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Children of the Prophecy

Die Kinder der Prophezeihung
von

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06: [The First Impression]


 

What is love but the strangest of feelings?

A sin you swallow for the rest of your life?

You've been looking for someone to believe in

To love you until your eyes run dry
 

She lives by disillusion glow

We go where the wild blood flows

On our bodies we share the same scar

Love me, wherever you are
 

How do you love with a fate full of rust?

How do you turn what the savage tame?

You've been looking for someone you can trust

To love you, again and again
 

How do you love in a house without feelings?

How do you turn what the savage tame?

I've been looking for someone to believe in

Love me, again and again
 

She lives by disillusion's glow

We go where the wild blood flows

On our bodies we share the same scar
 

How do you love on a night without feelings?

She says, love, I hear sound, I see fury

She says, love's not a hostile condition

Love me, wherever you are
 

-Razorlight, ‘Wire to Wire’
 

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Es war mehr, als ein gewöhnlicher Traum, und weniger, als eine dieser Visionen.

Gleich einem gewöhnlichen Traum begann es mit einer harmlosen Erinnerung, einer alltäglichen Szene, die man glatt mit der Realität verwechseln könnte.

Shinji fand sich selbst dabei, wie er am Rand der Straße entlangschritt, die ihn jeden Tag zur Schule führte, die Kopfhörer in den Ohren, den Blick vernebelt mit trüben Gedanken, die sich wie ein Vorhang zwischen ihn und die aufheiternde Wirkung legten, welche die warmen Strahlen der Sonne für gewöhnlich auf die Menschen unter ihr hatte.

Soweit eine ganz simple, gewöhnliche Begebenheit, wie sie sich praktisch jeden zweiten Tag abspielte. Er war nur eine einzelne, unscheinbare Figur in einer großen Masse von Menschen, die Tokyo-3s belebten Bürgersteigen folgten.

Doch der Verlauf des Traumes löste sich spätestens dann von den Gleisen der Realität, als er die Überführung erreichte, auf der er die Straße zu seiner Rechten zumeist zu überqueren pflegte.

Sein bis jetzt betrübt gesenkter Blick richtete sich ursprünglich nach oben, seine kobaltblauen Augen weiteten sich, um der Angst und der Ehrfurcht Platz zu machen, die sie urplötzlich, und doch gemächlich, wie in einer Zeitlupenaufnahme eines Wimpernschlages.

Dort oben, exakt am Ende der Treppe, die auf die Überbrückung führte, stand ihm eine eindrucksvolle Gestallt gegenüber, die jede Faser seines Wesens ins Zittern versetzte.
 

Dort oben stand ein junger Mann, dessen ganze Form in scharfe Schatten gelegt war.

Er stand breitbeinig da, die Fäuste geballt, die Haltung aufrecht, die kurzen, dunklen Haare vom Wind gepeitscht, fest und entschlossen auf den Jungen herabstürzend wie eine geisterhafte Erscheinung.

Seine Haut hing von seinem Fleisch herab wie zerlumpter Stoff, und allein der Anblick der Muskeln, Sehnen und Knochen, die darunter zum Vorschein kamen, reichten, um die Eiseskälte über die Wirbelsäule des ängstlichen Jungens fließen zu lassen wie zählflüssiger, klebriger Sirup, der nie ganz herunterfloss und weg war, sondern eine deutliche Spur hinterließ.

Und doch schien der Mann dort oben sich seines entstellten Gesichtes nicht im geringsten zu schämen; Ganz im Gegenteil, er versuchte gar nicht, es zu verbergen, sondern trug es stolz als Zeichen seiner Entscheidung und als Testament seines Willens, der so stark in seinen Augen brannte, dass sie rot leuchtend wie Blut erschienen.

Es waren Augen, in die man nur einmal hineinsehen musste, um zu begreifen, dass diese Person nie etwas getan hatte, was er nicht tun wollte.

Diese Macht lag jenseits seiner wildesten Träume.

Eingeschüchtert schluckend starrte Shinji nach oben, einen wilden Kampf von Angst und Bewunderung in seinem Blick tragend. Doch das kreuzen jener klingen Blieb still, kein Laut, kein Wort, kein Zeichen drang nach außen.

Das innere Gemetzel hätte nur ein ängstliches Zögern erlaubt, ein vorsichtiges Schlucken, das verlagern des Gewichtes von einem Bein auf das andere und nicht viel mehr, bis der Kampf entschieden und der Weg beschlossen war, doch während sich das Gefecht in seinem innersten hinzog, war der wie betäubte, die Welt nur entfernt wahrnehmende Rest seiner selbst nicht genug, um der hypnotischen Anziehungskraft zu wiederstehen, die der junge Mann auf ihn ausübte.

Ohne den Blick vom oberen Ende der Treppen abzuwenden stieg er wie in Trance Stufe um Stufe, auch, wenn die Rolltreppe begonnen hatte, Rückwärts zu laufen und sich der Wind ihm umso stärker gegenüber stellte wie eine regelrechte Wand aus Luft, je eifriger er der furchteinflößenden Finsternis entgegen stieg.

Der Wind zerwühlte seine Haare, schaffte es irgendwie, die Knöpfe seines Uniformhemdes aufzureißen und seine blanke Brust zunehmends zu peitschen und ein stärkerer Windstoß, der ihn fast von der Rolltreppe geworfen hätte, riss seinen Musikplayer aus seiner Hand und seinen Ohren, um ihn mit in den Himmel zu reißen, bis er auch nur gelegenheit hatte, zu versuchen, danach zu greifen.

Als er seinem treuen Andenken hinterhersah, war er von dessen Verschwinden so eingenommen, dass er gar nicht realisierte, dass sowohl der Wind als auch die Rolltreppe zum Halten gekommen waren.

Der Weg vor ihm war klar, aber jetzt, wo er das verloren hatte, was einmal sein Schutz gegen das laute Blasen des Windes hätte sein sollen, hätte er sich genauso gut in einer gleichförmigen Wüste sein können.

Er war tief erschüttert, wusste nicht mehr weiter, war gelähmt von seiner Furcht.

Doch er fürchtete sich zu sehr, sich umzudrehen und den, was vor ihm lag, den Rücken zuzukehren…

Ja, da war ein Versuch, Rückwärts zu flüchten, doch mitten in einem Schritt änderte sich seine Richtung nach vorne und sein Antlitz wurde zum Spiegel einer Entschlossenheit, die ihm verbot, nicht weiter zu gehen.

Er stieg mühelos nach oben, mit festen Schritten eine Stufe nach der anderen nehmend.

Als der junge Mann oben angekommen war, fragte er sich so ganz am Rande, wer der zitternde, zögernde kleine Junge war, der mit einem tränenerfüllten Gesicht am unteren Ende der Treppe stand, und setzte seinen Weg zielstrebig fort, sich keine weitere Sekunde nehmend, um zurückzublicken.
 

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Vom vielen Laufen sichtlich ermüdet konnte Yui nicht anders, als sich eine kurze Atempause zu gönnen, und an die Wand gestützt stehen zu bleiben. Diese Schuhe drückten an allen Ecken und Enden, und sie konnte deutlich spüren, wie die Sonne mit ihrer sommerlichen Hitze fast wie ein physisches Gewicht auf ihren Kopf und ihren Nacken herunterknallte.

Es kostete sie schon etwas an Willenskraft, um den Kopf anzuheben.

Jetzt durchstreifte sie die Stadt schon so lange, Tag und Nacht, immer auf der Flucht, immer alle möglichen Orte abklappernd, und immer ohne Ergebnis.

Diese Entität… Leatha, wenn man sie denn schon klassifiziert hatte, war wohl das einzige, bei dem sie sich darauf verlassen konnte, das es nicht immer an einem der Orte sein würde, an dem es das letzte Mal gewesen war. Dieses Wesen wusste genau so Bescheid wie sie und hatte schon von Anfang an gewusst, dass sie sie jagen würde.

Sie war nur ein einfaches Mädchen, wie sollte sie da hoffen, etwas finden zu können, bei dessen Suche der ganze NERV-Sicherheitsdienst versagt hatte?

Vielleicht wurde es ja Zeit, dass sie einsah, dass es alles keinen Zweck gehabt hatte…

Nein. Das war sie ihrem Bruder und ihrem Vater schuldig… dass sie zumindest bis zum bitteren Ende ankämpfte.

Ihr Blick richtete sich zum Himmel.

Dieser Stromausfall, wenn er denn überhaupt in dieser Version der Ereignisse vorkommen würde, ließ sich Zeit… sie fragte sich, ob sie Shinji mit dem, was sie da gesagt hatte, denn überhaupt genug gedient hatte. In Gedanken ging sie noch einmal vergangene Versionen durch. Sie hatte ihm nicht davon erzählt, wie er sich mit seinem EVA an den Wänden des Schachtes festkrallen würde, um seine Mitstreiterinnen vor dem Sturz in den Tod zu bewahren – Das hatte er in den meisten Fällen ganz von allein hinbekommen und es war wichtig, dass er nicht das Gefühl bekam, dass er nur wegen ihrer kleinen „Tipps“ am gewinnen war – Sie wollte, dass er sich etwas mehr Selbstvertrauen zulegte, teils, weil er ihr viel bedeutete und sie ihn einfach nicht leiden sehen mochte, teils, weil sie wusste, dass er es sehr, sehr brauchen würde, wenn die wirklich problematischen Kämpfe begannen… Bis dahin aber musste sie mit kleinen Ratschlägen und Tipps für die Zukunft sein Vertrauen gewonnen haben, damit er bei den entscheidenden Dingen auch auf sie hören würde…

Schon überhaupt der Gedanke daran, sein Vertrauen erst gewinnen zu müssen, klang absurd und erinnerte sie daran, wie schrecklich einsam sie hier war, in einer Welt, in der sie eigentlich niemals existiert hatte… Dieser Junge, mit dem sie sich da bis jetzt unterhalten hatte, war trotz aller Ähnlichkeit nicht der Shinji, den sie einst kennen gelernt hatte….

Was konnte sie noch tun? Die Leute bei NERV vor dem Engel oder dem Stromausfall warnen? Das hatte sie alles schon probiert, und nie hatte es etwas gebracht… am Ende war alles nur verstrickter, komplizierter und schlimmer geworden… Ähnlich sah es mit den vielen Menschen aus, die gerade an EVA 04 arbeiteten… sie wusste, was geschehen würde, aber sie glaubte nicht, dass sie es verhindern konnte. Es hatte noch nie geklappt… Mit der Zeit hatte sie sich damit abgefunden, dass sie nicht alle Probleme dieser Welt lösen konnte, sondern sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren musste, ohne zu sehr mit den Ereignissen zu interferieren…

Jetzt, wo sie wusste, dass es ihre letzte Chance war, wogen die vielen Leben, die sie nicht würde retten können besonders schwer…
 

„Hey, du! Was machst du denn an einem Ort wie diesem?“

Oh nein. Zwei Männer. Polizisten.

Klar. Diese verlassenen Warenhäuser hier boten ja nicht nur für Leatha, sondern auch für gewöhnliche Verbrecher wie Diebe oder Drogendealer ein gutes Versteck, und hinter denen waren sie wohl her.

„Hey, Taniguchi, kommt dir die Kleine nicht auch bekannt vor?“

„Ja, die passt doch ganz genau auf die Beschreibung dieses Mädels, dass neulich aus diesem Krankenhaus geflüchtet sein soll…“

Verdammt. Wohl wissend, dass ihre Chancen höchst gering waren, drehte sich Yui dennoch um und lief, was das Zeug hielt.

Sie musste es wenigstens versuchen.

Auch, wenn es klar war, das sie verlieren würde, so wollte sie sich zumindest nicht kampflos ergreifen lassen…
 

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„Das ist es also?”

„Ja, Commander.” Bestätigte Dr. Akagi, stolz auf das zylindrische Metallgehäuse klopfend, dessen geöffnete Seite dem Commander zugewendet war.

Ernüchtert stellte sie fest, dass auf der Oberfläche noch die einen oder anderen Reste einer braunen Kruste erkennbar waren, kleine Brösel hier und da, von denen sie noch einige unter ihren Fingernägeln hängen hatte.

Man musste schon genauer hinsehen, um sie zu bemerken, man brauchte schon den prüfenden Blick einer Wissenschaftlerin; Es war also gut möglich, dass er diese Stellen ganz so, wie sie es hoffte, genauso zu übersehen, wie sie selbst es getan hatte, als diese Substanz noch die selbe, tiefrote Farbe hatte wie der Lack des nichtssagenden, zylindrischen Gerätes, das außer den Drucktasten, die für seine Öffnung gleichzeitig gedrückt werden mussten, den Lederlaschen, die erlaubten, es wie einen Rucksack zu tragen, und den unscheinbaren Anschlussstellen für Bildschirme und dergleichen nur eine völlig glatte Oberfläche besaß.

Das Gehäuse bestand aus zwei Hälften, die sich dank einem Scharnier auseinanderfalten ließen, wie ein Buch, und gerade jetzt stand es zu Vorführungszwecken weit offen, um den Commander Einblick zu gewähren.

„Das stimmt ganz genau. Dies sind die Früchte… von Projekt Kronos.“

„Dann ist es endlich einsatzbereit?“

„Theoretisch schon, aber wenn man die Natur des Ausgangsmaterials bedenkt, wäre es sinnvoll, zuvor ausführliche Testreihen durchzuführen, bevor wir mit der Jagd auf unser entlaufenes Versuchsobjekt beginnen. Soweit funktioniert es jedoch sehr gut, wenn man bedenkt, dass wir bei den Tests durch die begrenzte Haltbarkeit der Hauptkomponenten eingeschränkt sind.“

„Dann tun Sie das.“

„Sehr wohl.“ Entgegnete Akagi, noch während sie sprach das Gehäuse ihrer Erfindung zuklappend. Erst auf den zweiten Blick bemerkte sie die roten Streifen, die sie damit auf dem Schreibtisch des Commanders zurückgelassen hatte.

„Oh, verzeihen Sie… Ich werde mich gleich darum kümmern.“
 

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Sie hatte den kleinen Tisch aus der Lehne des vor ihr befindlichen Sitzes ausgeklappt, aber das wackelige Stück Plastik mit einer runden Vertiefung für ein Getränk konnte wohl kaum als eine brauchbare Unterlage bezeichnet werden.

Ja, sie konnte das Buch, welches sie für die lange Fahrt mit sich geführt hatte, darauf abstellen, aber wenn sie versuchte, es zu lesen, dann würden die Buchstaben vor ihren Augen verschwimmen und am Ende würde ihr nur der Kopf weh tun – Das leichte, aber doch merkliche Ruckeln des Zuges machte es ihr einfach unmöglich, zu lesen.

Selbst wenn der Zug kurz halten sollte, so tat er das doch immer so kurz, dass es sich kaum lohnte, ihre Lektüre aufzuschlagen.

Also blieb das Buch unangetastet auf dem vormals erwähnten, ausklappbaren Tischlein liegen, während ihre blassen Finger unnütz in ihrem Schoß lagen, ohne es anzufassen.

Natürlich hätte sie auch auf einen der einander zugewandten Sitzbank-Paare Platz nehmen können, zwischen denen ein etwas soliderer Tisch stand, der vermutlich deutlich weniger wackeln dürfte, aber das traute sie sich nicht.

Es gab nur vier solche Tische in diesem Wagon, und wenn sich ihr jemand gegenübersetzen sollte und sie versehentlich seine oder ihre Füße berührte… oder auf dem Tisch zu viel Platz verbrauchte…

Nein, sie blieb lieber da wo sie war, in irgendeinem unscheinbaren Eckchen des Wagons verschanzt, direkt neben dem Fenster sitzend, sodass sie das kühle Glas an ihrer Schulter spüren konnte und sich von drei Seiten eingeschlossen das Gefühl geben konnte, dass sie hier kaum jemand bemerken würde.

Sie mochte es nicht, sich anderen zu zeigen… oder gesehen zu werden.

Ihre leise, zögerliche Stimme war nicht für die Ohren eiliger Menschen und ihr Körper auch nicht für prüfende Blicke gemacht… Sie mochte sich ja nicht mal selber sehen, und doch wollte das verblasste, minimal vorhandene Spiegelbild, dass sich immer ein stückweit über die Landschaft legte, wenn sie zum Fenster hinaus sah, nie ganz verschwinden.

Besonders schlimm war es, wenn sie durch einen Tunnel fuhren.

Dann war ihr Spiegelbild nämlich alles, was noch zu sehen war.

Oh nein… Sie wollte sich selbst nicht sehen müssen… und auch nicht gesehen werden…

Sie hatte es alles so satt, am allermeisten sich selbst…

Tokyo-3… In diesen schweren Zeiten hatte ihr Vater sich entschieden, ihre Suche nach Arbeit in dieser gefährlichen Stadt fortzusetzen, aus der jetzt alle zu fliehen schienen. Es war nur natürlich, wenn die fliehenden Menschen dabei offene Arbeitsstellen zurück ließen… Gerade diese mysteriöse Organisation namens NERV, von der man nicht viel anderes wusste, als das sie eben in Tokyo-3 aktiv war, sollte die wenigen heldenhaften Menschen, die bereit waren, in solch einer ständig dem Krieg preisgegebenen Stadt zu leben und zu arbeiten, sehr gut entlohnen.

Soweit die Begründung ihres Vater, aber das stille Mädchen mit dem Buch wusste nicht wirklich, was sie dort eigentlich sollte. Sie wollte ihrem Vater kein Unrecht tun, zumal er immer den ganzen Tag arbeitete, um seine Tochter durchzufüttern – aber gerade deshalb sah sie ihn ja fast nie, und sie nahmen eigentlich kaum noch Anteil am Leben des jeweils anderen… und außerdem… konnte sie es ihrem Vater ja nicht verdenken, dass er keine Zeit mit ihr verbringen wollte… es könnte ja immerhin sein, dass sie ihn an ihren Mutter erinnerte, auf die sie immer noch eine Wut dafür hegte, dass er sie beide einfach verlassen hatte…

Oder gab er seiner Tochter die Schuld für das, was mit seiner geliebten Ehefrau geschehen war? Sie wusste es nicht, aber was sie sicher wusste war, dass ihr Vater ihre Einsamkeit nicht lindern können würde… genau so wenig wie sonst irgendwer.

Es war doch überall dasselbe, egal, wo es sie hin verschlug. Es machte nichts, wenn sich die Menschen in ihrer Umgebung stetig wandelten, wenn sie doch ohnehin nie den Mut hatte, irgendeinen von ihnen anzusprechen… Es würde sie nicht wundern, wenn der Großteil der Kinder in ihrer alten Klasse gar nicht bemerkt hätte, dass sie überhaupt jemals da gewesen war – Egal, wo es sie hin verschlug, wenn sie den Ort wieder verlassen musste, war nie jemand da, um sie zu verabschieden…

Und mit jedem Tag, der verging, war ihr alles hier nur mehr und mehr zu wider… Sie hatte von dieser Welt, und vor allem von sich selbst eindeutig genug… Und wer weiß, vielleicht war ihre Zeit ja bald gekommen… Wenn sie ihre porzellanhellen Finger betrachtete, dann nicht, ohne dass ihr einfiel, dass sie schon immer recht schwächlich gewesen war, und in letzter Zeit… tja, da war es ihr regelrecht, als ob irgendetwas das Leben immer weiter und weiter aus ihr heraussaugen würde wie ein blutsaugender Parasit.

Je näher sie dieser Stadt kam, desto mehr verspürte sie den Drang, sich irgendwie hinzulegen…

Wer weiß, vielleicht war das ja das letzte Mal, dass sie in eine andere Stadt zog…
 

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Nach dem Kampf gegen den neunten Engel war der Rest der schulfreien Woche für die Children eine mehr als willkommene Auszeit, obgleich die Zeit, die sie im Schwimmbad, in ihren Betten oder sonst wie auf der faulen Haut liegen konnten dadurch begrenzt wurde, dass Misato ihnen gelegentlich boshaft grinsend ihre Schulbücher entgegen hielt und mit Taschengeldentzug und zusätzlicher Hausarbeit drohte.

Shinji machte sich recht gewissenhaft an die Arbeit, und auch Asuka zeigte sich bald einsichtig, auch wenn es wohl nur daran lag, dass sie zu stolz war, um weitere schlechte Noten hinzunehmen.

Als die Schule zu Beginn der nächsten Woche dann wieder losging, merkte Shinji zwar, dass er immer noch deutliche Wissenslücken hatte, aber immerhin hatte er jetzt so in etwa eine grobe Ahnung davon, wovon die Lehrer da vorne denn sprachen.

Anders als sie es erwartet hatten, blieb es ihnen auch erspart, die Einzigen zu sein, die bei den neusten Gesprächsthemen nicht mitreden konnten – allerdings war das für die Children kaum ein Grund zur Freude, denn der Grund dafür, dass nicht alle dabei waren, sich über die spannenden Erlebnisse auf der Klassenfahrt auszutauschen war, dass die meisten Schüler hier die Kinder von NERV-Angehörigen waren… und von ihren Eltern so ganz beiläufig etwas über Shinjis jüngste „Heldentat“ erzählt bekommen hatten.

Die Meinungen der Schülerinnen und Schüler waren geteilt – Einige fanden den Gedanken, dass die als Schulschwärme geltenden Piloten vergeben sein könnten, ganz erbaulich, weil sie hofften, so selbst mal vom anderen Geschlecht beachtet zu werden, bei anderen verursachten die Neuigkeiten hingegen kollektives Seufzen, wie sie doch alle gehofft hatten, selbst einmal das Herz von einem der Beiden erobern zu können… worin sie sich aber alle einig waren war, dass sie nur, weil Shinji sie nicht hatte in den Vulkan plumpsen lassen, wohl direkt ein Paar sein mussten… oder, dass es zumindest ganz lustig sein würde, die zwei zu ihrem großen Leidwesen damit aufzuziehen. Das da irgendwo etwas Wahres dran war, machte es nur noch schlimmer – Selbst bei Touji und Kensuke war Shinji nicht mehr sicher – „Verräter! Das du während wir weg sind, mit dem Feind anbändelst, hätte ich dir echt nicht zugetraut!“ scherze Kensuke. „Ich wusste es! Einmal Partnerlook, da hätte ich euch die Ausreden noch geglaubt, aber zweimal…“

„Asuka kann mich doch nicht mal ausstehen.“ Hatte Shinji darauf nur geantwortet, sich selbst direkt wieder dafür verfluchend, das der Klang seiner Stimme es sehr offensichtlich gemacht hatte, das er sich sehr wünschte, dass es anders wäre.

Doch das hatte Toujis Grinsen keinen Abbruch getan, sondern es nur noch verbreitert: „Ach, mach dir da mal keine Sorgen! Was sich neckt, das liebt sich! Selbst die schönsten Traumpärchen haben mal Ehekrach!“

Nach dem Gekicher, dass darauf folgte, wurde das mit dem Ehekrach zu einem Running-Gag, nein, es verselbstständigte sich gar als Meme durch die ganze Schülerschaft; Selbst Nagato, der bei den Scherzereien sonst so gut wie nie mitkicherte, gegen Klatsch und Tratsch eigentlich eine Abneigung hatte und sich dafür entschuldigte, die Ereignisse des Kampfes allzu voreilig herumerzählt zu haben, merkte in einem ruhigen Moment an, dass er sich nicht schämen musste und das Asuka ja doch nicht ganz so schlimm sei – Shinji interpretierte das mal als Nagatos ungelenken Versuch, einen Witz zu reißen.

Er war darin weder erfahren noch gut.

Was wohl kaum erwähnt werden musste war, das Asuka über das Getuschel, dass sie nun in allen Ecken und Ritzen hinter ihrem Rücken zu hören bekam, ganz und gar nicht erfreut war, und ihren Ärger darüber selbstverständlich gehörig an Shinji ausließ.

Doch wie das mit Klatsch und Tratsch so war, hatte diese ganze Geschichte keine lange Halbwertszeit, insbesondere, da Shinji und Asuka dadurch, dass sie sich überhaupt nicht wie ein Paar verhielten, keinen neuen Gesprächsstoff lieferten und obgleich Touji sie in seiner Funktion als Klassenclown immer noch gelegentlich wegen ihrem „Ehekrach“ aufzog, so fand zumindest der grobe Rest der Schule bald etwas anderes, über das sie sich die Mäuler zerreißen konnten und so war gegen Mitte der Woche auch schon wieder Normalität eingekehrt, sowohl in der Schule, als auch im Katsuragi-Haushalt.

Das hieß, dass auch die Morgenroutine sich wieder eingependelt hatte: Shinji war meist als erster auf den Beinen, entweder, weil er der einzige in diesem Haushalt war, der seinen Wecker weder kunstvoll ignorierte noch gewalttätig behandelte, oder weil ihn eine dieser Visionen aus dem Schlaf gerissen hatte, und zog sich zumeist direkt wieder seine Schuluniform über.

Da Asuka dazu tendierte, das Bad zumeist für den Großteil des Morgens zu blockieren, hatte er sich angewöhnt, seinen Kamm in seinem Zimmer aufzubewahren, um seine Haare in Ordnung bringen zu können ohne eine halbe Stunde warten zu müssen.

Nachdem das erledigt und seine Schulsachen gepackt waren, ging es ab in die Küche, wo er sich zumeist rasch seine Schürze überzog (Egal, wie sehr Asuka ihn deswegen auch aufziehen mochte, er wollte nicht dass seine Schuluniform schon fünf Minuten nachdem er sie angezogen hatte von oben bis unten von Flecken bedeckt war.) und sich an die Produktion des Frühstücks machte, damit es auch schön fertig war, wenn die beiden Damen sich irgendwann mal an den Tisch bequemen würden – zumindest bei Asuka würde das wohl noch eine Weile dauern, zumal er sie gerade erst im Vorbeigehen fröhlich summend das Bad betreten hören hatte.

Heute gab es Spiegelei mit Salat und Würstchen mit dem obligatorischem Schüsselchen Reis und einem Süppchen als Vorspeise – Ein Zwei-Gänge-Frühstück, wie es den Rettern der Erde gebührte. Für Misato stand selbstverständlich auch noch eine Dose Bier auf dem Tisch.

Langsam, so glaubte Shinji, hatte er den Dreh mit dem Kochen so langsam oder sicher heraus, zumindest, wenn man nach Misatos Lobpreisungen ging – wobei sie natürlich schon immer seltsame Definitionen von „lecker“ gehabt hatte.

Er hoffte einfach mal, dass ihm die heutige Portion nicht allzu sehr misslungen war – Naja, das würde sich spätestens in einer halben Minute zeigen zumal Shinji kaum, dass er die erste Portion fertiggestellt und auf dem Tisch dekorativ neben der Bierdose angeordnet hatte auch schon hören konnte, wie Misato die Tür ihres Zimmers aufschob.

Auch, wenn er es zunächst nie geglaubt hätte, uns es, wenn er genauer darüber nachdachte, doch verstörend auf ihn wirkte, so nahm er doch kaum noch Notiz von der zombiehaften Art, auf die sein leicht bekleideter Vormund noch halb schlafend zum Esstisch wankte; Die Bierdose, die sie gleich als erstes öffnete, würde das vermutlich gleich wieder richten.

Und tatsächlich folge gleich das allmorgendliche Ritual aus einem gepflegten Schluck, einem Freudenschrei inklusive kleiner Tränchen und der sofortigen Einstellung einer aufgedrehten Fröhlichkeit, auf die jedes hyperaktive Grundschulkind neidisch sein würde.

„Sag mal, Shin-chan…“ merkte sie an, während sie ohne ihre geliebte Bierdose einen Moment lang loszulassen mithilfe der anderen, freien Hand das Schüsselchen mit ihrer Vorspeise ergriff und diese probierte. „…Hast du die Suppe heute irgendwie anders gemacht?“

„Ja.“ Bestätigte Shinji mit einem Lächeln, erfreut darüber, dass seine Anstrengungen anscheinend nicht unbemerkt geblieben waren. „Es sind Fischflocken drin, die hat mir Ritsuko-san gegeben.“

Bevor Misato jedoch Zeit hatte, weitere Kommentare abzugeben, wurde die Aufmerksamkeit der beiden von einem lauten „AAAAH!“ aus Richtung des Badezimmers beansprucht, dem prompt das aufreißen mehrere Türen und eilige Schritte folgten, bis Asuka den zu einem kleinen Seitenflur mit Anschluss zum Bad hin führenden Vorhang rasch zur Seite riss, und sich sogleich ihrer Lieblingsbeschäftigung nachging: Sich über alles und jeden aufzuregen: „Warum ist das Wasser so heiß?!“

„Tut mir leid…“ gab Shinji zurück, auch, wenn er nicht so ganz begriff, warum sie sich dafür bei ihm und nicht beim Hausmeister beklagte. Er war einfach nur froh, dass sie dieses Mal zumindest daran gedacht hatte, ihre nicht jugendfreien Körperstellen notdürftig mit einem knappen, roten Handtuch zu verhüllen, zumal das Third Child nicht wirklich wild auf eine Wiederholung des schmerzhaften Zwischenfalls war, der sich kurz nach Asukas Einzug ereignet hatte.

Doch anscheinend waren seine Versuche, einfach mal brav klein bei zu geben, nicht genug um ihrem Zorn zu entkommen: Ganz im Gegenteil, das schien Asuka aus irgendeinem paradoxen Grund, den er nicht ersehen konnte, nur noch mehr zur Weißglut zu bringen: „Is ja klar, ne? Egal was los ist, du entschuldigst dich schon mal! Denkst du wirklich, alles ist immer nur deine Schuld?“

Von ihrer Perspektive aus sah es so aus: Sie stand auf den coolen, entschlossenen Shinji, nicht auf die lahmarschige Facette seiner Persönlichkeit, die er meistens zur Schau stellte. Sie wollte ihn also mit ein bisschen Provokation und „gutgemeinten Ratschlägen“ dazu bringen, seine attraktive Seite zu zeigen – Natürlich war sie da etwas mit sich im Zwiespalt; Einerseits wurde so ein Weichei nie einen ersthaften Rivalen für sie darstellen, und sich nach Belieben von ihr rumschubsen lassen, (Zum Beispiel wenn sie, wie jetzt, ihren Frust über das Getuschel in der Schule abreagieren wollte) andererseits müsste er deutlich erwachsener und männlicher werden, damit ihr Stolz ihn akzeptieren konnte… und das wollte sie eigentlich gerne.

Nur leider machte er es ihr mit seinem hilflos-vorsichtigem „Uhm…“ nicht gerade leichter.

„Bei dir ist das ja fast schon so etwas wie ein Reflex. Hast wohl Angst, gesagt zu kriegen, dass du was vergeigt hast, huh, Papasöhnchen? Na dann sorry, aber das kann ich dir nicht ersparen. Wenn du dich unbedingt für etwas entschuldigen willst, dann entschuldige dich dafür, dass mir das Shampoo ausgegangen ist! Ich hab dir doch gesagt, dass du welches kaufen sollst!“

„Aber es ist doch noch welches da…“

„Bist du bescheuert oder was? Erwartest du wirklich, dass ich denselben Schrott benutze, wie du und Misato?“ Sie hätte ja wenigstens erwartet, dass er sich zumindest ein richtiges Männershampoo zulegen könnte. … „Ich gab doch einen ganz anderen Haartyp, und außerdem braucht es schon hochwertige Pflege, um so aussehen zu können!“

„Uh… Tut mir leid…“

„Und du tust es schon wieder! Hast du Idiot mir denn auch nur eine Sekunde lang zugehört?“

„Ach, lass ihn nur.“ Mischte sich Misato abwinkend ein, der das Ganze dann doch langsam zu bunt wurde. „Das ist eben einfach Shin-chans Art.“

„Seine Art?“ empörte sich Asuka, den Zeigefinger ohne Scheu direkt auf ihren Vormund richtend. „Wäre es denn nicht deine Aufgabe, ihn zu erziehen, hm? Du bist viel zu sanft mit ihm! Hach, alles muss man selber machen! Was würdet ihr alle nur ohne mich tun!“ schimpfte sie, ein herablassend-frustriertes Seufzen von sich gebend, bevor sie sich nun wieder ihrem Mit-Piloten zuwendete und als nächstes ihm den Zeigefinger präsentierte.

„So, jetzt hör mal ganz genau zu, du Papakind! Wenn du immer sofort aufgibst, dann wird sich nie etwas ändern! Wenn nicht mal du für das einstehst, was du für richtig hältst, und andere beliebig auf dir rumtrampeln lässt, ist das doch nur ein Beweis dafür, dass du dir selbst überhaupt nichts zutraust!“

Hach, das fand Misato ganz süß, Asuka die große Pädagogin. Jetzt meckerten nicht nur Ritsuko, sondern auch noch die Kinder selbst an allem herum, was sie tat. Fehlte nur noch, dass sie den armen Shinji auf eine Couch setzte und begann, eine Psychoanalyse von ihm zu erstellen. Nur schade, dass Asuka bei all ihren großen Reden und Beschwerden nie Zeit blieb, um sich mal an die eigene Nase zu fassen. Es stimmte schon, das Shinji ein wenig mehr Selbstvertrauen brauchen konnte, aber Asukas eigenes Ego schien deutlich einer Kürzung zu bedürfen…

„Weißt du, wie man einen Kerl nennt, der nicht für das einstehst, was er für sein gutes Recht hält?“ setzte sie zeigefingerschwingend fort. „Einen Feigling nennt man das! Und es gibt wirklich nichts Widerliches auf dieser Welt als feige kleine Jungs. Deshalb habe ich auch nur Interesse an richtigen Männern! Kapischt? Kapitsch?!“

“Uh… Tut mir leid…” entgegnete Shinji, der Asukas “Dressurversuche” als Unterstreichungen seiner Chancenlosigkeit wertete und davon ausging, dass sie spätestens im nächsten Satz damit beginnen würde, von Kaji zu schwärmen.

Asuka war von seiner Reaktion ihrerseits keinesfalls beeindruckt: „Also wirklich…!“

„Oh!“ kommentierte Misato dann belustigt, die Rothaarige mitten im Satz unterbrechend. „Dein Handtuch ist verrutscht.“

Natürlich konnte es dafür, dass Shinji Asukas aus einer Mischung ihres aufgebrachten Zustandes und ihrer üblichen Unachtsamkeit resultierendes Missgeschick nicht in einem plötzlichem Anflug hellseherischer Kräfte vorausgesehen und präemptiv den Kopf zur Seite gedreht hatte, nur eine mögliche Strafe geben: Eine Ohrfeige quer übers Gesicht!

Dass es keinen Roundhousekick gab, lag einzig und allein daran, dass er ihr neulich das Leben gerettet hatte.
 

Und tja, so kam es dann eben, dass das arme, bedauernswerte Third Child mit einem deutlich sichtbarem Handabdruck im Gesicht zur Schule gehen musste – wenn er diese denn erreichen sollte, ohne vorher angesichts der Peinlichkeit der Angelegenheit und dem obligatorischen Getuschel im Erdboden zu versinken…
 

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„Projekt Kronos, hm?“

Kaji wurde aus den Piktogrammen auf seinem Bildschirm nicht schlau.

Hier, in seiner stillen Dunkelheit, umgeben von Kabeln, die mit ihren roten und blauen Farben sowie der klebrigen Kühlflüssigkeit, die ihre Oberflächen glänzend bedeckte, schon beinahe wie die Adern eines lebenden Wesens wirkten, war es ihm gelungen, auf der höchsten Geheimhaltungsstufe der Datenbank zuzugreifen und jede noch so gut versteckte Datei hier sehen zu können – Sehen, aber nicht öffnen; Die gute alte Rit-chan hatte hier keine halben Sachen gemacht, jeder Ordner in diesem Verzeichnis bedurfte noch wenigstens einiger dutzend Passwörter, damit jemand, der darauf Zugriff, sie auch lesen konnte.

Die Antworten zu erlangen würde wohl nicht so einfach werden, wie er sich das gedacht hatte, aber immerhin hatte er in Form der Namen der Ordner sozusagen eine Liste mit Suchbegriffen und einen ungefähren Überblick darüber, wie viel Wissen ihm da verborgen blieb… Auch, wenn die Namen der Projekte nicht allzu aufschlussreich waren. Sie waren alle nach Gottheiten oder symbolisch-mythologischen Andeutungen benannt, die ihm höchsten den Größenwahn der Autoren beschrieben.

Dennoch. Während die meisten Ordner entweder im Zeitraum nach dem Angriff des dritten Engels erstellt worden waren, oder schon mehrere Jahre alt waren, so waren die ältesten Dateien in diesem „Projekt Kronos“-Ordner schon ein paar Wochen vorem ersten Angriff erstellt worden – Das war eine Auffälligkeit, der nachzugehen war.

Vielleicht, so dachte er, ließ sich dort eine Erklärung darauf finden, wieso das Third Child mit so einem höllisch guten Timing gefunden und herbestellt worden war…

Zwei Wochen vor dem Kampf… war in diesem Zeitraum denn irgendetwas vorgefallen?
 

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Obwohl sie die hiesige Schuluniform zwar bestellt, aber noch lange nicht geliefert bekommen hatte, und daher keine Wahl hatte, als erst einmal provisorisch in der Uniform ihrer alten Schule zu erscheinen, schien sie kaum jemand wirklich zu bemerken, und das, obwohl sie das Gefühl hatte, eher durch den Raum zu schwimmen als zu laufen; Die fremde Luft der unbekannten Räumlichkeiten war für die vorsichtigen, unsicheren Schrittchen ihrer stets nahe beieinander bleibenden Füße eher wie eine zähe Flüssigkeit, die sie nur mit Mühen, Nöten und größten Anstrengungen durchqueren konnte.

In einem Moment fühlte sie sich von den vielen Jugendlichen in den Uniformen ihrer zukünftigen Schule die alle in dieselbe Richtung unterwegs waren, regelrecht bedrängt, schon allein, weil sie, je näher sie dem Schulgebäude kam, immer zahlreicher wurden und stetig miteinander tuschelten. Hatten sie gehört, dass sie eine neue Mitschülerin bekommen würden? Fragten sie sich, was zur Hölle sie hier wollen? Machten sie sich vielleicht insgeheim über ihr Aussehen lustig? Oh, wie sie es satt hatte, von anderen gesehen zu werden… Doch während sie in einem Augenblick noch die Blicke auf ihrem Rücken brennen zu spüren glaubte, so begann sie schon im nächsten zu zweifeln, ob sie denn überhaupt von irgendjemand bemerkt worden war. War sie denn nicht völlig unscheinbar, wenn nicht beinahe unsichtbar?

Standen die anderen denn nicht stetig als Grüppchen zusammen, tief in ihre Gespräche versunken, an denen sie es nicht wagen würde, teilzunehmen, weil ihr die Stimme nach der ersten Silbe schon versagen würde, wie sie es schon so viele andere Male an vielen anderen Schulen getan hatte. Gerade, weil sie wusste, dass sie das nicht hinkriegen würde, wenn sie die erstmals interessierten, anderen Mädchen, die schön und beliebt waren, Dinge fragten, hatte sie gelernt, sich in den Schatten zu halten und einen gepflegten Abstand von allen zu halten, die sie in ein Gespräch verwickeln könnten. Oh, wie sie sich selbst satt hatte.

Ihre inneren Leiden und Unsicherheiten blieben der Außenwelt verborgen; Alles, was sie sahen, war ein stilles, seltsames Mädchen, dass im besten Falle einen flüchtigen, nie jedoch einen zweiten Blick wert war. Das war es doch, was alle von ihr sahen, ihre Oberfläche, ihren hässlichen Körper, ihre unbeholfenen Gesten und ihre leise Stimme.

Nach dem ersten Eindruck hatte sie schon verloren, und sie hatte nie gelernt, wie man diesen richtig hinbekam. Deshalb war es auch an jeder Schule das gleiche – Sie hatte nicht lange gebraucht, um zu merken, dass sie das Problem war, und nicht die anderen.

Sie war höchst selbst daran schuld, dass niemand das langsame Verglühen ihrer Seele sah, als sie das Schulgebäude betrat und glaubte, genau zu wissen, was sie darin erwartete.

Sie hatte sich ja selbst verborgen, und sie fragte sich, warum sie darin nicht konsequenter war, und gleich in ihrem Bett liegen geblieben war, statt hierher zu kommen um das unausweichliche zu erleiden.

Sie hätte einfach sagen können, dass es ihr heute schlecht ging, und es wäre keine so große Lüge gewesen. Selbst jetzt glaubte sie, in sich das Pochen spüren zu können, das alles Leben so unheimlich langsam aus ihr herauszupumpen schien. Sie konnte nicht sagen, warum, aber seid die in dieser Stadt angekommen war, schien es nur schlimmer und schlimmer zu werden.

Aber es war am Ende nur ein Unwohlsein, kein wirklicher, akuter Schmerz der es gerechtfertigt hätte, ihrem Vater kummer zu machen und zuhause zu bleiben, sodass er sich am Ende noch verpflichtet fühlte, bei ihr zuhause zu bleiben…. Nein, sie wollte niemals mehr irgendjemandem zur Last fallen.

Also schritt sie einfach in die Eingangshalle der Schule hinein wie es von einer braven Tochter erwartet wurde und suchte nach dem Schuhfach mit der Nummer, die ihr zugewiesen worden war. Während sie sorgfältig und immer in der Angst, irgendetwas kaputt zu machen, das Fach öffnete und die für den Gebrauch innerhalb des Gebäudekomplexes gedachten Schuhe zaghaft und unter dem Gebrauch von so wenig Fingern wie möglich (Vielleicht, weil es ihr irgendwo „falsch“ vorkam, Dinge mit ihren Fingern zu beschmutzen) daraus entfernte, hörte sie entfernt das Gespräch einer Gruppe von vier Schülern mit, zu denen gerade ein Fünfter hinzugestoßen war.

„Guten Morgen, Ikari-kun!“ grüßte die einzige weibliche Stimme, die in der Richtung dieser Ansammlung zu vernehmen war. Ikari-kun. Auf ihrem Weg hierher hatte sie diesen Namen schon aus den Mündern zahlreicher anderer Mädchen gehört, die ihn teils deshalb wegen seiner „Niedlichkeit“ angehimmelt hatten – Schon allein die Tatsache, dass sie möglicherweise mit dem örtlichem Schulschwarm im selben Raum war, erfüllte sie mit dem Wunsch, plötzlich zu Stein erstarren zu können und war wohl auch der Grund, weshalb sie es tunlichst vermied, sich umzudrehen, während sie sich ihre Straßenschuhe auszog und die für die Schuhe bestimmten überzog, ganz nach der Vogel-Strauß-Technik hoffend, dass sie so selbst niemandem ins Auge fallen könnte. Schon, dass das Gespräch hinter ihrem Rücken weiterging, reichte, um ihr Gesicht mit Schamesröte zu füllen. Es war nicht so, dass sie absichtlich gelauscht hatte… sie war wirklich nur zufällig in der Nähe… und die Qualität der wackeligen Rechtfertigungen, die sie sich selbst haufenweise auftischte, erfüllten sie mit Scham.

„Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?“ fragte einer der Jungen hinter ihr neckisch. Dieser hatte einen dicken Osaka-Akzent, der, der als nächstes sprach, dagegen nicht, was nichts daran änderte, dass er mit derselben freundschaftlich-provokanten Art sprach: „Hattest du wieder Ehekrach mit Asuka?“

Asuka war auch ein Name, der in den Gesprächen ihrer neuen Mitschüler häufig aufgetaucht war. Ob das wohl die Freundin dieses beliebten Jungens war?

Nein, daran war etwas falsch.

Als sich das einsame Mädchen von den Schränken abwendete, um sich auf die Suche nach ihrem Klassenzimmer zu begeben, streifte ihr Blick kurz die zusammenstehenden Jugendlichen – jedoch nicht, ohne dass ihr dabei ein leises, aber deutlich hörbares „Huch?“ entfuhr, für dass sie sich sogleich schämte, und zutiefst hoffte, dass es keiner gehört hatte. Sie wollte ja wirklich keinen belauschen, oder… irgendwem hinterherspionieren oder anstarren…

Aber dennoch konnte sie nicht anders, als sich zu wundern. Dieses Grüppchen was da zusammenstand, setzte sich aus sehr unterschiedlichen Menschen zusammen, die man sonst nicht auf einem Haufen vermuten würde, doch keiner von ihnen sah wirklich nach dem örtlichen Schulschwarm und seinen Freunden aus.

Sie schienen eher die Art von Mensch zu sein, die sich meist eher am Rande einer jeden Schulgesellschaft fanden: Da war erst einmal das Mädchen, das es schaffte, trotz ihrer Sommersprossen, ihren zwei Zöpfen und den niedlichen lila Dekorationen daran etwas autoritäres an sich zu haben. Und dann der Junge mit dem Akzent, den man ohne großes überlegen als den örtlichen Klassenclown klassifizieren konnte. Er war zwar recht hoch gewachsen, gut gebräunt, scheinbar nicht ohne Muckis und trug sein kurzes, schwarzes Haar als eine moderne Gelfrisur, aber was das an Coolnesspunkten hinzufügte, machten das breite Grinsen, die abstehenden Ohren, und nicht zu Letzt die um den Kopf getragene Trageschlaufe seiner Schultasche wieder zu Nichte, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er es nicht für nötig hielt, sich an die Kleiderordnung zu halten, und natürlich von seinem vormals erwähnten Akzent. Und dann war da auch noch der etwas klein geratene, sommersprossige Brillenträger mit der schlabbrig getragenen Uniform und der rundlichen Nase, der auch nicht gerade den gegenwärtigen Schönheitsidealen entsprach.

Dann war da noch ein vierter Junge mit einem auffälligen, dicken Kopfverband, der zwar nicht klein, dafür aber eher schlaksig war. Mit den stylischen, kinnlangen schwarzen Haaren hätte der noch am ehesten in das Beuteschema der meisten gewöhnlichen Mädchen der heutigen Tage gepasst, aber die Tatsache, dass er bis jetzt wenig gesagt hatte und deutlich ernster wirkte als seine schadenfrohen Freunde, deuteten an, dass auch er nicht so gerade der typische Gruppenmensch war.

Es war jedoch dieser Ikari-kun selbst, der das stille Mädchen am Rande am meisten überraschte.

Sicher, er war attraktiv, aber es war mehr diese zerbrechliche Art von Schönheit, die man erst auf den zweiten Blick bemerkte, auf den ersten Blick wirkte er recht unscheinbar.

Er hatte mit den humorvollen, charmanten Testosteronbolzen, die für gewöhnlich als Schulschwärme dienten, nur sehr wenig gemeinsam. Normalerweise würden Mädchen, wie die, deren Unterhaltungen sie mitbekommen hatte, doch noch nicht einmal den Namen eines solchen Jungen kennen, egal, wie unfair es doch sein mochte.

Die Art, wie er da stand, das Uniformhemd feinsäuberlich in die Hose stand, die Hände nah am Körper haltend, als wüsste er nicht genau, was er damit machen solle… die offensichtliche Verlegenheit, mit der er auf die Scherze seiner Freunde reagierte…

Er sah eher wie jemand aus, der das Rampenlicht meiden würde, wie die Pest.

Er sah fast schon aus… wie jemand wie sie selbst.
 

„So… so war das gar nicht, Kensuke… Es war eigentlich, so das-“ begann er freundlich bleibend, aber sich doch sichtlich unwohl in seiner Haut fühlend, in der Hoffnung, das Missverständnis aufzuklären, bevor irgendjemand einen falschen Eindruck bekam.

Doch dieses Glück sollte ihm nicht gegeben sein.

Denn bevor er mit der eigentlichen Erklärung beginnen konnte, fiel ihm ein offensichtlich recht frustriertes, ärgerliches Mädchen ins Wort, das die Eingangshalle scheinbar gerade betreten hatte.

Sofort begriff die einsame junge Dame, die das ganze aus der Ferne betrachtete, das dies diese Asuka sein musste – Sie hatte langes, rotes Haar mit ein paar seltsamen Spangen darin, wie sie sie noch nie irgendwo gesehen hatte. Ihrem Aussehen nach zu urteilen musste sie wohl ein paar Ausländer in ihrer Ahnenreihe haben, wahrscheinlich Mitteleuropäer oder Amerikaner.

Doch noch klarer als das war Tatsache, dass sie die Sorte von Person war, diesich immer direkt holte, was sie wollte, und nie damit zögerte ihre Meinung zu sagen – ohne Rücksicht auf Verluste. Die Art von beliebter, erfolgreicher Schülerin, der die Neue nie etwas entgegenzusetzen haben würde. Ja, sie selbst war eine gute Schülerin, aber wenn man dazu noch so war wie der stille Neuzugang, dann war man nur eine Streberin, deren Schüchternheit oft mit Arroganz verwechselt wurde. Diese Asuka war anders.

Das war eine von der Sorte, die alle bewunderten. Die Sorte, die sich über die hässlichen, unbeliebten Mädchen den lieben, langen Tag lang lustig machte…

Ihre direkte Art verstärkte ihre natürliche Attraktivität noch.

Wenn das seine Freundin war, dann konnte der Rest der Schule definitiv packen…

Aber glücklicherweise (?) machte es überhaupt nicht den Anschein, als seien die Beiden zusammen – Ganz im Gegenteil. So, wie der Rotschopf schnurstracks auf ihn zumarschierte und sich in einer solchen Nähe direkt vor ihn stellte, sah es eher so aus, als sei er eines der regelmäßigen Opfer auf ihrer Piesackungs-Liste – oder aber sie war zur Zeit einfach nur ziemlich wütend auf ihn und machte kein Geheimnis daraus – Sie hatte keinen Grund dazu.

„So war es nicht? So war es nicht?” wiederholte sie, die Worte scheinbar als beleidigend wertend. „Ich sage euch, wie es war: Dieser Spanner hier hatte heute Morgen das Glück, mich nackt zu sehen!“

„W-Was? Stimmt das etwa, Shinji?” hakte Kensuke augenblicklich nach.

Interessanterweise klang er dabei irgendwie eher neidisch als entsetzt.

„Also, das war… uhm… ein Unfall…“

„Also wie jetzt?” fragte Kensuke noch mal leicht quengelnd nach.

„Uh, das war ja eigentlich… Shikinami-sans eigene Schuld, sie hat…“

„Faule Ausreden!“ entgegnete das Second Child. „Wenn du mich angafft hast, hast du mich angegafft!“

„Schon, aber…“

„Ich hätte doch eigentlich für einen besseren Menschen gehalten, Ikari-kun.“ Begann sich Hikari im Hintergrund bereits zu empören. Die Situation sah für Shinji gar nicht gut aus… das war doch alles nur ein einziges, großes Missverständnis, und Asuka machte es nur noch schlimmer und schlimmer… Vielleicht, weil sie deutlich zementiert haben wollte, dass sie beide kein Paar waren, was den männlichen EVA-Piloten, der sie ja schon irgendwo heimlich verehrte, nicht wirklich tröstete.

„Pah!“ setzte Asuka die Kommunikation ihrer Abneigung fort. „Wenn du aus freien Stücken nicht weggesehen hast, ist und bleibt es dein eigenes Vergehen!“

„Uhm... aber-uhm?“

Da Asuka darauf bestanden hatte, mehr und mehr seines Blickfeldes mit ihrem niedlichen, aber eindeutig wütendem Gesicht zu füllen, bemerkte er diesen kleinen Spritzer Blau am Rande nur so durch den Augenwinkel. Als er aber die tödliche Bedrohung direkt vor seiner Nase zur Abwechslung mal zugunsten seiner Neugier vergaß, entdeckte er jenseits von Asukas Feuerrotem Haarschopf keine geringere als Ayanami Rei.

Sie lief nicht besonders schnell, aber doch gleichmäßigen Schrittes dahin, mit ihrer Schuluniform bekleidet und ihre Tasche bei sich tragend. Sie blickteschnurstracks nach vorne, ohne sich von irgendetwas ablenken zu lassen, als würde sie keine anderen Richtungen kennen.

Obwohl sie genauso wenig auf die Klassenfahrt gefahren war wie er oder Asuka, hatte er auch sie die ganze Woche lang fast gar nicht gesehen, und wenn, dann nur kurz bei den Synchrontests oder eben damals in der hauseigenen NERV-Schwimmhalle, wo er schon mal darüber nachgegrübelt hatte, dass er seinen Wunsch, ihr näher zu kommen nicht allzu effektiv in die Tat umgesetzt hatten.

Nach dieser Sache auf dem Futagoyama waren alle möglichen Gefühle da gewesen und er hatte es im Eifer des Gefechtes geschafft, ehrlich mit ihr zu sprechen und ihre Hand zu nehmen, aber in einer normalen Situation auf sie zuzugehen, fiel ihm deutlich schwerer, und so, wie er Rei mittlerweile kannte, würde sie wohl auch kaum von sich aus auf ihn zugehen…

Wie so oft schaffte es Shinji einfach nicht, nach dem ersten Schritt auch noch den zweiten zu tun und stand wie festgefroren in der Türschwelle, unfähig sich dafür zu entscheiden, weiter zu gehen und sie zu kontaktieren, ohne dafür auf einen Vorwand zu warten… und ehe er sich versah, waren schon mehr als drei Wochen vergangen… Zugegebenerweise hatten sie sobald die Schule angefangen hatte, wieder mit ihren kurzen, morgendlichen Dialogen begonnen… Es waren ruhige, angenehme, stille Momente in seinem turbulenten Alltag, der ja sehr von aufgedrehten Leuten wie Touji, Asuka und Misato geprägt war, aber das änderte nicht daran, dass es selten über „Hallo, wie geht’s dir?“ und dergleichen hinausgegangen war. Gestern hatte Rei die Frage an ihn zurückgegeben. Das war vermutlich ein Erfolg, aber kein besonders großer, zumal seine Antwort nicht besonders kohärent gewesen war.

Heute schien es damit jedoch nichts zu werden, denn obwohl er sie dahinschreiten sah, schien sie nicht vorzuhaben, in die Richtung des Eingangsbereiches der Schule abzubiegen, sondern lief an dem Zaun entlang, der das Gelände begrenzte – Was die Frage aufwarf, weshalb sie überhaupt hier war…

„Hey! Papasöhnchen! Hörst du mir überhaupt zu, wenn ich mit dir rede? Wo guckst du da eigentlich hin?!“

Wenn es etwas gab, das Shikinami Asuka Langley auf den Tod nicht ausstehen konnte, dann war das, ignoriert zu werden. Einfach nur die Tatsache, dass irgendetwas interessanter sein könnte, als sie, dass er der Junge, für den sie Gefühle hegte, einfach an ihr vorbeiblickte.

„Uhm… Da hinten ist Ayanami…“

Jetzt doch etwas aus dem Konzept gebracht drehte sich Asuka kurz um – und erspähte das First Child, wie sie fast schon mechanisch ihres Weges ging, ihren Befehl ausführend, ohne sich die Zeit zu nehmen, ihnen auch nur Hallo zu sagen.

„Wo geht sie denn hin?“ fragte das third Child, anscheinend selbst darüber nachgrübelnd.

Inakzeptabel! Zugunsten dieser… dieser eingebildeten Tuss ignoriert zu werden, war das letzte, was sie an diesem Tag brauchen sollte… Nicht nur schien dieser Hohlkopf ihr Winken mit dem Zaunpfahl nicht zu verstehen, nein, er wagte es auch noch, sie während sie vor ihm stand einfach zu ignorieren! Wegen ihrer ärgsten Feindin! Wollte er etwa unbedingt noch eine Ohrfeige?

„Die kommt heut nicht in die Schule, die ist nur hier, weil hier in der Nähe ja ein Zugang zur Geofront ist. Unser Prinzesschen wird heute für ein Aktivierungsexperiment mit Einheit Null gebracht. Anscheinend haben die den Schrotthaufen endlich wieder zusammengebastelt, auch, wenn man sich fragen könnte, ob sich das denn lohnt...“ erklärte sie.

„Aha…“

Das hieß dann wohl, dass Rei demnächst wieder mit dem Rest von ihnen in die Schlacht ziehen würde. Vielleicht standen sie dem Feind ja demnächst zu dritt gegenüber.

Das war gut, reichlich Unterstützung zu haben.

„Hey! Du ignorierst mich ja schon wieder! Und dann noch diese Nummer heute Morgen… Glaub ja nicht, dass das kein Nachspiel haben wird…!”

Da Asuka nun endgültig der Kragen geplatzt zu sein schien, fasste Touji den mutigen Entschluss, seinen Freund vor weiteren Blessuren zu bewahren, indem er ihn einfach von hinten packte, und mit seinem Arm ein gutes Stück von ihrer aufgebrachten Mitschülerin wegzog.

„Aber, aber, jetzt mal halblang, ihr beiden!“ warf er mit einem etwas gezwungenem Lächeln ein, um die Situation etwas zu entschärfen.

Kensuke, der bei der Aktion zunächst etwas fragend geguckt, dann aber recht schnell verstand, was sein Freund vor hatte, gab auch sein bestes Grinseln zu der Schow hinzu: „Genau! Ihr könnt ja später in Ruhe weiter reden, ohne dass hier ein Auflauf entsteht… Hach du liebe Zeit, es könnte ja jeden Moment zum Unterricht klingeln, nicht wahr, Nagato?“

„Uhm…“ Nagato, der insgesamt kein Freund solch großer Menschenmengen war und die ganzen Geschehnisse, die sich da vor seinen Augen vorgetragen hatten, nicht so richtig glauben konnte (Schon allein Asukas Dreistigkeit oder dieses ständige Gerede über nackte Mädchen…), beschloss nach einigem hin- und her blicken, das es das beste sei, einfach mal zu nicken.

„Da seht ihrs!“ setzte Touji hinzu, während er seinen noch immer recht eingeschüchterten Kumpeln mal ganz rasch an den Schultern packte, da er ohne die liebevollen Weisungen seiner Freunde wohl wie festgeklebt stehen bleiben würde. „Los, Shinji, lass uns gehen!“

„Uhm…“

Ohne weitere Zeit zu verschwenden machten sich Touji, Kensuke und Nagato, der sich nicht ganz entscheiden zu können schien, ob er jetzt nun verwirrt oder abgeschreckt war, erst mal daran, ihren gemeinsamen besten Kumpel in die Sicherheit zu geleiten, bevor Asuka Gelegenheit hatte, ihm das Genick zu brechen.

Davon ließ sie zwar tatsächlich ab, aber nicht, ohne ihm ein ärgerliches „Du Feigling!“ hinterherzurufen.

Hikari zog es einfach mal vor, die ganze Angelegenheit mit einem Seufzen zu kommentieren, sich ihrer Freundin zuzuwenden und das Gesprächsthema auf die allgemeine Beschränktheit männlicher Wesen zu lenken.
 

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Weil es noch im Zeitraum der Vorbereitungen lag, und sich zugetragen hatte, bevor der erste Kampf stattgefunden hatte, hätte Kaji dem Bericht über dieses Zwischenfall kaum Beachtung geschenkt, aber dieser Bericht über diesen Terroristenangriff war erstaunlich vage.

Rückfragen bei seinen Kollegen vom Innenministerium hatten seinen Verdacht nur erhärtet…

Sollte dieser „Terroranschlag“ am Ende nur eine Tarnung sein, um ein ganz anderes Geschehnis zu vertuschen? Er würde die Herren von SEELE einfach mal testen, indem er sich dumm stellte, und sich bei ihnen unter dem Vowand meldete, Belege für eigenmächtige Handlungen von Ikari gefunden zu haben. Auch, wenn sie vermutlich wieder nur in kryptischen Metaphern sprechen würden… wenn es eine Chance gab, dass sie ihm etwas verrieten, musste er sie nutzen…
 

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„Ach ja, Leute, habt ihr schon gehört, dass wir heute eine Neue bekommen sollen?“ warf Kensuke dann beiläufig in die Konversation ein, welche die vier Jungs auf dem Weg zum Klassenzimmer geführt hatten.

„Was, echt?“ wunderte sich Touji. „Und das, obwohl wir ja sonst eher immer weniger zu werden scheinen… Ich dachte, Nagato hier wäre definitiv der letzte, den wir je neu dazu kriegen würden…“

„Meint ihr, sie ist irgendwie in die ganze Sache involviert…?“ fragte Nagato irgendwo besorgt.

Doch Kensuke lächelte ihn nur gelassen an. „Ach was, wahrscheinlich ist es bei ihr einfach nur so wie bei uns dreien, und ihre Eltern arbeiten einfach bei NERV…“
 

Während sie sich unterhielten, bemerkte keiner von ihnen das stille Mädchen, dessen mit langen, schwarzen Socken bestückte Füße ihnen in einigem Abstand hinterhertrappelte und sie beobachtete, wie sie sie mit ihren lebhaften Gesprächen übertönten, und sich wünschte, dass sie nur einmal irgendwo dazugehören könnte…
 

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„Ich bin neu in dieser Stadt und freue mich, euch alle kennen zu lernen.“ Sagte erklärte das neuste Mitglied ihrer Klasse, nachdem sie damit fertig war, ihren Namen mit dünnen, simplen Strichen an die Tafel zu schreiben. Anders als Asuka, die ihren Namen gleich quer über die Tafel geschmiert hatte, belegte der Titel des Neuzugangs nur ein dünne, genau beschränkte Spalte, fast, als habe sie Angst, irgendwelche Grenzen zu übertreten: „Yamagishi Mayumi“

So ähnlich, so fiel es Shinji ein, hatte wohl auch sein eigener Name ausgesehen, als er vor einem Zeitraum, der sich bereits länger anfühlte, als er war, selbst neu in diese Klasse gekommen war.

Mayumi war die Sorte von Mädchen, die wohl irgendwann einmal eingeredet bekommen hatte, dass sie hässlich sei, obwohl sie wunderschön war, und sich seither wünschte, im Erdreich verschwinden zu können – Man sah es deutlich am leicht zögerlichen Klang ihrer Stimme und der offensichtlichen Nervosität, mit denen sie ihre neue Klasse musterte, während sie ihr bestes gab, um trotz ihrer Verlegenheit und Verunsicherung zu lächeln, an der Haltung ihrer Schultern und der Art, wie sich ihre Hände vor ihrem Körper gegenseitig ergriffen hielten, als wollte sie sich selbst Sicherheit spenden oder als wisse sie einfach nicht, wo sie mit den Händen selbst und dem Schweiß darauf hinsollte.

Shinji konnte sich auch gut vorstellen, wo die neue Schülerin wohl ihre sogenannten Fehler sah: Sie war ein gutes Stück größer als die meisten anderen Mädchen hier und er hätte sich nicht gewundert, wenn sie auch ihn selbst ein Stückweit überragen hätte – Größe war etwas, für das Mädchen sich bis weilen schämten, obwohl es die Männerwelt an sich eigentlich begehrlich fand, und ähnlich sah es dann wohl auch mit ihren üppigen, weiblichen Rundungen an den Hüften, wegen derer sie sich vermutlich für mollig hielt. Ihr glänzendes Haar war tiefschwarz, glatt und kurz unterhalb der Schultern wie auch in Form eines Ponys ein Stück über den Augen gerade abgeschnitten. Das meiste davon fiel ihr über den Rücken, links und rechts von ihrem Gesicht verliefen jedoch auch ein paar Strähnen an ihrer Vorderseite, deren Vorbau mit dem Rest ihres Körpers ins Verhältnis gesetzt wohl im oberen Bereich des noch als „durchschnittlich“ zu wertenden Spektrums anzusiedeln war. Die Augen selbst zeigten ein hübsches hellgrau und bedurften zur korrekten Funktion einem Paar runder Brillengläser, die sie wohl als weiteres Minus an sich empfand, ähnlich wie die recht blasse Haut an ihren schlanken Gliedmaßen und den kleinen Schönheitsfleck rechts unter ihrer Unterlippe.

In dem, was wohl die Uniform ihrer alten Schule war, und als solche aus einem grünen Faltenrock, einer weißen Bluse und einem gelben Pullunder bestand, wirkte sie irgendwie recht verloren.

Aber eigentlich, so dachte Shinji, war sie ja eigentlich wunderschön, ja, man könnte sie glatt auf die Liste der hübschesten Mädchen der Klasse setzen. Ihr irgendwo zerbrechliches Äußeres zog gemeinsam mit ihrer scheinbar zurückhaltenden Art irgendwo an seinen Beschützerinstinkten…

„Herzlich Wilkommen.“ Begrüßte sie der alte Lehrer. „Na, wo sollen wir dich hinsetzen? Ah, ich hab’s. Der Platz neben Horaki-san ist doch noch frei. Wäre das in Ordnung?“

„Natürlich.“ Bestätigte Hikari sogleich, wie immer vorbildliches Betragen an den Tag legend.

Rasch setzte sich Mayumi an ihren neuen Platz und hängte ihre Schultasche an den am Tisch befindlichen Haken, und drehte sich dann zu ihrer Nebensitzerin, um diese mit einem zaghaften, aber recht niedlichem Lächeln zu begrüßen:

„Freut mich dich kennen zu lernen.“

„Die Freude ist ganz meinerseits.“ Bestätigte Hikari freundlich.
 

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Dann begann der Unterricht, der bald wie so oft auch in eine lange Erzählung aus Anekdoten ausartete, denen Shinji wohl selbst dann nicht wirklich hätte folgen können, wenn er sie nicht schon zum zigtausendsten Mal hören würde und genau wusste, dass ein netter Anteil der offiziellen Geschichte die allen hier erzählt wurde, nur Propaganda war.

Es gab so viel, das seine Gedanken beschäftigt hielt – Dass die Klasse jetzt um eine Schülerin zugelegt hatte, war nur eine dieser Sachen. Mehr aus Unachtsamkeit als aus irgendwelchen niederen Beweggründen hatte er es kaum das alle entweder in den Unterricht vertieft waren oder aber vor sich hin dösten und so höchstwahrscheinlich nicht auf ihn aufmerksam werden würden gewagt, sie noch mal näher zu betrachten – Oder zumindest hatte er das vorgehabt, denn kaum, dass er in ihre Richtung schielte, stellte er fest, dass auch sie aus irgendeinem Grund zu ihm hinübergeblickt hatte (Das er ihr schon im Eingangsbereich aufgefallen war, war ihm ja nicht aufgefallen) und seine wandernden Augen auf der Stelle zu bemerken.

Statt aber zu lächeln, einfach zurückzuschauen oder sich irgendwie aufzuregen, zeigte sich die Brillenträgerin höchst ertappt und wendete sich beschämt ab, bevor das Third Child Gelegenheit hatte, das selbe zu tun.

Na, hoffentlich hatte sie da keinen falschen Eindruck von ihm bekommen – wobei er dabei, den ersten Eindruck zu vergeigen, ja schon immer ein ganz großer Experte gewesen war – Vor Misato war er nackt aus dem Bad gerannt, Rei hatte er sogar versehentlich begrabscht, und von Asuka brauchte er wohl gar nicht erst anzufangen… Er hörte ja trotz aller Versuche, es irgendwie auszubügeln, nicht auf, sie ständig auf die Palme zu bringen…

Sich fragend, ob sie wohl noch sauer war, blickte er zu ihrem ein paar Reihen weiter hinten befindlichen Sitzplatz hinüber. Wie lange es wohl dieses Mal brauchen würde, bis sie wieder Lust bekam, in irgendeiner Form mit ihm zu reden?

Na ja, ihrer Reaktion auf sein erneutes Versagen dabei, unauffällig und diskret hinzuschauen, ließ vermuten, dass es bis dahin wohl noch eine ganze Weile dauern würde – Kaum, dass sie ihn bemerkt hatte, streckte sie ihm auch schon die Zunge raus.

Mindestens konnte er sich sicher sein, dass er am dritten Fleck in diesem Klassenraum, der seine Aufmerksamkeit auf sich zog, definitiv keine abweisende Reaktion auslösen würde… denn der Tisch dort war leer. Es war der von Rei.

Seine Besitzerin dürfte demnächst bei NERV ankommen und an diesem Experiment teilnehmen… Auch, wenn ihm der Gedanke, sie auf dem Schlachtfeld mit dabei zu haben, im Wesentlichen gefiel, so hatte er doch nicht vergessen, dass es ein solches Experiment gewesen war, bei dem sie sich die Verletzungen zugezogen hatte, mit denen er sie das erste Mal gesehen hatte… zugegeben, das letzte war gut gegangen und sie hatte schon einmal mit ihrem EVA an seiner Seite gekämpft aber er konnte doch nicht anders, als sich irgendwo Sorgen zu machen… Letztes Mal hatte das ja Nachmittags stattgefunden, da konnte er dabei zusehen, aber heute, da musste er überlegen, wie lange es wohl dauern würde, bis er von einer etwaigen Katastrophe erfahren würde…
 

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Was nur ein Vorwand und eine Lüge sein sollte, stellte sich völlig überraschend als die Wahrheit heraus – Keiner der Männer in SEELEs innerem Zirkel wusste irgendetwas über dieses „Projekt Kronos“, und so gelangte man freilich schnell zu dem Schluss, dass es tatsächlich auf Ikaris Mist gewachsen sein musste.

„Wenn das so ist, dann werde ich…-“

Kajis Angebot wurde ausgeschlagen. Anscheinend war es nicht nötig, dass er weiter handelte – Bedeutete das, dass er von den alten Männern bereits verdächtigt wurde? Nein, nein, er sollte sich deshalb nicht beunruhigen. Das war einfach nur SEELEs Arbeitsweise, siewollten ihre Untergebenen so weit wie möglich im Dunkeln lassen – Ihnen war es lieber, viele kleine Handlanger zu haben, die alle kleine Legosteinchen für etwas fertigten, für das nur sie den Bauplan hatten. So wie sich eine echte Seele nicht in irgendeinem speziellen Teil des Gehirns isolieren ließ, so waren auch SEELEs Handlanger sehr dezentral organisiert…

Aber wenn sie glaubten, die Sache aufklären zu können, ohne, dass er weiter darin involviert sein musste, dann hieß das, dass SEELE einen weiteren Agenten im Herzen von NERV haben musste… Aber wer? Wer nur?

Er hatte einfach gesagt keine Möglichkeit, das herauszufinden.

Die Sache lag nicht mehr in seinen Händen… wenn er der Wahrheit also näher kommen wollte, dann blieb ihm keine Wahl.

Er musste Ikari warnen.
 

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Früher, in den guten alten Zeiten vor dem Second Impact, so erzählten es die Legenden und die alten Kinderfilme, hatte es noch eine wundersame Sache namens „Hitzefrei“ gegeben, welche die glückseligen Schüler der Vergangenheit wie der Name schon sagte an sehr, sehr heißen Tagen von den Qualen des Unterrichts befreite.

Mit der Wettersituation, wie sie sich nach der fast apokalyptischen Katastrophe eingestellt hatte, hätte dies jedoch bedeutet, praktisch an jedem zweiten Tag den Unterricht abzublasen.

Da dies jedoch nicht als besonders sinnvoll erachtet wurde, beschloss man, dieses wundervolle „Hitzefrei“ abzuschaffen. Natürlich waren in solch einer modernen Stadt wie Neo-Tokyo-3 alle Klassenzimmer klimatisiert, aber das nütze Shinji, Touji und Kensuke herzlich wenig, wenn sie draußen Sportunterricht hatten.

Nagato hatte da wohl Glück im Unglück gehabt und war aufgrund seiner Kopfverletzung immer noch vom Sportunterricht ausgeschlossen, wobei es Shinji doch irgendwo fragte, ob die besagte Verletzung nicht irgendwann mal verheilt sein müsste – Er konnte sich nicht entsinnen, das der Kopfverband des jüngeren Mitsurugi in der ganzen Zeit, die er diese Schule jetzt schon besuchte, nennenswert dünner geworden wäre.

Auch, wenn Shinji zugegebenermaßen keine Ahnung davon hatte, wie lange so eine Verletzung eigentlich brauchte, um zu heilen… oder was für eine Verletzung das überhaupt war.

So oder so, das Endergebnis war, das Shinji und seine Freunde nur zu dritt unten in der Sonne brutzelten – wobei Nagato dabei zu haben möglicherweise auch bedeutet hätte, dass dieser etwas dagegen gehabt hätte, dass sich der Rest von ihnen am imposanten Anblick der oben am schuleigenem Schwimmbecken beschäftigen Mädchen labte, nachdem sie nach mehreren Runden um den Sportplatz verschwitzt auf die Ersatzbank gesunken waren.

„Immer dieser Dauerlauf!“ beklagte sich Touji. „Wenn ich bedenke, dass die Mädchen schwimmen und die von der Para-Klasse Basketball spielen, wird ich richtig grün vor Neid!“

„Ach ja, Leute…“ begann Kensuke dann. „Habt ihr euch schon überlegt, was ihr wegen dem Schulfest für ein Projekt vorstellen wollt…?“

„Ach, das ist den Aufwand nicht wert…“ meinte Touji. „Unsere Väter sind eh viel zu beschäftigt, um dort aufzukreuzen…“

„Das mag stimmen, aber was ist denn mit einer bestimmten Person, die ganz bestimmt dort aufkreuzen wird?“

„Welche Person denn…?“

„Na, Misato-san natürlich! Sich um den ganzen Schulkram von unserem Kumpel hier zu kümmern, ist doch praktisch ihr Job.“

Bei der Erwähnung des M-Wortes wurde Touji sofort hellhörig: „Was, wer?! Das ändert die Sache natürlich bedeutend…“
 

Spätestens ab da hatte Shinji, der ohnehin sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt gewesen war, nicht mehr so ganz zugehört, sondern seinen Blick nach oben zu den Mädchen gerichtet, wie sie in ihren Badeanzügen ins Wasser hüpften, darin auf verschiedene Art und Weise herumschwammen oder sich einfach nur unterhielten.

Rei war, selbstverständlich, nicht dabei.

Aber ähnlich wie sie damals fiel ihm dieses Mal Mayumi auf – Sie war nicht im Abseits, sondern stand wie alle anderen die auf ihren „Einsatz“ warteten in der Schlange, aber sie schien mit niemandem ein Gespräch zu führen und hatte den Blick gesenkt, als würde sie jetzt überall lieber sein als dort unter all diesen Menschen… Sie wirkte einsam, es war zu erwarten, dass sie die anderen wahrscheinlich gerne ansprechen würde, genauso, wie er gerne auf Rei zugehen würde… Sie stand zögernd in der Türschwelle und brachte es nicht fertig, einen Schritt nach dem anderen zu tun.

Deshalb war sie auch noch genauso allein, wie er es in seinen ersten paar Wochen in dieser Klasse gewesen war. „Die Neue… Sie scheint mir irgendwie ähnlich zu sein…“

Nur, dass er jetzt einen ganzen Haufen von Leuten um sich hatte, und sie noch alleine dastand.

Und Shinji wusste genug darüber, wie es war, alleine dazustehen, um zu dem Schluss zu kommen, dass niemand so etwas verdient hatte…

Doch egal was für ein halbfertiger Entschluss sich da zusammengeballt hatte, als er diese Worte dachte, es löste sich alles in Luft auf, als Mayumi ihn urplötzlich bemerkt zu haben schien. Sie drehte sich in seine Richtung, zuckte zusammen und entfernte sich schnellst möglichst aus seinem Blickfeld.

Na toll, noch ein Mädchen, dass ihn noch am Tag ihres Kennenlernens schon für einen absoluten Perversling halten würde… Entmutigt senkte er den Kopf…

„Na, was gibt’s denn da so interessantes zu gucken?“ fragte Kensuke, der wohl gemerkt hatte, dass das Third Child dem Gespräch zwischen ihm und Touji nicht mehr so ganz zuzuhören schien, aber nicht mitbekommen zu haben schien, was sich gerade zugetragen hatte.

„Uhm… nichts weiter…“ antwortete er.

Da es bei seinen Freunden wohl Fragen aufgeworfen hätte, wenn er den Kopf weiterhin hängen lassen hätte, und er nicht wirklich darüber reden wollte, entschied er sich, einfach mal anzusehen, was auch immer Touji gerade ansah – auch, wenn Shinji nicht erwartet hätte, dass dessen Blickrichtung ziemlich genau bei eben der Klassensprecherin endete, über deren er Zickigkeit er sich für gewöhnlich zu beklagen pflegte.

Hässlich war sie sicherlich nicht, aber sie war auch nicht gerade Shinjis Typ… anders, als die Person, der sie wohl soeben aufgefallen war, und daher direkt ins Bild sprang und ihnen die Zunge herausstreckte. Toll, bei Asuka brauchte er wohl gar nicht mehr nachzusehen, die war definitiv noch sauer. „Wo guckst du denn jetzt schon wieder hin, du notorischer Spanner!“ rief sie ärgerlich, sich nicht sonderlich darum scherend, dass die Lautstärke, der dafür vonnöten war, dass er sie da unten noch hörte, implizierte, dass die halbe Schule ihr Gespräch mitbekommen würde – das war ihm dann doch bei aller Friedfertigkeit zu viel, nein danke!

„Es.. es ist ja nicht so, als ob ich dich angesehen hätte!“ entgegnete er – es klang nicht so feurig, wie er es einmal geplant hatte, aber immerhin war er aufgesprungen, um ihr seine Meinung auf beiden Beinen stehend zu kommunizieren.

Das hätte sie jetzt vielleicht beeindruckt, wenn seine Aussage für sie nicht einem tief beleidigendem Sakrileg gleichgekommen wäre, von dem sie sich schlichtweg weigerte, es in irgendeiner Form als die Wahrheit anzunehmen.

(Was war an ihr so unattraktiv, dass er ausgerechnet sie nicht ansah?)

Er hatte sie nicht angesehen? Pah!

(Sie hasste nichts mehr, als ignoriert zu werden.)

„Pustekuchen! Deine feigen Ausreden kannst du dir sparen!“

„Das sind keine Ausreden, das ist die Wahrheit!“

„Von wegen! Du könntest dich wenigstens wie ein Mann benehmen und dazu stehen!“

Entschlossen, ihm seine Meinung nicht nur verbal, sondern auch physisch zu geigen, griff sie nach einem herumstehenden Besen.

„Hey, ist dir klar, dass du damit jemanden treffen könntest, du Klapsmühlenfall?“ mischte sich schließlich auch Touji ein, der das Second Child noch nie besonders gemocht hatte.

„Ja!“ erwiderte sie direkt. „Genau das hatte ich vor! Denn weißt du, dieser Besen würde sich unglaublich gut in deiner unglaublich dummen Fresse machen!“

„Was hast du da gesagt?!“

Da ihm Touji das Streiten scheinbar abgenommen hatte, ließ sich das Third Child seufzend wieder auf seinen Platz sinkend und begann zutiefst zu hoffen, dass die Zwei recht bald aufhören würden, so ein Spektakel zu veranstalten.

Zumindest Kensuke schien halbwegs vernünftig zu sein und wirkte angesichts des lokalen Kriegstreibens nicht besonders begeistert: „Hach, diese Ruhe und dieser Frieden…“
 

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Natürlich verriet er nicht, dass er selbst es gewesen war, der SEELE auf „Projekt kronos“ aufmerksam gemacht hatte.

Aber dafür schienen sowohl Ikari als auch Fuyutsuki ja ohnehin jemand ganz anderen zu verdächtigen.

Er hatte ganz den Eindruck, dass die Beiden schon ahnten, wer dieser andere Agent sein könnte… es wunderte ihn, das Ikari so ruhig bleiben konnte, wenn es doch beinahe so aussah, als könne sein Projekt, sein Magnum Opus, für dessen Ausführung er ständig vom Hinterkämmerchen aus die Fäden zog, ins Wanken geraten sein könnte.

Dieser Mann, so war es Kaji schon seit langer Zeit klar geworden, zeigte niemals eine Schwäche…
 

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Die Frau, die sich Asahina Najiko nannte, klappte dünn grinsend ihr Mobiltelefon zu und steckte es ein. Es schien, als würde sie das, worauf sie schon so lange gewartet hatte, schon viel früher tun können, als sie es zu hoffen gewagt hatte.
 

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Bezüglich des Endes der Keilerei beim Sportunterricht reichte es wohl zu sagen, dass Touji und Asuka immer noch damit beschäftigt waren, einander anzukeifen, als sie beide wieder in ihren Schuluniformen oben im Klassenzimmer angekommen waren, und von Kensuke und Nagato gerademal so noch wieder auf den Tepich gebracht wurden, bevor die Lehrerin eingetreten war und Gelegenheit gehabt hätte, zu fragen, was denn los sei.

Letzten Endes hatte sie das Klassenzimmer jedoch zum Glück wieder verlassen, ohne je zu erfahren, was denn das ganze Geschrei sollte.

Auch Nagato bekam als er fragte, was denn eigentlich los gewesen sei, trotz seines mutigen Einsatzes als Streitschlichter nur gesagt, dass er das gar nicht wissen wolle.

Nachdem noch ein weiterer Lehrer gekommen und gegangen war, klingelte es dann jedoch zur Pause, und Shinji wusste nicht so recht, was er tun sollte – Touji, Kensuke und Nagato hatten sich in Richtung Cafeteria verabschiedet, aber Shinji hatte gerade nicht wirklich Appetit… oder vielleicht wollte er es auch vermeiden, dort Asuka oder Mayumi über den Weg zu laufen.

Also blieb er im Klassenzimmer, zusammen mit ein paar Mädchen, die die Zeit nutzen, um Karten zu spielen. Für gewöhnlich würde auch Rei immer hier zurückbleiben, und an ihrem Platz am Fenster sitzen, wie sie es auch sonst immer tat… aber Heute war sie ja anderwärtig beschäftigt.

Er fragte sich, ob sie mit dem Experiment denn schon angefangen hatten, oder wohlmöglich bereits damit fertig waren…

Theoretisch könnte er ja nachfragen – Der nächste Zugang zur Geofront war ja praktisch gleich um die Ecke, damit sie wenn ein Engel während der Unterrichtszeiten angriff, immer innerhalb von Minuten im NERV-Hauptquartier sein konnten… Wenn er sich wirklich, wirklich beeilte dann… dann schaffte er es vielleicht auch rechtzeitig zum Ende der Pause zurück, oder er würde nur geringfügig zu spät sein. Er hatte zwar noch nie darüber nachgedacht, aber eigentlich müsste es klappen…

Wenn er das aber hinbekommen wollte, dann musste er wenigstens dieses eine Mal in seinem Leben nicht zögern und sofort losgehen. Vielleicht… vielleicht war das ja eine Gelegenheit, nach dem ersten Schritt, den er damals nach dem Kampf auf dem Futagoyama gelaufen war, auch noch den zweiten zu gehen.

Er verlor keine Sekunde, und doch traute er sich nicht wirklich, zu rennen, oder zumindest nicht, wenn er glaubte, nicht allein zu sein; Er schlich viel mehr über die Gänge der Schule, die Straße und schließlich auch durch die Anlagen der Geofront – Theoretisch sollte er sich ja nicht vom Schulgelände entfernen, und auch, wenn er hier arbeitete und dementsprechend auch seinen Sicherheitsausweis und alles hatte, was er brauchte, um hier reinzukommen, hatte ihn doch eigentlich keiner hierher gebeten und keiner von den Erwachsenen wusste, dass er hier war… Jeder hier wusste, wer er war, und würde ihm mit Gewissheit Fragen stellen…

Er kam sich vor wie eine Art Dieb auf der Flucht… umso tiefer durchfuhr ihn der Schock, als er schon im Aufzug im Eingangsbereich nicht nur irgendeiner, sondern gleich der Autoritätsperson schlechthin begegnete, dem einen Menschen auf dieser Welt, dem er am allerweinigsten irgendwelche Fragen beantworten wollte.

Die Rede war von seinem obersten Vorgesetzten, dem Albtraum seiner Kindheit und nicht zu Letzt seinem eigenen Vater, alles vereint in der Form eines hochgewachsenen, kräftig gebautem Mannes in einer ehrfurchtgebietenden schwarzen Uniform, der wie eine Wand vor ihm stand, ihn gleich einem Turm überragte und durch seine getönte Brille hartherzig auf ihn herabstarrte: Commander Ikari Gendo, Leiter von NERV.

Er war ihm vollkommen ausgeliefert, absolut verloren.

Wie festgefroren blieb Shinji an Ort und Stelle stehen, bereits begreifend, dass er diesen Fahrstuhl nicht betreten können würde.

Das Verlangen, sich einfach umzudrehen und einfach zu rennen und zu rennen, ohne zurückzublicken, wie er es an jenem Tag vor drei Jahren getan hatte, war schier unermesslich.

Shinji schluckte und blickte unter Gebrauch sämtlicher Willensstärke, die er sich in den letzten Wochen und Monaten angeeignet hatte, zu ihm auf.

Darüber, ob er immer noch das verlorene, hilflose Kind von damals war, wollte er nicht nachdenken. Er wusste nicht, ob es überhaupt „zählte“, aber er war sich verdammt sicher, dass er es jedenfalls nicht mehr sein wollte.

„Wieso bist du nicht in der Schule?“ fragte die tiefe, raue, leidenschaftslose Stimme des ungepflegt wirkenden älteren Mannes.

Der erste Impuls des Third Childs wäre es gewesen, sein Gegenüber zu fragen, was ihn das überhaupt angeht – Er hatte nicht vergessen, wie überaus egal sein Leben diesem Mann noch letzte Woche gewesen war, wie klar er dazu bereitgewesen wäre, ihn, Misato, Asuka und viele andere Unschuldige in die Luft zu jagen, um einen Fehler auszumerzen, damit sie dafür zahlten, dass er zu hoch gepokert hatte… Aber dann wurde dem Jungen klar, dass eben dieser Mann ihn gerade angesprochen hatte, dass es ihn anscheinend doch irgendwo interessierte, ob er denn regelmäßig zur Schule ging, was ja eigentlich wenig mit seiner Aufgabe als EVA-Pilot zu tun hatte… Hatte dieser Mann tatsächlich gerade an Shinji als Person gezeigt… oder war er einfach nur so armselig, dass er sich das unbedingt einzureden versuchte?

Egal, was denn nun der Wahrheit entsprach, schon die bloße Möglichkeit ließ das Third Child zögern und seine Antwort noch einmal überdenken, sodass aus ihr kein spontaner, nicht richtig durchdachter emotionaler Ausbruch, sondern ein gewöhnlicher, zweckdienlicher Satz wurde:

„Ich… ich habe gehört, dass heute dieses Experiment mit Einheit Null ansteht, und da dachte ich-“

„Für Einheit Eins steht aber kein Experiment an. Du hast im Hauptquartier nichts zu suchen.“

Dieser…!

Die Fahrstuhltür schloss sich, bevor Shinji Gelegenheit hatte, irgendwie zu reagieren – Dabei würde es ihn ironischerweise gar nicht wundern, wenn dieser Mann in dieselbe Richtung unterwegs war, wie er selbst.

Es huschte schon so etwas wie Ärger über sein Gesicht, auch darüber, dass er wieder so abweisend behandelt worden war, aber…

Für ihre Verhältnisse war das hier ja fast schon, nein, tatsächlich eine Verbesserung, wenn er an den Tag nach seinem ersten Kampf dachte, wo sie sich auf ähnliche Weise begegnet waren, und er kein Wort herausbekommen hatte.

Er konnte nicht sagen, ob es ein gutes oder ein schlechtes Gespräch gewesen war – die unzähligen Stimmchen in seinem Kopf schienen es ihm gleichzeitig schön- und schwarzreden zu wollen.

Was er nicht leugnen konnte, war, dass es überhaupt ein Gespräch gewesen war.

Vielleicht das erste seit Jahren, dass nicht aus Befehlen bestanden hatte.

Mit einem kaum spürbaren Hauch von Rebellion in seinen Gesten und seiner Mimik setzte er seinen Weg fort… Alles Weitere würde er sich überlegen, nachdem er Rei gefunden hatte…
 

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Tatsächlich hatte der Test noch gar nicht begonnen und man hatte Rei scheinbar nur für ein paar Routineuntersuchungen vorher her zitiert, um die schon mal zu erledigen, während man noch an den technischen Vorbereitungen des Tests saß – und diese nahmen scheinbar etwas mehr Zeit in Anspruch als geplant, weil es da so ein Feedbackproblem zu minimieren gab, was auch immer das sein sollte – Shinji hatte nur die Berichte einiger Computerstimmen mitbekommen und sich den Rest zusammengereimt, es war nicht so, als könnte er irgendwo nachfragen.

Doch weil das Universum vielleicht auch nur aus Versehen oder Schlampigkeit einmal nicht darauf aus zu sein schien, sein Leben so schwer und kompliziert wie möglich zu machen, hatte Shinji tatsächlich das Glück, Rei in der Umkleide anzutreffen, und dann auch noch wunderbarerweise nachdem sie ihren Plugsuit angezogen hatte.

Als sie ihn eintreten hörte, reagierte sie alleshöchstes mit einem minimalen Hauch von Verwunderung, als sie ihren Kopf kurz zur Tür wendete, um kurz zu prüfen, wer denn da war. Doch bereits, als sich die Tür wieder hinter ihm geschlossen hatte, blickte sie wieder auf ihre übliche Art nach vorne in die Leere.

Doch davon ließ sich Shinji nicht entmutigen, er kannte das ja bereits von ihr, es musste nicht heißen, dass sie ihn nicht beachtete.

Er übersah nicht, dass sie die alten Brillengläser seines Vaters neben sich liegen hatte.

Konsequent schritt er weiter in den Raum hinein (Das es technisch gesehen die Mädchenumkleide war, machte es nicht besser, auch, wenn Asuka nicht hier war und Rei ihn wohl kaum darauf hinweisen würde) und nahm neben ihr auf der Bank Platz, auch wenn „neben ihr“ in diesem Fall bedeutete, dass er sich an denjenigen Rand der Bank setzte, der ihr etwas näher war, als der andere. Zwischen ihnen hätte locker noch ein erwachsener Mann Platz gehabt.

Der Schrank, der hinter der Sitzbank verlief und irgendwo zwischen ihren Plätzen aufhörte, stellte eine scharfe Trennlinie dar, die keiner von ihnen auch nur mit einem Zipfel ihrer Kleidung berührte, geschweigenden übertrat.

Rei sah scheinbar keinen Grund, ihn anzusehen, und das Third Child traute sich nicht so recht, sie zu betrachten, jetzt, wo sie sich in solch unmittelbarer Nähe befand und diesen weißen Plugsuit trug, der ihre weiblichen Kurven deutlich betonte und sie dennoch noch zerbrechlicher wirken ließ, als sie es ohnehin schon war, fast, als sei sie aus Porzellan.

Überraschenderweise war sie es, die zuerst sprach, und ihm so davor bewahrte, beinahe panisch über eine Möglichkeit nachzugrübeln, ein Gespräch zu beginnen.

„Warum bist du nicht in der Schule?“ fragte sie nur.

Es war wirklich nur eine simple Frage ohne, dass ein Vorwurf dabei wäre.

„Hach, weißt du… mein Vater hat mich eben dasselbe gefragt…“

„Und was hat Commander Ikari dazu gesagt?“

„Dass ich… zur Schule zurückgehen soll, schätze ich.“

„Dann werde ich dir jetzt dasselbe sagen.“

„A-Aber…!“

„Es gibt weder einen Alarm, noch ein Experiment, das dich betreffen würde. Es gibt keinen Grund für dich, hier zu sein.“

„Schon, aber… aber ich…“

Hach, was sollte er jetzt sagen. Er hatte es eigentlich schon halb aufgegeben und sich bereits von seinem Sitzplatz erhoben, aber der unfertige Satz hing noch in der Luft.

Was jetzt? Die Wahrheit? Das hatte ja schon letztes Mal geklappt aber… diese Wahrheit wollte einem nur, weil sie wahr war, nicht unbedingt leichter über die Lippen gehen.

„Ich… ich… ich hab mir Sorgen um dich gemacht, Ayanami…“

So, jetzt war es raus. Verdammt, hatte er das gerade wirklich laut gesagt?

„Ist das so?“ fragte sie tonlos, ohne dass ihr Gesichtsausdruck irgendwas darüber verriet, was diese Worte für eine Reaktion in ihr ausgelöst hatten, wenn sie das denn überhaupt getan hatten. „Aber es gibt keinen Grund dafür. Ich bin in Ordnung. Du solltest besser zurückgehen.“
 

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Und genau das tat er auch.

Was hätte er auch sonst tun sollen?

Waren seine Schritte auf dem hinweg noch von Eile und Anspannung beschleunigt worden, so war es jetzt kühle Ernüchterung, die ihn vergessen ließ, dass er ja eigentlich noch irgendwo erwartet wurde – Er ging eher langsam und mit gesenktem Blick seines Weges, es bedauernd, dass er vor Antritt dieser „Reise“ nicht daran gedacht hatte, sich kurz seinen Musikplayer zu greifen.

Rei würde das Experiment jetzt ohne ihn antreten, und falls es schief gehen sollte, würde er das frühestens erst heute Nachmittag von Misato erfahren.

Das mit den zweiten Schritt hatte er wohl hinbekommen, aber den dritten musste er wohl irgendwo vergeigt; oder vielleicht hatte er sich zu große Erwartungen gemacht.

Egal, wie viel Überwindung es ihn gekostet hatte, eigentlich war er ja bloß zu ihr hingelaufen, wenn sie eigentlich etwas Besseres zu tun hatte…

Ähnlich wie bei dem Gespräch mit seinem Vater wusste er auch hier nicht so ganz, wie er es jetzt einstufen sollte – Bei Rei war es immer schwer, so was einzuschätzen, die zwei waren schon an sich recht unnahbar… Es war schwer, Rei irgendwie beizustehen, wenn ihr das gefährliche Experiment, dem sie sich unterziehen würde, nichts auszumachen schien, wenn sie es geradezu als normal hinnahm, als menschliches Versuchskaninchen benutzt zu werden… Und vielleicht war es für sie ja normal, wenn sie als erste für das Programm ausgesucht worden war, und schon Asuka, die ja zumindest ihrer Designation nach zu urteilen als zweites rekrutiert worden war, ständig damit prahlte, schon von klein auf ausgebildet worden zu sein.

Es war gut möglich, dass Rei diese Experimente schon so lange, mitmachte, wie sie sich erinnern konnte… trotzdem, ihre Furchtlosigkeit war zu beneiden.

In diesem Punkt waren sie sehr verschieden… Sie wirkte zwar recht zerbrechlich, aber sie schien, auch wenn sie es nicht so zusehen schien, zumindest innerlich sehr stark zu sein, immer bereit, um das zu tun, was getan werden musste, egal, wie die Folgen aussahen… Sie schien die Schrecken, denen sie ausgesetzt war, einfach hinzunehmen… Es war schwer, so jemanden zu beschützen oder ihr halt zu geben.

Aber immerhin war er auf sie zugegangen, und ihretwegen hergekommen… Das musste ihr doch auffallen, das musste sie doch freuen, wenn nicht all seine Annahmen über ihre Persönlichkeit total falsch waren…

Zumindest eins hatte sie, so glaubte er, mit ihr gemeinsam: Sie waren beide an eine finstere Welt gewöhnt und wussten so auch die kleinste Zuwendung und das schwächte Licht sehr zu schätzen… Er hoffte, dass er sie da richtig eingeschätzt hatte, denn wenn es so wäre, dann würden sie vielleicht eines Tages fähig sein, einander zu verstehen, wie es sonst niemand konnte…
 

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„Und, wie ist der Test verlaufen?“ fragte Misato, kaum, dass sie ihren Posten im Central Dogma betreten hatte, dem sie nach einem bislang größtenteils von Papierkram dominierten Arbeitstag nun endlich einen Besuch abstatten konnte.

„Erfolgreich.“ Entgenete Dr. Akagi kurz an ihrer Kaffeetasse nippend nachdem sie damit fertig war, Lt. Ibuki einige Anweisungen zu erteilen. „Es gibt zwar noch ein paar Feedbackprobleme und es wird wohl noch einiges an Feinabstimmung nötig sein, bis der EVA bei voller Effizienz ist, aber an sich ist Einheit Null jetzt im Wesentlichen kampfbereit, und wir hatten bei der Generalüberholung ja auch genug Gelegenheit, sie gehörig aufzurüsten… Alles Weitere findest du im entsprechenden Bericht in der Datenbank.“

„Sehr gut.“ Lobte Misato knapp. „Nun dann, was ist dann mit dieser anderen Sache, wegen der ich kontaktiert wurde…? Irgendetwas mit einem Fehler in den AT-Feld Sensoren?“

„Wir dachten, dass es ein Fehler sei, denn eigentlich sollten solche Anzeigen keinen Sinn machen.“ Berichtige Hyuuga. „Aber wir haben die entsprechenden Systeme schon zum vierten Mal geprüft, und diese seltsamen Signaturen tauchen immer noch auf…“

„Wenn das so ist, dann müssen wir wohl akzeptieren, dass es doch möglich ist… um was für ‚Signaturen‘ handelt es sich denn?“

„Nun, das ist…-“

„Da ist es wieder.“ Fiel der brillentragende Techniker seiner blonden Vorgesetzten ins Wort. „Es sieht aus, wie ein AT-Feld, aber es ist sehr schwach und scheint über ein riesiges Gebiet verteilt zu sein… praktisch über der ganzen Stadt…“

„Können Sie es analysieren?“ fragte Misato alarmiert.

Lt. Ibuki hatte sich schon daran gemacht, bevor ihre Vorgesetzte überhaupt gefragt hatte.

„Das Muster ist orange. Alles andere ist so, wie wir es letztes Mal beobachtet haben.“

„Schnell, überprüfen Sie, ob es eine Stelle gibt, an der das Feld besonders stark ist.“ Befahl Ritsuko.

„Wenn, dann ist die Abweichung entweder zu gering, als das wir sie auf einem so großen Gebiet so schnell erfassen könnten, oder aber die Stelle ist so klein, dass sie durch das Sensorenraster geht.“ Meinte Hyuuga.

„Dann ist es vielleicht doch ein Sensorfehler?“ mutmaßte Misato.

„Vielleicht doch nicht.“ Korrigierte Hyuuga. “Jetzt ist auf einmal doch eine klar begrente Region aufgetaucht, in der das Feld stärker ist, nein, das Feld selbst hat sich begrenzt… Es hat jetzt nur noch einen Radius von dreißig Metern… Das ist vorher noch nicht passiert!“

„D-Das Energiemuster hat sich zu Blau verändert!“ verkündete Maya entsetzt.

Das machte allen im Raum klar, dass sie es mit einer wesentlich ernsteren Situation zu tun hatten als mit einer simplen technischen Fehlfunktion.

Wer nicht wenigstens alarmiert zusammenzuckte, dem verging wenigstens jegliche heitere Stimmung.

„Ein Engel?” fragte Misato ernst.

„Es sieht so aus… Nein, halt, wir haben das Zielobjekt verloren!“ rief die weibliche Technikerin. „Das AT-Feld ist von allen Sensoren verschwunden!“

„Die Bilder der Aufklärungshubschrauber bestätigen das.“ Informierte Aoba. „An der Stelle, wo eben das Zielobjekt zu sein schien… ist rein gar nichts zu sehen. Genauer gesagt… scheint nie etwas dort gewesen zu sein, die Kameras haben nie irgendetwas angezeigt, und es gab auch keine Nachrichten von irgendwelchen Observatorien…“

„Dann… Ist der Engel verschwunden? Oder war es doch ein Fehler?“

„Wer weiß.“ Kommentierte Ritsuko, ihre Freundin mit ihrer scheinbaren Unbekümmertheit deutlich irritierend.

“Was… was meinst du damit?”

„Na ja, wir Menschen sind doch sehr auf unsere Fünf Sinne angewiesen, oder auf die Messinstrumente, die wir benutzen, um deren Beschränkungen zu umgehen… Man brauchst diese Sinne nur auszutricksen, und schon hat man uns eine Illusion aufgehalst. Und manchmal benötigt man dazu nicht einmal einen Trick, du weißt ja, dass der erste Eindruck oft trügen kann. Wenn man, wie diese Engel, ein Wesen ist, das existiert, um unsere Vernichtung herbeizuführen, wäre es gar nicht so falsch, diese Schwäche auszunutzen.“

„Ein Feind… den wir nicht sehen können?“ fragte Misato.

„Ganz recht, das ist, wenn man sich diese Daten ansieht, sehr wahrscheinlich.“

„Wie wahrscheinlich?“

Lt. Ibuki tippte rasch etwas ein.

„Laut den Magi…“ Sie wartete noch kurz, bis die erwartete Zahl auf dem Bildschirm an ihrer Konsole erschein. „..etwa 49%“

Die Leiterin der Einsatzabteilung überlegte kurz. Wenn ein Engel gefunden wurde, war es ja die Standartprozedur, erst einmal Alarm zu schlagen und die EVAs klar zu machen, aber… wo sollte man sie denn hin schicken?

„Sollten wir nicht Alarm schlagen und die Stadt evakuieren lassen?“ fragte Hyuuga.

„Erst einmal nicht…Testet nochmal, ob es mit den Sensoren wirklich keine Fehler gibt, und last dort, wo eben Muster Blau angezeigt wurde, vor Ort weitere Tests durchführen. Wenn es weitere solche Vorkommnisse gebt, versucht sie so weit wie möglich zu analysieren Im schlimmsten Fall… werden wir diesen Engel, wenn er denn existiert, erst dann bemerken, wenn er uns angreift und anfängt, sichtbare Zerstörung anzurichten… Deshalb ordne ich an, dass sich ab jetzt immer mindestens ein Pilot im Hauptquartier bereitzuhalten hat… Rei dürfte noch nicht weit sein, vielleicht ist sie ja sogar noch im Hauptquartier, kontaktiert sie. Dr. Akagi und ich werden uns erst mal mit dem Commander beraten…“
 

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„Dann haben wir es mit einem unsichtbaren Engel zu tun?“ fragte Fuyutsuki noch mal nach, auch, um sich selbst die Absurdität der Situation beizubringen.

„So sieht es aus, ja.“ Bestätigte die Wissenschaftlerin.

„Verstanden. Captain Katsuragi?“

„Ja, Commander?”

„Ich stimme ihren Anordnungen soweit zu. Da wir den Feind nicht lokalisieren können, wäre es wohl die beste Strategie, abzuwarten.“

Er hatte sich schon mit dem letzten Präventivschlag gefährlich weit aus der Deckung gejagt.

Die alten Männer hielten einen Erstangriff immer noch für unweise und mussten nicht unbedingt wissen, dass er sein eignes Spiel spielte.

„Da dieser Engel uns zu vernichten gedenkt, muss er sich uns früher oder später offenbaren – spätestens dann, wenn er uns angreift. Dann können wir ihn einfach vernichten wie seine Vorgänger. Machen Sie weiter, wie bis her. Das First Child soll sich bis auf weiteres dauerhaft im Hauptquartier bereithalten.“

„Ja, Sir.“
 

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„Nein, Sir, Captain Katsuragi ist noch nicht informiert. Sie soll den Überwachungsbericht der beiden ihr unterstellten Children ja formell erst diesen Freitag erhalten, natürlich nur, solange nichts Außergewöhnliches vorfällt. Soll ich es nicht in den Bericht mit aufnehmen?“

„Das wird nicht nötig sein, Lt. Asahina.“ Urteilte der Commander.

„Ich stimme zu.“ Merkte Fuyutsuki an. “Es gibt keinen Grund, dass zu vertuschen und zu riskieren, damit unnötige Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Katsuragi wird sich vermutlich ihren Teil dazu denken, es ist ja nichts daran, das Verdacht erregen würde. Ein vierzehnjähriges Kind sorgt sich um eine Bekannte. Sie dürfen wegtreten.“

„Verstanden, Sir.“

Die dunkel gekleidete Frau verbeugte sich kurz bevor sie sich umdrehte und ging.

Das Gespräch der beiden älteren Männer setzte sich erst fort, als sich die Tür schon etliche stille Sekunden lang hinter ihr geschlossen hatte.

„Ikari… Denkst du nicht, dass sie Verdacht schöpfen könnte?“

„Sie haben es doch selbst gesagt. Einfach nur ein gewöhnliches, besorgtes vierzehnjähriges Kind. Er hatte keinen Grund, im Hauptquartier zu sein, es wäre verdächtiger gewesen, nicht nachzufragen.“

Fuyutsuki wendete seinen Blick zum Fenster.

„Dann war dein Sohn also wirklich wegen Reis Test hier…“

„Mit an Sicherheit glänzender Wahrscheinlichkeit. Es scheint, als würde alles genau nach Plan verlaufen.“

Fuyutsuki war sich nicht so ganz sicher, ob das ein Grund zur Freude war, doch wie so oft behielt er seine Worte für sich.
 

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Ob es theoretisch möglich gewesen wäre, rechtzeitig zurückzukehren, wenn er sich auch auf dem Rückweg beeilt hätte, sei mal dahingestellt, aber zumindest in der Praxis war es ihm nicht gelungen.

Er war fast eine halbe Stunde zu spät gewesen und hatte keine Lüge, die er präsentieren konnte. Er konnte nicht behaupten, dass er von NERV aus irgendwas zu tun gehabt hatte, der Lehrer würde bei Misato nachfragen oder Asuka würde petzen, dass sie von nichts dergleichen gehört hatte… Doch glücklicherweise schien dieser Lehrer ein Pragmatist zu sein und zog es vor, die restlichen Unterrichtsminuten bestmöglich auszunutzen statt darauf zu warten, bis Shinji eine Erklärung hervorgestottert hatte – Er wurde letztlich einfach angewiesen, sich an seinen Platz zu setzen.

Es half wohl auch, dass er sonst eigentlich immer pünktlich war und als EVA-Pilot von den Lehrern ohnehin nicht so hart rangenommen wurde.

Das änderte jedoch nicht daran, dass Shinji bezüglich der seltsamen Ansammlungen von Zahlen, Buchstaben und Bruchstrichen an der Tafel erst einmal nur Bahnhof verstand.

Um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen gab er sich dann in der nächsten Doppelstunde besondere Mühe und versuchte dem Unterricht aufmerksam zu folgen – Auch als eine Methode, um seine vielen Sorgen aus seinem Kopf zu vertreiben.

Als das Geräusch der Erlösung sich dann endlich in Form des letzten Klingelns präsentierte, dass den Schulschluss ankündigte, fragte er seine Freunde nach der Mitschrift der Mathestunde – Er war sich nicht sicher, ob er aus dieser allein schlau werden würde, aber einen Versuch war es wert, zumal er wirklich allen Grund hatte, seine Noten endlich wieder in den Griff zu bekommen.

Nachdem er sich entschieden hatte, Nagatos Heft auszuleihen (Da dieser am ehesten dazu tendierte, im Unterricht aufzupassen, und auch mit Abstand die leserlichste Schrift hatte), machte er sich daran, dessen mit dem heutigen Datum markierten Antrag hastig in sein eigenes Heft zu kritzeln, da es ihm wirklich zutiefst unangenehm war, Nagato warten zu lassen.

Nachdem er damit fertig war und seine Sachen eilig in seinen Ranzen gestopft war, lief er los, um das Heft seines Freundes rasch zurückzubringen – Dieser erwartete ihn auf dem Schulhof, wo er gerade dabei war, sich mit Kensuke und Touji zu unterhalten.

„Oh, Shinji, das bist du ja!“ grüßte letzterer, seinem Kumpel zuwinkend, sobald er diesen erspäht hatte.

„Uhm… hier ist… dein Heft, Nagato. Es tut mir sehr leid, dass ich dich hab warten lassen…“

„Es ist schon in Ordnung.“ Antwortete dieser. „Dazu sind Freunde ja da.“

„Keine Sorge, er hat sich hier nicht gelangweilt, dafür haben wir schon gesorgt.“ Versicherte Touji.

„Wir waren gerade dabei, ihm zu erzählen, wie wir uns damals kennengelernt haben.“ Setzte Kensuke hinzu. „Ja das haben sie…“ bestätigte Nagato zaghaft freundschaftlich lächelnd.

„Es ist schon eine ziemlich abenteuerliche Geschichte.“

„Stimmt schon.“ Gestand Touji. „Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass Shinji und ich mal beste Freunde sein würden, hätte ich ihn für beknackt gehalten… Aber der erste Eindruck kann halt oft trügen. Mit dir ging’s mir genau so, Nagato. Versteh das nicht falsch, aber als du hier neu in die Klasse gekommen bist, hielt ich dich eher für so ‘nen überheblichen Streber, der sich zu gut ist, um mit dem Rest von uns zu reden, aber wahrscheinlich hast du dich nur nicht getraut… jetzt, wo ich dich kenne, weiß ich natürlich, dass du jemand bist der sehr viel über die Belange anderer Leute nachdenkt. Oder Kensuke hier, der sieht auf den ersten Blick aus wie ein Obernerd. Okay, er ist auch einer, aber er gehört nicht zu diesen Weltfremden Typen die sich in ihre eigene Welt verkriechen, am liebsten eine Videospielfigur heiraten würden und sich um niemandes Gefühle scheren. Eigentlich bist du ein ganz vernünftiges Kerlchen… na ja, zumindest, solange keine riesigen Monster oder Kriegsschiffe in der Nähe sind.“

„‘Vernüftiges Kerlchen‘ heißt in diesem Fall vernünftiger als du!“ konterte Kensuke.

„Mit irgendwas musste ich mich halt beschäftigen, anders als du bin ich leider ein Einzelkind, da hat man nicht automatisch immer jemanden, dem man auf den Keks gehen kann. Ich würd‘ mir an deiner Stelle mal an die eigene Nase fassen. Wenn ich‘s nicht besser wüste könnte ich dich für einen von diesen hohlköpfigen billigen Muskelprotz halten.“ Scherzte er.

„Tja, wenn irgend so ein Typ meine kleine Schwester piesackt und sie dem damit droht, ihren großen Bruder zu holen, dann muss ich halt dafür sorgen, dass sie ein paar schlagkräftige Argumente hat!“ meinte Touji, mit seinem Arm die typische Mucki-Pose vollführend um klar zu machen, was genau er damit meinte.

„Keine Sorge.“ Entgegnete Kensuke lächelnd. „Wie du es selbst gesagt hast, der erste Eindruck kann trügen. Mich hat er etwa so lange an der Nase herumgeführt bis du damals in der Grundschule diese unfreundlichen Viertklässler daran gehindert hast, mich in die Kloschüssel zu tunken.“

„Uhm… heißt das dann…“ begann das Third Child.

„Yup.“ Bestätigte der Nerd. „Das wäre dann die Geschichte, wie Touji und ich uns kennengelernt haben. Auch, wenn die nicht ganz so interessant ist, es kommt ja kein einziger Riesenroboter darin vor.“

„Na ja, eigentlich sind die EVAs keine richtigen Roboter… Aber na ja, uhm… was… habt ihr denn heute Nachmittag noch vor?“

„Wir könnten ja überlegen, was wir wegen dem Schulfest machen…“ schlug Nagato vor.

Aber obgleich er heute Morgen bei dem Gedanken daran, Misato beeindrucken zu können, noch recht enthusiastisch war, schüttelte Touji direkt den Kopf.

„Das ist an sich ‘ne gute Idee, aber heute geht’s nich. Mein Vater hat heute seinen freien Tag und wir haben meiner kleinen Schwester versprochen, dass wir sie heute mal alle zusammen besuchen gehen…“

„Und ich hab ja eigentlich auch was anderes vor…“ gestand Kensuke. „Ich hab’s endlich geschafft, meinen Vater dazu zu überreden, dass er mit mir in dieses Luftfahrtmuseum fährt…“

„Ich verstehe…“ antwortete Shinji. „Dann… dann überlegen wir uns das später… Wir haben ja noch etwas Zeit… Ich sollte heute wahrscheinlich sowieso eher noch ein bisschen mehr lernen, ich verstehe vieles von diesem Physikkram immer noch nicht so recht…“

„Wie wäre es denn, wenn du zum Lernen zu mir kommst?“ schlug Nagato dann unerwartet vor. „Wir könnten uns ja gegenseitig etwas unter die Arme greifen… und natürlich auch zusammen die Hausaufgaben machen.“

Angesichts der Unterschiede in ihren Schulnoten war es dem Third Child klar, dass dieses Angebot in erster Linie bedeutete, dass der Junge mit dem Kopfverband ihm unter die Arme griff… Shinji hatte das Gefühl, dass er sich dafür schämen müssen würde, wenn er dieses Angebot annahm.

„Ich… ähm… ich… ich will dich nur ungern stören, ich meine, du musst ja selbst sicher auch eine Menge lernen und… ich will dich dabei nicht aufhalten…“

„Du störst nicht.“ Stellt Nagato klar, sich ihm auf eine Art gegenüberstellend, welche die paar Zentimeterchen, um die er ihn überragte, optimal ausnutzte.

„Im Gegenteil. Es wäre mir eine Ehre. Ich wollte… dich eigentlich schon länger mal zu mir einladen.“

„…Ist das so…?“

Wenn es wirklich so war, das würde er sich genauso schämen müssen, wenn er das Angebot ausschlug… Shinji entschied sich einfach mal für die Variante, welche ihm Nagato selbst zu empfehlen schien. So, wie Asuka im Moment drauf war, konnte er es ohnehin vergessen, zuhause die zum pauken erforderliche Ruhe zu finden.

„Uhm… in Ordnung, ich… ich ruf nur kurz… bei Misato-san an, dass sie auch weiß, dass ich später komme…“

„Okay! Na dann, viel Spaß ihr zwei!“ rief Touji Shinji und Nagato noch zum Abschied zu.

„Ich wird mir bis morgen was für das Schulfest ausdenken, okay?“ versprach Kensuke, der sich dann ebenfalls mal auf den Weg machte. „Viel Spaß! “

„Den wünschen wir euch auch!“ entgegnete der jüngere Mitsurugi.

Es war schon erstaunlich. Vielleicht war es, weil sie ihn jetzt näher kannten und er sich bei ihnen inzwischen sicherer fühlte… oder vielleicht hatte er sich auch wirklich verändert.

Ungewohnt fühlte es sich trotzdem noch an, den anfangs eher steifen Nagato so ausgelassen lächeln und sogar auf minimale Weise nur mit der oberen Hälfte der Hand winken zu sehen.

Es war ein schönes Gefühl… zu wissen, dass man jemandem geholfen hatte.
 

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06: [The Hidden Depht]
 

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Don't taint this ground

With the color of the past

Are the sounds in bloom with you

Cause you seem like

An orchard of mines

Just take one step at a time
 

[…]
 

I say it to be proud

Won't have my life turn upside down

Says the man with some

With some gold forged plan

Of life so incomplete

Like weights strapped around my feet

Tread careful one step at a time
 

And you seem

To break like time

So fragile on the inside

You climb these grapevines

Would you look now

Unto this pit of me on the ground

And you wander through these

To climb these grapevines
 

-Globus, ‘Orchard of Mines’
 

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Es sollte das erste Mal sein, das Shinji die Residenz der Mitsurugis besuchte.

Bei Touji und Kensuke war er schon das ein- oder andere Mal gewesen, auch wenn die zwei es deutlich vorzogen sich wenn nicht auswärts, dann bei Shinji zu treffen, was natürlich einzig und allein daran lag, dass sie ja keine Chance verpassen wollten, Misato zu treffen – Auch, wenn das in jüngster Zeit bedeutete, dass sie sich gelegentlich auch mal Asuka antun wurden.

Nagato hingegen gehörte erst seit kurzem richtig dazu, und hatte die turbulenten Ereignisse, die den Rest von ihnen so zusammengeschweißt hatten, nicht miterlebt, insofern war es ja ganz gut und irgendwo auch interessant, dass Shinji mal dazu kommen würde, ihn etwas näher kennen zu lernen.

Misato hatte natürlich das OK gegeben, da sie sich immer freute, wenn die Piloten mal ihren sozialen Kontakten nachgingen und unbeschwerte, normale Dinge taten. Da Shinji ja sein Handy dabei hatte und sein Vormund sich die Telefonnummer und Adresse der Mitsurugis mit einem einzigen Anruf beim Hauptquartier besorgen könnte, würde die Kontaktierung im Falle eines Notfalls kein Problem werden.

Da waren die Unterhaltungen, welche die zwei auf dem Weg zu Nagatos Wohnung führten, schon eher eine Herausforderung, zumal sich das Third Child nie wirklich für Politik und so weiter interessiert hatte – Er hatte auch so schon genug Dinge, über die er sich Sorgen machen oder Trübsal blasen konnte, ohne sich in großem Detail mit den großen, unausweichlichen Prozessen zu beschäftigen, welche die ganze Welt langsam aber sicher über dem Abgrund der Vernichtung seiltanzen ließen.

Sein Wissen beschränkte sich also auf das, was er bisweilen so nebenbei beim Fernsehen mitbekam, und seine Meinung zu den meisten Dingen war eher Wischie-Waschie.

Solche Themen wurden aus offensichtlichen Gründen eher selten angesprochen, wenn sie zu viert waren, aber Nagato schien ihn wohl für den Typ gehalten zu haben, dem sich insgeheim für so etwas interessierte und nur auf eine Gelegenheit wartete, darüber zu sprechen, wenn es keinen störte.

Shinji nickte einfach nur brav und hoffte, dass sein Kumpel nicht werken würde, dass er keine Ahnung hatte. Wenn er irgendwo enttäuscht war, dann zeigte er es jedenfalls nicht.

Nicht, dass das viel bedeuten musste – Wenn überhaupt, dann war es wohl Beweis für die überragende Geduld des älteren Jungen, dessen stoische Gelassenheit bisweilen selbst Asukas ständigen Provokationen standzuhalten vermochte.

Seine Aussagen über die Komplexe der weiten Welt, die Shinji immer als großer, verwirrender, Feindlicher Ort erschienen war, in dem man leicht verloren gehen konnte, waren nüchterne Kommentare, detailliert begründende, aber leidenschaftslose Stellungnahmen wie auch leicht besorgte Betrachtungen ohne das Meckern und Schimpfen, dass sonst zu solchen Debatten gehörte. Shinji schätzte das einfach mal als eine positive Eigenschaft ein, auch wenn er sich denken könnte, dass Asuka auch Nagato raten würde, dass er energischer zu seinen Positionen stehen sollte… Auch, wenn sie, wäre sie wirklich hier gewesen, viel lieber Shinjis beschränkten Intellekt mokiert hätte.

Seine Beiträge zum Gespräch waren nur zwei oder drei Mal über schlichte Einzeiler hinausgegangen, als die beiden Jungen ihr Ziel erreichten.

Die Mitsurugis lebten in einem nicht luxuriös, aber doch gehoben wirkenden Apartmentkomplex, der sowohl innerlich als auch äußerlich ein stilvolles, modernes Design aufwies.

Der Anzahl der vielen Klingenknöpfe nach zu urteilen, neben denen kein Zettel mit einem Namen klebte, stand das Gebäude ähnlich wie viele andere in Tokyo 3, inklusive dem, indem Shinji selbst lebte, größtenteils leer, auch wenn Nagatos Familie anders als der Katsuragi-Haushalt zumindest ein paar Nachbarn zu haben schien, die alle zwei, drei Stockwerke eines der drei bis vier Apartments pro Stockwerk besetzten.

Insgesamt waren hier jedoch nur sechs Wohnungen besetzt.

Der Weg der beiden Kinder führte über einen geräumigen Fahrstuhl mit glänzend-schwarzem Steinboden in den sechsten Stock, was etwa der Mitte des Gebäudes entsprach.

Die Knöpfe im Fahrstuhl deuteten an, dass unter dem Gebäude eine Tiefgarage und ein Kellerkomplex lagen, in dem man vermutlich einzelne Räume oder Parkplätze mit der Wohnung mit-mieten konnte.

Die Wohnung an sich hatte, ähnlich wie die, in der auch Shinji selbst lebte, eine automatische Schiebetür – Nagato brauchte nur eine Schlüsselkarte durch einen Schlitz zu ziehen, und schon war sie auf.

„Uhm… Ist das auch wirklich in Ordnung…?“ fragte Shinji zögerlich, unsicher darüber, ob er die Wohnung wirklich betreten sollte. Er war sich nicht ganz sicher, ob er sich wirklich ganz klar darüber war, welche Verpflichtungen und Bedeutungen mit dem übertreten dieser Türschwelle verbunden sein wurden.

Nagato schien sich über die Frage zu wundern, auch wenn er dies, wie auch eine gewisse Verunsicherung, wenn schon nicht verbergen, dann zumindest recht erfolgreich herunterspielen konnte.

Nickend und ihn mit einer Geste hereinbittend erlaubte Nagato Shinji den Vortritt.

Das Apartment war schön ausgestattet, aber nicht groß; Nach einer kleinen Garderobe die Platz zum Ausziehen von Schuhen bot, erstreckte sich vor ihnen ein offener Wohn-, Koch- und Ess bereich mit drei angrenzenden Türen, die auch alle verständlich mit kleinen, durch scheinbar handgemachte Schnitzereien verzierte Schildchen beschriftet waren: Auf einem, das eine kleine Badewanne darstellen sollte, stand „Bad“, das Schild der nächsten Tür sollte wohl ein Motorad darstellen, und war der Aufschrift („Bester Papa der Welt“) nach zu urteilen ein Geschenk gewesen, und das letzte stand in starken Kontrast zu den anderen aus schlichtem Edelstahl und in großen Druckbuchstaben mit „ZIMMER VON NAGATO“ beschriftet.

Scheinbar schien der ältere Mitsurugi, obwohl er ähnlich „ausgeflippt“ zu sein schien wie Misato, eher ein Gespür dafür zu haben, was Jungs in ihrem alter als peinlich empfanden… Und dafür bedankte sich sein Sohn scheinbar nicht nur in Form von großmütterlichen Holzschildchen (Für die der NERV-Angestellte anders als seine rebellisch anmutende Haarpracht vermuten ließ, eine Schwäche zu haben schien, da sie in der Küche trotz scheinbar fehlender Frau im Hause omnipräsent schienen – „Geschirr“, „Töpfe“, „Besteck“… ein Schild an jeder Schublade inklusive kleiner Schnitzereien…) sondern auch mit Kaffeetassen („Ohne Papa ist alles doof“) bedankt hatte, die er auch oft stolz benutzte um zur Schau zu stellen, wie stolz er auf seinen Junior war, zum Beispiel wenn er, wie jetzt, gerade irgendwelche Akten oder Berichte voller Grafiken und Zahlen durchsah.

Zunächst geistesabwesend an seinem Kaffee nippend über seiner Arbeit sitzend setzte Mitsurugi Minoru die Tasse sofort ab, als er die nahenden Schritte hörte.

„Oh, Nagato! Wilkommen daheim!“ grüßte er, breit grinsend. „Und.. oh, hast du Besuch dabei?“ Er schien etwas verwundert.

„Wir wollten gemeinsam den Schulstoff durchgehen. Uh, ist das denn heute schlecht?“

Der ältere Mann schüttelte lächelnd den Kopf.

„Natürlich nicht. Ich sage dir ja immer, dass du ruhig mal ein paar Kumpels von dir mitbringen könntest! Damit, dass du anderen aus deiner Klasse beim Lernen hilfst, kann ich ja beinahe schon angeben! Aber… ist das nicht unser Third Child?“

„Uh… ja…“ bestätigte Shinji.

Der Mann mit den langen, dunklen Haaren erhob sich erfreut von seinem Platz und schüttelte dem EVA-Piloten die Hand. „Es ehrt mich, dich hier begrüßen zu dürfen, Ikari-kun.

Fühl dich hier ganz wie zuhause! Wir sind uns ja schon ein paar Mal im Hauptquartier begegnet… Mein Name ist Mitsurugi Minoru.“

„…Freut mich, Sie kennen zu lernen, Mitsurugi-san.“

„Die Freude ist ganz meinerseits!“

Shinji hoffte ja sehr, dass man ihm nicht angesehen hatte, dass er bei der ganzen Begrüßungsgeschichte etwas neben der Spur gewesen war.

Die schiere Beiläufigkeit, mit der dieser Mann fast nur so nebenbei angemerkt hatte, dass er mit seinem Sohn ‚angeben‘ würde, als sei es fast schon selbstverständlich, hatte ihn tief schockiert. Er konnte sich das gar nicht vorstellen… einfach Nachhause zu kommen, und seinen eigenen Vater mal ebenso am Tisch sitzend vorzufinden… Der ältere Mitsurugi trug ein teils offenes, weißes Hemd und eine enge, helle Jeans, die ihm einige Jahre vom Gesicht zu nehmen schienen. Er wirkte ganz anders, als in seiner NERV-Uniform… Shinji hätte nicht mehr sagen können, wann er seinen eigenen Vater das letzte Mal in etwas anderem als einer Uniform gesehen hatte… Obwohl er mit den zweien im selben Raum war, fühlte sich das Third Child, als sei er auf einem anderen Stern und betrachte durch ein Fernrohr eine befremdliche, weit entfernte Sphäre am anderen Ende des Universums.

„Na dann, viel Spaß beim Lernen, ihr fleißigen Musterschüler!“ merkte Mitsurugi zum Schluss an, seinem Sohn dabei anerkennend auf die Schultern klopfend.

Shinji glaubte nicht, dass ihm in seinem ganzen Leben je eine liebevolle Berührung zu Teil geworden war… kein Schulterklopfen, keine Umarmung, kein nichts…

Er war ja nicht bei einem Familienmitglied aufgewachsen, mit dem wohl eine bestimmte Vertrautheit geherrscht hätte, sondern bei einem Lehrer, der ja ein Professioneller war und für alles bezahlt wurde… Es wäre in diesem Fall sogar seltsam bis alarmierend gewesen, wenn denn Berührungen im Spiel gewesen waren…

Nein, so ganz stimmte das nicht mehr.

Nicht, seit er nach Tokyo-3 gezogen war.

Es war zwar nichts, was ihm regelmäßig passieren würde, und die meisten Fälle waren peinliche Missgeschicke gewesen, aber eigentlich konnte er nicht mehr sagen, dass er nicht wusste, wie sich die Nähe eines anderen anfühlte…

Dennoch, es war verglichen mit dem, was die meisten anderen als selbstverständlich ansahen, lächerlich wenig…
 

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Nagatos Zimmer hatte recht großzügige Dimensionen und zahlreiche Fenster, die jedoch alle mit dunklen Vorhängen bestückt waren und die Lichtzufuhr, die am Tage wohl sonst merklich überdurchschnittlich gewesen wäre, in Grenzen hielten.

Die Möbel waren bis auf die gelegentlichen metallischen Oberflächen wenn nicht in Schwarz, dann in dunklen Farben gehalten, und die Teppiche setzten dieses Muster fort.

Das große Bett und der Schreibtisch, ein schwarzer Rollsekretär, bei dem nur seine Größe verriet, dass er keine Antiquität war, ließen vermuten, dass beim Kauf der Einrichtung nicht allzu sehr auf den Preis geschaut worden war.

Für eine persönliche Note sorgten die zahlreichen, verschiedenförmigen Lämpchen, von denen etliche an jedem freien Platz drapiert waren.

Was Shinjis Blick jedoch auf sich zog, war der große Flügel aus dunklem Holz, der da so ganz in einer Ecke des Raumes stand, als sei man nicht daran interessiert, Blicke darauf zu lenken.

„Der hat zu seiner Zeit meiner Mutter gehört.“ Erklärte Nagato, dem die Blickrichtung seines Freundes scheinbar bemerkt hatte.

Shinji selbst, der sich deshalb etwas ertappt vorkam, zögerte etwas, bevor er die Frage, die ihm vormals auf der Zunge gelegen hatte, auch aussprach. „…Spielt du das auch?“

Das wäre schon ein dolles Ding, wenn sie in all der Zeit, die sie einander kannten, nie festgestellt hatten, dass sie sich beide für klassische Musik interessierten.

Doch der Junge mit dem Kopfverband ersparte ihm die Schmach und schüttelte den Kopf.

„Nicht wirklich…“ gab er zu, nicht ohne einen Tropfen Melancholie in seiner Stimme.

„Ich habe es zwar versucht aber… es liegt mir nicht wirklich. Es ist nicht mal, dass ich nicht musikalisch wäre. Als ich ein kleiner Junge war, erschien mir das nicht so attraktiv, ich meine, ein Flügel, dass ist… also, zumindest, wenn du ein kleines Kind bist, kommt dir das so altmodisch vor und… ich war viel mehr daran interessiert, etwas moderneres zu lernen… das war dann ironischerweise ein Keyboard. Fast dasselbe, könnte man meinen, aber die Unterschiede sind da. Oder vielleicht war ich mit dem Üben nicht konsequent genug… Als kleines Kind hab ich nie so recht begriffen, dass ich meine Mutter niemals wiedersehen würde, und… dafür ist es mir jetzt, wo ich älter bin, umso klarer, dass ich sie fast gar nicht gekannt habe. Ich dachte, wenn ich damit anfange, dann… könnte ich ihr irgendwie begegnen, aber am Ende….- Oh, verzeih. Du willst das sicher alles gar nicht hören… Dazu bist du schließlich nicht gekommen… Es… tut mir leid… wirklich…“

Einen Moment lang reichlich verlegen wirkend griff sich Nagato kurzerhand in die Hemdtasche um seine Lesebrille hervorzuziehen und diese gleich auf seiner Nase zu platzieren.

„Wir sollten anfangen…“

Doch diese letzten Worte drangen nicht so recht zu Shinji durch. Es war etwas anderes, dass ihn eingenommen hielt, eine Gemeinsamkeit, ein Fehler seiner selbst der, an einer anderen Person, von außen besehen, eigentlich nur allzu menschlich wirkte.

Ein Gefühl, mit dem er bis jetzt allein zu sein glaubte.

„…Es.. ist schon in Ordnung…“

„Hm…?“

„So altmodisch ist das ja gar nicht, ich meine… Klaviere und so trifft man immer noch häufig in moderner Musik an, die sind nie ganz aus der Mode gekommen…“ Das Third Child versuchte zu lächeln. „Sieh‘ mich einmal an, ich spiele Cello…“

„…Ist das so…?“

Stimmt schon, er hatte das eigentlich nicht besonders herumerzählt… Er wollte keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, keine Erwartungen wecken, die er nicht erfüllen können würde. „Denk dir nicht viel dabei, ich bin scheußlich darin… Mein alter Lehrer meinte zwar, ich hätte das Talent meiner Mutter geerbt, aber… das hat er sicher nur gesagt, damit ich nicht enttäuscht bin… Ich merke ja selbst, dass ich nicht zu gebrauchen bin… Er war ursprünglich der Lehrer von meiner Mutter… als er noch jung war natürlich. Sie war scheinbar so eine Art Wunderkind, und na ja, so ist er damals überhaupt mit unserer Familie in Kontakt gekommen… Er hat von ihr erzählt aber… für mich blieb sie immer nur ein großer Schatten…“

„Dann…“

„Ja… Es ist bei mir etwa wie bei dir… nur, dass ich schon ganz früh damit angefangen habe, und es trotzdem nie hinbekommen habe…“

Nagato blickte ihn durch seine Brillengläser hindurch groß an.

War das die andere Seite des Gesichtsausdrucks, den Kensuke damals an diesem Lagerfeuer zu Gesicht bekommen hatte? Es war seltsam… Sich selbst in so einer Rolle zu sehen, wie er… etwas änderte und tatsächlich… gut für andere war, statt immer nur unnütz im Weg zu stehen…

„Also… wollten wir nicht anfangen…?“

Nagato nickte mit einem sachten, aber doch klar sichtbaren Lächeln.
 

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„Und, was hast du bei der Aufgabe 2 raus…?“

„Die hab ich aufgegeben… Ich fürchte, ich kapier das einfach nicht…“

„Dann lass mich mal sehen… das ist doch ziemlich gut…“

„Das sind nur die… Grundlagen und so…“

„Das ist der Teil, bei dem die meisten hängen, wenn ich das so sagen darf.“

„Also, das…“

„Na dann, weiter im Text… hm…“

„Da bin ich komplett durcheinandergekommen… Man soll ja die eine Formel benutzen, wenn’s negativ wird, und die andere, wenn’s positiv wird und… ich kann mir beide nicht wirklich merken…“

„Die werden ohnehin angegeben. Es ist nicht so schwer, wie es aussieht, man muss sich nur das Schema merken… In welchen Bereich die Funktion positiv oder negativ ist, musst du vorher einfach mit einer Ungleichung ausrechnen… Warte, ich zeig’s dir…“

„Vielleicht so…?“

„Exakt. Da kommst du ja fast schon selbst drauf, siehst du? Du darfst nur nicht so schnell das Handtuch werfen…“
 

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„Wieso fragst du mich, wenn du’s so gut kannst…?“

„Ich… ich war mir nicht sicher… und ich kann’s auch nicht…“

„Das ist aber fast alles richtig, bis auf die kleinen Nervositätsfehler hier und dort.“

„Das ist… weil du’s mir erklärt hast, Nagato…“

Der jüngere Mitsurugi musste schmunzeln. „Shinji, absolut niemand bekommt so etwas hin, ohne hin und wieder nachzufragen. Das darfst du dir ruhig erlauben.“

„Ich… ich will nicht stören und so… oder… nicht als Idiot dastehen…“

„Shinji, die Lehrer werden dafür bezahlt „dumme Fragen“ zu beantworten… Da ist nichts dabei, wofür man sich schämen müsste – Die freuen sich wahrscheinlich, dass sich mal jemand für den Unterricht interessiert… Das du das nur mit so einer Erklärung schon so gut hinbekommst, ist eigentlich bemerkenswert… Du bist eigentlich ein ganz helles Köpfchen, du musst dir nur mehr zu trauen.“
 

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„Hallihallo, ihr fleißigen Jungs!“

Die beiden hatten gerade Mathe, Physik, Literatur und die Hausaufgaben abgehakt, als sich die Zimmertür öffnete, um den Blick auf Nagatos Vater frei zu geben.

„Hättet ihr Lust auf ein bisschen Hirnnahrung?“

„Uhm… Ich… will ihnen wirklich keine Umstände machen…“ antwortete Shinji vorsichtig. Seine Zweifel bezüglich seines eigenen Vaters und die Tatsache, dass er sich von der Kontaktfreudigen Art des älteren Mitsurugis doch irgendwie eingeschüchtert fühlte, machten den üblichen Seiltanz zwischen dem Hinterlassens eines gierigen und eines undankbaren Eindruckes nicht leichter.

„Oh, keine falsche Bescheidenheit! Die Pizza ist sowieso schon bestellt! Ich hab mir die Freiheit genommen, dir eine mit Salami zu bestellen, weil die Geschmacksrichtung bei den meisten Leuten recht beliebt ist… Das ist für dich in Ordnung, oder?“

„V…Vielen Dank…“

„Nicht der Rede wert! Immerhin hast du jedem einzelnen Menschen in dieser Stadt schon etliche Male das Leben gerettet! Das ich dir was zu futtern spendiere ist doch das aller mindeste!“ Das Lachen, dass jetzt folgte, passte nur gut zu den langen Haaren und der für einen erwachsenen Familienvater recht lockeren Ausdrucksweise.

„Außerdem sind alle Freunde von Nagato auch meine Freunde! Ihr könnt ruhig schon mal kommen damit ich euch die Getränke einschenke, der Tisch ist schon gedeckt und wenn mir der Telefonist keinen Mist verzapft hat, dürfte die Pizza auch jeden Moment da sein!

Entgegen der landläufigen Meinung denke ich, dass man auch die Bildung in Maßen genießen sollte…“

Nagato selbst lächelte nur. „Danke sehr, Papa. Wir kommen gleich. Lass mich nur kurz den Absatz zu Ende lesen.“

Shinji erwischte sich derweil dabei, wie er seine Stifte fast wieder eingepackt hätte, obwohl er ja nachher hier weitermachen wollte – Auch, wenn der Herr des Hauses nicht den Anschein machte, als ob er viel Wert auf korrektes Betragen legte, so hatte Shinji noch nie zuvor Gelegenheit bekommen, es sich mit den Eltern seines Freunde zu versauen… Die Väter von Touji und Kensuke waren dem Anschein nach sehr beschäftigte Männer, sodass er ihnen bis jetzt nur so flüchtig im Vorbeigehen begegnet war, und auch wenn ihm Reis Vormund bekannt war, so ’zählte‘ der wohl kaum, da dieser ja auch Shinjis eigener Vater war.

Noch hatte der ältere Mitsurugi ja einen positiven Eindruck von ihm, aber das war ja nur, weil er EVA-Pilot war…
 

So oder so fanden sie den Tisch tatsächlich schon gedeckt vor, als sie Nagatos Zimmer verließen – Shinji hatte noch kurz gewartet, bis sein Freund mit dem Lesen dieses Absatzes fertig waren.

Der ältere Mann mit den langen, dunklen Haaren fragte sie prompt, was sie denn für Getränke wollten und bediente sie rasch – Shinji stellte am Rande fest, dass er wohl mangels Dame die Aufgaben des Haushalts übernommen haben musste.

Shinji selbst entschied sich für einen Orangensaft, während Nagato ein Mineralwasser und dessen Vater ein kühles Glas Limonen-Bier Mixgetränk wählte.

Kaum, dass alle an ihren Plätzen saßen, klingelte es auch schon an der Tür.

„Das muss die Pizza sein.“ Schloss der Herr des Hauses. „Wartet kurz, ich geh sie gleich mal-“

Doch Nagato war schon aufgestanden, bevor sonst jemand Gelegenheit dazu hatte.

Shinji hatte ja einen Sekundenbruchteil lang daran gedacht, selbst zu gehen, um nicht als fauler Schmarotzer zu wirken, doch seine Zweifel daran, ob er auch den Weg hierher zurück finden würde, hielten ihn zurück.

„Ich werde gehen.“ Stellte der Junge mit den Kopfverband klar. „Ich bin gleich wieder da.“

Und bevor das Third Child Zeit hatte, um zu Blinzeln, war der jüngere Mitsurugi auch gleich in Richtung Pizza losgezogen, was für seinen Freund bedeutete, dass er mit dem Älteren nun allein war.

„Vergiss nicht, das Geld mitzunehmen, Nagato!“ rief dieser seinem Sohn noch hinterher… und wendete sich dann gleich wieder Shinji zu. „Und du brauchst dich wirklich nicht zu genieren.“

„Uh… Trotzdem… Vielen Dank…“ antwortete Shinji, da ihm nichts besseres einfallen wollte.

„Der Dank sollte ganz meinerseits sein, da besteht nicht mal eine Frage. Du hast unsagbar viel für uns getan.“

„Das… das war, weil… weil ich es musste… Es war nicht wirklich mein Verdienst…“

„Oh, ich meine nicht die Sache mit dem Evangelion. Zumindest nicht nur.“

Shinji blickte ihn verdutzt an.

Wenn es nicht dafür war… wofür dann? Was hatte er denn sonst schon getan?

„Ich bin dir zu tiefst dankbar, Junge. Wie du vielleicht schon gemerkt hast ist mein Sohn etwas… zurückhaltend. Es ist, weil er dafür, dass er immer ein guter Schüler war, an ein paar seiner alten Schulen gemobbt wurde. Kinder können manchmal ziemlich grausam sein. Und wir mussten wegen meiner Arbeit am Projekt auch so oft umziehen, teils in ganz abgelegene Gegenden… Er hat nie richtig gelernt, Anschluss zu finden… und war so oft sehr allein… aber jetzt bringt er zum ersten Mal seit langer Zeit einen Freund mit nachhause…

Ich bin dir und den anderen Zweien dankbar dafür… dass ihr ihn aufgenommen habt.“

Shinji… wusste nicht was er sagen sollte.

„Hat es dir die Sprache verschlagen? Tut mir Leid… Ich kann mir vorstellen, das Commander Ikari dir den ganzen Höflichkeitskram bis ins tiefste eingebläut hat… Wenn er bei euch zuhause ähnlich ist, wie bei uns auf der Arbeit, dann ist er bestimmt ein ziemlich strenger Vater, nicht?“

Wenn er’s nur wäre. Das würde immerhin beinhalten, dass er sich Gedanken um ihn machte…

Woher sollte Shinji denn wissen, wie er so war?

Ob er mit Rei streng war…? Wenn, dann nicht auf die klassische „Räum dein Zimmer auf!“-Art…

Was Shinji selbst anbelangt, so war es ihm jedenfalls herzlich egal, was er so tat…

„Nein, das ist er nicht.“

„Na ja, so verwunderlich ist das ja nicht… Ich schätze, dass sich die meisten Leute mich auch ganz anders vorstellen. Ich frage mich immer noch, was ich falsch gemacht habe… Ich versuche mein Bestes, aber letztlich kann ich seine Mutter auch nicht ersetzen… Ich war selbst sehr von ihrem Tod betroffen, und vielleicht… war ich ja zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um ihm zu helfen, das zu verpacken… Obwohl er es doch war, der sie nach allem gefunden hat… Und ich bin auch mit meiner Arbeit immer sehr beschäftigt… Ich frage mich noch immer, ob es nicht besser gewesen wäre, Nagato auf ein Internat zu packen, wo sich ein paar ausgebildete Leute um ihn kümmern würden, und wo er mit anderen Kindern auf seinem-“

„Auf keinen Fall.“

Shinji war genauso über die Heftigkeit seiner Reaktion verwundert wie sein Gegenüber.

Auf einmal ließen sich seine lange Zeit aufgestauten Gefühle kaum noch zügeln.

Er hatte sich die Mitsurugis immer als absoluten Gegenpart zu seiner eigenen Geschichte vorgestellt, und dann hörte er von diesem Gedankengang…

Könnte es denn sein…?

„Auf… gar keinen Fall… Mitsurugi-san, ich…. Sehen Sie denn nicht… wie wichtig sie für Nagato sind…? Er spricht immer in den Höchsten Tönen von ihnen… Wenn alles… nicht noch schlimmer ist, dann wegen Ihnen…“

„Ist… ist schon gut… Danke, Kleiner. Ich weiß, dass du wohl recht hast…“

Nagatos Vater schielte auf die vielen Geschenke, die die Einrichtung bildeten.

„Ach ja, jetzt da wir von Vätern und dergleichen reden… Meinst du, du könntest bei deinem alten Herrn ein gutes Wort für mich einlegen?“ fragte er leicht grinsend, wohl in einem Versuch, die Gesprächsatmosphäre wieder zu erhellen. „Erwähn einfach mal beiläufig, was für ein netter, gastfreundlicher Herr ich bin, wenn du ihn das nächste Mal siehst, okay? Vielleicht wird es dann demnächst auch mal was mit einer Gehaltserhöhung oder einer Beförderung auf die Hauptbrücke…“

„Da fragen Sie den falschen, Mitsurugi-san…“

„Wie meinst du das?“

Eigentlich vermied es Shinji meistens, darüber zu reden, aber dieses unglaublich perfekte Gegenbeispiel warf genug Holz in der Feuer seiner Wut und seiner Enttäuschung, um seine Zunge zu lockern. „Mit meinem Vater habe ich… im Wesentlichen überhaupt nichts zu tun. Ich lebe bei Misato-san – Ah, das ist Captain Katsuragi – und wir sprechen auch sonst nicht miteinander… Er ist eigentlich nur mein Vorgesetzter, und sonst nichts!“

Der Hass war leise und unterdrückt, nur gerade noch so merklich, aber doch hörbar.

„Das ist…“

Bevor der ältere Mitsurugi, für den das hier wohl eine abrupte Begegnung mit dem Weg, den er nicht gewählt hatte war, die Zeit fand, zu antworten, kam sein Sohn mit den drei Pizzakartons durch die Tür, und vertrieb so unwissentlich die schwere, düstere Stimmung, die sich über den Raum gelegt hatte.

Das Gesprächsthema verlagerte sich ohne, dass man sich darüber absprach, auf belanglosen Smalltalk wie den gegenwärtigen Schulstoff und die Schrecken des Second Childs, und es hatten wohl alle eine schöne Zeit zusammen… nicht, dass das viel daran änderte, dass manche Dinge eben ungesagt blieben… wie es vielleicht auch sein sollte.
 

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„So, ich denke das reicht für heute.“ Verkündete Nagato, nachdem er sich ausgepowert auf sein Bett fallen lassen hatte. „Es ist schon recht spät, Katsuragi-san wird sich am Ende noch fragen, wo du so lang bleibst.“

„Ich… schätze, du hast recht…“ stimmte Shinji zu, bereits dabei, seine Sachen wieder sorgfältig zurück in seinen Ranzen zu packen. „…Noch mal danke für alles…“

„Keine Ursache… Wenn du wiedermal Probleme mit so etwas haben solltest, kannst du mich jederzeit um Hilfe fragen…“

„Danke. Ich werde dann mal-“

„Warte kurz.“

Nagato setzte sich wieder auf und holte etwas aus einer Schublade in seinem Nachttisch hervor. „Ich hab hier noch etwas für dich…“

„Wie… wie meinst du das…?“

„Nennen wir es ein freundschaftliches Geschenk… Ich wollte dir das hier schon länger geben, aber ich habe mich nie so recht getraut. Ich hab gesehen, dass du immer diesen altmodischen Kassettenplayer mit dir herumträgst, und ich dachte mir, na ja… das ich dir damit eine Freude machen könnte.“

Der Junge mit dem Kopfverband präsentierte dem Third Child eine ganze Ansammlung voller alter Kassetten, die er zwischen seinen Händen hielt.

„Die haben zu seinerzeit meinem Vater gehört. Er war in seiner Jungend so ein Rebell, man merk es heute noch an seiner Frisur… Er hat gesagt, dass du das gerne haben kannst, er das alles mittlerweile sowieso als MP3…“

„Das… das muss wirklich nicht sein, ich-“

„Ich bestehe darauf, dass du es annimmst.“

„Was… ist das denn alles?“

„Nirvana, Linkin Park, Three Days Grace… solches Zeug. Ich konnte ehrlichgesagt zum Leidwesen meines Vaters nie viel damit anfangen, aber ich könnte mir vorstellen, dass dir das gefällt… Es tut mir leid, wenn du die alle schon hast…“

Shinji fragte sich, wie in aller Welt Nagato so einen Eindruck von ihm bekommen hatte.

Ehrlichgesagt bestand das Repertoire dessen, mit dem er sich da die ganze Zeit die Dröhnung gab, größtenteils aus gewöhnlichen Pop-Songs, wie sie auch das Radio hoch- und runter liefen. Es waren eher welche aus der deprimierenden Ecke, und das eine oder andere Stück klassische Musik war auch dabei, aber an alles, was irgendwie als hart oder rebellisch markiert war, hatte er sich nicht so recht herangetraut – Was hätte denn sein alter Lehrer denken sollen…

Das, was Nagato da aufgezählt hatte, kannte er nur vom Namen her und auch nur, weil sich etliche reiche ältere Leute, die Bekannte seines alten Lehrers gewesen waren, sich gelegentlich die Münder über dieses „Nihilisten-“ beziehungsweise „Anarchistenzeug“ zerrissen, dass doch die Jungend von heute so verdarb.

„Uhm… wieso denkst du, dass… das was für mich wäre?“

Nagato zeigte sich kurz etwas verunsichert, schwang dann aber in ein melancholisch angehauchtes Lächeln um.

„Mein erster Eindruck von dir war… Weißt du, als ich dich das erste Mal sah… dachte ich, du wärst wie ich. Jemand, der manche Träume schon sehr, sehr lange Zeit begraben hat und einfach nur durch und durch tieftraurig ist… “

Es war kaum zu glauben, dass Nagato das mit einem Lächeln sagen konnte. Es war schon irgendwo schmerzlich, dass mitanzusehen. Shinji fragte sich, ob sich Misato wohl so gefühlt hatte, als sie ihn kennengelernt hatte… Irgendwo glaubte er, ihr Verhalten von damals jetzt besser verstehen zu können.

„Aber nachdem ich dich näher kennengelernt habe, wurde mir klar, dass die Dinge bei dir ein bisschen anders liegen… Du denkst, du hättest aufgeben sollen, aber das hast du nicht.

Ich denke, du trägst irgendwo eine große Wut in dir… oder na ja, das ist nur der Eindruck, den ich hatte, und deshalb dachte ich mir, dass das hier was für dich sei…“

Das erstaunte ihn schon, dass andere ihn so sehen könnten… Das passte doch gar nicht zu ihm.

Er fragte sich, warum das so war…

„Weißt du, etwas, dass wir gemeinsam haben, ist das wir beide uns wenn wir mit anderen zusammen sind oft zurückhalten und versuchen, so höflich wie möglich zu sein, weil wir Angst haben, irgendetwas falsch zu machen…“

„Ich weiß ich… bin ein Weichei… Asuka sagt das auch dauernd…“

„Weißt du, genau so hab ich es auch gesehen, als ich etwas jünger war… und weißt du, was mein Vater dazu gesagt hat…? ‚Nagato, hör sofort auf, so einen Schwachsinn zu reden! Du bist einfach nur ein netter Kerl und dafür brauchst du dich nicht zu schämen!‘“

Shinji wünschte sich, dass jemand dagewesen wäre, um ihm solche Dinge zu sagen.

„Es ist ganz normal, dass man versucht, anderen zu gefallen und mit ihnen nicht in Konflikt zu kommen… das gehört dazu, in einer Gruppe zu leben… Eigentlich könnte sich Fräulein Shikinami da durchaus etwas von dir abschneiden… andererseits hab ich die Erfahrung gemacht, dass man nicht glücklich sein kann, wenn man sich immer nur verstellt… Zumindest im stillen Kämmerchen, mit seiner Musik und seinen Computern und so weiter, oder irgendeinem anderen Hobby, sollte man sein wahres Ich ausleben können…“

„Ist das so…? Ich weiß nicht… Das wahre ich, ist doch nur weil es wahr ist, nicht immer gut… Was sagt dir, dass mein wahres ich nicht ein kompletter Schweinehund ist…?“

„Hast du Angst davor, es herauszufinden? Keine Sorge, ich bin mir sicher, dass du eine wunderbare, interessante Person sein musst… Vielleicht etwas intensiver als du es dich jetzt zu sein traust aber… ich weiß, dass du eine großartige Person bist.“

„Woher das denn?“

„Weil du großartige Dinge tust…“

Wenn’s doch nur so wäre…

„Ich… ich werd‘ es mir mal anhören. Danke, Nagato.“

Das Third Child packte die Kassetten ein.

„Es war eine… interessante Erfahrung, hierher zu kommen… denke ich. Danke nochmal.“

„Wie oft noch… ich bin es, der sich bedanken muss. Soll ich meinen Vater fragen, ob er dich fahren soll?“

„Nein danke, ich… ich komm schon zurecht. …Aber Nagato? Eine Frage… hätte ich da noch.“

Als er die letzten beiden Sätze sprach, stand er schon halb im Türrahmen.

„Was denn? Frag ruhig.“

Shinji glaubte… dass sie sich dafür jetzt eigentlich vertraut genug waren…

„Denk dir jetzt… nichts Seltsames dabei, ich… bin nur neugierig… was ist dir denn eigentlich passiert?“

Nagato brauchte einen Moment, um zu erkennen, worauf er sich da bezog.

„Ach, wegen dem Verband, meinst du? Das ist ein paar Monate passiert, bevor wir hierher gezogen sind… Mein Vater hat mich mal mit ins Labor gebracht, und ausgerechnet an dem Tag ist etwas schiefgelaufen… Es gab eine Explosion… Einige Leute sind gestorben, ich habe es auch nur ganz knapp überstanden… Und na ja, es braucht wohl eine ganze Weile, bis das alles wieder zusammengeheilt ist…“
 

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In der ausgehenden Abenddämmerung seinen Heimweg entlangschreitend konnte Shinji nicht anders, als ungläubig seine eigenen Hände zu betrachten, wie er sie mal langsam, mal schneller öffnete und schloss.

War er wirklich die Person, von der Nagato da geredet hatte…?

Konnte er wirklich einen Unterschied machen…?

Es gab viele, denen er helfen wollte… viele, der beschützen wollte…

Aber das war doch irgendwo Schwachsinn… Der große Held, von dem alle sprachen, sah ihm doch nicht mal ähnlich… Da mussten alle… etwas richtig in den falschen Hals bekommen haben… Das war doch alles nur, weil er EVA-Pilot war…

Asuka hatte doch ganz recht, er war nur eine Memme, die nicht für das einstehen konnte, war sie für richtig hielt…

All seine guten Absichten halfen doch gar nichts, wenn er sie nicht in die Tat umsetzen konnte…

Da waren all diese großen Erwartungen, und er war dazu gezwungen, sie eines Tages, wenn seine Glückssträhne ein Ende hatte, gründlich zu enttäuschen…

Er hatte es ja praktisch prophezeit bekommen….

Nicht, das er eine Prophezeiung brauchte, um das zu wissen… wenn Asuka es ihm nicht sagte, dann der nächstbeste Spiegel…

Er hatte sich immer zutiefst davor gefürchtet, dass andere ihn hassen könnten. Jetzt musste er feststellen, dass zu Unrecht verehrt zu werden noch viel unheimlicher war, als zu Recht gehasst zu werden.

Es war alles so vage und ungewiss…
 

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Als er zuhause angekommen war, stand der Tisch voll mit Fertiggericht-Verpackungen – In seiner Abwesenheit hatte sich Misato wohl „erbarmt“ um Asuka und PenPen das Abendessen zu spendieren – und vor allem erstere machte ihm direkt klar, dass sie darüber nicht gerade froh war und schon die Tatsache, dass er überhaupt existierte, überaus nervig war.

War sie denn wegen der Sache von heute Morgen allen Ernstes noch sauer?

Das verging doch auch sonst viel schneller… Vielleicht, war das ja der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte?

Er würde sie nie verstehen…

So oder so, sein Weg führte ihn erst einmal direkt in sein Zimmer, wo er sich kurz vor dem Schlafengehen einmal diese Kassetten anhören wollte, die er von Nagato erhalten hatte.

Er steckte die Kassette in den Player, stöpselte die Kopfhörer in seine Ohren, lehnte sich zurück, drückte die „Play“-Taste… und auf einmal war es ihm, als hätte er die Worte gefunden, um diese Gefühle zu beschreiben, die er schon lange mit sich herumgetragen hatte, aber nie wirklich auszudrücken gewusst hatte…

Er war nicht der einzige mit diesen Zweifeln und diesen Gefühlen…
 

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Kaum, nachdem diese Nacht ihn umfangen hatte, brachte ihn ihr geheimnisvolles Wirken wieder auf eine Reise.

Lose zusammengepresst aus der stillen Finsternis, unsicher darüber, was er werden sollte, fand er sich in den schwarzen Tiefen eines Ozeans wieder, wohin kein Licht durchdringen konnte.

Es war völlig totenstill, und sowohl der Grund als auch die Oberfläche waren weit jenseits seiner Sichtweite. Darum hatte er seine Augen auch schon lange geschlossen.

Es gab nichts zu sehen, nichts zu hören, nichts zu tun.

Es gab nur das Rieseln der Zeit und den langsamen Prozess, durch den er sich immer mehr der Kälte seiner Umgebung anpasste.

Es war keine weite, offene Dunkelheit, sondern eine kleine, abgeschlossene; Er hatte keinen Grund zur Annahme, dass ihn je jemand finden würde…

Also wieso reichte schon ein leichtes Glitzern, eine Ahnung von Helligkeit, um ihn aus seiner zusammengekugelten Position im Zentrum des großen Nichts zu lösen, und in weit offener Position der Quelle des Lichts zugleiten zu lassen, steigend wie Helium, immer weiter und weiter, hoch zu Licht und Gold und so vielen Wundern, die er noch nie gekannt hatte, sich der Sonne ergebend wie eine Motte dem Licht, obwohl er wusste, dass er verglühen würde?

Die Spiegelung in der Oberfläche… war nichts das er wiedererkennen würde, doch er kam nicht dazu, sie genauer zu betrachten, bevor entweder sein eigenes durchbrechen der Oberfläche oder aber das Klingeln des Weckers ihr ein Ende setzten…
 

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An diesem Abend hatte er seinen Wecker etwas früher gestellt; Er wollte Nagato heute von zuhause abholen gehen – Teils, um das, was er empfangen hatte, weiterzugeben und teils auch, um mit ihm alleine sein zu können – Er wollte Nagato bestätigen, dass er genau das richtige Geschenk für ihn ausgesucht hatte, und er wollte es in einer stillen Minute tun, wie sie in ihrer kleinen Gruppe nur sie beide wirklich zu schätzen wussten.

Die anderen Beiden waren bitter nötig, um die gelegentliche Melancholie aus der Luft zu vertreiben… es war nur, das es zwischen Shinji und jedem einzelnen der Drei Dinge gab, die sich nur unter vier Augen besprechen ließen.

Zugegeben, der noch immer stinksauren Asuka aus dem Weg zu gehen, war auch Teil des Motivs. Je mehr Zeit verging, ohne dass ihre Feindseligkeiten abebbten, umso mehr befürchtete er, dass sie nun endgültig nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte…
 

Nagato fühlte sich durch den Dank denkbar geschmeichelt, obgleich er das nur recht zurückhaltend auszudrücken pflegte.

Das Gesprächsthema überstieg wieder schnell Shinjis Horizont, aber dieses Mal brachte er es nach etwas innerer Stählung fertig, nachzufragen – Worauf sich der geringfügig ältere Junge direkt mehrmals entschuldigte, und meinte, er wolle wirklich nicht als Arroganz herüberkommen – Er habe von sich aus daran gedacht, es zu erklären, hatte aber gefürchtet, das könne erst recht überheblich klingen. Ihm sei nicht wirklich bewusst, was andere als „normale“ Themen ansehen würden.

Shinji gab daraufhin nur zurück, dass es nicht Nagatos Schuld sei, dass er selbst das nicht verstehe und dass er es doch sei, der sich zu entschuldigen habe.

„Es gab keinen Grund, um sich zu entschuldigen“, hm…

War es denn das, was Asuka gemeint hatte?

Das war auch ein ganz anderer Kontext und eine ganz andere Sache, und er hatte doch sowieso keine Ahnung davon…

„Aber es gibt da etwas, dass mir nicht aus dem Kopf geht, Shinji…“ sprach Nagato dann mit plötzlichem Ernst. „Gestern habe ich über ganz andere Dinge nachgegrübelt, aber dafür fällt es mir heute umso mehr auf… Du hast erwähnt dass du… genau wie ich, keine Mutter mehr hast…“

„Uhm… ja…“

„Und du weißt doch das Touji immer davon redet dass sein Vater seht beschäftigt sei und dass er so der einzige sei, der für seine Schwester da ist… Weißt du noch, als wir damals bei Kensuke waren? Die Wohnung war zu klein, als ob da noch für eine Mutter Platz wäre… Und das Second Child… lebt wie du bei Misato, also können wir im Grunde davon ausgehen, dass sie auch eine Waise ist… Ich habe nie so recht darüber nachgedacht, aber… jetzt, wo du auch…

Sag mir, Shinji. Was ist mit Ayanami? Leben ihre Eltern noch?“

Shinji verstand nicht, worauf Nagato da hinaus wollte, aber er ahnte es. Es war ihm selbst aufgefallen, aber er hatte es nie gewagt, weiter darüber nachzudenken.

„Sie… sie lebt allein, und… ihr offizieller Vormund ist mein-… ist der Commander von NERV.“

„Dachte ich’s mir doch…“ Nagatos Blick verfinsterte sich.

Er blickte Shinji direkt in die Augen.

„Weißt du von irgendjemandem aus unserer Klasse, dessen leibliche Mutter noch am Leben ist?“

Nein.

Unfähig, die offensichtliche Wahrheit, die ihn von allen Winkeln her anstrahlte, weiter zu verdrängen, starrte das Third Child seinen Freund groß an.

„Was… was hat das zu bedeuten?“

„Das weiß ich nicht. Und das du es auch nicht weist beunruhigt mich sehr…“

Da er sah, wie sich die Panik im Gesicht des Eva-Piloten ausbreitete, sah es Nagato als seine Pflicht an, noch etwas hinzu zu setzten: „Nüchtern betrachtet… heißt das nur, dass es zwischen unserer Klasse und dem Projekt eine Verbindung geben muss… noch darüber hinaus, dass ihr drei hier seid. Das erklärt… warum wir hier wenig Zuwachs hatten, als die Stadt wuchs und wuchs… und warum wir als einzige Neue bekommen, obwohl sich die Stadt immer mehr leert… und weil ich auf diese Art und Weise dazugekommen bin, dürfte es mich auch persönlich betreffen… Aber im Wesentlichen läuft es darauf hinaus… dass unser aller Leben und unsere Sicherheit von dir abhängen. Das ist soweit nichts Neues…“

Und wieder so ein beunruhigendes Wissen, über das er mit niemandem sprechen konnte…

Die Visionen im EVA, die seltsamen Träume, „Die Welt ist Falsch“, und jetzt das…

„Wieso muss nur ausgerechnet ich all diese schrecklichen Dinge wissen, von denen ich niemand erzählen kann…“

„Vielleicht… damit du dein Wissen benutzen kannst, um uns alle zu retten…?“

Das musste es wohl auch sein, was Yui meinte, und der Grund dafür, dass sie sich ihm mitteilte. Er versuchte es ja, das Wissen zu „benutzen“… Aber… das bedeutete, dass es auf ihn ankam.

Auf ihn, der Asuka immer zur Weißglut trieb, obwohl er eigentlich ihr Herz gewinnen wollte… auf ihn, der es nicht fertig brachte, Ayanami Halt zu geben… auf ihn, den ja nicht mal sein eigener Vater ausstehen konnte…
 

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Das Asuka ihn bei seinem Eintreffen im Klassenraum keines Blickes würdigte, wunderte ihn nicht mehr. Es war Reis Abwesenheit, die ihm zunächst einen kleinen Schreck versetzte… Was, wenn das Experiment gestern doch schiefgegangen war…?

Nein, in diesem Fall hätte Misato ihm davon erzählt, wenn nicht gestern Abend, dann heute Morgen. Sie fehlte ja auch sonst sehr oft, dass war bei ihr ja nichts Besonderes…

Nicht, dass ihr häufiges Fehlen nicht an sich schon ein Grund zur Sorge gewesen sei… Da standen wirklich eine ganze Menge Pillen auf ihrem Kühlschrank…

Tief in seine Grübelleien versunken bekam Shinji kaum mit, wie die Schulstunden an ihm vorbeirauschten, und da ihm nicht wirklich danach war, seinen Freunden eine Erklärung für seinen Gemütszustand abzuliefern, beschloss er noch bevor das Klingeln der Pausenglocke komplett verhallt war, sich in die Schulbibliothek zurückzuziehen.

Er war noch nie wirklich dort gewesen, aber er wusste, dass es sie gab, und er wusste, welche Tür auf dem Flur dazu gehörte; Sein üblicher Fleck auf dem Dach wäre zu offensichtlich und Büchereien sollten ja schon per Definition ruhige, abgeschiedene Orte sein.

Der größte Vorteil an solchen stillen, für gewöhnlich mit Nerds und Losern assoziierten Orten war zweifellos, dass die Wahrscheinlichkeit, hier auf Asuka zu treffen, hier im Negativbereich lag; Wenn sie sich jetzt auch noch über ihn lustig machen würde, würde das jenseits dessen liegen, was er ertragen konnte.

Doch auch, wenn er sehr richtig darin lag, dass Asuka diesen Ort wie das Bermuda-Dreieck behandelte, und dass seine Freunde ihn eher auf dem Dach der Schule suchen würden, so entglitt es ihn, dass er bei den hunderten von Schülern in dieser Bildungsanstalt nicht der einzige sein konnte, der sich gerade nach einem ruhigen Plätzchen sehnte, sodass er sich erlaubte, etwas mehr in seine Gedanken zu versinken, als es vernünftig war, wenn man Kollisionen mit seinen Mitschülern vermeiden wollte.

So kam es, wie es kommen musste, als ein ähnlich abgelenktes Mädchen, dass ein paar Bücher unter den Armen und eins zum Lesen unter der Nase zufällig in seine Richtung gelaufen kam: Krachbumm.

Die Literatur trat augenblicklich die Reise zum Fußboden an, wo sie dann weit verstreut und zumeist weit offen zwischen ihren Füßen zum Liegen kamen.

Shinji rechnete sofort mit Tadel und wollte sich auf der Stelle entschuldigen, doch der kleine Bücherwurm, den er beinahe umgerannt hätte, kam ihm zu seiner größten Überraschung mit einem leisen „V-Verzeihung…!“ zuvor, dass sie mit ihrem niedlichen Stimmchen rasch formulierte.

Sich trotzdem recht schuldig fühlend ließ Shinji sein „A-Alles in Ordnung?!“ direkt darauf folgen. Warum mussten ihm auch immer solche Dinge passieren?!

Er musste wirklich der größte Trampel der Galaxis sein…

Glücklicherweise gab das unglückselige Mädchen sofort an, okay zu sein, und fragte ihn direkt, wie es denn bei ihm stehe.

„Ist schon okay…“ antwortete er möglichst freundlich.

Und dann, tja, dann legte sie ihren Kopf geringfügig schief und lächelte ihn strahlend an.

„Gott sei Dank…“

Er war auf der Stelle tief bezaubert.

Das war ein Lächeln, wie es diejenigen, die als die schönen und strahlenden dieser Welt bekannt waren, schon längst verlernt hatten, eine sanfte, schlichte Geste, die keine Gegenleistung herbeiführen sollte.

Aber irgendwo hatte er sie doch schon mal gesehen, diese langen, schwarzen Haare, diese leuchtenden, wenn auch hinter einer Brille versteckten grauen Augen, und diesen Schönheitsfleck an ihrer Unterlippe.

Das Wissen rieselte allmählich wieder in sein Bewusstsein hinein, traf aber erst richtig ein, als sie in die Hocke ging und begann, ihre Bücher aufzusammeln. „Es tut mir wirklich, wirklich leid…“ beteuerte sie, obwohl er es doch gewesen war, der sie umgerannt hatte.

„Ich hätte nicht so unachtsam sein sollen…“

Da! Jetzt wusste er es wieder.

„Du bist doch…“

Yamagishi Mayumi, das Mädchen, das Gestern neu dazugekommen war.

„Oh, stimmt. Wir sind ja in derselben Klasse.“

Hach, dieses Lächeln war zum dahinschmelzen.

Jetzt bloß das Gentleman-Betragen auspacken. Vielleicht ließ sich an dem verkorksten ersten Eindruck von Gestern ja noch was rütteln…

„I-Ich bin Ikari Shinji…“ Er begab sich sofort zu ihr in die Hocke. „Soll ich dir helfen?“

„Ist schon okay, es war sowieso meine Schuld…“

„Uh-Uh. Du warst ja nicht die einzige, die nicht aufgepasst hat…“

„Es tut mir wirklich, wirklich leid…“

„Du brauchst dich wirklich nicht zu entschuldigen.“

Nun wollte Shinji die etwas prekäre Situation auflösen, in dem er möglichst rasch ihre Bücher zusammensammelte, doch leider hatte Mayumi genau dieselbe Idee, sodass sie ihre Hand genau im selben Moment nach demselben Buch ausstreckte, und dabei mit ihren Fingern auch noch genau auf Shinjis Hand landete.

Von der fremden, ungewohnten Empfindung von Wärme verschreckt zogen Beide reflexartig ihre Hände zurück.

„E-Es tut mir leid!“ brachte Mayumi nur noch hervor, seinem Blick tief beschämt ausweichend.

Shinji selbst bekam hingegen kaum noch ein kohärentes Wort hin. „Uhm… ähm… also…“

Schnell, schnell, Gesprächsthema, Gesprächsthema…!

„Uhm… wolltest du die Bücher ausleihen…?“

Na toll, die dümmste Frage auf Erden…

„Ja, ich… ich mag Bücher, und deshalb…“

Sich durch ihre Antwort zumindest geduldet fühlend machte sich Shinji daran, die Printmedien rasch aufzusammeln. „…und deshalb?“ wiederholte er, während er ihr die Bücher schließlich aushändigte. Er hielt es für den einfachsten Weg, irgendwie zu antworten und Interesse zu bekunden. Tatsächlich drehte sie den Kopf direkt in seine Richtung, auch wenn sie den Blick immer noch gesenkt hielt und ihr Gesichtsausdruck klar machte, dass ihr die ganze Situation zutiefst unangenehm war.

„Es…Es ist gar nichts weiter…“

Darauf bedacht, dem Blicken anderer Menschen zumindest für ein paar Sekunden zu entgehen war sie die erste, die Aufstand, obgleich er ihr prompt folgte.

Sie nutzte die paar Sekunden, um sich wieder zu sammeln, und ein Lächeln aufzusetzen, damit es ihm auch nicht in den Sinn kam, dass sie sich irgendwie bedrängt fühlte oder so.

„Wirklich vielen, vielen Dank…“

„Ach, das ist doch nicht der Rede wert.“ Antwortete Shinji freundlich lächelnd, in der Hoffnung, dass sie sich etwas entspannen würde.

Er rechnete damit, dass es nicht klappen könnte, aber was Mayumi tatsächlich als nächstes sagte, lag jenseits von allem, was er sich vorgestellt und in Gedanken durchgespielt hatte.

„Uhm… Gestern, am Schwimmbecken… Da hast du mich doch angesehen, nicht…?“

„Äh… ehm… eh….“

„Es- es macht nichts! Uh, w-wirklich nichts…“

Tja, und nach diesen Worten hatten sie dann auch schon fluchtartig das Weite gesucht und ließ ihn mit seinen Gedanken stehen.

Na toll, erst hielt sie ihn für einen Gaffer und dann auch noch für einen Rüpel, der achtlos irgendwelche schüchternen Mädchen umrannte… Er sollte sich schämen.

Langsam fragte er sich, ob es da irgendein Naturgesetz gab, dass die Wahrscheinlichkeit peinlicher Zwischenfälle immens erhöhte, wenn immer er sich in der Nähe hübscher Mädchen befand… Andererseits… hatte sie nicht wirklich den Eindruck gemacht, als ob sie ihn für einen Lustmolch gehalten hätte…

Obwohl… es schwer zu sagen war, was sie wollte, sie hatte sichtliche Schwierigkeiten dabei, sich auszudrücken.

Es war schon komisch… Diese Mayumi… schien ziemlich schüchtern zu sein, und sie hatte sich auch immer wieder für alles Mögliche entschuldigt, obwohl er doch Schuld war…

War es das, was Asuka gemeint hatte?

Die Geschehnisse stießen zwar Gedankenketten an, brachten diese aber nicht wirklich zu einem Ergebnis.

Nur… der erste Eindruck, den er von diesem Mädchen hatte… Der Eindruck, dass sie ihm ähnlich war… das war nicht falsch gewesen…
 

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Mayumi erlaubte sich erst wieder, sich zu rühren, als sie sich sicher war, dass sie gehört hatte, wie sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte.

Erst dann sank sie auf die Knie, schlang ihre arme um die Bücher, die sie bei sich trug und jammerte hörbar über ihre eigene Erbärmlichkeit.

Dieser Junge… Dieses beliebte Kind, dass sich weder wie eins verhielt noch wie eines aussah… er musste jetzt sicher denken, dass sie ihn für den letzten Perversling hielt.

Das war es nicht, was sie gewollt hatte… Das war überhaupt nicht, was sie gewollt hatte, eher das genaue Gegenteil… und sie hatte sich so blamiert und… und war auch noch in ihn hineingelaufen… was musste sie auch so blöd vor sich hin träumen…?

Sie wollte doch nur… ach, es war so schwer in Worte zu fassen…

Sie hätte es besser gar nicht erst versuchen sollen…

Es war nur so, das Mayumi es immer gehasst hatte, von anderen angesehen zu werden... Sie fürchtete sich vor ihren abwertenden Urteilen und dem herablassenden Gelächter, dass sie erwartete… Aber als dieser Junge, der hier doch bei den Mädchen so populär war, sie am Schwimmbecken betrachtet hatte, war es anders gewesen, anders, als sie es je erlebt war.

Zum ersten Mal erschien es ihr erfreulich, betrachtet worden zu sein.

Das sich jemand unter all den hübschen Mädchen dort gerade sie auswählte, gab ihr das Gefühl etwas Besonderes zu sein und auch etwas Schönes, Begehrliches…

Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass ihr jemand in irgendeiner Form geschmeichelt hatte, und sie dachte sich, dass er das wissen sollte… aber als sie dann vor ihm gestanden war, da war sie einfach weggelaufen und hatte keinen einzigen, sinnvollen Satz mehr heraus bekommen…

Jetzt, wo sie dachte, das mal etwas anders werden könnte… blieb doch alles dasselbe, und sie hatte alles nur noch satt… Ihre lähmende Sprachlosigkeit, ihre Hässlichkeit, ihre Unfähigkeit und dieses ständige Unwohlsein, dass ihre Kraft dahinschwinden ließ… Heute war es sogar noch schlimmer als gestern, sie war ein paar Mal kurz davor gewesen, den Lehrer zu fragen, ob sie nicht kurz raus gehen konnte… sie konnte sich gar nicht daran erinnern, wann sie sich das letzte Mal überhaupt nicht unangenehm gefühlt hatte…

Es half doch alles nichts, dieser schreckliche Tag würde weiter gehen und sie musste los, wenn sie von ihrem Buch noch einen lohnendwerten Abschnitt lesen wollte, bevor es zum Ende der Pause klingelte.

Sich an einem der zahlreichen Regale festhaltend richtete sie sich mühsam auf und blickte sich noch mal nach dem Eingang der ihr fremden Räumlichkeiten um… und dann glitten all diese Bücher aus ihren Händen und stürzten geräuschvoll aus dem Boden.

Es war eine Pein, von der man sich fragte, wie sie in dieser Welt existieren konnte, beinahe, als habe jemand eine Atombombe in ihrem Bauch gezündet, deren Feuerpilz nun brannte und loderte wie eine neugeborene Sonne.

Erinnerungen quollen hoch an längst verdrängte, gräuelhafte Erinnerungen, Zeiten, an denen sie sich irgendwo wiedergefunden hatte, ohne zu wissen, wie sie dorthin gekommen war, und ohne eine Erklärung, die sie den fragenden Erwachsenen entgegnen konnte, leise, stille Flüsterlaute, die ihr verkündeten, dass sie nie wieder glücklich sein würde und das alles, was sie kannte, vernichtet werden würde… Zweifelde, fragende, anklagende Stimmen die ihre Ängste genährt hatten…

Was war das… was war das nur… was diesen unglaublichen Schmerz, wo kam er her…?

Was für ein Organ war das…?

Hilflos stürzte sie auf alle viere.

Ihr war, als sei sie kurz davor, zu platzen, als seine ihre Innereien kurz davor, einfach aus ihr herauszufallen… Ihr war heiß, ihr war schlecht, alles schien zu verschwimmen... Sie konnte nicht einmal atmen, ein höllischer Druck schien die Luft stetig aus ihren Lungen zu pressen, es war, als sei sie zähflüssig gewesen oder in ihrem Inneren zu Kristallen erstarrt, die sie von innen durchbohrten.

Sie begann schon, sich mit dem Fakt abzufinden, dass sie sterben würde, als es noch unglaublich schlimmer wurde, als sie es in ihren wildesten Träumen befürchtet hatte…

Da war diese Bewegung, diese widerlich-biologische Regung in ihrem Innersten, dieses schmerzliche, saugende zusammenziehen…

Spätestens, als sie begriff, was es war, war ihre Uniform vollkommen von kaltem Schweiß durchnässt. Ein Herzschlag. Es war ein Herzschlag.

Ein fremder, gewaltiger Herzschlag, der nicht der ihre war.

Sie wusste, dass das nicht sein konnte, aber so absurd es auch war, es war real, und jeder einzelne Pulsschlag räderte und kreuzigte sie zehntausende Male.

Sie wollte schreien, aber es ging nicht. Sie hatte ihren Mund weit aufgerissen und ihr Gesicht verzerrt, aber aus ihren Lippen entwich kein Laut, als habe man ihr per Fernbedienung den Ton abgeschaltet. Die Gewissheit, dass niemand kommen würde, um ihr zu helfen, egal, ob sie hier in einem vollen Schulgebäude war, fühlte sich wie Eis in ihren Adern an.

Sie stürzte einfach auf den Boden und betete für ein schnelles Ende.

Sie hatte ohnehin nie etwas gehabt, das sie auf dieser Welt gehalten hätte.

„Nicht mehr… nicht mehr… bitte… nicht mehr…“ flehte sie, kaum mehr als ein ersticktes Krächzen aus ihrer Kehle hervorquetschend.

Die Pein war wie ein gleißendes Licht, dessen Helligkeit alles andere überschattete. Ein lächerlicher Wille, ein lächerliches selbst wie das ihre, das sie ja selbst nicht leiden konnte, war schnell überflutet.

Wer war sie? Wie hieß sie? Wer und was waren wichtig für sie?

In Mayumis Leben gab es nichts, was es wert wäre, sich trotz dieser Qualen daran festzuklammern. Ihr Geist war wie ausgebleicht, völlig leer bis auf diesen spaltenden Schmerz und den Wunsch, dass der süße Tod oder zumindest die zärtliche Bewusstlosigkeit sie doch erlösen mögen; Irgendwann musste der Schmerz doch so stark sein, dass sie ihn nicht mehr spürte…

Doch die Entität, deren infernalischer Herzschlag ihr gebot, sich vor Schmerz zu winden und zu wälzen war mit ihr noch lange nicht fertig; Das Wesen kannte sie schon lange, sehr lange und hatte sie aufwachsen sehen. Es hatte noch Pläne mit ihr.

Pläne, bei denen sie als Werkzeug für die Vernichtung ihrer geliebten Welt dienen sollte.

Geliebt? Nein.

Ihr lag doch nichts an dieser Welt, und ihr lag nichts an den Menschen in dieser Welt…

Es lag ja auch keinem etwas an ihr, zumindest nicht genug, als dass sie sich den süßen Armen der Versuchung verweigern würde, die ihr ein Ende zu ihrer Pein versprachen…

Da war eine schwere, erdrückende Präsenz, die ihre Seele forderte… oder eher, zurückforderte…

Trunken vor Pein war sie nicht fähig, sich den Befehlen der fremdartigen Entität zu widerstehen; Das, was von Mayumi übrig war, hatte längst begonnen, das alles für einen Fiebertraum zu halten, oder vielleicht war es auch Mayumi Yamagishi, deren Leben nur eine Illusion gewesen war… oder wenn es sie gegeben hatte, dann war sie jetzt gestorben.

Es war einfach nicht möglich, dass sie nach alledem aufstehen konnte, sie sollte sich umdrehen, da hinten in der Ecke musste doch sicher ihre Leiche liegen…

Aber sie traute sich nicht, sie hatte zu viel Angst, um zurück zu blicken, und so blieb ihr nur eine Richtung… vorwärts.

Vorwärts, marsch, marsch, wie es der Engel der Illusionen ihr befahl.

Erst wankend, dann immer mehr erschreckend normal setzte sie sich in Bewegung.

Wie konnte es sein, dass man ihr nicht ansah, dass sie innerlich am Verglühen war?

…………………………………NÄHER……………………………………

Sie setzte einen Fuß vor den anderen.

Ihre Haut hatte die Farbe von Papier angenommen.

Sie wusste, dass sie da noch ihr Fahrrad hatte. Damit würde sie sicher schneller sein…

……………………………….NÄHER……………………………………….

Was war das eigentlich, dass sie da trieb…?

Sie spürte es ganz kurz unter ihrer Haut.

Ihr war, als sei die Bestie kurz davor, zu erwachen…

…………………......NÄHER………………………….
 

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Asuka anzusprechen war keine einfache Angelegenheit.

Das wurde Shinji erst so richtig klar, als sie mal beschlossen hatte, ihm eine Weile die kalte Schulter zuzukehren – Obwohl er sie jetzt eine ganze Weile kannte, war er noch nie in der Pause zu ihrem Platz hingelaufen, um sie anzusprechen.

Das hatte sich zumeist erübrigt, zumal Asuka noch nie gezögert hatte, ihn aufzusuchen, wenn sie ihm etwas zu kommunizieren hatte.

Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, ihr heute Morgen aus dem Weg zu gehen.

Im Schutze ihrer gemeinsamen Wohnung, wo ja immerhin Misato als Vermittlerin da war, oder zumindest zu zweit auf dem Schulweg wäre es wohl einfacher gegangen, sich ihr zu nähern, als jetzt, wo sie umgeben von einer regelrechten Traube aus Mädchen mit Hikari an ihrer Seite über die nuttige Kleidung irgendeiner Prominente ab lästerte.

Aber es half doch alles nichts… Dass sie sich von allein wieder einkriegen könnte, hatte er mittlerweile aufgegeben.

„Uhm… Shikinami-san…? Hast du kurz ‘ne Minute?“ rief er zögerlich in die Menge hinein, deren Gelächter sogleich verstummte. Wieder waren alle Augen auf ihn gerichtet… Er hätte wissen müssen, dass das hier eine beschissene Idee war.

„Was ist?“ regte sie sich direkt auf, keinen Deut weniger feindselig, als sie es heute Morgen beim Frühstück gewesen war. „Willst du mir diesen Tag etwa auch noch verderben?“

Sie nahm wie üblich kein Blatt vor dem Mund und richtete sich noch während sie sprach zu voller Größe auf, damit er ja nicht auf sie herabsehen konnte.

„So… so ist das nicht…“

Sich so weit wie möglich zusammennehmend zwang er sich, direkt in ihre Richtung zu blicken und die Katze aus dem Sack zu lassen. Sie würde ja ohnehin auf eine zufriedenstellende Antwort pochen.

„Ich… ich will mich bei dir entschuldigen!“

„Entschuldigen?“ Asuka verschränkte argwöhnisch die Arme.

War das nicht genau das, wovon sie ihm gesagt hatte, dass er es lassen sollte?!

Trotzdem, dass der Trottel sich getraut hatte, sie hier zwischen all den anderen Mädchen anzusprechen, war doch eine deutliche Verbesserung, die es rechtfertigte, dass sie sich mal anhörte, was er denn zu sagen hatte…
 

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„Also…“ begann er, sobald sie auf dem Dach der Schule angekommen waren. „Bist du wegen der Sache von gestern Morgen immer noch sauer…?“

Asuka fasste es nicht, was sie da hören musste. Hatte dieser tumbe Tor denn wirklich überhaupt nichts kapiert, obwohl sie sich doch solche Mühen gab, es ihm begreiflich zu machen…? Sie tat das doch alles nur um seinetwegen, verdammt noch mal!

„Es geht doch gar nicht um diesen blöden Mist von gestern! Und überhaupt, dein blödes Geschwafel macht es doch auch nicht ungeschehen, also kann ich es nicht brauchen!“

„Das weiß ich ja!“ entgegnete Shinji. „Aber ich will mich trotzdem entschuldigen…“

Was sollte er denn sonst machen…? Als ob er die Zeit zurück drehen könnte…

Er versuchte doch nur, nett zu ihr zu sein, was man von ihr ja nicht gerade behaupten könnte.

„Das kannst du dir getrost sparen!“ giftete Asuka zurück, ohne ihn auch nur anzusehen. „Mir wäre es viel lieber, wenn du dich stattdessen zur Abwechslung mal wie ein Mann benehmen würdest!“

„Was soll das heißen, ‚ wie ein Mann‘…?“

Bevor Asuka Gelegenheit hatte, dem Third Child ganz genau zu erklären, worin der Unterschied zwischen ihm und einem Mann bestand, wurden die Ruhe und der Frieden auf dem Dach des Schulgebäudes von einem schrillen piepsen durchbrochen – genauer gesagt von zwei Quellen solcher Geräusche.

Die Kinder blickten sich augenblicklich vielsagend an.

Schon, dass ihre Telefone gleichzeitig klingelten machte schon sehr klar, was ihnen beiden da bevorstand…
 

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„Ich hab grad die Analyse reinbekommen!“ berichtete Maya. „Muster Blau. Es ist ein Engel, und es ist derselbe, den wir Gestern auf den Schirm hatten!“

Aoba gab Misato die Position des Zielobjekts durch. Es war ein gutes Stück von Tokyo-3 entfernt in einer ländlichen Gegend aufgetaucht.

„Verstehe. Alle man auf Kampfstationen!“

„Wird gemacht.“ Bestätigte Hyuuga.

„Was ist mit der Fähigkeit des Engels…? Wenn er sich eigentlich ungesehen bis kurz übers Hauptquartier schleichen könnte, hat er doch gar keinen Grund, jetzt so weit vom Hauptquartier entfernt heraus zu kommen…“

„Wer weiß…“ mutmaßte Dr. Akagi. „Vielleicht ist das ja eine Falle, und es wartet nur darauf, dass wir angreifen.“

„Tut mir ja sehr leid, aber ich möchte den Feind nicht warten lassen… Was sagt Commander Ikari dazu?“

„Das Sie nach eigenem Ermessen verfahren sollen.“ Berichtete Hyuuga.

„Gut. Wie ist der Status der EVAs?“

„Einheit Null wurde schon die ganze Zeit bereitgehalten, die Einheiten Eins und Zwei werden gerade hochgefahren.“

„Und die Piloten?“ hakte Misato nach.

„Sind bereits eingestiegen und warten auf Befehle.“ Berichtete Maya.

„Sehr gut. Stellen sie mich zu den Kindern durch… - Shinji-kun? Asuka? Rei? Hört ihr mich?

Also, die Fähigkeiten des Feindes sind unbekannt. Wir haben aber Grund zur Annahme, dass dieses Ding irgendwie unsere Sensoren austricksen kann… Es ist schon vorher vorgekommen, dass wir Kämpfe verloren oder nur knapp überstanden haben, weil der Feind irgendwelche überraschenden Fähigkeiten gezeigt hat, auf die wir nicht vorbereitet waren. Deshalb werden einer oder zwei von euch hier unten zurück bleiben, für den Fall, dass die, die an die Oberfläche gehen überraschend rasch außer Gefecht gesetzt werden. So vermeiden wir, das alle drei von euch auf einmal schachmattgesetzt werden. Soweit alles verstanden?“

„Waaaas?“ empörte sich Asuka. „Dann können nicht alle von uns an der Operation teilnehmen?!“

„Das kommt darauf an, wie stark der Feind ist.“

„Und wer von uns geht bitteschön zuerst hoch?“

Hm. Das war in der Tat die Masterfrage.

Rei hatte den niedrigsten Synchronwert und es gab mit EVA 00 immer noch ein paar technische Probleme, sie allein auf Schlachtfeld zu schicken, fiel schon mal durchs Raster.

Asuka konnte sie auch vergessen… auf sich gestellt würde sie sicher Opfer ihres eigenen Leichtsinns werden, und darüber, die Mädchen zusammen hoch zu schicken, brauchte sie gar nicht nachzudenken… Sowohl Rei und Asuka hatten zu verschiedenen Gelegenheiten bewiesen, dass sie zumindest mit Shinji zusammenzuarbeiten vermochten, auch wenn es bei letzterer nicht auf Anhieb funktioniert hatte… Es würde Sinn machen, ihn mit Rei hochzuschicken, sowohl, um eine reibungslose Zusammenarbeit zu garantieren, als auch um Asukas nicht unwesentliche Kampfstärke in der Hinterhand zu haben, aber andererseits konnte man nie vorsichtig genug sein…

„Ich denke, es wäre das Beste, wenn zunächst einmal Shinji mit Einheit Eins heraus geht.“

Entschied Misato schließlich. Er war am erfahrensten und dass er die Nerven verlor, war wenig wahrscheinlich wenn er wusste, dass jederzeit Verstärkung kommen könnte – Und wenn etwas schiefging, waren immer noch die Mädchen da…

„Unmöglich! Warum werde ich nicht herausgeschickt?!“ beklagte Asuka. „Die gefährlichen Aufgaben sind ja wohl mein Job! Ich denke, ich habe von diesen kleinen Kindern am ehesten die Chance, so ‘nen Kampf allein zu überstehen!“

„Gerade deshalb bleibst du ja zurück.“ Erklärte Misato. „Du bist unser Ass im Ärmel.“

Asuka war nicht überzeugt. „Hmpf…“
 

So geschah es, dass Shinji dem Feind mit Einheit Eins alleine gegenübertrat.

Mit einer überdimensionierten Pistole bewaffnet betrachtete er das Wesen, das sich hinter einem Hügel im Stillen um sich selbst drehte…

Dass es nicht vorzuhaben schien, ihn anzugreifen, irritierte das Third Child nur noch mehr… Er wusste, dass Rei und Asuka im Falle eines Falles direkt an seiner Seite sein würden, aber er würde sich sicherer fühlen, wenn er sie sehen könnte… Es war schon eine Weile her seid seiner letzten Solo-Mission und er hatte sich damals nicht gerade mit Ruhm bekleckert – das er jetzt wieder allein hier dastand bedeutete wohl auch, dass Misato ihm mittlerweile sehr vertraute…

Der Engel selbst hatte die Form eines großen, senkrechten Ellipsoids mit sechs Beinen am unteren Ende, die an sich insektoid wirkten, aber in winzigen, krallenbesetzten, fünfstrahligen Händen endeten. Der Hauptteil des Körpers des Wesens war ähnlich bizarr, wie Shinji es von seinesgleichen gewöhnt war; Bei näherem Hinsehen bestand der Engel aus mehreren Scheiben, die sich unabhängig voneinander um eine gemeinsame Achse drehten. Auf dieser schien sie nichts zu verbinden, doch man konnte erkennen dass die Innenseiten der Scheiben farbig waren und eine Art Regenbogen bildeten. Die Scheiben selbst schienen aus borstigen Haaren zu bestehen, die dem Pelz eines Insekts wie zum Beispiel einer fetten Hummel ähnelten.

Shinji dachte an das zurück, was Yui ihm gesagt hatte, aber es wollte einfach keinen Sinn machen… Sie hatte etwas von wegen Stromausfall erzählt, aber es war nichts dergleichen passiert… Sie meinte auch, Asuka würde sich einen Plan ausdenken, aber jetzt war sie nicht einmal bei ihm… Aber eins von dem, was sie gesagt hatte, ließ sich noch auf die Gegenwärtige Situation anwesenden: Laut ihr sollte „schießen ausnahmsweise funktionieren.“.

Also entsicherte Shinji sein Gewehr und zielte… aber wohin?

Die Struktur dieses Viechs war an sich recht übersichtlich, und doch konnte er das Wesentliche nicht sehen… Wo in aller Welt war der Energiekern…? Er konnte ihn nirgends sehen…

„M-Misato-san…? Der… der Kern, wo ist er…?“

„Lässt sich nicht feststellen.“ Kam es über Funk aus dem Hauptquartier, nicht von Misato, sondern von Maya. „Er muss tief im Inneren liegen…“

In welchem Inneren denn…? Das Ding war praktisch durchsichtig…

„Vielleicht können wir ihn entdecken, wenn du erst mal ein paar Löcher in das Ding hineingeschossen hast.“ Schlug die Leiterin der Einsatzabteilung vor. „Versuch die Mitte und beide Enden.“

„Verstanden.“

Schießen sollte dieses Mal also etwas bringen, hm…? Er würde sich einfach mal darauf verlassen. Energisch leerte er eine ganze Salve in das Wesen hinein, es der Mitte nach großzügig mit Kugeln füllend, wobei er der Mitte und den Enden Priorität gab.

Wenn man bedachte, welche Konsequenzen eine Niederlage hätte, konnte er es sich durchaus leisten, auf Nummer sicher zu gehen.

Es gab Funken und mehrere Knalle, die Projektile hatten also definitiv getroffen… Er hatte den Engel nicht verfehlt, und sie waren auch nicht einfach so durchgegangen… also warum war an dem Ding nicht der geringste Schaden zu erkennen?

Es hatte nicht die winzigste Delle, keinen noch so kleinen Kratzer…

Und es war auch nicht mehr länger inaktiv. Sich auf bizarre Weise zur Seite neigend, als wolle es die Spitzen aller seiner „Räder“ an der linken Seite verbinden, holte der Engel zu einem Angriff aus, der sich als breiter, großflächiger, kreuzförmiger Laserstrahl herausstellte.

Shinji sprang gerade noch rechtzeitig zur Seite, doch der Boden, auf dem er mit seinem Evangelion eben noch gestanden hatte, war zu Asche reduziert. Das Wesen schoss gleich nochmal, einen sonnenartigen Kranz aus Aschekreuzen um sich bildend, in dessen Zwischenräume sich Shinji oft nur knapp zu retten vermochte.

Doch seine Ausweichkünste (Er hatte nie schnelle Reflexe gehabt, aber das Training und vor allem die Todesangst taten wohl ihr übriges) reichten scheinbar aus, um den Engel dazu zu bringen, die Strategie zu werfen.

Ein eigentümliches Wobbeln ging durch die Form des Wesens, bis sich das mittlere Segment aus der Reihe seiner Glieder löste, und gleich einem tödlichen Frisbee auf den Evangelion zuraste, der nach einem knappen Ausweichmanöver am Boden kniete.

Trotz oder gerade wegen der besorgten Rufe aus dem Kontrollzentrum gelang es dem Third Child, sich rechtzeitig zu ducken – und nicht nur das… Während der Körper des violetten Kolosses sich im Wesentlichen hingeworfen hatte, um dem feindlichen Diskus auszuweichen, war es dem jungen Piloten gelungen, die Scheibe tatsächlich mit der rechten Hand von Einheit Eins zu fangen. Das hieß nicht automatisch, dass er ihre Bewegung gestoppt hatte – ganz im Gegenteil, das Ding drehte sich noch in seiner Hand schneller und schneller, vermutlich in einem Versuch, zu entkommen; Die Reibung zwischen der Scheibe und der Hand des EVA-Testtyps erzeugte Reibungshitze, die sogar Funken fliegen ließ, und die Borsten bohrten sich schmerzlich in seine Hand hinein. Doch Shinji war entschlossen, dass hier zu beendeten und löcherte die so festgehaltene Scheibe direkt mit seiner Pistole, kurzerhand alle Kugeln hineinjagend, die er hatte.

Keine Wirkung.

Der Rückstoß erleichterte es dem Biest sogar, seiner Hand zu entgleiten und dabei ein gutes Stück Fleisch aus dem Handteller des Evangelions zu reißen.

Die Hand funktionierte noch, aber es tat verdammt weh.

„Es ist zwecklos…!“ begriff Misato. „Versuch es mit einer anderen Waffe!“

Verdammt… das hier lief ganz anders, als Yui es vorhergesehen hatte… Das war nicht gut…

Jetzt war er wohl wirklich auf sich allein gestellt… Aber die Panik, die er in seinen Adern deutlich überschäumen fühlte, konnte er sich jetzt beim besten Willen nicht leisten.
 

---
 

„Ich muss zu ihm! Ich… ich hab mich bei etwas wichtigem getäuscht, und er hat jetzt falsche Informationen… Er zählt auf mich, verstehen Sie das?!“

„Was redest du da, Mädchen?! Da draußen tobt ein Kampf! Willst du sterben?“

„Wenn Sie mich zu ihm lassen, wird keiner hier sterben!“

„Wen meinst du überhaupt mit „ihm“?“
 

Diese Frage konnte Yui natürlich nicht beantworten… Es hatte ja keinen Zweck. So, wie sie das Procedere kannte, musste Shinji sowieso schon in seinem EVA sitzen, wo sie wohl kaum zu ihm durch dringen konnte, ohne sich durch die Hälfte der NERV-Sicherheit zu kämpfen… etwas, was in ihrer gegenwärtigen Situation unmöglich war… Warum hatte sie sich auch von diesem verdammten Polizisten ergreifen lassen? Der Typ hatte sie ins Jugendamt geschleift, wo man beschlossen hatte, sie fürs erste bei einer Pflegefamilie unterzubringen, bis ihre Identität geklärt war… nur, dass diese „Klärung“ völlig unmöglich war, weil hier an diesem Ort eigentlich niemals existiert hatte… Es war ja gut gemeint, aber es führte ihr vor Augen, dass sie ohne diesen Anzug nur ein gewöhnliches Mädchen ohne besondere Fähigkeit oder Macht war… und es war unglaublich frustrierend…
 

---
 

Das Wesen hatte sie so nah an sich heran gebracht, wie es möglich war, ohne sie in Gefahr zu bringen. Jetzt brauchte es seine Kraft aber für den Kampf.

Am äußersten Rande der Stadt, an der Grenze zu den Feldern, irgendwie an ihr Fahrrad gelehnt, fand sich ein stilles, blasses Mädchen mit langen, schwarzen Haaren und großen, runden Brillengläsern wieder, ohne eine wirkliche Erinnerung daran zu haben, wie sie hierhergekommen war.

Sie wusste nur noch, dass da ungeheuerliche Schmerzen gewesen waren… was hieß gewesen, ihr war immer noch speiübel und das stetige, qualvolle Pochen in ihrem Bauch machte es ihr schwer, auf den Beinern zu bleiben.

Der Wind, der durch ihr dunkles Haar blieb, machte sie auf die Unmengen von Schweiß aufmerksam, die an ihrer Haut und in ihrer Kleidung klebten. Ihr war so kalt, dass sie sich schütteln musste, das Atmen fiel ihr schwer, als ob sie irgendwie beklemmt wäre, und sie fühlte sich so schwach, als ob sie jeden Moment umkippen könnte.

Das kühle Metall ihres Drahtesels war die einzige wirkliche Orientierung, an die sie sich klammern konnte, der Rest der Welt schien ineinander zu verschwimmen.

Was… was war denn los…? Was in aller…?

Das hier war nicht die Schule… Aber warum sollte sie auch da sein, in dem Zustand… Sie war sicher raus gegangen um frische Luft zu schnappen… oder nah Hause zu gehen… aber dass hier sah nicht nach ihrem zuhause aus…

Doch kaum, als sie es nach einem mühevollen Kampf gegen ihr Schwächegefühl und der schweren halb-trance, in der sie sich da zu befinden schien, endlich schaffte, ihre nähere Umgebung zu betrachten, wünschte sie sich sofort, dass sie es nie getan hätte.

Vor ihr erstreckte sich ein verwüstetes Schlachtfeld, auf dem ein Kampf neben einem riesigem, metallischen Dämon in violett und einer Art hochhausgroßen, regenbogenfarbigen Pfeifenputzer. Der Kampf musste schon eine ganze Weile am Laufen sein, zumal die ganze Landschaft, die wohl einst so grün gewesen war, wie ihre nähere Umgebung, sich bereits in einen Mischmasch aus Asche und Schlamm verwandelt.

Die dunkle Kampfarena, die sich wie eine hässliche Narbe durch das Tal zog, war übersäht mit zahlreichen Waffen, welche das verwirrte Mädchen überhaupt nicht, der Junge, der die Kampfmaschine steuerte, aber nur zu gut einordnen konnte.

Er hatte mittlerweile alles versucht: Pistolen und Gewehren mit allen möglichen Kaliber, Energiewaffen, Blaster, Bazookas, Raketenwerfer, Speere, Dreizacke, Hellebarden, Säbel, Äxte, Keulen, Morgensterne… gegenwärtig schwang er ein Schwert, aber auch das schien wenig auszurichten.

Eins hatte er mittlerweile festgestellt: Der titanische Körper des Evangelions schien keine Müdigkeit zu kennen. Aber das machte es höchstens zu einer Pattsituation, da sich dieses Wesen partout weigerte, Schaden zu nehmen.

Zugegeben, er selbst hatte weiteren Schaden an Einheit Eins vermeiden können, aber der Kampf schien sich ewig hinzuziehen, aber auch wenn er den Eindruck hatte, ein paar Mal Blutspritzer aus seinem Feind geritzt zu haben, so ließ sich dieser verdammte Kern einfach nicht finden.

„Lasst mich raus!“ verlangte Asuka. „Wetten, dass ich nur fünf Minuten brauche, um den bescheuerten Kern zu finden?!“

„Ich denke nicht, dass man den „finden“ kann wie ein Osterei…“ widersprach Misato. „Ich meine, Shinji-kun müsste das Ding eigentlich mittlerweile aus gründlichste zerhackt haben…“

„Das ist doch Schummelei…“ maulte das Second Child. „Kann es denn sein, dass das Viech überhaupt keinen Kern hat?“

„Das ist ausgeschlossen.“ Meinte Dr. Akagi. „Der Kern ist der Teil eines Engels, der die Seele enthält… Es ist der Ort, wo sich seine Energiequelle befindet… Ein Engel kann ohne Kerl genauso wenig leben wie ein Mensch ohne Gehirn. Er muss einen haben…“

„Ja, aber wo?“ gab Misato zurück.

„Die Scans… ergeben leider immer noch nichts…“ musste Hyuuga zugeben. „Er scheint einfach nicht da zu sein…“

„Ob der Engel ihn irgendwie verbirgt…?“ schlug Misato vor.

„Unmöglich…“ wiedersprach Dr. Akagi. „Selbst dann hätte Shinji-kun ihn mittlerweile in irgendeiner Form treffen müssen….“
 

„Oh-Oh Gott…“ kam es dann plötzlich vom Platz der jungen, weiblichen Technikerin her.

„Was ist, Maya?“ fragte die falsche Blondine direkt.

„Da… da unten da ist… Da ist eine Zivilistin! Und dann auch noch eine Schülerin…“
 

Shinji gefror das Blut in den Adern. Er hatte ein sehr un-subtiles Déjà-vu, dass ausnahmsweise mal nichts mit irgendwelchen prophetischen Träumen zu tun hatte… Es war schwer, sie zu übersehen, zumal sein Interface sie deutlich markierte und automatisch heranzoomte: Es war Mayumi.

Sie stand halb-ängstlich, halb-verwirrt mit ihrem Fahrrad da und blickte wie erstarrt über das Schlachtfeld, und er konnte sich denken, dass dies für das extrem schüchterne Mädchen die absolute Hölle sein musste.

Er hatte sich ja gewünscht, eine Gelegenheit zu bekommen, den vermurksten ersten Eindruck bei ihr korrigieren zu können, aber das hier war wirklich zu viel des Guten…

„Mi-mi-Misato-san…“

„Da hinten ist eine Zuganstür zu einem Schutzraum. Bring sie schnell dahin und achte auf deine Deckung!“

Gut. Anweisungen. Damit musste er mindestens nicht komplett ins Blaue hinein handeln.

Zu ihr hinüber zu springen konnte er vergessen, schon die normalen Schritte des Evangelions löste unglaubliche Erschütterungen aus… er vergaß das gelegentlich fast schon ein bisschen, jetzt, wo er im Umgang mit dem biomechanischen Koloss deutlich leichtfüßiger geworden war…

Vorsichtig, als wolle er auf Zehenspitzen gehen, tat er sein Bestes, um sich möglichst vorsichtig in ihre Richtung zu begeben… auch, wenn seine ganzen Mühen zu Nichte gemacht wurden, als der Engel wieder diesen Angriff ausführte, bei dem er ihm sein mittleres Segment hinterherschoss.

Um es aufhalten zu können, war er gezwungen, rasch zu sprinten und auf der Seite zu landen – Er brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, das Mayumi vermutlich ziemlich durchgeschüttelt, wenn nicht sogar auf die Knie geworfen worden sein musste. Aber er konnte sie immerhin vor schlimmerem bewahren, in dem er rechtzeitig sein Prog-Messer zückte und die herannahende Scheibe des Engels aufhielt, indem er sie mit der Klinge aufspießte.

Zu seiner Überraschung konnte er den Schnitt, den er in das Fleisch des Engels gerissen hatte, deutlich sehen… er hatte sich nicht getäuscht, als er eben gemeint hatte, Blut gesehen zu haben…

Die Substanz dieses Monsters ließ sich tatsächlich physisch vernichten…

Aber dann, wie…

Seine Frage wurde beantwortet, bevor er sie zu Ende formulieren konnte. Kaum, dass er das Loch in die Scheibe gestochen hatte, begann es schon, sich um das Messer herum zu schließen; Er hatte keine Wahl, als das Messer zusammen mit der Engelscheibe in die Ferne zu schleudern…

Das aber sollte ihm dann hoffentlich die Zeit verschaffen, die er brauchte, um Mayumi in Sicherheit zu bringen. Ohne auch nur eine Sekunde davon zu verschwenden hielt er ihr die Hand des Evangelions hin.

„Komm. Ich bringe dich in Sicherheit.“

„I… Ikari-kun…?“

„Es ist eine lange Geschichte… Komm jetzt!“

Da sie zu fertig war, um irgendwelche weiteren Fragen zu stellen oder Widerrede zu üben, folgte sie seinen Anweisungen beinahe automatisch, so dass er sie direkt vor dem Eingang zum nächsten Bunker absetzen konnte.

Dass sie, kaum, dass sie durch die Tür getreten war, direkt zusammenbrach, hätte er natürlich nicht sehen können…
 

„Shinji-kun, kümmere dich um das Zielobjekt!“

Natürlich. Wie könnte er das auch vergessen.

Er würde sich schon darum kümmern… vor allem jetzt, wo er es verstanden hatte…

Seine Angriffe waren gar nicht wirkungslos gewesen, zumindest nicht alle davon… Der Engel hatte sich nur… verdammt schnell regeneriert…

„Misato-san! Stell mir bitte einen Flammenwerfer… und ein Gewehr mit explosiver Munition bereit! Ich denke… ich weiß jetzt, wie ich das Ding besiegen kann…“

Zwar zunächst etwas perplex von der plötzlichen Erleuchtung zögerte die Leiterin der Einsatzabteilung doch keinen Moment damit, die Bitte ihres Schützlings auszuführen.

Das Explosionsgewehr bekam er als erstes zu fassen.

BAM! BAM! BAM!

Und schon war der scheinbar unbezwingbare Engel mit drei deutlich sichtbaren, großen Löchern versehrt, die Abwesenheit erheblicher Anteile seiner Masse bedeuteten… und sich innerhalb von Sekunden wieder auffüllen.

„Ich verstehe!“ rief Dr. Akagi, ihre doch vorhandene Begeisterung nur ungut versteckend. „So… so könnte es klappen…!“

„Gut gemacht, Shinji!“ lobte Misato mit feurigem Eifer. „Weiter so! Nicht nachlassen! Ich glaube nicht, dass das Ding locker lässt, bevor du es vollständig vernichtet hast…!“

Das ließ sich der jüngere Ikari nicht zweimal sagen.

BAM! BAM! BAM! BAM! BAM! BAM!

Er schoss, was das Zeug hielt. Er wusste, das alles umsonst war, wenn er diesem Ding nur die Zeit gab, wieder zusammenzuwachsen, also war er mit der Munition nicht sparsam; Als sie ihm ausgegangen und der Engel zu einer bizarren, blasenartigen Struktur reduziert war, die trotz allem noch der Schwerkraft trotzte, es aber nachdem sie sich zum Angriff zur Seite gefaltet hatte, nicht mehr hinbekam, sich in die Ausgangsposition zu bringen, stellte er den Flammenwerfer dem Gesetz der gerechtfertigten Furcht folgend auf die höchste Stufe und richtete ihn direkt auf die Reste des Botschafters.

Dann gab es nur noch Licht… und den entfernten Klang eines Herzschlags.

Als sich der leuchtende Schleier der kugelartigen Explosion lüftete, gab er den Blick auf einen kleinen Krater frei… und auf einen im wesentlich intakten EVA-01.
 

Es blieb wohl kaum zu erwähnen, dass augenblicklich Lob und Jubel durch die Kommandozentrale gingen – Besonders Misato gab an, „richtig stolz“ zu sein…

Shinji für seinen Teil wusste nicht, wo er seinen Kopf hinstecken sollte und hoffte, dass man über das Intercom nicht sehen konnte, dass er dabei war, rot anzulaufen.

Sicher doch, er tat das hier auch, weil er sich nach etwas Anerkennung gesehnt hatte aber… er fühlte sich nicht, als ob er das hier verdient hätte… Es wäre ihm fast lieber, wenn sie das nicht tun würden… Auch wenn ihm das auch nicht richtig erschien. Er… er wusste nicht so recht…

Es war wie damals bei Nagato… Alle hier schienen sich einen Helden zusammenzubasteln, der wenig mit ihm zu tun hatte…

Er konnte es ja selbst kaum glauben, dass er das hingekriegt hatte… Es war mehr… Zufall als etwas anderes gewesen, und es war Misato zu verdanken, dass er nicht komplett den Kopf verloren hatte.

Es war lächerlich – Selbst Asuka schien zur Abwechslung mal gute Worte für ihn übrig zu haben: „Hmpf, das war gar nicht mal so schlecht – Nicht, dass mir das nicht auch eingefallen wäre. Nur immer schön weiter so, das sah ja fast schon nach einem richtigen Piloten aus… auch wenn du meiner Wenigkeit natürlich niemals das Wasser reichen wirst…“

Das alles sagte ihm recht wenig, solange dieser eine Mann in diesem Raum Stumm wie eine Statue blieb...
 

---
 

„Auch, wenn man es ihm nicht ansieht, dein Junge schient doch etwas von ihrem wacher Verstand geerbt zu haben… meinst du nicht auch, Ikari…?“

Der Commander antwortete nicht, aber er hatte seinen Kopf doch merklich aus dessen üblicher Position auf seinen ineinandergesteckten Händen entfernt, um den Bildschirm zu beäugen.

Sein Gesicht zeigte nicht dessen typischen, harten Ausdruck, aucch wenn selbst Fuyutsuki nicht hätte sagen können, was genau daran so anders war. Vielleicht wirkte er ja irgendwie… neutraler.
 

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Als Mayumi wieder zu sich kam, fühlte sie sich kalt und ausgelaugt…

Die Schmerzen hatten aber überraschenderweise nachgelassen… Tatsächlich hatte sie sich schon seit langer Zeit nicht mehr so weit davon befreit gefühlt…

Die Beschwerden schienen praktisch komplett verschwunden zu sein.

Vieles, was sie an diesem Tag erlebt hatte, war zu schauderhaft, um näher darüber nachgedachten, aber ein einziger Fakt brannte sich tief in sie ein, während sie sich mühselig Nachhause schleppte… Dieser Junge… Shinji, oder wie er sonst heißen mochte… hatte ihr das Leben gerettet…
 

---
 

„Das war gute Arbeit.“ Fasste Misato das Ergebnis sowohl des Kampfes wie auch der Nachbesprechung zu deren Ende knapp zusammen.

„Ich wünschte, dass ich euch allen jetzt eure wohlverdiente Ruhe gönnen könnte, aber…“

„Aber was?“ verlangte Asuka zu wissen.

„Rei hat weiterhin den Befehl, sich hier weiter mit Einheit Null bereit zu halten.“ Erklärte Misato ernst.

„Hä?“ wunderte sich der Rotschopf. „Aber wir haben den Engel doch schon platt gemacht, oder etwa nicht?“

„Der Befehl kommt direkt von Commander Ikari.“

„Das ist aber schade.“ Asukas Stimme und die herrablassende Art, auf die sie sich zu Rei hinunterlehnte und sie überheblich angrinste, zeugte von schlecht gespieltem Mitleid und noch schlechter verborgener Schadenfreude. „Na ja, nicht, das es uns besonders interessieren würde, was aus dir wird…“

„So ist es.“ Gab Rei tonlos zurück.

Sie machte sich nicht mal die Mühe, sich in Asukas Richtung zu drehen, und die Art, wie diese Irre dachte, ihre Existenz fortwährend ignorieren zu können, trieb sie echt auf die Spitzen der Palmen.

„Und… was ist mit mir..?“

„Du kannst morgen ganz normal in die Schule gehen, Shinji-kun.“

Irgendwie hatte er da ein schlechtes Gewissen.

„Uhm, dann… viel Glück, Ayanami…“

„Es gibt keinen Grund zur Sorge.“

Das sagte sie so leicht… Wenn Asuka und er eine gewisse Normalität beibehalten konnten, dann nur, weil Rei an ihrer Stelle hier bleiben würde… Sie würde hier ganz alleine im Hauptquartier sitzen, während der Rest von ihnen sich mit Freunden vergnügte und dem gewöhnlichen Leben nachging… auch, wenn Rei diese Dinge wahrscheinlich auch dann selten tat, wenn sie nicht im Hauptquartier blieben sollte… Sie sagte, dass er sich nicht um sie sorgen solle, aber… So recht überzeugte ihn das nicht und… er wollte sich doch um sie sorgen…
 

„Menno…“ kommentierte Asuka, Shinjis Aufmerksamkeit wieder auf sich ziehend, während sie sich etwas streckte.

„Jetzt haben wir wieder den ganzen Tag hier verbracht und ich bin nicht mal dazu gekommen, auf so einen blöden Engel einzudreschen!“

„Sei lieber vorsichtig mit deinen Wünschen…“ merkte Misato an, grüblerisch mit ihren Fingern an ihrem Kinn herumspielend.

„Wie… wie meinst du das…?“ fragte Shinji.

„Tja, es ist so dass… Asuka vielleicht doch noch sehr bald ihre Chance bekommen könnte, gegen einen Engel zu kämpfen… Als der Engel heute explodiert ist… gab es nicht dieses Blutmeer, und auch nicht diese kreuzförmige Lichtsäule, die sonst immer auftaucht, wenn wir einen besiegen… und wir haben den Kern nicht wirklich gefunden… Deshalb wurde Rei ja auch befohlen, hier zu bleiben. Der Commander vermutet… Das wir diesen Engel nicht zum letzten Mal gesehen haben…“

„Und wenn schon!“ konterte Asuka völlig unbekümmert. „Wenn das Viech sich noch mal hier blicken lassen sollte, dann reichen unsere kämpferischen Fähigkeiten bei weitem aus, um es gleich noch mal platt zu machen!“

„Ja das… stimmt wohl…“

Misato wünschte nur, dass sie sich da sicherer sein könnte…
 

---
 

„Wie kommt es, dass ich nicht einschlafen kann, obwohl ich meine Augen geschlossen habe…?“

Er hatte jede mögliche Position versucht, und auch die gelegentlichen Verkehrsgeräusche mit Musik abzublocken hatte nichts gebracht.

Eine gute halbe Stunde, nachdem er sich hingelegt hatte, gab Shinji es endgültig auf und starrte resigniert an seine Zimmerdecke.

Was war es denn, was ihm keine Ruhe ließ…?

War es dass, was Nagato gesagt hatte…?

Die Dinge über ihn, die Dinge über sich selbst, oder das mit ihrer Klasse…

Waren es Yuis Prophezeiungen…? Die Tatsache, dass diese, obwohl sie letztes Mal korrekt gewesen waren, dieses Mal nicht gepasst hatten… Er hatte ja trotzdem gewonnen, also warum beunruhigte ihn das…?

Oder lag es an… an Asuka…?

(„Das war gar nicht mal so schlecht.“ „Darum geht es gar nicht!“ Der Anblick, als sie dieses eine Mal neben ihm gelegen hatte, wie ihre Brüste fast aus ihrem Nachthemd herauszuquellen schienen…)

Oder… an Ayanami…?

(Dieses Lächeln… Er hatte es nicht vergessen. „Auf Wiedersehen.“ „Mach dir keine Sorgen.“)

Oder war es… der heutige Kampf…? Dafür, dass es ein Kampf auf Leben und Tod gewesen war, der zunächst aussichtslos erschienen war… sollte es ihn eigentlich mehr beschäftigen…

Dieses Monstrum, wie eine bizarre, fette, regenbogenartige Hummel ohne Kopf…

Er hatte schlimmeres gesehen.

…Schlimmeres gesehen…? Diese Denkweise… sah ihm nicht einmal ähnlich… aber es stimmte…

Nein… der Kampf war es nicht. Es war schon erschreckend, dass es das nicht war…

Es war mehr, dass er immer noch, na ja…
 

„So, jetzt hör mal ganz genau zu, du Papakind! Wenn du immer sofort aufgibst, dann wird sich nie etwas ändern! Wenn nicht mal du für das einstehst, was du für richtig hältst, und andere beliebig auf dir rumtrampeln lässt, ist das doch nur ein Beweis dafür, dass du dir selbst überhaupt nichts zutraust!“
 

Ja, das war es… dass von gestern Morgen.

Er… hatte daran denken müssen, wegen Nagato und… wegen Mayumi…

…Beweis dafür, dass er sich selbst nichts zutraute…?

Ja natürlich, warum sollte er sich selbst auch vertrauen…?

Er wusste ja selbst, dass er alles andere als vertrauenswert war…

„Instabil“ hieß es bei NERV immer zumeist, wenn sie dachten, dass er gerade nicht zuhörte…

Misato sagte ja immer, dass er sich mehr zutrauen sollte… und Nagato auch… und alle anderen auch… selbst Asuka sagte ihm das, auf ihre eigene Art und Weise… Ja, sie tat das ganz besonders…

Aber…
 

„Is ja klar, ne? Egal was los ist, du entschuldigst dich schon mal! Denkst du wirklich, alles ist immer nur deine Schuld?“
 

Aber er fühlte sich nun nicht wohl dabei, sich selbst oder sonst irgendjemandem zu vertrauen.

Weil er genau wusste, dass er versagen und sich selbst oder alle anderen enttäuschen würden…

Weil er es nicht wert war, nicht im Stich gelassen zu werden…

(Die dunkle Silhouette am Bahnhof, deren Schritte sich entfernen…)
 

Für ihn war das immer ein Fakt gewesen, eine der Säulen der Welt… Er machte immer alles falsch, also war es doch nur richtig, dass er sich entschuldigen sollte…

Das tat man doch, wenn man etwas falsch machte, nicht…?
 

Dann aber hatte er Mayumi gesehen… Sie hatte keinen Gedanken daran verschwendet, wer nun wen umgerannt hatte, sondern sich gleich als die Schuldige gesehen… etwa das war es ja auch, was Asuka ihm vorwarf.

Es war klar, das Mayumi nicht Schuld war, oder zumindest nicht allein, also warum entschuldigte sie sich…?

Na, warum tat er es denn, dass hatte er doch eben geklärt. Das war, weil er sich selbst nicht vertraute. Das… musste bei ihr dann wohl genauso sein…

Er vertraute sich nicht, also konnte er sich nie sicher sein, dass er keinen Fehler gemacht hatte… Er fürchtete immer, dass er irgendwie, irgendwo ohne es zu merken, etwas falsch gemacht haben könnte. Er traute sich nicht zu etwas richtig zu machen, also war er immer dafür bereit, sich für seine Fehler zu entschuldigen…

Das war in sich ganz logisch, also… wieso regte sich Asuka so auf…?
 

Sie hatte gesagt, er solle sich wie ein Mann benehmen und zu sich stehen… zu sich stehen, zu sich? Sollte das ein Witz sein…?

Das klang ja schön, aber… er schämte sich für alles, was er war…

Er wusste, dass er versagen würde, und dass er diese Erwartungen, die alle in ihn legten, nicht erfüllen können würde…

Um das zu schaffen, müsste er schon… deutlich stärker sein…

Wenn er nur stärker wäre, dann… bräuchte er all diese Zweifel nicht mehr zu haben…

Dann könnte er Asukas Respekt gewinnen … und Ayanami beschützen…

Wenn er stärker wäre, dann… könnte er etwas verändern…

Aber halt… vielleicht betrachtete er das alles irgendwo falsch…

Er war sicher nicht der Held, für den ihn manche hier hielten, aber… er war in der Lage gewesen, etwas für Nagato zu tun, und… heute hatte er Mayumi das Leben gerettet… Er war auch schon in der Lage gewesen, Ayanami und Asuka zu retten… Touji und Kensuke auch….

Vielleicht… hieß das alles ja, dass er schon stärker geworden war, nur ein kleines bisschen…

Ja, all diese Veränderungen… und das, was die Leute über ihn sagten, das war doch eigentlich etwas Gutes nicht…?

Nein, ob er schon stärker geworden war oder nicht war gar nicht mal so wichtig…

Der springende Punkt war, dass er bereits…Dinge in seiner Umgebung zum Besseren gewendet hatte, und sei es nur solcher Kleinkram wie Misatos Speiseplan.

Er konnte es also… es bestand also die Möglichkeit… das er stärker werden konnte…

Und er musste stärker werden.

Er würde all diesen Erwartungen nie entsprechen, aber er musste zumindest versuchen, sich zu ändern…

Vielleicht war er ja deshalb hergekommen, und in den EVA gestiegen… Um etwas zu verändern…

Er musste stärker werden… damit er sich eines Tages nicht mehr zu entschuldigen brauchte.

Und er musste stärker werden… damit er eines Tages in den Spiegel sehen konnte, ohne Scham und Abscheu zu empfinden…
 

________________________________________________________

(1) Wie ihr vielleicht gemerkt habt, beinhaltet dieses Kapi außer einigen an eigenen Zeug auch Material aus dem Spiel “The Second Impression“ – Ich muss zugeben, dass ich es nie gespielt habe, aber dennoch einige Walkthroughs gesehen habe. Sie waren zwar nicht alle komplett übersetzt, aber wo ich nur Bahnhof verstehe, muss halt die gute alte Kreativität ranXD Für die, die es nicht kennen, „Second Impression“ ist so ein wenig wie Girlfriend-of-Steel, nur mit etwas mehr Auswahlmöglichkeiten und ganzen Filmchen statt Standbildern, obgleich die Filmchen nicht so hoch qualitativ sind wie die Bildchen in GoS. Man hat neben Asuka und dem „neuen Mädel“(In diesem Fall Mayumi) auch noch Rei zur Auswahl, wobei Mayumi doch etwas interessanter gemacht ist als Mana, (Nicht, dass ich die nicht auch toll finde) sie kriegt sogar ‚ne „Kontemplationsszene“, und das Ganze hat mehr von einer Aussage, ich denke die Interaktionen sind subtiler und näher am Original. Ich werde versuchen bzw. habe versucht hier möglichst viele der unterschiedlichen „Pfade“ denen man im Spiel folgen kann, so weit wie möglich zu kombinieren.

(2) Auch das nächste Kapitel: 07: [The Second Impression] wird weiter unter anderem die Handlung des gleichnamigen Spieles behandeln.


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Diclonius01
2011-08-12T19:55:03+00:00 12.08.2011 21:55
Haaaa, schönes Kapi, armer Shinji, ich weiß gar nicht, ob ich ihn beneiden oder bemitleiden soll, mit seinem Harem :D.

Hast wieder ganz toll geschrieben, klasse Idee mit Mayumi als "Medium" für einen Engel, und die Sache mit Yui ist auch interessant.

Und "Gendos Plan" ist doch ganz nett, finde ich. ;-)

Viele Grüße
Diclonius01
Von:  BenWill
2011-08-10T00:43:50+00:00 10.08.2011 02:43
HI Shadow hier, ich schließe mich Magnus in dem Punkt "Gendos Plan" an, des weiteren finde ich spitze das du, auch wenn es rein zufall ist, dass du Shinji ein Paar meiner Lieblingsbands hören. Das finde ich echt Bombe *thumbs up* ich freue mich schon auf die nächsten Kapitel.

gruß
Shadowking
Von:  Magnus
2011-08-09T23:49:06+00:00 10.08.2011 01:49
Nettes kapitel finde es nur bescheiden das es zu Gendos Plan gehört das sich Shinji für Rei interessirt so nen (Arsch).


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