Schulter und sah nur Blut. Fast wie in Zeitlupe wandte Light seinen Kopf in Richtung der Polizisten und sah mit Entsetzen, dass Watari auf ihn geschossen hatte. „Lassen Sie Ihre Finger von Ryuzaki“, sagte Watari kühl und senkte die Waffe. „Watari, war das denn wirklich nötig?“, warf Ryuzaki ein. Er war wütend und enttäuscht, sicher, aber ihn gleich anschießen? Ängstlich sah Light seinen Vater an, aber der hielt die Augen schmerzverzerrt geschlossen. Dann schließlich sagte er: „Wir sollten nicht noch mehr Blut vergießen. Aizawa, Mogi, nehmt Light fest.“ Aizawa und Mogi holten ihre Handschellen hervor und machten einige Schritte auf Light zu. Der stolperte ängstlich zurück. Der Tatsache ins Auge sehend, dass ihm keiner helfen wird, drehte sich Light schnell um und rannte weg. „Stehen bleiben!“, rief Watari und zielte wieder auf den Brünetten. Doch diesmal ging Ryuzaki dazwischen. „Nein, tun Sie das nicht!“, rief er und stellte sich schützend vor Light. Diesem gelang es dadurch, zu fliehen. Im Nachhinein konnte Light nicht sagen, wie er es trotz der Schmerzen und dem Blutverlust geschafft hatte, den Beamten überhaupt zu entkommen, ganz zu Schweigen davon, sich erfolgreich vor ihnen zu verstecken. Aber irgendwie hatte er es doch geschafft. In einem verlassenen Lagerhaus hatte er schließlich Zuflucht gefunden. Zum Glück war er so geistesgegenwärtig gewesen, seine Wunde grob zu verbinden, damit das Blut aufhörte, zu tropfen, und die Polizisten seine Spur nicht länger verfolgen konnten. Im heruntergekommenen Sanitärraum des Lagerhauses fand er dann auch noch Verbandszeug. Zum Glück stellte sich die Schussverletzung dann als bloßen Streifschuss heraus. Allzu viel Blut hatte er auch nicht verloren. In seiner Panik hatte er den Schuss schlimmer wahrgenommen, als er es tatsächlich gewesen war. Ob Watari sich wohl dessen bewusst war? Dass er seinen Arm nur gestreift hatte, statt ihn richtig zu treffen? Egal, darüber konnte er sich auch noch später Gedanken machen. Jetzt musste er sich erstmal überlegen, wie es nun weiterging. Das wollte auch Ryuk wissen. „Da steckst du ja in einem schönen Schlamassel“, kicherte er. Der Todesgott saß auf einer Kiste und bohrte in der Nase. Das Light angeschossen wurde, dass man ihn überführt hatte und seine große Liebe nun offenbar auch gegen ihn war, schien Ryuk überhaupt nicht zu stören. Er wirkte eher belustigt. Light’s Augen verengten sich vor Zorn. Das konnte er nun wirklich nicht brauchen! „Ryuk, wenn du nichts Hilfreiches zu meiner Situation beizusteuern hast, dann halt gefälligst deinen Mund!!“, schimpfte er und zog dann mit der rechten Hand und seinen Zähnen den Verband fest. Der Todesgott schwieg kurz, dann wandte er ein: „Ja, aber was wirst du nun tun? Wirst du Ryuzaki und die Sonderkommission ausschalten? Die Möglichkeit dazu hättest du.“ Light antwortete nicht darauf. Er legte die Hände zusammen und dachte nach. Lief es am Ende tatsächlich darauf hinaus? Misa war tot. Das war alles, woran Rem im Moment denken konnte. Daran, und dass dieser verdammte Light Yagami daran Schuld war. Wie oft hatte sie Misa gewarnt? Dass man Light nicht trauen kann und sie sich vorsehen sollte. Aber Misa hatte ständig die rosarote Brille auf und wollte sie auch nicht abnehmen. Deswegen hatte sie auch nicht gesehen, dass Light diesen Ryuzaki liebte und nicht sie. Aber auch Rem’s Blick war getrübt – von Zorn und Rachegedanken. Und deswegen wollte sie den Gedanken, dass Misa ihren Tod provoziert haben könnte, nicht zulassen. In ihren Augen war allein Light Yagami schuld an Allem. Zuerst verführte dieser Teufel die naive, sich verzweifelt nach Liebe sehnende Misa, nur um sie dann eiskalt umzubringen, als er sie nicht mehr brauchte. Und mit diesem Ryuzaki würde es sicher auch nicht anders werden. Ryuzaki… Der Gedanke an den Detektiv brachte Rem zum Schmunzeln. Ihr kam eine gute Idee, wie sie sich an Light für all den verursachten Schmerz rächen konnte. Die Menschen hatten wohl recht: Rache war wirklich süß. „Hey, Kalkleiste!“ Das Schmunzeln erstarb und endlich widmete sich Rem der Gruppe von Männern, die Misa’s Death Note vor sich auf dem Stahltisch zu liegen hatten, um es zu analysieren. An der Spitze des Tisches saß besagter Ryuzaki und starrte sie aus kalten Augen an. Er deutete mit dem Zeigefinger auf das Buch und fragte: „Stimmt alles, was darin steht?“ Rem wandte sich ihm zu und nickte. „Natürlich. Die Regeln wurden vom König selbst festgelegt.“ „Und mit diesem Notizbuch kann man tatsächlich Menschen töten?!“, rief Matsuda ungläubig. „Ich kann mir das nicht vorstellen.“ „Du kannst es ja mal ausprobieren“, schlug Rem mit lockender Stimme vor. Matsuda wurde kalkweiß im Gesicht. „Niemand wird es ausprobieren“, fuhr Ryuzaki entschieden dazwischen. „Überlegen wir lieber, was wir jetzt damit machen?“ „Es vernichten!“, schoss es aus Aizawa’s Mund wie aus einer Pistole. „Wir können es nicht zerstören“, widersprach Mogi sofort. „Wir brauchen doch irgendeinen Beweis, dass damit all die Morde verübt wurden!“ „Wir könnten es ja sicher in einem Safe verschließen“, schlug Soichiro vor. „Einen, für den man mehrere Codes braucht und die teilen wir dann unter uns auf. So kann keiner allein den Safe öffnen.“ „Wenn ich etwas vorschlagen dürfte“, mischte sich Rem ein. „Warum lässt du dich nicht als sein neuer Besitzer des Death Note registrieren, Ryuzaki? Du bist doch der Leiter dieser Sonderkommission?“ „Nein! Ich finde die Idee vom Chef viel sicherer und besser!“, schrie Matsuda. „Denk doch mal darüber nach. Light Yagami ist immer noch im Besitz seines Death Note – und er weiß jetzt, dass ihr seine wahre Identität kennt. Was, wenn er hier auftaucht, um euch alle auszuschalten? Solltet ihr euch dann nicht verteidigen können?“ Die Polizisten zuckten alle schockiert zusammen. An diese Möglichkeit hatten sie noch gar nicht gedacht. Ryuzaki hingegen blieb ungerührt. „Light kennt sämtliche Mitglieder, außer mir und Watari, beim Namen und Gesicht. Hätte er vorgehabt, uns alle zu töten, hätte er das schon längst getan“, beruhigte er die Anderen. „Aber was unternehmen wir jetzt wegen Light?“, erkundigte sich Aizawa und warf seinem Chef besorgte Seitenblicke zu. „Auf jeden Fall sollten wir auf alles gefasst sein“, ereiferte sich Matsuda. „Immerhin hat er nicht einmal davor zurückgeschreckt, seine Geliebte zu töten, um sein Geheimnis zu wahren.“ „Wir werden uns in Ruhe überlegen, was zu tun ist. Solange uns Light nicht angreift, dürfte uns keinerlei Gefahr drohen“, sagte Ryuzaki und stand auf. „Rem? So heißt du doch, oder? Ich möchte mit dir unter vier Augen sprechen.“ Rem folgte Ryuzaki in sein Zimmer. Der Meisterdetektiv stand vorm Fenster und sah schweigend in die dunkle Nacht hinaus. Schließlich wagte er es, die Frage, die ihn quälte, zu stellen: „Was für eine Beziehung hatten Light und Misa tatsächlich? Und wie… wie stand er wirklich zu mir? Weißt du das?“ Rem öffnete den Mund und war versucht, ihm die Wahrheit zu sagen. Doch dann fiel ihr der Groll gegen Light wieder ein und sie hielt inne. Dies war die Chance für ihre Rache! „Misa hat Light geliebt… doch er sie nicht. Er hat ihr seine Gefühle nur vorgegaukelt, um sie als Werkzeug zu benutzen. Light liebt niemanden, außer sich selbst… Das gilt auch für dich. Er hat nur auf die Gelegenheit gewartet, um dich töten zu können.“ Gequält schloss Ryuzaki die Augen. Er hatte mit dieser Antwort irgendwie gerechnet, aber… es die Wahrheit zu hören, tat immer weh. „Was hast du jetzt vor? Willst du dich einfach so von ihm umbringen lassen? Mein Angebot von vorhin gilt noch. Erheb einfach die Besitzansprüche auf das Death Note und du kannst es nutzen, um Light zu töten“, lockte Rem eindringlich. Ryuzaki schüttelte den Kopf. „Ich lege keinen Wert darauf, der Besitzer eines solchen Mordinstrumentes zu werden.“ „Du musst auch nicht sein Besitzer werden! Ein dritter kann es einmalig verwenden, um jemanden zu töten. Führe es mit dir, damit du gewappnet bist, sobald Light dich angreift!“, versuchte es Rem erneut. Ryuzaki wollte gerade eine Antwort darauf geben, als ein Stückchen Papier vor seine Füße fiel. Verwirrt bückte er sich, um es aufzuheben. Als er sich wieder aufrichtete, erschrak er leicht, denn plötzlich stand noch ein Todesgott neben ihm. Der Shinigami grinste ihn breit an. „Wenn du unbedingt wissen willst, was Light als Nächstes vorhat, warum fragst du ihn das nicht selbst?“ „Du bist der Shinigami von Light, nicht wahr?“, schlussfolgerte Ryuzaki sofort. Ryuk hob begrüßend eine Hand. „Jupp. Mein Name ist Ryuk. Light hat mich hergeschickt, damit ich dich für einen kleinen Plausch abhole. Was ist? Kommst du mit?“ ~ Fortsetzung folgt ~ Kapitel 12: Aussprache ---------------------- Ich werde ihn niemals töten! Diesen Entschluss fasste Light Yagami, nachdem er zum ersten Mal auf Ryuzaki traf. Ryuk konnte das damals nicht nachvollziehen, immerhin handelte es sich bei Ryuzaki um L und der wollte Kira, also Light, enttarnen und verhaften. Doch Light war das egal. Nach dem Vorfall mit Lind L. Taylor hatte er sich fest vorgenommen, niemals wieder einen Unschuldigen zu töten. Kira existierte schließlich nur, um all die Verbrecher zu richten, die ihrer gerechten Bestrafung durch das Gesetz entgangen waren! Der Meisterdetektiv L hatte zwar das Ziel, Kira aus dem Verkehr zu ziehen, aber streng genommen war das ja kein Verbrechen. Sollte es L also gelingen, ihn zu überführen, würde Light ihn dennoch nicht töten, sondern entweder einen Ausweg suchen oder, falls dieser nicht existierte, sich geschlagen geben. Doch dann geschah etwas, dass Light Yagami nicht einkalkuliert hatte – er verliebte sich. Und nun waren sich ergeben oder davonlaufen keine Optionen mehr. Ja, nicht einmal seine Enttarnung gehörte noch zu den möglichen Abläufen. Stattdessen überlegte Light, wie er Kira möglichst unauffällig wieder verschwinden lassen könnte, damit Ryuzaki und er zusammen leben könnten. Seinem Liebsten die Wahrheit zu sagen, zog er kurzzeitig ebenfalls in Betracht. Doch Light kannte Ryuzaki inzwischen gut genug um zu wissen, dass dieser ihm nie verzeihen könnte, würde er die Wahrheit erfahren. Und er sollte recht damit behalten. Als sein Lügengebilde schließlich wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel, stand Ryuzaki die Enttäuschung und der Schmerz ins Gesicht geschrieben. Doch trotz der misslichen Lage, in der er sich nun befand, flüsterte eine leise Stimme in Light ihm zu, dass Ryuzaki vielleicht doch noch mit sich reden ließ. Also setzte Light alles auf eine Karte und schickte Ryuk los, um Ryuzaki zu holen, damit sie unter vier Augen noch einmal über alles in aller Ruhe sprechen konnten. Dass neben Ryuzaki aber auch Rem erscheinen würde, verwirrte Light – und er fand es ziemlich beunruhigend. Immerhin war es nicht abwegig, dass Rem sich für den Mord an Misa rächen wollte. Aber darum konnte sich Light auch später noch kümmern. Jetzt musste er seine Beziehung retten, auch, wenn die Chancen nur sehr gering waren. „Na schön“, seufzte Ryuzaki schließlich. „Du wolltest mich sprechen. Also sag einfach, was du zu sagen hast. Obwohl ich ehrlich gesagt nicht weiß, was das noch bringen sollte.“ Light lächelte nur, schlenderte den Gang entlang und strich dabei gedankenverloren über die Bänke. „Weißt du, wo wir hier sind?“ „Wir sind in der Kirche“, antwortete Ryuzaki bemüht kühl, obwohl dieser Ort ihm sehr wichtig war und voller schöner Erinnerungen. Was für ein cleverer Schachzug von Light, ihn ausgerechnet hierher zu locken, um sich mit ihm auszusprechen. „Ja, hierher sind wir geflohen, als wir auf dem Awa-Odori waren. Wir haben uns geküsst, uns das Feuerwerk angesehen und dann fing es zu regnen an. Wir rannten in diese Kirche und sind uns näher gekommen.“ „Das weiß ich alles noch, ich habe schließlich kein Alzheimer!“, rief Ryuzaki und wandte das Gesicht ab, damit Light den Schmerz in seinen Augen nicht sah. „Worauf willst du hinaus?!“ Light blieb mit dem Rücken zu Ryuzaki stehen. „An diesem Ort habe ich zum ersten Mal in meinem Leben aufrichtig über meine Gefühle gesprochen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich jemals so ehrlich war – zu anderen oder zu mir selbst. Und deswegen habe ich entschieden, dass an diesem Ort, an dem alles anfing… jetzt alles enden soll.“ Endlich drehte sich Light zu Ryuzaki um. Der saß inzwischen auf einer der vorderen Bänke und sah ihn nicht an. Aber er hörte ihm aufmerksam zu, das wusste Light. „Ich nehme an, ich kann mir sparen, dir meine Beweggründe zu erklären?“ „Ja. Ich weiß, warum du mit der Mordserie begonnen hast. Und ich gebe zu, dass ich das nachvollziehen kann. Aber warum hast du all diese Menschen getötet?“ „Das Gesetz kann nicht jeden Verbrecher bestrafen. Das war die Lektion, die ich durch diesen Vorfall mit Romy auf schmerzlichste Art gelernt habe. Und als ich Ryuk traf… und dieses… Notizbuch in meinen Händen hielt… da war das für mich wie ein Zeichen! Als wollte irgendjemand, dass ich die Macht bekomme, all jene zur Strecke zu bringen, die das Gesetz nicht bestrafen kann. Und ich entschied mich, diese Macht zu nutzen und die Welt zu einem sichererer und besseren Ort für alle zu machen.“ Ryuzaki schwieg. Er musste zugeben, dass sich das gar nicht so schlimm anhörte. Jedenfalls konnte er auf den ersten Blick nichts Schlechtes daran finden. Aber Light hatte gemordet und für Mord gab es nun einmal keine Entschuldigung! Der Zweck heiligt die Mittel war doch bloß eine Ausrede, sich der Methoden der Bösen zu bedienen, um seine Ziele zu erreichen. Doch wenn man zu den Guten zählte, musste man auch Gutes tun! Böses zu tun, erzeugte nur noch mehr Böses in der Welt – und diese Spirale musste durchbrochen werden! Nur dann kann die Welt sichererer und besser für alle werden! Doch davon abgesehen… gab es etwas viel wichtigeres zu klären. Er hatte zwar Rem bereits dazu befragt, aber er musste es einfach aus Light’s Mund hören! „Und… was ist mit mir?“, wagte er schließlich zu fragen. „Bitte antworte ehrlich. Keine Lügen mehr!“ „Der einzige Punkt, in dem ich gelogen habe, war die Sache mit Kira. Bezüglich meiner Gefühle für dich habe ich niemals gelogen. Ich habe mich ernsthaft in dich verliebt. Als ich bemerkte, was ich empfand, habe ich mit den Morden aufgehört. Der Mord an Misa war der Einzige, den ich danach begangen hab und das auch nur, weil sie dein Leben bedroht hatte.“ Ryuzaki sagte nichts dazu, aber eine innere Stimme sagte ihm, dass es wahr sein musste, da Kira mit den Morden aufhörte, zum selben Zeitpunkt, als er sich Light zu erkennen gab. Alle begangenen Morde seit diesem Tag waren auf Misa’s Konto zurückzuführen. „Was hast du jetzt vor?“, fragte Ryuzaki schließlich. „Ich hatte niemals vor, dich zu töten. Selbst, als ich erfuhr, wer du warst. Ich habe auch jetzt nicht vor, dich zu töten.“ „Und stattdessen?“ Light lächelte. Er schritt den Gang wieder hinunter und baute sich vor dem Schwarzhaarigen auf. Er musterte sein Gegenüber ernst. „Ich habe gründlich über den nächsten Schritt nachgedacht. Und ich denke, ich weiß nun, was ich zu tun habe.“ Light kramte in seiner Jackentasche und zog eine Gürtelschnalle hervor. Ryuzaki erkannte sie sofort: es war eine der Gürtelschnallen, die Watari den Mitgliedern der Sonderkommission überreicht hatte. Sollte sich einer von ihnen in Schwierigkeiten befinden, genügte ein Druck auf die Mitte der Schnalle um einen Hilferuf an das Hauptquartier zu senden. Verstärkung würde dann sofort ausgesandt werden. Ryuzaki verstand nicht so ganz, was Light jetzt damit tun wollte. Doch noch bevor er danach fragen konnte, betätigte der Brünette den Knopf und sandte einen Hilferuf aus. Ryuzaki war entsetzt. „Was tust du denn da?! Jetzt wissen dein Vater und die Anderen doch, wo du dich aufhältst!“ Light lächelte mild. „Ich weiß. Darum geht es doch.“ „…Ich verstehe nicht.“ „Ich habe vor, mich zu stellen. Das ist es doch, was du willst?“ Ryuzaki schüttelte den Kopf. Das konnte doch nicht sein ernst sein! Und wie kam Light überhaupt darauf, dass er das wollte? „Willst du mir damit etwa beweisen, dass du mit dem Morden aufhören willst?“, fragte Ryuzaki im gequälten Tonfall. „So ist es“, antwortete Light ohne zu zögern. „Ich habe nicht vor, weiter als Kira zu agieren. Doch sei ehrlich, Ryuzaki. Würde ich einfach sagen, dass ich mit dem Morden aufhöre und Kira einfach so in der Versenkung verschwinde würde, wäre dir das genug?“ Ryuzaki öffnete den Mund, um zu antworten, brachte aber keinen Ton heraus. „Wir wissen doch beide, dass es dir dein Gerechtigkeitssinn verbietet, diese Lösung anzunehmen. Er fordert eine gerechte Strafe für Kira, ist es nicht so?“, fuhr Light fort. Ryuzaki rankte nach den richtigen Worten. Es stimmte, der Meisterdetektiv L würde ohne zu zögern dafür sorgen, dass Kira seiner gerechten Strafe zugeführt würde. Aber L hatte sich verändert. Früher war es ihm nur wichtig, Verbrecher zu fassen – sein Privatleben war praktisch nicht vorhanden. Doch seit L auf Light Yagami traf, hatte sich das geändert. Zum ersten Mal in seinem Leben spürte er, wie sich Freundschaft anfühlte – und später dann wie es war, zu lieben und wieder geliebt zu werden. Und der jetzige L würde niemals wollen, dass der Mann, den er liebte, ins Gefängnis ging oder schlimmer noch, hingerichtet werden würde. Nein, das würde er niemals zulassen! Ganz gleich, was vorgefallen war. „Ich möchte nicht, dass du ins Gefängnis kommst“, antwortete Ryuzaki ruhig. „Dass du gelogen hast, kann ich eigentlich schon verstehen. Immerhin bin ich Derjenige, der Kira verhaften will. Und auf Kira’s Taten steht die Todesstrafe. Da kannst du natürlich nicht einfach so sagen, dass du Kira bist.“ „Und… das mit uns?“, hakte Light vorsichtig nach. „Glaubst du mir, dass ich dich wirlich liebe?“ Ryuzaki legte eine kurze Pause ein, dann sagte er leise: „Mein Herz sagt ja. Und wenn du mich nicht lieben würdest, hättest du wohl kaum die Sonderkommission gerufen.“ Light atmete erleichtert aus und setzte sich neben den Schwarzhaarigen. „Das ist wundervoll. Jetzt kann ich beruhigt sterben.“ „Das will ich aber nicht!“, fuhr ihn Ryuzaki an. „Du sagtest doch eben, dass du mit den Morden für immer aufhören und Kira verschwinden lassen willst. Wenn du das tust, würde mir das völlig reichen!“ Light musterte ihn fassungslos. „Aber… Vater und die anderen wissen doch, dass ich Kira bin! Das könnte doch niemals funktionieren!“ „Dann verschwinden wir eben! Niemand hat je erfahren, wo sich L aufhielt, dass könnten wir uns zunutze machen!“ „Du willst mit mir verschwinden?! Weißt du, was du da sagst?! Wenn sie uns erwischen, wirst du ebenfalls bestraft!“ „Nicht, wenn wir alle Beweise vernichten! Auf dem Video ist zwar zu sehen, wie Katsuragi stirbt und du sagst, dass du die Welt verändern willst, aber wie soll man das beweisen, wenn das Notizbuch verschwindet? Wir sagen, das Video wäre eine Fälschung!“ Light schüttelte den Kopf. Er konnte nicht glauben, dass Ryuzaki das für ihn tun wollte. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. „Warte! Das wäre ein großer Fehler von dir“, mischte sich nun Rem ein. Die ganze Zeit hatte sie schweigend dagestanden und das Geschehen beobachtet, doch sie konnte unmöglich zulassen, dass die beiden sich versöhnten und verschwanden, um irgendwo glücklich zusammen zu leben! Light hatte Misa getötet und dafür musste er bestraft werden! „Wenn du Light Yagami vertraust, unterschreibst du dein Todesurteil!“, fuhr Rem eindringlich fort. „Er wird dich töten, so wie Misa!“ Ryuzaki schüttelte den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht! Wenn es so wäre, hätte er mich doch schon längst getötet. Und warum sollte er sich sonst stellen wollen?“ „Das ist ein Trick, um dein Vertrauen zurück zu gewinnen! Und du lebst nur noch, weil er deinen richtigen Namen nicht kennt! Du solltest dich schützen, indem du das Death Note nutzt und ihn damit tötest!“ „Das ist nicht wahr. Er kennt meinen richtigen Namen. Ich habe ihn gesagt, wie ich heiße.“ Rem riss die Augen auf. „Was hast du?“, sagte sie fassungslos. „Und was dieses Notizbuch betrifft…“ Ryuzaki zog das Death Note hervor, dass Rem ihm kurz zuvor gegeben hatte, damit er sich im Notfall verteidigen konnte, und hielt es über eine der brennenden Kerzen, die Light angezündet hatte. Unter den entsetzten Augen Rem’s fing das Death Note ihrer geliebten Misa Feuer! „WAS TUST DU DA!!!“, schrie die Todesgöttin. „Das wird nicht mehr gebraucht“, meinte Ryuzaki entschieden und sah ungerührt zu, wie das schwarze Notizbuch verbrannte. Dann wandte er sich an Light. „Jetzt deins, Light. Wenn du es wirklich nicht mehr verwenden willst, besteht kein Grund mehr, dass es noch länger existieren sollte.“ Rem biss wütend die Zähne zusammen. Das dürfte doch nicht wahr sein! Sie hatte gehofft, Ryuzaki als Werkzeug ihrer Rache nutzen zu können, doch dieser Mann war stur und unverbesserlich. Dann blieb ihr wohl nur noch eines übrig, um Light den Schmerz zuzufügen, den er verdient hatte. Während Light langsam das Death Note hervor holte, drehte sie sich unauffällig weg und zückte ihren Stift. Light betrachtete das Notizbuch nachdenklich. „Was hast du?“, fragte Ryuzaki, den Light’s Zögern nicht sehr erfreute. „Ich sollte dir noch etwas sagen… Wenn das Death Note zerstört wird oder ich es an Ryuk zurückgebe, verliere ich all die Erinnerungen an das Geschehen.“ Ryuzaki zuckte zusammen. „Heißt das… du vergisst auch mich?“, fragte er ängstlich. Light schüttelte den Kopf. „Nein. Nur, dass ich Kira war und die Morde verübt habe. Meine Erinnerungen was dich und unsere gemeinsame Zeit betrifft, werden dann entsprechend verändert.“ „Umso besser! Vernichten wir es!“ Light lächelte und nickte. Er streckte das Notizbuch aus und wollte es gerade an der Kerze anzünden, als Ryuzaki plötzlich zusammenzuckte und die Augen aufriss. Light stutzte. „Ryuzaki? Was hast du?“ Der Ältere antwortet ihm nicht. Er stand nur da, mit weit aufgerissenen Augen und starrte in die Leere. Dann fiel er ganz langsam zur Seite um. Geschockt ließ Light das Death Note fallen und fing seinen Liebsten auf, bevor dieser den harten Boden berühren konnte. Verzweifelt sah der Brünette ihm ins Gesicht. Er hatte dieses Verhalten oft genug gesehen, um zu wissen, was passiert war: Ryuzaki hatte einen Herzinfarkt! Doch wie konnte das nur sein? Hilflos sah sich Light in der Kirche um – und sein Blick blieb an Rem hängen, die sich mit aufgeschlagenem Death Note und Stift vor ihm aufgebaut hatte. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre lilafarbenen Lippen. „WAS HAST DU GETAN?!!!!!“, brüllte Light sie wutentbrannt an. „Hast du wirklich geglaubt, dass du ungeschoren davonkommst? Dass ich dich mit deinem Geliebten davonlaufen lasse, während Misa nie wieder die Möglichkeit erhalten wird, eine glückliche Beziehung zu führen? Du hast ihr ganzes Leben zerstört.“ „Und warum hast du dann nicht mich getötet?!!“, schrie Light. Tränen rannen ihm über das Gesicht. „Weil ich will, dass du leidest, Light Yagami. Es gibt schlimmere Dinge, als nur den Tod. Und was wäre schmerzlicher für dich, als dass der Mann, den du liebst, deinetwegen sterben muss?“ Das Lächeln erstarb und Rem betrachtete Ryuzaki ausdruckslos. „Du hättest nicht sterben müssen. Aber du hast wolltest einfach nicht auf mich hören. Tut mir leid für dich.“ Mit diesen Worten verschwand Rem. Verzweifelt sah Light wieder zu Ryuzaki hinunter. Der schenkte ihm ein letztes Lächeln, dann schloss er langsam die Augen und sackte zusammen. Light erstarrte. Ryuk sagte irgendetwas zu ihm, doch Light hörte ihn nicht. Er saß wie betäubt auf dem Boden und starrte seinen toten Geliebten an. Dann, wie in Trance, hob er Ryuzaki hoch und trug ihn in das Zimmer, in dem die beiden vor einiger Zeit die Regennacht zusammen verbracht hatten. Er stieß die Balkontür mit dem Fuß auf und schritt langsam die Treppe in den Innenhof hinunter. Da es Winter war, waren die herrlichen Schwertlilien bereits verblüht. Dennoch ließ sich Light an der Stelle nieder, an der er damals kniete, um die Blüten zu betrachten. Es schneite. Kleine, weiße Flocken, die sanft vom Himmel segeln. Eine Windböe lässt sie tanzen. Ein schöner Anblick. Doch weder die Schneeflocken, noch der kalte Wind, der hin und wieder auffrischte, konnte den jungen Mann aus seiner Starre reißen. Die Schneeflocken verfingen sich in seinen braunen Haaren, der kalte Wind zauberte seine Wangen rot – doch er blieb regungslos. Seine braunen Augen fixierten allein die leblose Person in seinen Armen. Sirenen durchbrachen die Stille dieser, für diese Jahreszeit frühen, Winternacht. Sie kamen näher, im rasenden Tempo. Mit quietschenden Reifen hielten die Polizeiwagen vor der kleinen, verlassenen Kirche. Türen wurden aufgestoßen, Menschen stiegen eilig aus und rannten durch den Schnee auf die Kirche zu. Sie öffneten die gusseisernen Tore, die laut quietschten, als hätten sie etwas dagegen, dass diese Personen sich Eintritt verschafften. Ihre für den Schnee nicht geeigneten Schuhe rutschten auf den glatten Boden und hinterließen Spuren im weißen Pulver. Die Männer stürmten durch die große Holztür in die Kapelle, am Altar vorbei durch eine kleine Tür am Ende einer schmalen Treppe. Im Raum dahinter sahen sie sich zunächst orientierungslos um, bis jemand mit einem leichten Kopfnicken nach draußen zeigte. Dort, im kleinen Innenhof, saß er. Die Männer nickten sich zu, als Zeichen, dass sie nun zuschlagen würden. Endlich würden sie ihn festnehmen können! Sie stießen die Balkontür auf und rannten die schmale Treppe hinunter in den Innenhof. Sie umzingelten den jungen Mann und richteten drohend ihre Waffen auf ihn. Ein junger, schwarzhaariger Polizist zitterte angesichts des Bildes, das sich ihm bot. Er deutete auf die leblose Gestalt in den Armen des Jungen. „W- Was… Was hast du getan?!“ schrie er. „Du hast ihn umgebracht!!! Wie konntest du nur?!!!“ Ein Polizist mit Afro-Frisur hielt seinen Kollegen zurück. „Beruhig dich, Matsuda!“ Endlich regte sich der junge Mann. Müde hob er seinen Kopf, als sei er unendlich schwer, seine ausdruckslosen Augen schienen durch die beiden Männer hindurch zu sehen. „Seid still“, sagte er tonlos. „Macht nicht so viel Krach, sonst weckt ihr ihn noch auf.“ Ein älterer Polizist mit Brille, dessen schwarze Haare teilweise stark ergraut waren, beugte sich behutsam zu ihm hinunter, legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Junge, was redest du denn da? Er schläft nicht. Er ist tot.“ Der Brünette lachte. „Nein, das stimmt nicht. Er wird sicher gleich wieder aufwachen.“ Kopfschüttelnd steckten Matsuda und der andere Polizist ihre Waffen weg und hoben den Schwarzhaarigen aus den Armen des Brünetten, um ihn den Sanitätern zu übergeben. Dieser schrie und wehrte sich, wollte den Anderen nicht loslassen, nicht hergeben. „Nein! Gebt ihn mir zurück!! Er gehört mir! Ryuzaki!! Verlass mich nicht!! Du kannst unmöglich tot sein! RYUZAKI!! NEIN!!!!!!!!“ Light’s Kopf ruckte nach oben, als der Richter in den Saal zurückkehrte. Müde rieb er sich die Augen und schüttelte die Erinnerungen an jenen Abend ab. Die Verhandlung war nun abgeschlossen, alle Zeugen gehört und alle Beweise betrachtet. Es war an der Zeit, dass der Richter sein Urteil fällte. Der setzte sich an den Tisch und stieß hörbar den Atem aus. „In meinen 34 Jahren beruflicher Laufbahn ist mir noch nie ein Fall wie dieser untergekommen. Ein junger Mann, der gefährliche Verbrecher mithilfe eines Notizbuches getötet haben soll. Ehrlich gesagt habe ich Zweifel daran, dass das wahr ist.“ Ein Raunen ging durch die Zuschauermenge. Die Mitglieder der Sonderkommission sahen sich geschockt an und auch Light wirkte verwirrt. „Dieses Notizbuch, welches für diese Vorfälle verantwortlich sein soll, wurde dem Gericht nicht vorgelegt. Das so genannte Beweisvideo beweist meines Erachtens gar nichts. Und auch das Geständnis des Angeklagten erscheint mir recht fragwürdig. Zweifellos scheint der Angeklagte davon überzeugt zu sein, die Verbrechen auf diese Art verübt zu haben. Es erscheint mir wie ein schlechter Witz, dass hier überhaupt eine Anklage zustande gekommen ist. Darum ergeht im Namen des Gesetzes folgendes Urteil: Der Angeklagte Light Yagami wird von sämtlichen Anklagepunkten freigesprochen.“ Ein Sturm der Entrüstung brach im Saal los. Matsuda sprang auf und rief: „Ich habe doch schon gesagt, dass das Death Note, das wir hatten, zerstört wurde! Und das von Light muss er irgendwo versteckt haben!“ Der Richter schlug mehrmals mit dem Hammer auf den Tisch. „RUHE! Mir ist durchaus bewusst, dass dieses Urteil nicht auf die Gegenliebe der Allgemeinheit stößt. Jedoch habe ich den Eindruck gewonnen, dass es in erster Linie darum ging, einen Schuldigen für diese Mordfälle zu präsentieren. Man darf jedoch nicht vergessen, dass einen Unschuldigen zu verurteilen, nur damit die Öffentlichkeit beruhigt werden kann, keine Lösung sein sollte.“ Endlich verstummte die Menge. Der Richter wandte sich nun an Light. „Light Yagami. Ich möchte mich in aller Form dafür entschuldigen, dass Sie das hier durchmachen mussten. Meiner Meinung nach wurden Sie bereits genug bestraft, durch den Verlust Ihres Freundes. Hiermit entlässt Sie das Gericht in die Freiheit.“ Light, zunächst geschockt über das Urteil, sprang plötzlich auf und schrie verzweifelt: „NEIN! SIE DÜRFEN MICH NICHT FREILASSEN!! ICH WAR´S! ICH BIN KIRA!!! SIE MÜSSEN MICH VERURTEILEN!!“ Wieder brach ein Tumult im Saal aus und der Richter versuchte, die Menge zum Schweigen zu bringen. Light beruhigte sich jedoch nicht. Wütend versuchte er, sich dem Griff des Polizisten zu entziehen. „WARUM WOLLEN SIE MICH NICHT VERURTEILEN?! ICH VERDIENE DIE TODESSTRAFE!! WARUM LASSEN SIE MICH NICHT ZU RYUZAKI?!! ICH WILL ZU MEINEM RYUZAKI!!!“ Ryuk stand schweigend hinter dem Brünetten und seufzte. Schien so, als hätte dieses kleine Abenteuer jetzt endgültig sein Ende finden… ~ to be continued ~ Epilog: Für immer ----------------- Epilog „Ist das der Junge, den alle für Kira halten?“ „Ja. Aber er soll doch nicht dafür verurteilt worden sein.“ „Ich kann auch nicht glauben, dass er ein Mörder sein soll. Er spricht zwar kein einziges Wort, seid er vor ungefähr drei Monaten hier eingewiesen wurde, aber er ist dennoch freundlich und hilfsbereit zu allen hier in der Psychiatrie.“ „Ich glaube auch, dass ihm die ganze Sache in die Schuhe geschoben werden sollte. Schrecklich, wenn man bedenkt, dass sein Vater bei der Sonderkommission war und er selbst auch noch mitgeholfen hatte, Kira zu fangen!“ „Es gibt schon schreckliche Menschen auf der Welt…“ Die beiden Krankenschwestern hoben die Wäschekörbe mit der getrockneten Wäsche darin hoch und verließen das Dach der Psychiatrie. Light Yagami saß auf einer Bank auf dem Dach und starrte sanft lächelnd in den blauen Himmel. Er lächelte schon den ganzen Tag. Denn heute war ein besonderer Tag. Voller Erinnerungen. Langsam schloss Light die Augen und dachte an IHN. Ein wohliges Gefühl breitete sich in seinem ganzen Körper aus und spendete ihm Wärme. Als der Brünette die Augen wieder öffnete, stutzte er. Zunächst konnte er nicht erkennen, was er da sah. Doch dann klärte sich sein Blick und er glaubte, zu träumen. Vor ihm stand sein Geliebter und lächelte ihn an! War das real? Oder verlor er jetzt endgültig den Verstand? Sein Liebster lief an ihm vorbei zu hinteren Teil des Daches. Light sah ihm verwirrt hinterher, dann sprang er von der Bank auf und eilte ihm nach. Am Rande des Daches stand er dem Schwarzhaarigen gegenüber. Dieser hatte plötzlich mehrere Luftballons in den Händen, die sich hinter seinem Rücken befanden, und er schenkte ihm ein freudiges Lächeln. Nun lächelte auch Light. Überglücklich streckte er die Arme nach seinem Liebsten aus und überwand die wenigen Meter Abstand zwischen ihnen. Der Schwarzhaarige streckte ihm ebenfalls die Arme entgegen und fing ihn auf. Glücklich lagen sich die beiden Liebenden in den Armen… Auf einem Baum sitzend beobachtete Ryuk die ganze Szene. Er sah zu, wie die Krankenschwestern, die eben noch oben auf dem Dach waren, panisch in den Hof rannten. Wie sie den leblosen Körper Light Yagami’s anstarrten. Sie würden sich sicher fragen, wie ein Patient vom Dach fallen konnte, wo dieses doch abgezäunt war. Die Antwort darauf werden sie jedoch nicht finden können. Nur Ryuk kannte sie. Er warf einen Blick in sein Death Note und las noch einmal den letzten Eintrag darin: 05. April 2011 Light Yagami Sturz vom Dach Light Yagami sitzt auf dem Dach der Psychiatrie, als er plötzlich glaubt, seinen toten Geliebten zu sehen. Im Glauben, diesem in die Arme zu springen, stößt er durch das morsche Gitter und stürzt in den Tod. Ryuk klappte das Death Note zu und steckte es in die Gürteltasche. Darin befand sich bereits Light’s Death Note, welches Light in der Kirche fallen ließ und durch einen Spalt im Boden rutschte, sodass es die Polizisten nicht finden konnten. Dann richtete sich der Todesgott auf und streckte sich genüsslich. Er warf einen letzten Blick auf seinen ehemaligen Partner. „Tja, das war’s dann wohl“, sagte er laut zu sich selbst. „Schade, dass es so enden musste. Mach’s gut, Light. Hat Spaß gemacht.“ Ryuk spannte seine riesigen, schwarzen Flügel und schwang sich in die Lüfte. Ohne sich noch einmal umzudrehen, flog er zurück in die Welt der Shinigami. ~ Owari ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)