Children of the Prophecy von Kendrix (Die Kinder der Prophezeihung) ================================================================================ 09: [IMAGO!] ------------ (09: [IMAGO!]) --- I am my own parasite I don't need a host to live We feed off of each other We can share our endorphins […] I own my own pet virus I get to pet and name her Her milk is my shit My shit is her milk Doll steak! Test Meat! Look on the bright side, suicide Lost eyesight I'm on your side Angel left wing, right wing, broken wing Lack of iron and/or sleeping […] Protector of the kennel Ecto-plasma, Ecto-skeletal Obituary birthday Your scent is still here in my place of recovery! -Nirvana,‘Milk it‘ --- Das Tänzeln eines fernen Lichtes auf der Oberfläche einer endlosen Weite von Wasser, von unten besehen. Ein Zustand der Schwebe, eine sanfte Wärme, exakt auf die Temperatur seines Körpers zugeschnitten, nicht zu heiß, nicht zu kalt, genau richtig, um ihn vergessen zu machen, wo die Grenzen seiner selbst aufhörten, und wo seine Umgebung begann, fast so, als sei er eins mit dem Licht und dem Wasser. Schwerelosigkeit. Es gab nichts, was er noch brauchte, nichts, was er hätte verlangen können, nichts, dass den seligen Zustand seiner jungen Seele hätte beenden können… Er glaubte, so etwas schon einmal erlebt zu haben, in einer vagen, fernen Vergangenheit, die so tief in seinem Innersten vergraben lag, dass er sie nur in Momenten des Zwielichts wie diesem hier erfassen konnte; Weit, weit in der Vergangenheit, bevor er überhaupt wusste, dass es ihn gab. Bereitwillig ließ er sich treiben, übergab sich den tiefen, ja, war nicht wirklich wach genug, um dem zu widerstreben und fühlte auch nichts, was einen Wunsch dazu hätte wecken können. An dieser Stelle begannen seine eigenen Empfindungen mit dem zu verschmelzen, was auf dem Grund dieser Tiefen hauste, doch er konnte es weder erkennen, noch unterscheiden, der Übergang war fließend und schon aufgrund der Natur dieses Ortes kaum zu erkennen. Für ihn ging die Reise einfach nur weiter, weiter zurück, das, was zu ihm gehörte, und das, was nicht zu ihm gehören konnte floss einfach übergangslos ineinander. Da war das Echo eines Herzschlags, eine Menge stetige Geräusche, die er nicht einzuordnen vermochte, und ferne Stimmen, deren Strom von Worten er gar nicht wirklich zu folgen versuchte, als wüsste er nicht, in wie fern sie von dem anderen Krach verschieden waren oder eine besondere Bedeutung besaßen. Die Stimmen kamen und gingen, doch schon bald konnte er zwei ausmachen, deren Worte nie zu enden schienen, davon eine, die aus irgendeinem Grund viel klarer und deutlicher klang als alle anderen um sie herum. Das allein sollte ausreichen, um erkennen zu können, dass sie in irgendeiner Form wichtig und besonders sein musste, doch er konnte sie beim besten Willen keinem Gesicht. Er glaubte, sie schon mal vernommen zu haben, nicht bloß bei weiteren Vorfällen in Einheit Eins, sondern weit vorher… Und da war die andere Stimme, tief, männlich, mal beherrscht und nüchtern, mal bebend vor Hingebung, die meiste Zeit ein kleines wenig trotzig-provokant, als ob ihr Besitzer unentwegt ein selbstsicheres, nicht-vertrauenswürdiges Grinsen auf den Lippen tragen würden. Bei dieser zweiten Stimme glaubte er zunächst, etwas erkannt zu haben, aber der Teil seines Hirns, der für diese Erkennung verantwortlich gewesen wäre, spuckte dem bewussten Teil seiner selbst nur ein knappes „Das kann nicht sein.“ aus, ohne ihm bei der Identifikation dieses Mannes in irgendeiner Form behilflich sein, sodass die zwei Menschen, deren Gespräche gedämpft zu ihm vordrangen, für ihm zwei Fremde blieben. Die gedämpft zu ihm vordringenden Laute ihrer Sprache hingegen setzten sich mit dem Fortlauf der Zeit mehr und mehr zu Sätzen zusammen, die er verstehen konnte: “Das Kind wird in der Welt nach dem Second Impact leben müssen… in einer… wahren Hölle…“ „Aber wenn man leben will, kann überall das Paradies sein. Er wird leben, und deshalb wird er auch jeden Tag eine Chance haben, glücklich zu werden.“ „Ich verstehe, du hast wohl recht…“ Mh… irgendwie hatte er das Gefühl, schon mal hier gewesen zu sein. Wirklich schon mal hier gewesen zu sein, nicht wie in diesen verwirrenden Visionen und den sie begleitenden Déjà-vus, viel intensiver, aber zugleich viel schwerer greifbar, eine lichtgetränkte Kindheitserinnerung, die ihn selbst dann noch wärmte, als sie zu verblassen schien; Sie löste sich regelrecht in Licht auf, zerfloss in flüssiges Gold, dass ihn nach und nach völlig umschloss, und zerstreute sich schließlich, wenn auch nicht ohne dort ein fein verteiltes nachleuchten ihrer sanften Wärme zurückzulassen, wo Shinji schließlich nach und nach das LCL wiederfand, in dem er gestern eingeschlafen hatte; Sich selbst fand er zu einer annähernden Kugel zusammengerollt, die Beine angezogen, die Arme um den Körper geschlungen, den Kopf auf die besagten Arme gestützt, ein einziges Bündel, ein kleines Stück über seinem Steuersitz im LCL schwebend. Er hatte fest damit gerechnet, dass sein nächstes Erwachen auf jedem Fall abrupt kommen würde, wenn der Engel auftauchte, aber anstatt mitsamt seinem EVA auf die Abschussrampe gekarrt zu werden, während er noch zu drei Vierteln im Halbschlaf dahinlümmelte, wurde ihm ein allmähliches, natürliches Erwachen zu teil, nachdem er auch die Zeit bekam, seinen Körper großzügig durchzustrecken und sich gemächlich den Sand aus den Augen reiben, und sich zu fragen, was er jetzt eigentlich tun sollte. Der erste Gedanke entsprechend der Situation wäre es ja, die Zeit zu nutzen und noch ein wenig zu schlafen, aber danach verspürte Shinji nicht wirklich ein Bedürfnis… tatsächlich fühlte er sich ausgeruht wie lange nicht mehr… Wie spät war es eigentlich? War der Morgen gekommen? Jedenfalls kam es ihm höchst seltsam vor, dass man ihn nicht irgendwie zum Kampf gerufen hatte… hatte er das vielleicht irgendwie verpasst, oder war irgendetwas passiert…? Hatten Rei und Asuka den Engel am Ende ganz ohne sein Zutun erledigt, und man hatte ihn kleine Schlafmütze ruhig weiterschnarchen lassen…? Das würde Misato jedenfalls nicht unähnlich sehen… Nachdem ihm die Ansicht des Cages, die ihm das Interface lieferte, nicht viel anfangen konnte (EVA 01 stand derzeit mit dem Gesicht zur Wand)aber keinerlei Kommunikationsfenster zeigte, beschloss er, dass es vielleicht ganz gut sei, mal nach der Situation zu fragen; Bevor er sich jedoch irgendjemandem präsentierte, hielt er es jedoch von irgendeiner ansetzenden Neurose getrieben für nötig, sich erst mal wieder angemessen in seinem Steuerungsstuhl zu platzieren, nicht, dass sich irgendjemand was der Geier was dabei dachte oder sonst irgendeinen falschen Eindruck bekam, er wusste auch nicht wie. Als das Third Child nun wieder ordnungsgemäß verstaut war, wollte sich das Third Child nun irgendwie zu Wort melden, doch noch während er ein wenig mit sich herumhaderte, ob er nicht dieses oder jenes sagen oder tun sollte, öffnete sich das gewünschte Kommunikationsfenster von allein, als hätte er es mit den Gedanken gerufen. „M-Misato-san-!“ Spätestens als er ihr Gesicht sah, wurde ihm augenblicklich klar, dass die Zeit, die er zum Ausruhen gehabt hatte wenn auch großzügig bemessen jetzt aber doch endgültig verflossen war. „Guten Morgen, Shinji-kun.“ Grüßte sie knapp, ohne den wilden Enthusiasmus derr diese worte normalerweise durch ihre Lippen hindurchbegleitete. „H-Hat sich der Engel entpuppt?“ „Noch nicht, aber laut Ritsukos Wärmestrahlenscans dürfte es jeden Moment so weit sein. Mach dich bereit. Wir schießen dich an die Oberfläche.“ „O-Okay…“ --- Ganz so spät wie Shinji es zunächst gedacht hatte war es dann doch nicht gewesen; Als die drei Evangelions die Oberfläche erreichten, hatten sie noch die Morgenröte im Rücken. Den Gesprächen der Techniker, die parallel zu denen stattfanden, die mit dem Abschuss der EVAs zu tun hatte, konnte Shinji entnehmen, dass der Versuch, den Kern des Biestes während seiner Restrukturierung zu finden, leider keine Früchte getragen hatte. Das Ratespiel würde also schon bald weiter gehen… Außer der Sonne erwartete sie an der Oberfläche nur noch die immer noch leergeräumte Stadt, in der das Zirpen der Zikaden das lauteste aller Geräusche war; Es schlich sich hinein, von den Wäldern an den Rändern und von den Grünanlagen hier, und die Autos, deren Krach sie sonst zweifellos übertönt hätten, standen alle still… Zumindest die Ankunft seiner Mit-Pilotinen schien die Dominanz der entnervenden Insektenlaute zu mildern; Bei Rei konnte er das nicht wirklich beurteilen, aber Asuka machte den Eindruck, ebenfalls gut geschlafen zu haben, was bei ihr dazu synonym war, das sie dazu in der Stimmung war zu quasseln; Es half wohl auch, dass der nächste Kampf unmittelbar bevor stand, was das Second Child schon immer als eine Einladung gesehen hatte, mit ihren Fertigkeiten zu prahlen und von ihren baldigen Heldentaten zu schwärmen. In Shinjis Wahrnehmung verschwammen Captain Shikinamis Worte, deren Inhalt er sich auch so denken konnte, in den Hintergrundgeräuschen; er lauschte eher dem Kanal aus der Kommandozentrale, von dem er sich eher versprach, dass sich ihm entnehmen ließ, wann und wie genau der Angriff auf den Engel nun erfolgen würde; Zumal der immer noch unbewegt da schwebende, elliptische Kokon des Engels der Kämpfer-Intuition, die Shinji sowieso nur in dem Maße besaß, dass es nicht mehr richtig gewesen wäre zu behaupten, er habe keine, nicht allzu viele Ansatzpunkte bot. Über die Strategie, falls es denn überhaupt eine gab, hatte er bis jetzt recht wenig gehört; Klar war, das Misato nach der Erfahrung des letzten Kampfes beschlossen hatte, im wahrsten Sinne des Wortes harte Geschütze aufzufahren: Shinji trug ein mit explosiver Thermit-Munition bestücktes, gigantisches Gatling-Gewehr, während für Rei nur ein ähnlich dimensioniertes Gerät übrig geblieben war, für das Dr. Akagi einen schwer auszusprechenden, wissenschaftlichen Begriff, Misato aber die wesentlich griffigere Bezeichnung „Kugelblitzkanone“ parat gehabt hatte, nachdem Asuka sich von Anfang an begeistert auf den Flammenwerfer gestützt hatte. Etwa dieses Kaliber von Waffen hatte es gebraucht, um dem Viech vor seiner Metamorphose ernsthaft zusetzen zu können… Das sie jetzt zu dritt waren, hätte Shinji wohl trösten sollen, aber je länger die Wartezeit die Fäden seiner Nervosität spann, umso mehr begann statt der Feuerkraft zwei weiterer EVAs immer mehr die beiden Mädchen darin zu sehen, die jetzt ebenfalls auf dem Schlachtfeld und somit im Einflussbereich seiner Gefahren standen. Sehr zu Asukas Ärgernis zwang sie die Beschaffenheit des Feindes wieder einmal in die Defensive; Sie mussten darauf warten, dass sich der zehnte Engel dazu bequemte, seinen empfindlichen Zustand zu verlassen. Wenn man sie aber an die Oberfläche geschossen hatte, dann aber, weil man zu Recht davon ausging, dass sich der Botschafter nicht mehr lange bitten lassen würde: Mit einem Geräusch das halb ein Kreischen und halb ein Kratzen war, irgendwo an der Schwelle von organisch zu anorganisch, erwachte das bis her völlig stille, unbewegte Oval mit einem Mal zum Leben; Die Finsternis unter der Oberfläche schien mit einem Male in Bewegung, als wolle sie sich zusammenziehen, unsicher darüber, was sie werden sollte und ganz oben, wo das Ei der Apokalypse dem Firmament zugewendet war, schien die halbdurchsichtige, düstere Schale zunächst aufzubrechen; Die Regelmäßige Form der „Bruchstellen“ verriet jedoch schnell, dass es ein gewollter, biologischer Prozess war, schon durchaus geordneter als aufbrechen einer Eierschale durch ein schlüpfendes Küken; Die symmetrische, runde Öffnung der Strukturen, die sich als mehrschichtig in die Tiefe gehend herausstellten, ähnelte eher an die Adaptation einer Iris um eine sich weitende, dunkle Pupille. „Scannt das Innere!“ befahl Misato, bei ihrer augenblicklichen Reaktion fasst schon ein wenig aufspringend. „Was ist mit dem Ding?“ „I-Ich weiß nicht!“ entgegnete Hyuuga, sich nicht ohne Anzeichen des Schocks zu seiner Vorgesetzten umdrehend. „Das ist kaum zu glauben…Die Signatur des Engels lässt sich überhaupt nicht erfassen!“ „Lässt sich nicht erfassen…?“ wiederholte Misato skeptisch. „Das kann doch nicht sein… wie ist der Status der Sensoren? Könnte es etwas bringen, die Sensoren neu zu kalibrieren oder die Messwerte irgendwie zu filtern?“ „Die Sensoren zeichnen überhaupt keine Messwerte auf. Laut diesen Anzeigen gibt es nichts zu messen, als ob der Kokon hohl wäre…“ „Was… was hat das zu bedeuten…?“ „Ich kann da nur an eine einzige Möglichkeit denken.“ Ließ Dr. Akagi verlauten, die sich gerade wieder aufgerichtet hatte, nachdem sie sich eben noch vorgebeugt hatte, um über Lt. Ibukis Stuhl hinwegzuschauen, auf dessen Lehne die Hand der falschen Blondine noch immer ruhte. Die sonst so kühle Wissenschaftlerin ließ sich deutlich hör- und sichtbare Besorgnis anmerken – Ein Zeichen, das die Leiterin der Einsatzabteilung schon mal als gültige Ausrede für ihre eigene Sorge einstufte. „Und das wäre?“ pressierte sie auf eine Antwort, sich wünschend, dass ihre Freundin und Kollegin zur Abwechslung einmal zum Punkt kommen würde, bevor ihre brodelnde Kreativität Gelegenheit dazu hatte, sich weiß der Himmel was auszumalen, anstatt sich darauf fokussieren zu können, eine Lösung zu finden. „Der Engel hat sich auf den ersten Kampf eingelassen, um unsere Vorgehensweise zu analysieren und hat sich nun dementsprechend umgewandelt.“ „W-Was sagst du da?“ „Unmöglich ist es nicht. Bereits der dritte Engel zeigte Anzeichen dafür, dass sich Engel selbst verbessern und anpassen können… auch der perfekt an das innere des Vulkans angepasste neunte Engel war ein Beispiel für diese Fähigkeit… Und chon die wesentlichsten Gesetze der Quantenphysik besagen, dass sich nichts beobachten lässt, ohne es dabei zu beeinflussen… Der Engel wird unsere Versuche, seinen Kern zu finden, bemerkt und etwas dagegen unternommen zu haben….“ „Können die denn überhaupt so weit denken?“ „Das brauchen sie gar nicht. Der Engel wird einen vom Feind ausgehenden Prozess bemerkt und unterbunden haben, unabhängig davon, ob er ihn versteht, oder nicht.“ “Aber… wenn der Engel sich selbst gegen so etwas hintergründiges wie unsere Scanversuche abschirmen konnte, dann…“ „Ja.“ Bestätigte Dr.Akagi das, was ihre Kollegin nicht mehr auszusprechen brauchte, da die besorgten Blicke des Personals es bereits klar machten, das alle den langen Schatten jener Gewissheit bemerkt hatten. „…In diesem Fall… müssen sich zweifellos auch die kämpferischen Fähigkeiten des Engels den Waffen der EVAs angepasst haben. Es ist damit zu rechnen, dass… die wenigen Maßnahmen, mit denen wir den Engel letztes Mal noch knapp zur Flucht bewegen konnten, völlig Wirkungslos sein werden. Und viele weitere Maßnahmen haben wir nicht, vor allem, da es uns jetzt endgültig nicht mehr möglich sein wird, den Kern aufzuspüren… Nein, es ist ausgeschlossen, das Shinji ihn bei dem letzten Kampf nicht einmal getroffen hat. Wahrscheinlich war der Kern schon von Anfang nie innerhalb unserer Reichweite…“ An der Situation gab es wenig Motivierendes - Und die Erkenntnis über die genaue Bedeutung von Dr. Akagi zeichneten sich deutlich in den Gesichtern der Beteiligten ab, am meisten wohl bei den empfindlicheren Mitgliedern der NERV-Crew wie Lt. Ibuki und natürlich auch dem Third Child, das sich mittlerweile fragte, ob das, was er da spürte, Schweißperlen unter den Handschuhen seines Plugsuits oder einfach nur Symptome seiner Furcht waren. Selbst nicht unerschüttert verfluchte Misato doch die Unfähigkeit Dr. Akagis, das ganze weniger final und pessimistisch auszudrücken, auch wenn sie nicht sagen könnte, was daran schönzureden wäre… Dennoch, es brauchte nicht wirklich einen Raketenwissenschaftler, um zu wissen, was in dem hübschen kleinen Köpfchen im Entryplug von EVA 01 von sich gehen musste… und wie das ebenso gewisse Fehlen solcher Gedankengänge beim Second Child zu andererlei Problemen führen könnte. Auch wenn es ihr gelang, ihre ansatzlosen Finger zu einer Faust zu ballen, wurde sie unterbrochen, bevor sie dazu kam, etwas zu sagen, dass ihre Kollegen vielleicht dazu hätte überreden können, sich irgendwie zusammen zu reißen – und der dicke schwarze Strich, der mitten durch ihre Rechnungen ging, war nichts anderes als ein erneutes Kreischen des Engels, ein furchtbarer Laut wie kreidekreischen und quietschende Eisenbahnräder, das die Rückkehr des Engel der Illusionen ankündigte, ein warnender Herold für das Tageslicht, dem er sich nun in erneuerter Gestalt zeigte. In der dunklen, durch ihre länglich-elliptische Form an einen Geburtskanal erinnernde Öffnung des halb in ein Gebäude gebohrten Engelskokons regte sich eine schwer greifbare, schummrige Erscheinung, eine Außenlinie aus rötlichem Schein, der sich zunächst nur ganz knapp von der umgebenden Finsternis abzuheben schien. Dann aber wurden die zinnoberfarbenen Ränder der Form bestimmter, der Umriss immer klarer je mehr sich das Gräuel im inneren dem Ausgang seiner Kinderstube näherte; Gelbliche Akzente zeigten sich an den Rändern der am Ende doch verwirrend schattenhaften Form, wie die Fenster eines großen Schiffes, dass man bei Nacht vorbeifahren sah wie eine schwimmende Stadt und doch ein Schemen, über dessen Anwesenheit man sich am lichtlosen Ufer nicht ganz sicher sein konnte, könnten es doch jene fernen Irrlichter sein, die Seemänner in den Tod lockten und ihnen nachdem sie sie zum Meeresgrund gesagt hatten Legenden und Märchen gebaren, die den trügerischen Charakter ihrer Mütter behielten; Die scheinbar hellen Ränder des Engels schienen die Finsternis, die sie umgab, nicht das kleinste bisschen zu erleuchten, und auch, wenn sie es getan hätten, hätten sie es nicht vermocht, zu verhindern, dass das unstoffliche Wesen selbst am helllichten Tag in Nacht gehüllt sein schien; Es war wahrlich der Engel der Illusion. Der scheinbar substanzlose Botschafter entblößte seine reinste, vollendete Form, größtenteils gebildet von einer länglichen, dem Hinterleib eines Insektes ähnhelded Struktur, die an der unterseite mit einem grünlichen, weiß gefleckten Panzer bedeckt war, und in den dünnen, filigranen Rest des Körpers mündete, noch vor diesem an der vordersten, breitesten Stelle eine schlitzförmige Öffnung ähnlich gewisser Körperteile hatte. Vielleicht hätte hier der Kern hingehört, wenn er wie bei vielen anderen Engeln sichtbar an der Oberfläche geprangt hätte. Der Restliche, dünne Anteil des Engelskörpers zeigte eine komplexe Struktur, die sich aufgrund seiner dunkles, schwer fassbaren Beschaffenheit nicht auf den ersten Blick erkennen ließ; Es wirkte irgendwie schmerzhaft zweidimensional wie die Grafik eines alten Videospiels; Bei näherem Hinsehen ließ sie ein kurzer, stabförmiger Torso erkennen, von dem zwei dünne, so physikalisch eigentlich nicht möglichen Arme abzweigten und sich zu mit gelblichen Stacheln besetzten scheiben formten, von denen dann wieder dünne Arme zu einer kleinen, teils diamantförmigen Struktur führten, das mit etwas Phantasie als permanent in einer Stellung des Gebetes versiegelte Hände interpretierbar war, an deren Vorderseite jedoch das zusehen war, was man am ehesten das Gesicht hätte nennen könnte, die maskenhafte Struktur mit zwei Augenlöchern und einem „Schnabel“, wie man sie von anderen Engeln kannte. Auch etwas anderes an der Form des Botschafters war typisch für Engel, wenn auch für solche einer ganz anderen Art; Von seinem Rücken ging eine lange, gerade Struktur aus, deren Bedeutung noch deutlicher klar wurde, als der Engel begann, sich zu regen. Seine ersten Bewegungen waren nicht vorsichtig und testend wie die eines Wesens das eine neue, ungewohnte Form zu gewöhnen versuchte, und zu ruckartig und zielgerichtet, um dem sich-strecken einen gähnenden, frisch erwachten Menschen zu entsprechen; Es erinnerte am ehesten noch an eine Schlange, die sich aus ihrer alten Haut herauszuwinden versuchte. Ein paar dieser Zuckungen und es hielt inne, vielleicht in einem Moment von Schmerz, als sich die Struktur an seinem Rücken mit einem widerlich-biologischen Geräusch spaltete und der Engel seine nun klar als solche Erkennbaren Flügel zum ersten Mal ausbreitete wie ein Schmetterling der die Pein der Widergeburt frisch überstanden hatte; Mit geringer Verzögerung begannen sich die an seinen „Ellenbögen“ befindlichen, stachelbestückten Scheiben rapide zu drehen wie die Zahnräder einer Maschine, worauf das nun vollendete Wesen gründlich durchstreckte und einen Schrei des Triumpfes ausstieß, der sowohl durch seinen Ton als auch durch seine auf den sechsten Sinn zielende Komponente die Blutgefäße des Third Child einfrieren und in ihrer harten, kalten Form zersplittern ließ. „Das ist also… die vollendete Form des Engels…“ Der Schock hatte nicht genug LCL in seinen Lungen gelassen, um diesem Satz besonders viel von einem Ton mitzugeben; Schon dieses Ding längere Zeit anzusehen tat schon weh; Dieses Ding gehörte nicht in diese Welt, jedenfalls nicht in eine Variante davon, in der Menschen wie er selbst existieren konnten; Es war ein Herold der bizarren Zukunft, die es bringen würde, wenn man es nicht aufhielt; Eine Zukunft, zu der kein menschliches Wesen Zutritt haben würde. Dieses Mal konnte er es wirklich spüren, vielleicht, weil er es mit der Zeit gelernt hatte oder nun die Tragweite dieser Kämpfe besser verstand als irgendwann einmal am Anfang; Er spürte, wie tiefgreifend falsch alles an dieser Kreatur war. “Ich möchte, dass ihr drei den Engel im selben Moment voll unter Beschuss nimmt.“ „Vertanden.“ Bestätigte Shinji. „Und seid äußerst vorsichtig… Keiner kann sagen, welche Macht das Zielobjekt besitzt, jetzt, wo es sich verwandelt hat…“ „Pah. Wenn es denkt, dass es mir Angst machen könnte, indem es sich in eine übergroße Libelle verwandelt, ist das Biest aber so was von schief gewickelt! Das unser Papasöhnchen Probleme mit den Viech hatte, muss gar nichts heißen. Jetzt, wo ich da bin, kann man das gar nicht vergleichen. Kommt schon, ihr lahmen Enten! Lasst uns dem Viech so richtig einheizen!“ Der eine oder andere fragte sich vielleicht einen Moment lang, zu welchem Zeitpunkt Asuka das Kommando bekommen hatte, aber sie hatte eine ausreichend dominante Präsenz, dass ihre von Natur aus gehorsamen mit-Piloten ihren Anweisungen dennoch Folge leisteten, und sei es nur, um weiteren Krach zu vermeiden. Da sie letztendlich doch das taten, was sie befohlen hatte, beschloss Misato etwaiges Schimpfen auf später (sprich: nie) zu verlegen und ihre Aufmerksamkeit auf das Zielobjekt zu richten, das ohnehin von oberhalb des Kokons heruntergeschwebt, sodass es nun etwa die Höhe eines gewöhnlichen Einfamilienhauses über den Straßen Tokyo-3s schwebte, links und rechts von Wolkenkratzern umgeben. Captain Shikinami stürmte mit ihrem feuerroten Evangelion vorwärts, hielt dessen massige Form nahe beim Zielobjekt mit durchaus erstaunlicher Präzision an und legte den Hebel um, der die züngelnden Flammen aus ihrem hausgroßen Gefäß entließ, ein regelrechter Feuersturm, der den Engel in seinem ganzen Volumen einhüllte bis man seine Umrisse innerhalb der leuchtenden Glut nicht mehr erkennen konnte, ja, noch weit darüber hinaus ging und die umgebenen Hochhäuser breit mit Ruß schwärzte. Kollateralschäden waren bei solch einer harten Nuss als Gegner nicht zu vermeiden (In der gegenwärtigen Situation wäre selbst Godzilla, der ehrenwerte König des Kollateralschadens eine erwägenswerte Option gewesen, wenn dieser denn durch ein AT-Feld brechen könnte), sodass auch der Hagel an explosiven Patronen, den Shinji noch beisteuerte, nicht sehr viel Rücksicht auf die umgebende Architektur nehmen konnte. Aber so einem Sturm würde natürlich immer etwas grundlegendes Fehlen, wenn da kein Donner war, ein Missstand, dem Rei mit ihrer Blitzkanone abhalf, deren blauweiß glühende Projektile durch die Entladungen, die sie mit sich brachten, massenweise Fenster oder ganze Glasfronten der Umliegenden Gebäude zum Bersten brachten, einzig und allein dadurch, dass sie daran vorbei flogen; Bei der Konstruktion dieser Waffe hatte man sich von den Partikelstrahlen der Engel inspirieren lassen; Direkter Kontakt mit Metall oder Beton schmolz saubere Löcher hinein. Der verschiedenartige Beschuss ließ das Feuer oft noch einmal aufflammen, oft in Form einer Hochhausgroßen Stichflamme; Asuka war letztlich gezwungen, mit Einheit Zwei einen Sprung nach hinten zu machen, um sich vor den sengenden Resultaten ihres eigenen Werks zu schützen, jedoch keine Sekunde, bevor sie ihren Gesamten Brennstoff in die Richting des Engels geblasen zu haben; Auch die anderen beiden Children waren nur mit begrenzten Mengen Munition ausgestattet gewesen, hatten jedoch nicht gezögert, auch das letzte Bisschen davon im Zielobjekt zu versenken; Das Ergebnis war ein einziges, flammendes Inferno, das auch mehrere Hochhäuser umstürzte, ja, geradezu abmähte wie Grashalme, aber wenn man es mit Wesen zu tun hatte, die das Ende der Menschheit einläuten konnten, wenn sie nur ein paar hundert Meter weiter runter kämen, konnte ein wenig Overkill durch aus nicht schaden, vor allem wenn zu erwarten war, dass das ohnehin schon zähe Biest nun noch wesentlich zäher war; Dennoch, was es da abgekommen hatte, war ein Vielfaches dessen, was es beim letzten Kampf in die Flucht geschlagen hatte, und die drei hatten sich natürlich bemüht, das AT-Feld des Gegners gründlich zu neutralisieren. Dementsprechend verfolgte Asuka das lichten des Rauchvorhangs mit einem erwartungsvollen Grinsen des Triumphs – Ihr männlicher Kollege wirkte da schon deutlich skeptischer, wie sich zeigen sollte, aus gutem Grund, da er es wenn er nicht ein gutes Stück weiter vom Engel weg gestanden hätte als das Second Child kaum geschafft hätte, dem schnellen, gelblichen Objekt auszuweichen, welchem selbst die trainierte Pilotin nur knapp entfloh, und selbst das nicht ohne dass die Panzerung an EVA 02’s Kopf geringförmig gestreift wurde, wobei eines der käferhornartigen Fortsätze daran in Mitleidenschaft gezogen wurde; Es war eines dieser zackenartigen Fortsätze an den „Ellenbögen“ des Engels, welche dieser scheinbar erheblich verlängern konnte, und es hatte direkt zwischen die Augen des roten Kolosses gezielt; wo andere jetzt so etwas wie einen Lebenserhaltungstrieb gezeigt hätten und versucht hätten, aus der Reichweite der Stacheln zu entfliehend, zeigte Asuka das Herz einer Kämpferin und war schon dabei, ihr Prog-Messer in den Spieß des Engels zu stoßen, bevor dieser ihn zurückziehen konnte; Ihr Arm musste eine ähnlich unmenschliche Geschwindigkeit erreicht haben wie ein Engel, als sei es ausschließlich durch die Schnelle von Captain Shikinamis Gedanken limitiert gewesen; Vielleicht war das auch nicht so weit von der Wahrheit entfernt, es musste wohl an ihrem hohen Syncronwert liegen – Doch dieser half ihr letzten Endes nicht weiter – Die vibrationsverstärkte Klinge glitt durch den dunklen, schemenhaften Leib des Engels wie durch dichten Novembernebel, der durch einen Anschein von Stofflichkeit betrog… Ähnlich betrogen wäre man jedoch gewesen, wenn man den weiteren Spitzen, die der Engel auf Eva 02 losließ, nicht zugetraut hätte, sehr reale Löcher in die schlanke Form des biomechanischen Kolosses zu reißen, doch trotz Asukas Einsicht, die sie größtenteils von ihren geschulten Instinkten geleitet ausweichen ließen, fand sie sich danach auf allen vieren gestützt mit dem Rücken zum Boden; Sie war von dem Engel weggekommen, doch er folgte ihr, die letzten Reste des immer noch rauchenden Brandherdes hinter sich lassend – Zum völligen Schock der meisten Anwesenden – Selbst Asukas selbstsicherer Gesichtsausdruck bekam seine leichten Knicke und Sprünge – war der Botschafter vollkommen unversehrt, ja, nicht einmal schmutzig, als gäbe er allen Gesetzen dieser Realität galant den Mittelfinger – Als leidenschaftliche Videospielerin fühlte sich das Second Child fast schon versucht, laut „Cheater!“ zu rufen, auch wenn der Rest ihrer Persönlichkeit natürlich bei Zeiten nicht zugelassen hätte, schon allein wegen der möglichen Reaktionen ihres Umfelds. Trotzdem, es war beinahe überwitzig genug; Alles, was sie in ihrem Leben je über Physik gelernt hatte sagte ihr, dass dieses Ding spätestens vor einer halben Minute eines rasputinischen Todes gestorben sein sollte und als ärmliche Pfütze am Boden liegen sollte, statt sie mit seinen Stacheln zu bedrohen, ohne dass die Effekte aller in ihrer unglücklichen Position signifikant über jene hinausgingen, die sie mit Stöckchen und Schimpfworten hätte erzielen können – Zu ihrem Glück oder auch zu ihrem Unglück – um dies zu beantworten, hätte es wohl einen Philosophen gebraucht, auch wenn Asuka selbst stark zu letzterem tendierte – griff dann Shinji in das Geschehen ein – oder versuchte es zumindest. Kurz bevor er den EVA des Rotschopfes erreichte, ging ihm die binde Sorgen, die ihn bisher wie einen wilden Vikinger hatte voranstürmen lassen, im Angesicht des Feindes zur Neige; Er kam ins Stocken, dabei versagend, sein Wissen darüber, dass er weder einen Plan noch den Mut hierfür hatte, zufriedenstellend zu verdrängen. Aller Schwung lief ins leere und baute sich auch nicht wieder auf, auch, wenn die nobleren Teile seiner selbst ihn vorrandrängen, ja, danach flehten, er möge doch irgendetwas tun; Wenn man einen bizarren Humor hatte, konnte man sich das durchaus so vorstellen, das eine ganze Horde kleiner Homunculi in seinem Hirn panisch mit den Ärmchen fuchtelten und versuchten, die Verantwortung aneinander abzuschieben, obwohl sie alle gleichermaßen Hilflos waren. Dann, eine Handlung, zielstrebig, aber unbeholfen; In seiner Ratlosigkeit griff er darauf zurück, seine entleerte Waffe als Wurfgeschoss zu verwenden, indem er sie mit den Händen des Evangelions am Lauf packte und doch mit beachtlicher Anstrengung in die Richtung des Engels zu schleudern – Was er jedoch aufgrund mangelnder Zeit, die ihn zum Nachdenken fehlte und ihn daher gemäß der ernüchternden Erfahrungen aus dem Sportunterricht handeln ließ, unnötig für Kraft verschwendet hatte, die er mit dem Evangelion ohnehin gehabt hätte, fehlte ihm später bei der Präzision, sodass das unorthodoxe Projektil , das ohnehin nie besonders aerodynamisch gebaut gewesen war, haarscharf am eigentlichen Ziel seiner Flugbahn vorbeischrammte – knapp vorbei war eben auch daneben – und stattdessen ziemlich genau auf EVA 02 landete, immerhin mit ausreichend Wucht, um den roten Titanen endgültig auf den Boden zu befördern. „Verdammter Idiot! Willst du mich umbringen?!“ „T-Tut mir leid, ich… ich wollte nur…“ „Du kannst von mir aus deiner Oma erzählen, dass es dir Leid tut! Das mit x war wohl nix!“ „Ich würde empfehlen, eure Konversation zu verschieben. Das Zielobjekt-“ „Jetzt misch dich mal nicht ein, Prinzesschen, was ich mit der Vollpfeife hier berede, geht dich einen feuchten Kehrwisch an!“ „Second Child, duck dich.“ Schließlich war es Rei, die entweder in weiser Voraussicht oder aber strikter Befolgung irgendwelcher Direktiven aus ihrem Training (vermutlich letzteres) daran gedacht hatte, für den Fall eines Fehlschlags noch ein paar Schüsse in ihrer Kanone zu lassen, und diese nachdem sie die Intensität auf das Maximum hochgedreht hatte, über eine wild schimpfende Asuka hinweg abfeuerte, und das Monster zwar weder verletzte noch irgendwie zurückwarf, aber doch genügend ablenkte, dass es dem Second Child die zugegebenermaßen geringe Zeit gab, die sie brauchte, um sich aufzurichten, und mitsamt EVA 02 um die Integrität ihres Hinterns zu rennen – Dem Vieh war es gut zuzutrauen, einen dieser Stacheln direkt dort in den Rücken des Evangelions zu bohren, das dieser den Entryplug zerbersten würde, und Asuka hing an ihrem Leben; Ohne viel nachzudenken eilte sie davon, um möglichst viele Gebäude zwischen sich und den Feind zu bringen, was sich als eine Sisyphusarbeit entpuppte, da der Engel Asukas Schutzwall stetig hinter ihr abmähte. Noch aus einem weiteren Grund als dem offensichtlichen begann Shinji zu verfluchen, dass er das Gewehr geworfen hatte – Er hätte es jetzt wenigstens noch als Keule zweckentfremden können. Doch in dieser verzweifelten Situation hätte es jede Maßnahme getan, die auch nur die geringste Erfolgschance hatte; Shinji versuchte es mit einem abgebrochenen Stück eines Wolkenkratzers, aber dieses war ohnehin schon beschädigt und zu Beginn schon nicht für diese Art von mechanischer Belastung ausgelegt gewesen, sodass es schon bei seinen ersten Versuchen, es umherzuschwingen, in den Händen des violetten Evangelions zerbröckelte. Die fallenden Trümmer gaben jedoch neben interessanten Innereien des Wolkenkratzers wie Schreibtische und Aktenschränke, die aus Shinjis Perspektive absurd winzig wirkten, als seien sie für Ameisen gemacht auch das frei, was sich hinter dem Gebäudestück befunden hatte – Der Flammenwerfer, den Asuka wohl zu irgendeinem Zeitpunkt fortgeschleudert haben musste – Das der noch Feuer spucken würde, wagte Shinji schwer zu bezweifeln, aber er war froh, überhaupt ein stabiles Stück hartes Metall zwischen die Finger zu bekommen, sodass er keine Zeit damit verschwendete, sich über mangelnde Klingen zu beschweren, sondern direkt hervorstürmte, um es den Engel in alter Straßendiebmanier über den Schädel zu ziehen – oder über das, was Shinji einfach mal spontan als Schädel eingestuft hatte. Wissend, dass dies den Engel wohl kaum beschäftigen würde, wollte er gerade noch eins draufsetzen, in dem er mit dem Prog-Messer wild auf das Zielobjekt einstach (Nicht, weil er sich davon irgendeine Form von Erfolg versprach, sondern weil ihm in seiner momentanen Panik einfach die Fähigkeiten fehlten, um sich etwas sonderlich besseres einfallen lassen) doch als er das Messer hervorgeholt hatte, brauchte er es bereits, um einige schnelle Stachelnd des Engels abzuwehren, die darauf zielten, den EVA annähernd dort zu durchbohren, wo ein Mensch sein Herz gehabt hätte – Es gelang ihm, den Angriff zu parieren, aber nicht, ohne durch deren schiere Wucht davongeschleudert zu werden – pikanterweise auch noch in Asukas Richtung, wo er ihren EVA wiedermal unelegant unter dem seinen begrub und so seine Chancen, sie irgendwann einmal zu seiner Freundin zu machen endgültig in den Negativbereich purzeln ließ. Da er zumindest dadurch, dass niemand auf ihm drauf lag, in einer geringfügig besseren Position war, sah er es dennoch als seine Pflicht an, die miese Situation, die er selbst verschuldet hatte, auch irgendwie in Ordnung zu bringen; im Nachhinein konnte er nicht mehr sagen, wie er das bewerkstelligt hatte; Es musste wohl größtenteils das Adrenalin gewesen sein; Das nächste woran er sich erinnerte, war wie er mit einem (strampelnd und um sich schlagend protestierenden) EVA 02 unterm Arm durch den Schutt des Schlachtfeldes stolperte. EVA 01 mochte die herkulische Stärke besessen haben, die nötig war, um seinen rot lackierten Bruder durch die Gegend zu schleppen, doch er wurde durch seinen Piloten limitiert, dem schlicht und ergreifend die Geschicklichkeit fehlte, mit einem sehr sperrigen und obendrein auch noch widerstand leistenden Gegenstand unterm Arm durch die Gegend zu rennen, während ihm seine Mitbewohnerin über das Intercom die Ohren vollschrie – Spätestens, als ihnen Rei mit EVA 00 entgegen kam, die sich wohl ebenfalls am Kampfesgeschehen zu beteiligen bezweckte, stolperte der panikerfüllte EVA-Pilot wieder über seine eigenen Füße und fand sich kopfüber in der Halterung seines Sitzes hängend, nachdem er die wenigen Gebäude, die in dieser Gegend noch gestanden hatte, umgeworfen hatte wie Dominosteine, inklusive Einheit Null. Es bedurfte wohl kaum der Anmerkung, das Asuka alles andere als erfreut war, auch wenn oder gerade weil die tollpatschige Rettungsaktion vermutlich der einzige Grund dafür war, das sie jetzt noch atmete. Das sich der Engel gar nicht erst die Mühe machte, den traurigen Haufen aus hoffnungslos verdrillten Evangelions den Rest zu geben, sondern gemächlich an ihnen vorbeitrudelte, vermutlich, um den Zugang zum Hauptschacht aufzubrechen, sagte wohl an sich schon mehr als genug. Selbst im Hauptquartier konnte man teils nicht anders, als mit den Augen zu rollen – die Handfläche des Subcommanders fand mal wieder dessen Gesicht, Dr. Akagi seufzte tief und Misato fühlte sich versucht, zu kichern. Nicht, dass die Situation dazu zu ernst gewesen hatte, aber gerade das bildete einen herrlichen Kontrast zu den über Trivialitäten zankenden Kinderchens. Tja, wer sich mit nem Kleinkind ins Bett legt, muss damit rechnen, am nächsten Morgen vollgepinkelt zu sein, wie es laut Kaji in einem spanischen Sprichwort hieß, und wenn man pubertierende Teenager benutzte, um seine biomechanischen Kampfmaschinen zu steuern, tja… Zumindest blieb es der Leiterin der Einsatzabteilung erspart, die lieben Kleinen selbst wieder zur eigentlichen Tagesordnung zurückzuführen, da Shinji ihr das bereits abnahm – Nicht, dass er sich dabei besonders erwachsen aufführte, seine Stimme war ein einziges flehendes Jammern: „Misato-san, die… die Waffen funktionieren nicht….“ „Hast du nicht was, dass mehr Power hat?“ fragte schließlich Asuka, die trotz dem Umstände in der Lage schien wenn nicht klarer, dann wenigstens Zielgerichtet zu denken. „Vielleicht so eine Art EVA-große Fliegenklatsche?“ „Hm…“ grübelte Misato, sich unwillkürlich am Kinn kratzend. „Ja genau, haben wir so etwas?“ Sie schielte zu Dr. Akagi hinüber. „Du hast doch gestern Abend von diesem N²-Raketenwerfer erzählt…“ „Aha, also das habt ihr gestern in der Waffenkammer besprochen!“ stellte Shinji fest, ohne auf den Gedanken zu kommen, dass er das vielleicht für sich behalten haben sollte – nicht nur, weil er nicht wollte, dass die zwei sich dachten, dass er sie irgendwie belauscht hatte, sondern auch, weil Asuka ihn fragen könnte, aus was für einen Grund er gestern bei NERV in der Waffenkammer gewesen sein könnte – Sie konnte Rei ja leider nicht besonders gut leiden, sodass sie das sicher als eine Art „Verrat“ ansehen würde, dass er sich um das First Child gesorgt hatte und auch noch eine Art Date (Er betrachtete diese Tatsache… oder Vermutung als in einem schrödinger’schen Überlagerungszustand befindlich) mit ihr veranstaltet hatte… Doch Asuka hatte seine Bemerkung scheinbar gar nicht mehr wahrgenommen, weil etwas ihr gedankliches Visier gestreift hatte, dass sie viel mehr interessierte, als er es je könnte – Es war das Wort „Raketenwerfer“, das ihre Augen wie kleine Sterne leuchten ließ. „Hast du gerade wirklich „Raketenwerfer“ gesagt?“ wollte sie begeistert wissen. „Au ja! Das ist ja supi! Ich will ihn abfeuern, ich will, ich will!“ rief sie, EVA 02s Arm weit in die Höhe streckend wie eine eifrige Schülerin in einem Klassenraum, wobei sie EVA 01 zunächst etwas brüsker als nötig von sich herunterstieß, um diese Geste überhaupt ausführen zu können – Die gekonnte kalte Schulter verfehlte nicht den Adressaten. „Ich sollte es sowieso machen, weil ich anders als diese Flaschen hier schon Erfahrung mit Raketenwerfern habe!“ „Du hast… Erfahrung mit Raketenwerfern…?“ wiederholte Shinji etwas perplex. Es klang nicht gerade glaubhaft, aber seine Erfahrung hatte gezeigt, dass bei Asuka jeglicher Realismus fehl am Platz war. „Bist du bescheuert oder was? Na und ob! Denkst du echt, die haben mich für’s Rumstehen zum Captain ernannt? Ich hab dir doch gesagt, dass ich richtiges Militärtraining hatte… Mit Maschinengewehren, Bazookas, Mörsern, Kartätschen, und ja, auch Raketenwerfern.“ „Richtig… echte… Raketenwerfer?“ hakte Shinji nach, irgendwo zwischen Schock und Unglaube pendelnd. Klar, er hantierte selbst regelmäßig mit Gewehren aber echte Waffen, wie sie in richtigen Kriegen benutzt wurden, das war doch wieder etwas anderes… Asuka schien seine Reaktion offenbar sehr zu genießen. „Oh mein Gott, dein dummes Gesicht!“ kicherte sie. „Natürlich echte Raketenwerfer! Was für welche sollen es denn sonst gewesen sein, Spielzeuge vielleicht?“ Die Vorstellung von einem zierlichen, rothaarigen kleinen Mädchen mit einer gigantischen Mega-Knarre hatte schon etwas sehr surreales und doch irgendwo angsteinflößendes an sich – Irgendwie hatten Asukas stetige Todesdrohungen gerade merklich an Substanz gewonnen… Der gute alte Freud hätte sicher noch weitere interessante Gründe dafür aufzählen können, warum es ihm kalte Schauer über den Rücken jagte, welche allesamt seine Männlichkeit in Frage stellen würden, mit einem Mädchen zusammenzuleben, das mit Raketenwerfern umgehen konnte, aber ihm reichte schon, dass das besagte Mädchen absolut verrückt war. Aber das hier war weder die Zeit noch der Ort, schließlich war der Engel auf dem Vormarsch. „Also…?“ hakte Asuka nach. „Was ist jetzt mit dem Raketenwerfer?“ „Tja, ich fürchte, mit dem gibt es ein Problem…“ gab Dr. Akagi zu. „Es gibt schon einen Grund dafür, dass wir euch nicht direkt damit herausgeschickt haben.“ „Dann hoffe ich mal, dass der gut und triftig ist!“ entgegnete Asuka. Die falsche Blondine seufzte. „Die Waffen für die EVAs zu entwerfen und zu bauen ist immer so eine Herausforderung. Wegen der humanoiden Form der EVAs waren wir gezwungen, klassische Waffen in viel, viel größerem Maßstab herzustellen… das allein ist schon eine Herausforderung, aber so bizarr es vielleicht klingt, es ist immer eine Abwägung zwischen vergrlößerung und Miniaturisierung.“ „…Miniaturisierung?“ „Die Waffen müssen nicht nur groß genug sein, damit EVAs sie verwenden können, sie brauchen genug Feuerkraft, um einem Engel etwas anhaben zu können… und dafür sind selbst die EVA-Großen Waffen an sich viel zu klein. Bei diesen Raketenwerfern war es uns nicht wirklich möglich, diese Balance zu finden… Das Gerät ist also sehr groß und sperrig, sodass es wohl gleich zwei EVAs brauchen wird, um es aufzubauen und zu bedienen… zwei EVAs und viel Zeit.“ „…die und der Engel nicht mehr lassen wird.“ Vervollständigte Misato. „Er ist schon beinahe beim Hauptschacht angelangt und es ist fraglich, ob ihn dessen Türmechanismus uns in irgendeiner Form Zeit erkaufen kann…“ „Ja, dann ist das doch kein Problem!“ erwiderte Asuka. „Scheinbar bringt es zur Abwechslung doch etwas, diese beiden Amateure dabei zu haben – ich schätze, sie sind besser als nichts… Wir sind zu dritt! Wenn zwei von uns den Raketenwerfer installieren und bedienen, ist immer noch einer von uns übrig, um ein Ablenkungsmanöver zu stellen!“ „Und wer sollte das machen?“ Misatos Frage war dem tadelnden Tonfall nach zu urteilen rein rhetorischer Natur. „Das ist viel zu gefährlich! Außer vielleicht dem Raketenwerfer haben wir keinerlei Waffen, die diesem Ding etwas anhaben können… derjenige, der diese sogenannte Ablenkung übernimmt, würde sich als lebende Zielscheibe präsentieren!“ Sich von der ihrer Meinung nach schroffen und zu allem Übel auch noch gerechtfertigten Kritik, die dann auch noch strategischer Natur war, wo eigentlich ihr Spezialgebiet liegen sollte, mit dem sie sich Jahrelang eindringlich beschäftigt hatte, deutlich auf den Schlips getreten fühlend, vergaß Asuka über ihr Verlangen danach, ihren Stolz zu wahren, hinweg, was sie anfänglich begeistert hatte, und konterte energisch ohne großes nachdenken: „Deshalb werde ich es auch machen!“ Sie verbarg ihre Wut dennoch erstaunlich schnell hinter Überheblichkeit: „Es ist sozusagen meine Pflicht, wenn man bedenkt, dass ich die einzige richtige Erwachsene hier bin… Und Erwachsene müssen auf die kleinen Kinder aufpassen!“ „Negativ. Ich werde gehen.“ …Was die für Nerven haben musste! Da kam mal eine einzige Gelegenheit, in der sie nicht von irgendwelchen unvorhersehbaren Umständen daran gehindert wurde, ihr Können unter Beweis zu stellen, und dieses Prinzesschen schichte es sich an, es ihr wegzunehmen… Nicht nur, dass das First Child die Dreistigkeit hatte, eins auf selbstlos zu machen, wenn sie sich doch nur selbst wichtigmachen wollte, nein, sie sprach kaum lauter als es nötig gewesen wäre, damit man sie überhaupt hören konnte, als sei die Geste, mit der sie Asuka hart auf die Finger trat und ihr ihre Bestimmung streitig machte, nicht einmal wirklich ihrer Aufmerksamkeit wert, als sei sie nur ein zerquetschter Käfer auf der Unterseite von Rei Ayanami’s Schuhsole, und es machte sie wahrlich rasend. „Ach ja, wirst du?“ spuckte sie an die Pilotin des blauen Evangelions zurück. „Tut mir leid, aber das letzte Mal, das ich danach geguckt habe, war ich hier noch die beste Pilotin!“ „Genau. Du bist diejenige mit dem höchsten Synchronwert und hast laut eigenen Angaben Erfahrung mit der Waffe, die wir verwenden werden. Deshalb ist es effizienter, wenn du die Waffe abfeuerst. Zudem ist es wahrscheinlich, dass sowohl der Evangelion der als Ablenkung fungiert als auch sein Pilot stark beschädigt werden. Danach diesem noch viele weitere Engel nachfolgen würden, wäre es sehr ungünstig, wenn wir unseren besten Piloten und unseren modernsten Evangelion verlieren würden. Auch Ikari-kun wird noch weiterhin benötigt, da er der einzige ist, der Einheit Eins steuern kann. Also haben wir weder für dich noch für Ikari-kun zufriedenstellenden Ersatz. Einheit Null hingegen ist ein in erster Linie zu Testzwecken entwickelter Prototyp mit teils unausgereifter Systemarchitektur. Sein Verlust ist noch am ehesten zu verschmerzen.“ Rei ratterte das Ganze ziemlich monoton herunter, ähnlich, wie sie es damals mit dem Zeitplan für Operation Yashima getan hatte, ohne irgendwie auf Asukas offene Feindseligkeit zu reagieren. Und das brachte die Rothaarige Pilotin fast noch mehr zum Rasen als die Tatsache, dass sie keine Fehler in der Argumentation dieses kleinen, blauhaarigen Roboters finden konnte… exakt wie ein Computer, mit einem Herz aus Silikon, als hätte sie einen Taschenrechner verschluckt. Warum war das Papasöhnchen nur unfähig, dass zu sehen? Was erhoffte er sich davon, Zeit mit dieser Zicke zu verbringen? Die einzige, die dabei etwas fühlen würde, war doch nur Asuka selbst, deren Zorn und Eifersucht neues Feuerholz bekamen, als das Third Child auf Reis Vorschlag mit Schock und Unverständnis reagierte und nach Worten rang, mit denen er irgendwie dagegen anreden konnte. „A-Aber Ayanami… du bist doch unser Ersatzmann!“ „Ein Ersatz wird nicht nötig sein, wenn ihr beide unversehrt bleibt. Und außerdem… wird es auch bei meiner Person in dieser Hinsicht keinerlei Probleme geben.“ „A-Ayanami…!“ „Pah! Lassen wir sie doch! Wenn sie so dringend die Heldin spielen soll, ist das ihr Problem! Ist nicht unsere Aufgabe, sie vor ihrer eigenen Dummheit zu bewahren!“ meinte Asuka, es nicht ganz schaffend, ihre Wut und Enttäuschung in eine Fassade der Überlegenheit zu kanalisieren. „Ich wollte sowieso viel lieber den Raketenwerfer abfeuern… diesbezüglich hatte sie sogar recht, wer weiß, vielleicht fängst sie ja endlich an, meine Fähigkeiten zu respektieren…“ Spätestens da hatte sie ihr Grinsen wieder, und packte kurzerhand das Handgelenk von EVA 01, welchen sie dann mitsamt Shinji hinter sich her zerrte, fast wie sie oft tat, wenn sie mit diesen auf den Weg zur Schule war. „Also dann, Misato-san, schick uns den Raketenwerfer durch den nächsten Schacht! Und gib dem armen Prinzesschen was zu ballern, dass sie uns in ihrem Übermut nicht noch zur Last fällt!“ --- „Ähmhm…..“ murrte Touji, während er seine Hände über dem Kopf zusammensteckte, um dann seine Arme besser durchstrecken zu können. „Auf dem Boden des Schutzraumes schlafen zu müssen ist wirklich das Letzte! Der ist hart wie Beton, und diese dünnen Notfalldeckchen machen es auch nicht besser…“ Während er sich nun aufstellte, um seinen verspannten Körper auf voller Länge zu strecken, war sein sommersprossiger Kumpel gerade erst dabei, mit einem Arm unter seiner eigenen Decke hervorzukommen, um nach seiner Brille zu tasten, von der er doch sehr hoffte, dass sie heute Nacht nicht von irgendwem zertreten worden war. „Na ja…“ kommentierte Kensuke noch sichtlich verschlafen klingend, nachdem er die besagte Sehhilfe gefunden zu haben glaubte, und diese zu sich unter die Decke zog, vermutlich mit dem Ziel, sie auf seine Nase zu setzen. „Ich habe mich…“ und dabei setzte er sich auf, noch ohne die Decke von seinem Kopf zu entfernen. „…mittlerweile mehr oder weniger daran gewöhnt.“ Er zog die Decke von seinen nun sichtlich unordentlichen, etwas an einen exzentrischen Erfinder erinnernden Haaren herunter – und änderte seinen Gesichtsausdruck zu einem der Verwunderung, bevor das Licht gelegenheit hatte, auf seine vorherige Miene zu fallen. Skeptisch fasste er in sein Gesicht, wo sein Tastsinn seinen Verdacht bestätigte. „Hey, Touji, kann das sein, dass das gar nicht meine Brille ist?“ „Jup.“ Bestätigte Touji leicht amüsiert. „Sieht aus, als hättest du versehentlich die von Nagato erwischt. Deine sollte irgendwo…. Hm… ja, wo eigentlich?“ Die Hand, mit der der hochgewachsene Junge durch die spärlichen Besitztümer gestreift hatte, welche die beiden in ihren Schultaschen mitgeführt hatten, kehrte leer zurück. „Die ist hier!“ kam es von unterhalb einer weiteren Decke, unter der prompt Nagato hervorkam – Dieser war aber scheinbar schon etwas früher aufgewacht und hatte sich mit einigen seiner kleinen Geduldsspiele beschäftigt – Er hatte ein Schulbuch neben sich liegen, war jedoch scheinbar nicht dazu gekommen, es zu lesen – Vermutlich, weil er sich die falsche Brille geschnappt hatte und die anderen nicht bei der Suche nach seiner eigenen aufwecken wollte. Nachdem die Brillen wieder an ihre jeweiligen Besitzer gelangt waren, kehrten die Gedanken der drei Jungs jedoch wieder schnell zu ihren eigentlichen Problemen zurück: „Ich frage mich, was da oben so lange dauert… Meint ihr, Shinji und die anderen wurden vermöbelt, und die haben solange gebraucht, um einen Gegenschlag vorzubereiten?“ „Hach, wenn ich das wüsste… Was würde ich dafür geben, umsehen zu können, was da oben vor sich geht…“ „Du willst dir doch nur den Kampf reinziehen.“ „Das auch.“ „Ich hoffe nur…“ steuerte Nagato schließlich zur Konversation bei. „Das es allen dreien gut geht…“ „Apropos….“ Hakte Touji an dieser Stelle nach. „Wie geht’s deiner Birne?“ „Als ich aufgewacht bin, hab ich’s noch ein wenig gespürt…“ Der dunkelhaarige Brillenträger deutete mit seiner Hand an, wo genau. „Aber mittlerweile scheint wieder alles in Ordnung zu sein…“ „Na, das ist doch mal eine gute Nachricht!“ freute sichTouji. „Bleibt nur noch zu hoffen, dass das auch für Yamagishi gilt… Wo ist sie eigentlich? Hat sie gestern nicht irgendwo hier gelegen?“ --- «Warum so still?» Das als Leatha qualifizierte Wesen machte sich nicht die Mühe, ihre Lippen zu bewegen; Nur die wahre Sprache, zu der die Wesen, deren Form sie angenommen hatte, gar nicht fähig waren, würde ihr Ziel erreichen. Sie konnte nicht sagen, in wie weit es sich mit der Existenz ihrer Nachkommen auskannte; Es könnte mehr darüber wissen als seine Brüder, schon, weil es gewagt hatte, eines ihrer Kinder als sein Gefäß zu nehmen. Sie konnte es sehen, eine nackte, glühende Sphäre, die für jene, die so etwas sehen konnten, oder aber die Technologie hatten, um es aufzuspüren, glühte wie ein Stern, eingewickelt in das Fleisch eines blassen Menschenmädchens mit langen, dunklen Haaren. Man konnte in ihren Augen sehen, dass es längst nicht mehr ihr Wille gewesen war, der sie hierher getragen hatte; Sie war in einem Wachzustand, weil das nun einmal eine Notwendigkeit dafür war, dass sich ihr Körper bewegen ließ, aber es fehlte das Gewahrsein, ihr ohnehin schwacher Geist war überwältigt und in die Tiefen ihrer Gehirnwindungen verbannt worden, wo sie vermutlich in einem Labyrinth umherirrte, das der Architekt ihres Käfigs aus ihrem eigenem Leid und ihren eigenen Zweifeln erbaut hatte. Es war einzig und alleine der Wille des Botschafters, der sie hierher getragen hatte. Doch es schien nicht zum Willen des Wesens zu gehören, dass sich das Mädchen der nackten, blauhaarigen Frau zuwendete, die einige Meter von ihr entfernt auf einem Tisch saß. Leatha hatte einst gelernt, Gewand zu tragen und die Bedeutung, die es hatte; Doch seit dem war ihr Verständnis von den Dingen gewachsen und sie hatte begriffen, dass sie nicht die Sorte von Wesen war, die sich voller Scham zu verhüllen brauchte. Der Raum in dem sie sich befanden war, auch, wenn sich weder der Engel noch das entflohene Testsubjekt wirklich darüber im Klaren war zufällig das Klassenzimmer, in dem die Children oft ihre Vormittage verbrachten. Der Befehl, den der Botschafter gegeben hatte war nur, dass sein Kern näher an den Kampfherd zu bringen war – Dass das nun durch das Aufsuchen dieses genauen Ortes geschehen war, musste irgendwelchen verbliebenen Resten vom Bewusstsein des Wirtes zuzuschreiben sein, aber die betrachtete der Engel, dessen Ziel, näher an den Kampfplatz zu kommen, ja erreicht worden war, genauso wenig als einen Grund zur Sorge sah, wie Leathas Anwesenheit so nah an der Quelle seines Lebens. Seine Fleischmarionette stand jedenfalls unbeeindruckt vor dem Fenster, die Arme, die ihr Meister nicht brauchte, schlaff herabhängen lassend, fast, als würde sie den Verlauf des Kampfes verfolgen wollen… dazu hatte das Wesen natürlich keine Notwendigkeit. Noch vor kurzer Zeit wäre sie zu so etwas nicht fähig gewesen, doch mittlerweile fand Leatha dies recht amüsant. «Komm schon. Du müsstest mich registrieren… Benutze die Stimme des Lillimkindes…» Kein Wort kam zurück. Leatha erhob sich und näherte sich dem Objekt ihres Interesses, selbst durch das Fenster auf das Schlachtfeld blickend, wo die blaue Perversion –EVA 00, wie sie jetzt zuzuordnen vermochte – einen hoffnungslosen Kampf bestritt; Die schlechte Kopie Adams kämpfte mit einem einzigen Messer gegen die sechs Speere des Botschafters, gerade mal so in der Lage dazu, sich zu verteidigen – Der blaue Zyklop war völlig in die Defensive gezwungen, schon allein von der übermenschlichen Geschwindigkeit des Feindes darauf beschränkt, bestenfalls zu parieren und ansonsten zurückzuweichen; Die Waffe, die der einäugige Evangelion getragen hatte, war längst von den Stacheln des Engels zerfetzt worden und nichts, was er jetzt noch tun konnte, vermochte es, dem Sohn Adams noch irgendetwas anzuhaben… erst recht nicht, wenn dessen Seele weit weg von der Form war, gegen die die auserwählten Kinder da kämpften. Es war lächerlich… Leatha spürte deutlich was es war, was im inneren das verzerrte Spiegelbild des Urvaters lag und seine Bewegungen führte… Das innerste der vielen Gefäße aus Fleisch und Stahl da einhüllte, war ein Gefäß fast identisch mit dem, was auch Leatha selbst als Anker zum Diesseits verwendete… doch das, was darin war, sollte keine Probleme haben, so einen lächerlichen Gegner wie diesen Botschafter mit ihrem eigenen AT-Feld in die Flucht zu schlagen… warum also sollte sich die ehrwürdige Urmutter dem lächerlichen Seelenwall bedienen, den diese missratene Kopie errichten konnte…? Leatha würde darüber noch in Ruhe nachdenken müssen… vielleicht lag in diesem Rätsel auch die Erklärung für ihre eigene Existenz versteckt, die sie in der jüngsten Zeit begonnen hatte, zu hinterfragen… weil es in ihrer Natur lag, dieses Wissen zu enthalten, konnte sie sehen, dass ihr nicht viel fehlte, um alles zu begreifen… Von dem Botschafter jedoch brauchte sie diese Antworten schon mal nicht zu erwarten; Dieser blieb still, unberührt von der Anwesenheit einer vergleichbaren Existenz. «Du bleibst also still… ist es, dass du nicht begreifst…? Du bist ein Kind Adam… Kommunikation sollte unnatürlich für dich sein… aber doch tust du es gerade, indem du diesen Lilim beherrschst… Es ist wohl eher so, dass du nicht willst, oder?» Auch das weitete Leathas Grinsen; Die Antwort, deren Abwesenheit sie hätte enttäuschen können, stand breit über den ihr zugewendeten Rücken des Lillims geschrieben. «Es würde diese Kinder vermutlich faszinieren, zu wissen, dass sie euch genauso abscheulich erscheinen wie ihr ihnen… So tief geht der Hass, den uns die alten Götter diktiert haben, in ihrer Furcht, dass wir ihnen ebenbürtig werden könnten… Wo sind die Götter jetzt…? Sie haben uns uns selbst überlassen… aber soweit denkst du nicht, hm? Du bist ein stolzes, arrogantes Kind, nicht? Gar nicht so viel anders als die Seele, die im blutroten Abkömmling Adams brennt… Du fändest es anstößig, würdest du dich der Stimme eines Lillim bedienen… oder vielleicht… sind du, und die Lilim, die du so verbscheust, am Ende gar nicht so verschieden… Stolze Wesen verabscheuen jene, die schwachen Geistes sind… Die Stimme des Kindes, das du zu deinem Nest gemacht hast, wäre deiner nicht würdig, oder?…» Der Engel blieb still, aber das war auch eine Antwort. «Ich könnte dich jetzt und hier vernichten, dass weist du doch, oder? So weit, wie euresgleichen etwas wissen kann, über das hinaus, was ihr schon immer wusstest…» Wieder keine Reaktion. «Aber du scheinst dir sehr sicher, dass ich das nicht tun werde, oder? Stolzes Kind… bei dir brauche ich mir gar nicht erst die Arbeit zu machen…» Und damit wendete Leatha sich zum Gehen. --- „Wo… bin ich…?“ Als Mayumi ihre Augenlider heben wollte, fühlten sie sich schwer an; Schlagartig wurde ihr klar, dass sie das nicht zum ersten Mal dachte; Alles um sie herum war ein schwerer, schwarzer Nebel, wie schichten schwerer, dunkler Tücher, von denen jedes einzelne der Luft noch einen Pfad gelassen hätte, alle zusammen jedoch einen Sarg bildeten oder ein Leichentuch, drückend und herunterziehend , als sei die Luft plötzlich flüssig geworden oder ganz erstarrt, spitze Kristalle in die Wände ihrer Lungen treibend. Es konnte schon gar nicht mehr als Hitze bezeichnet werden, die Verwandtschaft zu den glühendsten, drückendsten Sommertagen, so matt und träge sie einen auch zurücklassen mochten, ließ sich nur durch längeres Nachdenken erschließen; Es schien wie eine ganz andere Empfindung, als sei da ein Ozean über dem Himmel, und unter dessen grausamen Hammerdruck verschwamm alles, bis es hoffnungslos vermischt war, wie ein Wirbel aus Wasserfarben, bei den allzu wilde Experimente zur Erzeugung neuer, strahlender Farbtöne nur ein hässliches, undefinierbares graubraun zurückgelassen hatten. Ob sie träumte oder wachte war nicht mehr zu sagen, und beides hatte auch vor geraumer Zeit seine Bedeutung verloren; Die wenigen Eindrücke, die sie wahrnahm, erinnerten sie eher an ersteres. Sie griff um sich, suchend nach etwas warmen, festes, an dem sie sich festhalten könnte, aber da war nichts; Sie hatte den Eindruck, dass da mal etwas gewesen war, aber selbst die Wärme, die es an ihr zurückgelassen hatte, war gewichen, auch, wenn ihre grausamen Sinnestrübungen sie oft mit einer Fata Morgana dessen Anwesenheit folterten, die sich in ihren Armen unweigerlich auslöste; Wenn man sie doch zumindest zu Ende betrügen würde… Es war falsch und kleinlich, sich das zu wünschen, doch dass sie falsch und kleinlich war, daran hatte sie sich gewöhnt; Der unstete Strom ihrer Gedanken machte es im Moment nur schwer, zu erfassen, wann; sie war einfach nur verwirrt, verloren zwischen Leben und Tod und wachen und schlafen, wie ein Stück Treibholz in einem wilden Strudel. Sie hätte nicht einmal richtig sagen können, was sie fühlte. Gegen einen Traum sprachen die Geräusche, die von außen auf sie einzudröhnen schienen, laut in ihre Welt brechend, in der sie sie nicht haben wollte; Oh, wenn sie doch nur für immer in diesem Zustand bleiben, versunken in der Tiefe, wo nichts ihren Schlummer stören könnte; Oh, wie sehr ihr diese Finsternis Angst machte, die Schwärze, und die unaussprechliche Möglichkeit, dass dies alles sein würde, was jetzt noch kam; Die Hälfte von der Zeit über konnte sie nicht einmal sagen, was die vielen Bilder, die an ihr vorbeirauschten, überhaupt bedeuteten. Mutter, Vater, Schule? Alles bedeutungslose Folgen von Worten in ihren Ohren, die auf sie einströmten und alles nur noch schlimmer waren, und sie doch nicht los ließen und sie hielten durch eine Behauptung, dass sie wichtig seien, die nicht von ihnen selbst sondern aus ihrem eigenen Kern kam, wenn nur als Reaktion auf diese. Als hätte man sie in einen schwarzen Ballon gesaugt oder in einen leeren Raum gespuckt, in einem eigenen kleinen Zeit-Raum-kontinuum, außerhalb dessen sie jeder vergessen hatte, aus allem anderen herausgetilgt, als hätte es sie nie gegeben… oder war ihr Leben nicht schon vorher so gewesen, bevor sie an diesen bizarren Ort kam…? Da waren Bilder von vorbeirasenden Autos und grellen Lichtern, eine Straße mit frohen Kindern, bemalten Mädchen und Paaren, die sie an all die Männer denken ließen, die sie hätte küssen sollen. Sie stand von alledem getrennt durch eine Glasscheibe, eine bleiche Schaufensterpuppe, die sich nicht rühren, aber sehr wohl weinen konnte, sehnsüchtig über die unüberwindbare Schlucht in Form der Straße hinwegblickend, ohne zu wissen wohin; Da war einmal irgendetwas gewesen, aber sie konnte nicht mehr sagen, was, und sie wusste auch nicht mehr zu sagen, ob sie, dieses Monster von Vorgestern und die Person am anderen Ende der Straße nicht bloß Worte und Träume waren, verstreut in den Gedanken jener, die ihre Geschichten erzählten, jede so anders, dass sie sich selbst nicht fassen konnte. Vielleicht gehörten sie alle zu einer dieser Geschichten, die ihre Mutter ihr immer erzählt hatte, aus diesen großen, dicken Büchern, indem noch ihr Name in ihrer schnörkeligen Mädchenschrift stieg. Ihre Mutter war eine kleine Frau die gut gerochen hatte; Die Abende, die sie an ihrem Bett gesessen und sie mit Liedern und Geschichten ins Reich der Träume geleitet hatten, schienen beinahe ewig gewesen zu sein. Mayumi könnte nicht sagen, wo die vielen Bilder in ihrem Kopf, welche diese Frau lächelnd zeigten, überhaupt herkamen; Sie hatte nie viel gelächelt, und immer gesagt, dass sie sich so einsam fühlte alleine in ihrem Haus, ohne eine Arbeit, in der sie Anerkennung finden könnte und Menschen, mit denen sie sprechen konnte; Sie hatte nur ihre kleine Tochter und eine handvoll Verwandte, die sie anrufen konnte. Sie sprach davon, in dunklen Löchern zu verschwinden und wie der Mann an ihrer Seite, der irgendwie nie in ihrem Haus gewesen war, dies nicht sehen würde, doch er warf ihr nur vor, sich nicht recht um die Kleine zu kümmern und wie sie doch undankbar sei und ihm alles zuwider wäre; Ein paar Mal wollte sie ihn rauswerfen, doch sie brachte es nicht fertig; Ein paar Mal stürmte sie davon, wenn er sagte, sie müsste ihm gehorchen, doch sie kam immer zurück, bis sie es nicht tat. Sie hatte sich für einen Platz in der Hölle angemeldet und ihn bekommen. Mayumi selbst verstand noch nicht ganz, was geschehen war, aber sie war ohne die Gesellschaft ihrer Mutter sehr einsam, sodass sie sich vor ihre Bücher setzte; So hatte das angefangen, mit den Büchern; Aber diese bestimmten Bücher hatte sie nie zu Ende lesen können; „Was machst du da? Leg das sofort wieder weg!“ So würde es immer gehen; Er würde sie anschreien und sie mit festen, wilden Augen ansehen; Oft wies er sie an, sich zu setzen, damit sie noch weiter hoch blicken musste, um seinen Blich zu treffen – auch einer der Gründe, warum sie es mit der Zeit aufgegeben hatte. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte er sich völlig verändert, auch wenn sie nicht hätte sagen können, wie er vorher gewesen war. „Aber… das hier sind Mamas…-“ Das war das erste und einzige Mal, dass sie ihm widersprochen hatte. Wie ein wütiger Gorilla packte er sie, bei den Haaren, wenn es sein musste, riss ihr die Hose herunter, weil sie zu viel Angst hatte, um es selbst zu tun, und er das als Zeichen des Widerstandes wertete, und schlug zu. Immer und immer wieder, und wenn sie schrie, hielt er ihr den Mund zu, nicht viel Rücksicht darauf nehmend, ob er ihre Nase freiließ oder nicht. „Mach nicht solches Theater, Mayumi! Schlagen nennst du das? Den kleinen klaps auf den Po? Ich werde dir mal ein Paar Bilder von Kindern zeigen, die wirklich geschlagen wurden! Wo sind denn deine blauen Flecken und Knochenbrüche? Ich mache dass hier mit der flachen Hand, dass tut mir mehr weh als dir! Warum nur zwingst du mich auch dazu? Das ist ganz normal so, als wenn man einen Hund erzieht. Da du scheinbar keine Worte verstehst, wie ein Hund, muss man eben dafür sorgen, das du’s anderweitig verstehst…“ Als sie dann dalag, klein, gebrochen, zitternd vor Angst, mit aus Todesangst entwichenen Flüssigkeiten an jedem Teil ihres Körpers, schwor sie, ihm nie wieder zu widersprechen. Nicht, wenn er sagte, dass sie sich von ihm umarmen lassen musste, obwohl sie schon zitterte, wenn er im Raum war, und nicht, wenn er ihr sagte, wie ihre Zukunft auszusehen hatte. Sie sagte immer ja, nickte zum Schluss nur noch, ganz egal, was sie dabei fühlte. Am Ende… war es so weit gekommen, dass die die meiste Zeit über überhaupt nichts gefühlt hatte. Und warum sollte sie auch diejenige sein, die dabei etwas fühlte? Alles, was sie tat war, weil jemand anderes das so wollte. Und so wurde sie mehr und mehr von einem Feigling; Sie konnte nie alle Dinge sagen, die sie sagen wollte, nicht ihm, nicht den anderen aus der Schule, nicht irgendwem. Wann immer sie sprach, spürte sie ihn neben sich, seine prüfenden, unzufriedenen Blicke, die sie in tiefste Scham stürzten. Sie verachtete sich, diese hässliche, unaufrichtige Person, die sich nur in Fantasien hineinflüchten konnte… Die Pein erdrückte sie, der Schmerz der Vergangenheit und die Qual des hier und jetzt. Es gab überhaupt kein Fünkchen Wärme mehr in dieser Welt, jedenfalls nicht für sie… es gab für sie gar nichts mehr… Und doch, als sie, nur irgendwo ganz entfernt, das Herabtropfen ihrer eigenen Tränen wahrnahm, kam natürlich die Erinnerung an das letzte Mal auf, dass sie solche vergossen hatte, und zurück kam dieses Bild dieser Straße, nur dass sie sehen konnte, was auf der anderen Seite war, ein anderes Schaufenster, mit einem Jungen, der ebenso unbeweglich und wächsern erschien wie sie selbst. Wer das noch einmal war? Sie konnte das Wissen darüber in den chaotischen Ruinen ihrer Seele nicht finden. Aber mit einem Mal erinnerte sie sich daran, wieso sie Leid verspürte. --- Es war wirklich abscheulich. Der Engel der Illusionen hasste es, das Gefäß dieses Lilims benutzen zu müssen, doch noch mehr war es angewidert von dessen salzigen Abscheidungen, sodass ihm nichts anderes überig blieb, als diese mit der Hand des Mädchens aus deren Augen zu wischen. Gut, dass dieses andere Wesen nicht mehr da war, um dazu Kommentare abzugeben – Seine Hülle schien eine größere Perversion zu sein als die Geschöpfe der Lillim, mit denen sich der Botschafter zurzeit herumplagte, und das, was im inneren davon lag, war so fremdartig, dass er schon beim Versuch, dessen Essenz zu berühren, etwas verspürt hatte, das auch, wenn er dies nicht hätte einordnen können, nicht sehr viel anders war als die menschliche Emotion von Furcht; Er wollte nichts mehr damit zu tun haben. Was auch immer dieses Ding gewesen war, seine Sorge sollte es nicht sein – Es würde noch früh genug mit aller anderen Brut der Lillith zugrunde gehen, wenn der Botschafter endlich zu Ende bringen würde, was sowohl sein Vater und seine Brüder vor ihm begonnen hatten. --- „Ich will ja nicht meckern, aber bist du dir auch sicher, dass Yamagishi hier ist?“ „Jedenfalls haben alle, die sie vielleicht gesehen haben könnten, gemeint, dass sie in die Richtung des Zugangs verschwunden ist, der hier hoch führt – Sie kennt ja auch keinen anderen. Wo außer zur Schule sollte sie schon hin?“ „Warum sollte sie überhaupt irgendwo hin, wenn es ihr gestern doch so mies ging?“ „Aus demselben Grund wie wir damals… Sie hat sich vermutlich Sorgen um Shinji gemacht und wollte sich den Kampf ansehen… Sie wird sich heute Morgen wohl einfach besser gefühlt haben.“ „Bist du dir sicher, dass du nicht derjenige bist, der nach einem Vorwand sucht, um sich den Kampf anzusehen, Kensuke?“ Der Angesprochene grinste etwas. „Ich gebe zu, das ist einer der Gründe… Aber…“ und dabei wirkte er wieder ein gutes Stück ernster. „Es ist und bleibt so, dass du, ich, Nagato und die Klassensprecherin den ganzen Schutzraum penibel nach ihr abgesucht haben. Wäre sie noch dort, hätten wir sie finden müssen.“ „Du hast ja recht…“ Auch Tojis Miene verfinsterte sich merklich. „Wir müssen die Kleine unbedingt finden… Ich bin der letzte, dem du erklären musst, wie gefährlich es hier draußen ist…“ Es war schwer zu übersehen dass die Gedanken des Jungen, der dicht gefolgt von seinem Kumpel durch die verlassenen Flure der Schule streifte, bei seiner Schwester waren – Die Energie, die seine Hand auf die Türen übertrug, deren zugehörigen Räume er auf Mayumis Anwesenheit kontrollierte, war ein wenig zu viel, um nicht von irgendeiner Art von Wut gespeist worden zu sein. „Und dann musste sie auch noch in so einem Zustand hier raus latschen… Nicht auszudenken, was passiert, wenn sie wieder umkippt… Wenn ihr während des Kampfes irgendwas zustößt, wird Shinji durchdrehen.“ „Nun mal nicht gleich denn Teufel an die Wand. Ich wette, sie ist hier irgendwo ganz in der Nähe, vielleicht ja gleich hier!“ kommentierte Kensuke relativ zuversichtlich, zur Untermalung seiner Worte auf leicht dramatisierte Art-und-Weise eine Tür aufschwingend. Dass er das vermisste Mädchen dahinter jedoch wirklich vorfinden würde, hatte er nicht ernsthaft erwartet, sodass er sich zunächst wunderte, als sein Kumpel direkt an ihm vorbei in den Raum stürmte, und ihm erst nach ein paar Sekunden nachfolgte als den Grund für dessen Handlungen begriff – Im Nachhinein fragte er sich, warum sie nicht direkt hier nachgesehen hatten, schließlich war dieser Raum – ihr und somit auch Mayumis eigenes Klassenzimmer – nach dem Dach, welches sie bereits überprüft hatten, eigentlich der naheliegendste Ort. Keiner von den Beiden ahnte, wie knapp sie einem schnelle Tod entronnen waren – Leatha, die sich noch nicht sehr weit von diesem Klassenzimmer entfernt hatte, als sie das Schulgebäude betraten, hatte zunächst daran gedacht, ihnen das Leben zu nehmen, zog es dann jedoch vor, das Geschehen zunächst zu beobachten. Kaum, dass die zwei Jungs sie entdeckt hatten, waren sie direkt zu ihr gerannt und hatten nicht lange gebraucht, um neben ihr zu stehen. Touji, der zunächst ankam, fühlte sich dadurch, dass sie ihn obwohl sie ihn spätestens jetzt bemerkt haben musste, in kleinster Weise ansah, sondern weiter durch die Glasscheibe starrte, etwas irritiert, schob es aber direkt darauf, dass sie das, was dahinter vor sich ging, mehr interessierte. Er legte also direkt eine Hand auf ihre Schulter und sprach sie in einem zwar verständnis- und sorgenvollen, aber doch irgendwo tadelnden, aber insgesamt ernsten, untypisch reif wirkenden Tonfall an, der etwas von einem autoritären älteren Bruder hatte. „Yamagishi-san! Endlich finden wir dich. Ich versteh ja, dass du dir Sorgen um Shinji machst, aber warum hast du uns nicht irgendwie Bescheid gesagt? Komm, wir sollten schleunigst von hier verschwinden. Du wirst nicht glauben, wie gefährlich das hier ist. Kensuke und ich müssen dir echt mal erzählen, was uns da einmal passiert ist… Aber lass uns erst mal zurückgehen, wenn irgendwer, und damit meine ich auch, aber nicht nur Nagato und die Klassensprecherin, merkt, dass wir weg waren, gibt es bergeweise Ärger… glaub mir, ich sprech‘ da aus Erfahrung…“ Spätestens jetzt wurde Touji klar, dass irgendetwas hier definitiv nicht stimmte; Das Ausbleiben einer Antwort bewegte ihn dazu, sie sich näher anzusehen, und was er sah waren kreidebleiche, mit Schweißperlen besetzte Haut und leere, scheinbar vom Weinen gerötete Augen, unter denen noch Reste fortgewischter Tränen und deren Nachfolger klebten. Bevor er jedoch Fragen stellen konnte, wurde seine Aufmerksamkeit in ihrer Gänze von den Worten seines Freundes an sich gerissen, und das, worauf sie verwiesen, vermochte es, diese dauerhaft festzuhalten: „Ach du heilige Scheiße! Schau mal aus dem Fenster!“ Das Kensuke es sich nicht entgehen lassen würde, wenigstens einen kleinen Blick auf den Kampf zu werfen, hatte Touji als gegeben vorausgesetzt; Der Grund für sein eigenes Entsetzten lag wo anders. „I-Ist das da nicht… ein Evangelion…?!“ stammelte er mit weit aufgerissenen Augen. „Yep...“ „Was… ist das für einer…? Ich wüsste nicht, dass einer von denen Blau gewesen wäre…“ „Merkst du das nicht…? Das ist der von Ayanami. Ihrer ist der mit nur einem Auge. Die haben das Ding scheinbar neu angestrichen und ordentlich getuned, während sie es repariert haben… Sie haben sogar welche von diesen coolen Teilen an den Schultern drangebaut…“ „…Aber… wenn das Ayanami ist, dann...“ „Jah. Es sieht aus, als säße sie ziemlich übel in der Patsche… Das Ding hat sie richtig in die Ecke gedrängt…“ „Und das ist dann wohl das Monster der Woche… scheint auch nicht ohne zu sein… bei dem Ding kann man nicht mal richtig sehen, wo es anfängt, und wo es aufhört…“ „Ja. Sie scheinen wirklich immer bizarrer zu werden, als hätte da irgendwer einen Wettbewerb für moderne Kunst ausgerufen…“ „So viele haben wir doch gar nicht gesehen.“ „Ich hab so meine Quellen.“ Meinte Kensuke. Touji wollte darauf irgendetwas spitzfindiges erwidern, doch beide Jungs löschten rasch alles, was sich in ihrem „Arbeitsspeicher“ befunden hatte, als eine schwache, aber doch spürbare Erschütterung, und der Krach, der damit einherging, alles davon auffraß, und sie wie gebannt das geschehen jenseits der Fensterscheibe verfolgen ließen; Der Engel hatte EVA 00 auf eine Art und Weise angegriffen, die seiner Pilotin keine andere Chance ließen, als sich zu ducken – Sie hätte parieren können, wenn nicht ein weiterer, gleichzeitiger Angriff ihr Messer beschäftigt hätte; kurz darauf folgte eine Barrage von Drei Stacheln, die drei parallele Löcher in dem Wolkenkratzer hinterlassen hatten, an den der Rücken des Engels grenzte. Der Kampf der beiden göttlichen Lebensformen hatte lange gewütet und eine weite Schneise durch die Gebäude von Tokyio-3 gebrannt, aber letztlich konnte ein einzelner Evangelion mit nur zwei Armen und einem Messer einen Engel mit Sechs stacheln nur so und so lange hinhalten, vor allem, wenn ersterer keinerlei Mittel hatte, seinem Feind irgendeinen permanenten Schaden zuzufügen. EVA 00 saß völlig ausgeliefert am Boden, während der über ihm schwebende Botschafter seine stachelbesetzten „Ellenböden“ gemächlich kreisen ließ, beinahe, als würde er sich zur Befriedigung seines Sadismus seine Zeit lassen, seinen Triumph auszukosten und sich daran zu erfreuen, dass er den blauen Titanen jederzeit zerfetzen, also den Zeitpunkt seiner Vernichtung bestimmen könnte. Einen Moment lang sah es ganz danach aus, als hätte für das stille, blauhaarige Mädchen ihr letztes Stündchen geschlagen. Impulsiv handelnd riss Touji das Fenster auf und rief ihr zu, dass sie doch abhauen sollte; Der Teil seines Verstandes, der ihm hätte sagen können, dass sie ihn auf diese Distanz unmöglich hören können würde, vor allem nicht, wenn sie in ihrem EVA saß, und somit von zahllosen Lagen aus Metall und künstlichem Fleisch von der bescheidenen Leistung seiner Stimmbänder abgeschirmt wurde, war unlängst von dem schieren Schock der Situation blockiert worden; auch, wenn er Ayanami nicht wirklich kannte und ehrlich gesagt etwas seltsam fand, könnte er es doch nicht ertragen, zuzusehen, wie ein Mensch, den er kannte – und dann auch noch ein junges Mädchen – vor seinen Augen zerfetzt wurde. Diese Sorge sollte sich jedoch als unbegründet herausstellen, als Touji, und natürlich auch Kensuke, der seinen Kopf an seinem Freund vorbei durch die Öffnung des Fensters gedrängt hatte, Zeuge eines Anblicks wurden, der einerseits ihre unausgesprochene Frage danach beantwortete, was aus den anderen zwei Piloten geworden sei, und die Befürchtung, dass sie bereits besiegt worden sein könnten und ihre blauhaarige Kollegin als letzte Überlebende zurückgelassen hatten, zum Schweigen brachte, anderseits aber insbesondere Kensuke tief bereuen ließ, dass dieser nicht daran gedacht hatte, seine Kamera mitzunehmen. Doch vielleicht war dies auch ganz gut so – schließlich wirkte es sich zum Vorteil der in der Schule verbliebenen Kinder aus, dass der sommersprossige Otaku dadurch, dass er nicht damit beschäftigt war, es zu filmen, in der Lage war, das, was das Sichtfeld der Kinder mit künstlicher Tageshelle überflutete, sofort als das zu erkennen, was es war. Er sprach die Silben beinahe ehrfürchtig aus, als stünde er vor einer Gottheit, die einem durch den bloßen Anblick ihrer Herrlichkeit in Flammen aus dem Diesseits brennen und direkt in den Himmel schleudern können, zumal er begriff, dass das, was er da sah, sein Schicksal durchaus besiegeln könnte wenn es ihm nicht gelingen sollte, seine Augen von dem Schauspierl fortzureißen, dass er schon immer einmal sehen wollte; In diesem Augenblick war er ein paar Sekunden lang bereit, den Preis zu zahlen, wusste es letztlich aber doch zu schätzen, als ihn sein Freund als Reaktion auf seine Worte vom Fenster wegriss, dieses zu knallte, und ihn dann mit runter auf den Boden riss, wo er dann soweit war, dass er sich selbsttätig die Ohren zu halten könnte. Die Schockwellen, welche die Explosion mit sich brachte, war selbst beim Schulgebäude noch deutlich zu spüren; Hätten die Jungen gestanden, hätte es sie von den Füßen gefegt. Tische und Stühle stürzten um und die Fensterscheiben wurden als glitzernder Scherbenstaub aus ihren Rahmen geblasen. Als es vorbei zu sein schien, galt Toujis erste Sorge zunächst Mayumi – Auch sie war nicht mehr auf den Beinen, aber er hatte nicht den Eindruck, dass sie sich geduckt oder durch die Schockwelle das Gleichgewicht verloren hatte – Es sah mehr aus, als sei sie irgendwie zusammengesackt. Bevor er darüber jedoch weiter nachdenken konnte, wurden seine Versuche, aufzustehen, von einer weiteren Erschütterung zu Nichte gemacht, die ihn wieder hart und erbarmungslos der Länge nach auf den Boden beförderten, wo ihn die neu hinzugefügten Glaskörnchen bereits sehnlich erwarteten. Mehr als ein paar Kratzer zog er sich nicht zu, aber schmerzhaft war es trotzdem, auch, weil die Zeit, die er mit seiner Reaktion darauf verschwendete, ihm später fehlte, um sich die Ohren zuzuhalten, als eine ganzer Sturm dieser gewaltigen Explosionen über die drei Kinder hereinbrach. Das einzige an dem ganzen Chaos, das Leatha interessierte, war das Zusammenfallen des Mädchens. Um dieses festzustellen, musste sie nicht in deren Nähe sein – Diese Sorte von Wesen war sie nicht. War es, dass der Botschafter von dem Grund für dieses Leuchten so schwer getroffen war, dass er kurzweilig die Kontrolle über den Leib des Mädchens verloren hatte, oder waren die beiden gegensätzlichen Organismen gar so weit verbunden, dass das Lilimkind den Schmerz des Engels wie ihren eigenen spürte…? Nein, das konnte es nicht sein. Aber die Alternative war einfach nur lächerlich… sollte dieses Mädchen tatsächlich zu so etwas fähig sein…? Erbärmlich wäre es schon, wenn ihr Wille gerade reichen würde, um den fremden Einfluss auf ihr Gefäß zu behindern, aber nicht, um selbst wieder Herrin ihrer Sinne zu werden… Und was könnte diese Veränderung bewirkt haben, und das exakt in dem Moment, indem der Angriff erfolgt war? Gab es etwa eine Verbindung zwischen diesem Mädchen und einem der Außerwählten? Auf jeden Fall war der Grund dafür, das Leatha die ersten beiden Alternativen nicht in Betracht zog, auch den Technikern im NERV-Hauptquartier klargeworden, auch wenn Lt. Ibuki das, was ihr Bildschirm ihr da weiß machen wollte, zunächst nicht wahrhaben. „E-es funktioniert nicht! Das Zielobjekt zeigt überhaupt keine Anzeichen dafür, dass es in irgendeiner Form beschädigt ist!“ „MAAAAAAN!“ beklagte sich Asuka, die noch am Abzug des hochhausgroßen Raketenwerfers saß, und darauf wartete, dass dieser zu rauchen aufhörte, um diesen auch noch das letzte bisschen Munition reinzudrücken, auch, wenn mittlerweile klar war, dass dies wohl nur der Bewältigung ihrer Agressionen dienlich sein würde. „Das macht langsam echt keinen Spaß mehr!“ Auch dem Third Child, das ihr bei Sicherung und Ausrichtung des Kanonenrohrs geholfen hatte, merkte man deutlich an, das er mit der Panik kämpfte – Dieser Raketenwerfer war ihre letzte Trumpfkarte gewesen, und alles, was er letztlich bewirkt hatte war, die Aufmerksamkeit des Engels auf ihn und Asuka zu lenken. Glück im Unglück war ja, dass er sich deshalb zwangsweise von EVA 00 abwenden musste – Rei hatte es geschafft, mit nicht wesentlich mehr als einer leicht angesengten Außenpanzerung davonzukommen, indem sie beim ersten Schuss ihr AT-Feld hochgedreht und sich mit der erstem Schockwelle aus dem möglichen Einschlagsbereich der nächsten Raketen entfernt hätte, doch wenn der Engel sie gleich darauf wieder angegriffen hätte, hätte ihr sicherlich die Zeit gefehlt, um sich in eine zum Kämpfen geeignete Position zu bringen – Doch auch die anderen beiden Children waren alles andere als Kampfbereit und überließen es so unfreiwilliger Weise dem Engel, sie von der sperrigen Waffe zu befreien, indem er diese mit einem seiner Stacheln aufspießte, in die Lüfte hob und unter Zuhilfenahme aller weiteren Stacheln in der Luft zerriss, sodass die (Im Vergleich zu Evangelions) kleinen Metallteilchen (deren Größe dennoch ausreiche um Autos zu demolieren) auf die beiden Children herabregneten, welche nicht lange brauchten, um zu begreifen, dass sie selbst wohl als nächstes dran sein sollten – Die Stacheln, die sie samt ihren Evangelions ins Grab geleiten sollten, verfehlten sie, im Falle von Einheit 02 völlig und bei Eva 01, dessen Pilot seiner Kollegin in Reaktionsgeschwindigkeit und Synchronwert noch unterlegen war, immerhin einige Kratzer an der Panzerung zurücklassend, die biologischen, und damit mit dem Third Child verbundenen Komponenten jedoch nur streifend. Wie die ihre blauhaarige Kameradin zuvor waren die beiden ohne größere Waffen direkt in die Defensive gedrängt, und hatten keine weiteren Möglichkeiten als den hervorschnellenden Stacheln des Engels mehr oder minder akrobatisch auszuweichen. So viel zum Thema „nicht weglaufen“. Die Richtung des Kampfes mochten die Children selbst mit ihrer dennoch recht ziellosen Flucht bestimmen können, doch Geschwindigkeit und Takt lagen völlig in den Händen des Engels, der ihnen stetig den Marsch blies, ohne auch nur einen Picometer an sie zu verschenken. Langsam konnte man selbst Asuka ihre Anspannung ansehen, auch, wenn diese sich bei ihr nicht als offene Furcht, Sorge oder Panik zeigte, sondern die Form zusammengebissener Zähne annahm – Auch ihr konnte die Wahrheit nicht entgangen sein, die alle anderen Personen in Schlachtfeld und Kommandozentrale bereits erreicht hatten: Wenn man diesen Feind mit irgendeiner der Methoden vernichten könnte, die sie zur Verfügung hatten, hätten sie es schon längst getan. Noch schafften es die Worte nicht über irgendjemandes Lippen, denn sie auszusprechen, hieß, sich ihnen zu ergeben, und dass wollte niemand her, am wenigsten Asuka. „Papakind. Prinzesschen. Haltet die Stellung. Ich habe eine Idee.“ Und damit rannte sie fort, nicht nur weg von den Attacken des Engels, sondern ganz fort vom Feld des Geschehens, nicht wild und panisch, sondern entschlossen und zielgerichtet – Ahnend, dass es wohl absolut sinnlos sein würde, sie nach einer Erklärung zu fragen, beschloss Shinji, dass er mindestens nicht schuld sein wollte, wenn was auch immer sie vorhatte schief gehen sollte – das sollte sie mal schön selbst machen. Also stellte er sich dem Engel mit erhobenem Messer entgegen, darauf abzielend, dessen ringartige Arme zu zerschneiden, um seinen Kopf loszuschneiden, falls ihn die Stacheln lassen sollten; Es half, das Rei den Engel ablenkte, indem sie ihn von Hinten unter Beschuss nahm – scheinbar hatte sie unterwegs eine der vielen in die Gebäude eingebauten Waffenverstecke entdeckt – Schnell zeigte sich auch, dass eines von diesen auch Asukas Ziel gewesen war, als sie mit einem geladenen Maschinengewehr zurückkehrte – Sie konnte es nicht ertragen, ohne Waffe vor dem Feind zu stehen, auch, wenn diese letztlich nur psychologischen Gründen diente. „Verdammt!“ schimpfte sie, bebend vor Frustration. „Es ist, als würde man gegen eine verdammte Illusion kämpfen!“ „Illusion, hm…? Ein Bild… auch eine mögliche Bedeutung des lateinischen Wortes „Imago“…“ sinnierte Dr. Akagi, halb zynisch, halb über den Galgenhumorwert der Situation lächelnd. „Faszinierend.“ Hach, diese liebenswerte, charmante Ritsuko. Wäre es ihr je in den Sinn gekommen, sich als Cheerleaderin für eine Footballmannschaft zu bewerben, hätte ihre bloße Anwesenheit wohl ausgereicht, um die Motivation der Jungs dermaßen zu zerschlagen, dass sie jedes Spiel ausnahmslos verlieren würden – oder aber ihnen den Sieg sichern, in dem sie die gegnerischen Teams in Depressionen stürzte. Es irritierte Misato ohne Ende. Doch während sie nur im Stillen ihre Faust ballte, war es Aoba, der schließlich die unvermeidliche Frage stellte. „Dieses Ding ist unsterblich, nicht?“ „Oh, sag so etwas bitte nicht…“ kam es von Maya, die hilfesuchend zu Dr. Akagi blickte, in der Hoffnung, dass sie etwas dagegen sagen würde. Doch nicht einmal Misato war dazu imstande, egal, wie gerne sie es auch gewesen wäre. Fuyutsuki fand seine Worte zwar, aber sie waren keinesfalls tröstlich. „Das könnte so… sieben Tage und sieben Nächte weitergehen, wenn nicht vierzig…“ „Sie haben es erfasst.“ Bestätigte der Commander. „Der Engel mag zwar keine besonders große Durchschlagskraft haben, aber da er keinerlei Schaden zu nehmen scheint, ist das völlig bedeutungslos. Es ist geschaffen, um das Leben langsam und stetig aus seinem Feind zu kratzen.“ „Ein Tod in tausend Schnitten…“ fasste Fuyustsuki die Worte seines Vorgesetzten zusammen. „Auch, wenn wir den Engel noch mühelos in Schach halten können, auch, wenn wir das noch lange können werden, nur was Bluten kann, kann auch sterben.“ „Dann, Ikari…Ist dies die wahre Macht der Frucht des Lebens?“ 09: [You Are Your Own Reason For Being Born You] --- Hitomi wo tojireba kitto omoidaseru Inochi ga mebaeta toki wo Mabushii hikari ni Sotto michibikarete Shukufuku no uta wa Sekai ni hibiite-ita Daremo ga itsu shika wasureta Kiseki wo tsutaeru tame ni Kimi wa koko ni iru Bokura wa tenshi ja nai kara Ikiru koto no itami no naka de Jibun no yowasa wo mitsumeru toki Hajimete yasashisa no imi ni kidzuku yo Dareka ni awaseta egao tsukuranaide Sunao na kimochi de Namida wo nagasu koto mo yuuki sa Bokura wa tenshi ja nai kedo Kibou to yuu tsubasa wo hiroge Kokoro ni kizanda kanashimi yori Tashika na nukumori de dakishimeau yo Hitomi wo tojireba kitto... -Hikami Kyoko, ‘You are your own reason for being born you’ [:] If you close your eyes, I'm sure you'll remember The moment your life awakened A song of blessing Echoed through the world, Gently leading To the brilliant light. You are here To convey the miracle That everyone forgot as time went by. We aren't angels, so In the midst of the pain of living, When we look our own weakness in the eyes, We begin to realize the meaning of gentleness. Don't fake the smile you gave to others. Sincerely Letting your tears flow is also courage We aren't angels, but We can spread the wings called courage, And embrace each other with a definite warmth, Instead of with the sorrow engraved on our hearts. If you close your eyes, I'm sure... -Hikami Kyoko, ‘You are your own reason for being born you’ --- „Oh nein!“ zischte Asuka, die unbeeindruckte Form des Engels ununterbrochen mit Munition löchernd. „Ich weigere mich, mich geschlagen zu geben, solange noch das kleinste Tröpfchen Blut in meinem Körper ist!“ Sie ballerte und ballerte und ballerte. „Wag es ja nicht, aufzugeben, ist das klar, Papasöhnchen? Da weder du noch das Prinzesschen auch nur daran denken!“ Sinnlos, wie er schien, setzte sie ihren Angriff fort, und auch Rei ließ nicht nach, auch, wenn das durchaus daran liegen könnte, dass ihr noch niemand gesagt hatte, dass sie aufhören sollte. Shinji hatte immer noch sein Prog-Messer in der Hand, aber er fragte sich, was das ganze sollte… Für die Zukunft, hatte Misato gesagt, und ähnlich hatten auch Yuis Worte gelautet. Klar, das Konzept machte Sinn, aber Shinji war nie ein besonders rationaler Mensch gewesen. Er konnte jenseits dieser aussichtslosen Schlacht nichts fühlen. War denn nicht sein ganzes Leben in den letzten Monaten etwas anderes gewesen als eine solche, aussichtslose Schlacht…? Ja, das passte zu dem Gefühl, dass er da ha hatte, ziemlich gut dazu. Asuka warf ihm zu irgendeinem Zeitpunkt eine Knarre zu, die er nur knapp zu fangen vermochte, und dann benutze, um beinahe mechanisch auf das Zielobjekt einzufeuern. Die Zeit war nicht eines der Dinge, auf die er achtete – Er hätte ihren Verlauf vielleicht an der Wanderung der Sonne über den Himmel ablesen können, doch viel eher kreuzten die zahllosen kleinwagengroßen Pastronenhülsen, auf die er gelegentlich drauftrat sein Blickfeld – Wenn sie diesen Engel bezwingen sollten, würden die von NERV wohl erst Mal gehörig Munition kaufen müssen, und das, obgleich er Misato immer schimpfen hörte, das Budget sei so knapp, und von Rei regelmäßig hörte, dass sein Vater irgendwo hingeflogen war, um über ebendieses Geld zu verhandeln… Vielleicht hatte er das letzte Woche ja auch das letzte Mal getan, und er, Rei und Asuka brauchten sich überhaupt keine Vorbehalte darüber zu machen, wie viele Kugeln sie da verballerten, weil es ohnehin nichts brachte… Aber was sollte man sonst tun? Alles, was den Children übrig blieb war, zu hoffen, dass diese Unverwundbarkeit ihres Feindes irgendein Limit hatte, und weiter, weiter darauf einzuballern, bis es entweder in sich zusammen fiel, irgendwer in der Kommandozentrale eine bessere Idee hatte, oder die Waffenkammer leer war, was dann wohl bedeuten würde, das das Vieh sie unsanft zur Seite räumen und schnurstracks ins Terminal Dogma marschieren würde, sodass sie entweder Opfer des Selbstzerstörungsmechanismus werden würden, oder aber des Third Impacts. Es nahm und nahm kein Ende, und Shinji hätte gar nicht mehr, wie lange dieser Kampf schon andauerte – Da er seinen eigentlichen Körper bis auf das gelegentlich Betätigen der Steuerhebel kaum benutzt hatte, konnte er sich zur Abschätzung nicht einmal auf irgendwelche Erschöpfungserscheinungen stützen, und nachzufragen würde Misato und die anderen am Ende nur in Verlegenheit bringen. Das einzig Positive, was sich sagen ließ, war, dass der Kampf immer noch eine Art Pattsituation zu sein schien – Es war dem Engel noch nicht gelungen, den EVAs mehr als Kratzer in der Panzerung zuzufügen (Auch das würde wohl aufs Budget schlagen) wenngleich Shinji längst die Übersicht darüber verloren hatte, welches der Mädchen ihm wie oft den Hintern gerettet hatte, und wie oft er ihnen den Gefallen wiederum erwidert hatte – Das sie nur äußerst knapp davonkamen, war eher die Regel als die Ausnahme. Nur so am Rande bemerkte Shinji, in was für eine Gegend der Stadt es sie da eigentlich verschlagen hatte, und musste feststellen, dass seine Schule nur wenige (Evangelion-)Schritte von hier entfernt lag- Das wäre zur Abwechslung mal ein Gebäude, bei dem es ihn mal nicht stören würde, wenn es niedergerissen würde – Diesen Gedanken nahm er jedoch augenblicklich zurück, sobald die Alarme in seinem Interface zu blinken begannen – Zivilistenalarm in einem der Fenster – und auch an dem Fenster – Nun, das Fenster an sich war eigentlich nicht weiter speziell, wäre da nicht die Tatsache dass das gleich daneben jenes war, durch das Rei regelmäßig auf den Schulhof zu starren pflegte, und dass die Personen, die sich im Fenster erkennen ließen , dort an sich hingehört hätten, wenn nicht gerade der Ausnahmezustand ausgerufen wäre… Selbst im Hauptquartier brauchte man nicht lange, um die Rasselbande zu erkennen: „Sind das nicht… die beiden von neulich…?“ fragte Hyuuga. „Genau.“ Bestätigte sein langhaariger Kollege. „Und dieses Mädchen, das Vorgestern bei ihnen war.“ Misato seufzte. „Die müssen wohl übel auf sie abgefärbt haben… eigentlich müssten die ihre Lektion schon beim letzten Mal gelernt haben… Verdammt, als ob wir für so etwas Zeit hätten…“ Besorgniserregend war, dass die Leben dreier Schulkinder in Gefahr waren, Misatos Sorgen jedoch vor allem damit zu tun hatten, dass dies ein anderes Schulkind dazu bewegen könnte, etwas Dummes zu tun… Das fühlte sich an, als hätte sie ihre Prioritäten falsch herum, und das der letztliche Ausgang der ganzen Situation ihr erzählen zu wollen schien, dass sie da richtig lag, machte es besser; Die Liste der Vorwürfe, die sie sich heute Abend wohl machen würde, wurde auch dadurch verlängerte dass sie wie auch immer das korrekte Ziel lauten sollte, nichts unternommen hatte, um dieses zu erreichen, bevor ihr das Zielobjekt zuvorkam – Natürlich hätte der Engel der Illusion niemals riskiert, das Gebäude zum Einsturz zu bringen, in dem sich sein eigener Kern befand, aber unter den vielen Menschen in und um das Schlachtfeld herum gab es keinen, der das hätte wissen können. „Es… es kommt direkt auf uns zu!“ „Ich hab doch gesagt, dass wir uns mit dem Abhauen beeilen sollten!“ „Das wären bescheuerte letzte Worte!“ „Was machst du da für einen Quatsch, Papasöhnchen?!“ „Wenn wir nichts machen, dann werden die anderen in der Schule-AAAAAAAAAAAAAAAHH“ Ein einziger Moment der panikbedingten Unachtsamkeit genügte, damit das, was zuvor unzählige Male knapp verhütet worden war, schließlich eintrat: Ein Stachel des Engels, jener messerscharfen Lanze aus erstarrtem Licht, fand endlich sein Ziel, durch AT-Feld, Kunststoff und Metall brechend, und schließlich das Fleisch seines Feindes zu erreichen; Das Intercom füllte sowohl die Kommandozentrale als auch die Entry-Plugs der anderen beiden EVAs mit den einzigen, langen Schrei des Third Child; Was unter dem Lärm der ganzen besorgten Reaktionen unterging, war, wie ein gewisses dunkelhaariges Mädchen inmitten ihrer Gefährten, welche den Namen ihren Freundes rufend aus dem Fenster starrte, ihre Augen weit aufgerissen hatte; Fort war jede Spur des Schleiers, der bislang darauf gelegen hatte, jeder Anschein der Leere; Die grauen Fenster ihrer Seele hätten kein bisschen voller sein können, randvoll mit Tränen und wilden, durcheinanderlaufenden Emotionen, allen voran die grausam in ihre Welt brechende Emotion des Begreifens, die sie durchbohrte wie ein eiskaltes Messer, das genaue Verständnis dafür in sie hineinimpfend, was da gerade vor sich ging. Der Schmerz in ihrer Leibesmitte war kein bisschen geschwunden, immer noch stand sie seltsam-gekrümmt da, die Hände auf die Quelle dieses fremden Herzschlags gepresst, doch ein tieferer, heftigerer Schmerz hatte sie unbarmherzig aus ihrer Trance hervorgeholt, das genaue Wissen darum, das die Person, die ein Licht in die finstere Hölle ihres Lebens geworfen hatte, „Was… was ist das da… in meinem Körper….?“ Noch während dieser Gedanke weiter brodelte, die vielen Hinweise, die es in den letzten Tagen, wenn nicht in ihrem ganzen Leben bekommen hatte, zu einer Schlussfolgerung zusammensetzte, die sie genau so wenig glauben wie leugnen konnte, war der größte Teil ihres Bewusstseins jedoch mit dem eigentlichen Grund für ihr „Erwachen“ beschäftigt – Sie schaffte es gerade noch rechtzeitig, sich in eine mehr oder weniger aufrechte Position zu zwingen, zum Fenster zu laufen, dieses aufzureißen und sich soweit hinauszulehnen, dass sie vermutlich gefallen wäre, um miterleben zu können, wie EVA 01 krachend auf den Boden stürzte, ein paar kleinere Häuserblöcke unter sich zermalmend. Das Wort das sie schreien wollte, der Name, den sie rufen wollte, blieb in ihrer Kehle stecken, und die Finger, die sie sehnend vor sich hin gestreckt hatte, sanken herab. Nur entfernt drangen die Reaktionen der beiden Jungen zu ihr vor, ihre von Schreck gefärbten Warnungen, ihre Erleichterung darüber, dass sie bei Sinnen zu sein schien, ihre endlosen Fragen und Aufforderungen, dass sie doch alle dringend fliehen sollten. Sie hatte einen Entschluss gefasst, und wenn sie ihnen zuhören würde, würde sie das nur noch mehr davon abbringen. Sie war zu ängstlich, zu zögerlich, zu schwach um an ihrem Ziel festzuhalten, wenn sie es nicht weiter auf der Woge dieses Gefühls verfolgte. Wenn sie dabei versagen sollte, an ihrem Willen festzuhalten, würde sie zweifellos wieder in der Finsternis versunken, und dann wäre sie verloren. Es musste also wie in einer einzigen Bewegung gehen; Noch mit demselben Schwung, den Touji und Kensuke benutzt hatten, um sie daran zu hindern, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, riss sie sich von deren Armen los – Kensuke war nicht viel sportlicher als sie selbst, von Touji loszukommen gestaltete sich da eher als Herausforderung, aber er hatte diese Handlung einfach nicht von ihr erwartet und war von dem, was er soeben auf dem Schlachtfeld mitansehen musste, noch sichtlich durcheinander; Sie hatte ihre rohen Emotionen, die nun zum ersten Mal in langer Zeit so vollkommen entfesselt hatte, und selbst ihr Schmerz war nur Treibstoff für ihren Entschluss. Als sie ihre Finger an keinem Flecken ihres Körpers mehr spürte, hielt sie einen Moment inne, um die beiden Jungen, die sie ihrerseits sichtlich überrumpelt betrachteten, noch einmal genau anzusehen, als wolle sie ihre Gesichter irgendwie einfangen… Sie wusste genug über die menschliche Fähigkeit, sich selbst zu verachten, um zu ahnen, dass diese beiden sich nie vergeben können würden, dass sie sie nicht aufgehalten hatten, aber dass sie selbst, wenn sie versuchte, etwas Gutes zu tun, nichts als Zerstörung zurück lassen konnte, bestärkte sie nur in ihrem Entschluss – Sie wusste jetzt genau, was es war, dass sie tun musste, wenn sie diesen Kampf und all dieses Leid beenden wollte, und sie war bereit, es zu tun. Es war nicht mal eine Wahl. „…Aida-kun, Suzuhara-kun… Es tut mir leid. Bitte sagt auch Mitsurugi-kun und Horaki-san dass es mir leid tut, ja?“ „Y-Yamagishi-san?“ Und dann drehte sie sich um und rannte. „Yamagishi-san!“ „Was machst du da? Wo willst du hin?“ „So warte doch!“ Die beiden verschwendeten keine Sekunde, bevor sie ihr hinterherstolperten, fanden sich aber schon jenseits der Tür des Klassenzimmers mit einem Problem konfrontiert. „Wo… ist sie hin?“ Sprach Touji das offensichtliche Problem aus, kurz in beide Richtungen blickend, in denen sich der Flur erstreckte. „Meinst du, wir sollten uns aufteilen…?“ schlug Kensuke vor. Doch Touji schüttelte nur den Kopf: „Bloß nicht. Dann muss ich auf diesem Schlachtfeld nicht nur nach Yamagishi, sondern auch noch nach dir suchen.“ „Aber… wenn wir in die falsche Richtung gehen, werden wir sie unmöglich einholen… Und wir können sie in ihrem Zustand kaum hier lassen…“ „Glaub mir, dass weiß ich auch, aber wir sind nur zwei. Was machen wir an der nächsten Weggabelung?“ „Wo sollen wir denn nun hingehen?“ „Ihr werdet nirgendwo mehr hingehen.“ Die beiden Jungen erstarrten, als sie von hinter sich eine weibliche Stimme hörten – und es war nicht die von Mayumi. Das hier sollte doch während des Kampfes eigentlich alles leer und verlassen sein, oder? Noch bevor sie sich umgedreht hatten, um zu sehen, mit wem sie es zu tun hatten, waren sie umstellt von bullenhaften Männern in schwarzen Anzügen und dunklen Sonnenbrillen, angeführt von einer ähnlich gekleideten Dame, die jedoch stattdessen einen Blazer und einen röhrenförmigen Minirock trug – Für jene, die sie erkannt hätten, Asahina Najiko. Die beiden Schüler gehörten nicht ju jenen Menschen, denen der Name geläufig gewesen wäre, waren mit dem Anblick der ganzen Kompanie jedoch vertraut genug, um sie sofort als „Die Security-Affen von NERV“ (wie Touji sie in seinem inneren Wörterbuch eingetragen hatte)zu erkennen. „Ich denke, ihr habt bei diesem Einsatz schon für genügend Unannehmlichkeiten gesorgt. Habt ihr denn bei dem letzten Debakel nichts gelernt? Das hier ist ein Schlachtfeld, kein Kinderspielplatz. Wir haben den Auftrag, euch zum nächstgelegenen Schutzraum zu eskortieren. Bitte leistet keinen Widerstand. Nehmt zur Kenntnis, dass weiteres Fehlverhalten dieser Art strafrechtliche Konsequenzen haben wird, und dass ihr bis her nur davongekommen seid, weil ihr als soziales Umfeld des Third Child privilegierte Behandlung erfahren habt. Allein um seinetwillen. Bitte folgt uns.“ Bei dem Anblick der ganzen muskelbepackten Herren, bei denen keine Augenbraue außerplanmäßig zu zucken schien, musste Touji schon schlucken, aber ein echter Mann hatte sich nicht so einfach einzuschüchtern lassen, weshalb er sein bestes versuchte, sich den Sicherheitsleuten selbstbewusst in den Weg zu stellen. Auch, wenn man ihm die durchaus vorhandene Angst durchaus anmerkte. „Wir hatten ja selber vor, wieder da runter zu gehen, aber im Moment is das grad ‚n bisschen ungünstig, Schwester. Wir haben hier leider noch was zu tun. Wenn wir das erledigt haben, könnt ihr uns gerne mit runter begleiten.“ Kensuke verzichtete nur der Höflichkeit wegen darauf, sich seine Hand durchs Gesicht zu wischen.“ „Ich denke, ihr Kinder seid euch eurer Situation hier nicht bewusst. Wir sind durchaus autorisiert, zu härteren Mitteln zu greifen.“ „Pah! Fang mich doch!“ Toji kam gar nicht dazu, sich sorgen um die menschlichen Panzerschränke in schwarz zu machen – Es war die Dame, die ihn mühelos stoppte und seinem Ego damit einen besonders tiefen Kratzer versetzte. Aber darum würde er sich erst sehr, sehr viel später Sorgen machen; Als man sie abtransportierte, waren die zwei widerwillig mitlaufenden Jungen nicht fähig, an andere Dinge zu denken als Mayumi, die hier noch irgendwo auf dem Schlachtfeld umherirren musste, und Shinji, von dem sie immer noch nicht wussten, was mit ihm passiert war – Vielleicht war er gleich wieder aufgestanden und hatte den Kampf gegen den Engel direkt fortgesetzt, während sie beide anderweitig beschäftigt gewesen waren – genauso gut könnte er aber auch dabei sein, schwer verletzt in die Krankenstation von NERV gekarrt zu werden… --- Die tatsächliche Situation lag wohl irgendwo dazwischen – Als er den ersten Schmerz bemerkte, erwartete das Third Child bereits, dass das nächste, was er sehen würde, die weiße deckenleuchte in seinem „Lieblings-“Krankenzimmer sein würde, aber stattdessen setzte die Pein einfach aus, und mit ihr alle weiteren Empfindungen – Es gab noch eine Erschütterung, danach aber fand sich Shinji jedoch in einem dunklen Plug wieder, der im Vergleich zu der luftigen Bildschirmanordnung des Interfaces ziemlich eng wirkte. Das Fehlen eines Nachhallens des Schmerzes, den er bis eben noch in seiner Brust verspürt hatte, war ebenso effektiv darin, sein Gesicht zu verziehen, als er versuchte, sich von der Lehne des Steuersitzes zu erheben, gegen die er gepresst worden war, wie es seine Anwesenheit gewesen wäre, und die Erschütterung vom sehr physischen Einschlag auf dem Boden hatte ausgereicht, um ihn mit zusammengebissenen Zähnen dasitzen zu lassen, als Misatos nicht mehr ganz beherrschte Fragen nach seinem Zustand an seine Ohren drangen. Er kam nicht dazu, ihr zu antworten, bevor sie ihre Kollegen nach dem Schadensbericht fragte. Es war Dr. Akagi, die antwortete: „Wir hatten Glück im Unglück. Was die biologischen Komponenten angeht, nur eine Fleischwunde. Der Pilot istwohlauf. Um es einfach auszudrücken haben wir bei einigen der mechanischen Komponenten einen Wackelkontakt. EVA 00 und 02 sollen das Zielobjekt von dort weglocken, dann schicken wir eine Reparaturmannschaft mit Ersatzteilen… Es wird eine Weile dauern, aber so, wie sich dieser Kampf hinzieht, könnte sich das am Ende noch stark lohnen, den EVA an Ort und Stelle zu reparieren.“ „Das geht…? Ihr von der technischen Abteilung seid auch immer für alles gerüstet.“ „Wir müssen es sein, immerhin hängt das Schicksal der Welt davon ab.“ „Also gut, hast du das gehört, Shinji-kun? Fahr schon mal den Entryplug heraus, wenn die Elektronik soweit noch funktioniert.“ „Aber… Was ist mit dem Engel…“ „Einheit Null und Einheit Zwei werden ihn so lange schon aufhalten.“ „Genau!“ stimmte Asuka zu. „Ich komme hier durchaus eine Weile ohne dich zurecht. Sieh zu, dass du dein schrottiges Testmodell wieder repariert kriegst, damit du dich nützlich machen kannst.“ „Ich… ich verstehe, Asuka… Misato-san…“ Während Dr. Akagi eiligst ihre besten Mechaniker kontaktierte, gab es dennoch einen Gedanken, der aus ihrem Kopf nicht weichen wollte, ein Detail, dass keinen Sinn machen wollte… Wenn man sich die Schadensanzeigen ansah, könnte man meinen, dass der Engel geradewegs auf den Kern des Evangelion gezielt hatte… bis dahin war der Angriff jedoch nie gekommen. Es machte beinahe den Anschein als ob der zehnte Botschafter von irgendetwas… aufgehalten worden wäre… --- Je länger die Zeit vor sich her kroch, umso schwerer fiel es Shinji, das Gefühl abzuschütteln, dass seine eigene Anspannung dabei war, ihn von innen aufzufressen; Er saß, noch in seinem Plugsuit, ganz am Rande der „Baustelle“, die sich um den Rücken des violetten Evangelion herum aufgebaut hatte, über welche die orange bekleideten Techniker herumwuselten wie ein Ameisenstaat, jeder von ihnen zweifellos von der Angst vor einem Third Impact beschleunigt, so schnell arbeitend, wie es der durch die verwüsteten Straßen verzögerte Transport der Ersatzteile zuließ – Nur er allein konnte nichts machen, um den Prozess voran zu treiben, und es machte ihn wahnsinnig – Asuka, Rei und der Engel hatten ihren Kampf schon längst in einen anderen Teil der Stadt verlegt, was wohl gut war, weil die Reparaturarbeiten so nicht von weiteren Explosionen und dergleichen gefährdet wurden, aber auch mit sich brachte, dass das Third Child nicht die geringste Ahnung davon hatte, wie es um seine Mit-Pilotinnen stand – hielten sie weiter pausenlos die Stellung, oder hatte der Engel sie vielleicht in die Enge gedrängt, ohne dass er für sie da sein konnte? Diese Machtlosigkeit brachte ihn um, voller Anspannung beschäftigte er sich damit, seine Hände immer wieder zu öffnen und zu schließen, um seinen bunten Vorstellungen über die Situation der Mädchen den Dünger zu nehmen. Wenn EVA 01 doch nur endlich repariert wäre… Aber selbst wenn das so wäre, was konnte er eigentlich tun? Was sollte er nur tun? Dieser ganze Kampf sah so aussichtslos aus, sie schossen und schossen alle drei aus vollen Rohren und kamen doch kein bisschen weiter. Es machte nicht den Anschein, als ob irgendetwas von dem, das sie bisher getan hatten, auch nur den winzig kleinsten Einfluss auf den Engel gehabt hätte – Es war genauso, wie Asuka es gesagt hatte – Als würde man gegen eine Illusion kämpfen; Wenn er das Ding angriff, fühlte es sich nicht einmal an, als ob da irgendetwas anderes wäre als leerer Raum; Seine Waffen liefen völlig ins Leere. Sollte alles, was er es bisher durchgestanden hatte, etwa völlig umsonst gewesen sein, nichts als unwichtige Details, die zu nichts anderem bestimmt gewesen waren, als zu dieser hoffnungslosen Situation hinzuführen? Er wusste, was ein Versagen zur Folge hätte, doch er brauchte die Lösung für das Problem nicht zu erwarten – Wenn es sie gab, dann würde er selbst darauf kommen müssen, und er war noch nie gut darin gewesen, unter Druck nachzudenken – Schon ein simpler Mathetest war da schon immer gut genug gewesen, um die höheren Bereiche seines Gehirnes, die zum Betreiben von Mathematik tragischer Weise am nötigsten waren, zuverlässig abzuschalten, davon, das Schicksal der Menschheit auf seinen Schultern zu tragen, ganz zu schweigen. Was hatte er sich da eigentlich zu erzählen versucht als er sich hatte weismachen wollen, er könnte stärker werden…? Am Ende saß er doch nur ratlos herum und wartete darauf, dass ihm irgendwer eine Lösung anbot, die nicht kommen würde. Während zwei Mädchen, die er eigentlich hatte beschützen wollen, allein mit dem Monster waren. Soweit sah die Bilanz also recht kläglich aus, und jedes Wort der Kritik, das Asuka je in seine Richtung geschrien hatte, schien sich mit jeder Sekunde, in der dieser Missstand währte, mindestens zu verdoppeln, besonders jene unfreundlichen Wörter, deren Zweck es zu ihrer Zeit gewesen war, seine Männlichkeit in Frage zu stellen. Doch bevor er dazu kam, ausgiebig darüber zu klagen, wie sehr er sich und seine Unfähigkeit doch hasste, riss ihn ein leises, sanftes Stimmchen aus seinen Gedanken: „Ikari-kun…“ Nun hätte er als er seinen Blick zur Seite wendete, vielleicht erwartet, einen der Techniker zu sehen, der ihm vielleicht Bescheid sagen wollen könnte, dass EVA 01 wieder bereit war, oder dass sie ihn für sonst was brauchten, aber die Person, die er sah, war wohl die letzte, die er erwartet hätte; „Y-Yamagishi-san…!“ stammelte er überrascht, sich rasch, und vor allem etwas alarmiert aufstellend, um ihr in die Augen sehen zu können. Ein wenig surreal war es, seine neue Freundin, die mit alle den seltsamen, NERV-Geschichten nichts zu tun hatte, in einer gewöhnlichen Schuluniform so nah an dieser Baustelle stehen zu sehen. Würde sie jemand hier entdecken, würde es sicherlich Ärger geben; Zudem war es ihm auch etwas peinlich, von ihr in solch einem freizügigen Aufzug wie seinem Plugsuit gesehen zu werden, aber das war bei weitem nicht das Hauptproblem; Denn das einzige, was diese Situation noch übler machen könnte war, dass noch einer der Menschen, die ihm wichtig war irgendwo auf diesem Schlachtfeld war. Dennoch stellte sich natürlich die Frage danach, wieso sie überhaupt hierhergekommen war, und was dieser Gesichtsausdruck zu bedeuten hatte. „W-Was machst du hier…?“ begann er, mangels dieses Wissens deutlich verunsichert. „Beeil dich und geh in einen Schutzraum! Hier ist es gefährlich…“ Sie schien diese Worte bereits erwartet haben, und machte während er sprach den Eindruck als hätte sie schon von Anfang an entschieden gehabt, dass sie nicht darauf hören würde; Doch während ihn das „nur“ sichtlich verunsicherte und seine Gedanken in sorgenvolle Schleifen lenkte, sollte ihn das nächste, was sie tat, völlig überfordern, ganz zu schweigen davon, dass es ihn durch und durch schockierte: Es war eine Ganzkörperbewegung, mit der sie ihre Arme vor sich schmiss und vor sich hielt, als seien sie über und über mit Blut bekleckert; Danach sah sie ein gutes Stück kleiner aus, sie stand nicht mehr aufrecht, die Beine waren leicht eingeknickt, der Oberkörper eingeknickt, jedes Detail ihrer Körpersprache absolut bettelnd und flehend; Vielleicht war es ungerecht, dass sie ausgerechnet zu ihm gekommen war, aber er war die einzige Person von der sie wusste, dass sie sich an ihn wenden konnte, ohne dass er sie auslachte oder als verrückt abtat. Also war er es, dem sie ihren verzweifelten Wunsch vortrug: „Bitte bring mich um! Du musst mich unbedingt umbringen, ich flehe dich an!“ „W-Was sagst du denn da auf einmal...?!“ „Ich habe es verstanden!“ rief sie, scheinbar überall an ihrem blassen Körper zitternd. „Dieses Monster ist in meinem Körper!“ Sie presste zur Unterstützung ihrer Aussage ihre Arme an ihren Körper, das Gesicht von Verzweiflung verzerrt. „Dieses Monster hat seine Seele genau hier versteckt! Ich habe das begriffen, also bitte, töte mich!“ Spätestens jetzt wurden ihre Knie weich, und sie sank schluchzend und wimmernd in sich zusammen, vor seinen Füßen auf die Knie fallend, ihr Gesicht in ihren Händen vergrabend, die ihrerseits teilweise hinter ihrem langen, glänzend-mitternachtsschwarzem Haar verschwanden. Sie wurde zunehmend hysterisch. „Ich weiß es, ganz sicher, also beeil dich und töte mich endlich!“ „S-Soetwas kann ich doch nicht machen….“ „Es macht mir nichts aus! Ich hasse das sowieso alles! Ich hasse es, mich vor den anderen Augen anderer zu zeigen, und gesehen zu werden… Ich hasse es, andere in mein Herz hineinsehen zu lassen, und mich sehen zu lassen… Und ich hasse diese erbärmliche Person, die ich nun mal bin! Und wenn du, dieses ausländische Mädchen oder sonst irgendwer wegen diesem Ding in mir drin verletzt wird, werde ich nur noch mehr hassen müssen! Also bitte… bitte… bitte mach, dass es alles endlich zu Ende ist!“ Er war tief geschockt – nicht nur, wegen der Tragweite ihrer Worte an sich und der schieren Menge an Verzweiflung, die sie in ihrem kurzem Leben angesammelt zu haben schien, sondern auch, weil er seine eigenen Momente der Verzweiflung in ihr wiedergespiegelt sah, seine dunkelsten Stunden, die aus einem anderen Blickwinkel betrachtet ganz anders aussahen und ihn innerlich völlig aufwühlten… Doch gerade in dieser Ähnlichkeit war die Lösung zu finden, die Worte, die er sagen konnte, um Mayumis blutende Seele zu beruhigen; Er kam noch nicht einmal dazu, wegen dem, was sie gesagt hatte, in Panik zu verfallen; Es hätte eine unzumutbare Situation sein sollen, aber was war das hier anderes als sein täglich Brot? „Sag so was doch nicht…“ begann er, selbst erstaunt darüber, wie einfach sich die warmen, sanften Worte von seinen Lippen lösten, und wie wenig er sein Lächeln spielen musste. „Das stimmt alles nicht, und ganz unabhängig davon, ob du dich magst oder nicht, ist diese ganze Sache doch nicht deine Schuld… Wir tun alle Dinge, für die wir und schuldig fühlen, Dinge, die uns quälen, machen Fehler, für die wir und schämen… Ich meine, schau mich einmal an… Ich… ich bin so abscheulich, dass ich mich fast schon freue, dass ich nicht der einzige bin, der mit solchen Gefühlen zu kämpfen hat, und jetzt fang ich auch noch an zu heulen, obwohl ich eigentlich dich trösten sollte…“ Die alten Pfade der Tränen, welche sich über die Jahre in seinem Gesicht abgezeichnet hatten wie Flussbette in einem Gebäude, hatten längst wieder begonnen zu fließen, egal, wie sehr dies zu unterbinden versuchte. Nachdem mehrfache Versuche, sie mit seinen Händen wegzuwischen dadurch zu Nichte gemacht worden waren, dass sie so schnell nachkamen, gab er es schließlich auf uns konzentrierte sich darauf, weiter zu sprechen: „Und wenn man etwas falsch macht, dann ist es nur natürlich, das man es irgendwie wieder gut machen und… sich entschuldigen will… Aber du brauchst dich doch nicht dafür zu entschuldigen… das du auf dieser Welt bist, und schon gar nicht dafür, dass du Gefühle hast!“ „E-Eh...?“ „Ich sehe nicht ein… warum ausgerechnet du dein Leben aufgeben sollst, auch nicht, für den Rest der Welt… d-die Engel… also diese Monster da zu vernichten, ist immer noch meine Aufgabe!“ stellte er wenn auch immer noch innerlich bebend, mit einem zunehmenden Unterton der Entschlossenheit klar. Es war seltsam… da dachte einmal jemand daran, die Bürde, unter der er eben noch so geächzt hatte, an seiner Stelle zu tragen, und jetzt hielt er sie mit Händen und Füßen fest. Es war fast… als sei es ein einziges Mal gut gewesen, dass er und niemand sonst der Pilot von EVA war, und wenn auch nur, weil ihm das erlaubte, Diese Worte zu sprechen. „Beeil dich, geh in einen Schutzraum und mach dir keine Sorgen mehr, hörst du? Ich werde dieses Ding auf jeden Fall vernichten.“ „K-Kannst du das….?“ Sie blickte zu ihm auf – und fand das, was sie sah vermutlich ziemlich verwirrend – Eine weitere Welle von Emotionen ergoss sich über ihn, er hatte beinahe schon beginnen können, laut loszulachen; Irgendwie hatte es die hoffnungsloseste, schwerste aller Fragen geschafft, ihn mit Erleichterung zu überschwemmen. „Ob ich gewinnen kann? Du fragst mich, ob ich gewinnen kann… Oh, Yamagishi-san… schau mich doch nur an… seh ich denn aus wie ein großer Held oder irgend so etwas…? Ich bin nur ein Schuljunge, , und dass da draußen sind hochausgroße Monster… Ich es nicht so, als ob ich besonders mutig wäre oder so etwas… Ich habe von Anfang an nicht gekämpft, weil ich dachte, dass ich gewinnen kann, sondern weil ich gewinnen muss…. Dieser Kampf hier ist eigentlich kein bisschen anders…“ Die Einsicht traf ihn selbst vermutlich genau so sehr wie ihn, und ließ ihn mit einem seltsamen Gefühl der Leichtigkeit zurück. „Genau das hier ist eigentlich… genau wie alle anderen Kämpfe, die ich bis her überstanden habe, ja…. Eigentlich hab ich dieses selbe Ding schon einmal besiegt, und jetzt habe ich auch noch Shikinami und Ayanami dabei… das wäre doch gelacht, wenn wir es nicht besiegen könnten, oder…? Also mach dir keine Sorgen.“ Für einen Moment, der doch irgendwie ewig zu währen schien, standen sie sich gegenüber, nachdem sie sich wieder erhoben hatte, den Augenkontakt keine Sekunde lang abbrechend. Dann ertönte eine Durchsage, laut derer seine Anwesenheit benötigt wurde, um den Evangelion wieder zu starten, und die beiden verabschiedeten sich mit einem kurzem Nicken voneinander. Als das LCL wieder über seinen Kopf hinweg stieg, und ihm so klar machte, dass er auf dem Weg zur nächsten Schlacht war, fühlte er sich dabei so paradox es auch klang beinahe beruhigt. „Ayanami… Shikinami… Ich komme.“ --- Als sich die massive Form des violetten Evangelions jedoch wieder vom Boden erhob, war es um sie herum bereits tiefe Nacht geworden. „Shinji-kun, ich habe mich darum gekümmert, dass deine Freunde in einen Schutzraum gebracht werden. Die Einheiten Null und Zwei sind westlich von hier dabei, den Engel im Schach zu halten – Begib dich zu ihnen und unterstütze sie. Wir werden dir über Waffenschacht A-96 eine neue Waffe schicken… such‘ dir eine aus.“ Nachdem er bei Misato ohne großes Überlegen eine Bazooka bestellt und schließlich auch erhalten hatte, verschwendete das Third Child keine Zeit damit, seinen Gefährtinnen zur Hilfe zu eilen; Diese waren, als er sie vorfand, noch unverändert damit beschäftigt, das Zielobjekt unter Dauerbeschuss zu nehmen. Asuka’s Begrüßung fiel zunächst eher schroff aus: „Du hast dir aber Zeit gelassen, Papasöhnchen!“ Ach, wenn sie sich Mühe gab, ihre übliche lockere Überlegenheit aufrecht zu erhalten, konnte man ihr anmerken, dass der lange Kampf auch sie langsam an ihre Grenzen stoßen ließ. „V-Verzeihung…“ gab das Third Child schnell von sich und reihte sich mit Einheit Eins in die Reihe der Kämpfer ein, seine Waffe entsichernd und sich am Kugelhagel auf den Feind beteiligend. Er war also da, wieder voll in Aktion, und gewillt, auf keinen Fall zu verlieren – aber das allein tat nichts gegen die schiere Unverwundbarkeit des Feindes… „Das Zielobjekt zeigt weiterhin keinerlei Anzeichen einer Beschädigung, und ebenso wenig zeigen unsere Versuche, den Kern zu finden, Erfolg.“ Berichtete Aoba. „Die bisherigen Schäden an den Einheiten Null und Zwei sind einzeln gesehen gering, aber wenn man ihre Wirkungen aufsummiert, ist es schwer zu sagen, wie lange die EVAs dem pausenlosen Kampfeinsatz noch standhalten können…“ „Ihr alle, gebt ja nicht auf!“ versuchte Misato, die Kinder trotz der misslichen Lage anzuspornen. „Das Ding muss sicher irgendwo eine Schwachstelle haben.“ „Na dann findet sie doch endlich!“ giftete Asuka unbeeindruckt zurück, eine weitere Salva explosive Munition in Richtung Engel entladen. Es brauchte keinen Raketenwissenschaftler, um zu sehen, was da geschah – Sie waren alle zermürbt und ermattet von tausend kleinen Wehwehchen, die sie stetig und bei jeder Bewegung zu fühlen hatten… ja, sie wurden alle langsam müde – Ja, das sollte heißen, alle bis aus den Engel. Doch selbst der schien genug davon zu haben, mit seiner Beute zu spielen, und wie ein hungriges Raubtier, dass seine Beute bis zur Erschöpfung vor sich hin getrieben hatte, schien er zu dem Schluss gekommen zu sein, dass es Zeit war, das Ganze zu beenden. Ohne jede Vorwarnung hervorschnellend stach es zu, einmal, zweimal, die Opfer, denen es zurzeit größere Priorität zumaß, mit Leichtigkeit durch die Gegend wirbelnd; Als dann Shinji selbst damit dran war, gegen das nächst beste Hochhaus geschleudert zu werden (beziehungsweise, gegen das erste auf der Bahn, die EVA 01 nach seiner Bruchlandung entlangschlitterte, dass stabil genug war, um die biologische Kampfmaschine zu bremsen), hatte er keine Augen für seinen eigenen Schmerz; Er hatte in erster Linie deshalb keine Zeit gehabt, auszuweichen, weil er zu sehr damit beschäftigt gewesen war, sich um die Mädchen zu sorgen, und selbst jetzt, wo er jedes annähernd spitze Stückchen Schutt im Rücken des EVAs spürte, als sei es sein eigener, waren seine Gedanken von einer einzigen Frage eingenommen: „Shikinami! Ayanami! Seid ihr in Ordnung? H-Haltet durch…!“ „Ich kann… noch kämpfen…“ hörte er zur seiner linken, wo sich EVA 00 schwerfällig von dem Schutthaufen aufhob, auf den man ihn geworfen hatte, zunächst etwas wackelig dastehend – Sowohl Rei als auch ihr EVA waren ohne Zweifel angeschlagen, und mit Asuka, die sich fast schon durch schiere Willenskraft zwingen musste, aufrecht zu stehen, stand es kaum besser: „Als ob ich… mich so einfach… geschlagen geben würde…“ Wenn sie es nicht mal mehr fertig brachte, ihren Schmerz zu verbergen, oder sich schon nicht mehr darum kümmerte, musste es schon ziemlich übel sein… Kein Zweifel, die beiden hatten ihr Limit erreicht. Er hatte also keine Zeit, hier weiter herumzuliegen – Der Feind würde nicht auf ihn warten. Doch als er versuchte, sich wieder auf die Beine zu stellen – Wobei er merkte, dass der unfreiwillige Flug auch seinen Evangelion nicht unbeeinträchtigt gelassen hatte – bemerkte er aus dem Augenwinkel heraus, dass noch eine dritte Person, die ihm wichtig war, Gefahr lief, auf diesem Schlachtfeld ihr Leben zu verlieren. Er wollte das, was er sah, zunächst nicht glauben, aber als er per Interface näher heranzoomte, bestätigte es sich – Sie stand hoch oben auf einem der noch stehenden Hochhäuser, in diesem Kampf nichts weiter als ein zerbrechliches Stäbchen, in luftigen Höhen, wo der kalte Nachtwind ihre zarten Wangen fast schon schneiden können müsste, winzig klein im Vergleich zu allem, was sie umgab; Wie sie da hoch gekommen war, sollte das Third Child nie erfahren – Vielleicht hatte irgendjemand im Durcheinander der Evakuierung vergessen, hinter sich die Tür zu schließen. Fest stand, dass sie dort oben stand. Und das sie auf der falschen Seite des Sicherheitsgeländers stand. Er war der letzte, der nicht sofort begreifen würde, was das zu bedeuten hatte – Er selbst kannte die verführerischen Versprechen der Tiefe, denen er sich schon oft beinahe ergeben hätte, zuletzt damals, als er nach dem Kampf gegen den fünften Engel aus Misatos Wohnung weggelaufen war. Er brauchte nicht mehr als einen Blick, um zu erkennen, was sie vorhatte, und seine Vermutungen trafen ins Schwarze; Yamagishi Mayumi war durch und durch fertig mit der Welt. Sie stand ganz am Rand und hatte nicht vor, jemals wieder zurück zu blicken. Zunächst hatte sie gezögert, feige wie sie war, aber als sie gesehen hatte, wie diese drei Menschen, die so viel mutiger waren als sie leiden mussten, nur, weil sie noch dieser Welt war, konnte sie nichts mehr umstimmen. Was da unten geschehen war, war falsch. Das andere leiden sollten, um jemanden wie sie zu retten, war durch und durch falsch. Nein, eigentlich war sie es, die falsch war. Es war falsch, dass sie noch am Leben war, auf Kosten anderer, oder überhaupt. Ein Mensch wie sie, der sich anderen nicht zeigte, und auch nicht gesehen werden wollte… Ein Mensch, der niemanden in sich hinein ließ, niemandem einen Platz in ihrem Herzen geben konnte, außer diesem Monster… hatte es von Anfang an nicht verdient, auf dieser Welt zu sein. Sie hasste das alles, sie hasste es, zu fühlen, hasste es, auf dieser Welt zu sein, hasste alles, was sie war. Das so ein Leben wie das ihre, in dem sie nichts anderes getan hatte, als für andere eine Last zu sein, für so etwas wunderschönes benutzt werden konnte, wie die Rettung der Welt… In der Sekunde, in der ihrer Füße sich von dem Beton gelöst hatten und sie begriff, dass es weit und breit nichts mehr gab, dass sie hätte festhalten können, war sie dafür unendlich dankbar… Bis der Fall, nach dem sie sich so sehr gesehnt hatte, zu einem abrupten Ende kam, noch bevor die Schwerkraft ihre volle, tödliche Wirkung entfalten konnte – Nirgendwo anders als in der kleinbusgroßen Hand von Evangelion Einheit 01. Shinji war klar, dass er jetzt irgendwas sagen, irgendwas unternehmen musste, dass sie es nicht gleich wieder versuchte, wenn er mal kurz nicht hinsah (Diese Art von Verantwortung zu tragen könnte einen erwachsenen Mann in den Wahnsinn treiben, von ihm ganz zu schweigen.) aber er konnte ja sein eigenes Entsetzen kaum im Zaun halten. „Y-Yamagishi-san… Warum… warum hast du das getan…? Warum hast du versucht zu sterben, Yamagishi-san? Warum… Es gibt keinen Menschen, der es nicht schafft, einfach noch einen Tag zu leben, wenn ihn sonst nichts daran hindert… also warum wolltest du selbst diejenige sein, die das tut? Wenn sogar jemand wie ich, so ein… feiger Nichtsnutz wie ich… es fertig bringt, nicht wegzulaufen, und es weiter zu versuchen… dann sollte eine wundervolle Person wie du das doch erst recht können… Auch, wenn du nicht weißt, was vor dir liegt… ob morgen ein guter Tag wird oder ein schlechter Tag… wenn du lebst, dann wird es nach morgen immer noch ein weiteres Morgen geben, und dann… und dann kannst du einfach mal weitersehen, wie es wird! Also, bitte, Yamagishi-san… Du… du darfst nicht weglaufen… Zumindest nicht bis… bis wir alles versucht haben…“ „Aber… warum… warum soll ich es denn versuchen…? Warum soll ich hier sein…? Darf ich das denn überhaupt…?“ „Ich… ich fürchte, dass ich dir so etwas nicht sagen kann….“ Er versuchte sich zu einem Lächeln zu zwingen, um ihretwegen. „Ich… ich weiß ja noch nicht einmal, warum ich selbst hier bin… aber… vielleicht…. Vielleicht bist du ja einfach nur hier… damit du einfach du bist… Ich… ich finde es jedenfalls gut, dass das so ist… Ich denke, dass ich dadurch, dass… ich dich getroffen habe… eine ganze Menge verstanden und gelernt habe…“ „I…Ikari-kun…“ „Shinji-kun, es kommt.“ Kam es aus der Kommandozentrale. „Ich verstehe.“ Nachdem das Third Child Mayumi so sachte wie es die knappe Zeit erlaubte auf dem Dach eines nahegelegenen Hochhauses abgelegt hatte, bereitete er sich schnellstmöglich darauf vor, den Engel so weit wie möglich von dort wegzulocken, was auch beinhaltete, seine Waffe angriffsbereit in seinen Händen zu platzieren. „Halt! Da… da ist ein weiteres Signal auf unserem Schirm…!“ kam es dann unerwartet von einer aufgeregten Lt. Ibuki. „Signal bestätigt!“ berichtete Hyuuga. „Muster blau. Es ist ein Engel.“ „D-Das kann nicht sein… Ein neuer Feind?“ entgegnete Misato alarmiert. „Nein, es ist dasselbe Signal, derselbe Engel… Laut den MAGI ist nur ein einziges Wesen aber mit zwei Gestalten…“ „Zwei… Gestalten? Wie damals beim achten Engel…?“ „Hm, es kann doch nicht sein oder…?“ murmelte Dr. Akagi nachdenklich, womit sie bei ihrer Kollegin sofort eine Menge Fragen aufwarf. „Was kann nicht sein?“ hakte diese Augenblicklich nach. Dr. Akagi aber entschied, ihre These bevor sie irgendetwas darüber sagte, zunächst zu überprüfen: „Richten sie die Sensoren auf dieses Mädchen aus Shinji-kuns Klasse!“ „J-Ja!“ Nun vermochte es dieses kleine, verpixelte Anzeigenbild die ganzen ungelösten Fragen der letzten Tage auf einen Schlag zu beantworten – zumindest für Dr. Akagi. Immerhin hatte sie die Gnade, ihre Erleuchtung denen, die nicht sie nicht teilten zu erklären: „Jetzt verstehe ich es…. Der Energiekern des Engels, den wir so lange gesucht haben… muss die ganze Zeit über im Körper dieses Mädchens gewesen sein…“ „Der… Kern des Engels…?“ „Wir haben es doch bereits beim letzten Engel gesehen, dass sie sich den Orten anpassen, an denen sie „geboren“ werden, oder?“ „Aber wie… wie in aller Welt kommt dieser Engel… in dieses Mädchen hinein?“ „Wie kommen sie überhaupt irgendwo hinein? In einen Vulkan? In das Meer? So ein menschlicher Körper ist auch nur ein Klumpen Materie… Kennst du die Geschichte von Koshei, dem Todeslosen…?“ „Uhm,… wie bitte?“ „Es ist eine russische Legende, in der ein Magier unsterblich wurde, indem er seinen Tod in ein Gefäß packte und weit weg von seinem eigentlichen Körper versteckte… Wie das Phylakterium eines Lichs.“ „Du meinst so eine Art… Horkrux?“ Dr. Akagi versuchte an dieser Stelle Mal aufgrund der Ernsthaftigkeit der Situation nicht mit den Augen zu rollen. „Ja, so könnte man es ausdrücken. Mit so etwas ähnlichem haben wir es hier auch zu tun… Der einzige Schluss, der mir sinnvoll erscheint, ist, dass das, wogegen Shinji-kun und die anderen die ganze Zeit gekämpft haben, nichts weiter war als der „Schatten“ des Engels; Sein wirklicher Körper war die ganze Zeit im inneren dieses Mädchens versteckt, dort, wo sein Kern ist… deshalb konnten unsere Angriffe ihm auch überhaupt nichts anhaben…“ „Aber… ist dir klar, was das, was du da sagst, überhaupt bedeutet….?“ „Allerdings. Maya, bestell mir Sektion Zwei. Die sollen dieses Mädchen unverzüglich in Gewahrsam nehmen. Mitsurugi? Bereiten sie Labor sieben vor und bestellen sie etwas medizinisches Personal.“ „Aber… dieses Mädchen, was wird mit ihr…“ „Wir werden unser bestes versuchen. Misato, damit wir arbeiten können, wird es nötig sein, dass ihr und die Children den gefährlichen Teil des Feindes so lange ablenkt, wie wir brauchen, um die Operation durchzuführen. Ich verlasse mich auf dich.“ Sobald sie zu Ende gesprochen hatte, aktivierte sie auch den Einpersonenlift, der sie vermutlich nach unten in diese Labors geleiten sollte – Auch der ältere Mitsurugi, der auf einer der unteren Plattformen seine Arbeitsstelle hatte, hätte sich eigentlich augenblicklich auf den Weg auf den Weg machen sollen, doch obgleich er sofort aufgesprungen war, schien ihm irgendwo auf dem Weg von seinen Stuhl zum Ausgang ein Gedanke gekommen zu sein, der alle Prozesse seines Daseins ins Stocken brachte. Das also… war das Schicksal eines Menschen, der mit dem Körper eines Engels in Berührung kam… „Mitsurugi-san? Ist etwas? Sie sehen blass aus…“ „N-Nein, es ist nichts…“ meinte er zu seiner Kollegin, bevor er das tat, was ohnehin schon überfällig war, und sich auf dem Weg zum Labor zu machen; Etwas Arbeit und die Konzentration, welche diese erfordern würde, war vermutlich der beste Weg, seine rasenden Gedanken zu verdrängen… „Nagato… “ Misato atmete tief durch. „Okay, habt ihr das gehört? Das Ende ist in Sicht! Ihr müsst den Engel nur noch eine Weile hinhalten, dann ist es endlich vorbei!“ „A-Aber… Was ist mit Yamagishi-san…?“ „Keine Sorge, Shinji-kun. Wenn Ritsuko sagt, dass sie ihr bestes tut, dann macht sie das auch. Überlass das ruhig uns und konzentrier dich nur auf den Kampf, okay?“ „Verstanden!“ Das war jetzt also seine Aufgabe, das kleine Stückchen, das er beizutragen hatte… Es lag nicht mehr eine große unmögliche Aufgabe auf seinen Schultern, es gab eine Chance. Er musste nur noch ein Weilchen, nur noch ein kleines bisschen weiterkämpfen… Ja, wenn es so war, dann tat er das beinahe schon gerne. Mit erhobener Bazooka auf den Feind zustürmend war er zu allem bereit, um seinen Teil zu liefern – Er schoss und schoss und schoss als ob es kein Morgen gäbe, paradoxerweise gerade weil er wusste, dass es nun doch eins gab – Ohne viel Gehader ging er gnadenlos in die Offensive… und bemerkte viel zu spät, dass er dabei für einen kurzen aber fatalen Augenblick seine Deckung vernachlässigt hatte… Sollte er so enden, getötet von einer Unachtsamkeit, die aus einem verfrühten Gefühl des Triumphes entsprungen war? Er sah den Angriff kommen, aber er konnte nichts mehr dagegen machen – Vielleicht, wenn er einen Synchronwert wie den von Asuka gehabt hätte, oder zumindest ihre jahrelang getrimmten Reflexe, aber so wie er jetzt war, war es ein Ding der Unmöglichkeit… Sollte er dazu verdammt sein, sie alle auf den letzten Metern der Zielgerade zu enttäuschen? Misato? Asuka? Rei? Mayumi? Seinen Vater? Jetzt, wo das Licht am Ende des Tunnels so greifbar nahe schien? WOOOSCH. Shinji brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass nicht er getroffen war, sondern der Engel. Mit einer Ladung aus einer Plasmakanone… ganz so eine wie… Asuka sie im Moment zu tragen schien… „Pass doch auf, du lahme Ente!“ „S-Shikinami!“ „Aber aber! Nur, weil du vor der Neuen den Superman spielen durftest solltest du nicht vergessen, dass wir auch noch da sind!“ „Das Zielobjekt ist noch am Leben.“ „A-Ayanami…?“ „Na los, hör endlich auf, Löcher in die Luft zu starren und steh auf! Oder willst du dich etwa verkriechen, und uns Mädchen die ganze Arbeit überlassen…?“ „Auf gar keinen Fall!“ „L-Liegt das an mir…“ wunderte sich Maya derweil in der Kommandozentrale, auf dem großen Bildschirm im Central Dogma verfolgend, wie drei Evangelions sich zu dritt darauf vorbereiten, das Zielobjekt anzugreifen. „…oder haben sich die Synchronwerte der Drei gerade ein gutes Stück erhöht?“ --- Das letzte woran Mayumi sich erinnern konnte, war die Stimme des Jungen der sie nun zum wiederholten Male gerettet hatte, dieses Mal vor sich selbst. Fernab von dem Explosionen und dem Kugelhagel des Kampfes hatte sie dort, wo der Pilot des violetten Evangelions sie abgelegt hatte, ihr Bewusstsein wieder an die überwältigende Kraft dieses Monsters verloren. Die sachten Schrittgeräusche, die ihr Erwachen ausgelöst hatten, waren zu dem Zeitpunkt, zu dem sie fähig war, sie zu registrieren, bereits verstummt, sodass sie als sie sich wieder zu regen begann, nicht darüber im Klaren war, dass sie Gesellschaft hatte. Doch schon das an ein Mensch an diesem Ort war, war etwas, dass sie noch ganz glauben konnte; auch, wenn es sie einige Mühen kostete, setzte sie sich auf, und betastete ungläubig ihr immer noch äußerst existentes, warmes Gesicht. Erst jetzt wurde ihr die Tragweite dessen, was gerade eben geschehen war, richtig bewusst. „Ich…bin hier…“ Sie musste das noch mal wiederholen, um es richtig einsinken zu lassen. „Ich… ich bin noch am Leben…“ Sie war schon beinahe schockiert darüber, dass sie sich darüber freute. Jetzt aber beschloss sich ihre Gesellschaft durch ein leises, aber deutliches Räuspern bemerkbar zu machen, Mayumi dazu einladend, die dunkel gekleidete Frau zu entdecken, die sich in Begleitung einiger muskulös wirkender Männer zu ihr gesellt hatte. „NERV-Sicherheitsdienst.“ Erklärte sie ihre Anwesenheit. „Wenn du bitte so freundlich wärst, uns zu folgen?“ --- Das letzte Stück des Kampfes war kein bisschen weniger hart als der ganze Rest, doch es war nicht mehr dieses ewige Schütten in ein Fass ohne Boden. Die Piloten hatten keine Vorbehalte, auch noch das letzte bisschen Saft aus den Muskeln der Evangelions zu quetschen, nun, da sie wussten, dass ihre Anstrengungen nicht vergebens sein würde, und ein Ende nahte. Asuka gefiel es, zu denken, dass sie es gewesen war, die dem Feind den Todestoß gegeben hatte – Auch, wenn es vermutlich eher daran lag dass Dr. Akagi in einem OP irgendwo zufällig zur selben Zeit einen Metallstab in den Kern des Engel getrieben hatte, der sich durch sein stetiges Glühen und seine kristalline Struktur nur all zu leicht vom Fleisch des Mädchens unterscheiden ließ. Doch was auch immer die Ursache war, unbestreitbar blieb, dass der Engel sich mit einem letzten, schrillen Schrei von dieser Welt verabschiedete, bevor sowohl sein Körper als auch sein Kern in eine Fontäne aus Blut zerplatzte, sodass sowohl Dr. Akagi und ihre Kollegen als auch einige der verbliebenen Hochhäuser von Tokyo-3 mit einem seltsamen Muster aus Blutsprenkeln bespritzt wurden, die beinahe schon einem Mandala ähnelten, und nicht etwas, dass zufällig entstanden war; Wieder einmal ragte eine kreuzförmige Lichtsäule über die nun sichtlich mitgenommene Stadtfläche von Tokyo-3 hinaus, die zusammen mit dem herabregnenden Blut einen Regenbogen schuf; Der Engel der Illusionen war endlich bezwungen. --- Die Euphorie und Erleichterung, die sich im Central Dogma breit machte, hätte man wohl guten Gewissens mit den großen Sternstunden der Menschheit vergleichen können; In einer gewissen Weise war dies auch eine davon, denn die Zukunft aller drei Milliarden Menschen und allen anderen Lebens auf diesem Planeten war wieder einmal gesichert worden; Diesmal nur bis zum Angriff des nächsten Engels, aber das war schon mal ein guter Schritt in Richtung „endgültig.“ Vielerorts konnte man die ganzen Techniker auf ihren Plattformen sehen, wie sie Freudensprünge vollführten und sich gegenseitig in die Arme fielen – Hyuuga gab seinerseits ein gepflegtes, wenn auch nicht ganz altersentsprechendes „Yippieh!“ von sich, während Ibuki mangels Person zum Anspringen ihr treues rosa Kuschelkissen umarmte. Aoba war etwas zurückhaltender und insgesamt weniger der Typ für große Euphorie, aber auch er lächelte, und Misato war einfach nur glücklich, dass es endlich vorbei war. „Manonomann….“ „Applaus, Applaus!“ kam es dann hinter ihr von einer männlichen Stimme, deren Besitzer soeben auf die Plattform getreten war. „K-Kaji!“ Der Angesprochene grinste nur. „Hier, fang!“ Als Misato das Wurfgeschoss mehr aus einem Reflex heraus als aus irgendeiner Freude über sein Auftauchen gefangen hatte (nicht, dass sie jetzt dazu in der Stimmung war, sich mit ihm zu streiten) fand sie zwischen Fingern zu ihrem großen Erstaunen und noch größerer Freude eine eisgekülte Dose von ihrem Lieblingsbier, an deren Oberfläche sie sogar noch den dünnen Wasserfilm spüren konnte, bestehend aus Luftfeuchtigkeit, die durch die Temperatur (und, wie Misato insgeheim vermutete, auch durch die unwiderstehliche Anziehungskraft) der Dose an deren Außenseite kondensiert war. Die Freude, die sie beim Anblick eines solchen Prachtexemplars schon pauschal verspürte, wurde noch dadurch intensiviert, dass sie ihre letzte Dose gestern Morgen gehabt hatte und daher im Laufe des Tages schon so die einen oder anderen Entzugserscheinungen verspürt hatte… Doch gerade als sie sich nach dieser scheinbaren Geste himmlischer Gnade versucht sah, ihrem Ex-Freud spontan die Vergebung anzubieten – zumindest, nach dem sie dieses goldene Geschenk des Himmels aufgemacht und leergetrunken hatte – zeigte dieser sein wahres Gesicht und die teuflischen Intrigen, zu denen es ihn befähigte: „Aber, aber, Katsuragi, du bist doch noch im Dienst.“ Als ihr klar wurde, dass sie gezwungen sein würde, diese wundervolle Dose die ganze Zeit über lechzend anzustarren, während sie den Papierkram erledigte, der obligatorisch auf jeden dieser Kämpfe folgen würde, wobei sie das Vergnügen haben würde, langsam und qualvoll zu beobachten, wie ihr heißersehntes Getränk langsam aber sicher den idealen Temperaturbereich verließ, rief ihr das wieder äußerst Brüsk in Erinnerung, warum sie sich damals den Gefallen getan hatte, diesem Vollpfosten den Laufpass zu geben. „Och Menno…“ schmollte die Leiterin der Einsatzabteilung, während sie sich in Gedanken schon mal auf den Anblick ihres Schreibtisch gefasst zu machen versuchte. Auch, wenn es albern klang, sich um so etwas Sorgen zu machen, wenn theoretisch genauso gut die ganze Menschheit futsch gewesen sein könnte, so hatten sie bei dem langen Kampf einen erheblichen Anteil der Innenstadt in Schutt und Asche gelegt, sodass wenn die turmhohen Stapel aus Beschwerdebriefen praktisch vorprogrammiert waren. Es war damit zu rechnen, dass die bereits von Abwanderung gebeutelte Stadt schon sehr bald noch ein gutes Stück leerer sein würde – Sie konnte es diesen ganzen kleinen Leuten nicht verübeln: Wenn sie selbst vor dem nichts stehen würde, weil ein noch nicht ganz abbezahltes Haus oder ein Laden, der ihre einzige Erwerbsquelle war, der Schlacht zum Opfer gefallen wäre, würde sie wahrscheinlich auch meckern wollen, auch, wenn es sonst nichts gab, was sie hätte tun können – Was sie im Moment aber wirklich nicht konnte war, für diese Leute irgendwas zu tun – Sie war für die Kampfeinsätze zuständig, nicht für die Versicherungsgelder oder die Wiederinstandsetzung der Infrastruktur, und sie sah nicht ein, wie es irgendjemanden helfen würde, dass ihr Schreibtisch unter dem Gewicht des Papiers zusammenbrach… Schließlich kehrten ihre Gedanken jedoch wieder sehr schnell in die Gegenwart zurück, um ihr Gesicht mit hochroter Farbe zu füllen, als der Mann, der das ganze Bier-Debakel zu verantworten hatte, scheinbar noch nicht genug hatte, und auch noch beschloss, sie vor ihren Vorgesetzten lächerlich zu machen, indem er sich zur obersten Plattform hinwendete, und tatsächlich winkte. „Hey, Herr Vizecommander!“ rief er schmerzhaft laut, gemächlich auf den ohnehin schon strapazierten Nerven seiner Ex-Freundin herumstampfend wie ein ausgebüxtes Trampeltier. „Es macht doch nichts aus, wenn Kastsuragi den ganzen Papierkram erst morgen erledigt, oder?“ „W-Was machst du da…?“ zischte sie mit der kleinsten Lautstärke in seine Richtung, die ihren Zorn noch überzeugend hinüberbringen konnte. Selbstverständlich sprach er unbekümmert bei voller Lautstärke weiter: „Ach, warum so zugeknöpft? So kenn ich dich ja gar nicht…“ „Wir sind hier auch bei der Arbeit, du Kindskopf!“ „Guck mal, wer da spricht.“ Gab Ritsuko seufzend hinzu. „Also, wie sieht’s aus?“ fragte Kaji scheinbar völlig unbeschwert. Das ganze Spektakel betrachtend beschloss Fuyutsuki, einfach mal nicht näher darüber nachzudenken… von den Kindern hätte er sowas ja erwartet, aber… manchmal kam er sich vor, als sei er der einzige, der hier noch an die Rettung der Erde dachte - Ja, eigentlich war er wahrscheinlich sogar der einzige, der sich darum sorgte. Das, was Ikari und die anderen unter „Rettung der Welt“ verstanden, hatte mit dem, was ein gesunder Menschenverstand dazu sagen würde, herzlich wenig zu tun. Nein, selbst er konnte nicht mehr guten Gewissens behaupten, dass die „Rettung der Welt“ das war, worauf er hin arbeitete; Mal versuchte er es wegzurationalisieren, indem er sich sagte, Ikaris Pläne seien das kleinere Übel, mal gab er einfach nur zu, dass er der Idee, diese Frau wiedersehen zu können, genau so wenig widerstehen konnte, wie der dunkel gekleidete Mann an seine Seite; Er brauchte sich nichts vorzumachen: Das, was man brauchte, um für die Rettung der Welt zu kämpfen, hatte er nicht, und auch, es auf sein Alter zu schieben, wäre am Ende nur eine Ausweichstrategie. Er konnte nur hoffen, dass einer dieser jungen Leute dieses Geschenk an seiner statt erhalten hatte. „Das wird kein Problem sein. Es ist ohnehin von Vorrang, dass Sie sich um die Piloten kümmern.“ Wenn der Commander zu dem Ganzen eine Meinung hatte, dann äußerte er sie nicht; Es wurde ihm zwar nachgesagt, diese Organisation mit strenger Hand zu führen, über nachdem der Feind besiegt war, sah er keinen Grund mehr für strenge Führung; Letztlich hatte er für Trivialitäten wie Papierkram und PR keine Liebe übrig, und sah nicht, warum diese Entscheidung nach seiner Beteiligung verlangt hätte; Es war ihm ziemlich gleich, was Fuyutsuki da entscheiden würde. Er hatte selbst dringlicheres zu erledigen, sodass er sobald er die Ansage vernommen hatte, nach der man bereits mit der Bergung der Evangelions begonnen hatte, kommentarlos von seinem Platz aufstand. ________________________________________________________ (1) Das Lied aus dem zweiten Teil ist übrigens der offizielle Song aus dem Spiel – Hört den euch echt mal an, es ist echt zum dahinschmelzen *.* (2) Auf fanfiction.net gibt es jetzt auch eine wenn auch sehr unfertige englische Version von Children of the Prophecy, falls einer es mal seinen ausländischen Kumpels empfehlen will. (3) Habt ihr schon gehört? 3.0 wird den internationalen Titel „You can (not) redo“ haben, und 4.0 ist für 2013 zu erwarten! (Vielleicht haben die parallel daran gearbeitet) Ich hatte ja erwartet, dass die ein anderes Hilfsverb nehmen würden, aber ich bin in erster Linie froh, dass es jetzt bestätigt ist, dass wir auch wirklich zwei Filme bekommen und nicht, wie es zunächst hieß, zwei kürzere Teile die zusammen herausgegeben werden. Ich drücke immer noch die Daumen dafür, dass der vierte Teil „You will (not) survive“ heißen wird… (1) Ich hatte ja versprochen, dass dieses Kapitel das Storyarc beenden würde, aber als der Batzen Text dann fertig war, beschloss ich, ihn in zwei Kapitel zu splitten. Klickt also gleich rüber zum nächsten Kapitel: 10: [Trophäe] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)