I hate that I love you von Tamanna (L x Light) ================================================================================ Kapitel 5: Rettung ------------------ Kapitel 5: Rettung Sein Kopf schmerzte, alles drehte sich. Er versuchte, die Augen zu öffnen, doch irgendwie wollte das nicht funktionieren. Sie fühlten sich schwer wie Blei an. Er versuchte, sich zu erinnern, was geschehen war, doch da war nur Leere in seinem Kopf. Okay, Light! Atme erst einmal tief durch! Konzentriere dich! Was ist geschehen? Ich habe diesen Geheimgang entdeckt… und da war dieses unterirdische Labor… Arisa… und die Todesfälle der Kinder… Genau… und dann spürte ich diesen Schmerz… Wie viel Zeit ist seitdem vergangen? Wo bin ich hier nur? Erneut versuchte Light, die Augen zu öffnen, diesmal mit Erfolg. Er sah nur grelles Licht. Automatisch drehte Light seinen Kopf zur Seite. Jetzt konnte er erkennen, dass er in einem grell weißen, sterilen Labor war. Und offenbar lag er auf einer Bahre. So weit, so gut. Als Light aber aufstehen wollten, musste er erstmal feststellen, dass er sich nicht rühren konnte. Ein Blick nach unten offenbarte ihm, dass Fesseln an Hand- und Fußgelenken, sowie einmal um seine Hüfte ihn am Flüchten hinderten. Befreien war nicht möglich, dass spürte Light, als er sich leicht bewegte. Er steckte ordentlich in der Klemme. Aber Light wäre nicht landesweit der Beste, wenn er nicht bereits einen Plan für diese Situation hätte. Light erinnerte sich wieder daran, dass er die Mitte seiner Gürtelschnalle gedrückt hatte, bevor er ohnmächtig wurde. Sein Gürtel war nämlich eine Spezialanfertigung von Watari, die Ryuzaki ihm gegeben hatte. Sollte irgendetwas schief laufen, musste Light nur die Mitte seiner Gürtelschnalle betätigen und schon würde automatisch ein Notrufsignal an Watari’s Handy gesendet werden. Ryuzaki müsste also mittlerweile alarmiert worden sein. Sicher war er verdammt schlecht gelaunt, schließlich war er von Anfang an gegen Light’s waghalsige Aktion gewesen. Trotzdem würde Ryuzaki ihn nicht hier sterben lassen. Light vertraute ihm. Jetzt gab es eigentlich nur noch eines zu tun… „R… Ry…“ Light versuchte vergeblich zu sprechen. Sein Mund fühlte sich staubtrocken an. Er hustete ein paar Mal kräftig, dann versuchte er es noch einmal. „Ryuk… Bist du noch da?“ Über seinen Kopf erschien das vertraute Gesicht mit dem typisch breiten Grinsen. „Uh-hu~ Sieh einer an! Du steckst aber ordentlich in der Tinte, was Junge?“ „Scheint dich ja sehr zu freuen…“ „Sicher. Endlich mal wieder ein bisschen Spannung für mich. Außer, dass du zig Verbrecher mit dem Death Note getötet hast, ist ja in den vergangenen Wochen nichts weiter passiert.“ „Ryuk… Du weißt doch noch, was wir besprochen haben… Geh jetzt… und sorge dafür, dass alles nach Plan verläuft…“ Ryuk’s Grinsen erstarb allmählich. „Bist du sicher, dass ich dich hier allein lassen soll?“ „Du kannst hier nichts tun… Geh ruhig, ich komme schon zurecht… Sag ihr… dass die Leute hier definitiv schuldig sind… und was sie als Nächstes tun soll… und vor allem… wann sie es tun soll…“ „Ist gut… Bis später dann, Kleiner.“ Ryuk fuhr seine pechschwarzen Flügel aus und verschwand durch die Decke. Light entspannte seine Muskeln, schloss die Augen und holte tief Luft. Es war alles vorbereitet und Hilfe war bestimmt schon unterwegs. Jetzt musste er nur noch durchhalten – und das würde das Schwierigste werden… „Und, Doktor Ashimoto? Wie steht es um meine Gesundheit? Kann ich endlich das Krankenhaus verlassen?“ Soichiro rutschte unruhig unter seiner Bettdecke umher. Seit über einen Monat lag er nun schon im Ibaraki-Hospital. Mittlerweile ging es ihm schon viel besser und es juckte ihn in seinen Fingern, wieder am Kira-Fall zu arbeiten. Dr. Ashimoto schrieb etwas auf sein Untersuchungsformular, dann hing er es zurück ans Fußende des Krankenhausbettes und stopfte beide Hände in die Taschen seines Arztkittels. „Sie sind soweit wieder fit. Ich denke, Sie können morgen das Krankenhaus wieder verlassen. Sie dürfen sogar wieder arbeiten, da sehe ich kein Problem. Dennoch muss ich Ihnen nahe legen, es langsam anzugehen. Sie dürfen sich auf keinen Fall wieder so überanstrengen. Meiden Sie alles, was Sie übermäßig aufregt. Essen und schlafen Sie regelmäßig! Ein Herzinfarkt ist keine Kleinigkeit!“ „Selbstverständlich. Haben Sie vielen Dank, Dr. Ashimoto.“ Der Arzt verließ das Zimmer. Soichiro griff sofort nach dem Telefonhörer, um daheim anzurufen und die guten Nachrichten mitzuteilen. „Hallo, Sachiko, mein Schatz. Stell dir vor, ich kann morgen das Krankenhaus wieder verlassen!“ „Oh… das ist ja wunderbar, Liebling…“ „Stimmt etwas nicht? Du klingst so bedrückt.“ „Nein. Nein, es ist alles in bester Ordnung… Ich freue mich schon darauf, dass du endlich wieder nach Hause kommst. Sayu vermisst dich schon sehr.“ „Ja, ich freue mich auch. Sachiko, könnte Light mich morgen abholen?“ „… Wieso? Ich kann dich doch auch abholen…“ Soichiro wollte Light unbedingt fragen, ob sich der Verdacht gegen ihn schon entkräftet hätte, aber das konnte er ja schlecht seiner Frau erzählen. Dennoch wurde Soichiro das Gefühl nicht los, das irgendetwas nicht in Ordnung war. Das spürte er sofort. Immerhin waren Sachiko und er seit fast 20 Jahren verheiratet, kannten sich seit 25 Jahren und waren ebenso lange verliebt. Sachiko konnte ihm nichts vormachen. „Sachiko… ist etwas mit Light?“ „…“ „Sachiko, ich weiß ganz genau, das etwas nicht in Ordnung ist. Was ist mit Light passiert?“ Soichiro vernahm als nächstes ein leises Fiepen, dann ein Schluchzen. „Sachiko?“ „Es ist so schrecklich! Light… Light ist verschwunden! Ich habe gestern den ganzen Tag auf ihn gewartet, aber er ist nicht von der Arbeit nach Hause gekommen! Als ich dort anrief, sagte man mir, dass er heute nicht zur Arbeit erschienen wäre…“ „Welche Arbeit?! Was ist passiert, Sachiko? Erzähl mir alles der Reihe nach…“ Er hatte es gewusst. Er hatte es gewusst! Missmutig stocherte Ryuzaki in seinem Eisbecher herum. Er hätte Light niemals in diese Firma einschleusen sollen. Er hatte doch von Anfang an geahnt, dass das Schwierigkeiten geben würde und nun hatten sie den Salat! Jetzt musste er schnell handeln. Die Vorbereitungen dafür liefen momentan auf Hochtouren. Hoffentlich konnten sie Light unversehrt aus diesem Höllenloch befreien. Sorgfältig wischte Ryuzaki den Rand des Glasbechers mit dem Zeigefinger ab und schleckte diesen genüsslich ab. Ein Signal ertönte. Watari meldete sich. „Was gibt es, Watari?“ „Ryuzaki, Herr Yagami ist hier. Er möchte Sie umgehend sprechen. Ich vermute, es geht um seinen Sohn.“ Ryuzaki, der seinen Finger wieder in den Glasbecher tauchen wollte, hielt inne. Wie hatte dieser Mann nur davon erfahren? Hoffentlich regte er sich nicht zu sehr auf. „Gut. Lassen Sie ihn rein. Ach, und ich hätte gerne ein Stück Erdbeertorte.“ „Bedaure, die ist alle. Ich bin noch nicht dazu gekommen, Nachschub zu kaufen.“ Ryuzaki seufzte. Die schlechten Nachrichten hörten einfach nicht auf! „Ryuzaki! Wo ist mein Sohn?!“ Soichiro stieß die Tür auf. Ryuzaki musterte ihn eingehend. Sein Haar, das früher rabenschwarz war, wurde nun von dicken, grauen Strähnen durchzogen. Die Strapazen der vergangenen Tage waren ihm ganz klar anzuerkennen. „Bitte beruhigen Sie sich, Herr Yagami. Sie dürfen sich auf gar keinen Fall aufregen, das täte Ihnen nicht gut. Ich vermute, dass Sie bereits im Bilde darüber sind, was mit Light geschehen ist.“ „Ja. Meine Frau hat mich darüber informiert, dass Light in dieser Firma arbeitet. Und dass er seit gestern verschwunden ist.“ „Light hat sich auf meine Bitte hin dort eingeschleust. Diese Firma steht in Verdacht, Schuld an mehreren Morden zu tragen. Aber irgendetwas ist dabei schief gegangen. Vorgestern ging ein Notrufsignal von Light ein. Ich konnte bisher nicht herausfinden, was genau vorgefallen ist, aber ich werde ganz sicher nicht abwarten, was passiert. Ich habe Watari und die anderen Mitglieder der Sonderkommission angewiesen, sich darauf vorzubereiten, die Firma zu stürmen. Sobald die Vorbereitungen abgeschlossen sind, holen wir Light da raus.“ Soichiro nickte nur. Er kannte den Meisterdetektiv mittlerweile lange genug, um zu wissen, dass dieser genau wusste, was er tat. Hoffentlich ging das gut… Derweil lag Light immer noch auf der Bahre und starrte die kahle Decke an. Langsam wurde das hier langweilig. Er hatte sich sonst etwas ausgemahlt, was diese Leute mit ihm tun würden – aber schon seit Stunden tauchte hier keiner auf. Hatten die ihn vergessen, oder was? Wie, um seine Frage zu beantworten, wurde seine Bahre plötzlich in die senkrechte gebracht. „Wie geht es Ihnen, Herr Yagami? Gefällt Ihnen unsere Gastfreundschaft? Ist es bequem?“ Light rollte mit den Augen. „Aber ja, Herr Osoreda. Sie kümmern sich mal wieder ausgezeichnet um mich“, murrte er sarkastisch. Kiichiro Osoreda trat gemächlich vor Light, die Hände auf dem Rücken verschränkt, ein breites Grinsen im Gesicht. „Wissen Sie, Herr Yagami, ich bin sehr enttäuscht von Ihnen. Ich hatte in den letzten Tagen den Eindruck gewonnen, dass Sie ein sehr tüchtiger und intelligenter junger Mann sind. Ich wollte Ihnen sogar eine Festanstellung bei uns anbieten. Aber das war, bevor Sie Detektiv gespielt haben…“ Den letzten Satz hatte Osoreda äußerst bedrohlich von sich gegeben. Light beeindruckte das aber nicht im Geringsten. Dieser Mann war für ihn Abschaum. Ein widerlicher Kerl, der sich einbildete, entscheiden zu können, wer leben darf und wer nicht. Er hatte keine Angst vor ihm. „Ich habe nicht »Detektiv gespielt«“, erwiderte Light schnippisch, „ich habe Beweise für Ihre Schuld gesammelt.“ „Meiner Schuld? Habe ich etwas verbrochen?“ fragte Osoreda in gespielter Verblüffung. Light verengte die Augen zu Schlitzen. „Tun Sie nicht so unschuldig. Sie wissen doch genau, wovon ich rede! Oder wollen Sie etwa behaupten, dass Ihre Mitarbeiter sich freiwillig umgebracht haben?!“ Osoreda bleckte die Zähne. „Sie werden überrascht sein: Ja!“ Light war tatsächlich überrascht. Meinte der das ernst? Aber das war doch völlig unsinnig! „Reden Sie keinen Unsinn! Ich weiß, dass der Mann, der im Zoo gearbeitet hat, an einer Katzenphobie litt!“ „Jeder, der Mitarbeiter, die gestorben sind, litten an einer Phobie. Höhenangst, Angst vor der Geschwindigkeit, Feuerphobie… Das war wirklich eine bunte Mischung. Aber ich kann Ihnen versichern, dass jeder von ihnen freiwillig in den Tod ging. Ich habe sie zu nichts gezwungen. Sie haben sich geopfert… für das Wohl der Menschheit. Um ihren Leidensgenossen Hoffnung und Mut zu geben. Und um der Forschung zu dienen.“ „Wovon reden Sie eigentlich?!“ „Nun, ich denke, es schadet nicht, wenn ich Ihnen die Hintergründe dieses Experiments erläutere. Sie werden dieses Gebäude ohnehin nicht lebend verlassen.“ Light verzog das Gesicht. Schon wieder so ein dummes Klischee! Und nun wusste er auch, wer für diesen Blödsinn verantwortlich war. Osoreda betrachtete nachdenklich seine Hand. „Wissen Sie, wie es sich anfühlt, an einer Phobie zu leiden?“ „Nein, nicht wirklich. Ich leide an keiner.“ „Es ist die Hölle, Herr Yagami. Mit dieser Angst leben zu müssen. Die Angst, die unser ganzes Leben bestimmt… und es ständig einschränkt. Was meinen Sie, was solche Menschen tun sollen? Sich von der Angst auffressen lassen? Oder sie eines Tages bezwingen, ohne zu weinen, ohne zu schreien, ohne die Fassung zu verlieren? Die Angst ist ein Feind, Herr Yagami. Ein Feind, der unser Leben zu kontrollieren und oft zu zerstören droht. Und was macht man mit solchen Feinden?! Man bekämpft sie – immer und immer weiter – bis sie bezwungen sind! Bis man als Sieger hervorgeht! Ich habe das schon früh erkannt… und nach einer Methode gesucht, um den Kämpfern zum Sieg zu verhelfen. Nach 25 Jahren intensiver Forschung ist meine Suche nun endlich von Erfolg gekrönt!“ Allmählich wurde Light doch nervös. Dieser Mann redete wirres Zeug… und klang dabei so nüchtern und gefasst, dass einem ein kalter Schauer über den Rücken lief. Herr Osoreda wandte sich dem Tisch hinter sich zu und nahm einen kleinen Gegenstand von dort weg. Er zeigte ihn Light: es war ein kleine Elektrode. „Diese Elektrode ist das Mittel, um über die Angst zu siegen, Herr Yagami.“ „Und wie soll das bitte schön funktionieren?“ „Wissen Sie, welche Region im Gehirn die Angst steuert?“ „… Die Amygdala.“ „Ausgezeichnet! Richtig, die Amygdala steuert einen ganz simplen Prozess im Gehirn: Sie schnappt die winzigste Information auf, zum Beispiel das Sehen oder Hören von Gefahr, fühlt sich stimuliert, setzt eine Substanz frei und schon lösen Neuronen eine Vielzahl von Reaktionen aus: Lähmung oder Erregung, akute Muskelkrämpfe, Herzklopfen und noch etliche andere Erscheinungsformen, die aber alle Komponenten der Angst sind. Schaltet man die Amygdala aus, so verschwindet die Angst.“ „Ja, allerdings nicht nur die. Angenommen die Amygdala wird verletzt, dann empfindet man nicht nur keine Angst mehr, sondern empfindet auch sonst keinerlei Emotionen. Was man dann noch hat, ist ein gefühlloser Roboter!“ erwiderte Light unwirsch. Osoreda lächelte nachsichtig. Was versteht so ein junges Ding schon von lebenswichtigen Entscheidungen? „Ich denke, das ist ein geringer Preis, dafür, dass man den Kampf gegen die Angst gewinnt!“ „Aber wie haben Sie die Elektrode an die Amygdala angebracht?“ „Ganz einfach mittels einer Gehirnoperation. Aber keine Sorge: wir haben hier keine illegalen Operationen durchgeführt. Das Einsetzen der Elektrode wurde ganz legal bei einer Operation in einem Krankenhaus vorgenommen.“ „Kein Arzt implantiert bewusst eine Elektrode an der Amygdala!“ Zur Antwort hielt Osoreda Light eine Pillendose vors Gesicht. Es war ein Medikament gegen Herzversagen, doch nahm ein gesunder Mensch dieses Medikament regelmäßig ein, bewirkte es heftiges Zittern. „Unsere Kämpfer haben das Medikament buchstabengenau nach den Angaben auf dem Etikett eingenommen. Solange, bis sich das Zittern auf unerträgliche Weise einstellt. Die einzige Möglichkeit, das Zittern wieder loszuwerden…“ „… ist das Einsetzen einer Elektrode im Thalamus, einer Hirnregion zwei Zentimeter von der Amygdala entfernt“, beendete Light aufgeregt den Satz. Er konnte sich schon denken, wie die Geschichte weiterging. „Wieder richtig! Es wurde also eine Operation angesetzt, um die Elektrode im Thalamus einzusetzen. Durch das sogenannte stereotaktische Verfahren wird die Zone im Gehirn lokalisiert, die durch diese Operation stillgelegt werden soll. Das machen aber nicht die Chirurgen selbst, sondern die Radiologen. Wenn der Chirurg den OP-Saal betritt, liegen ihm alle exakten Daten bereits vor. Er muss dann nur noch die Elektrode an der angegebenen Zone einsetzen.“ „Und unter den Radiologen befindet sich einer Ihrer Leute, nicht wahr? Und der hat dann die Daten gefälscht, damit der Chirurg die Elektrode an der Amygdala implantiert und nicht im Thalamus.“ „So sieht es aus. Dann waren sie bereit für die letzte Schlacht. Der letzte Kampf, bei dem es darum ging, die Angst zu bezwingen und endlich den Sieg einzufahren! Und da die Zeitung über diese Vorfälle berichtet hatte, konnten alle Leidensgenossen dieser Welt an ihrem Sieg teilhaben! Sie alle haben gesehen, dass das Unmögliche möglich ist. Bald schon werden nicht nur die Menschen, die an einer Phobie leiden, von unserer Wunderheilung profitieren wollen. Dann ist die Angst… nur noch Geschichte!“ Light schüttelte nur den Kopf. „Und was ist mit Arisa und den anderen Kindern? Und dem Medikament, dass Sie ihnen gegeben haben?“ „Ach ja, die Kinder…“ Osoreda’s Blick wurde ganz glasig. „Eine schreckliche Tragödie… Ich gebe zu, da habe ich einen Fehler gemacht. Ich hätte das Medikament noch gründlicher testen sollen, ehe ich es ausprobiere. Da der Wirkstoff sich aber erst nach 8 Jahren entfaltet, musste ich sofort handeln. Ich konnte unmöglich noch länger warten! Dass die Kinder sterben, war ein Risiko, dessen ich mir durchaus bewusst war. Dennoch bedaure ich es zutiefst. Glücklicherweise war unser Experiment kein völliger Fehlschlag. Arisa ist der Beweis dafür. Bei ihr hat sich der Wirkstoff in etwas Proteinartiges verwandelt und ihre Fähigkeiten erweitert. Jetzt müssen wir sie nur noch untersuchen, um herauszufinden, was sie den anderen Kindern voraus hatte, um so die Fehler dieses Versuchs zu beseitigen.“ „Wozu?! Was wollen Sie denn damit erreichen?!“ „Perfektion… Herr Yagami. Die Menschen sind fehlerhaft und machen sich selbst das Leben schwer. Ich suche nach einem Weg, dass zu ändern. Und nach 8 Jahren intensiver Forschung und Experimente bin ich kurz vorm Ziel angelangt. Ich stehe so kurz davor, den perfekten Menschen zu erschaffen. Ein Mensch, der keine Angst mehr spürt, dessen IQ ums dreifache gestiegen ist und vielleicht die ein oder andere ungewöhnliche Fähigkeit erhalten hat.“ „Und dem jede Emotion fehlt“, fügte Light trocken hinzu. „Herr Yagami, Emotionen sind hinderlich. Sie sind der Hauptgrund, dass Menschen so unvollkommen und fehlerhaft sind. Ohne sie wird es den Menschen viel besser gehen. Das hier ist alles nur zum Wohl der Menschheit.“ „Gehört es auch zum Wohl der Menschheit, Menschen als Versuchskaninchen zu benutzen?“ „Warum Versuchskaninchen? Meine Mitarbeiter haben mit Freuden gegen ihre Angst angekämpft. Sie waren dankbar!“ „Die meine ich nicht!!! Ich rede von den Kindern! Und was ist mit dieser Frau Misora?! Keiner von denen wollte sterben!!“ „Ich sagte doch schon: das war ein bedauerlicher Zwischenfall. Und was diese Frau Misora angeht, so hätte sie einfach nicht hier herumschnüffeln dürfen. Außerdem habe ich gehört, dass ihr Verlobter einer dieser FBI-Agenten war, die von Kira getötet wurden. Sie ist sicher glücklich, jetzt, wo sie wieder bei ihm ist.“ „SO EIN UNSINN!!!“ Light zog wie verrückt an seinen Fesseln. Er platzte fast vor Wut. Am Liebsten hätte er Osoreda ins Gesicht geschlagen. „Sie werden damit niemals durchkommen! Dieser Schwachsinn mit dem perfekten Menschen wird nie funktionieren!!“ Osoreda hob eine Augenbraue. „So? Nun, das können wir doch gleich mal testen!“ Schwungvoll drehte er sich um und füllte eine Spritze mit einer klaren Flüssigkeit. Light schluckte schwer und fragte nervös: „Was ist das?“ „Der besagte Wirkstoff“, flüsterte Osoreda andächtig. „Allerdings auch nur ein Prototyp. Ich weiß nicht genau, wie es auf Menschen wirkt. Aber keine Sorge: diesmal werde ich es vorher noch testen, ehe ich es in Umlauf bringe. Und zwar an Ihnen!“ „…!“ „Ja, Herr Yagami. Sie dürfen sich freuen. Sie dürfen sich heute im Namen der Wissenschaft opfern!!“ Mit beängstigend freundlichem Lächeln trat Osoreda mit der Spritze in der Hand an die Bahre heran. Light versuchte vergeblich, sich zu befreien. Aber je mehr er an den Fesseln zog, desto fester wurden sie. Er konnte nicht entkommen… Dann, ganz plötzlich, spürte er einen Stich in seinem Oberarm. Hilflos musste er mitansehen, wie Osoreda die Spritze runterdrückte und die Flüssigkeit in seine Blutbahnen gelangte. Das Zeug wirkte unheimlich schnell: Innerhalb weniger Sekunden drehte sein Kreislauf völlig durch, sein Herz raste unnatürlich schnell und er hatte Schwierigkeiten, Luft zu holen. Alles drehte sich… sein Blick verschwamm… und dann gab es einen lauten Knall. Das Letzte, was Light sah, ehe sein Blick sich verdunkelte, war eine vertraute Gestalt mit heller Haut und schwarzem Haar, die seinen Namen rief… Wo bin ich? Bin ich… tot? Muss wohl so sein… da hinten ist ein weißes Licht. Aber wer war diese komische Gestalt? Etwa ein Engel? Und was ist das für ein Piepsen? „Wie geht es ihm, Herr Doktor?“ Was ist das für eine Stimme? „Nun… wir haben seinen Körper ausgepumpt. Das Problem ist, dass wir noch nicht feststellen konnten, welchen Schaden der Wirkstoff bisher angerichtet hat. Innerlich geht es ihm jedenfalls gut. Das ist alles, was wir im Moment tun können. Jetzt bleibt uns nur noch abzuwarten, bis Ihr Sohn aufwacht…“ „… Gut, ich danke Ihnen, Herr Doktor…“ Aufwachen? Kann es sein, dass… Lebe ich etwa noch?! Light’s Augen flackerten. Er versuchte, sie zu öffnen, seine Gliedmaßen zu bewegen, aber alles fühlte sich schwer wie Blei an. Er spürte, wie sich jemand über ihn beugte, wobei er sich auf die Matratze stützte. „Light?“ flüsterte er aufgeregt. „Light, hörst du mich? Wach doch bitte auf, mein Junge!“ Na los, Light! Schlag endlich deine Augen auf! Zu seiner Erleichterung stellte Light fest, dass sein Körper ihm endlich gehorchte. Zuerst war alles nur verschwommen, dann erkannte er allmählich die Person neben sich: es war sein Vater - überaus erleichtert und ziemlich abgekämpft, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen. „Light! Gott sei Dank, du bist aufgewacht! Ich habe mir solche Sorgen gemacht…“ „Wie lange… war ich bewusstlos?“ krächzte Light leise. „Drei Tage“, sagte eine Stimme an der Tür. Light drehte den Kopf zur Tür – dort stand Ryuzaki, sein Blick war von seinem Haarschopf verdeckt. „Drei Tage…“ flüsterte Light kaum hörbar. Betretenes Schweigen legte sich zwischen die drei Personen. Ryuzaki brach es schließlich: „Herr Yagami, Sie haben seit Tagen nicht mehr geschlafen. Für einen Mann, der gerade einen Herzinfarkt hinter sich hatte, ist das gar nicht gut. Ich schlage vor, dass Sie jetzt nach Hause fahren und sich erstmal gründlich ausschlafen. Light ist jetzt wach…“ Soichiro wollte widersprechen, doch es ging ihm tatsächlich nicht besonders gut. Und jetzt, wo Light endlich wach war, entspannte er sich auch langsam. Also nahm er sein Jackett von der Stuhllehne und verließ mit einem letzten, erleichterten Blick auf seinen Sohn das Krankenzimmer. Nachdem sein Vater gegangen war, drückte Light auf den Knopf seiner Fernbedienung des Bettes, um seine Kopflehne höher zu stellen. „Ryuzaki… es tut mir wirklich Leid. Ich habe wirklich nicht gewollt, dass es soweit…“ Light verstummte schlagartig, als er etwas Glitzerndes aus dem Gesicht des Meisterdetektivs tropfen sah. Weinte er etwa? „Ryuzaki…“ „Es tut mir so leid, Light“, schluchzte Ryuzaki kaum hörbar. „Ich hätte nie zulassen sollen, dass du dich in Gefahr begibst. Wenn du gestorben wärst…“ Ryuzaki’s Stimme brach ab. „Aber ich lebe noch“, erwiderte Light sanft. „Du hast mich gerettet. Wie ich es erwartet habe. Ich wusste, du würdest mich beschützen. Ich hatte keine Angst…“ Langsam trat Ryuzaki an das Krankenbett, ließ sich behutsam neben ihn nieder. In seinen dunklen Augen schimmerten Tränen. Und dann fiel er Light um den Hals und weinte sich an dessen Schultern aus. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht…“ Light legte sofort seine Arme um den Älteren und drückte ihn ganz fest an seine Brust. Er fühlte sich warm an. Nachdem sich Ryuzaki wieder beruhigt hatte, erzählte Light ihm genau, was im Labor geschehen war. Ryuzaki seufzte und zog seine Knie an. „Die Angst vernichten… so ein Unsinn.“ „Nun ja… es ist zumindest verständlich“, warf Light zögernd ein. „Angst haben wir alle. Sie ist uns angeboren. Sie ist sogar notwendig. Sie verlässt uns auch nie. Sie ist eine Lebensgrundlage. Ohne Angst käme man gar nicht über die Kindheit hinaus. Angst ist die Wahrnehmung von Gefahr und die Reaktionen, die sie in dir auslöst, schützt dich vor der Gefahr. Erst der Tod lässt die Angst verschwinden. Aber das kann ja wohl nicht die Lösung sein.“ „Ich weiß. Ich weiß auch, dass eine Phobie keine simple Angst ist. Sie ist ein Handicap, nicht kontrollierbar. Das Leben richtet sich nach ihr aus… und manchmal bringt sie einen sogar um.“ „Falsch. Man stirbt an seiner Phobie, wenn man sich von der Angst überfluten lässt. Man muss nur lernen, mit ihr zu leben. Ohne Angst kann man jedenfalls nicht leben. Sie ist noch viel mehr als eine Emotion: Sie ist ein Grundpfeiler der Persönlichkeit.“ Light hob eine Augenbraue. „Was meinst du mit »Grundpfeiler der Persönlichkeit«?“ Wieder einmal begann Ryuzaki, an seinen Fingernägeln zu knabbern. „Hast du noch nie etwas von der mentalen Pyramide gehört?“ Light schüttelte den Kopf und Ryuzaki fuhr fort: „Sie ist eine faszinierende und originelle Darstellung der menschlichen Persönlichkeit. Die Angst ist demnach eine der fundamentalen Komponenten unserer Persönlichkeit, wie auch Schmerz und Begehren. Diese drei Energien haben wir in uns, zwar in variablen Proportionen und Ausformungen, aber immer sind sie genetisch bedingt. Jedes Individuum besitzt eine Art energetische Karte. Die darin vorherrschende Energie bestimmt unsere Persönlichkeit: ist es der Bezug zur Angst, ist man eher schüchtern oder waghalsig; ist es der Schmerz, wird man kämpferisch oder aggressiv, sobald man auf einen starken Widerstand stößt; ist man aber sehr schmerzempfindlich, bleibt man in Deckung, leidet still. Ist das Begehren vorherrschend, ob bewusst oder unbewusst, wird man es immer aufs Verführen anlegen. Verstehst du?“ Wieder nickte Light. Und er war beeindruckt. Ryuzaki verstand wirklich viel von Psychologie. „Die Kombinationsmöglichkeiten dieser drei Komponenten ergeben die unterschiedlichsten Persönlichkeiten! Wie soll man nun, davon ausgehend, sich vorstellen, dass ein Mensch sich von der Angst frei machen könnte, wenn sie doch ein Grundstein seiner Persönlichkeit ist?“ „Ich verstehe. Befreit man sich von der Angst, befreit man sich von seiner Persönlichkeit, seiner Emotionen. Und zurück bleibt nur ein gefühlloser Roboter.“ „So kann man das ausdrücken.“ „Und wie geht es jetzt weiter? Was passiert zum Beispiel mit Arisa?“ „Watari hat sich ihrer angenommen. Er hat sie in ein spezielles Waisenhaus gebracht. Dort wird man sich gut um die Kleine kümmern. In dem Waisenhaus wird sie lernen, mit ihren besonderen Fähigkeiten umzugehen.“ „Was ist mit den Leuten von Ikagu? Und Herr Osoreda?“ „Wir haben sie alle verhaftet. Dank deinem Undercover-Einsatz konnten wir genügend Beweise finden, um sie zu verhaften. Sogar die fahrlässige Tötung der vielen Kinder. Sie müssten gerade überführt werden…“ Ryuzaki schnappte sich die Fernbedienung und schaltete den Fernseher an. Der Sender zeigte live, wie die Mitarbeiter – allen voran Kiichiro Osoreda – von den Polizisten abgeführt wurden. Viele Schaulustige hatten sich versammelt, darunter anscheinend auch Angehörige der Opfer. Sie riefen laut: „Ihr Mörder!! Haftstrafe ist noch zu wenig für euch! Kira sollte euch dafür bestrafen!!“ Und von einer Sekunde auf die andere wurden ihre Gebete erhört: einer nach dem anderen schrieen plötzlich auf, krampften sich zusammen und fielen dann leblos um. Ryuzaki sprang auf. Vor seinen Augen hatte Kira diese Menschen ermordet! Aber was noch interessanter war: Light hatte anscheinend keine Muskel bewegt, um etwas Derartiges zu bewirken. War er etwa doch nicht Kira? Was Ryuzaki nicht wissen konnte: Light hatte das von Anfang an geplant. Zuerst wollte Light selbst die Mitarbeiter von Ikagu zur Strecke bringen. Aber dann hielt er inne. Was wäre, wenn diese Menschen doch nicht schuldig waren? Wenn er zu voreilig handelte? Dann würde er Unschuldige töten… Also fasste er einen neuen Plan: Misa sollte ihm dabei helfen. Sobald Ryuk bei ihr auftauchte, sollte sie alles stehen und liegen lassen und sich bereithalten. Sollten diese Menschen tatsächlich festgenommen werden, gäbe es keinen Grund, sie nicht zu bestrafen. Bei einem so schwerwiegenden Fall war sich Light sicher gewesen, dass die Presse davon live berichten würde. Misa brauchte dann nur noch die Namen der Personen im Fernseher zu lesen und aufzuschreiben. Und da L die ganze Zeit mit ihm zusammen war, konnte dieser sich selbst davon überzeugen, dass Light unmöglich Kira war. Alles lief nach Plan… ~ Fortsetzung folgt ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)