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Children of the Prophecy

Die Kinder der Prophezeihung
von

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17: [Instrumente von Schicksal und Vorsehung]


 

17: [Instrumente von Schicksal und Vorsehung]
 

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In your creation heaven did decree
 

That in your arms sweet death should dwell
 

Deep silent complete, black velvet sea
 

The sirens are calling for me
 

 
 

Save my soul thinking: This song’s a lie
 

The sand on the shore is so dry
 

Deep silent complete, black velvet sea
 

Brave day sinking in endless night
 

 
 

-Nightwish, ‚Deep Silent Complete‘
 

 

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Die andere Seite ist überfüllt.

Jene, die diese Welt verlassen, werden bald keinen Ort mehr haben, an den sie gehen könnten.

 

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Das große Projekt war ein Langzeitunternehmen, wenn es je eines gegeben hatte – Seid der Zeit der alten Zivilisationen arbeiteten seine Vertreter schon in den Schatten, arrangierten im Hintergrund die Fäden ziehend die Entstehung der Zivilisation, in der sie ihren heutigen Machtstatus annehmen können würden, trieben die Entwicklungen der Technologien vorran, die sie in ferner Zukunft zu brauchen gedachten, Kriege anzettelnd, Erfolg und Demütigung in der wissenschaftlichen Gemeinde manipulierend, ihre Finger bei jeder sozialen Umwälzung tiefer zwischen die Schichten der Gesellschaft schiebend – Und das hatten sie auch, wenn sie ursprünglich aus dem Mittelmeerraum und später Europa stammten, zumindest bis zum 19. Und 20. Jahrhundert auf allen Erdteilen getan – Als NERV formal als halböffentliche Organisation eingerichtet wurde, hatte das dazu nötige Personal und die dazugehörige Infrakstruktur teils schon sehr lange im Geheimen existiert, und das galt nicht nur für das Hauptquartier in Tokyo-3 und dessen dazugehörige Enklave in Matsushiro – Jene, die das Wissen über die Hinterlassenschaften ihrer Schöpfer besaßen, teilten es nur äußert geizig aus – So sollte es jemand, der in nur einer der vielen Basen in nur einer bestimmten Funktion arbeitete, praktisch unmöglich sein, das Gesamtbild in irgendeiner Form zusammenzufügen – Der hauptsächlich im Hauptquartier stattfindende Kampf gegen die Engel war da vielleicht noch am ehesten kohärent nachvollziehbar, auch wenn es im großen und ganzen eine recht periphere Ecke eines Plans war, die eine grundlegende Änderung der menschlichen Existenz wie einen alten Monsterkampf-Film aussehen ließ.

Es gab das Hauptquartier, oder „Außen“stelle 0, wenn man so will, mit den dort erbauten und stationierten EVAs 01 und 00, sowie den Anlagen und Einrichtungen für die Kernteile des Vollendungsprojekts, Außenstelle 1 in Massachusetts, wo man an EVA 03, dem nächsten Produktionsmodell, arbeitete, Außenstelle 2 in Nevada, wo derzeit die Forschung an Einheit 04 und alternativen Energiequellen vorran geht, implizit also der Replikation der Frucht des Lebens, die beim Bau späterer Einheiten gebraucht werden würde. Außenstelle 3 in Hamburg mit ihrer Enklave in Berlin, auch relevant als der Fertigungsort von EVA 02 und der Ausbildungsort des Second Child, war vor allem zur theoretischen Forschung hin orientiert, Außenstelle vier, auch bekannt als der Golghata-Stützpunkt direkt am „ursprünglichen“ toten Meer beschäftigte sich mit etwas… schattigeren Technologien, wobei ein Wort, das in den Kreisen der Eingeweihten herumgeisterte, häufig „Dummyplug“ war – angeblich ein Nebenprodukt aus der Erschaffung der Evangelions uns der damit verbundenen Versuche, Seelen zu transferieren und künstlich zu replizieren, auch, wenn das bei weitem nicht alles war, war dort abging…. Außenstelle 05 in Peking diente da weniger hochtrabend klingenden Zwecken, der schnellen und billingen Fertigung von Evangelions und passenden Waffen, wobei eine Massenproduktion angestrebt wurde, auch wenn da immer wieder das deutlich  weniger von Erklärungen begleitete Wort „Speer-Kopie“ herumflatterte. Ähnlich schemenhaft verhielt sich die Erklärungssituation bei dem mittlerweile vernichteten sechsten Stützpunkt in der Arktis vor sich gehenden Marduk Projekt – Es hieß nur, das in Bethany Base an einem gefangenen Engel geforscht wurde, dessen Kokon man einst im Eis gefunden hatte – und über die „geheime Ausgrabungsbasis“ auf dem Mond, Außenstelle 07, hielten sich die Herrschaften schon mal ganz bedeckt.

Aber mindestens war es immerhin weithin bekannt, dass diese Basis existierte – Regelmäßig Raketen zum Mond zu schießen ließ sich ohnehin nicht verbergen, also musste man es zugeben. Doch es gab auch eine, insgesamt, also das Hauptquartier mitzählend neunte Einrichtung an den Klippen Skandinaviens, deren Existenz und genauer Sitz niemals offen gelegt wurden – Für Vertuschungszwecke oder Personaltransfer wurde dieser Ort gelegentlich als die NERV Außenstelle mit der imaginären Zahl gehandelt, 0i, der Eden-Stützpunk, vom dem keiner etwas wuste, an dem niemand je gewesen war, und nach dem man nicht zu fragen hatte – Aber das war eine reine Farce, für alle Eingeweihten war dieser Ort, der nicht NERV sondern GEIST unterstand, einfach Komplex Fünf.

Das sollte nicht etwa vermuten lassen, dass es noch irgendwo Komplexe eins bis vier gab, die Bezeichnung kam noch aus den alten Tagen, als das Projekt noch unter dem Banner des „Institut für künstliche Evolution“ gelaufen war – So wie die ersten tatsächlichen wissenschaftlichen Arbeiten am Projekt an der Universität in Kyoto stattgefunden hatten, gehörte diese Einrichtung zu der Zeit, als dafür eine Baugenehmigung erschwindelt werden musste, zu räumlich am nächsten gelegenen, aber immer noch ein gutes Stück entfernten Universität, und war von dieser dann der fünfte größere Komplex – Und die Bezeichnung als „Komplex Fünf“ war einfach ein günstiger Weg, die Räumlichkeit vor Kollegen zu erwähnen, ohne genauer darauf eingehen zu müssen, was dort eigentlich von statten ging und nur für einen sehr eingeschränkten Kreis von Ohren gedacht war, und die Bezeichnung hatte sich bis jetzt einfach gehalten.

Mit der Zeit wurde die daraus hervorgehende Organisation GEIST mit so ziemlich allem betraut, was SEELE möglich weit weg von Ikaris Nase halten wollte – Projekt SCHUTZENGEL zum beispiel, bis gewisse Teile zumindest was ihre bloße Existenz anbelangt schon aus Gründen von Logistik und Platzbedarf nicht mehr geheimgehalten werden konnten und nach Bethany Base verlegt wurden, aber die Hauptaufgabe von Komplex Fünf, welche die dort Beschäftigten auch niemals aus den Augen verloren, blieb immer die Grundlagenforschung, insbesondere in den Bereichen von Seelen und AT-Feldern, und der Stolz der Anlage blieb immer der DARWIN-Garten, das Herzstück von Projekt Master –

 

So wie das Terminal Dogma im Hauptquartier ein recht surrealer Anblick war, war es auch die Zentrale Kammer des DARWIN-Gartens auch wenn sie im direkten Vergleich wesentlich bescheidener wirkte, weil sie vollständig die Kreation menschlicher Baumeister war, die die Werke ihrer fernen Schöpfer hier nur sorgsam nachgeahmt hatten.

So wurde die Kammer, auch wenn sie für einen normalen Menschen ein unmöglicher, einmaliger Anblick war, ihrer Bedeutung nicht gerecht – Miyazawa trat, wie so oft an einem gewöhnlichen Arbeitstag als eine der ranghöchsten Mitarbeiter aus Komplex Fünf durch eine dicke, zweiflügelige Tür ein, die sich automatisch hinter ihr schloss, und dann war sie da.

Der Raum, so wie er sich Anfang 2015 präsentiert hätte, war ein große, kuppelförmige Struktur vom Ausmaß einer Sporthalle, in der die prädominante weiß war, weiß und glänzendes, weißes Plastik – Vom Haupeingang führte ein nur durch zwei in den Boden eingelassene Kerben markierter Weg in die Mitte des Raumes, wo eine weitere solche Kerbe einen kreisförmigen Bereich abtrennte, in dem ein weitererer, rautenförmiger Bereich eingelassen war, wo der weiße Boden von Erde und Gras abgelöst wurde – das ganze war etwa so groß das die ausladende Krone des in der Mitte der kleinen Grünfläche gelegenen Kastanienbaums die Raute komplett überdachte. Von diesem Rondell gingen neben dem Weg zum Haupteingang noch weitere, gerade zum Rand des Raumes führende Wege ab, wie die Speichen eines Rades oder die Strahlen der Sonne, alle nur durch zwei Kerben im Boden markiert, die etwa eine Hand breit auseinander lagen, hin zu den von Torbögen überdachten Toren die sich an den Wänden der Halle aneinander reihten, sie erinnerten an die Bögen, die man auch in einer Kirche der Romanik finden würde, auch nicht höher als ein durchschnittlicher Raum, unter jedem Bogen eine Tür, und dahinter, Räume die sich von diesem hier abzweigten wie Blütenblätter, hinter deren eine ganze Vielzahl von Dingen lagen, denen dieser Teil des Komplexes seine ganze Signifikanz verdankte – Einige der Türen und Räumlichkeiten hatten ihre Aufgabe mit der Zeit gewechselt, als einige Unternehmungen beendet und andere neu begonnen hatten – Die ältesten Markierungen auf den Türen waren wohl die großen, schwarz auf lackierten Zahlen, wie zum Beispiel „29“ oder „23“, auch wenn die letztere Zahl vielleicht nicht das beste Beispiel war, weil der derzeit mit „23“ ettiketierte Raum ursprünglich ein anderes Ettikett trug, und der Raum, der früher die 23 trug, die Zahl nun wie viele andere Räume, die mit etwas anderem tituliert waren als einer Zahl einen grau darüberlackiertes Quadrat, und noch mal darüber die neue Bezeichnung:

KEEP OUT

EVA 08 CONSTRUCTION SITE

NO UNAUTHORIZED ENTRY ALLOWED

– Der gigantische Tank, aus dem das 23. Subjekt ohnehin schon seid Ewigkeiten zu fliehen vermochte, war in der Zwischenzeit einem anderen Zweck zugeteilt worden, und Subjekt hatte ein anderes Quartier erhalten, deren bisheriger Verwendungszweck sich erübrigt hatte.

Auffällig war vielleicht auch die Tür, die dem Eingang direkt gegenüber lag – Die lackierte Fläche in ihrer Mitte hatte ebenfalls die form eines Quadrats, ohne dass es, im Gegensatz zu den grauen Quadraten, irgendwelche Hinweise darauf gab, dass dort je etwas anderes gewesen war, das überdrückt worden war.

Das kryptische Ettikett der Tür bestand tatsächlich nur aus einem Quadrat aus hellblauer Farbe, und daraus leitete sich auch die ähnlich undurchsichtige Bezeichnung ab, welche die hier arbeitenden Wissenschaftler für diesen Ort hatten: Der „blaue Raum.“

Würde man jedoch nur die ursprünglich zurückgebliebenen Zahlen betrachten, wären sie trotzdem nicht in der richtigen Reihenfolge, so langen zwischen Raum 29 um dem entsprechenden Raum, der einmal die 23 getragen hatte, keinesfalls genau fünf weitere Türen, sondern zwei – Und der Raum hörte schon lange bevor irgendjemandem dieses Detail hätte auffallen können, aufgehört, Sinn zu machen: Von den Wegen hielten sie sich fern, doch über den pizzastückartigen Bereichen dazwischen schwebten scheinbar grundlos und zufällig angeordnet Blöcke, ebenfalls wie alles andere in weißes Plastik verkleidet, in simplen, geometrischen Formen, wie man sie auch in bei Baumklötzen antreffen würde, keines davon nah am Boden, aber auch keines höher als ein gewöhnlicher Schrank sein würde.

Das Dach der Kuppel war auch hauptsächlich weiß, aber mit schwarzen Linien bedruckt, deren Formen zwischen Strichcode und integrierten Schaltkreisen lagen, an der Spitze der Kuppel aber eine den Nazca-Linen ähnliche Vogelgestalt bildeten.

Das absolute I-Tüpfelchen, der den Raum entgültig wie etwas aus einem wirren Fantasia erscheinen ließ, war der Flügel, der direkt im Schatten des vormals erwähnten Kastanienbaums im Raum stand, inklusive eines dazugehörigen Hockers – Das war zumeist auch der Ort, an dem man den „Bewohner“ dieser Einrichtung antreffen konnte, der selbst kaum weniger unwirklich schien, als die Hallen die ihn umgaben – und dort war er auch, auch, wenn er nicht seiner üblichen Beschäftigung nachging – stattdessen hatte er den Tasten des Flügels seinen Rücken zugewendet und hielt in seiner Hand einen Stapel Papier, auch, wenn er weiteres Papier, mit dem er scheinbar schon durch war, auf dem Deckel des Flügels drapiert hatte – Ein kurzer Blick auf die dort hinterlegten Stapel verriet Miyazawa, was Sache war:

„Ah, schaust du dir die Profile der anderen Piloten durch?“

Er blickte mit einem Lächeln zu ihr auf und nickte, auch, wenn er dieser Bestätigung nicht wirklich bedurfte. Miyazawa kannte diese Unterlagen bereits, und war auch mit den darauf sichtbaren Gesichtern vertraut, wenn auch nur in entfernter Art und Weise, persönlich gesehen hatte sie sie höchstens ein oder zwei mal, aber sie kannte die Fotographien – Links oben, die derzeit vielversprechenste Kandidatin, eingeteilt als Second Child, Shikinami Asuka Langley, ein zum Zeitpunkt, als das Bild in dieser Akte das letzte Mal aktualisiert wurde, noch sehr kindlich aussehendes Mädchen mit langen, roten Haaren, das auf diesem Bild in ihrem Plugsuit dargestellt war, mit verschränkten Armen und einem scheinbar vor Selbstsicherheit strotzendem Lächeln, und etwas weiter rechts, die Akte der amerikanischen Kandidatin, Maria Vincennes, ebenfalls sehr von sich selbst überzeugt, mit langem, blonden Haar, einer großen, klobigen Sonnenbrille, und auffälligen, halbmondförmigen Ohhringen, das kleine Rechteck Papier geübt in Besitz nehmen, darunter, eine recht kürzliche Addition zu diesen Akten, zu der Zeit, als dieses Bild aufgenommen wurde, noch ohne ihre später berüchtigte Oberweite, mit einer knallroten Plastikbrille, einem blauen Stirnband, zwei geflochtenen Zöpfchen, die die Pipi-Langstrumpf-Ästhetik  noch unterstrichen, und der eigenwilligen Kombination aus einem damals noch passenden grünen Plugsuit und einem Sonnenschirmchen, ein überraschender Neuzugang: Makinami Mari Illustrious, und die Akte, die den Eindruck erweckte, das der Junge sie bis jetzt am eindringlichsten durchgeblättert hatte, das große Fragezeichen aus dem Hauptquartier, Commander Ikaris kleines Mysterium, über das selbst ihnen hier bei GEIST nur sehr begrenzte Informationen vorlagen – Ayanami Rei, auf ihrer Akte zu sehen, wie sie in einer simplen Schuluniform ernst in die Kamera starrte, mit ihrer blassen Haut, ihren roten Augen und ihrem eigentümlich gefärbten, kurz gehaltenen Haaren eine nicht unwesentliche Ähnlichkeit zu Tabris selbst aufwies, zweifellos der Grund, wieso es ihm die spärlichen Fetzten Information, die sehr wohl vorlagen, so angetan hatten – Aber halt, das waren bis her alle.

Also was war es, was der übermenschliche Junge gerade jetzt durchging?

Miyazawa versuchte, unauffällig über seine Schulter zu spähen, wobei ihr zumindest der Teil mit „unauffällig“ mislang da Tabris den Bedarf dafür sah, eine Erklärung abzugeben, bevor sie überhaupt einen guten Blick auf die Blätter in seinen Händen werfen konnte: „Das hier ist deine Zusammenstellung von möglichen weiteren Kandidaten , insbesondere für die noch unbeanspruchte Position des dritten Auserwählten… weißt du noch Haruhi?“

„Allerdings.“ Bestätigte die Wissenschaftlerin. „Es ist schon eine kleine Blamage – An sich ist schon alles arrangiert, wir haben die Bühne aufgebaut, das Publikum herbestellt, die anderen Schauspieler eingeladen, und ihnen auch ihre Texte eingebläut, aber den Hauptdarsteller, den haben wir noch nicht gefunden…“ Sie schüttelte seufzend den Kopf.

„Das Schlimmste wäre, wenn er schon gefunden wäre, und das jemand anderes direkt unter unserer Nase eingefädelt hätte, ohne, dass wir Einfluss darauf hätten… Direktor Kuze und ich hofften ja, dass die vom Komitee uns das einfach nicht gesagt hatten, aber wenn selbst du dir diese ollen Listen durchblätterst, muss es wirklich noch ein schwarzer Fleck in der Karte sein…“

Miyazawa blickte auf die Seite des Dossiers, die Tabris gerade aufgeschlagen hatte, in der Absicht, gegebenenfalls ein paar Kommentare zu dem darauf behandelten Kandidaten abzugeben:

„…Aber der hier ist für diese Rolle doch eher unwahrscheinlich. Commander Ikaris eigener Sohn… solch eine Frechheit würde die vom Komitee sich nicht gefallen lassen, zumindest nicht ohne einen guten Grund… Aber andererseits soll dieser Ikari ja sehr gerissen sein. Das meinte ja zumindest die Direktorin, und die kannte ihn persönlich…“ grübelte sie, sich abwesend am Kinn kratzend. „Trotzdem… Man hat mir natürlich nur so und so viel gezeigt, aber von den Passagen aus den Rollen, die von diesem Third Child reden, hab ich schon genug gesehen…“

Miyazawa warf dem Bild auf der Seite, die sich der silberhaarige Jugendliche derzeit durchsah, einen weiteren Blick zu, nicht ganz wissend, was sie davon halten sollte.

„Es erscheint mir irgendwie schwer zu glauben, dass eines von diesen Kindern eigenhändig die Endzeit herbeinläuten soll…“

„Was soll der Sohn des Teufels schon anderes werden als der Antichrist? Es war alles schon vor langer, langer Zeit festgelegt…“

„Dann denkst du, das er sein wird?“ fragte Miyazawa, überrascht, etwas ungläubig, aber auch fähig ihren Irrtum einzugestehen und neugierig nach den Gründen dafür – Anzunehmen, dass die Andeutungen und Ahnungen dieses Jungen stimmten und sie wie Fakten zu behandeln, hatte sich als eine bisher sehr effektive Strategie erwiesen, die Pläne weiter vorranzutreiben, es war so weit, dass selbst Kuze mittlerweile begonnen hatte, es mit einem Rollen seiner Augen hinzunehmen.

Tabris hingegen lächelte sie auf ihre Nachfrage hin vielsagend an und legte die Papiere weg, um sich dem Gespräch mit ihr erstmal ganz hinzuwenden.

„Es gibt Faktoren, die mich das annehmen lassen, ja, aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb diese Möglichkeit mich beschäftigt… Wenn er hier das Third Child wäre, würde das bedeuten, dass wir uns mit großer Wahrscheinlichkeit begegnen werden… Und auch, wenn diese Kandidaten hier alle sehr interessant sind, denke ich, dass ich ihm von allen hier am ehesten begegnen möchte… Wenn ich mich recht entsinne, habe ich ihn damals beim ersten Kandidaten-Screening sogar schon einmal gesehen… Ich weiß noch genau, dass er ein bisschen untröstlich wirkte, als könnte er jemanden brauchen, der ihn tröstet…“

„Dann hoffst du, dass er es ist?“

„Aber nein.“ Der Engel schüttelte den Kopf. „Das Schicksal des Auserwählten ist öde und leer. Ich würde das niemandem wünschen, und schon gar nicht jemandem, der nicht die Stärke hat, standzuhalten…“ sprach er, seine Worte entfernt von Melancholie gefärbt.

„Du bist ein netter Kerl, Tabris. Viele wären an deiner Stelle etwas mehr auf ihre eigenen Interesten bedacht…“ Sie seufzte. „Von dir ist es noch viel weniger zu glauben, dass du das Ende dieser Welt bedeuten könntest…“

„Das ist es ja, was ich dir eben zu sagen versucht habe, Haruhi… Ich, und auch… dieser Junge hier, mit uns ist das Problem, dass unsere Wege schon eine lange, lange Zeit vorherbestimmt waren, vielleicht schon vor milliarden von Jahren, als das Phänomen namens Leben diese Welt zum ersten Mal betrat mit Sicherheit aber, seid das Komitee am großen Werk arbeitet. Im großen Uhrwerk der Dinge sind wir also nichts als Teile, nicht irgendwelche kleinen unscheinbaren Zahnrädchen, sondern sogar das Pendel und die Zeiger, aber letzlich auch nur Bauteile, und von uns wird erwartet, das wir wie ein gut gestimmtes Instrument sind und still halten, damit Schicksal und Vorsehung auf uns ihre Melodie spielen können…

Aber zur selben Zeit… Sind wir doch Wesen, die eine Seele haben, und wir können nicht anders, als uns unser eigenes Bild von dieser Welt zu bilden während wir vorran schreiten, und etwas zu fühlen, während wir auf unseren Pfaden wandeln… und das ist es, was er ist… was ich bin, was wir alle sind, deren Wege vorgezeichnet wurden… Das ist unsere Tragödie.“

„Ein geteiltes Leid also?“

„Warum nicht, Haruhi? Ist es unter euresgleichen nicht üblich, sich zu denen hingezogen zu fühlen, mit denen man etwas gemeinsam hat?“

Ja… aber er gehörte eigentlich nicht zu ihnen dazu.

Doch war es eigentlich wirklich so verwunderlich das er ihnen ähnelte? Trotz ihrer unterschiedlichen Formen waren diese Wesen, die sie die Feinde nannten, ja nie ganz so verschieden gewesen, und selbst wenn dem nicht so wäre, war er nicht von Menschen geschaffen worden, zumindest in gewisser Hinsicht? Als das Resultat eines Kontakexperiments bei dem menschliche DNA zum Einsatz kam, wäre es nicht so weit hergeholt, ihn als teilweise menschlich anzusehem, und selbst, wenn dem nicht so wäre, hatte er er doch den Großteil seines Lebens unter Menschen verbracht – Sie wollte nicht sagen, „von Menschen aufgezogen“, weil das impliziert hätte, dass er einer Aufzucht und Fürsorge bedurft hatte, wie das ein menschliches Kind tat, dass sich auch wenn es völlig gesund war, einfach nicht entwickeln konnte, ohne das andere Menschen dabei waren, und außerdem wäre es eine Überschätzung ihrer eigenen Leistungen gewesen, das was sie, die frühere Direktorin und der jetzige Direktor Kuze geleistet hatten, war keine Aufzucht – Die Diskrepanz war so groß, dass es nicht der Mensch oder die Schwester in Miyazawa war, die dagegen protestierte, sondern die Wissenschaftlerin, die ungenaue, falsche Fakten einfach nicht stehen lassen konnte, und schon gar nicht im Bezug auf eine einzigartige „Probe.“.

Doch selbst, wenn alle dem einfach nicht so wäre, war da noch das dumme, stecken gebliebene, irrationale in Miyazawa, ihre Gefühle, die „Erkennungssoftware“ in ihrem Schädel und die eigenartige Art und Weise, auf der sie diesen Jungen dort eingeornet hatten.

In Momenten wie diesen, wenn er diese Art von Dingen sagte, niemals offen traurig, aber mit einem melancholischen Knick in einem Lächeln, dass er aufrechterhielt, weil er zuerst vor allen anderen Dingen erstmal an sie dachte, wenn sie es war, mit der er gerade sprach, begann sie sich zu fragen, ob er nicht doch fähig war, soetwas wie Einsamkeit zu empfinden – Sicher, es wäre für ihn kein ursprünglicher, triebhafter Drang, nichts was er brauchte, wie Menschen Wasser und Sauerstoff, wenn er überhaupt Dinge hatte, die er auf diese Weise brauchte, über sicher nicht durchdrehen, wenn man ihn zu lange allein ließ, dass war nach all diesen Jahren bewiesen, aber vielleicht war es für ihn ja etwas hohes und abstraktes, wie bei Menschen die Dinge, die über ihre Programmierung hinausgingen, wie Nächstensliebe und Transzendenz, vielleicht konnteer nach Geselschaft hungern wie ein Mensch nach Schönheit und Kunst und sinnvoller Beschäftigung – Man konnte nicht daran sterben, all diese Dinge nicht zu haben, aber in der Regel war man glücklicher, wenn man sie hatte, und Miyazawa glaubte, mitlerweile absehen zu können, dass er es vorzog, wenn er jemanden hatte, mit dem er seine Zeit verbringen konnte. Und dieser ganze andere abstrakte Quatsch, Nächstenliebe, Kunst, Schönheit, blabla, das hatte er alles, und wie!,  in dieser Hinsicht glichen sie sich.

Vielleicht hörte die Unterschiede ihre Form, Limitationen und dergleichen über einem gewissen Niveau auf, eine Rolle zu spielen.

„Was du meinst ist, dass auch eine Person, für die eine bestimmte Rolle vorgesehen ist, auch eine Person sein kann? Jede Art von Person?“

Wenn es etwa das war, was er meinte, dann begann Miyazawa zu verstehen, was er meinte, aber ja, das machte es trotzdem noch nicht fair.

Warum musste er ausgerechnen diese Art von Person sein? Es wäre alles viel einfacher, wenn er ein unangenehmer, nicht dazupassender Zeitgenosse wäre, der sier auch hasste, wenn er sich wie ein Feind verhalten würde… Auch wenn Miyazawa sich dann doch dabei ertappte, wie sie eine Situation vorzog, in der sie dann doch eine Chance hatten, und das war, bei all der Macht, die dieser Junge hatte, die gegenwärtige, kalt, wie das klang.

Tabris’ Antwort auf ihre Nachfrage war wieder nur ein Lächeln, mit dem er sie hinhielt, während er sich seine Antwort zurechtlegte, eloquent wie eh und jeh, so strahlend das es weh tat.

„Auch, wenn er an mehreren der wichtigsten Dreh- und Angelpunkte sitzt, wäre aus den vorgezeichneten Pfaden aufzubrechen für ihn, als wenn ein Spiegelbild in einem Teich den Mond aus dem Himmel reißen wollte… aber trotzdem kann er keine einfache Schachfigur sein – Weil er so viel weniger ist als das, kein… Springer, Läufer, Turm oder Soldat, und weil er so viel mehr ist als das, Wünsche und Gefühle und Unvorsehbarkeit in Drei Dimensionen, und ein Licht, dass andere anstoßen kann…“

„Willst du damit sagen, dass wir vergessen haben, dass der Dreh- und Angelpunkt unserer Pläne immer noch menschliche Kinder sind…? Oder meinst du, dass eine Welt, in der noch nicht mal ein einzelnes Kind seinen Platz finden kann, es vielleicht nicht verdient, zu existieren?“

Sie kratzte sich am Kinn, nachdenklich, vielleicht mit einer Prise von Melancholie, aber ohne Wut oder Wertung. „Unser Auserwählter wäre sicher nicht das einzige Kind auf dieser Welt, dessen Schicksal, wie du sagst, öde und leer ist… Dann könnten unsere Versuche, die Ereignisse in eine bestimmte Richtung zu lenken, in Wahrheit einen Prozess stören,  der einen Fehler auf dieser Welt ausbessern sollte…“

„Das ist eine Art, es zu sehen, aber ich hoffe doch, dass dieser Fall nicht eintreten wird… den Haruhi, weißt du, eigentlich mag ich diese Welt… Wenn ich aus irgendeinem Grund nicht dazu kommen sollte, meine Bestimmung zu erfüllen, wäre es mir am liebsten, wenn sie fortbestehen würde…“

„Dann bist du der einzige, dem es erlaubt ist, uns ins Verderben zu stürzen?“ kommentierte die Wissenschaftlerin, leicht tadelnd aber lächelnd. „Zumindest eine Sache sehe ich so… Versteh mich nicht falsch, wenn ich die Wahl hätte, würde ich natürlich lieber leben, aber ich würde es dir nicht übel nehmen, wenn du uns nach allem, was wir mit dir gemacht haben, vernichtest…“ Miyazawa konnte sich dieses verlegene, plötzlich hervorbrechende Lächeln nicht ganz verkneifen, als ihr mit einem Mal klar wurde, wie morbide das klang. „Froh darüber wäre ich natürlich nicht, aber… ich würde dich nicht hassen oder so.“

„Ich dich auch nicht, Haruhi. Und ich hege euch gegenüber auch keinen Groll wegen der Dinge, die in dieser Einrichtung geschehen sind – Es ist nur natürlich, dass ihr etwas über unseresgleichen erfahren wolltet, es liegt mehr in eurer Natur, als es in unserer liegt, und mir hat es auch immer Freude gemacht, mehr über euch in Erfahrung zu bringen… Und ich kann mir vorstellen, dass auch einige meiner Geschwister daran interessiert sein werden, etwas über euch herauszufinden…“

„Einige von ihnen?“

„Wahrscheinlich, nein, sicher wird es bei ihnen vermutlich so sein, wie bei euch, dass es solche geben wird, die euch hassen, solche die einfach weiter leben wollen und deshalb nach eurer Vernichtung streben, solche, die sich eure Macht zu eigen machen wollen wie ihr unsere, und solche, die sich für euch interessieren… Aber ihnen fehlt die Frucht der Erkentnis, also wird es ihnen wenig helfen, euch einfach zu beobachten, und sie werden nicht die… priviligierte Position haben, die es mir ermöglicht hat, euch näher kennen zu lernen – Am Wahrscheinlichsten ist es wohl,  dass sie versuchen werden, sich direkt mit einem von euch zu verbinden… Aber es gibt einige Dinge, die ich nach all den Jahren über euch weiß, die meinen Geschwistern aber nicht sofort einleuchten dürften… Ich hoffe nur, dass…“

„Sie in ihrer Versuchen etwas „herausfinden“ nichts kaputt machen?“

„Ich weiß, wie das jetzt klingt, aber ihr seid leider so viel, viel zerbrechlicher als wir, von einem gewissen, beschränkten Blickwinkel aus…“

Miyazawa konnte nicht sagen, dass er da Unrecht hatte…

„Hast du diese, uhm, Vermutungen auch dem Komitee gegenüber geäußert?“

„Wenn ich es nicht getan hätte, würdest du es ihnen doch ohnehin tun, oder?“ Er klang nicht im Geringsten anklagend, keine Abweichung von seinem üblichen, entspannten Lächeln.

Jetzt hatte sie doch tatsächlich ein schlechtes Gewissen.

Noch dazu weil sie bereit gewesen wäre, Informationen beizutragen, die möglicherweise zum Fortbestand allen Lebens auf diesem Planeten beitragen könnten!

Dieser Junge… Es war einfach nicht fair, so ziemlich alles an ihm.

„Tabbie-chan…“

„Ist schon in Ordnung. Letzlich bin ich ja doch etwas, das von euch Lillim erschaffen wurde, die ihr mich fürchtet… Selbst du, Haruhi…“

And dieser Stelle war sie ehrlich ein wenig geschockt.

„…es bleibt mir also nichts übrig, als das Beste daraus zu machen – In meiner Position steht es mir immerhin bis zu einem bestimmten Grad frei, zu tun, was mir beliebt… Wenn die Position unseres „Auserwählten“ mit einer Spiegelung in einem Teich vergleichbar ist, bin ich mit meinem Wissen und meiner Position schon einmal so etwas wie ein Fisch in dem Teich… Ich werde sehen, was ich tun kann…“

Miyazawa wüsste gerne zu welchem Zweck – Das war selbst ihr bei ihm manchmal nicht so wirklich klar, welchen Ziel er nun meinte, manchmal erwähnte er Dinge, die eigentlich gegenläufige Effekte haben sollten…„Mach das ruhig…“

„Aber Haruhi… Du bist doch sicher nicht gekommen, um dich mit mir zu unterhalten, oder?“

„Nicht wirklich.“ Gab sie verlegen kopfschüttelnd zu. „Was ich dir mitteilen wollte ist, dass dein Transport zur Tabgha-Basis zwar organisiert ist, sich aber wohl noch etwas verzögern wird – Der Vorsitzende will scheinbar noch ein paar vertraueliche Dinge mit dir besprechend, und du sollst dann von dort aus weiter… transportiert werden.“

„Dann ist das hier also unser Abschied?“

„Sieht so aus… Der Vorsitzende lässt dich mit einem seiner Privatjets holen, und der sollte etwa in drei Stunden da sein… Wir haben also noch ein Weilchen, und ich bin mit dem Rest meiner Arbeit für heute eigentlich schon fertig, also…“

„Es wäre schön, wenn Direktor Kuze sich uns auch anschließen würde…“

„Der ist für heute schon nachhause gegangen… Und ich fürchte, dass er sich auch so nicht hierfür begeistern lassen würde… Ich fürchte, dass er sich für dich nie so richtig begeister konnte…“

„Das ist wirklich schade… ich habe ihn immer geschätzt.“

 

DERSELBE RAUM –

 

ZEHN JAHRE ZUVOR

 

Nur wenige Monate nach dem Ikari Yui von dieser Welt verschwunden war, trat die Vorhersage, die sie Monate davor getätigt hatte, mit erschreckender Genaugikeit ein, und die zwei Männer, die zu ihren Lebzeiten ihre rechte und ihre linke Hand gewesen waren, wurden nach dem sie so lange erfolglos versucht hatten, diese Einrichtung mit einem ihrer Agenten zu infiltrieren, persönlich nach Komplex Fünf zitiert – Natürlich hatten die Verantwortlichen dort alles aufgeräumt, und selbstverständlich war es keinen von den anderen hier erlaubt, sich hier ohne Eskorte zu bewegen, auch wenn ihre Restriktionen nicht einmal die Geringsten waren, denn einige der Personen, die für diese Aktion hierher bestellt worden waren, waren noch nicht mal in äußersten Grundlagen des Projekts eingeweiht – Mit der Erklärung dafür verbunden war, dass die meisten von ihnen ihrer selbst willen hierher gebracht worden waren – Ikari hatte einerseits ein unerklärliches, kleines blauhaariges Mädchen in einem satt roten Kleidchen dabei, und die hatte er von Anfang an hier präsentieren wollen, oder vielleicht wäre es korrekter zu sagen, dass er hier etwas präsentieren wollte, und das das Mädchen zu diesem  diesem Zweck existierte.

Sie hierher zu bringen war eigentlich nur noch eine Formalität ,  nichts weiter als ein Behördengang um eine bereits beschlossene Sache mit einer Unterschrift absegnen zu lassen – Er wusste, dass man sie für kompatibel befinden und als Pilotin genehmigen würde, was für ihn bedeutete, dass er um die Vorbereitungen, die er in diese Richtung hin bereits getroffen hatte, ein kleines bisschen weniger Geheimnisse schieben müssen würde – Er hatte die Messwerte, welche heute hier ermittelt werden würden, gestern erst selbst nachgeprüft und wusste, dass die alten Männer sie unmöglich ignorieren können würden.

Er konnte sich vorstellen, dass sie alle ganz wild dabei waren, die Vergangenheit des Mädchens aufzudecken, aber da konnten sie lange recherchieren – Es gab keine Vergangenheit, die sie hätten finden können, so lange hatte dieses Kind gar nicht existiert.

Das war das erste Mal, das sie die Wände ihres vertrauten Labors verließ, und es hatte sie beide einige Mühen gekostet, sicher zu stellen, dass die Kleine hier nicht vor Publikum auseinanderfallen würde, aber sie war hinreichend „programmiert“, und Ikari verließ sich darauf, dass er ihr ausreichend eingetrichtert hatte, was sie zu tun hatte.

Fuyutsuki hatte das ganze überhauptnicht geschmeckt, aber er hätte lügen müssen, um zu behaupten, dass er an ihrer Erschaffung nicht beteiligt gewesen wäre – Ayanami Rei, ironischerweise nach der früheren Direktorin dieses Komplexes benannt, das Produkt seiner Verzweiflung, und doch das Objekt von Ikaris verdrehter Hoffnung…

Doch über sie wusste er schon lange genug Bescheid, um offenen Schock zu zeigen – Was er nicht erwartet hatte, war das zweite, augenscheinlich etwas ältere Kind an Ikaris Seite, ein stiller kleiner Junge, der zu Ikari eine nicht unerhebliche Ähnlichkeit aufwies…

„Wollten Sie es nicht eigentlich um jeden Preis verhindern, ihn in die Sache zu involvieren?“

„Die Situation… hat sich geändert…“

Und Fuyutsuki beschlich die abscheulichste Ahnung, eine Schlussfolgerung, die unumgehbar schien, mit der Idee, die er von seiner früheren Studentin hatte, mit der Idee, die er von ihr hatte behalten wollen, aber partout nicht vereinbar war.

Der Gedanke, dass sie diese …Notwendigkeit hatte herbeiführen wollen, dass sie es schon geplant hatte, als sie sich zu diesem Experiment gemeldet und dieses Kind dazu mitgenommen hatte. Und doch konnte sich der alte Professor nicht dazu durchringen, zu sprechen – Ikari seine Illusionen zu nehmen wäre vielleicht das richtige gewesen, vielleicht das vernünftige, vielleicht hätte es ihn von seinen Wahn angebracht, vielleicht wäre er mit diesem Wissen entgültig durchgedreht, und es gab eine gute Chance, dass die Welt als ganzes dabei wesentlich besser wegkommen würde, doch es war auf seiner Prioritätenliste nicht besonders hoch – Er rationalisierte dies damit, dass Ikari sowieso nicht hören wollen würde, aber dabei unterschlug er, dass die Wahrscheinlichkeit mit jedem Tag den er schwieg sinken würde, und er konnte sich auch nicht dazu durchringen, sich besonders um dieses Kind zu sorgen, oder es nicht gekonnt zu übersehen, dass dieser Junge seid dem Tod seiner Mutter nicht besonders viel gesprochen oder gelächelt zu haben schien, vielleicht überhaupt nicht – Und wenn Ikari das mitbekommen hatte, dann schien er jedenfalls weder fähig noch willens zu sein, viel dagegen zu tun.

Es hätte einen taubstummen Blinden mit Krückstock gebraucht, um nicht auf den ersten Blick zu merken, dass der derzeitige Leiter von GEHIRN mit seinen neuen Aufgaben als alleinerziehender Vater vollkommen überfordert war, und selbst der vormals erwähnte Taubstumme hätte wohl nur ein kurzes Weilchen länger gebraucht.

Das konnte man dem alten Ex-Professor jedoch nur begrenzt zum Vorwurf machen, auch er stand neben sich, seid das Zentrum all ihrer Unternehmungen aus ihrer Mitte verschwunden war, und seine Gefühle dazu nahmen die Form einer stillen, von seinem Verstand zumindest teilweise in Form gepressten Frustration, die sich als solche nur über solch kleine Unterlassungen manifestieren konnte – Später sollte er jede davon einzeln bereuen und motivierte so auch teilweise seine halbherzigen Versuche, Ikari dazu zu bewegen, sich diesem Kind wieder mehr hinzuwenden nachdem er sich seiner letzlich entledigt hatte, und auch damit, dass Yui das wohl so gewollt hatte, aber Schuld war ehrlich gesprochen die stärkere der beiden Motivationen, er war ja kein Gorilla, er verfügte ja noch über ausreichend gesunden Menschenverstand (Und manchmal hatte Fuyutsuki das Gefühl, da in dieser Organisation weit und breit der einzige zu sein) und konnte feststellen, dass es ein dreijähriges Kind war, dem er da seine Existenz verübelte –

Fuyutsuki erkannte den Bengel natürlich vom Tag des Aktivierungsexperiments, es gab kein Detail dieser Tragödie das er jemals würde vergessen können, und selbst wenn hatte Yui ja selten noch über irgendetwas anderes geredet als ihren hießgeliebten Nachwuchs – Ihm war entfernt klar, dass es nicht ihre Absicht gewesen war, ihm irgendwas unter die Nase zu reiben, dass wohl als letztes  von allem.

Doch auf die eine oder andere Weise hatte dieses Kleinkind dafür, dass es gerade erst stubenrein war, schon eine ganze Menge Missgunst und bösen Willen auf seiner Person angesamelt, auch wenn dem Kind eigentlich nur mit-missgönnt wurde – Es war die Verbindung seiner Eltern, die einer Menge Leuten ungelegen kam, sei es, weil sie persönlich hinter einer Hälfte des Päärchens her waren (Akagi Naoko war hier ein gutes Stichwort – Wie ihre eigene Tochter diese irre Schreckschraube überlebt hatte, würde dem Rest des Universums auf ewig ein Rätsel sein), oder weil sie ihn nicht für passenden Umgang für Yui hielten und ihm von Anfang an zwielichtige Beweggründe unterstellt hatten – Für die Betreiber von SEELE war der Mann von Anfang an eine unvorhersehbare Quelle von Ärger gewesen, die sich da plötzlich festgesetzt hatte, wo auch immer die Macht gerade saß, und sich gleich einem perfekten Fleck nicht mehr ausreiben ließ, sobald er einmal drin war. Yui’s elitistisch eingestellte Familie hätte wohl jedem Schwiegersohn das Leben schwer gemacht, aber ein, bewusst simpel ausgedrückt, zwielichtiger Halunke in schäbigen Klamotten kam natürlich am allerwenigsten in die Tüte. Und der umumstößlichste, offensichtlichste Beweis für das „unheilige Band“ zwischen den Ikaris war nun einmal dieser Bengel, von dem nun keiner so richtig wusste, was nach dem Tod seiner Mutter mit ihm geschehen sollte, am allerwenigsten sein Vater – Yui hatte Freunde und Verwandte, die in ihren Häusern noch das eine oder andere Zimmer frei hatten, ja sicher doch, aber die meisten davon waren der Meinung, dass dieses Kind niemals hätte existieren sollen, und klassifizierten sein weiteres Ergehen großfläching als „Herzlich Egal“.

Bis jetzt war Klein-Shinji jedoch wesentlich zu jung gewesen, um irgendwas von alledem mitzubekommen, und so waren die ersten drei Jahre seines Lebens eigentlich vollkommen unauffällig und undramatisch verlaufen.

Er hatte rechtzeitig Sitzen, Krabbeln und Laufen gelernt, und auch wenn es mit dem aktiven Sprechen so seine Zeit brauchte, war seine Mutter einsern in ihrer Behauptung, dass ihr Söhnchen alles verstehe, was sie sagte, und sie bildete sich auch getrost etwas darauf ein, das der Kleine schon recht früh nur durch Nachahmung angefangen hatte, „Bitte“ und „Danke“ zu sagen, während man anderen Kleinkindern dafür immer hinterherrennen musste. Als er etwa einandhalb Jahre alt war, hatte Dr. Ikari begonnen, den Bengel regelmäßig in einer Kindertagesttätte abzuzustellen, wenn sie im Labor beschäftigt war und es sich nicht irgendwie einrichten ließ, ihren kleinen Sonnenkäfer mit zur Arbeit zu schleppen, und Seiten der Kindergärtnerinnen gab es eigentlich nur in den seltensten Fällen etwas zu meckern. Mit Zahlen über fünf hatte er noch seine Probleme, dafür war er, zumindest laut Angaben seiner Eltern (Wobei man nie so ganz wissen konnte, ob sein Vater nicht nur zustimmte, weil dieser seiner Ehefrau generell nie widersprach – Tatsächlich gab es nur exakt vier Dinge, bei denen sie sich je uneinig gewesen waren, auch wenn es vielleicht bemerkenswert war, dass diese alle mit ihrem gemeinsamen Sohn zu tun gehabt hatten.) dazu fähig, mit einigen der vielen Dinge, die man kleinen Kindern zuwarf, damit sie damit Krach machten, etwas zu produzieren, dass zumindest entfernte Ähnlichkeit mit „Alle meine Entchen“ oder „Ein Männlein steht im Walde“ hatte, und imerhinn handelte es sich bei ihm nicht um die hyperaktive Sorte von Kleinkind, die ständig beschäftigt werden musste, sondern der Typ, den man getrost mit ein paar Bauklötzen in die Ecke eines Raumes setzten konnte, ohne ein zu großes Risiko einzugehen, dass er versuchen würde, sich aus dem Staub zu machen – Die für das alter üblichen Trotzanfälle hatten es zwar meistens in sich, waren dafür aber relativ selten. Alles in allem also zumindest eine gelungene Nachzucht.

Sicherlich, vielleicht hätte man Makinamis kleine Tochter für etwas sympathischer halten können, mit ihrer Art, sich fremden Leuten, meist allerlei Arbeitskollegen ihrer Eltern, direkt mit vollem Namen vorzustellen und sie anschließend mit ihrer Kleinkinderlogik vollzutexten, und dann gab es da auch Dr. Shikinami-Zeppelin, die es sich nicht nehmen ließ, ihre recht einseitig liegende Arbeitsrivalität zu Dr. Ikari auch noch in die Kinderstuben zu verlagern – Was auch immer Dr. Ikaris kleiner Bengel bewerkstellingte, konnte Shikinamis kleine Tochter scheinbar doppelt so gut, und auch, wenn es ebenso wahrscheinlich war, dass sie es ihrer Kollegin einfach nur übel nahm, dass sie in ihrer Gegenwart mit ihrem Ehemann herumknutsche und von ihrem Familiengück schwärmte, während sie selbst ihren eigenen Gatten erst vor kurzem im flagranti mit einer anderen Frau erwischt und konsequent im hohen Bogen aus dem Haus verstoßen hatte, hätte es auch genau so gut sein können, dass an den Behauptungen doch etwas dran war, zumal sich kleine Asuka später als regelrechtes Wunderkind heraustellte. 

Doch auch wenn er nichts derart Außergewöhnliches an sich hatte, war Ikari Shinji zumindest bis zu seinem dritten Lebensjahr ein Muster-Kleinkind, von dem man getrost hätte annehmen können, dass daraus mal ein ausgeglichen, glückliches, produktives  Mitglied der Gesellschaft werden würde – Das hieß, bis der Tag des Aktivierungsexperiments gekommen war.

Wären die äußeren Umstände etwas anderes gewesen, hätte es mit Sicherheit jemanden gegeben, der den Vater des Jungen auf seine Situation angesprochen hätte, oder sich zumindest empört hätte, als dieser sein eigenes Kind schließlich weggab, aber die traurige Wahrheit war das es den meisten Leuten, die um seine Existenz gewusst hatten, nur all zu recht gewesen war, dass sein alter Herr schließlich das Handtuch warf und den Jungen auf Nimmerwidersehen sonstwohin verschwinden ließ.

Vor dem Second Impact wäre da vielleicht noch die Chance gewesen, dass sich zumindest der eine oder andere entfernte Verwandte erbarmt hätte und entweder das Kind bei sich aufgenommen oder dessen Vater noch bevor der Bedarf zu einer Selbsthilfegruppe oder so was dirigiert, aber nach einer Katastrophe, die die Hälfte aller Menschen als Opfer gefordert hatten, gab es auf dieser Welt ziemlich viele Kinder, die ihre Eltern vermissten, und niemand der die Zeit hatte, um sie alle aufzusammeln. In dieser Welt gehörte das Trauma einer Beinahe-Apokalypse zumindest bei allen außer den allerjüngsten zur „Grundausstattung“, sodass es sich die Überlebenden auch in dieser Hinsicht nicht leisten konnten, wählerisch zu sein – Der Wahnsinn wurde geduldet, solanger er nur an seinem Platz in den Schatten blieb – Das so etwas wie die ganze Verschwörung und die Kindersoldaten, die davon unweigerlich verlangt wurden, überhaupt möglich waren, ja, von so vielen Menschen stillschweigend hingenommen wurde, bewies nur, wie tief diese Welt gesunken war, und wie ernst die Situation geworden war – Das Verschwinden der Jahreszeiten war wohl das offensichtlichste und im Alltag störendste Anzeichen dafür, dass die Welt, die Fuyutsuki einst geteilt hatte, ein Ding der Vergangenheit war, doch es waren diese Stiche von Dingen, die einmal wesentlich mehr bedeutet hätten, die ihn wirklichdaran  zweifeln ließen, was aus dieser Welt werden sollen – Vor Jahren wäre es der Stoff schlechter Filme gewesen, heute war es Realität: Eine Dekade früher präsentierte sich diese Halle zwar mit den selben, die Wege markierenden Kerben im Boden und den selben Mustern auf der Wand, aber selbst wenn hinter ihnen schon durchaus relevante Dinge vor sich gingen, fehlten den Türen noch die Beschriftungen, nicht einmal Zahlen waren damals darauf zu sehen gewesen – Die rautenförmige Ausparung in der Mitte des Raumes existierte schon, aber statt einen Baum und etwas Gras zu enthalten, sah sie eher aus wie ein großer Sandkasten, und auch sonst sah die Einrichtung dieser Halle ein gutes Stück anders aus: Vielleicht waren diese weißen, unerklärlich schwebenden Dinger erst viel später überhaupt erschaffen worden, vielleicht gab es sie auch schon, und man hatte sie nur weggeräumt, weil es einige in der Versammlung der für den heutigen Tag hierhin Eingeladenen gab, für die diese erscheinung kein unerklärliches Phänomen sein würde, sondern etwas, mit dessen Mechanik sie vertraut waren, so das allein der Anblick des Phänomens ihnen alles darüber verraten hätte, was hier eigentlich vor sich ging – Es gab viele solcher unerklärlicher Dinge in den Tiefen dieser und ähnlicher Einrichtungen.

Stattdessen war der Raum gefüllt mit Wagenladungen von kunterbunten Beschäftigungen  für den wahren Grund für die Versammlung hier: Mehrere dutzend Kinder, die für das Programm in die engere Auswahl kamen.

Gut möglich, dass dies von Anfang an so geplant gewesen war, dass SEELE im Vorraus gewusst hatte, worauf es hinauslaufen würde und ihnen nur „erlaubt“ hatte, dasselbe nach und nach herauszufinden, inklusive der Opfer, die dafür gebraucht werden würden – Yui schien einiges geahnt zu haben, hatte einiges durchklingen lassen, vermutlich ganz andere Pläne gehabt, doch soweit SEELE das die Wissenschaftler von GEHIRN wissen lassen wollte, war der ganze Prozess so verlaufen:

Zunächst wäre es keinem in den Sinn gekommen, etwas anderes als einen ausgebildeten Erwachsenen in diese gottgleichen Kampfmaschinen hinein zu lassen, ja, man wollte gar nicht erst unschuldiges, am Programm unbeteiligtes Leben riskieren – Soweit die entwicklung des Testmodells soweit vorrangeschritten war, dass man einen ersten Aktivierungsversuch wagen konnte, meldete sich die Schöpferin der humanoiden Monstrosität selbst als Versuchsobjekt, sodass sie, falls etwas schiefgehen sollte, das einzige Opfer ihrer Ambitionen werden sollte – doch sie wurde lediglich das erste.

Und was für ein garstiger, brutaler Tod es wurde, direkt vor den Augen ihres kleinen Sohnes.

Je weniger Worte über den Tag des Aktivierungsexperiments verloren wurden, desto besser.

Die Bilder wogen immer noch schwer auf Fuyutsukis grauem Haupt.

Jedenfalls war die Schlussfolgerung die man aus dieser Tragödie zog, dass die Frau Doktorin wohl nicht die richtigen Vorraussetzungen erfüllt hatte, um sich mit ihrem Konstrukt zu verbinden – Alle Versuche sie zu bergen schlugen fehl, auch, wenn sie wohl nicht ganz fruchtlos waren – Man gewann bei ihnen eine ganze Menge nützliche Daten und einiges an sehr, sehr interessantem Forschungsmaterial, aus dem später die Lösung des selben Problemes erwachsen sollte, dass seine Existenz überhaupt bedingt hatten, doch viel musste das nicht heißen: Alles, was man zurückbekommen hatte, waren ein paar unkenntliche, deformierte Fetzen Fleisch, die nicht einmal einsatzweise der Form eines menschlichen Körpers aufwiesen. Ja, bei genauerem hinsehen beinhalteten die Zellen Dr. Ikaris DNA, aber der Versuch, sie aus EVA 01 herrauszureißen, war derart unvollständig gewesen, dass die Fetzen zu unterschiedlichen Teilen mit genetischen Material des Evangelions selbst vermengt waren, mit Material von Lillith – In seiner Verzweiflung, seinem Drang, seine Schülerin, die er schon so lange heimlich verehrt hatte, hatte Fuyutsuki Dr. Akagi, die den Bergungsversuch bis dahin geleitet hatte, zur Seite geschoben und selbst ein paar Tasten gedrückt, und den Extraktionsalghorithmus laufen lassen, obwohl es Akagi nicht ganz gelogen war, die Egogrenze ihrer Kollegin scharf zu greifen, auch, wenn das Signal dabei war, dahinzuschwinden, und das hier war das Resultat, das Produkt seiner Verzweiflung: Unsicher darüber, wie damit zu verfahren wahr, hatte man die Fetzen in einen gläserten Tank gepackt, der einem Sarg nicht unähnlich war, ratlos ein paar Klebestreifen mit verschiedenen Symbolen und Beschreibungen für „Biogefährdung“ darübergezogen und die Überreste dann zum Staubfangen in die Dunkelheit eines Lagers gestellt, zusammen mit dem LCL, dass teils aus dem Kern des Evangelions stammte, teils einmal zu Dr. Ikaris Körper hatte – Nachdem es sich über den Boden des Labors ergossen hatte, konnte man den Unterschied nicht mehr wirklich festellen, gut möglich, dass ein paar Moleküle, die einmal zu der brillianten Wissenschaftlerin gehört hatten, am Ende von einem Wischmopp aufgesaugt und in einen Ausguss gepresst worden sein konnten.

Eigentlich hätte ja klar sein sollen, was mit diesen Resten zu tun war – Sie gehörten eingeäschert und in eine Urne gepackt, dass müsste es doch sein, was aller menschlicher Anstand vermuten lassen würde – Aber nein, nicht doch, ein viel zu kostbares Forschungsobjekt!

Als der Urvater der Engel in der Antarktis explodiert hatte, musste er wohl die bessere Hälfte der Menschheit mit sich gerissen haben – in der grausig kalten Welt, die der Second Impact zurückgelassen war, ließ man es sich nicht nehmen, eine Leiche zu schänden!

Man könnte meinen, das eine Welt, die nur um einen solchen Preis weiterbestehen konnte, es vielleicht verdiente, unterzugehen, aber die Zahl der Menschen, die nur um der Richtigkeit wegen ihr zumindest kurzfristig günstig laufendes aufgeben würden, ging so ziemlich gegen Null. Aber wahrlich, eine Welt, die sich nur um ein solchen Gräuels wegen weiter drehte, würde bis zu ihrer Vernichtung mit einem Fluch beladen sein, und dasselbe galt für diese Einrichtung und vor allem für diesen Evangelion und allen, die damit in Verbindung kommen würden –

Dr. Ikari war die Leiterin des Teams gewesen, ihr Ehemann seid dem ersten Mal, dass man ihm nach dem Zwischenfall aus den Augen gelassen hatte, spurlos verschwunden – Im Labor ging man beinahe schon davon aus, dass er eine Dummheit begangen haben musste und sehr wahrscheinlich nicht mehr lebte, aber eine Woche später kehrte er zurück, mit tiefen, schwarzen Ringen um seine Augen, erfüllt von einer kalten Rastlosigkeit, und beendete mit seiner tiefes, autoritären Stimme das planlose Chaos, das seid dem Vorfall in den Hallen von GEHIRN geherrscht hatte, in dessen Atmosphäre auch der Bergungsversuch stattgefunden hatte.

Dr. Ikaris Witwer kehrte zurück in tiefem Schwarz,  gab harte, klare Befehle, hatte immer noch den Gummianzug über die Schulter geworfen, der zum Henkersgewand seiner Frau geworden war, mit all dem stinkenden, getrocknetem LCL daran, das Material voller Handabdrücke und Falten, zu zerknautscht, als dass er verbergen können, dass er sich die letzte Woche fast ununterbrochen daran geklammert hatte. Irgendwo in seinem kalten Leib schlug wohl noch ein Herz, aber man hätte sich ein Stethoskop holen und eine Weile danach suchen müssen, und das auch nur, wenn man so ungefähr wusste, wo man suchen sollte – Er schien nur noch sein eigenes Gespenst zu sein, ein getrocknetes, ausgewaschendes Abbild besserer Tages…

Wider erwarten trennte er sich bereitwillig von dem verklebten Divesuit, warf ihn fast schon beiläufig in einen Müllschlucker, als er den Weg zum Labor antrat, auch, wenn sich der Gestank von LCL nicht ganz von ihm löste – Erstaunlich gefasst verlangte er direkt nach dem Tank mit den Überbleibseln seiner Frau, brach zielstrebing dessen Siegel und verbarrikadierte sich daraufhin im dritten Anbau des Labors für künstliche Evolution, weit unten in den Gedärmen des Terminal Dogma, und weigerte sich, für irgendwas jenseits der allerdringlichsten Wartung seines Körpers wieder daraus hervor zu kommen, wobei angemerkt werden sollte, dass er Essen und Schlafen als „undringlich“ einstufte, und seinen Flüssigkeitsbedarf im unregelmäßigen Abständen aus den Wasserhähnen des Labors deckte.

Seinen Vorgesetzten legte er neue, präzisere Entwürfe des Plans vor, seinen Untergeben gab er die klaren Befehle, die ihnen seid dem Tod ihrer wissenschaftlichen Leiterin gefehlt hatten. Ihre Nachfolgerin wurde Akagi, gezwungener maßen.

Der Plan, den die neuen Dokumente beschrieben, ähnelte dem, den sie zuvor mit Dr. Ikari abgesprochen hatten zwar mehr, als es mit SEELEs Plan gemein hatte, doch es war sicherlich nicht der selbe – Fuyutsuki nannte es bedeutende Abweichungen, Ikari nannte es Präzisierungen und Überarbeitungen, SEELE verkaufte er es als neue, effektivere Methoden, ihr Ziel in die Tat umzusetzen, doch Makinami wusste viel zu viel, um dies nicht zu durchschauen,  und Akagi, unwissend und erinfältig, wie sie war, war leichter zu kontrollieren – Deshalb bekam sie den Posten, und  nicht Makinami, die in ihrer ewigen Unberechenbarkeit nur still in sich hineinlächelte, Fuyutsuki gegenüber aber durchklingen ließ, dass sie persönlich beim alten Plan bleiben würde.

Doch auch, wenn er den in seiner Abwesenheit erlahmten Betrieb bei NERV eigenhändig wieder stramm zum laufen brachte, verbrachte der Leiter von GEHIRN alle Zeit, die er nicht zu irgendetwas anderem brauchte, in diesem Labor, und wollte dort nicht gestört werden – Er duldete allerhöchstes Fuyutsuki und Makinami, wenn diese sich selbst die Tür aufmachte, doch keiner von ihnen konnte ihn von seinem Treiben wirklich abbringen, getrieben wie einer dieser verhexten Besen aus der Fabel des Zauberlehlings – Akagi war nicht eingeladen, nein danke.

„Erde an Gendo-kun. Hier Makinami. Ist jemand zuhause?“

Die Brillenträgerin schüttelte schließlich den Kopf und verließ den Raum. Als Akagi sie fragte, wo Ikari denn sei, antwortete sie, dass er stecke, wo auch immer seine Frau hingegangen war.

 – doch es war kein wilder Eifer, der von ihm Besitz ergriffen hatte, sondern ein kaltes, planvolles Vorgehen, wäre er nicht mehr in der Lage gewesen, seine Organisation  zu leiten, hätten sowohl seine wohlmeinenden Kollegen als auch seine Widersacher die perfekte Ausrede gehabt – Nein, stattdessen hatte er in der Woche, in der er wie vom Erdboden verschluckt gewesen war, nichts von seiner kühnen Effizienz verloren, nein, gut möglich, das sein Verstand (durch angemessene Motivation) noch geschärft worden war, für das, was er da tat, gab es eine logische Erklärung – Er analysiere die Reste, ihm schwebe eine Lösung für das Piloten-Problem vor. Wenn er des Wahnsinns war, dann hatte dieser Wahnsinn jedenfalls Methode.

Fuyutsuki hatte trotzdem seine Zweifel, doch als er kam, um die unschöne Pflicht auf sich zu nehmen, Ikari weiß zu machen, dass es keinen Sinn machte, dass er sie gehen lassen und begraben sollte, statt weiter an ihrer Leiche herumzudoktern, auch, weil es durch seine eigene Unfähigkeit, diesen Verlust zu akzeptieren bedingt war, dass diese verfluchten Fleischstücke überhaupt aus dem Evangelion gezogen wurden, musste er feststellen, dass er denn Mann den Yui ihm vorgezogen hatte, bedeutend unterschätzt hatte.

Er hatte Schläucher und Kabel in das Bassin geleitet, seine Finger flogen über die Tastaturen und das LCL geriet in Bewegung.

Vor seinen Augen fügten sich die Fleischstreifen zusammen, nahmen Form und Gestalt an, und mit ihr Ordnung und zu Struktur; Unförmige Fetzten bildeten Hände und Füße, Arme und Beine… und bevor es ihnen möglich war, einen genaueren Blick darauf zu werfen, schien das Konstrukt auch schon von innen heraus zu explodieren, verlor einfach allen Zusammenhang, konnte die widernatürlich Kombination ihrer Komponenten nicht länger halten und bespritze die Glaswände des Tankes mit Blut und halbgeformten Organen, Gedärme, Hirnbrei, halbgeschmolzene Knochenstücke, spritze teils aus dem Becken heraus und befleckte Ikari, neue Flecken, die sich zu den alten, längst ins braune übergegangene gesellten.

Doch Ikari gab sich selbstsicher: „Fuyutsuki! Gut, dass Sie da sind. Helfen Sie mir, dass hier zu stabilisieren. Es braucht nur noch ein bisschen…“

Fuyutsuki schluckte – und ging an die nächste Konsole. Er hatte kein Recht, den Kopf über Ikari zu schütteln – auch seine Sehnsucht war wesentlich stärker als sein gesunder Menschenverstand es je gewesen war. Er fand diese Geschäfte hässlich und geschmacklos, ja doch, aber letzlichbezog sich der Unterschied zwischen ihm selbst und Ikari doch darauf, dass Ikari die Dinge nannte, was sie waren, während er selbst sich der Heuchelei schuldig gemacht hatte.

Was fand Yui an diesem lügnerischen Reptil?  Nun, vielleicht war es schon immer seine unverhohlene, freche Ehrlichkeit gewesen, paradox wie es klang… Ein endloses Paradox, diese Frau Doktor Ikari.

Aber Fuyutsuki wusste, dass sie nie etwas ohne einen bestimmten Grund tat… er hoffte nur, dass sie wusste, was sie sie da getan hatte, als sie in diesen Evangelion gestiegen war.

Wenige Tage später gelang es den beiden Männern, den verstrahlten Matsch in diesem Tank in eine menschliche Gestalt zu Kneten – Das Material hatte schon vom Volumen her nicht ausgereicht, um eine erwachsene Frau zu formen – Was sich den Beiden in dem Tank präsentierte, hatte die Form eines völlig nackten kleinen Mädchens, dass rein äußerlich allerhöchstens im Kindergartenalter sein konnte.

Fuyutsuki wich verstört zurück.

Ikari stürzte sofort an das Bassin und senkte seinen Arm hinein, die Ärmel seines Pullovers und seines weißen Kittels mit LCL und dem übrigen menschlichen Matsch tränken, um den unnatürlich blassen, unreifen kleinen Körper aus seiner Entstehungstätte zu heben – Wenn er die eine Schulter griff, die winzig in seiner großen, männlichen Hand lag, reichte die andere Schulter nicht bis zu seinem Ellenbogen, und wenn er das winzige Resultat seiner Arbeit aus der Flüssigkeit zu heben versuchte, in der es trieb, hing ihr Kopf herab, ohne irgendwelche Anzeichen zu geben, das diese kleine, weiße Form wesentlich lebendiger war, als die Überreste, aus denen sie geschaffen war.

Ikari gab auch noch den anderen Arm in das Becken hinein, um sie möglichst gut zu halten, dass sie möglichst nicht in irgendeiner unangenehmen Position lag, hob sie vorsichtig heraus, hielt sie nah an seine Brust, egal, wie sehr die Flüssigkeit, in der sie getränkt war, seine Kleidung befleckte, egal wie schnell sie sich auf seinem einst weißen Kittel verteilten, und er verweilte so, jedes Detail an seinem Konstrukt eindringlich betrachtend, nach Tagen aufzehrender Arbeit nun endlich die Stunde der Wahrheit erwartend.

Dann – tatsächlich! Eine Bewegung, eine Regung, schwach, unregelmäßig, aber vorhanden, ein ruckhaftes Heben und senken der Brust, wie ein stotternder Motor, geräusche, ein Hustreflex, das LCL ausppeiend wie ein Kaiserschnittkind dass das Fruchtwasser erst mal loswerden musste, weil die Enge des Geburtskanals die nicht aus seinen Lungen gepresst hatte, und Geräusche!

Die Stimme, dieses Stimmchen!

Das es ihnen Beiden noch mal vergönnt sein würde, diese Stimme zu hören, und sei es nur ein instinktiver Laut, der ihr Husten begleitete, das hervorwürgen der Flüssigkeit, mit nur einer Färbung von Vertrautheit.

„…Yui?“ fragte Ikari vorsichtig, seine Stimme offen bebend und gerührt, obgleich Fuyutsuki noch im Raum war… Doch dieser hatte zu diesem Zeitpunkt schon geahnt, dass etwas sehr, sehr falsch war – Es war nicht nur die kindliche Gestalt dessen, was sie da zusammengezimmert hatten – Das Gesicht war zu symmetrisch, wie das eines Menschen, den man aus der Erinnerung zeichnete, ganz gleich, ob das menschliche Gehirn nun programmiert sein mochte, symmetrie als schön zu empfinden, und auch wenn Yui eine sehr helle Haut gehabt hatte, das hier ging bei weitem darüber hinaus – doch am deutlichsten sprach wohl der Schwall vom blauem Haar, der über Ikaris Arm herrabfloss.

Einen Moment war er ja geneigt, es zu glauben, als, wie als Reaktion auf die Stimme des Direktors von GEHIRN eine regung durch das kleine, aber doch so, so vertraute kleine Gesicht ging, und sich die Augen einen spaltbreit öffneten… Hinter den Augenlidern lagen eine nicht zu beanstandende Iris mit Pupille, alles makellos, aber wenn die Augen die Fenster zur Seele sein sollten, dann hätte man jenseits dieser Augen nur ein großes „zu Vermieten“-Schild zu sehen bekommen – klar doch, da waren instinktive Reaktionen, vielleicht eine rudimentäre Intelligenz, die auf Stimuli reagieren konnte, aber da war kein Erkennen, kein Begreifen, kein leise zurückgeflüstertes „…Gendo?“, keine Reaktion, auch nicht, als er den kleinen, bleichen Leib leicht schüttelte, seine Kreatur starrte weiter vor sich hin, antwortete nicht, das einzige, was er mit seinen Weckversuchen bewerkstelligte war, dass sich die Unvollkommenheit seines Konstruktes noch weiter offenbahrte, während Fuyutsuki seinen Blick längst schon schmerzvoll abgewendet hatte, ein kleiner Arm, eine Tasche von Fleisch, die sauber vom Oberarmknochen abrutschte und in das LCL plumste, die Sehnen herabhängend wie langgezogene Kaugummistreifen, weitere Stücke bröckelten herrab wie festgetrockneter Sand oder Brotkrümel, wo Ikari die Schulter fest gegriffen hatte, begann sich die Haut schon wie Papier zu verziehen und zu reißen, der Hals, die Brust, alle fuhr aus der Form wie Plastik, das langsam zu schmelzen begann,und weitere Stücke plumpsten zurück in den Tank, egal, wie sehr Ikari die Schwerkraft und den Zerfall mit seinen Armen auszugleichen versuchte – zum zweiten Mal entkam sie ihm, und wie! Knapp eine volle Minute, nachdem diese unvollkomene Imitation von Mensch aus ihrem Entstehungsort entfernt worden war, ging sie endgültig in in Schaum auf wie Andersens kleine Seejungfrau – Es war wohl nur, weil Ikari das zerfallende Geschöpf an diesem Punkt instinktiv losließ, als dessen sich zersetztende Struktur ihm entgegen zischte wie der Inhalt einer getretenen Colaflasche, das überhaupt irgendetwas davon übrig blieb dass die beiden verzweifelten Männer weiter mit dessen leeren Augen anstarren konnte, nachdem es zurück in das LCL gesunken war und von diesem weiter konserviert wurde, aus einem halbgeschmolzenem Gesicht, in dem an der rechten Hälfte Muskeln, Knochen und ein Teil des Augapfels freilagen. Die Kraft des kurzen Falls und der Landung im LCL-Tank hatten ausgereicht, um die obere Hälfte jener leeren, menschenförmigen Fleischpuppe von der unteren zu lösen, verbunden nur noch durch die sauber herausgelöste Wirbelsäule und einer Spirale aus Gedärmen.

Es hatte fast schon eine poetische Qualität – Wie Wagners kleiner Homunculus aus „Faust“ konnte dieses artifizielle Konstrukt, dieser verkorkste Versuch einen künstlichen Menschen zu schaffen nur in dem Kolben bestehen, in dem man es erzeugt hatte.

Fuyutsuki sah nur eine mögliche Beschreibung für den Ausgang dieser Unternehmung:

„Wir haben versagt…“

Er schritt von seiner Konsole weg, weil er keinen Grund mehr sah, dort zu sein, getroffen von einer Resignation, die eigentlich wenn auch weniger offensichtlich schon präsent gewesen war, als er den Raum betreten hatten – Eigentlich war alles vorbei, bis auf das Trauern und das zweifelhafte Vergnügen, seinem Kollegen die Sache beizubringen.

Ikari selbst kniete einen Augenblick dort, das Gesicht gesenkt, der Aufdruck darauf unkenntlich bis dunkeldüster, auf seine nun leeren, befleckten Arme herrabsah.

Doch dann setzte er sich in Bewegung, nicht heftig, sondern langsam, allmählich und an sich undramatisch, und er begab sich zurück zu seiner Konsole und drückte Tasten, als ob nichts weiter geschehen würde.

Er war ein abscheulicher Anblick, von Kopf bis Fuß nach Blut stinkend, von Kopf bis Fuß besudelt, und das letzte mal, das er sich rasiert hatte, schien auch ein ganze Weile her zu sein, und wie er durch diese Brille noch durchsehen konnte, konnte sich Fuyutsuki auch nicht erklären, jedenfalls hätte er sie doch zumindest unter einem Wasserhahn abputzen können, als hätte er in einer Metzgerei gebadet – Dieser ganze Raum und alles, was er repräsentierte, began langsam, Fuyutsuki auf den Magen zu schlagen, eine schreckliche, widernatürliche Unternehmung, in der er sich da hatte hineinziehen lassen.

Er hatte schon von Anfang an geahnt, dass es eine hässliche Angelegenheit werden würde, Ikari aus diesem Raum herauszubekommen, und leistete sich ein letztes, resigniertes Seufzen, bevor er noch einmal versuchte, auf den jüngeren Mann einzureden, ahnend, das es vergebens sein würde. „Lass es, Ikari. Es ist zwecklos.  Sieh es doch an. Was wir extrahiert hatten, war mit fremdem Genmaterial verseucht… es war nicht Yui-kun… Ihre Seele war von Anfang an nicht hier drin… Es gibt wirklich keinen Grund, weiter in ihren Resten herumzustochern… Für was hälst du dich, Ikari? Für einen Nekromanten? Lass es sein, und geh nachhause. Geh unter die Dusche und rasier dich…. Wer hat sich überhaupt um deinen Sohn gekümmert, während du dich hier die ganze Zeit eingeschlossen hast? Der Junge hat schon seine Mutter verloren… Ich denke, dass reicht. Es braucht nicht auch noch seinen Vater zu verlieren.“

„…Das mit Shinji… ist geregelt.“ Gab Ikari zurück, scheinbar unwillens, weiter darüber zu reden. Seine Finger flogen weiter ungehindert über die Tasten.

Fuyutsuki hatte jetzt erwartet, dass er die Situation jetzt vehement leugnen würde, vielleicht eine Art zusammenbruch, im schlimmsten Fall auch eine totale Weigerung, einzusehen, was eben passiert war, so weit, dass er ungehindert weiter zu der zerfallenden, seelenlosen Puppe sprechen würde, die er da gebastelt hatte, als sei es seine Frau – Aber nichts davon trat ein, nach dem anfänglichen Moment der Bestürzung schien Ikari völlig ruhig, analytisch sogar, die Dinge, die aus seinem Mund kamen, machten Sinn, und es war erschreckend, wie viel Sinn sie machten: „Wenn sie von Anfang an nicht hier war, dann ist es, wie ich es vermutet habe. Ihre Seele muss noch in dem Evangelion sein… Und das heißt, dass dieser Plan durchführbar ist…“

„Plan-?! Ich wüsste nicht, dass unser Plan soetwas beinhalten würde!“

„Durch den …Zwischenfall wurden selbstverständlich ein paar …Korrekturen nötig.“

„Korrekturen? Bist du dir sicher, dass du nicht aus den Augen verloren hast, was eigentlich unser Ziel war…?!“

„SEELEs Szenario zu überschreiben, wie du, ich, Yui und Makinami es uns vor zwei Jahren geschworen haben. Daran hat sich nichts geändert… Es wäre natürlich günstig, wenn ich die Änderung mit ihr absprechen könnte, aber das ist leider… nicht mehr möglich. Es wird eine ganze Weile dauern, bis wir sie wiedersehen…“

„W-Wiedersehen?! Ikari, was in aller-“

„Das ist doch auch in Ihrem Sinne, nicht, Herr Professor?“

Das konnte Fuyutsuki nicht leugnen, aber-

„Wenn das so ist, was rührst du dann noch in dieser Bruhe herum? Wenn du sichergehen wolltest, dass Yui-kun immer noch-“

„Sie haben es doch selbst gesagt, Fuyutsuki. Diese Proben sind mit der DNA Lilliths durchsetzt… Das heißt, dass es möglich ist. Die Kombination von Mensch und Engel, die verbotene Fusion… Das öffnet eine ganze Menge möglichkeiten… Noch ist es zu instabil, um den Kontakt mit der Außenluft zu überstehen, aber das müsste man richten können… Ich habe doch gesagt, woran ich hier unten arbeite: An einer Möglichkeit, kompatible Piloten für die Evangelions zu finden… oder vielmehr, um diese selbst zu erschaffen. Was könnte besser geeignet sein, um Einheit Eins erfolgreich zu steuern als etwas, das aus derselben Quelle stammt?“

„Wissen sie eigentlich, was Sie da sagen…?!“

Fuyutsuki wartete gar nicht auf eine Antwort. Ethik hatte Ikari von Anfang an nie besonders gejuckt. „Nehmen wir mal an, sie bekommen ihr kleines…. Frankensteinkonstrukt stabilisiert, was dann? Wie soll eine seelenlose Puppe einen Evangelion steuern?“

„Die Entwicklung im Bereich künstlicher Seelen ist noch sehr rudimentär, aber ich bin mir sicher, dass die Kollegen vom Golghata- Stützpunkt mit den fertigen Resultaten etwas anzufangen wissen werden… Aber davon einmal abgesehen steht uns durchaus eine Seele zur Verfügung, die für diesen Kontext außerordentlich nützlich sein könnte…“

„Sie meinen doch nicht etwa…“

„Wie schon gesagt, was könnte besser passen als etwas aus derselben Quelle?“

„Ikari, das ist Wahnsinn. Sie legen sich da mit Dingen an, die weit jenseits ihrer Kontrolle liegen… Sie wollen ein gottgleiches Wesen zu ihrer persönlichen Fernsteuerung machen? Nich nur als Pilot, sondern als Medium? Was, wenn sich ihre Kreatur gegen Sie auflehnt?! Es wird Sie vernichten…“

Doch daran hatte Ikari von Anfang an nicht gedacht. Die Idee, die ihn hierzu bewegt hatte, war von Anfang an anderer Gestallt gewesen – Wenn dieses Geschöpf aus Yuis DNA geschaffen wurde, und er derhenige war, der diese Erschaffung vorgenommen hatte, wenn sie so in gewisser weise ihrer beider Produkt sein würde… wozu machte sie das dann?

„Die alten Männer werden das niemals tolerieren!“

„Die alten Männer sind genau so auf Piloten angewiesen wie wir… Erinnern sie sich noch an diese Passage aus den Schriftrollen? Diese, die niemals Sinn machen wollte? Die Frau, die die Form der Göttin annimt, und die Göttin, die die Form der Frau annimt? Ich denke, ich weiß jetzt, was sie bedeutet…“

 

(In den alten Erzählungen hieß es, dass die Kammer von Guf der Ort ist, an dem die Seelen, die die Schöpfer vor Ewigkeiten bereitgestellt haben, darauf warten, dass für sie die Zeit kommt, auf die Erde zu kommen, und ihr Schicksal zu verwirklichen – Aber ihre Zahl, hieß es, ist begrenzt, und wird einstmals zuende sein. Und wenn das erste seelenlose Kind geboren wird, tja, dann hat die Endzeit begonnen und die Apokalypse steht bevor…

Wie auch immer das genaue Verhältnis zwischen der Legende und der realen Situation ist, es war und blieb ein trauriger Fakt, dass die Geburtenrate nach dem Second Impact Jahr für Jahr weiter zurückging, und das im Terminal Dogma unter den Komplexen von GEHIRN ein zunächst seelenloses kleines Mädchen geschaffen wurde, deren einziger Daseinszweck es sein sollte, das Ende der Welt einzuläuten, und auch sie war seid dem Beginn ihrer Existenz dazu verdammt, ein Instrument von Schicksal und Vorsehung zu werden…)

 

Von diesem Zeitpunkt an konnte Fuyutsuki nicht mehr behaupten, dass er sich einfach nur mit ein paar schattigen Gestalten abgab, um die Welt zu retten – Nein, die traurige Realität war, dass die Rettung der Welt wohl gar nicht mehr auf der Speisekarte stand. Was konnte er allein schon ausrichten?

Alles, was ihm blieb, war das geringere zweier Übel zu fördern und zu hoffen, dass seine Lieblingstudentin von dort, wo sie jetzt war, etwas mehr ausrichten konnte als er.

In wie weit sie wohl wusste, was in der Außenwelt vor sich ging? In wie weit hatte sie es geahnt, in wie weit in Kauf genommen?

Oh, wenn sie das nur sehen konnte, diese Schweinerei hätte ihr das Herz gebrochen!

Ikari entnahm etliche Proben aus seinem halbzerfallenen Konstrukt und ließ es mit dem Ettikett ‚00‘ versehen und für die Nachwelt ins Lager stellen – Aus den entnommenen Zellen aber, von denen nicht jede die gleiche Kombination aus Engel und Mensch enthielt,  züchtete er weitere Kreaturen herran. Die DNA seiner Frau wurde zum Grundmaterial, einfach, weil die ursprüngliche Probe aus ihrem Aktivierungsexperiment resultiert war.

Von 1004 Emrbyonen, die aus ebensovielen verschiedenen Zellen des Konstrukts geklont worden waren, entwickelten nur 4 menschliche Gesichter – Bei den anderen war die Zahl der Augen ebenso ein Würfelspiel gewesen wie bei den Evangelions, wohl auch wegen der ähnlichen Quelle, und die Rate verkümmerter oder schrecklich verwachsener Fehlschläge war selbst größer – Die immende Mehrheit ging von alleine ein, doch selbst wenn nicht musste das nicht immer viel heißen – Etwas mit fünfzehn Armen verdiente es nicht länger, als menschlich bezeichnet zu werden.

Doch die innere Homogenität der so produzierten Klone half, sodass immerhin diese vier halbwegs akzeptablen Exemplare produziert wurden. Aus dem Ergut dieser vier wurden dann jeweils die besten Sequenzen zu einem idealen Genom kombiniert, an dem dann noch an über 44% gezielte biotechnologische Änderungen verschiedenen Umfangs durchgeführt wurden, bevor man den nächsten Versuch unternahm, das ganze zu einem halbwegs lebensfähigem Organismus zusammenzuzimmern – Die menschliche Technologie war letzlich doch limitiert, und Mensch und Engel schienen selbst auf molekularbiologischer Ebene dazu verdammt, einander zu vernichten, sodass das Wesen, dass Ikari in diesem Labor letzlich zusammenzimmerte, an sich immer noch von selbst zerfallen würde, wenn man nicht zahlreiche Maßnahmen ergriff, um ihre unnatürliche Existenz aufrecht zu erhalten – Aber diese lagen im Rahmen des Möglichen.

Trotz aller Rückschläge hatte Ikari die finale Version seines Impact-Auslösers bereits fertig und vorbereitet, als der dem Komitee wenige Monate nach dem Experiment die Verwendung von rekombinanten Organismen als Piloten vorschlug, und ihnen blieb nichts anderes übrig, als zuzustimmen.

Der erste vollendete Homunkulus war fertig, und ging schon kurz darauf in Massenproduktion – Im Hauptquartier behielt man sich einige dutzend vor, einerseits als Ersatzteile für das, was schon bald als „First Child“ klassifiziert und Jahre später, als ihre Existenz wegen ihres Pilotentrainings nicht mehr geheimgehalten werden konnte, dem Rest von GEHIRN als das Kind irgendeiner Bekannten vorgestellt wurde, das Ikari bei sich aufgenommen hatte, andeerseits für eine ganze Vielzahl von anderen nützlichen Aufgaben, im Golgatha-Stützpunkt aber wurden sie praktisch an Fließbändern gefertigt, wo sich einen Anblicke boten, die an eine Kreuzung zwischen einer industriellen Metzgerei und einer Sexpuppenfrabrik ähnelten und einem aufs neue bewusst machten, wie unheimlich die menschliche Form doch sein konnte, wenn sie im falschen „Kontext“ auftauchte.

Die offizielle Bezeichnung für Ikaris praktische Erfindung lautete „Ayanami-Typ Artifizielle Humanoide Evangelion-Mehrzweck-Kontrollphalanx“, oder, angeblich in Ehren an die verstorbene Direktorin von Komplex Fünf (Deren letzte Veröffentlichung tatsächlich so etwas wie einen Y.U.I.-Effekt beschrieb und die Wörter ganz schön stauchte um auf dieses Akronym zu kommen), einfach als „Ayanami-Serie“ abgekürzt, was einem darüber etwa genau so wenig verriet, wie einem ein Euphemismus wie „Kollateralschaden“ darauf vorbereiten konnte, zu sehen, wie seine Heimat vom Kriegzerfressen wurde. Worte wie „artifiziell“ und „humanoid“ kamen bei vielem vor, das mit den Evangelions zu tun hatte, keiner, der irgendwelche Berichte oder Papiere dazu gelesen hatte, aber nicht eingeweiht war, würde sich unter so einem „Ayanami-Typ“ etwas in der Form eines kleinen Mädchens eher noch etwas Riesen-Roboter-mäßiges, irgendeine Art von Kriegsmaschinerie – Aber waren es nicht immer eigentlich die Menschen, die die Kriegsmaschinen abfeuerten, und jene, die sie befehligten, welche die Kriege eigentlich führten?

In dieser Hinsicht repräsentierten diese massenproduzierten Androiden eine archetypische Horrorgestalt der Menschen, und zugleich die perfekte Kriegsmaschine: Ein Soldat, ein Super-Soldat, ein mit mystischen oder wissenschaftlichen in seinem Kampfpotential aufgewertete, seiner menschlichkeit beraubtes Konstrukt, gefühlos, absolut gehorsam, und vollkommen austauschbar, mit einem schier endlosen Lager aus Ersatzteilen, Ersatzkörpern, ein widerwärtiges Verbrechen an der Natur, das nicht mal einen Lebenswillen hatte, völlig leer bis auf einen entfernten Funken von etwas, dass nie in eine menschliche Form hineingehört hatte, alles in allem ein einziger Alptraum, der niemals hätte existieren sollen.

Könnte man meinen.

Als das fertige Resultat dann auf diesem Möbel lag, das man je nach Geschmack als „Bett“ oder „Werkbank“ hätte bezeichnen können, verloren unter einem Geflecht an Kabeln, dass ihren bis jetzt nackten, blassen kleinen Leib bedeckte, sah sie eher mitleiderregend aus als alptraumhaft, nicht viel anders als ein normales, kleines Mädchens, das genau so gut einfach nur ein Schläfchen halten könnte.

Da sie das erste Exemplar war, war ihre Erschaffung kontinuierlich verlaufen, sowohl zu ihrem Körper als auch zu ihren mentalen Routinen war nach und nach etwas dazugekommen, und so gab es wohl auch keinen definitiven Moment oder Tag der „Geburt“, irgendwann tauchten Geister von Bewusstsein auf, ein Erinnerungsvermögen bizarrer Weise schon zuvor, eine Art Selbstbild oder Konzept ihrer eigenen Existenz oder Indentität erst viel, viel später, und irgendwo zwischen alle dem speiste Ikari die Seele ein, es war auch schon eine ganze Weil, dass sie ausreichend Hirnströme produzierte, die man analysieren, überwachen und interpretieren konnte – nachdem er mit nicht wesentlich mehr angefangen hatte als einem Kopf und einer Wirbelsäuleangefangen hatte, die von denen, die er herangezüchtet hatte, so etwa am fehlerfreisten ausgesehen hatte, konnte er sein Konstrukt nun endlich als vollendet bezeichnen, und, wie vormals erwähnt, haufenweise Klone davon anfertigen lassen, nachdem dieses Wesen unter den vielen Kabeln ihre Augen geöffnet und Ikari auch tatsächlich anzusehen schien, und somit bewiesen war, dass diese Gefäße mit der eingefügten Seele tatsächlich kompatibel war.

„Jetzt müssen wir sie nur noch programmieren…“ meinte Ikari nach vollendeter Arbei zu Fuyutsuki, der für die große Generalprobe ebenfalls dabei gewesen war.

Während dieser jedoch auf distant blieb, lehnte sich Ikari selbst nach vorne, um sich seiner Schöpfung näher zu besehen – Ja, er, der Schöpfer dieser zweifelhaften Kreatur sah das ganze etwas anders, als man hätte meinen können – Dieses kleine rote Kleidchen, das er vor Jahren für ein ganz anderes Kind etwas voreilig gekauft hatte, würde wohl doch noch Verwendung finden.

Er lehnte sich nach vorne und hob den nun fertigen Homunculus vorsichtig aus dem Kabelgeflecht, worauf das noch in einem tabula-rasa-zustand befindliche Mädchen nicht wirklich reagierte.

‚Programmieren‘ sagte er… Fuyutsuki machte sich nicht mal mehr die Mühe, sich zu schütteln.

Scheußlich wie es klang war es doch eine Notwendigkeit – Sie hatten nicht wirklich die Zeit, ihr Sprechen, Laufen und dergleichen auf der normalen Geschwindigkeit auf die altmodische Weise beizubringen beizubringen, und überhäupt wäre ein Baby oder Kleinkind mit einem projezierbarem AT-Feld schlichtweg nicht praktikabel – Schon ein typischer Trotzanfall, wie sie alle zweijährigen mal hatten, könnte einen außerplanmäßigen Third Impact zur Folge haben, und wie sollte man ein Baby dazu bringen, die nötigen Medikamente und Ergänzungen zu schlucken? Und wenn man jedes mal wieder mit einem Baby dasitzen würde, wäre ihre ‚Ersetzung‘ ziemlich aufwändig, und sie wäre als Waffe schlichtweg ungeeignet.

„Dann wird sie einen Namen brauchen… Denkst du an „Kagura“, ebenfalls nach Ayanami-kun? Oder willst du sie gleich nach Yui-kun benennen?“

Ikari schüttelte den Kopf, ohne sich Fuyutsuki wirklich zuzuwenden. „Nein, keines davon.“

Er hatte seine Kreatur nun von den ganzen Kabeln losgemacht, vermutlich, um sie dorthin zu tragen, wo diese ‚Programmierung‘ erfolgen sollte.

„Rei.“ Verkündete Ikari, fest in seinem Entschluss. „Ihr Name ist Ayanami Rei.“

Das dünne Lächeln, dass danach einen kurzen Moment lang an seinen Lippen kleben blieb, gefiel Fuyutsuki überhaupt nicht. Es war vielleicht das erste Mal, seit dem Tag der Tragödie, dass sich sein ewiger finsterer Blick brach, und der Großteil daran war wohl Vorfreude und Triumph, die Gewissheit, dass die Umsetzung seines waghalsigen Planes gerade ein gutes Stück näher gerückt war, aber da war auch ein Glimmer von etwas ganz anderem…

 

(Hatte er so gelächelt, als sein eigener Sohn geboren wurde?

Nein, dass hatte er nicht.

Es war nicht, wie man zuerst meinen konnte, weil es ihn einfach nicht bewegt oder interessiert hatte, sondern vielmehr, weil er in diesem Moment zu sehr beschäftigt war, einen ganzen Strudel andere Dinge zu fühlen, der die Freude, selbst wenn sie dagewesen wäre, wohl hoffnungslos übertönt hätte – Der 6.6. 2001 war für Ikari Gendo ein Tag gewesen, von dem er ziemlich froh war, als er endlich vorbei war.

Es war eine schöne Ironie: Ein Paar das wie kein zweites darin verwickelt war, den Second Impact herbeizuführen, wurde fast eines seiner Opfer – Da sie gewusst hatten, dass er bevorstand, hatten sie und die ihren Vorbereitungen getroffen und reich wie sie waren, mussten die wenigsten unter den Drahtziehern der Verschwörung auf irgendwelche Annehmlichkeiten verzichten – Der Großteil von ihnen saß bereits wartend in einigen der wohl luxuriösesten unterirdischen Bunker der Weltgeschichte, während den einfachen Menschen auf der Straße alles restlos genommen wurde – Eroberung, Krieg, Hungersnot, und zulezt, der Tod und die Pest – Alle Reiter der Apokalypse tobten sich nach Herzenslust aus und zertrampelten alles unter den Hufen ihrer höllischen Rösser, das die Menscheit in über 10000 Jahren Zivilisation aufgebaut hatten, in weniger als den neuen Monaten Zeit, die es zur Formun eines einzigen Menschen brauchte – Als dieses Kind gezeugt wurde, stand die Menschheit zehn Jahre nach dem Ende des kalten Krieges in mitten ihrer strahlendsten Blüte, als dieses Kind das Licht der Welt schließlich zu sehen bekam, war von dieser nicht mehr all zu viel übrig. Hätte er diese Welt genau ein Jahr vorher betreten, wäre er ein Sommerkind gewesen, immer gewollt und sehnsüchtig erwartet und diversen örtlichen Aberglauben nach zu urteilen für ein glückliches Leben vorherbestimmt, doch kaum, dass das 21. Jahrhundert über diese Welt hereingebrochen war, hatte dieses Wort schon alle Bedeutung verloren, sodass diese Zeit nur noch als die ungefähre Mitte des Jahres gewesen wäre – Und das mit dem Sonnenkind wäre so oder so Unsinn gewesen, diese beginnende Existenz war bereits hoffnungslos verpfuscht, als seine Eltern den ursächlichen Orgasmus noch spüren konnten – Schon allein um der Namen dieser Beiden willen war es von Anfang an unmöglich gewesen, dass dieses Kind ein normales, glückliches Leben haben würde.

Und wenn sie noch so verschlungen gewesen wären, früher oder später  hätten sie alle in einen Evangelion geführt, und wenn die Sonne am Tag seiner Geburt noch so gestrahlt hatte.

Die Sonnenstrahlen waren den Ikaris am ehesten noch ein Hindernis, denn sie bekamen ihren ersten und einzigen Sohn am 6.6. 2001, exakt 16 Minuten nach 6 uhr morgens unter einem blutigen Sonnenaufgang  – und damit knapp einandhalb Wochen vor dem errechneten Geburtstermin. Sie waren auf der Heimreise, und hatten nicht vor, ihr Domizil und damit die Nähe schnell verfügbarer medizinischer Versorgungen wieder zu verlassen, bis das Kind da war. Am sechsten Juni hatten sie eigentlich schon dort angekommen sein sollen,  aber einen Tag, bevor sie diesen sicheren Hafen erreicht hätten, wurden sie  aufgehalten – Sie hatten herumgetrödelt, in den Bergen verweilt, weil es doch noch eine Weile hin sein müsse, und die Klippen und Täler Yuis romantische Ader schon im Vorbeigehen gereizt hatten und ihr Gatte ihr keinen noch so kleinen Wunsch abschlagen konnte – Monate nach der Katastrophe hatte das Grün wieder begonnen, zu wuchern, zumindest im Inland dieser Inseln, in den vergessenen, von Bergen umwallten Tälern in denen die Ruinen verlassener Siedlungen begannen zuzuwachsen – Der Wiederaufbau würde diese geheimen kleinen Gärten erstmal vernichten müssen, bevor er etwas neues schaffen konnte – Sie beide gehörten also zu dem winzigen Kreis von Menschen, die diesen Anblick zu gesicht bekommen und in Erinnerung behalten würden.

Etwas Paradiesisches fanden sie beide an diesem Anblick, wenn auch auf sehr verschiedene Art und Weise – Die Wissenschaftlerin schätzte das hervorschießen neuen Lebens, ihr Gatte die Rückführung eines Teils der Welt in eine Art Urzustand, doch sie einigten sich, sich nich zu einigen, und fragten sich stattdessen, was wohl ihr Sohn daran finden würde, wenn sie ihm eines Tages davon erzählen würden – Nicht, das es je dazu kam.

Sie verließen die überwachsenen Ruinen noch im Nebel des Morgens, hielten sich dann aber auf, eierten herum, ohne einen Grund zu sehen, zügig zu ihrem Vehikel zurückzukehren, sondern schlenderten in Määndern durch die Landschaft, wie das für Verliebte in der Sonne so üblich war – Am Ende überraschten sie die Wehen in der Mittagssonne, am Rande eines aus der Form geratenen Sonnenblumenfeldes, in denen einige der Gewächse noch lange ausgeharrt hatten, nachdem ihre Schöpfer sie verlassen hatten, nun, da der Winter ihnen keinerlei Beschränkungen mehr darüber auferlegte, wie lange sie zu sprießen hatten – Das ganze hatte beinahe schon eine poetische Qualität, die Sonnenblumen, die geringen Spuren verschiedener Wildpflanzen um das eintige Feld herum und jenseits davon, Mohn, Kornblumen, Hahnenfuß und Löwenzahn, und der kleine, nicht mal genau begrenzte, mit Steinchen ausgelegte Feldweg, neben dem ein paar wilde Apfelbäume schatten spendeten, und die Strahlen der unbarmherzigen Sonne, der alle Farben fast schon unwirklich intensiv erscheinen ließ – Dieser ganze Tag präsentierte sich in einer Aura lebhaften Wahnsinns, die Luft voller Süße und niedergedrückt von schwindelerregender Hitze, was man noch für eine idyllische Szene hätte halten können, verwandelt sich schon allein mit dem Satz „Gendo, ich glaube, das Baby kommt…“ in etwas aus einem besonders künstlerisch angehauchten, aber nicht minder tragisch-ironischen Geschichte. Sie hätte aus einem Werk von Max Frisch stammen können, vielleicht auch Goethe oder Fontane, eine Schönheit, deren tieferer Sinn es war, einen Missstand oder eine Limitation der menschlichen Natur aufzudecken – Wahrlich, es hätte kaum ein anderer Tag sein können.

Ikari wusste noch genau, wie seine Frau an diesem Tag ausgesehen hatte, das Haar deutlich länger als zum Zeitpunkt ihres kennenlernens oder bei ihrem vermeitlichen Tode, in Wellen herunter zu ihren Schultern, und sie trug ein weites Spaghettiträgerkleid in der Farbe von Blauregen, ähnlich wie Lavendel, aber deutlich verschieden, als hätte man eine Staubschicht davon heruntergewischt.

Zwischen den Wehen hatte sie immer wieder versucht, ihm zu versichern, das es schon noch werden würde, Kinderkriegen sei schließlich keine Krankheit und irgendwie hätte die Menschheit sich ja doch bis zum heutigen Tage erfolgreich fortpflanzen können, doch dass sie ihre Erklärung bisweilen für einen geflegten Schmerzenslaut unterbrechen musste, während deren ihr nichts anderes übrig blieb, als sich an ihrem Gatten festzuhalten, der natürlich sein bestes tat um sie zu stützen, ließ sie zumindest in seinen Ohren nicht sehr überzeugend klingen – Zu erwähnen, dass sie kaum vorran kamen war praktisch die Verschwendung eines Satzes, den Sauerstoff  hätte man auch besser nutzen können, oder zumindest ging es für Ikari bei weitem nicht schnell genug  – Der werdende Vater hielt das Schauspiel nicht besonders lange aus, und fasste rasch den Entschluss, seine Frau samt Babybauch einfach zu tragen, und auch wenn der Unterschied bei dem Körperbau der beiden da half, gestaltete sich das Tragen einer erwachsenen Frau über weite Strecken doch als eine schwierige Angelegenheit, die seine Muskeln und Knochen wohl nur deshalb relativ protestfrei mitmachten, weil er sich solch einer extremem Ausnahmesituation befand, oder zumindest in einer Situation, die er selbst eine solche wahrnahm, und er war gezwungen, sie in beiden Armen zu halten, weil er sie sich mitdem Babybauch nur schwer über die Schulter werfen konnte – Yui protestierte ja zunächst noch, dass sie durchaus laufen könnte, und dass er sich am Ende nur einen Leistenbruch holen würde, aber er wollte nicht hören und sie ließ ihn letzlich machen, sie kannte ihn gut genug um zu merken, dass er trotz des beherrschten, entschlossenen Äußeren, dass er ihr präsentierte, innerlich absolut in Panik verfallen sein musste – Er hatte seine Empfindlichkeiten, dieser Mann, so sehr ihn die bitteren Erfahrungen seiner Vergangenheit auch gezwungen hatten, sich letzlich abzuhärten und abstumpfen zu lassen. Es wäre nicht falsch zu sagen, dass er gerade deshalb so hart und verdorben erschien, weil die weicheren Schichten seiner selbst den Unbilden der menschlichen Existenz einfach nicht standgehalten hatten, verwelkt und weggeätzt wie totes Fleisch über Knochen, doch sie allein kannte diese andere Seite von ihm, sie allein nahm es auf sich, ihm die Dinge zu geben, die ihm so lange gefehlt hatten, sich um Teile von ihm zu kümmern, von denen er lange vergessen hatte, dass sie überhaupt da waren.

Was ihr jedoch bis zum Schluss nicht gelang war, ihn mit ihrem Optimismus anstecken – Er war und blieb ein unverbesserlicher Pessimist, allen kleinen und letzlich schnell wieder vergangenen Besserungen zur Zeit seiner Ehe zum trotz, und das spiegelte sich auch in den ersten Gedanken wieder, mit deben er auf Yuis Verkündung der nahenden Geburt reagierte: Das sie dabei am Ende noch sterben könnte. Man sah es ja oft genug in schlechten Filmen oder Erzählungen aus der Geschichte, wodauernd  irgendwelche Frauen bei der Geburt starben, bisweilen mitsamt Kind – Zwar gehörte dies dank der modernen Technik größtenteils der Vergangenheit an, aber moderne Technik gab es hier in allen vier Himmelsrichtungen keine, sie waren praktisch auf freien Feld. Natürlich hatten sie sich beide ausreichend Vorbereitungslitatur zu Gemüte geführt, sie in entspannter, freudiger Erwartung, er selbst in einem kühlen, planvollen Biereifer, der sich größtenteils aus Befürchtungen über seine eigene Unzulänglichkeit erwuchs, mit einem Stift in der Hand und einem Stapel Papier nebendran, auf den er wahnhaft alle möglichen und unmöglichen Vorbereitungen, alle einzuplanenden und zu bedenkenden Faktoren festhielt, als sei er ein Comicbösewicht, der sich durch einen komplizierten Drei-Phasen-Plan die Weltherrschafft unter den Nagel reißen wollte – Er hatte sich in seiner Ahnungslosigkeit an die Strategien geklammert, die er kannte –  dieses Universum war von seinen quantenphysikalischen Grundlagen herauf zufällig in ihrer Natur, doch wenn für alle möglichen Ausgänge etwas vorbereitete, stand man nicht ratlos, hilflos da ohne zu wissen, was man machen sollte – So hatte er die Welt bis jetzt überlebt, und so würde er sie auch weiterhin überleben – Die Räder seines Verstandes begannen zu ticken: Er wusste, wo sie ihr Auto gelassen hatten, und er konnte sich daran erinnern, dass sie nicht all zu lange bevor sie für ihren kleinen Umweg ausgestiegen waren, an einer noch halb in Trümmern liegenden, aber dennoch immer noch bewohnten Ortschafft vorbei gekommen war, wo man den Schutt zumindest soweit zur Seite gekehrt hatte, dass die Menschen mit ihren halb-reparierten Fahrzeugen umherfahren konnten – Wenn er Yui dahin bringen konnte, wenn er es nur bis zu dieser Siedlung schaffen konnte, hatten sie eine Chance – Es musste dort doch mit Sicherheit einen Arzt geben, mit Glück sogar medizinische Ausrüstung, ohne Glück doch mindestens ein altes Weib, das vom Kinderkriegen ihre Ahnung hatte.

Also eilte er mit seiner Frau in den Armen haltlos durch die Landschaft, schweißverklebt unter dem Zentralgestirn, dass aus ihrem Zenit aus auf sie herabglimmerte, ein einziger Punkt von eiliger bewegtheit inmitten des goldenen Tages, und der Pflanzen, sie sich langsam und genüsslich im Wind wiegen ließen, ein Schatten, der aus dem Takt der Umgebung herausfiel, vor Anstregung berstend, aber sich weiter vorranpressend, gerade langsam genug, um das Risiko, mitsamt Frau und Kind im vernachlässigbaren Bereich zu halten – Wäre das ein Film, hätte es spätestens jetzt einen Szenenwechsel gegeben, doch Ikari war gezwungen, jede Minute dieses Spektakels zu durchleben, jede einzelne, die seine Frau vielleicht teuer zu stehen kommen könnte, ohne, dass ihr Auto und die ungepflegte heruntergekommene Landstraße, an der sie es geparkt hatten, endlich in Sicht kam, nicht die schwarze Limousine, die der Leiter von GEHIRN sich erst in seiner Zeit als Witwer zulegte, sondern etwas deutlich geländetauglicheres, dass sie sich als Vorbereitung auf den Second Impact zugelegt hatten, in Flieder, hauptsächlich, weil dieses zum engeren Kreis von Yuis Lieblingsfarben zählte.

Als er seine Frau endlich auf die bis jetzt unbenutzte Rückbank (Einen Kindersitz hatten sie zwar bereits vor langer Zeit gekauft, aber nicht mitgenommen – Toll! Das würde den weiteren Transport von Frau und Kind bisweilen lustig machen.) bugsiert hatte, musste er sich erst mal setzte, ja, brach fast schon an Ort und Stelle zusammen und musste, so sehr er sich auch dazu zu zwingen versuchte, sofort wieder aufzustehen, erst einmal inne halten um ordentlich Luft zu holen.

Seine Frau versicherte ihm zwar, dass nur die allerwenigsten Babies eine bloße Dreiviettelstunde Stunde nach einsetzen der ersten Wehen auf die Welt kamen, und schon gar nicht bei einer Erstlingsgeburt, doch er schwang sich, nach dem er notdürftig mindestens einen Sicherheitsgurt über sie geschnallt hatte, so schnell es die Beschränkungen seines menschlichen Körpers zuließen, und führ los, nicht, wie man hätte meinen können, wie getrieben, sondern vorsichtig, die Verkehrsregeln einhaltend, beherrscht Geschwindigkeitsoutput und Sicherheit mathematisch gegeneinander abwägend – Im wesentlichen war es ein mehrdimensionales Extremwertproblem, beides nach Möglichkeit maximierend. Es war Punkt Zwei, als sie die Siedlung erreichten, die dann doch etwas weiter weg gelegen hatte, als Ikari sie in Erinnerung gehabt hatte, und auch, wenn sich Yui zunächst nur aus Rücksichtsnahme auf das Nervenkostüm ihres Ehemanns hatte tragen lassen, hatte sie es zu der Zeit, als er sie aus dem Wagen wieder heraustrug bitter nötig, zumal die Wehen mittlerweile in wesentlich regelmäßigeren Abständen kamen… Doch hier offenbahrte sich ihnen dann das volle Ausmaß der Ironie: Diese kleine Stadt hatte nie ein Krankenhaus besessen, doch eine Arztpraxis hatte es gegeben – Doch das Gebäude war am Tag des Second Impact eingestürzt und hatte den Hausarzt mit sämtlichen Krankenschwestern, seiner unglücksseligen Sekretärin und einem guten Dutzend wartender Patienten unter sich begraben, zusammen mit sämtlichen vor Haushaltsweisheiten strotzenden Großmütterchen, die das Städchen zu bieten gehabt hatte – Das Beste, was Ikari in diesem unglücksseligen Weiler auftreiben konnte, war eine Frau, die selbst schon fünf Kinder gehabt hatte, und ein pickeliger Halbstarker, der in einer Arztpraxis mal Sozialstunden abgeleistet hatte.

Keine sterilen Instrumente, keine Geräte zur Überwachung der kindlichen Herztöne, keine Schmerzmittel, noch nicht mal heißes Wasser oder eine gescheite Geburtszange!

Ein einziger Alptraum!

Er traute weder irgendeinem der halbeingestüzten  Gebäude in der Innenstadt des demolierten Dorfes, noch irgendeiner der abgenutzten, seltsam riechenden Decken, die die Bevölkerung dieses Weilers zu bieten hatte, die Rückbank ihres Wagens und die silberne Isolations-Decke aus dem kleinen, verstaubten Erste-Hilfe Kästchen, und was auch immer in diesem noch so zu finden war,  würden reichen müssen.

Doch weil sowohl der Platz im hinteren Abschnitt ihres Autos als auch die Dinge, bei denen erden beiden improvisierten Geburtshelfern hätte zur Hand gehen können, waren recht limitiert – Der Bengel stellte sich als unüberraschend nutzlos heraus, die erfahrene Hausfrau aber als um so praktischer, sodass sie das Kommando übernahm und den jungen Mann nachdem sie ihn dieses und jenes hatte holen lassen einfach zum Teufel schickte, zumal er die ganze Angelenheit ohnehin eklig genug fand – Der werdende Vater währe ihm gern gefolgt, spätestens, als sich das klebrige Fruchtwasser über die Sitzbank ergoss und dessen süßlichen Geruch im Auto verstömte.

Doch er hatte Yui schon vor langer Zeit angeboten, ihr bei der Geburt beizustehen, wenn sie das wollte, einfach, weil das etwas war, dass von hingebungsvollen Ehemännern erwartet wurde, doch worauf er sich da eingelassen hatte, hatte er nicht gewusst – Er hielt ihre Hand und sie sagte, dass ihr das reichte, aber er kam sich vor, als sei er nur Dekoration hier, er war eingequetscht zwischen der vorderen Sitzbank und seiner Frau, und tat sein Bestes, sich auf deren obere Hälfte zu konzentrieren, und nicht von all diesen seltsam- biologischen Prozessen Notiz zu nehmen, die weiter Hinten vor sich gingen – Da die Wehen ihr zuanfangs immer wieder mal ein paar Minuten Pause ließen, begann Yui ein Gespräch mit der anderen Frau, die darauf anfing, von ihren eigenen Kindern zu erzählen – Scheinbar hatte die Dame selbst einmal ein Kind in einer Dreiviertelstunde gekriegt, das vierte – Jetzt war das jüngste ihrer Kinder jedoch schon vier und wurde derzeit von den älteren Geschwistern versorgt.

Der Vater des Rudels hatte den Second Impact nicht überlebt, der älteste Bruder hatte die Rolle des Mannes im Hause übernommen, und Yui konnte von den ganzen Kindergeschichten nicht genug haben, es kaum erwarten könnend, endlich zu ihren eigenen zu kommen, aber dann kamen die Wellen regelmäßiger, und nahmen ihr die Luft, die sie zum reden brauchte.

Es wurde eine lange, schmerzhafte Geburt, die sich hinzog wie Käse – Ob man irgendwelche Eingriffe getätigt hätte, wenn ein Arzt dagewesen wäre? Selbst diwe Frau aus dem Dorf konnte es nicht sagen, bei ihr hatte es noch nie so lange gedauert.

Der goldene Mittag schmolz zu rotem Abend, die Glut des Abends verlöschte zu Nacht, und die Nacht ging endlos weiter, Schreie unter dem Sternenzelt –

„Und Pressen!“

„AHHH!“

Auch wenn die Dame aus dem Dorf da nur nach weiblicher Intuition ging, ohne wirkliche technische Hilfsmittel, an denen sie die idealen Zeitpunkte zum Atmen und Pressen hätte ablesen konnte – Ikari hatte sich genau etwa genau so an die Hand seine Frau geklammert, wie sie an seine – Gelegentlich änderte er geringfügig seine Position,weil er seine Füße nicht mehr spürte, aber es kam ihm nicht in den Sinn, ihr von der Seite zu weichen.

Bis her wäre es sein übelster Alptraum gewesen, in eine Situation zu kommen, wo irgend so ein Krankenpfleger ihn fragen würde, welche von Beiden sie im Zweifelsfalle retten sollten, die Frau oder das Kind – Doch wenn es irgendwie zu zu einer solchen Komplikation kommen sollte, würde sie jetzt wohl beide sterben, eine schöne Ironie wäre es gewesen, eine wunderschöne Rechnung für all das schlechte Karma und all die Männer, die ihre Frauen und Kinder beim Second Impact verloren hatte, aber das Karma würde hier wohl warten müssen, denn sowohl für Frau und Kind hatte das Schicksal noch weitere Pläne, auch wenn diese nicht als Gnade zu verstehen waren.

Die ersten Laute des neuen Erdenbürgers kamen dann letztlich doch noch, gerade rechtzeitig, um die Morgenröte zu begrüßen, wie erwähnt kurz nach sechs Uhr morgens – wenigstens eine Uhr hatten sie.

Letzlich war es zwar lang gewesen, aber nicht wirklich dramatisch, nicht wirklich kompliziert, mehr seine eigenen Befürchtungen als etwas anderes, es stimmte schon, was sie alles gesagt hatte, Kinderkriegen war keine Krankheit, und bis jetzt hatte sich die Menschen auch irgendwie fortgepflanzt, aber für ihn blieb das ganze definitiv eine traumatische Erinnerung, Schreie in der Nacht, Blut und Fruchtwasser, schlabberige und biologische Dinge, seine Unfähkeit, irgendetwas zu tun, und das Wissen, dass er es irgendwie selbst gewesen war, der sie überhaupt in diese Situation gebracht hatte, und was auch immer die Sonne in den jeweiligen Momenten getan hatte – Und dann kam natürlich der große, vielfach angepriesene Moment, indem die Dame aus dem Dorf, genau so müde wie sie beide auch und trotz aller Hilfsbereitschaft letzlich froh, dass all dies bald vorbei sein würde, ihm das Kind zum ersten Mal in die Arme pflanzte, irgendwas von wegen Nachgeburt murmelnd, das wohl eher an Yui adressiert gewesen war als an ihn, wen kümmerte es schon, dass er hier noch immer stand, er war von Anfang an doch nur Dekoration gewesen, und er hörte seine Frau sprechen, erschöpft aber über alle maßen selig:  „Schau mal, Gendo… Es war doch ein Junge, genau, wie ichs immer gesagt hatte.“, und dann hielt er das Bündel in seinen Armen, der Rest der Nabelschnur notdürftig mit einer Wäscheklammer abgeklemmt, noch voll von Blut und Schmiere, verschrumpelt, der kleine Schädel, der kaum die Dimensionen einer Pampelmuse hatte, noch etwas verformt, wie das bei Neugeborenen bisweilen vorkam, vielleicht entfernt der Form der Innenwände des Geburtskanal ähnelnd, wer weiß, jedenfalls war es in der Tat ein Junge – Wie ihr kleiner Sohn bei einem dieser typischen Zehn-Punkte-Tests für Neugeborene abgeschnitten hätte, erfuhren die Ikaris nie, jendenfalls war das Kind lächerlich winzig, sparsam, aber nicht geizig mit Babyspeck bestückt und kündigte seine Ankunft statt mit lautem Gebrülle nur mit einem kürzerem Fiepen an, und um abzuschätzen ob denn alles daran Ordnungsgemäß durchblutet war, hätte man es erst gründlich waschen müssen, aber im wesentlichen schien alles Paletti, der Kinderarzt, dem sie das Kind schließlich vorlegten, nach dem sie nachhause zurückgekehrt waren, hatten an dem kleinen Jungen jedenfalls nichts zu beanstanden.

Ikari hatte ja bis zum Schluss ein klitzekleines bisschen gefürchtet, das der Balg unglaubliche Ähnlichkeit mit Fuyutsuki haben würde, aber nein, es war eindeutig seins, die Ähnlichkeit war so offensichtlich, dass man sie schon erkennen konnte, nachdem der Junge gerade erst aus seiner Mutter herausgekommen war… aber die Reaktion war nicht Freunde, sondern entfernte Bestürzung – Er hatte aus den innersten Tiefen seiner selbst gehofft, dass dieses Kind ihm nicht ähnlich sehen würde, deshalb auch sein Beharren auf ein Mädchen, wenn es ein Mädchen wäre, würden sich etwaige Ähnlichkeiten leichter übersehen lassen – Das letzte, was er wollte, war das dieses Kind, Yuis Kind dass sie sich so sehr gewünscht hatte (und er sah es von Anfang an als etwas, dass er ihr einfach nur geben würde, etwas, dass sie wollte, wofür er ihr eben erlaubt hatte, Teile seiner selbst zu benutzen, die sie nicht hatte, weil er alles von sich zu ihrer Verfügung stelle, schon aus Prinzip – Und nicht als etwas, was ihn wirklich selbst betraf, woran er sich selbst beteiligte) von seiner Verderbnis befleckt sein würde, seine Fehler haben würde, seine Unvollkommenheiten und Unzulänglichkeiten, und das selbe Leid durchleben würden musste – Da war fast schon eine Welle von absurder Wut, wie die einen manchmal überkam, wenn man mit Gefühlen überkommen war, ‚Wieso konntest du nicht anders sein? Wieso musstest du so sein wie ich?‘ , und irgendwo die kalte, gefühllose Abwägung, der „Betriebs-Modus“, der dass hier sah wie er ein Experiment oder eine zwielichtige Machenschaft sehen würde, hatte es sich den gelohnt? War dieses kleine Häufchen Biologie, dass nicht wie viel auussah, den Schmerz wert, den seine Frau seinetwegen gerade durchlebt hatte? Ihr Leben war vermutlich zu keinem Zeitpunkt auch nur in die Nähe der Gefahr gekommen, aber in seiner persönlichen Wahrnähmerung, der Realität, in der er mit ihr in seinen Armen diesen Feldweg entlang gerannt war, und praktisch nutzlos zusammengequetscht in der Ecke dieses Geländewagens gekniet hatte, fühlte es sich an, als sei sie sie fast dafür gerstorben, und er wusste natürlich, dass es irrational war, und versuchte das Labor und die Denkweisen die dazu gehören von hier zu verbannen wie alle anderen Dinge, die hier nichts zu suchen hatte, aber dann hätte er alles dass hier sehen müssen, die Gegenwart, und er hätte sich schütteln müssen, von diesem Ort, den Gerüchen in der Luft und was sich hier abgespielt hatte, und er konnte es sich nicht leisten, sich auch nur einen Millimeter zu rühren, blieb still und hielt seine Arme so, wie sie gewesen waren, als die Frau das Kind da hineingelegt worden, denn er wusste, das musste eine korrekte Position sein, das war eine korrekte Art, das Kind zu halten, und wenn er diese genaue Position verlassen hätte, hätte er nicht gewusst, woran er hätte merken sollen, ob er das Kind nun richtig festhielt oder nicht, es sah so winzig und zerbrechlich aus, als ob die winzigste falsche Bewegung sonstwas bedeuten würde, und er wusste einfach nicht, was er machen sollte, wartete nut im Stillen, dass sich jemand seiner erbarmen und das Kind von da wegnehmen würde, und gleichzeitig schämte er sich, schließlich war er von allen hier am wenigsten beschäftigt oder verhindert.

Was war eigentlich los? Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits Menschen getötet und Götter herausgefordert, Widerlichkeit und Hässlichkeit war länger sein täglich Brot gewesen, als er seine Frau kannte, also wieso reichte jetzt auf einmal ein gewöhnlicher, biologischer Prozess aus, um alles Blut aus seinem Gesicht schwinden zu lassen…? Vielleicht war es irgendwo die Falschheit daran, eine Frau, die er hauptsächlich begehrte, in der Rolle einer Mutter anzutreffen, er hatte immer noch nicht ganz realisiert, wo seine Rolle bei dem ganzen Zirkus hier liegen sollte.

„Uhm… Hallo, Shinji.“ meinte er zu dem Baby, das Gefühl habend, das er wohl etwas sagen sollte, aber nicht ganz wissend, was.

„Ich, ähm, ich bin dein Vater. Vielleicht… vielleicht erkennst du ja meine Stimme…“

Er blickte herab auf diesen dynamischen Haufen Existenz, den er noch nicht ganz als Menschen registriert hatte, und seine Augen fragten, „Was soll ich nur von dir halten? Was soll ich nur mit dir anfangen?“ und wie es sich so trifft gab es da diese eine Wahrheit über menschliche Kinder, die sich den Menschen erst vor relativ kurzer Zeit offenbahrt hatte: Einst dachte man, ein Neugeborenes hätte nicht wesentlich mehr Innenleben als ein Kohlkopf und würde dieses erst im Rahmen der Erziehung erlangen, heute wusste man aber, dass so ein Mensch schon mit einer ganze Menge „Software“ auf die Welt kam, von denen der immense Großteil darauf ausgerichtet war, eine Bindung zu former, und eine „niedliche“ Konsequenz davon war, dass man ein Baby beliebigen Alters allein dadurch zum weinen bringen konnte, dass man es eine Weile eisig anblickte und nicht ausreichend auf es reagierte – „Ein Kunststück“, dass Ikari vollbrachte, bevor sein Sohn volle Fünf Minuten auf der Welt war – Nein, zumindest diesbezüglich brauchte man sich keine Sorgen zu machen, schreien konnte dieses Baby, definitiv.  Und wie!

Er versuchte es mit einem zögerlichen „Nicht… nicht weinen, Shinji…“ aber vielleicht hätte der Säugling eher verstanden, was sein Vater damit meinte, wenn dieser seine Worte mit irgendwelchen Gesten untermalt hätte, das Kind vielleicht näher an sich herangedrückt oder leicht gewiegt hätte, aber er traute sich nicht, die kleinste Bewegung auszuführen, kniete weiter da wie festgefrohren, hilflos das Geschrei mitansehend, bis Yui, vermutlich mittlerweile um die Nachgeburt erleichtert, zu ihm sprach und sie anwies, das ihr das Kind auf den Bauch zu legen, damit sie es genauer betrachten und vor allem stillen konnte.

Das er von ihnen beiden der erste gewesen war, der dazu gekommen war, das Kind zu halten, hatte er nicht einmal realisiert – Yui hatte ihren kleinen Sohn jedenfalls schnell wieder beruhigt, der einzige Beitrag ihres Ehemannes war es, ihr etwas zu helfen, sich ihres schon seid Stunden hochgekrempelten Kleides endgültig zu entledigen und auch ihren Büstenhalter loszuwerden, und sie lag in ihrer ursprünglichsten Form da, bei der ursprünglichsten Beschäftigung allen Lebens, und der Großteil der Schönheit, die sie daran fand, war ihrem Gefährten zu hoch – je mehr sich die Aufregung verflüchtigte, um so deutlicher spürte er die erdrückende Müdigkeit der durchwachten Nacht – Aber gelächelt hatte er zu keinem Zeitpunkt, und auch, sich in irgendeiner Form zu freuen, wäre nach den Strapazen der letzten Stunden, nachdem er gesehen hatte, was seine über alles geliebte Frau in den letzten Stunden hatte durchmachen müssen, soziemlich das letzte, was ihm in den Sinn gekommen wäre.)

 

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17: [Das Maul des Saturn]
 

 
 

Boku wa tada kimi ni
 

Sayonara o iu renshuu o suru
 

 
 

-Kubo Tite, aus Bleach Band
 

 
 

[:]
 

 
 

I am merely practicing
 

saying goodbye to you.
 

 

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Die Glasröhre wurde wieder nach Oben in die Vorrichtung hineingefahren und das kleine blauhaarige Mädchen, das eben noch sorgsam auf der Platzform hatte drapiert werden musste stand auf ihren eigenen Füßen, auch wenn der Blick ihrer roten Augen weiterhin starr nach vorne ging, ohne die zwei Männer, die vor ihr standen, im Besonderen anzusehen.

„Verstehst du, was ich sage?“ fragte eine tiefe, rauhe Männerstimme.

„Positiv.“ Bestätigte sie mechanisch.

„Erwarte Instruktionen.“

„Ich bin dein Kommandant und dein Schöpfer, Ikari Gendo, Leiter von GEHIRN. Du wirst ab jetzt jedem meiner Befehle befolgen. Verstanden?“

„Jawohl.“

„Dein Name ist Ayanami Rei. Deine Funktion ist es, das Projekt zur Vollendung der Menschheit vorranzutreiben. Seine Vollendung ist der Zweck seines Daseins.“

„Jawohl.“

„Gut. Wir werden jetzt ein paar grundlegende Tests machen.“ Kam die Stimme eines zweiten, älteren Mannes. „Kannst du mir sagen, welche Farbe die Karte hat?“

„Blau.“

„2537483. Wiederhole die Zahlenreihe, die ich gerade aufgesagt habe.“

„2537483.“

„Sehr gut. Kannst du deinen rechten Arm bewegen?“

Das konnte sie.

„Gut, ein letzter Test. Erkennst du, wer auf diesem Schirm hier zu sehen ist?“

„Das ist das Objekt, das die Bezeichnung Ayanami Rei trägt.“

Fuyutsuki warf seinem Vorgesetzten einen fragenden Blick zu.

„Das ist gut genug…“ meinte er zu dem alten Ex-Professor hin und begab sich zu dem kleinen Mädchen, um ihr zu der zu der Röhre dazugehörigen Platform herunterzuhelfen, sie auf dem Boden abzusetzten und sie letzlich an die Hand zu nehmen.

„Lass uns gehen…“ meinte er zu dem Mädchen hin.

„Wir werden ein paar ausführliche Testreihen durchführen, um sicherzugehen, dass du auch wirklich vollständig funktional bist.“

„Jawohl.“

Sie klang leise und tonlos, aber es war, als ob Ikari das einfach nicht bemerken würde – Jedes aufflammen dieses Stimmchens, dass zwar das eines kleinen Mädchens war, aber denoch eine vertraute Qualität mit sich trug, vertiefte sein dünnes, kaltes Lächeln und das Glimmen des Wahns hinter seinen Brillengläsern, wie bereits erwähnt: Größtenteils Vorfreude, aber auch etwas anderes, eine Freude, die bei der Geburt seines wirklichen Kindes gefehlt hatte – Aber auch die Freude dieses Moments, die Freude über dieses kleine Mädchen hier konnte man in Zweifel ziehen; Die Aufregung und Ratlosigkeit von vor vier Jahren waren wenigstens real und unmittelbar gewesen, doch die Freude dieses Tages war eine leidenschaftslose, kühle Sache gewesen, mehr ein Gespenst eines positiven Gefühls oder etwas, was diesem ähnlich war, was Ähnlichkeit zu Dingen hatte, die er nie wieder fühlen würde, nicht, seit dieses große, dunkle Loch in seiner Seele klaffte, wo einmal die einzige Quelle von Wärme in dieser Hölle, die sie mangels eines besseren Wortes „Die Welt“ nannten – Man könnte meinen, das Mädchen hätte ihn lediglich an Freude erinnert, einfach nur einen Funken von Erinnerung in ihm geweckt, einen lang verblassten Nachgeschmackt, ein entferntes Echo, eine vage Ahnung davon, wie Freude sich vor langer, langzer Zeit einmal angefühlt hatte, wie es gewesen war, sie zu fühlen, wie es war, Frau und Kind zu haben – Er konnte die Erinnerung daran nie zu lange festhalten, es schmerzte einfach zu sehr, doch das Brennen der Melancholie war eine der letzten Flammen, die sein eisiges Herz noch wärmten, und sei es nur ein kleines Bisschen .

An seiner farblosen, verblassten Illusion der Vergangenheit übersah er, dass sein Kind noch auf dieser Welt war, dass der Junge lebte, dass er real war, dass sein Leben auch dann weiter ging, wenn sein Vater nicht dabei war, und dass er irgendwo an der Oberfläche, weit weg von ihm dabei war, sich neue Erinnerungen zu formen, zu denen sein Vater nicht mehr dazugehörigen würde, dass das Kind gerade jetzt in diesem Moment darauf wartete, das er zurück kam, und sich nach für nacht alleine in die Kissen weinte… Zu diesem Zeitpunkt hatte Ikari seinen Sohn noch nicht komplett weggeschickt, sich jedoch schon sehr von ihm abgewendet, versunken in seine Arbeit, in jeder Minute, die sie noch zusammen verbrachten, nur sein eigenes Versagen sehend.

Am Anfang hatte der Junge noch regelmäßig nach seiner Mutter gefragt, doch seit geraumer Zeit hatte er es wohl aufgegeben und begonnen zu ahnen, dass er sie niemals wieder sehen würde, zumindest im Fleische nicht, allerhöchstens im Lichte – Zuhause mit dem Jungen gab es nichts als dicke, finstere Stagnation, wenn nicht sogar langsamen Verfall, und er hielt es nicht aus, ertappte sich dabei, wie er mehr und mehr Wege fand, sich dieser ganzen Situation zu entfliehen. Natürlich war das Kind nicht allein zuhause, dafür war es zu jung, dochdie ständig wechselnden Babysitter gaben ihm genau so wenig halt wie sein Vater, der in ihrem Haus allerhöchstens physisch noch anwesend war, und selbst das immer seltener.

Wenn er nachhause kam, schlief das Kind meistens schon, und er brachte es in den Kindergarten sobald dieser öffnete, früh morgens, dern in der Regel noch halb schlafenden Jungen wortlos dort abladend, ohne je wirklich auf die Bitten der Kindergärtnerinnen zu reagieren, dass er sich bei ihnen doch mal für ein Gespräch melden sollte – Hin und wieder beteuerte er, einen freien Fleck in seinem Terminkalender zu suchen, und meinte es in jenen Augenblicken sogar ernst, aber es wurde nichts daraus.

Mit dem Projekt war es einfacher, verständlicher, nicht so erdrückend trostlos – Es ging vorran, sehr gut sogar, die gelungene Erschaffung dieses Mädchens sollte der beste Beweis sein.

Hier war er in seinem Element, hier wusste er, wass es war, dass er tun musste, wie die Dinge funktionierten.

Es war etwa um diese Zeit, dass er das erste Mal die Nacht im Hauptquartier verbrachte, am frühen Morgen einzig und allein deshalb in sein Haus zurückkehrend, um es gleich wieder zu verlassen und den Jungen in den Kindergarten zu geleiten.

Doch auch bei GEHIRN gab es die eine oder andere unvorhergesehene Entwicklung – Nachdem sein Vorschlag bezüglich artifizieller Piloten angenommen wurde, und den alten Männern nichts übrig geblieben war, als Rei zu akzeptieren, hatte er dem nächsten Aktivierungsexperiment mit EVA 02 zunächst nur geringe Bedeutung zugemessen – Alles verlief so weit nach Plan, alle Trümpfe lagen in seiner Hand, und für seinen Plan war alles außer Lillith, Adam und Eva 01 erstmal belanglos – Dr. Zeppelin-Shikinami war in die Wahrheiten den Projektes nur so und so weit eingeweiht – Soweit sie es wusste, bauten sie entschärfte, kontrolierbare Kopien von Adam, mit dem einzigen Ziel, die Engel mit ebenbürtigen Waffen zu bekämpfen – Mehr musste sie für den Bau des Produktionsmodells nicht wissen, EVA 02 war ein „abgespecktes“ oder „kastriertes“ Modell, wie man sagen könnte, wirklich einfach nur für keinen höheren Zweck gedacht als den Kampf gegen die Engel, und als solches hatte es keine Notwendigkeit für die die höheren Funktionen des Originals – Ein Impact-Phänomen würde man damit kaum auslösen können, dafür war nicht zu erwarten, dass das Ding außer Kontrolle gelangen würde.

Es war im großen Ganzen unwichtig, nichts als ein Fußsoldat, und ähnliches galt für Dr. Shikinami selbst – Sie war die Leiterin der wissenschaftlichen Abteilung in der 3. Außenstelle in Deutschland und als solche hauptsächlich dort zugegen.

Klar verlangte die internationale Zusammenarbeit, dass sie bisweilen im Hauptquartier zu tun hatte, aber dann hatte sie meist mit Yui zu tun gehabt als mit ihm direkt, da sie zu deren Abteilung gehört hatte – anscheinend waren die beiden Frauen alte Bekannte, oder so hatte es zumindest Yui ausgedrückt – Sie machte sie ebenso wenig aus Rivalität wie ihre beiden Nachkommen, auch wenn es bei denen eher daran lag, dass diese keinen Tropfen Ambition in sich hatten – Yui selbst hatte davon mehr als genug gehabt, ihre Ziele reichten hoch wie der Himmel, ihre Pläne beinhalteten Zeiträume und Größenordnungen, die Menschen wie Insekten aussehen ließen – und genau das war es ja, sie hatte viel höhere Absichten, viel größere Pläne, um sich mit Konkurrenzkämpfen mit einem simplen Menschen aufzuhalten – Die Wahrheit war, dass sie Shikinami und ihre Arbeiten eigentlich schätzte, und sie gerne mit ins Gespräch einlug, wann immer sie und Makinami sich darüber ausließen, wie niedlich ihre Kinder doch seien –

Ehrlich gesagt hatte das ganze Gequastsche Ikari nie interessiert und er hatte damals Ewigkeiten zuvor kein großes Geheimnis daraus gemacht, dass er dem, was Yui da über ihre Kollegin aus Deutschland erzählte, nur halbherzig zugehört hatte – Aber  wenn er sich recht entsinnte, hatte Dr. Shikinami selbst eine Tochter, die nur unwesentlich jünger war als Shinji, der Name war ihm gerade entglitten.  Amaya? Astrid? Annika?

Angeblich konnte die Kleine schon ihren Namen schreiben, als Klein-Shinji und Mini-Mari noch damit kämpften, Strichmännchen zu zeichnen.

(Akagi wurde auch gelegentlich eingeladen, und gefragt, wie ihre kleine Ritsuko denn so gewesen sei, als sie in dem Alter war, aber das letzte, worüber Akagi bei der Arbeit reden würde, war ihre Tochter, und das letzte, worüber sie etwas hören wollte, war das harmonische Familienleben der Ikaris – Shikinami hatte, wenn auch aus sehr verschiedenen Gründen ebenfalls nur extrem begrenzten Bock darauf, seid ihre eigene Ehe in die Brüche gegangen war. Vielleicht konnte sie es sich auch deshalb nicht verkneifen, ihre Rivalität auf die Kindererziehung auszuweiten, und den anderen damit in den Ohren zu hängen, wie ihre Tochter doch alles besser können würde, aber ansonsten erzählte sie eigentlich recht wenig von ihrer Tochter, und wenn Yui und Dr. Makinami sich über irgendetwas absolut witziges oder niedliches ausließen, dass eines ihrer Kinder wieder angestellt hatte, (Yui souverän lächelnd oder bestimmt in sich hinein kichernd, Makinami selten ohne ein vollmundiges, unpassendes Lachen, dass ihren ganzen Körper beben ließ) war Zeppelin-Shikinami oft schnell dabei, sie zurechtzuweisen, und darauf hinzuweisen, dass sie hier bei der Arbeit wären und nicht bei irgendeinem Krabbelgruppen-Teekränzchen.

Das ihre Tochter  ihren Namen schreiben konnte, stimmte jedoch. Und das erste, was sie tat, sobald sie die Fünf Buchstaben gemeistert hatte, ihre ganzen Besitztümer schnell dadurch zu brandmarken, dass sie überall ihren Namen draufschrieb – Ihr Stiftemäppchen? Asuka! Ihr Ausmalheftchen? Asuka! Die Innenseite ihrer Mützen und Hüte? Asuka! Ihre Hausschuhe für den Kindergarten? Asuka! Das auch jeder weiß, wem das alles gehört.

Nur auf dem Kleid einer ihrer Lieblingspuppen wollte sich der Filzer nicht so recht halten, zumindest nicht nachdem das Teil in der Waschmaschine gewesen war, was die Kleine prompt veranlasste, schmollend zu ihrer Mutter zu laufen, und dieser die Tragödie zu berichten, das ihr Name nicht mehr drauf sei. Darauf holte die gute Frau Shikinami ihr Nähkästchen heraus, und stickte es in schwarzer Naht hinein, dass es auch für die Ewigkeit bewahrt war: ASUKA.

Das war eine der letzten guten Erinnerungen, die Asuka von dieser Frau hatte, und eine der einzigen, alles weitere, was gute Zeiten hätten sein können, versank im Nebel der frühen Kindheit – Doch die wenigen Bilder von „vorher“ wirkten in der Erinnerung des Mädchens wohl deutlich süßer als sie wirklich waren, für sie war das die Zeit, bevor alles zur Hölle gefahren war.)

 

Wohl ein gutes Stück darüber gekränkt, dass sie nicht dazu gekommen war, ihre Rivalin zu deren Lebzeiten auszustechen, aber nicht unehrlich wenn sie behauptete, deren Arbeit zuende zu führen zu wollen, damit sie nicht umsonst gestorben war, ging sie die Daten von Yuis Aktivierungsexperiment etliche Male durch, und arbeitete das Vorgehen für den Test mit EVA 02 so weit aus dass er, so ihre Meinung, einfach gelingen musste – Doch auch wenn sie stolz war, blieb sie doch eine Wissenschaftlerin, und hinterließ Aufzeichnungen mit genauen Instruktionen für die Auswertung und Interpretation der Daten, in dem Fall, dass sie nicht zurückkehren sollte – Wenn sie die passenden Kriterien für eine erfolgreiche Aktivierung nicht erfüllte, sollte sich, wenn alles nach Plan verlief, herausrechnen lassen, in wie weit ihre Parameter von den Ideal abwichen, und in welchem Bereich die tolerablen Werte lagen, nach denen man die Kandidaten aussuchen sollte – Mögliche relevante Parameter auszusuchen, hatte Dr.  Shikinami alleine geleistet, der bioinformatische Alghorithmus, nach der herausgerechnet werden sollte, welche dieser Parameter wie signifikant waren, war ein Beitrag von Akagi, welche ihn mit Unterstützung von der Kollegin Miyazawa aus Komplex Fünf zusammengezimmert hatte.

Doch auch wenn die deutschstämmige Wissenschaftlerin für den Ernstfall geplant hatte, und sei es nur, um ihre Rivalin mindestens aus dem Grabe heraus noch auszustechen, hatte sie durchaus vor, ihre Loorberen noch persönlich einzusacken – Sie ging genau durch, was bei dem letzten Experiment schiefgegangen war, und traf Vorkehrungen, um die Moleküle, die ihren Körper ausmachten, alle brav beieinander zu behalten, doch ihr wurde nicht genug über die wahre Natur dessen erzählt, woran sie da herumwerkelte, als dass sie die wahre Tragweite dessen ahnen könnte,was beim ersten Experiment geschehen war – Ein ähnliches Ergebnis würde jenen, die bereits wussten, worauf das alles hinaus laufen würde, ohnehin gelegen kommen, und so ging auch Aktivierungsexperiment Nummer Zwei als schreckliches Debakel in die Geschichte ein – Freilich, die Vorkehrungen brachten etwas, man bekam den Körper der Frau genau so intakt aus dem Kern von EVA 02 heraus, wie man ihn hineinsinken lassen hatte, doch was auch immer darin steckte, es war nicht Dr. Shikinami, zumindest nicht alles von ihr.

Sie war ein weiteres der zahllosen Menschenopfer geworden, welche dieses Projekt gefordert hatte, einer von vielen Kadavern, der auf dem Haufen von Knochen, Schädeln und Blut der schon in den Rachen dieses Paktes gekippt worden war, nicht weiter auffiel, und ihr Ende polierte die Altare für viele neue Opfergaben auf – Was sich an Bedingungen aus den Ergebnissen des Experimentes herrausarbeiten und durch weitere Überlegungen ergänzen ließ, war zweifellos grausam, und erwuchs sich aus teils gegensätzlichen Vorraussetzungen – Einerseits mussten die Kandidaten überhaupt fähig sein, eine funktionelle Verbindung zu den Evangelions aufzubauen, andererseits brachte das ziemlich wenig, wenn diese wie die Wissenschaftlerinnen, welche die menschengemachten Götter zuvor getestet hatten, direkt absorbiert waren – Es war also ein schmaler Grad.

Eines der Haupt-Ergebnisse der Arbeit, die Dr. Shikinamis Namen zwar ganz oben in der Liste der Beteiligten trug, abei keine einzige Zeile enthielt, die von ihr persönlich verfasst worden wäre (Dazu war sie nicht mehr fähig gewesen) war, dass schon die ansonsten unwesentliche Kontamination durch die zur Zeit des Second Impact in die Umwelt geblasene Materie für eine theoretische Chance ausreichte, ohne das weitere Modifikationen in dem Umfang nötig wären, wie sie beim First Child stattgefunden hatte – Aber theoretisch war hier wirklich als theoretisch zu verstehen, das ganze wurde schließlich auch als Neun-Nullen-System bekannt, eins zu neun Milliarden, und auf dem Planeten waren nur noch knapp drei Milliarden Menschen übrig, von denen nur die wenigsten nach dem Second Impact zur Welt gekommen war: So sehr man denken würde, dass sie Welt zur Neubesiedlung einiges an Nachwuchs brauchen könnte, die traurige Wahrheit war das Kinder, Nachkommen in dieser gegenwärtigen Welt zu einer knappen Ressource geworden waren.

Und jetzt würde man einige davon noch für das Projekt verheizen müssen. Es war schnell klar, worauf das hinauslaufen würde, aber

Darauf allein basierend war die Existenz von brauchbaren Kandidaten zwar theoretisch möglich, doch die Chance, das davon auf der Erde überhaupt welche herumliefen, war abmessbar gering, man hätte mehrere Erden voll Menschen gebraucht, um zu rekrutieren, was man brauchte, um eine einzige davon zu retten, doch es gab andere, etwas enger unter Verschluss gehaltene Faktoren, die, wenn mehrere davon zusammen zusammenkamen, durchaus zu brauchbaren Ergebnissen führen sollten  – Zum Beispiel würden sich Testpersonen, die sich zum Zeitpunkt des Second Impact oder zumindest kurz danach noch in utero befunden hätten, besonders eignen, man konnte also zumindest einige der ältesten verfügbaren Kinder benutzen – Das diese sich dann zum vorhergesagten Zeitpunkt ungefähr um den Hochpunkt der Pubertät herum befinden würden, traf sich zumindest in der Hinsicht gut, dass ein ohnehin im Umbau befindlicher Körper den Belastungen und Anforderungen den der Kontakt mit übermenschlichen, unnatürlichen Konstrukten göttlicher Natur mit größerer Anpassungsfähigkeit begegnen würde – auf Kosten des natürlichen Reifungs- und Herranwachsungsprozesses, versteht sich.

Was die Plastizität des Gehirns angeht wären eigentlich Kleinkinder die ideale Wahl, bei denen  die aufs Leben abgestimmten Muster und Verknüpfungen noch dabei waren, sich überhaupt herauszubilden, aber Kindergartenkinder waren schon deshalb nicht praktikabel, weil man denen schlecht Befehle geben konnte – Halbstarke hatten zwar auch nicht den zuverlässigsten Ruf, aber man musste nehmen, was man bekam.

Hinter einigen der Dinge auf der Liste der Kriterien verbargen sich tatsächlich nur obskure physische oder rein genetische Besonderheiten, andere waren unauffällig formulierte Ausdrücke, hinter denen sich wesentlich weniger unschuldige Vorkehrungen versteckten.

Es gab da einen halben Paragraph von Beschreibungen die sich  so, wie eine obskure Parametrisierung mit Sinus und Cosinus und dergleichen auf einen schlichten Kreis hinauslief, auch wesentlich einfacher zusammenfassen können.

Schon vor den ersten Aktivierungsexperimenten war herausgearbeitet worden, dass ein wesentlicher Teil der Verbindung zu den biomechanischen Kampfmaschinen über den A-10-Nerv laufen sollte, und somit Teile des Gehirns involvieren sollte, die normalerweise vor allem für Bindungen zwischen Menschen verantwortlich war – Auch bei Geliebten, aber hauptsächlich bei der Bindung  zwischen Mutter und Kind – Das sie bereits Kinder geboren hatten, erklärte dann auch über einige Ecken, wieso Dr. Ikari, Dr. Shikinami, und auch Dr. Makinami, die unter geringfügig anderen Umständen ein ähnliches Schicksal erlitt, bevor die Ergebnisse des letzten Experiments voll ausgewertet waren, und zu dieser Auswertung so ihren eigenen Beitrag leistete, zwar Reaktionen hervorriefen, aber nicht zurückkehrten, anstatt das einfach nichts geschehen wäre….

Wäre man poetisch veranlagt, könnte man sagen, dass diese gewaltigen, furchterregenden Kampfmaschinen von nichts anderem angetrieben wurden, als der Macht der Liebe – Doch das wäre eine recht verschnörkelte Romantisierung der Realität: Menschen kamen mit der „Programmierung“ auf die Welt, ersteinmal Bindungen einzugehen – wollte man diesen „Kanal“ anderwertig ausnutzen, musste er frei sein.

Daher lautete die die äußerste, wichtigste Vorraussetzung, die Hauptzutat im Kochrezept eines nutzbaren Kandidaten, nüchtern und unverblümt ausgedrückt: Waisenkinder. Halbwaisen zumindest.

Es war wie aus einem dieser Fantasyfilme für Kinder, in denen die bösen Hexen ihre Magie aus den Tränen und Alpträumen der Zielgruppe bezogen – Ein einziger Alptraum, und es hatte lange zuvor begonnen.

Nicht minder pikant war auch einer der Faktoren, bei denen eines der Spezialgebiete von Komplex Fünf besonders in Spiel kam: Die Forschung an menschlichen AT-Feldern, unbeeindruckend wie diese im Vergleich zu der projizierbaren Variante unserer himmlischen Cousins sein mussten. Es war denkbar einleuchtend: Die potentiellen Piloten würden eine überdurchschnittliche Feldstärke benötigen, um nicht direkt absorbiert zu werden.

Die Angelegenheit war an sich wesentlich komplexer als das, aber als grobe Faustregel konnte man schon sagen: Isolierte Menschen, denen es ohnehin schwer viel mit anderen in Verbindung zu treten, würden. Das war ein Parameter, bei dem es nur einen recht dünnen Toleranzbereich gab – zu viel, und die Testpersonen würden sich selbst von den Evangelions vor deren gierigen Schlüdern sie zumindest kurzzeitig geschützt sein sollten abschotten und unbrauchbar werden, zu wenig, und es würde mit ihnen enden wie mit den Wissenschaftlerinnen, welche die Höllenmaschinen überhaupt gebaut hatten.

Es war ein morbides Ratespiel abzuschätzen, wie sich verschiedene Persönlichkeitstypen wohl auf diese Mechaniken auswirken wurden, und wessen Humor ganz schwarz ausgeprägt war, hätte anmerken können, dass die grausigen Schicksale der Wissenschaftlerinnen in diesem Sinne Glück im Unglück gewesen waren – Die Kern-Einheiten der Evangelions waren schon zu Beginn als Vermittler zwischen dem kleinen menschlichen Verstand und den göttlichen Maschinen gedacht, und von Anfang an hatte man auch zumindest ansatzweise geplant, die natürliche Veranlagung des Menschen, Bindungen zu knüpfen, für einen kalten, mechanischen Akt der Kriegsführung auszunutzen, aber die Verbindung würde sich natürlich am besten zu dem schließen lassen, wofür sie eigentlich gedacht war: Einer weiteren menschlichen Seele, so wie jene, mit denen die EVAs 01 und 02 jetzt bestückt waren.

Und es war auch klar, welche kleinen Kinder da am besten funktionieren würden – selbst, wenn das bedeutete, Testpersonen einzusetzten, die durchaus eine familiäre Veranlagung zu etwas haben könnten, die zum hässlichen Ende der ursprünglichen Aktivierungsexperimente beigetragen hatte.

Es schien nichts an diesem Projekt zu geben, das nicht darauf hinauslief, ungünstige Situationen noch schlimmer zu machen und schwere Leben noch schwerer zu machen, angeblich alles im Namen des Endresultats: Schon bevor die eigentlichen Einstufungs- und Klassifizierungsprozesse in Komplex Fünf vollendet waren, stand praktisch schon fest, wer die zweite Kandidatin werden sollte, genau so, wie die kleine Rei praktisch nur aus Formalität hier war, genau so, wie Komplex Fünf’s eigenes artifizielles Konstrukt, Subjekt 23 eigentlich nur hier war, um es allem Procedere genügend in das Programm unterzujubeln: Ein kleines Mädchen, welches durch das Projekt eigentlich schon genug verloren hatte, Dr. Zeppelin-Shikinami’s kleine Tochter, Shikinami Asuka Langley, und schon sehr bald, vermutlich designierte Pilotin von Evangelion Einheit 02.

Doch sie waren nicht die einzigen, die sich an jenem Tag in Komplex Fünf eingefunden hatten – die hierherbestellten Kleinkinder waren teils Waisen, die beim Second Impact ihre Familien verloren hatten und die man daher leicht verschwinden lassen konnte, ohne, dass sie jemand vermissen würde, zu denen verschiedene Mitglieder von SEELE über ihren ökonomisch-gesellschaftlichen Einfluss zugang gehabt hatten, hier und da hatte es, wo es die Infrastruktur inzwischen wieder zuließ vor allem in den etwas reicheren Ländern Flächenmusterungen nach genetischen Makern von Kompatibilität gegeben – Für die Teilnahme wurden diesen Familien, die das Angebot oft aufgrund ihrer Umstände oder je nach Qualität der Testergebnisse angewandtem Druck nicht ausschlagen konnte, teils sichere, dauerhafte Arbeitsplätze bei GEHIRN geboten, und sei es, je nach Qualifikation der noch lebenden Verwandten der fraglichen Kindern nur als Kantinenkraft – Die meisten interessanten Kandidaten fand man jedoch in Japan und um Japan herrum, was wohl mit der derzeitigen Lange des schwarzen Mondes und somit einer weiteren Quelle von minimaler Kontamination mit relevantem Material zusammenhing – An sich bedeutete es nicht viel, das es aus der selben Quelle stammte wie die Menschen selbst, doch in Kombination mit dem, was der Second Impact hineingeschwemmt hatte… nun, für jedwede Reaktion war es dutzende Größenordnungen zu wenig, aber es erhöhte die Wahrscheinlichkeit, brauchbare Kandidaten zu finden. Und naturlich mussten alle Angehörigen von GEHIRN schon allein aus PR-Gründen mit gutem Beispiel vorrangehen und ihre eigenen Kinder durchmustern lassen, (Die höher sitzenden Verantwortlichen, die ausreichend eingeweiht waren, um von den in den Schriftrollen und den dort beschriebenen Fäden des Schicksals  etwas zu verstehen, hatten ohnehin grund zur Annahme, dass die Testpersonen, oder, wie es in diesen höheren Kreisen eher hieß, die Außerwählten, sowieso vor allem dort zu finden sein würden) allem vorran der Leiter der Organisation, der sowohl seinen eigenen Sohn als auch dieses mysteriöse kleine Mädchen hergebracht hatte, von dem nur die wenigsten ahnten, wo sie auf einmal herkamen.

Hätte er von anderen verlangt, ihre Kinder für das Projekt darzubieten, und seine eigenen davon ferngehalten hätte man ihn wohl einen egoistischen Heuchler geschimpft – das er die beiden jedoch ohne weitere Skrupel oder Gefühlsregungen hierherschleppte, war manchen seiner Untergebenen geradewegs unheimlich.

Die Reaktionen der Verwandschaft der restlichen Kinder, wo diese noch vorhanden war, bildete ein breites Spektrum – Dr. Makinamis Lebensgefährte, ein gewisser Clark Stradlatter, hatte das Verständnis, einzusehen, dass es wenig bringen würde, sich gegen diese Aktion zu sträuben, machte mit seinen verschränkten Armen jedoch von Anfang an klar, dass ihm das ganze hier überhaupt nicht gefiel, und dass er zwischen seiner Tochter und jedweden seltsamen Geschehnissen einen möglichst großen Abstand wünschte, und auch Mitsurugi Minoru, der Mann, der ironischerweise einen großen Beitrag zu den Anlagen in diesem Komplex beigetragen hatte, ohne sie wirklich zu sehen, war nicht wirklich begeistert, auch wenn sich das bei ihm eher durch nervöses auf-und ab- laufen äußerte, und die Befürchtung, dass sein Junior all zu hoch auf die Kandidatenliste kommen würde – Ein Mann Namens Aida ließ sogar ein „Nur über meine Leiche!“ verlauten, während sein sommersprossiges Söhnchen sich unbekümmert mit ein paar Spielzeugflugzeugen beschäftigte.

Doch es gab auch andere Reaktionen, wie die eines Herrn Namens Suzuhara, der seinem kleinen Sohn hier zwar sicher gerne Gesellschaft leistete, aber alle hände damit voll hatte, sein winziges Töchterchen zu beschäftigen – Auf dem Weg hierher hatte sie geschlafen, jetzt aber wollte sie nicht mehr in ihrem Babysitzchen festsitzen müssen.

Ein gewisser Horaki hingegen schien stolz, seine Tochter für das wohl der Gesellschaft darzubieten, auch wenn böse Zungen jetzt durchaus zurückgiften können hätten, dass er ja auch noch einige Tochter im Überfluss bei sich im Hause hatte. Und dann gab es auch noch Anwesende wie Edmont Vincennes, der nicht wirklich an die ohnehin unwahrscheinliche Möglichkeit glaubte, dass es ausgerechnet seine Tochter treffen sollte – am anderen Ende des Spektrums fand man schließlich Sebastian Langley, der mit seiner neuen Flamme aufkreuzte, über das grausige Schicksal seiner Exfrau nicht besonders bekümmert wirkte und offensichtlich dafür dankbar war, die kleine Asuka für ein paar Stunden loszusein, ohne einen Babysitter bezahlen zu müssen.

("Asuka wird schon zurecht kommen. Sie ist ein kluges Mädchen.")

Für einige dieser Kinder war das hier ein einmaliger Trip, nachdem ihr Leben normal weiter gehen würde, gut möglich, dass viele von ihnen zu jung waren, um sich später noch hierran zu erinnern, oder das hier kaum von einem Behördengang oder einem Arztbesuch unterscheiden konnten, einfach ein weiteres, komisches Geschehnis, bei dem sie mit ihren Väter eine Weile in Autos, Zügen oder Flugzeugen gesessen hatten und danach irgendwo warten mussten, wie es in der Lebenswelt eines Kindergartenkinds gelegentlich vorkam und so hingenommen wurde, ohne Sinn und Zweck genau zu kennen.

Für einige paar wenige von ihnen sollte sich ihr Leben am heutigen Tage jedoch für immer verändern, so tief, dass jeder Hauch von Normalität, der in ihren Leben vorher auch existiert haben mochte, ihnen bald vorkommen würde wie ein verblasster Traum, und so unschuldig und unbeschwert, wie sie jetzt hier im Herzen des DARWIN-Gartens von Komplex 5 sich hinspielten, würden sie lange nicht mehr spielen.

Irgendwo hier in diesem Raum waren sie, trafen sich vielleicht zum ersten Mal, lange bevor sich ihr grausames Schicksal erfüllen sollte: Die Kinder der Prophezeihung. Aber was hieß das genau, „Die Kinder der Prophezeihung?“, was hatte dieser Genitiv da zu bedeuten? Die Kinder, von denen die Prophezeihung handelte? Die Kinder, die der Prophezeihung zugehörig waren, vor ihr bessessen, nein, verpfutscht worden waren? Oder gar die Kinder, die zumindest so, wie sie einst werden sollten, aus der Prophezeihung und den Maßnamen zu ihrer Erfüllung hervorgegangen waren…?

Hin und wieder gab es eine Durchsage, dass sich doch die nächsten paar Kinder für die „Musterung“ (Letzlich wäre jede andere Bezeichnung ein offensichtlicher Euphemismus gewesen) bereithalten sollten: „Die Nummern 25 bis 30 bitte, 25 bis 30! 25 bis 30! 25: Ayanami Rei, 26: Aida Kensuke, 27: Suzuhara Touji, 28: Ikari Shinji, 29: Itoshiki Kirio, 30: Maria Vincennes, bitte am Haupteingang versammeln!“

Kinder mit Nummern – Ein Alptraum, den Fuyutsuki nur machtlos mitansehen konnte .

Das konnte Yui mit ihrer „Strahlenden Zukunft“ doch unmöglich gemeint haben!

Welche der vielen Kandidaten mit diesem Schlag von Nummern gemeint waren, merkte man, als ein paar der Kinder ihre Aktivitäten unterbrachen, um sich auf den Weg zu machen.

Ein somerprossiger Junge legte seine Plastikflugzeuge hin, mit denen er gerade ein Bombardement auf eine von einem ruhigen, relativ dunkelhäutigen Mädchen mit einem Pferdeschwanz beigetragene Bauklotzstadt simuliert hatte, in der anderen Ecke des Raumes war ein schwarzhaariger Junge gerade dabei, seinem Vater bei der Unterhaltung seiner winzigen Schwester zur Hand zu gehen, in dem er dieser die Zunge herausstreckte, als sein Vater ihn darauf hinwies, das er dran war, und etwas weiter hinten erhob sich ein Mädchen mit geflochtenen Zöpfen von ihrem Platz, die bis jetzt still, aber lustlos in einem Bilderbuch herumgeblättert hatte, während sie nicht von einem Vater oder einer Stiefmutter beafsichtigt wurde, sondern von einer Frau die zu jung war, um etwas anderes zu sein als ihre ältere Schwester, und nahe der Raumesmitte sah man auch ein kleines, blondes Mädchen, das von ihrem Vater an der Hand zum Haupteingang geleitet wurde.

Und natürlich gab es da auch diesen stillen kleinen Jungen, der direkt geringfügig zusammenzuckte, als er seinen Namen vernahm und darauf sowohl hilfesuchend als auch unsicher zu seinem Vater hochblickte, welcher ihm nur mit einer knappen Geste andeutete, dass er gehen sollte – Für das kleine Mädchen in rot war das alles, was sie brauchte, um sich direkt auf den Weg zu machen, doch der Junge zögerte, den Gedanken, diesen lauten, großen, fremden Ort alleine zu durchqueren doch etwas mulmig findend – Doch alles, was er sich damit einhandelte war ein schroffes „Geh!“ von seinem Vater, bei dessen klang er sich freilich eilig in bewegung setzte, einfach mal dem unerklärlichen kleinen Mädchen hinterherlaufend,  ohne sich je zu nah an sie oder irgendetwas anderes herranzuwagen, sie nur aus der Ferne eindringlich betrachtend.

 

 (JAHRE SPÄTER

 

– TRAFEN ER UND SIE SICH WIEDER)

 

Doch Fuyutsuki und Ikari waren nicht die einzigen, die das Treiben im Herzen von Komplex Fünf eindringlich betrachteten – Kein Prozess der derart zentral für den bloßen Daseinsgrund dieser Einrichtung war, hätte vor sich gehen können, ohne dass die wachsamen Augen von Direktor Kuze Tesuo und Miyazawa Haruhi vor sich gehen konnte, wobei letzte derzeitig noch weit vom Besitz eines Doktortitels entfernt war, sondern zum damaligen Zeitpunkt nach dem überraschenden Tode der vorherigen Direktorin nun Kuzes Assistentin war, auch wenn es meistens so lief, dass er sich um seinen Aufgabenbereich kümmerte, und sie um ihren.

 

„Kaum zu glauben,  dass Gedeih und Verderb der Menscheit von einem dieser Dreikäsehochs abhängt…“ kommentierte Kuze, kopfschüttelnd.

„Mein jüngster Sohn ist etwa in dem Alter, nur unwesentlich jünger… wenn ich ihm sage, er soll etwas nicht tun, ignoriert er mich bestensfalls und grinst mich schlimstenfalls schelmisch an, seine Lieblingswörter sind „Nein!“ und „Ich will nicht“, und wenn ich ihm sage, er soll etwas nicht anfassen, tatscht er es erst recht an.“

Miyazawa kicherte ein wenig. „Bis zur Rückkehr der Engel ist es noch ein Weilchen hin, Herr Direktor. Ich glaube, dass sie bis dahin keine laufenden Meter mehr sein dürften…“

„Das beruhigt mich kein bisschen.“ Meinte Kuze. „Alles, was man über Kleinkinder sagen kann, gilt für Teenager noch einmal doppelt.“ Der Direktor von Komplex Fünf seuzte.

„Seid meine Tochter in dem Alter ist, hatte ich viele schlaflose Nächte…“

Was dann auch etwa den Punkt markieren durfte an dem die Zahl seiner grauen Haare begonnen hatte, statt linear in quadratischem Maße anzusteigen, wie sich Miyazawa, die beiläufig ein Zartbitter-Mikado-Stäbchen aus der rechten Tasche ihres weißen Kittels gezogen und begonnen hatte, daran herumzuknabbern, im Stillen dachte.

Kuze begann langsam tatsächlich, sich daran zu gewöhnen, so sehr ihr sorgloses Geknuspere ihn auch beizeiten einmal irritiert haben mochte.

 

Nur unwesentlich später passierte auch diese weitere erste, flüchtige Begegnung, die erst wesentlich später ihre volle Bedeutung erhielt, etwas später, als die nächste Durchsage schon nach Kandidaten 31 bis 35 verlangte, und die vorherige Ladung potentieller Kindersoldaten wieder heraus gelassen worden waren, darunter auch ein stiller kleiner Junge der ohne Eile oder Zielstrebigkeit zur Mitte des Raumes driftete wie die größeren Bestandteile eines Müslis durch simple physikalische Gegebenheiten an die Oberfläche gelangten, weil er keinen anderen Ort im Raum hatte, an der er wirklich zurückkehren oder hinstreben konnte.

In der Ecke, in der ein gewisser stattlicher Mann in dunkler Kleidung stand, war es nicht wesentlich warmer als sonst wo, und er hatte auch nicht das Gefühl, dort eher wilkommen zu sein – Es war eine Ecke wie jede andere.

Er gelangte also zur Mitte, einfach, weil die Wege dorthin zu führen schienen, nur so halb Notiz davon nehmend, dass ihm dieses eine,  selbst im Vergleich zu ihm selbst noch als klein bezeichenbare blauhaarige Mädchen gefolgt war, mit einem Geist von ruhiger Neugier auf ihren dünn lächelnden Lippen. Er sah sie, aber er wusste nicht, was er mit ihrer Existenz anfangen sollte, zumal die unmögliche, ihm unvermittelt ins Gesicht starrende Wahrheit damals noch wesentlich näher an der Oberfläche hielt.

Stattdessen schritt er einfach vorwärts, weil er nichts anderes zu tun wusste, und sich irgendwie seltsam dabei vorkommen würde, einfach stehen zu bleiben, während hier andere unterwegs waren.

Nicht richtig gemeinsam, aber doch simultan erreichten sie beide also letzlich den Sandkasten in der Mitte des Raumes und er blickte wortlos, stehen bleibend, weil der Weg zuende war.

Er hatte nur ein begrenztes Verständnis für das wie und warum jedweder Handlung, jenseits davon, das es einfach eine Anweisung war, diese zu befolgen war recht einfach – Es ging nicht besonders viel in ihm vor, als er da stand und das Bild vor seinen kleinen Füßen in sich einsog, und bei dem Mädchen hinter ihm hätte man darüber streiten können, in wie weit sie eine Idee davon hatte, dass sie überhaupt hier war.

In einer Ecke des Sandkastens saß ein kleines Mädchen in einem schwarzen Kleid, mit zwei perlenartigen Haarferzierungen, die ihre schmucke, rote Haarpracht hielten, wo sie war.

Sie wusste, dass der Raum da war, und alle die in ihm waren, sie wusste dass sie selbst da war, und sie bezog all dies durchaus in die Auswahl ihrer nächsten Handlung ein, und es war keinesfalls so, dass sie der Rest des Raumes nichts scherte – Genau deshalb sah auch den Bedarf dazu, sich davor abzuschotten, hatte sich in eine Ecke des rautenförmigen Sandkastens gepflanzt, und dem Rest davon den Rücken zugedreht, mit ihrem kleinen Körper eine Fläche begrenzend, innerhalb sie mit ihrem Konstrukt beschäftigt war, eine Art Turm aus Sand wohl, aber ohne viel Schmuck, nur so weit zusammengeklopft, das er eben stabil sein würde, den Sand von drumherum herauskratzend, mit nur einem Ziel: Höher, höher, hörer, und es durfte ja nicht in sich zusammenfallen, wo dieser Ausgang drohte, klopften ihre kleinen Hände nach, oder patschten noch Sand hin – Doch sie schien aus ihrer Tätigkeit keinerlei Freude oder Vergnügen zu beziehen, war zu dieser aufgrund der Umstände vielleicht überhaupt nicht fähig, ihr Gesichtsausdruck war völlig ernst, allerhöchstes ein wenig entschlossen, aber nicht viel, als ob es ein ordinärer Sandhaufen nicht wert sei.

Der Sandkasten war groß und es saßen etliche Kinder zu Grüppchen zusammen, nur ein weiteres Mädchen baute allein, mittem quer im Kasten sitzend, in einem teils recht extravaganten Kleidchen mit Rüschen und Schleifen, nichts, in das man irgendjemand über dem Alter von Sechs Jahren noch ohne Kunstwerk hineinkriegen würde, die Kleine selbst war um die Fünf, mit ihrem ersten, quietschroten Schieleisen auf der Nase, und einem blauen Stirnband im Haar, und lächelte still zu sich selbst, ungeachtet der Tatsache, dass sie allein war, ungachtet allen, was hier noch so vor sich ging, baute ihr Sand-Konstrukt (Nach einer Burg sah es nicht wirklich aus) so, wie es ihr grad gefiel, ohne sich nach irgendjemandes Vorschlägen zu richten, und fand allein darin ihre Freude.

Doch es gab noch ein relevantes Kindergartenkind, auch um die fünf, eines, das in einer simplen hellen kurzen Hose und einem orangenen T-Shirt mit irgendeinem Aufdruck eigentlich unwürdig verpackt wirkte, und bis jetzt in stiller, aber erfüllter Beobachtung der Szene am Rande des Sandkastens versunken gewesen war.

Er blickte zu dem stillen Jungen und seiner blauhaarigen Un-Gefährtin in rot auf, bevor die Zwei überhaupt wirklich stehen geblieben war, stand auf, und suchte durch dans ganze Treiben um sie drei den Blick der beiden, als habe alles andere im Raum plötzlich aufgehört zu existieren.

Das blauhaarige Mädchen blickte scheinbar doch entfernt interessiert auf, auch, wenn es keine besonders starke Reaktion war, und der Junge – Er spürte seine Beine zittern und wäre wohl zurückgewichen, wenn ihm diese Möglichkeit in den Sinn gekommen wäre, doch er wusste komplett nicht, was er machen sollte – Doch dieser andere, etwas älter wirkende Junge lief geradewegs zu ihnen beiden hin, (Und selbst er ahnte noch nicht was folgen würde, wer in diesem Raum hier alles zum ersten Mal versammelt war – Das Mädchen erkannte er sofort, als was sie war, bei dem Jungen war es zunächst nur entferntes interesse und der Eindruck, dass er irgendwie traurig und verloren wirkte.)

„Hallo.“ Grüßte er direkt, offen und bestimmt.

Er nahm sich einen Augenblick heraus, um dem Mädchen direkt in die gleichermaßen roten Augen zu blicken, und sie blickte nur zurück, vielleicht eine stille Bestätigung mit ihm austauschend. 

„Ich wollte euch fragen, ob ihr mir nicht vielleicht ein wenig Gesellschaft leisten wollt…“

„…uns?“ gab der jüngere Junge leise zurück, ein zögerliches Stimmchen wie ein Windhauch, von dem man – fälschlicherweise! – den Eindruck hätte bekommen können, das selbst der grellste Schrei, der sich damit produzieren ließe nichtwesentlich lauter sein könnte als das Ticken einer Uhr, gleich dem unsteten Flackern einer Kerze, die jeder Lufthauch auspusten könnte, so, so leicht zu übertönen.

Es war das erste Mal in einer langen Zeit, dass diese Stimme überhaupt Verwendung fand, auch, wenn das hier das Geheimnis des Verwenders blieb.

„Ja. Wäret ihr interessiert…?“

Der verstoßene Sohn des Leiters von GEHIRN blickte fragend zu dem blauhaarigen Homunculus an seiner Seite, damit zögern, in ihrem Namen eine Entscheidung zu treffen, vielleicht auch in der Hoffnung abzuschätzen, was sie wollte oder sich zu alledem dachte, doch sie blickte nur nichtssagend zurück.

Die Kombination aus dem offenen Lächeln seines gegenübers, dessen direkter Frage und der generellen Haltlosigkeit die dem Verschwinden seiner Mutter nachgefolgt waren, ließ ihn schließlich nachgeben und ein vorsichtiges, minimales Nicken hervorbringen.

Wären die beiden nicht gerade hinübergekommen, hätte er sich der silberhaarige Junge jedoch wohl zu einem der beiden einzeln an ihren Bauten zimmernden Mädchen begeben oder beide eingeladen, und er vergaß nicht so schnell, dass sie zumindest kurzweilig sein Interesse eingefangen hatte,  und das Endresultat war, dass unter den Bildern, die zwecks Archivierung und Dokumentation von dem Auflauf an möglichen Kandidaten hier geschossen wurden, auch eine dabei war, auf dem sie alle fünf zu sehen waren, wie sie gemeinsam an einer Sandburg bauten, eine lange Zeit bevor sie ihre ähnlichen, grausamen Schicksale wieder zusammenführen sollten. Das unmögliche zu bewerkstelligen konnte man Tabris ruhig überlassen und auch zutrauen – Geschossen hatte sie das Bild nicht, aber das ausgerechnet dieses letzlich für die Akten ausgewählt wurde, war Miyazawa zu verdanken, auch, wenn der Fakt, dass sie es unheimlich niedlich fand, nur einer von vielen Faktoren war, wieso ausgerechnet dieses Bild für den Report ausgewählt wurde – Wie sich heraustellte waren darauf nämlich einige der Kandidaten zu sehen, welche zu den interessantesten Ergebnissen geführt hatte, oder die zumindest für einige etwas weniger, aber doch mehr als durchschnittlich informierte Kreise als solche präsentiert werden sollten, obwohl es, wie gesagt, in einigen Fällen von vornherein klar gewesen war.

Da waren sie, eins-zwei-drei-vier-fünf, zum ersten Mal wirklich versammelt, die fünf Säulen der Welt, die Fünf Finger von Gottes Hand,  die vier großen Grundkräfte (Schwerkraft, Elektromagnetismus, starke- und Schwache Kernkraft) und die dunkle Energie, die fünf Zacken eines Pentagramms, die fünf Geschmacksrichtungen (Süß, Sauer, Salzig, Bitter und Umami),  die fünf Elemente(Feuer, Wasser, Erde, Luft, und je nachden, welchem Modell man folgte, Metall, Energie/Quintessenz oder Leere), die fünf Grundzutaten für jede Farbe, (Schwarz und Weiß, Rot, Grün und Blau.) alle auf einem Bild: Die Göttin, die Kriegerin, der Auserwählte, das Medium und der gefallene Engel, Himmel und Erde, Sonne, Mond und Sterne.

An diesem Tag wurden viele Dinge eingefädelt, die für die späteren Entwicklungen unverzichtbar waren, und für die meisten waren Miyazawa und Kuze direkt verantwortlich, doch es gab zumindest ein Mysterium, dass sie sich fragen ließ, ob sie dabei die Einfädler waren, oder die Gefädelten, und es präsentierte sich ihnen in recht unübersehbarer Manier:

 

„Die Anzahl der Schaufeln reicht nicht aus, Glatzkopf.“

„W-Was?“ Kuze fuhr herum, bis eben noch der festen Überzeugung, dass sich bis auf Miyazawa niemand in seiner unmittelbaren Nähe befand – Das diese sich an ihrem Gepruste fast verschluckte, war dem Erhalt seiner Würde keinenfalls dienlich.

„Im Sandkasten. Wir sind zur fünft, aber es sind nur drei Schaufeln da, Glatzkopf.“

Die Schuldige war ein kleines Mädchen – scheinbar selbst noch ein gutes Stück jünger als die restlichen Anwesenden – in einem roten Kleidchen, mit kurzen, blauen Haaren.

Keiner der beiden Wissenschaftler hatte sie kommen hören, doch während dies Kuze einen gewissen instinktiven Respekt einflöste, wendete sich Miyazawa zu ihr hin und ging teilweise in die Hocke, um mit der kleinen auf Augenhöhe zu sein – Doch gerade deshalb hätte es doch eigentlich unmöglich sein sollen, dass sie ein gewisses pikantes Detail übersehen sollte – Rote Augen. Die sie natürlich nicht zum ersten Mal sah.

Doch wenn sie es bemerkte, dann schien sie das jedenfalls nicht daran zu hindern, die kleine anzulächeln.

„Weißt du, du solltest andere Leute wirklich nicht Glatzköpfe nennen.“

Die kleine verengte verwundert ihre Augen.

„Aber so nennt man es doch, wenn jemand keine Haare auf dem Kopf hat, oder?“

„Eigentlich schon, aber es ist nicht besonders nett.“

„Warum?“

„Weil es die meisten Leute nicht gerne hören.“

„Warum?“

„…Weil die meisten Leute selbst wissen, wie sie aussehen.“

„Warum?“

„weil sie eben regelmäßig in den Spiegel gucken.“

„Warum?“

Miyazawa kicherte leicht. „Hör mal, wieso suchst du nicht in der Holzkiste da hinten? Da müssten eigentlich noch Schaufeln drin sein.“

Ohne ein einziges Wort des Dankes machte das kleine Mädchen kehrt und zog zielstrebig von dannen.

Miyazawa stellte sich seufzend wieder gerade hin… und brauch sobald sie sicher war, das die Kleine sich weit genug entfernt hatte, in lautes Gelächter aus, dass sie nur äußerst Erfolglos zurückhalten konnte.

„Entschuldigen Sie, Herr Direktor…“ brachte sich zwischendrin heraus. „Aber die Kleine ist echt zum Schießen…“

Sie nahm sich erst mal ein paar Sekunden, um sich zu beruhigen.

„Hach, immer diese Sache mit den kleinen Kindern, sagen manchmal die ulkigsten Sachen – Ich kenn das schon von meinen Geschwistern. Meine Mutter sagte, dass das für sie immer ein regelrechter Sport war, lange genug ein ernstes Gesicht zu machen, um meinen kleinen Bruder auszuschimpfen – Schließlich musste sie ihm ja irgendwann beibringen, sich zu benehmen – und dann möglichst schnell ins Bad zu rennen, weil sie sich die Lache nicht mehr verkneifen konnte...“ erzählte sie, beiläufig ein Zartbitter-Mikadostäbchen aus der Tasche ihres weißen Kittels ziehend und zu Kuze’s weiterer Irritation gleich beginnend, daran herumzuknuspern.

Jetzt in Erinnerungen zu schwelgen war das letzte, was ihm im Moment in den Sinn gekommen wäre.

„Dieses… dieses Kind war…“

„Schubtschekt 25.“ vervollständigte Miyazawa mit vollem Mund, herzlich unbekümmert, sosehr der merklich bekümmert klingende Kuze gehofft hatte, mit diesem Thema Problembewusstsein auslösen zu können – Aber langsam begann er das aufzugeben.

Zumindest eine beruhigende Tatsache blieb dabei ja doch, für eine sehr relativierte definition von „beruhigend“: In gewisser Hinsicht wurze Miyazawa der verstorbenen Direktorin in ihrer Art immer ähnlicher.

„…Ikaris Tochter, nicht? Man merkt die Familienähnlichkeit. Ganz die Mami, die Kleine.“

„Pflegetochter.“ Korrigierte Kuze. „Er behauptet, sie sei das Kind einer Bekannten, aber…“

„…die Direktorin kann er damit nicht gemeint haben, trotz des Nachnamens, die hatte keine Kinder, wenn man Tabbie-chan nicht dazuzählt. Aber es ist ne nette Hommage. Nette Hommage. “

„…Ich habe bereits alles prüfen lassen. Es gibt keinerlei Aufzeichnungen... Entweder, versucht Ikari ihre Herkunft zu verbergen, oder-“

„…oder sie ist artifiziell. Es ist nicht gerade schwer zu übersehen. Wie gesagt, man sieht die Familienähnlichkeit. “ Miyazawa stopfte sich ihr Mikado-Stäbchen ungestört weiter in den Mund hinein, trotz ihrer scheinbaren Sorglosigkeit durchklingen lassend, dass diese keinesfalls mit tatsächlicher ahnungslosigkeit gleichzusetzen war.

Nach dem Schlucken des letzen Bissens machte sie mit dem Essen eine Sprechpause.

„Wenn das Komitee da nicht mehr wüsste als wir, hätten die uns alles gesagt, was sie haben, damit wir den Fall unter die Lupe nehmen…“

„Trotzdem, das ist Ikari, von dem wir hier reden… Wir werden mehr wissen, wenn wir ihre Messwerte haben, aber-“

„Es ist unwahrscheinlich, dass er denen alles gesagt hat. Die werden diese Messwerte vermutlich komplett geschickt bekommen wollen… Aber ich vermute schon jetzt, dass sie uns vermutlich sehr, sehr bekannt vorkommen werden…“

„Unmöglich!“ entgegnete Kuze, nach dem ihm eingeleuchtet war, was seine Assistentin damit andeuten wollte. Es stimmte schon, die frühere Direktorin hatte, wenn er sich recht entsinnte, so etwas in der Art ebenfalls geahnt, aber das erschien ihm doch zu weit zu gehen.

„Dieses kleine Mädchen soll- …Selbst Ikari würde das nicht wagen…“

Miyazawa blickte zu ihrem in einer anderen Ecke des Raumes stehenden Gesprächsthema hinüber, welches gerade dabei war, sich jenseits ihrer Hörweite mit seinem Untergebenen – Fuyutsuki – zu unterhalten.

Sie schien äußerlich nicht beunruhigt, aber das musste nichts heißen.

 

ZWEI JAHRE SPÄTER –

 

DERSELBE RAUM

 

Der Sandkasten war zwar bereits durch den kurz nach seiner Einsetzung noch etwas kleiner bemessenen Baum ersetzt worden, der Großteil des Spielzeugs stand aber noch da, wo es gewesen war – Doch wer hier den ausgelassenen Geräuschintergrund eines typischen Kindergartens vermutet hatte, lag falsch.

Die wenigen Grüppchen von nun entsprechend älteren Kindern, die nun um irgendwelche Spielsachen herumsaßen, taten dies in schwer getragener Grabesstille. Es waren auch wesentlich weniger, nur hier und da ein paar, mit der riesigen Versammlung vom ersten Tag nicht zu vergleichen.

Wenn der erste Blick schon verdacht weckte, dann waren der zweite oder dritte ein Schock, es brauchte nicht viel um zu erkennen, dass hier etwas grundfalsch war – Die Spiele geschahen zu still, zu geordnet; Bis weilen saßen mehrere Kinder um einen Tisch mit einem Brettspiel herum, und der Reihe nach bewegte jedes von ihnen einen Spielstein, ohne etwas zu sagen.

Das nächste, was auffiel, wäre wohl das Äußere, weil der Mensch ja doch ein Augentier war – hätte man zunächst denken können, es liege an der Beleuchtung, oder an den eigenen Augen, denn es war überall, Haare, Augen, Haut, es war, als habe man von allem eine Schicht Farbe abgezogen, wie in einer dieser Waschmittel-Werbespots, kaum eines von ihnen füllte die noch wie gewöhnliche Kinderkleidung in bunten Farben strahlenden Kleidungstücke wirklich aus, und wenn man hinsah, bemerkte man hier und da… Dinge.

Individuen, die nicht auf Stühlchen, sondern in Rollstülen saßen, das eine oder andere Kind, das sich zwischen Kisten und Spielsachen völlig allein beschäftigte, mit dunklen, in die Ferne starrenden Augen, die vom Rest der Welt nichts mehr mitzubekommen schienen, und der eine oder andere Anblick, der die Linie endgültig überkreuzte – Ein rundlicher Junge, der an eine Kiste gelehnt auf dem Boden saß und die Hände unbenutzt nach unten hängen ließ, den Kopf nur so halb aufrecht, die Augen zwar offen, aber völlig unfokussiert in den Raum hineinstarren lassend, ein weiterer Junge, klein, mit einem Schöpf lockigen Haares, der neben einem Schaukelpferd wie vertreut auf dem Boden lag, wie eine Puppe in einem Regal, die einfach umgefallen war, ein glatzköpfiges Kind, das sich unter einem Tisch fest zu einem Ball zusammengerollt hatte, und ein Mädchen in einem lieblichen Rosa Kleidchen, für das nahe einer anderen Gruppe „spielender“ Kinder ein Lager hergerichtet worden war, weil sie selbst zum Sitzen zu schwach zu sein schien.

Und inmitten dieses bizarren Zirkuses, Kuze und Miyazawa, letztere mit einer dicken Mappe  in den Armen und einem entfernt melancholischen  Ausdruck auf ihrem Gesicht.

„…Die ersten Zeichen der neuen Era waren minimal, aber in unserem Wunsch, die Saat zum Keimen zu bringen, fütterten wir sie mit solch harschem Dünger…“ merkte sie seltsam betrübt an.

Kuze sah das ganze etwas anders: „Hässlich war es, aber unvermeidbar – Man kann schlecht menschliche AT-Felder undersuchen, ohne menschliche AT-Felder. Wir waren so schonend wie möglich.“

Miyazawas Ruhe wich nicht, aber die Verwunderung war echt: „Ich dachte ja immer, gerade Sie als Familienvater würden etwas daran auszusetzten haben, Herr Direktor.“

„Eine private Frage?“

„Wenn Sie wollen.“

„Das eine ist meine Arbeit und das andere ist mein Privatleben. Ich ziehe vor, sie nicht zu mischen, das führt nur zu unnötigen Komplikationen. Die frühere Direktorin sah das in übrigem genau so, zumindest zuanfangs… Und was meine Kinder angeht, ist es das wichtigste, das sie sicher sind und es in Zukunft auch sein werden. Sie werden niemals erfahren, was getan wurde, um ihre Sicherheit zu wahren – Sich die Hände schmutzig zu machen, ist die Pflicht von uns, die wir unsere Unschuld ohnehin schon hingegeben haben.“

„Unschuld?“ wiederholte Miyazawa. „Gibt es denn irgendjemanden auf diesem Planeten, der sich noch nicht mit Schuld befleckt hat? Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man von Schuld ausgeschlossen ist, nur, weil es jemand anders war, der beschlossen hat, einen damit zu bekleckern…“

Wieder einer dieser Dinge, die man nicht erwartet hatte.

„Nicht, dass es in diesem Fall viel gäbe, womit man kleckern könnte – sicher, wir haben Ergebnisse vorzuweisen, und einige dieser Subjekte werden in Zukunft nützliche Aufgaben für das Projekt erfüllen, aber die sind alle recht peripher – letzlich war das einzige, das wir wirklich benutzen konnten, das Subjekt, das schon von Anfang an aus dieser Einrichtung stammte: 23, Tabris.“

Die Tür mit der großen 23 darauf stand den beiden praktisch direkt gegenüber.

„Ich bin der letzte, der unsere Arbeit überschätzen würde, sie wissen, das mir die Sicherheit am Herzen liegt, aber selbst so muss ich sagen, dass sie unsere Ergebnisse da klein reden – das aus den Subjekten nicht so viel wurde, ist kaum ein Wunder – Schließlich konnten wir nur Viert-Level Kandidaten verwenden, die schlechtere Hälfte, die, die sich einfacher verschwinden lassen ließ – Alle wesentlich besseren Funde brauchten wir ja für Projekt E als mögliche Kandidaten – Man will alle restlichen Viert- und Dritt-Level Kandidaten ja demnächst in Neo Tokyo-3 zusammentrommeln, sobald die Konstruktion der Stadt ausreichend vorrangeschritten ist… Unsere Forschungen hier haben zur Handhabung der Evangelions mit Sicherheit hroße Beiträge geleistet – Die Früchte unserer Arbeit lassen sich schon ganz gut ablesen – anscheinend laufen die ersten Testreihen mit unserem frisch eingeteilten Second Child recht vielversprechend.“

„Subjekt 19, Shikinami Asuka Langley…“ Miyazawa hatte in ihrer Mappe ein Seite aufgeschlagen, die ein kleines, rothaariges Mädchen zeigte, das entschlossen in die Kamera blickte, da sie sich scheinbar partout geweigert hatte, zu lächeln – Darunter waren allerlei Zahlencodes und Schnipsel von Gensequenzen sichtbar, aber auch eine Grafik, die einen ungefähren Kreis darstellte, dessen äußere Linie sich wie eine Art Welle verhielt – Die Zacken hielten sich größtenteils in rot und orange, und wirkten merklich symmetrisch.

„Armes kleines Mädchen. Dr. Shikinamis Tod ist gar nicht so lange her, und schon sind wir dabei, ihr auch noch den Rest ihrer Kindheit zu nehmen, und dabei ist sie erst fünf… Aber was soll man machen, ihre Werte sind brauchbar, und wir haben einen EVA mit einer kompatiblen Seele. Das macht sie zu einer Level-2-Kandidatin – Davon haben wir weniger, als wir mit einer Hand abzählen können…“

„Sie ausbilden zu lassen, kann sicherlich kein Fehler sein. Auch, wenn sie nur ein recht gewöhnlicher Mensch ist, ist sie immerhin von außergewöhnlicher Intelligenz und scheint soweit gut auf das Training anzusprechen – Den Simulationen zufolge wird sie über eine gewisse Obergrenze nicht hinüber kommen, aber für das Produktions-Modell ist das genau das richtige – Wir brauchen im wesentlichen nichts als eine zuverlässige Waffe gegen sie Engel.“

„Aber, aber, Herr Direktor. Unterschätzen sie niemals normale Menschen… Diese „Obergrenze“ liegt nur sehr kurz unter der sekundären Omega-Grenze. Unterschätzen Sie nie die Fähigkeit eines Menschen, in extremen Situationen über ihre Grenzen hinaus zu wachsen.  Gut möglich, dass sie mit entsprechender Motivation und ein bisschen Schweiß fähig sein könnte-“

„Rein theoretisch, ja. Aber dass sie überhaupt in die Nähe der Omega-Grenzen kommt ist fraglich – Das war eine äußerste Schätzung…“

„Normale Menschen nicht unterschätzen, Herr Direktor! Was ist an den Omega-Grenzen nicht spekulativer Natur?“

„Es ist wahr, sie interessieren uns, weil wir Theoretiker sind.“

„Nicht unbedingt… Es ist eine urmenschliche Sache, alles zum vollen Limit ausnutzen zu wollen, immer zu sehen, ob denn noch mehr geht – Der Mensch gibt sich selten zufrieden, und deshalb ist er bis jetzt nicht zum Stillstand gekommen…“

„Aber wir nähern uns der Grenze, der Asymptote.“

„Dann ist Stillstand unvermeidlich, und es ist nur eine Frage, ob wir darunter leiden wollen?“

„Das Komitee sieht es sicherlich so. Es stimmt doch, jene Rastlosigkeit, die Sie da anpreisen, ergibt sich aus der Unfähigkeit des Menschen, Glück oder Zufriedenheit lange beizubehalten…“

„Ein interessantes Paradoxon, nicht wahr, Herr Direktor?“

„Ich verstehe nicht ganz…“

„Ist das nicht ein weiteres Beispiel für ebendiese Denkweise, die sie für überholt halten? Es geht hier zweifellos um die Behebung eines Mangels, die überwindung eines Limits, mit dem sie sich nicht zufriedengeben. Dem Ingenör ist nichts zu schwör! Ja, sie denken gerne, sie wären Propheten, und blicken auf uns herunter, und, die Werkzeuge, die Zahnrädchen, die sie für so beschränkt halten, wir, die Wissenschaftler, die Ingenieure, aber dabei sind auch sie nichts anderes als Ingenieure! Ja, genau!“

„Werden Sie da nicht leicht überheblich, Miyazawa? Es ist eine alte und schmierige Taktik, der Gegenseite vorzuwerfen, dass sie eigentlich das selbe tut, nur miserabler – Die Religiösen werfen den Nicht-Religiösen vor, auf Fakten und Beweise gestüzte Wissenschaft sei doch auch nur ein Glaube, und zurück kommt, Religion sei doch auch nur ein billiger, antiquierter Versuch, die Welt zu verstehen. Sinken Sie nicht so tief, Miyazawa.“

„Das war nicht meine Absicht, Herr Direktor. Aber es stimmt doch, das man an der Wurzel der größten Zwiespalte oft die größten Gemeinsamkeiten findet…“ merkte sie an. „…Auf jeden Fall dürfte Subjekt 19 auch wenn sie uns für die Theorie nichts ganz so viel nützt, diese mit ihrem praktischen Nutzen weit übersteigen – Dem derzeitigen Stand nach zu urteilen wird es noch eine ganze Weile dauern, bis sie einsatzbereit ist, aber den Berechnungen und Simulationen zufolge könnte sie unser First Child schon in weniger als zwei Jahren übertroffen haben… Und das ist eine der Dinge, die mich wundern… “ wieder zum Thema zurückommend blätterte sie in ihrer Mappe einige Seiten weiter, bis sie nebst von unergründlichen Nummern das Bild eines kleinen, blassen Mädchens mit kurzen, blauen Haaren vor sich hatte – Auch hier gab es wieder eine kleine kreisförmige Grafik, doch wo die auf eine Kreislinie aufgezeichneten Wellen bei dem Eintrag vorher regelrechte Zacken bildeten, die gleich den Speichen eines Rades oder den Strahlen der Sonne nach außen ragten, erstreckten sie sich hier fast zu gleichen Teilen in- und außerhalb des Kreises und erinnerten von der Form her mehr an eine stehende Welle – Auch waren hier alle Farben des Regenbogens vorhanden und nicht nur ein bestimmter Bereich des Spektrums, aber insgesamten entfernten sich die Linien nie all zu weit von der Kreislinie – Die Wellengraphen des Second Child schlugen mitunter zwei- oder dreimal so weit aus.

„Kandidatin 25 wurde praktisch schon direkt nach dem Tag des ersten Screenings als First Child komissioniert, es war schon abgesprochen,  bevor das Screening überhaupt begann – Wir haben sie schon per Definition als Level Eins eingestuft – Als eine Kandidatin, von der klar war, dass sie zur Pilotin eingeteilt werden wird – Nur deshalb wurde sie überhaupt geschaffen, als artifizielles Konstrukt, wie Tabris… Unsere beiden Nephelim. “

„…und die Engel ließen sich mit den Söhnen der Menschen ein, und aus ihrer Vereinigung gingen Riesen hervor… Die Nephelim, verbotene Zwitterwesen, in deren Existenz sich das irdische mit dem göttlichem Vermengt.“ zitierte Kuze. „Es wäre eigentlich anzunehmen gewesen, dass mit dieser Passage der Prophezeihung die Evangelions gemeint waren – Im wörtlichem Sinne Giganten.“

„Sicherlich, aber nicht nur – Vielleicht ist bei den zweien nicht auf dem ersten Blick klar, in welcher Hinsicht sie Giganten sein sollen, aber die Rollen sprechen vielerorts von den beiden Nephelim-Kindern – Die zwei Schlüssel zum Schicksal dieser Welt, und nicht zuletzt die linke und die rechte Hand des Außerwählten, wenn den Überlieferungen zu glauben ist…

Aber die Ähnlichkeit zwischen den Profilen unserer beiden Level-Eins Kandidaten zeigt sich zwar in Verteilung und Zusammensetzung etlicher Werte, aber nicht wirklich in deren Intensität – Zugegeben, bei Tabris gibt es da noch zusätzliche… Besonderheiten, aber dafür, dass sie speziell für diese Aufgabe geschaffen wurde, sind sowohl die Simulationen als auch die derzeitigen Ergebnisse recht… durchschnittlich.“

„Sie ist das Resultat des Versuches, etwas zu erzeugen, dass überhaupt kompatibel sein würde. Und darin waren wir ja auch erfolgreich – Auch, wenn sie sieben Monate brauchte, produziert sie mittlerweile durchaus nutzbare Werte.“

„Unsere Beschränkungen also?“ fragte Miyazawa, mehr als Bestandteil ihrer eigenen Überlegungen, als wirklich eine Antwort erwartend. „…eine Möglichkeit ist es, vor allem, da Ikari sie zu Testzwecken erst mal mit diesen schrottigen Prototypen synchronisiert hat. Das war der erste Evangelion, nach einer langen Reihe von Fehlschlägen – Die Kerneinheit ist mangelhaft konstruiert, und eine kompatible Seele gibt es auch nicht, hat es nie gegeben, außer, wenn sie entgegen unserer Vermutungen doch auf die altmodische Weise auf die Welt gekommen wäre.“

„Kränkt es Sie, dass etwas, das wir Menschen direkt für diesen Zweck geschaffen haben, in der Leistungsfähigkeit von natürlichen Lebensformen übertrumpft würde?“

„Was sie da „übertrumpft“ ist immernoch selbst ein Mensch, Herr Direktor. Menschenwerk bleiben diese Ergebnisse dennoch etwa im gleichen Maße – Das heißt, wenn das denn wirklich der angedachte Verwendungszweck für die Kleine sein sollte, und nicht bloß ein Nebenverdienst oder ein Vorwand, um ihre Existenz zu rechtfertigen…“

„Haben Sie eine Vermutung?“

Miyazawa schüttelte den Kopf. „Nein, nur eine Ahnung. Es könnte nie mehr sein als eine Ahnung – Wenn Ikari trotz all seiner Dreistigkeit noch seinen Kopf auf den Schultern hat, dann, weil er nie irgendjemandem handfeste Beweise in die Hände fallen lassen hat, selbst jenen nicht, mit denen er direkt zusammenarbeitet. Und wie die verehrte Frau Direktorin es immer zu sagen pflegte, er ist gerissen, und Vertuschung ist sein Spezialgebiet. Vertuschung ist praktisch sein zweiter Vorname. Gendo Vertuschung Ikari….

Aber auch so sind die zwei Mädchen ja nicht unsere einzigen Waffen…“ Sie blätterte wieder in ihrer Mappe. „…Im Notfall gibt es ja immer noch die ganzen Dritt- und den rest der Viert-Level-Kandidaten. Wir haben Reserven.“

Die Seite, die Miyazawa aufgeschlagen hatte, war nicht einem individuellen Subjekt gewidment, sondern stellte eine Auswahls-Prioritätsliste dar, Namen, Nummer, ein Bild rechts, einer von diesen Wellenkreis-Graphen links. Die Ausschläge hielten sich bei diesen Einträgen relativ in Grenzen, doch sie waren immer hin recht symmetrisch – Je weiter die Liste nach unter ging, umso schwächer und unregelmäßiger wurden die Graphen, bis es bei einigen nicht einmal mehr einen vollständigen Kreis bildete, sondern Lücken vorzuweisen hatte.

Und die Seite zeigte vertraute Gesichter – Auf Platz eins der Prioritätsliste, Nummer 27: Suzuhara Touji. Platz zwei: Nummer 22: Horaki Hikari, Platz drei, 26, Aida Kensuke – und so weiter, und so fort. Mitsurugi Nagato(52), Mayumi Yamagishi(114) und andere vielleicht relevante Namen fanden sich relativ weit hinten in der Liste, relativ niedrig einzustufende Viert-Level-Kandidaten, über die man zwar Bescheid wusste und sie daher bei ihrem Umzug nach Tokyo-3 in diese Klasse eingeteilt hatte, weil mehr Reserven eigentlich nie schaden konnten, deren mögliche Nutzbarkeit es aber nicht wert gewesen war, sie mit den anderen in Tokyo-3 zu versammeln, bevor sie sich aus anderen Gründen dort wiederfanden. Informierte Beteiligte hätten mutmaßen können, das Nummers Eignung als Wirt für den Engel oder zumindest der Fakt, dass sie das ganze überlebt hatte, mit den Besonderheiten zusammenhängen könnten, die sie auch auf diese Liste verschlagen hatten, aber im wesentlichen waren diese weiter unten eingestuften Kandidaten von recht geringer Konsequenz.

„…und die hier sind noch nicht einmal unsere eigenen Waffen, auch wenn das eher das Resultat einer… peinlichen Angelegenheit ist…“

„Sie meinen das Mädchen, dass die Amerikaner demnächst ausbilden lassen wollen?“

„Nummer 30, Maria Vincennes. Entweder haben sie auf eigene Faust gesucht, oder ihr Vater hat etwas geahnt und durchsickern lassen, aber da lässt sich nichts machen. Sie kennen die Amis ja, kein Land schmeißt mehr Geld für Militär heraus, und das in unseren Zeiten, wo die altmodischen Kriege mit Panzer und Bombe längst der Vergangenheit angehörigen – Damit die Terroristen, nichtstatlichen Organisationen und Geurillia-Kämpfer von heute bekämpfen zu wollen, ist bestenfalls grob – Jendenfalls werden sie dabei eine ganze Menge Porzellan zerschlagen, die Ära der einfachen geh-hin-und-töte-den-Feind-Schlachten ist jendenfalls Vorbei… Aber diese Machos, die dort an der Macht sitzen, leben ja eh alle noch im 18. Jahrhundert, und der Gedanke, dass wir hier sowas wie die Evangelions stehen haben, macht diese alten Machos ganz nervös, die fühlen sich alle etwas auf den Schwanz getreten…“ klagte Miyazawa, unwillens, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. „Hach, die Politik! Die meinen zwar, dieser Vatikanvertrag wäre keine so große Störung und einen offensichtlich sichtbaren Eingriff nicht wert, vielleicht ist das sogar ein Teil des Plans, den wir noch nicht kennen, aber wirklich! So ein großes Werk, das dazu gedacht ist, unser aller Zukunft zu sichern, ja, vielleicht das einzige Ziel von 250000 Jahren Homo Sapiens, und die sehen es nur als ein besseres Cabrio, um ihre Egos aufzublasen…“

„Sie müssen zugeben, Miyazawa, vier Evangelions wären mehr als genug, um die ganze Welt in Schutt und Asche zu legen.“

„Allein zu denken, dass wir solche Macht in Fraktionen gegeneinander richten könnten…“

„Unsere Vorfahren taten etwa das selbe, als sie die Macht erlangten, Atomkerne zu ihren Spielbällen zu machen – und es ging etliche Male schief…“ mahnte Kuze.

„Als ob das die Amerikaner jenals aufgehalten hätte – erst bestehen sie auf die Rechte, die Einheiten drei und vier bauen zu dürften, nein, ohne eine Pilotin könnten sie damit schließlich keine protzigen Drohungen machen, ein Evangelion ohne einen Willen, um ihn zu bewegen, ist nicht so sehr zu fürchten…“

„Ist da nicht die Gefahr, dass die ihre Nasen in Dinge hineinstecken, in denen sie nicht sein sollten?“

„Keine Sorge, Herr Direktor... Eine der Hauptriebfedern bei der Sache sitzt direkt im Komitee, der amerikanische Repräsentant ist trotz allem etwas patriotistisch veranlagt, Dezentralität oder nicht. Er selbst ist es, der für Einheit 04 große Pläne hegt… das Mädchen war nur so ein beiläufiger Gedanke, sie ist nur eine Level-Drei-Kandidatin, und in den Rollen wird ihr keine große Rolle zugemessen, desshalb hat sie auch noch keine Marduk-Designation zugewiesen bekommen, aber die werden schon noch früh genug danach quengeln.

Sie stellt für uns eine weitere Fußsoldatin dar, und die können wir immer brauchen…“

„Apropos, will man denn für Subjekt 23 keine solche Designation komissionieren?“

„Erst, wenn die Herren vom Komitee es für nötig halten, seine Existenz offen zu legen. Also so so früh wie nötig, so spät wie möglich… Diese ganze Sache ist ohnehin nur eine Farce…“

„So oder so, das Programm hat zweifellos seine Ergebnisse geliefert. Nicht so viel, wie es vielleicht hätte liefern können, aber genug, um unsere Projekte fortzusetzten, und das mit dem bestmöglichen… Material. “

„Das heißt, den Umständen entsprechend ‚bestmöglich‘…“ kommentierte Miyazawa, weiter in ihrer Mappe blätternd.  „Gerade die Testperson mit den vielversprechendsten Testergebnissen blieb dem Programm ja leider vorbehalten…“

„Sie meinen diese beiden…“

„Wen könnte ich sonst meinen? Fünf Stufen hatte die Scoringfunktion für die Qualität der Kandidaten, die ich aus den zurückgelassenen Arbeiten der verehrten Frau Direktorin und den Daten aus den drei bisherigen Aktivierungsexperimenten zusammengestellt hatte, die Stufe Sechs für vollends ausrangierte Testpersonen nicht mitgerechnet. Doch obwohl sie zunächst eine zuverlässige Einteilung zu liefern schien, waren wir schon am ersten Tag des Screenings gezwungen, sie zu überarbeiten, und das aus genau zwei Gründen: Nummer 41, Makinami Mari Illustrious, und Nummer 28, Ikari Shinji. Die Zwei haben die Skala absolut geknackt.“

Und tatsächlich sahen die Graphen, die in Miyazawas Mappe neben den Bildern der beiden Kinder standen aus, als hätte man im Vergleich zu den anderen etwas weiter herausgezoomt – trotzdem gab es bei Klein-Maris Graphen noch vereinzelt Spitzen, die von den Rändern des Bildes „abgehackt“ wurden, also nicht ganz drauf passten – Farblich präsentierte sich das ganze in einem Verlauf zwischen dunklem Grün, Türkis und einem Hauch von Blau, doch gerade in den „Knoten“ nah an der hier im Vergleich zum Restbild kleiner wirkenden Kreislinie lagen, zeigten sich Flecken in herraustechende, knalligen Pink.

Der Artikel daneben stach nicht nur durch den ähnlich herausgezoomten Graph heraus, sondern auch durch das Bild – Dieses zeigte zwar einen recht gewöhnlichen, vierjährigen Jungen, aber das Kind, das darauf zusehen war, müsste mittlerweile um die sechs sein – Das Bild war anders als die anderen nicht aktualisiert wurden. Doch das sollte nicht heißen, dass der Graph uninterresant war – Bei dem des Mädchens von der linken Seite waren es nur einige Spitzen, die über den Rand hinausragten, und sie sahen aus, als könnte man ihr Ende aus dem Verlauf der Zacken extrapolieren, doch im Falle dieses Jungens führte jeder einzelne Ausschlag der Linie aus dem „Rahmen“ des Bildes herraus, in einer völlig geraden Linie – Die Struktur hatte mehr Ähnlichkeit mit den Speichen eines Rades oder den Strahlen der Sonne, als mit Wellenlinien – Auch ließ sich kaum erahnen, wie weit diese „Spitzen“ noch gehen würden – Doch die nach innen gehenden Komponenten der „Wellen“ trafen sich alle im Mittelpunkt des Kreises – Die Farben hätte man mit einer glänzenden Wasseroberfläche vergleichen können, mit einem jungen Riesenstern oder der Palette des Himmels; Helles, überhaupt nicht aufdringliches oder auffallendes blau und weiß; Ein Verlauf verschiedener Blautöne. Doch auch wenn die Form extrem symmetrisch war, war es die Farbe kurioserweise nicht – Auf diesem blauen und weißen Grund fanden sich scheinbar ohne größeres Muster hie und da schwarze Bereiche, wie Sonnenflecken, oder Geschwüre, wuchernde Finsternis inmitten des Lichts.

„Offiziell sind die zwei ebenfalls als Level Zwei designiert, als hochgradig kompatible Kandidaten, für die passende Seelen „geborgen“ wurden, aber wenn das die Messwerte einer Stufe Zwei sind, ist der Papst evangelisch.“ Kommentierte Miyazawa.

„…Die Zwei dürften keine Probleme haben, einen Evangelion schon beim allerersten Versuch in nutzbarem Maße zu manipulieren… “

(Und sie sollte Recht behalten – Nummer 28, bis dahin als „Third Child“ reklassifiziert, sollte es gelingen, Evangelion Einheit 01 ohne jegliche Vorbereitung erfolgreich zu aktivieren, und hatte das First Child in Punkto Synchronwert in weniger als einem Monat übertrumpft, und Nummer 41, die etwas mehr Vorbereitung hatte, erreichte beim ersten Kampfeinsatz einen Synchronwert der ausreichte, damit sie von der ganzen Angelegenheit physische Verbrennungen davontrug, wegen denen sie noch zu der Zeit, als sie sich nach Japan einschlich, einen wenn auch unscheinbaren Verband trug. Ganz zu schweigen davon, dass sie mit EVA 05 scheinbar völlig wilkürlich einen Semi-Berserk-Zustand auslöste, ein Phänomen, dass erst in einer absoluten Ausnahmesituation durch die kombinierten Anstrengungen des Third- und des Second Childs im Kampf gegen den siebten Engel und die dabei gewonnen Daten näher studiert werden konnte – Daten, aus denen insgesamt ein paar recht interessante Schlussfolgerungen gezogen wurden, die nicht zu letzt die „Inspiration“ zur Erschaffung des sogenannten Double-Entry-Systems darstellten… doch das ist eine Geschichte für ein anderes Mal…)

„Das ist trotzdem nichts besonders Wildes im Vergleich zu dem, wozu Subjekt 23 laut den Simulationen im Stande sein könnte…“

„Ja schon.“ Gab Miyazawa zu. „Aber das ist, weil Tabris Adams Seele besitzt – Evangelions, die aus Adam geschaffen wurden, zu manipulieren, dürfte für ihn also wenig anders sein, als seine eigenen Finger zu bewegen, wenn nicht leichter – Es ist ein anderes Phänomen, und ein wesentlich einfacheres.

Das Mädchen ist eine Anomalie, die das unmögliche wahrscheinlich macht und unsere Simulationen in wildes Chaos wirft, aber letzlich hat sie doch Beschränkungen – Ich denke nicht, das wir halbwegs wissenschaftlich klingende Worte dafür haben, was dieser Junge eigentlich ist. Die Linien der Kausalität scheinen sich in seiner Gegenwart regelrecht zu biegen… Einige dieser Werte könnten kaum besser sein, ohne das er direkt absorbiert werden würde – Und selbst so werden sämtliche Omega-Grenzen in einigen der Simulationen förmlich weggeblasen...“

„Oh, es gibt Worte dafür, Miyazawa, und ich fürchte bitterlich was es bedeuten könnte, so eine Macht in den Händen dieses kleinen Kindes zu lassen – Wenn wir diesen Bengel in einen Evangelion setzen, könnte alles passieren… Solche Macht kann unmöglich ohne einen deftigen Preis existieren, es wäre töricht, sie zu berühren, es gibt keinen Grund, schlafende Hunde zu wecken… Es kann nur zum Besten sein, dass Nummer 28 mit dem Projekt nichts mehr zu tun hat, und auch hoffentlich nichts mehr zu tun haben wird…

Der Vater von 41 wollte nach Dr. Makinamis Tod nichts mehr mit dem Projekt zu tun haben, und hat ein paar Beziehungen spielen lassen, um seine Tochter aus der Auswahl ziehen zu lassen, aber man hat ihn nur gewähren lassen, um keinen unnötigen Ärger zu riskieren, weil das Mädchen ohnehin nur begrenzten Nutzen für Training haben wird – Wir wissen wo sie ist, halten uns über sie auf dem Laufenden und können sie jederzeit rekrutieren lassen. Mit Nummer 28 steht es anders, Ikari sitzt etwas höher in der Hierarchie und hat den Jungen höchst persönlich aus dem Verkehr gezogen, ja, regelrecht von der Landkarte verschwinden lassen – Er muss das Kind bei irgendjemandem untergebracht haben, der zumindest ansatzweise bescheidweiß und auf seiner Seite ist…“

„Selbst jemand wie Ikari kann sich wohl nicht ohne weiteres mit dem Gedanken anfreunden, sein eigenes Kind als Versuchsobjekt zu benutzen…“

Kuze schüttelte den Kopf.

„Naivität, Miyazawa. Pure Naivität. Ihm geht es höchstwahrscheinlich mehr darum, ein Ass im Ärmel zu haben, und sicherzugehen, dass die Herren vom Komitee es nicht in ihre Finger bekommen. Vermutlich auch eine Form von Millieukontrolle.“

„Gehirnwäsche? ...wie grausam das doch wäre…“ meite Miyazawa, eine gewisse dringliche Unzufriedenheit durchscheinen lassend. „…Wie grausam das alles doch ist.“

Und mit einem Mal war sie sich der Umgebung, in der sie sich befand, ungewöhnlich deutlich bewusst.

„Verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Direktor, ich will sicherlich nicht sterben, und wenn ich in ein paar Stunden nachhause gehe, erwarten mich etliche Dinge, an denen ich durchaus Freunde habe, und ich würde niemals wollen, dass den Personen, die mir wichtig sind, etwas geschieht, aber manchmal kann ich nicht anders…

…als zu denken, dass wir alle die Vernichtung verdienen.“

„Naivität, Miyazawa, pure Naivität.“

 

---

 

„Es heißt, der Mächtige, der dritte unter den Auserwählten, der Menschensohn, wird nach dem Plan der Schöpfer auf diese Welt geschickt werden, um darüber zu urteilen, ob sie es Wert ist, weiter zu bestehen, um entweder Pandoras Büchse ein letztes Mal zu öffnen, und die noch verbliebenen Dämonen über uns herreinbrechen zu lassen, oder uns in ein neues Zeitalter zu führen, auf den Weg zur Auferstehung aus der Asche, zu einer neuen Genesis…“

Sie hatte das abfotografierte Bildnis des alten Pergamments vor sich auf der Küchentheke legen, nebst der Sterilisierungsmaschine, aus der sie derzeit mit geübten Handgriffen ein sauberes Babyfläschen entnahm, doch sie sah nicht wirklich hin, schielte nur ein oder zweimal dazu hin – Mehr hatte sie nicht nötig, schließlich war sie mit diesen Worten aufgewachsen, hatte, so wenig Fuyutsuki es auch glauben wollte, schon immer zu dieser verrückten Welt voll mit Prophezeihungen, Engeln und Dämonen gehört, die Fuyutsukis schon von der Zeit allein starr gewordener Verstand immer noch nicht ganz verdaut hatte – Nein, das traf es nicht ganz, es wäre vielleicht treffender gewesen, zu sagen, das sich sein Hirn daran eine gewaltige Magenverstimmung geholt hatte.

Sie hatte gesagt, dass sie nun endlich keine Geheimnisse mehr vor ihm hüten wollte, und ihn in alles einzuweihen gedachte, und er konnte nicht sagen, dass sie das nicht gesagt hatte – Es war sein eigener Unwille, gewisse Grundsätze und Prinzipien aufzugeben, der ihn festhielt.

In gewisser Weise kam er sich vor wie Einstein – Nicht etwa im Rahmen einer Form von Arroganz, die ihn seine eigene Signifikanz überschätzen ließ, sondern auf eine ernüchternde Art und Weise – Fuyutsuki kam sich vor wie Einstein im Alter, als er von den Schlussfolgerungen, die andere aus seinen höchst eigenen Errungenschaften zogen, nichts wissen wollte, und daran festhalten wollte, das Gott nicht würfeln würde – Aber er würfelt doch, wie Hawkings Jahre später darauf antworten würde, un manchmal wirft er die Würfel sogar dahin, wo man sie nicht sehen kann – Und plötzlich steht man in einem völlig veränderten Universum, dessen Türschwelle man höchst selbst aufgestoßen hatte.

Fuyutsuki behauptete bei weitem nicht von sich, Einsteins Brillianz zu haben, aber man konnte doch mit Recht sagen, dass er genau so wenig dumm gewesen sei – Das Problem war ein anderes.

In den letzten drei Tagen hatte sich seine ehemalige Studentin alle Zeit genommen, um ihn in all die Geheimnissen, die unter den einstigen Ruinen von Hakone begraben lagen, sorgfältig einzuweihen – Als sie ihm am ersten Tag angeboten hatte, dass er doch gerne in einem der vielen Räume ihrer reicht ausgestatteten Villa übernachten könnte, statt bei Nacht und Nebel noch nachhause zu fahren, hatte er dankend abgelehnt, er vermied es tunlichst, von ihrem „glücklichem Familienleben“ mehr mitzubekommen als unbedingt nötig – Doch spätestens am zweiten Tage hatte er dieses Bett dringend nötig.

Er hatte einmal vor so langer Zeit, dass er nicht einmal mehr wuste, wo, irgendwo gelesen, dass man erst dann wirklich alt war, wenn man nicht mehr fähig war, sich an die Veränderungen in seiner Welt zu gewöhnen – Und so gern sich Fuyutsuki auch an diesen weisen Ratschläg gehalten hätte, er wusste, dass er wirklich alt war.

Sicherlich zu alt, um seine Augen dahin schweifen zu lassen, wo sie auch, wenn er versucht hätte, dem entgegen zu wirken, ja doch hingeschweift wären; Es war heiß, heißer, als er wirklich vertrug, und sie war leicht gekleidet, und schlicht, wie es in ihren eigenen vier Wänden auch zu erwarten gewesen wäre, ihr lindgrünes Top erlaubte, wenn sie den Arm so wie jetzt gehoben hatte, tiefe Einblicke auf das helle Fleisch ihrer Brüste, die nun einzig und allein der private Schatz eines anderen waren.

Sie schien völlig ungestört, wie unbeobachtet, führte einfach einen Handgriff nach dem anderen aus, ohne etwas anderes zu tun, als das, was sie eben tat (Fuyutsuki versuchte zu übersehen, um was für eine Tätigkeit es sich dabei genau handelte: Sie füllte frisch gekochten, aber ihrer Meinung nach ausreichend abgekühlten Tee in ein Babyfläschen – Oh, wie glorreich die Flüssigkeit über ihre Haut und die leicht darunter hervorschimmernden Adern rann, als sie die Temperatur des Getränks an ihrer Ellenbeuge testete.) und nebenbei weiter zu ihm allein zu sprechen, mit einem Phänomen von einem Lächeln auf ihren verführerisch-prallen, jugendlichen Lippen, während sie mit einem romantisierten, aber dennoch wissenden Ton sprach, der es klar machte, dass sie weitaus mehr wissen musste, als sie verriet, ein Detail, dass sie den Wortlaut der alten Erzählung mit einer persönlichen Wärme wiedergeben ließ, während sie ihrem Söhnchen, für dass sie ganz in der Nähe in einem Hochstuhl platz gefunden hatte, das Fläschen mit dem Tee in seine kleinen Hände reichte.

„…Es heißt, das der Auserwählte als eine der Geringsten auf diese Welt kommen soll, und alle Schwäche und Zerbrechlichkeit kennen soll, die dieser Welt eigen ist… dass er durch ihre dunkelsten Abgründe wandeln soll, und das Gewicht all ihrer Hässlichkeit auf seinen Schultern tragen soll… viele Prüfungen warten auf ihn, und viele Lektionen, und ihm soll alles zuteil werden, was diese Welt zu bieten hat, alles an Leid, und alles an Liebe, all ihre Flüche, und all ihre Gaben und Herrlichkeiten… Und wenn der versprochene Tag kommt, soll er seine Wahl treffen…“ erzählte sie, während sie dazu überging, die Teekanne auszuwaschen.

Das Wasser rann glitzernd über ihre Finger hinweg.

„Es wird eine Prüfung für ihn, aber es ist auch eine Prüfung für uns, für diese Welt, und wir, die wir Vorbereitungen zu treffen haben…So wie die Dinge jetzt verlaufen, sind sie nicht richtig…“

„Das ist so weit offensichtlich.“ Gab Fuyutsuki zurück, säuerlicher, als er es vorgehabt hatte.

Doch sie lächelte nur.

„Sie kennen es ja aus allen solchen Geschichten – Es ist die Aufgabe der jüngeren Generation, die diese Welt einstmals erben soll, die Entscheidungen zu treffen und die Schlachten zu schlagen – Die Rolle von uns Älteren sollte es dabei einzig und allein sein, jene, die nach uns kommen, auf ihrem Pfad zu führen und zu unterstützen, damit sie erreichen und bekommen können, wonach sie streben. Es ist so leicht misszuverstehen, gerade weil es so offensichtlich ist, ja beinahe schon zu einfach aussieht, um die komplette Wahrheit zu sein, der Wald vor lauter Bäumen, geschrieben über jede Ecke und jede Spalte der Schöpfung… Weil das Leben von Grundauf etwas ist, das immer im Fluss ist, wie die Information – Der Funke des Lebens wird immer weitergegeben, vom Vater, zur Mutter, zum Kind und von dort zu den Kindeskindern… Wie ein Baum, dessen Äste sich immer weiter aufhalten.

Es liegt in der Natur von Eltern, dass sie sich für ihren Nachwuchs aufopfern – In der ursprünglichsten Form muss sich eine Zelle voll in zwei neue Aufteilen, wodurch sie doch in jeder davon weiterlebt…Wir können nicht ewig unsere Hand aufhalten und der Neuheit des Lebens profitieren, wir können nicht ewig Kinder bleiben, unsere eigenen Eltern heiraten, und wie einst Saturn unsere Kinder fressen, damit sie uns ja nicht übertreffen. Wir haben das Leben bekommen, also müssen wir es auch weitergeben, statt es nur für uns zu behalten… Das Leben ist ein Fluss, der Stillstand ist der Tod, oder nur schwer davon unterscheiden…

Doch sehen Sie nur, wo wir hingekommen sind, Fuyutsuki-sensei!

Wir haben die Entscheidungen, die unseren Kindern zustehen sollten, schon selbst getroffen, und die Wege vorgezeichnet, um unsere eigenen Wünsche zu erfüllen, sodass sie Außerwählten, die eigentlich die Helden dieser Geschichte sein sollten, nichts weiter sind als unsere Schachfiguren, die wir auf einen vorgezeichneten Pfad setzen…

Wir sind dabei, ihre ganz eigene Existenz und ihre Funktion in ihrer Geschichte ganz für uns zu stehlen, für die Verwirklichung unserer eigenen Wünsche…

Ist das so etwas richtig?“

Fuyutsuki wusste nicht, was er sagen sollte.

„Das… das ist hier keine Geschichte, von der wir hier sprechen, sondern die reale Welt. Es funktioniert nicht alles wie im  Märchen, es gibt viel mehr, was man bedenken muss, so viel, was auf dem Spiel steht…“ Versuchte er, selbst nicht ganz glaubend, dass er selbst versuchte, aus diesen irrwitzigen Sachverhalten Stoff für ein ernsthaftes Gespräch zu entnehmen.

„Viel zu viel, als dass man sich auf diese Art von Mumpitz verlassen könnte… Du bist doch eine Wissenschaftlerin, nicht, Yui-kun? Jedenfalls hast du bei mir studiert, und ich bin ein Wissenschaftler, und kein Hexenmeister. Was soll das alles, von Wegen Prophezeihungen, Ritualen und Schöpfern… du erwartest doch nicht, dass du dich einer Gruppierung angeschlossen hast, die eine Tragödie vom Ausmaß des Second Impact wegen ein paar vorsintflutlichen esoterischen Schriften ausgelöst hat!“

„Wenn es ihnen lieber ist, können sie sich die „Schöpfer“ auch einfach als Alien vorstellen, und sie die erste, ursprüngliche Zivilisation nennen… Das einzige Zeugnis, das wir von ihrer Existenz haben, sind die Schriftrollen, und wir selbst – Wer weiß, wie sie beschaffen waren. Sie haben uns nach ihrem Abbild geschaffen, aber dasselbe ließe sich auch über die Engel sagen… Sie könnten die Rollen auch als eine „Gebrauchsanleitung“ sehen, wenn Ihnen das angenehmer ist… Vielle unserer eigenen Worte und Begriffe sind doch von unserer eigenen Wahrnehmung und Beschaffenheit geprägt, so enthält zum Beispiel ein Wort wie „Resonanz“ referenzen auf unseren Gehörsinn, für uns sind Töne, was für Wesen mit anderen Sinnen nur Vibrationen wären, und da ist auch unsere Assoziation mit „aufwärts“ als gut und „abwärts“ als schlecht…“

„Dann meinen Sie dass das, was die wissenschaftlichen Ausdrücke dieser… dieser Schöpfer sein sollen? Das ist dein Ernst, Yui-kun?“

„Wenn Sie es so wollen, Fuyutsuki-sensei…“

„Alles, was ich wissen will ist, was hier gespielt wird!“ gab der alte Professor nicht ohne Frustration zurück. „Diese Geschichte mit diesen… Schöpfern ist eine Sache, aber Prophezeihungen?

„Sicher. Niemand kann Ihnen sagen, was Sie morgen zum Frühstück haben werden, aber auf große Maßstäbe wie der Gedeih oder Verderb einer ganzen Zivilisation  ist es selbst bei zufälligen Prozessen möglich, Verteilungen und Tendenzen abzuschätzen, vor allen, wenn die Ereignisse korreliert sind, unter gewissen Bedingungen wahrscheinlicher sind – kommen genug solcher Bedingungen zusammen, nein, werden sie zusammengebracht, können gewisse Ereignisse beinahe sicher sein… Und wenn man den großen Fluss der Dinge berechnen kann, wird es auch möglich, darüber die Pfade jener vorherzusagen, die bei der Herbeiführung dieser großen Geschehnisse entscheidende Rollen spielen werden….

Menschen handeln nach uralten, instinktiven Trieben, angelernten Verhaltensweisen und nicht immer ganz rationalen Überlebensstrategien, die als solche gut erforscht sind, und je mehr man über einen Menschen weiß, umso leichter wird es, seine Schritte vorrauszusehen… andererseits, auch, wenn einem die möglichen Pfade von Gesellschaft und Genetik aufgezeigt werden, welchen davon man wählt, ist einem immer selbst überlassen. Man ist mit dieser Entscheidung allein… aber das bedeuten das wir Menschen, so vorhersagbar wir alle auch sein können, immer etwas grundlegend Unberechenbares inne wohnt.

Was die Rollen aufzeigen, sind keine starren Vorhersagen, sondern Möglichkeiten, Bahnen, von denen SEELE eine bestimmte gewählt haben… Aber man könnte auch eine andere wählen. Einige der wichtigsten Spielsteine in diesem Szenario sind menschliche Wesen. Unsere Auserwählten werden solche menschliche Wesen sein… Vielleicht werden auch sie sich als unberechenbar erweisen…“

Daran hatte Fuyutsuki wenig Zweifel.

Schließlich war Yui einer der… unberechenbarsten Menschen gewesen, die ihm je begegnet waren.

 

---

 

“Jeden Tag dasselbe Wetter… Das der Herbst aus diesen Landen verschwunden ist, ist schmerzlicher als Worte es beschreiben können…

Wenn SEELEs Schriftrollen tatsächlich richtig liegen, wird sich der Third Impact unausweichlich in etwas weniger als zehn Jahren ereignen…”

“SEELE… GEHIRN… Der Zweck dieser Tragödien sollte es doch sein, die letzte Tragödie zu verhindern…“

„So siehst du es, und so sehe ich es, aber ob SEELE das aus so sieht…“

„Fuyutsuki-Sensei, es könnte sehr, sehr gefährlich sein, dieses Siegel über diese Welt hineinbrechen zu lassen…“

„Ich habe Ikari alles Material zukommen lassen, was ich habe… Dieses Unterfangen ist nichts, was ein Mann alleine bewerkstelligen könnte.

Eine Widerholung von dem Stunt, den ich mir letztes Mal geleistet habe, wird es jedenfalls nicht geben.

Und so etwas wie eine Warnung habe ich auch erhalten – Scheinbar wäre es für die kein größeres Problem, mich verschwinden zu lassen.“

„Das gilt für alle von uns, die überlebt haben. Es ist wirklich sehr, sehr leicht, Menschen zu zerstören…“

„Aber das ist trotzdem kein Grund dafür, dich freiwillig als Versuchskaninchen zu melden!“

„Alles wird geschehen, wie es geschehen muss… Nur deshalb arbeite ich für SEELE. Um Shinji’s willen…“

 

„…Dann ist es dein wahren Ziel, die Götter nachzuahmen, und ihr Werk mit der Erschaffunf der EVAs fortzusetzten?“

„Wir Menschen können nur hier auf diesem Planeten existieren… aber EVA wird es möglich sein, bis in alle Ewigkeit zu überdauern, gemeinsam mit der Seele der Menschen, die darin fortleben, selbst nach fünf Milliarden Jahren, wenn der Mond, die Erde und selbst die Sonne vergangen sind… Sie wird allein sein, aber so wird sie doch immerhin leben können…“

„Als ewiger Beweis, dass die Menschheit existiert hat?“

„Das, und als Arche, um die Fackel des Lebens zur nächsten Welt zu tragen… Wir haben das Leben bekommen, also ist es nur richtig, dass wir es auch weitergeben… Sicher, jene, die diese Reise antreten wird, wird ein großes Opfer bringen und sich von denen trennen müssen, die ihr wichtig sind, und denen sie wichtig ist, aber dafür wird sie die Erinnerungen an sie bis in alle Ewigkeit bei sich tragen können… damit sie ja nicht in Vergessenheit geraten, sie, und alles andere auf dieser Welt, weil sie- weil ich sie liebe.“

 

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(1)    Und jetzt, lest alles noch mal durch, aber fügt irgenwo bei Reis Erschaffung ein, wie Gendo triumpierend „Es lebt! Es leeeeeeebt!“ schreit.
(2)   Natürlich sind alle scheinbaren Inkonsistenzen in Wahrheit wichtige Plot-Punkte für später… jedenfalls hoffe ich, dass nicht mehr „wichtige Plot Punkte“ drin sind, als ich absichtlich  eingebaut habe ^^°… Wobei ich dieses „fünf Jahre später trafen er und sie sich wieder“ aus Death und gewisse Bilder aus episode 16 schon immer höchst mysteriös fand… *evilgrins*
(3)    Wenn ein Schriftsteller (oder einer, der es eines Tages werden will) irgendwo zwei Sechsen sieht, ist er/sie selten darum verlegen, eine dritte hinzuzufügen.
(4)   Saturn war in der römisch-griechischen Mythologie der Vater des Zeus/Jupiter und der vorherige Herrscher des Kosmos – der Legende nach soll er seine Kinder gefressen haben, weil er prophezeit bekommen hatte, dass eines von ihnen ihn übertrupfen würde – Aber Klein-Zeus entkam ihm…
(5)   …Und was du von diesem Kapitel lernen kannst, liebe Naoko, ist eine etwas korrektere Art und Weise, mit einem frechen Kindergartenkind umzugehen.
(6)   AKIRA-Andeutungen vollends beabsichtigt.
(7)    Diese Stelle, an der EVA 05 das Maul aufreißt wurde in „Explanation of Evangelion 2.0“ (Im Wesentlichen eine Version des Filmes in der einiges per Untertitel noch mit weiterem Technobabble bezeichnet wurde, Google ist euer Freund) tatsächlich als „Semi-Berserk-Zustand“-tituliert. Das es mit diesem Stunt aus Episode 8 der Serie vergleichbar sein könnte, ist meine eigene Schlussfolgerung. Und ja, Mari trägt einen Verband am Arm als sie auf dem Dach in Shinji hineinkracht – nicht, das man es euch verdenken könnte, wenn ihr von Maris, ähem, Ausstattung abgelenkt war – Man sieht die Verbände sogar noch auf einem Haufen mit ihrer abgelegten Kleidung, wenn sie sich für den Finalkampf fertig macht. Dass sie Asuka synchronwertmäßig (zumindest zum Zeitpunkt von 2.0) übertrifft wurde in einigen unbenutzten Skripts aus der CR explizit gesagt, kann man sich aber vom Ausmaß ihrer Verletzungen vom ersten Kampf her denken. Aber wie Miyazawa schon sagte, man sollte normale Menschen niemals unterschätzen, am allerwenigsten, wenn sie Asuka heißen… *hust* EoE *hust*



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  leesa
2014-01-31T17:39:31+00:00 31.01.2014 18:39
Ein fantastisches Kapitel !
Ich mag deine Unverblümte Art, grausame sachen zu schildern ohne eine auf-, oder abwertente Meinung einzubringen


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