Children of the Prophecy von Kendrix (Die Kinder der Prophezeihung) ================================================================================ 04: [Katayoku no Tenshi] ------------------------ I’m not the one for you You’re not the one for me We are like night and day But damn I want you anyway Together we are one Like flowers who’ve kissed the sun But deep inside I know you hate me Well I hate you too, you irritate me -Zombie Girl,’Gonna Getcha’ --- “Berlin. Eine Stadt wie ein Flickenteppich. Die Verwüstungen des Second Impacts und der darauffolgenden Kriege waren nur die jüngsten Neuzugänge in der langen Reihe von verheerenden Umwälzungen, die die Landeshauptstadt erschüttert hatten. Aber wie so oft haben es die Menschen hier geschafft, in wenigen Jahren zumindest oberflächlich den Zustand der Blüte vorzutäuschen, nachdem das Elend in die dafür vorgesehenen Viertel verdrängt worden ist. Ein einziges Monument für die Unzulänglichkeit des Menschen, seine Unfähigkeit, einen Zustand von Gleichheit und Gerechtigkeit herbeizuführen, seine Anfälligkeit dafür, Narben zu bilden, und sein Wunsch nach Fassade und Pomp, hinter dem sich selten etwas versteckt. Schließlich waren es keine Naturkatastrohen oder schicksalhafte Zufälle, die hier Gebäude zertrümmert und in Brand gesetzt haben, sondern politische Konflikte, Revolutionen und Kriege. Auch der Second Impact war eine von Menschenhand gemachte Tragödie, wenn auch eine Tragödie, die unserer eigenen Feder entstammt. Die Menschen sind traurige, traurige Kreaturen von ungeheurer Zerstörungswut, genauso unfähig, zusammen zu leben, wie sie es sind alleine zu leben. Dass sie überhaupt leben und diese Farce von einer Stadt aufrechterhalten, ist Spott und Hohn.“ „Das wir traurige, schwächliche Wesen sind, ist nicht zu leugnen. Schon Städte und Häuser an sich sind beweis unserer Unzulänglichkeit. Ängstlich und Feige verkriecht sich der Mensch, er erzeugt neue, kunstvolle Wege, sich zu verkriechen, zu verstecken vor den Elementen und der Natur, deren harte Gesetzte und Urteile zu fürchten. Manche von ihnen heucheln sich vor, zu der Natur zurück zu wollen, doch was sie ersehnen, sind am Ende ein paar streng geschnittene Bäume und getrimmter Rasen, keiner will sich den Insekten aussetzten, den Krankheiten, die die schwache Existenz rasch beenden können. Da ist es ihnen recht, in die Natur einzugreifen. Im Grunde führen doch alle Unternehmungen der Menschheit von ihr weg. Sie erhalten ihre Städte, Monumente und stetig zerfallenden Körper in einem ständigen Kampf mit den Unbilden der Natur.“ „Und das, obgleich sie wissen müssten, dass ihr Kampf dazu verdammt ist, verloren zu werden. Es ist kaum zu fassen, welchen Stolz sie tragen.“ „Es mag im Angesicht der Lebenspanne von Sternen und Planeten spöttisch wirken, doch ich denke nicht, dass man das, was sie dazu trieb, diese Stadt trieb, stolz ist. So nobel, das ihr Stolz ihnen das Wer wäre, sind sie nicht. Sie tun es, weil es der einzige Weg ist, um zu leben. Aus diesem Grund haben sie sich in diese Bauten verkrochen, und aus demselben Grund werden sie sie verlassen, wenn wir uns dieser schändlichen Notwendigkeit entledigt haben.“ „Wohl wahr. Dennoch, kommen Sie nicht ein wenig früh, Ikari? Ich hatte erwartet, dass sie die Nacht in Hamburg verbringen würden.“ „Sie kennen meine Abscheu für solcherlei, Herr Vorsitzender. Ruhen können wir noch, nachdem der Tag der Prophezeihung gekommen ist, beziehungsweise wird es dann nicht mehr nötig sein. Wir alle sehnen diesen Tag leidvoll herbei.“ „Wissen Sie, Ikari, als sie mir das vor all diesen Jahren das erste Mal gesagt haben, habe ich ihnen das nicht geglaubt, und wir alle haben berechtigte Zweifel daran, dass Ihre Tollkühnheit der Vergangenheit angehört, nur, weil Sie sich dieses Grinsen aus dem Gesicht gewischt zu haben scheinen.“ „Ich wüsste nicht, dass ich Ihnen einen Anlass gegeben hätte. Ist es wegen dem Zwischenfall mit Einheit Fünf? Die Untersuchungen haben nichts ergeben.“ „Die offensichtlichste Spur von allen ist deren Abwesenheit.“ „Es gibt beliebig viele Dinge, die an einem Ort oder Ereignisse abwesend sein können.“ „Nun, da mögen sie Recht haben, aber vergessen sie nicht, wer sie warum in ihre Position gebracht hat. Wir sind uns über ihre Fähigkeiten im Klaren.“ „...Sie swerden ausschließlich für unser Szenario verwendet.“ „Das will ich hoffen.“ „Nun… was ist so vertraulich, das wir es nicht auf die übliche Art besprechen können? Im Hauptquartier laufen derzeit die Gegenmaßnahmen zu einem Engel-Angriff. Ich lasse mich selbstverständlich auf dem Laufenden halten, aber…-“ „Ihre Leute sind auch vormals schon ohne sie ausgekommen, dass wird sich geben. Laut der Prophezeiung dürfte dieser Botschafter ohnehin keine große Herausforderung darstellen. Es geht um die Details der Zeremonien für das Vollendungsprojekt und ein gewisses Detail bei unserem Pakt mit Lillith. Wir mussten Sie herbestellen, da wir in letzter Zeit des Öfteren mit gewissen Sicherheitslücken zu kämpfen hatten… Wissen sie vielleicht etwas darüber?“ „Nein.“ --- Wie eine strömende Flüssigkeit floss ihr langes, himmelblaues Haar in den Mittagswind hinein, ein unregelmäßiges Band gleich einer zerfetzten Flagge, dessen Fahnenstange von ihrem hellen Körper gebildet wurde. Von den Trümmern einer Gebäuderuine heraus beäugte sie die zwei kolossalen, hochhausgroßen Silhouetten, die langsam aber beständig dabei waren, zu einer einzigen zu verschmelzen. Viel anderes blieb ihr nicht übrig – der Prozess, den sie verhindern wollte, hatte begonnen, und das Gefüge, in das sie eingreifen wollte, war empfindlich. Wenigstens, so dachte sie, als sie sich gedankenverloren die rote Flüssigkeit von den Fingern leckte, würde das nicht noch einmal geschehen… --- Das Mädchen mit den kurzen Haaren schleppte sich mühevoll durch eine Gasse, die enge, weiße Kleidung völlig zerfetzt, sowohl am Boden, den sie beging, als auch an der Betonwand, auf der sie sich abstützte eine rote Spur hinterlassend wie einen Faden zur Orientierung in einem Labyrinth. Wie ironisch. Ein Weg zurück… war im Moment von allen Dingen und Konzepten im Universum wohl das, wovon sie am wenigsten hatte. Einer der orangenen Knöpfe an ihrem Kostüm war abgerissen, der andere hing an einem Fetzen ihres Gewandes herab. Sie glaubte nicht, dass es noch funktionieren würde… In ihrem Eifer, das zu beschützen, wegen dem sie hierhergekommen war, hatte sie versäumt, ihre eigene Fähigkeit zu erhalten – Wenn ihr Vater hier wäre, würde er ihr wohl sagen, dass sie den Fehler gemacht hatte, etwas, dass sie nur einmal hatte, nämlich ihr Leben und ihre Ausrüstung, für etwas zu riskieren, dass sie immer und immer wieder verlieren könnte, ohne dass es viel ausmachen würde… aber die Wahrheit war, dass sie gar nicht mehr wusste, wie lange sie das Gesicht dieses Mannes schon n nicht mehr gesehen hatte – Sie hatte keine Möglichkeit gehabt, die Zeit nach ihrer Abreise zu zählen, es gab nichts stetiges, woran sie sie hätte ablesen können… Hieß das, dass sie verloren hatte? Dass ihre lange, mühevolle, aufzehrender Reise zu einem Ende gekommen war, viel, viel zu früh, und doch viel, viel zu spät. Ichijou Yui war am Ende der Straße angelangt, sowohl im übertragenen, als auch im wörtlichen Sinne – Die Gasse war zu Ende, die Wand, an der sie sich bis jetzt abgestützt hatte, hörte einfach auf und sie verlor ihren Halt als hätte man eine Planke unter ihren Füßen weggezogen. Nicht in der Lage, der Schwerkraft auch nur die lächerlichste Parodie von Widerstand entgegen zu setzten, sackte das zierliche Mädchen in sich zusammen und landete der Länge nach hart auf dem Gehweg, wobei ihr Kopf und ihr Oberkörper lautstark in einer Pfütze zum Liegen kamen, und danach nicht mehr die geringste Regung zeigte. Schleierhaft diffundierte die zunächst rote, bei zunehmender Verdünnung dann jedoch zunehmend zum orangen und gelben hin tendierende Flüssigkeit in das fade Regenwasser hinein. Es schmeckte grauenhaft. War es das…? War jetzt… alles hier vorbei und für immer verloren? Es schien möglich, dass es aus Zufal gelingen könnte, die Kette zu durchbrechen, aber sie hatte zu viel gesehen, um noch daran zu glauben. Sie fragte sich, ob sie denn noch daran geglaubt hatte, es überhaupt zu schaffen, und ob die Antwort darauf bedeutete, dass sie eine Heuchlerin war. Noch einmal nahm sie die Pein auf sich, ihre Augen einen Spaltbreit zu öffnen. Nur das eine jenseits des Wassers taugte zu etwas. Es fiel schwer, zu glauben, dass alles vorbei sein sollte… Es sah nicht danach aus. Die Sonne schien, zwischen den langsam weiterziehenden Wölkchen, welche diese Pfützen hinterlassen hatte, war ein Regenbogen aufgespannt und man hörte Tiere, zirpende Zikaden und zwitschernde Vögel. Es… fühlte sich einfach nicht so an, als ob es vorbei wäre… Dann, ein Schatten, ein finsterer Streifen, der sie von dem bisschen Licht abschnitt, das ihre schwindende Welt noch erfüllt hatte. Es schien kein einziges Fünkchen mehr davon übrig sein. Es folgten Bewegung, ein Schmerz, ein schwindelerregendes Umschlagen ihres trägen Körpers, und eine Masse aus nassen, klebrigen Haaren. Luft. Kühle, verdunstende Flüssigkeit. Azurblauer Himmel und stechende Sonne über ihr. Kalt. Worte, Silhouetten, eilige Stimmen, die ihr zuriefen, und sie schüttelten. Himmel. Ihre Augen blieben am Himmel, es brauchte eine Weile, bis die Gedanken zu ihrem langsamer werdenden Verstand durchdrangen und der Befehl von dort ihre Augen erreichte. Schließlich fand sie die Schatten und Flecken, auch wenn sie eine Weile benötigte, um sich einen Reim daraus zu machen, welchen Teil davon sie eigentlich ansehen sollte. Oh, das war es. Jungen, drei davon… Huch. Das waren doch diese beiden, nicht? Den Dritten erkannte sie nicht, aber den hatte sie sicher auch irgendwo schon mal gesehen. Wieso diese Brille…? Ach ja, diese Version musste anders sein, die meisten waren es… Hach, wie sie hektisch sie doch miteinander sprachen und auf ihren Gerätschaften herumtippten. Wieso waren sie denn so aufgeregt…? --- Kaum, dass die Türen des Krankenwagens hinter dem fremden Mädchen zugeklappt worden waren, bretterte das Fahrzeug mit Blaulicht und Sirenen davon und ließ Jungen am Straßenrand zurück, denen der Schock immer noch bis zu einem gewissen Grad in den Knien saß. „Ach du heilige Scheiße…“ fasste Touji die Situation zusammen, in der er und seine Freunde soeben völlig unvorbereitet hineingeraten waren. „Ich hoffe nur, dass die Kleine wieder in Ordnung kommt… Sie sah ziemlich übel zugerichtet aus…“ „Ja, das war schon ziemlich heftig…“ Kensukes Worte, denen man deutlich anhörte, dass sie eine bewusste Untertreibung waren, kamen vom Herzen, und Touji’s ehrlich verstimmter Gesichtsausdruck machte weitere Gesten der Zustimmung unnötig – und was Nagato anging, so konnte man von ihm guten gewissens behaupten, dass er noch immer völlig neben sich stand. Er schien von allen am meisten mitgenommen - gut, er war der einzige unter ihnen, der nicht von sich behaupten konnte, schon einmal fast von einer biomechanischen Kampfmaschine zerquetscht worden zu sein… Der ältere Junge hatte seine Finger im Stoff seiner Hose vergraben und starrte geraaus vor sich hin, als schwebe er noch in einer Art Trance. Bei näherem Hinsehen wirkte er merklich blasser als sonst und schien es nicht ganz zu schaffen, mit dem Zittern aufzuhören, dass er nicht hatte abschütteln können, seid das Mädchen vor ihre Füße gestützt war. Er war eigentlich direkt auf die Knie gesunken und hatte während die anderen Beiden sich direkt zu ihr hingekniet hatten, einfach nur schockiert vor sich hingestarrt und unverständliche Dinge gemurmelt – Touji hatte die Fremde auf der Stelle umgedreht, sich ihrer besehen und versucht, sie wachzurütteln, während Kensuke direkt sein Telefon gezückt hatte. Danach war auch alles schnell gegangen. So schnell, dass dieses ganze Ereignis zu Ende war, bevor Nagato den Anfang davon überhaupt realisiert hatte – der Anblick dieser Fremden, das Blut und die über den Boden fallenden schwarzen Haare hatten in ihm einige Bilder wachgerufen, die er seinen Geist nicht berühren lasen wollte… er würde einfach warten, bis sie sich von allein Verzogen oder von irgendwas herausgeschwemmt werden würden… „Hey, Nagato, ist alles OK?“ Kensuke. Die anderen zwei mussten seinen Zustand wohl bemerkt haben – Touji reichte ihm die Hand. „Jah… Jah es geht schon…“ Er ergriff sie zögerlich und stellte sich wieder hin, konnte seine Augen jedoch noch nicht von der Richtung losreißen, in die der Krankenwagen eben verschwunden war. „Ich frage mich…. Wer sie war. Ob sie wohl überfallen worden ist oder so etwas…?“ „Kann sein….“ Toujis Mine verfnsterte sich. „ Wer um alles in der Welt macht bitte solche kranke Scheiße? Solchen Schweinen könnte ich echt…. Argh!“ Er boxte ärgerlich in die Luft, um seine Wut in irgendeiner Form abzulassen. Der hochgewachsene, gebräunte Junge mit dem Kansai-Akzent hatte heute ausnahmsweise mal daran gedacht, seine Schuluniform anzuziehen, und schien unter dem dazugehörigen weißen Hemd irgendetwas Violettes zu tragen. Auch Kensuke und Nagato trugen ihre Uniformen, obgleich es bei denen natürlich nicht wirklich etwas Außergewöhnliches war. „Aber Leute…“ warf Kensuke dann ein. „…Meint ihr nicht, dass das, was sie anhatte, irgendwie ähnlich wie die Anzüge ausgesehen hat, die Shinji und Shikanami beim EVA-steuern tragen…?“ „Jetzt wo du’s sagst, seltsam war das Outfit schon… und dann war es auch noch halb zerfetzt… Hm… wenn ich meine Schwester das nächste Mal im Krankenhaus besuchen gehe, werde ich mal fragen, was aus dem Mädel geworden ist, okay? Jetzt haben wir ein ganz anderes Sorgenkind, über dass wir uns den Kopf zerbrechen dürfen. Ich frage mich wirklich, wo Shinji abgeblieben ist…“ „Da hast du wohl Recht…“ stimmte Kensuke zu. „Es ist schon für ganze drei Tage nicht mehr zur Schule gekommen… Langsam mache ich mir echt Sorgen…“ „Ich auch.“ Gestand Nagato. “Auch, weil es zwar einen Evakuierungsalarm gab, aber das Gebiet immer noch abgesperrt ist… Ich wollte huete deswegen eigentlich Ayanami fragen, aber sie war heute leider wieder krankgeschrieben… Und ich bin nicht dazu gekommen, meinen Vater zu fragen, weil der auf der Arbeit zurzeit sehr viel zu tun hat, und er hat mir auch nichts bestimmtes darüber gesagt, aber… Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie einen Kampf verloren haben. “ „Das haben sie.“ erklärte Kensuke. „Ich hab mich erkundigt. Das Verrückte ist, die Bilder von den EVAs sahen fast schon witzig aus… Wegen der Piloten war in dem Bericht jedoch nichts Besonderes vermerkt… “ „Ihr… ihr glaubt doch nicht, das… ihnen etwas passiert sein könnte?“ „Tja…“ meinte Touji, den Blick zu der Siedlung aus hohen Apartmentkomplexen wendend, zu der das Trio vor ihrer Begegnung mit diesem mysteriösen Mädchen eigentlich unterwegs gewesen war. „Ich schätze, es gibt nur einen Weg, das herauszufinden…“ --- Der Weg, den Touji damit meinte, war der zu dem Apartment, das sein Freund gemeinsam mit seinem attraktiven Vormund bewohnte, und führte, weil dieses ja im elften Stock lag, unweigerlich über einen der beiden Fahrstühle in diesem Teil des Gebäudekomplexes. Touji und Kensuke waren mit der Immobilie bereits vertraut, und auch Mitsurugi war schon ein- oder zwei Mal hiergewesen. Dass sie hier jedoch außer Shinji und Misato noch jemanden antrafen, geschah heute jedoch zum allerersten Mal – Keine der anderen Türen wiesen Namensschilder oder Dekorationen auf, und von außen betrachtet schienen auch nicht besonders viele der Balkone in irgendeiner Form möbliert oder benutzt worden zu sein – Außer den beiden NERV-Mitarbeitern schienen hier nicht allzu viele andere Menschen zu leben – Verwunderlich war es nicht, wenn man bedachte, in welch großen Zahlen die Bevölkerung in jüngster Zeit aus der Stadt getürmt war. Ganz im Gegenteil – das, was die drei Jungs stutzig machte, war, dass sie hier jemanden antrafen, und dass dieser jemand zufällig auch noch exakt im selben Moment wie sie selbst wenn auch mit dem zweiten Aufzug in diesem Stockwerk ankam. Sich leicht wundernd blieb Touji nachdem er aus dem Fahrstuhl gestiegen war zunächst stehen, nicht wesentlich mehr vorhabend, als die Person im zweiten Aufzug einfach nur mit einem kurzen Blick zu erfassen – Doch als er entgegen seiner Erwartungen ein vertrautes Antlitz erspähte, taten es einfache Augenspiele auch nicht mehr. „…Moment mal… Bist du das, Klassensprecherin?“ Was schon die ordentlich sitzende Schuluniform, die Zöpfe und die Sommersprossen andeuteten, stellten ihre Worte zweifellos klar. „Sieh mal an, drei viertes des Idiotenquartetts.“ Kaum zu glauben, dass die das letzte Wort nicht einmal mehr spöttisch, sondern fast wie einen Namen oder Titel aussprach. Es war schwer zu sagen, ob das gut war. Außerdem schien sie Nagato da wohl kommentarlos dazuzurechnen – Auch darüber, ob er sich darüber uneingeschränkt freute, könnte man lange philosophieren. Aber viel mehr drängte sich doch eine ganz andere Frage auf. „…Was machst du eigentlich hier?“ „Uhm, ich wollte nach Shikinami-san fragen. Und ihr?“ „Wir wollen zu Ikari-kun.“ Antwortete Touji wahrheitsgemäß. Und so warf eine Frage die nächste auf und führte in einer Art Domino-Effekt dazu, dass die vier kurz inne hielten um einander kurz ungläubig anzublinzeln. „…Und warum seid hier…?“ „Tja, warum wohl. Er wohnt hier. Apartment Nummer 1101…“ „Das… ist jetzt seltsam. Genau das ist laut unserer Klassenliste Shikinami-sans neue Adresse….“ „Muss wohl die falsche Adresse abgelesehen haben.“ Schloss Touji. Doch Hikari schüttelte den Kopf und zückte als beweis ihre Kopie der betreffenden Liste, auf der sie die Adresse des Second Child mit einem Textmarker unterlegt hatte. Doch wie es aussah, bestätigte eben dieselbe Liste auch die Behauptung der Jungs. „Alles höchst mysteriös.“ kommentierte Kensuke. Trotz der Beteuerungen der Jungs, dass sie sich absolut sicher waren, dass das hier definitiv Shinjis Residenz war und bei Asukas Adresse irgendeine Verwechslung vorliegen musste, bestand Hikari darauf, mitzukommen, um sich selbst ein klares Bild davon zu machen, wer denn jetzt genau in diesem Apartment lebte. Um ihre These zu untermauern führten die Jungs die Klassensprecherin zu einer Tür am Ende des Flurs, und siehe da, die Nummer stimmte. Trotzdem, so ganz überzeugt war Hikari nicht. „…Da steht „Katsuragi“.“ „Ja klar, das ist der Name von Ikaris Vormund.“ Erklärte Touji. „Weißt du noch, die heiße Schnecke, die beim letzten Elternsprechtag in der Schule aufgetaucht ist?“ Hikaris ernüchterten bis leicht ärgerlichem Gesichtsausdruck deutete darauf hin, dass da in der Tat einige Glöckchen klingelten. Nachdem Hikari Touji und Kensuke angewiesen hatte, sich gefälligst nicht wie Halbaffen aufzuführen, beschloss man, den Klingelknopf zwecks der Vermeidung von Streit zu dritt zu betätigen und einfach mal darauf zu hoffen, dass sich die Angelegenheit in Wohlgefallen auflösen würde, sobald die Tür sich geöffnet hatte. Als sie jedoch mit dem Anblick konfrontiert wurden, vor dem die Tür sie bisher heldenhaft bewahrt hatte, war Wohlgefallen so ziemlich die letzte Empfindung, die sich bei den Vieren breit machte. Ganz im Gegenteil – Touji und Kensuke gestikulierten wild mit den Armen herum und blickten drein, als ob sie in den Tiefen eines Waschbeckens versehentlich in einen glibberigen Essensrest gefasst hätten, Hikari bildete hauptsächlich, aber nicht nur an ihrer rechten Augenbraue unkontrollierte Zuckungen aus, und Nagato war gezwungen, einen Schritt zurück zu gehen um sich abzufangen, bevor er Gelegenheit hatte, einfach auf der Stelle umzukippen. Es war wohl kaum nötig zu sagen, dass alle bestenfalls tief traumatisiert und schlimmsten falls so wirkten, als seien einem physikalisch unmöglichen, kafkaesken Scheusal begegnet, dessen grausiges Äußeres jenseits dessen lag, was der menschliche Verstand unbeschadet verarbeiten konnte. „D-Du Verräter…“ stammelte Touji, dem es nach dem grauenhaften Schock als erstes wieder einfiel, wo er seine Zunge gelassen hatte. „Sie tragen sogar schonwieder Partnerlook…“ stelle Kensuke ungläubig fest. „Iiiiiiiiiiiigitt…“ Auch er schien seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen tief erschüttert zu sein – was bei jemandem, dessen größter Traum es war, in teilweise biologischen Kampfmaschinen deren inneres nach Blut stank gegen physikalisch unmögliche Kreaturen zu kämpfen, schon etwas heißen mochte – von dem deutlich empfindlicherem Mitsurugi, der selbst für Gesten des Entsetzens zu tief getroffen schien und einfach nur leise nach einem Glas Wasser fragte, ganz zu schweigen. Eigentlich hätte man ja meinen können, dass das, was sie hinter der Tür antrafen, alle beteiligten hätte zufrieden stellen sollen, zumal sowohl Shinji als auch Asuka hinter dem Türrahmen aufgetaucht waren – Doch gerade das war es ja – Sie standen zusammen da, sie standen direkt nebeneinander, und sie trugen, wie Kensuke bereits angedeutet hatte, exakt dasselbe Kostüm – bis hin zu den identischen Kopfhörern. Und dann musste es auch noch so enger, schwarz-glänzender Gymnastikanzug sein, in den sich kein Mann der Welt hineinzwängen lassen sollte – mit niedlichen kleinen Musiknoten auf den Dekorationselementen, die sich nur in ihrer Farbe unterschieden – rosa für das Mädchen, hellblau für den Jungen. „Wir machen das nicht freiwillig.“ Antworteten die beiden. Der deutlich beschämte Klang ihrer Worte, der den Eindruck, den ihre Freunde soeben erhalten hatte, vielleicht hätte abmildern können, wurde von der Tatsache, dass sie fast absolut gleichzeitig sprachen, weitaus überschattet – vor allem, da sie sich bei der Wortwahl in ihrer Erklärung alles andere als geschickt anstellten: „Daran ist Misato schuld, sie verlangt, dass wir alles zusammen machen, nicht nur das mit den Klamotten, sondern auch Essen, und sogar schlafen!“ Spätestens jetzt arteten Hikaris zuckungen in eine völlige Entgleisung ihrer Gesichtszüge aus. „Ihr… Ihr zwei seid so etwas von unanständig!“ „H-Halt, das ist ein Missverständnis!“ versichterte das Duo, in Asuka’s Fall ärgerlich, in Shinji’s hingegen recht verloren wirkend, wobei die Tatsache, dass sie wieder gleichzeitig sprachen, sie nicht unbedingt glaubwürdig dastehen ließ. Hikari, deren Bild von der Welt und insbesondere von diesen zwei Menschen soeben deutlich zerüttet worden zu sein schien, überzeugten sie schon mal nicht. „Was kann man dabei denn missverstehen…“ jammerte sie fast schon, ihr Gesicht in ihren Händen vergrabend, um dieses markerschütternde, gegen mehrere (Natur-)Gesetzte verstoßende lebenden Abbild der Perversion nicht mehr sehen zu müssen. „Oh, herzlich wilkommen!“ Mit der Ausnahme von Hikari, die in ihrem Zustand wohl gerade mal so noch als ansprechbar einzustufen war, richteten alle ihre Aufmerksamkeit auf die Urheberin dieser Worte, sofern es der jeweilige Grad von Schockiertheit oder, im Falle der Children, Blamage, zuließ. Bei dem Neuzugang handelte es sich um die Eigentümerin des Apartments die, soweit mal dem leicht unheimlichen Gleichklang der Children Glauben schenken konnte, an dem ganzen Debakel schuld sein sollte. Sie schien einen Umschlag mit irgendeiner Art von Papierkram im Schlepptau zu haben – oh, und Rei hatte sie aus irgendeinem Grund auch dabei. Touji wusste nicht, ob er die Tatsache, dass sie wie üblich fröhlich lächelte, als ob überhaupt nichts außergewöhnliches los sei, als gut der schlecht zu werten war, aber da sie ihm im Moment wesentlich vertrauenswürdiger vorkam als ein gewisser Kumpel von ihm, dessen Aufzug Fragen über seine sexuelle Orientierung aufwarf und penibel dem Stück Nylon am Leibe der Person glich, die vor ein paar Tagen noch der erklärte Erzfeind des Quartetts gewesen war, beschloss er, das er bei Misato die größten Chancen auf eine vernünftige Antwort haben würde. Also war sie es, an der er seine Frage richtete, wobei er doch etwas besorgt auf den lächerlichen Zirkus hinter sich deutete: „Uhm… würde es Ihnen etwas ausmachen, das hier zu erklären?“ --- „Ach so ist das! Warum habt ihr das nicht gleich gesagt?“ Nachdem sämtliche Besucher inklusive Rei mit kühler Limonade und einer erstaunlich sinnvollen Erklärung versorgt waren, stellte sich das Auflösen-in-Wohlgefallen, dass Hikari und die drei-Viertel-des-Idiotenquartetts als in weite Ferne gerückt betrachtet hatten, wider Erwarten doch relativ zügig ein, nachdem Misato den genauen Grund für ihre unkonventionelle, im Anbetracht der Lage jedoch an sich einleuchtende Trainingsmethode erläutert hatte. Die schmackhaften kalten Getränke und der ansässige Hauspinguin, an dem Hikari sofort einen Narren fraß und auf der Stelle streicheln wollte (Touji hatte nicht erwartet, dass sie auch so eine Seite an sich hatte… Wenn man sie so sah, könnte man sie fast für ein gewöhnliches, ganz un-zickiges, wenn nicht sogar süßes Mädchen halten. Fast. ) taten ihr Übriges, sodass der anfängliche Schock bei den vieren sehr schnell in Vergessenheit geriet, und spätestens als sie sich alle um den Tisch versammelt hatten eine heitere Stimmung aufkam, deren ansteckende Erreger von Misato stetig in die Luft geblasen wurden. Dennoch verlor zumindest Hikari nicht aus den Augen, weswegen sie eigentlich hergekommen waren – Die beiden EVA-Piloten. Verletzt waren sie offensichtlich nicht, aber der nächste Kampf stand ohne Frage unmittelbar bevor. „Und…? Wie läuft es so mit dem Training?“ Misatos vormals erwähnte Fröhlichkeit? Kaum, das Hikari mit ihrem Satz fertig war, blieb nicht sehr viel davon übrig. „Tja… davon macht ihr euch am besten selbst ein Bild…“ Kollektives Seufzen. Falls Misato damit andeuten würde das das Bild, was sich den Schulkindern am anderen Ende des Raumes bot repräsentativ für das war, was sich hier in den letzten Tagen abgespielt hatte, dann sah es für das Schicksal der Menschheit schon mal nicht gerade rosig aus. Bis auf Rei, die gerade dabei war, sich irgendeinen Zettel auf einem Klemmbrett durchzulesen, bei dem es sich vielleicht um eine Art Bericht handeln könnte, erklärten alle Anwesenden den Anblick einstimmig zu einem gerechtfertigten Anlass, den Kopf hängen zu lassen. Für Asuka war das letztlich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte – Tagelang hatte man sie gezwungen, in diesem lächerlichen Aufzug rumzurennen, gefesselt an diesen dummen, gehorsamen Lustmolch, der nichts als halbherziges Gestotter von sich gab und im Grunde nicht viel anderes tat als ihr ein Klotz am Bein zu sein, nachdem er sie schon bei ihrem ersten großen Kampf gänzlich blamiert und um ihren wohlverdienten Erfolg gebracht hatte, und jetzt hatte diese ahnungslose Schlampe, die Talent nicht einmal erkennen würde, wenn ihr ein großer, roter Pfeil den Weg weisen würde, auch noch den Nerv, sie hier vor versammeltem Publikum vorzuführen, und sich aufzuführen, als sei sie ein hoffnungsloser Fall, nur weil sie es nicht schaffte, diese Dumpfbacke auf Schritt und Tritt nachzuäffen – Der Typ hatte praktisch zwei linke Füße, und etwa so elegant wie jeder andere armselige, schüchterne Typ der praktisch kein Leben hatte und nie das Haus verließ. Sie war nun einmal nicht wie er, und das tat ihr nicht leid. Sie war viel besser und sah nicht ein, weshalb sie sich von diesem Weichei dass sich noch nicht einmal die geringste Mühe machte, um zu verbergen, wie jämmerlich er sich anstellte, in irgendeiner Form beschränken lassen sollte – Sie wollte nicht so sein wie er! Warum in aller Welt sollte sie denn bitte? Frustriert schleuderte Asuka die Kopfhörer, durch die sie die Musik hören sollte, die bei diesem lächerlichen Unterfangen benutzt werden sollten, donnernd auf den Boden, wo sie vor den Füßen einer leicht verunsicherten Hikari zum Liegen kamen. „Das reicht!“ verkündigte sie ärgerlich. „Es ist doch offensichtlich, dass ich meine Bewegungen nicht an die dieses tollpatschigen Grobmotorikers anpassen kann! Ich hab doch von Anfang an gesagt, dass das absolut unmöglich ist!“ Mehr noch als durch ihre Handgesten wurde ihr Vorwurf dadurch unterstrichen, das Shinji von ihrer Beschwerde aus dem Konzept gebracht das Gleichgewicht verlor und mit dem Gesicht auf die zur Trainingsvorrichtung umgebaute Twistermatte knallte, die Misato im Wohnzimmer aufgebaut hatte. Er hatte in seinem Leben noch keinen Sport betrieben, geschweige denn in irgendeiner Form getanzt (Mit wem auch? Mit seinem Lehrer vielleicht? Der hatte zwar ein paar Mal versucht, seinen stubenhockenden Schützling dazu zu motivieren, einen Kurs zu machen, einem Verein beizutreten oder einfach mal an die frische Luft zu gehen, aber all diese Optionen beinhalteten nötiger Weise das Zusammentreffen mit anderen Menschen, etwas, vor dem es Shinji mit jedem Jahr, indem er damit keine Erfahrungen gemacht hatte, mehr und mehr gegraut hatte – er hatte zu viel Angst, etwas falsch zu machen, einen Ball ins Gesicht zu bekommen oder angeschrien zu werden, weil er etwaigen Mitspielern den Sieg vermasselt oder den Lehrer mit seiner Unfähigkeit genervt hatte. Die Wunde, die die Abweisung seines Vaters gerissen hatte, klaffte noch Jahre später weit offen in seiner Seele, die Zeit hatte die Erinnerung daran, gehasst zu werden, nicht gemildert, sondern zu einer furchterregenden Karikatur verzerrt und hielt den bloßen Gedanken daran einfach nicht aus – Diese Angst plagte ihn immer noch, aber damals, bevor den Kämpfen, vor Misato, Touji, Kensuke und Rei, hatte sich diese Furcht auf die kleinste Kritik oder den kürzesten abschätzigen Blick erstreckt – und überhaupt keinen Menschen zu begegnen, die sich in irgendeiner Form eine Meinung von ihm bilden könnten, war ein einfacher und effektiver Weg, dies zu verhindern. So war es beizeiten vorgekommen, dass er tagelang kein Wort gesprochen hatte – und überhaupt sehr selten mit jemand anderem als seinem Lehrer.) und hatte es dementsprechend auch ohne Ablenkung schon schwer damit, die teils leuchtenden Felder unter sich überhaupt zu treffen. “Dann wirfst du also das Handtuch?” Misatos Frage zunächst für einen bloßen Witz zwecks ihrer Aufmunterung haltend warf sich Asuka in eine Pose, die ihrer eher würdig war und klar machte, dass sie diese Möglichkeit nur scherzend in Betracht ziehen würde. Sie lachte sogar etwas, um das klarzustellen und die Erwartungen, die an sie gestellt wurden, zu erfüllen. „Na ja, es ist ja nicht so, als ob irgendjemand anders es tun könnte!“ „Rei?“ „Ja?“ „Versuch du es doch mal!“ „Ja, Ma’am.“ Zweck dieses Versuches, wegen dem Misato Rei überhaupt erst mitgenommen hatte, sollte es sein, Asuka ein wenig zu motivieren – für den Fall, dass diese sich weiterhin komplett quer stellen würde, wäre es schon praktisch zu wissen, in wie weit es denn mit Rei klappen würde, doch da EVA 00 noch in Reparatur war, und Rei’s synchronwert mit EVA 02 nie so hoch sein würde wie der von Asuka oder der ohnehin eher geringe Wert, den sie mit ihrem eigenen EVA erreichte, zog es Misato eigentlich vor, Asuka einzusetzten – Diese kleine Demostration sollte sie nur… von ihrem hohen Ross holen, ihr ein wenig das Ego stutzen und sie an ihre Position erinnern. Was diese Erziehungsmaßname jedoch tatsächlich in Asuka auslöste, hätte Misato niemals erahnen könnte. Mit einem Mal war alle Selbstsicherheit aus dem Gesicht des Second Child verschwunden; Mit jedem Schritt, den Rei auf die Trainingsmatten zuging, wirkte sie mehr und mehr verloren, wenn nicht sogar ängstlich. Ihr war, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen – Was da vor ihren Augen geschah, verstieß völlig gegen die Regeln des Weltbilds, auf dem sie ihre Identität aufgebaut hatte – Sie war Shikinami Asuka Langley, das Second Child, die Beste auf der Welt… Die Person, die für die Rettung der Menschheit gebraucht wurde. Das hier… sollte ohne sie gar nicht gehen, es sollte ohne sie nicht gehen können. Diese Null und diese Asoziale, das Papasöhnchen und das Prinzesschen… Sie sollten eigentlich gar keine Konkurrenz sein, ja, nicht mal als solche in Frage kommen. Und doch geschah es, ohne dass sie dabei war, wie es auch bis jetzt ohne ihr zu tun funktioniert hatte. Das First Child, diese arrogante Ziege, die sich zu gut war, um sich mit ihr anzufreunden (Was hatte sie denn nicht? Was fehlte ihr? Was war falsch an ihr, dass dieses Mädchen sie nicht wollte? Nein, nein, das war falsch. Es war das Prinzesschen, an dem etwas falsch war. Sie war es, dieses eingebildete Ding) ließ natürlich keine Gelegenheit aus, um sie zu erniedrigen – ohne sie eines Blickes zu würdigen hob sie die Kopfhörer auf, setzte sie auf und nahm ihren Platz neben diesem Einfaltspinsel ein, und begann damit, Asuka schonungslos bloßzustellen. Kaum, dass die Musik losgegangen war, blieb Captain Shikinami nichts anderes mehr übrig, als hilflos zuzusehen, wie ihre Existenzberichtung von diesen beiden Niemanden in Grund und Boden gestampft wurden – Die Bewegungen der beiden waren absolut perfekt aufeinander abgestimmt, jeder Ton, jedes Feld wurde getroffen, jeder einzelne Muskel schien im gleichen Maße angespannt oder gedehnt zu werden, von der Krümmung ihrer Wirbelsäulen bis zur Position ihrer Finger, zahllose Kleinigkeiten, die man eigentlich nicht willentlich steuern können sollte. Es war, als betrachtete man Spiegelbilder oder Zwillinge, als könnten sie die Gedanken des jeweils anderen lesen, nein, vorhersehen. Wenn bei Shinji der linke kleine Finger aus dem Feld herausguckte, dann tat das Reis Finger ihm gleich. Der Rotschopf war am Boden zerstört. Wie kam es, dass dieses asoziale Ding, dass unter allen Piloten den niedrigsten Synchronwert hatte, etwas wofür sie selbst drei Tage lang erfolglos trainiert hatte, so einfach mit Links hinbekam? Wie konnte sie nur….?! Warum sagte denn das dämliche Papasöhnchen nichts dagegen? Hatte sie sich jetzt tatsächlich Hilfe von diesem (besseren, erfahreneren Kämpfer) nutzlosen Loser erhoft?! Sie… sie glaubte es einfach nicht, sie hielt es einfach nicht aus. Das sollte ganz anders sein…. Das hatte sie sich ganz anders ausgemalt, unzählige Male, als sie darüber nachgedacht hatte, was sie den tun würde, nachdem sie glorreich in diesem Land angekommen war. Das ehrlich beeindruckte „Wow!“ ihrer Klassenkameraden setzte der Erniedrigung schließlich die Krone auf. „Sieht aus, als würden Shinji und Rei wohl das bessere Paar für diese Operation abgeben.“ Spottete Misato, den letzten Nagel in Asukas gefühlten Sarg treibend. Sie wollte etwas entgegnen, aber wusste nicht was. Aus ihrem Mund drang nur ein Schluchzen. Sie… sie hatte doch nichts falsch gemacht! Sie war die Beste, besser als dieser Trottel… also warum wollte man ihr nicht einmal eine Chance geben, an der Schlacht teilzunehmen, für die sie ihr Leben lang trainiert hatte? Was für eine Niete, was für eine Null musste sie sein, wenn sie nicht einmal das hinbekam, wofür sie bisher unübertrieben regelrecht gelebt hatte? Sie war Captain Shikinami Asuka Langley, eine EVA-Pilotin. Die Aufgabe einer EVA-Pilotin war es, in ihrem EVA zu kämpfen! Wenn sie das nicht tun konnte… wenn man sie nicht lassen würde… wenn sie… überhaupt nicht gebraucht wurde… Oh nein. Oh nein. War das etwa… Tränenflüssigkeit, die sich so warm und verräterisch an den Winkeln ihrer glasigen, glänzenden Augen ansammelte, während sie hilflos herumstammelte? Heulte sie etwa? Nachdem sie hoch und heilig geschworen hatte, es nie wieder zu tun? Nein… nein das konnte nicht sein, nicht wegen der Leute in diesem Raum… die sollten ihr alle egal sein, verdammt! Diese… diese hilflose kleine Heulsuse, die nicht gebraucht wurde… die es… nicht wert war, hierzubleiben… das war nicht die Art von Person, die sie sein wollte, verdammt noch mal! Die flüssigen Beweise ihrer Schmach vor denen versteckend, denen sie eine Freunde machen würden drehte sich Asuka um und stürzte verzweifelt aus dem Raum, noch zusätzlich davon gekränkt, dass man die Türen in diesem unerträglichen, fremden Land noch nicht einmal mit Karacho zuknallen konnte. „A-Asuka-san!“ rief Hikari ihr noch durch ihr untypisches Verhalten besorgt und alarmiert hinterher, ohne dass es etwas brachte. Die ungemütliche Stille machte das durch die Wände gedämpfte Geräusch der automatischen Wohnungstür unüberhörbar. „…Na so was, sie hat ja doch Gefühle.“ Kommentierte Touji sympathielos. Er wollte ja nicht kaltschnäuzig wirken, aber dieses Mädel brauchte sich wirklich nicht zu wundern, dass ihr Arsch nicht das Zentrum des Universums war – Hikari hingegen sah diesen Sachverhalt ganz anders und lag mit ihrer Loyalität definitiv beim neusten Mitglied ihres Freundeskreises: „IKARI-KUN!“ rief sie aufgebracht zum dem albern kostümierten Jungen hin, der seine Tanzversuchte bereits unterbrochen hatte, als Asuka aus dem Raum gestürmt hatte, anders als Rei, die die Verbindung zwischen emotionalen Ausbrüchen und dem Einstellen der gegenwärtigen Tätigkeiten nicht herzustellen vermochte, da sie nicht sah, wie ihr stehenbleiben oder irgendeine Handlung den Rotschopf beruhigen könnte, und daher weiterhin ihren Befehl ausführte, bis ihr auffiel, dass es seitens Shinji keine Bewegungen mehr gab, die sie imitieren könnte. Der Junge, der Asuka bis jetzt verwirrt und, da er eher zu der netten als zu der nachtragenden Sorte gehörte, ehrlich gesagt auch ein bisschen besorgt hinterhergesehen hatte, wendete sich nach Vernehmen seines Namens in Hikaris Richtung und zupfte sich seine Kopfhörer aus den Ohren, um sie besser verstehen zu können. Doch leider hatten diese ihr erstmaliges Rufen so gedämpft, das Shinji dessen Lautstärke nicht ganz mitbekommen hatte und somit auf das wütende keifen, das ihn nun erwartete, überhaupt nicht vorbereitet war. „Los, folg ihr!“ verlangte die Klassensprecherin. „H-Häh?“ Shinji zuckte angesichts des lauten Tonfalls ein wenig zusammen. Mädchen machten einfach viel zu selten Sinn. Er begriff überhaupt nicht, was er denn jetzt auf einmal falsch gemacht hatte, oder wieso Asuka sich jetzt auf einmal darüber aufregte, diese aktion nicht machen zu müssen, obwohl sie sich die letzten vier Tage lang ununterbrochen darüber beschwert hatte. „Du hast ein Mädchen zum Weinen gebracht!“ erkläuterte Hikari. „Übernimm gefälligst die Verantwortung für das, was du tust!“ Shinji erblasste, unfähig, irgendwas zu sagen. Er hatte Asuka… zum Weinen gebracht? Er… konnte das? Bisher hatte er sich für absolut unfähig gehalten, das Second Child in irgendeiner Form anzutasten, als ob sie…. Hoch über ihm existiert hätte, und alles, was er sagen könnte, an ihr abperlen würden wie Regentropfen an einer Lotuspflanze. Sie machte immer den Anschein, als ob sie sich ihrer selbst vollkommen sicher wäre, und das alles, was Shinji oder sonst irgendjemand tun könnte, für sie nicht wichtiger waren als die Würmer, die im Dreck krochen, über den sie lief. Sie konnte weinen? Er konnte sie zum Weinen bringen? Das Third Child verstand die Welt nicht mehr. Obwohl ihm nicht einfiel, was in aller Welt er gemacht haben könnte, um so eine Reaktion hervorzurufen, so war er doch sehr ungern an irgendetwas Schuld, selbst, wenn es das Unglück einer Person war, die er nicht ausstehen konnte. Anders als Asuka war er nun mal nicht böswillig oder feindselig… und der Gedanke, jemand anderes tierf verletzt zu haben, trieb ihn in den Wahnsinn. Es war nicht mehr diese lähmende, panische Angst aus seiner Zeit bei seinem Lehrer oder den Tagen vor dem Kampf auf dem Futagoyama, aber dieses kleine, vorwurfsvolle Stimmchen in seinem Hinterkopf, das ihm neben Asukas Tränen auch noch vorwarf, Hikaris Zorn auf sich gezogen zu haben, reichte aus, um als Zünglein an der Waage zu dienen und seine Entscheidung darüber, ob er ihr folgen sollte oder nicht zuungunsten seiner Abneigung gegen dieses Mädchen zu beeinflussen. Er glaubte nicht, dass er erfolgreich sein würde, und rechnete fest damit, einfach nur noch ein bisschen angeschrien zu werden, aber wenn er’s versuchen würde, wäre zumindest Hikari erst mal zufrieden. Doch der aufgebrachten Eva-Pilotin zu folgen, war leichter gesagt als getan – Denn es war schwer zu sagen, wohin sie nach Verlassung der Wohnung gerannt sein könnte. Dass er sie noch einholen können würde, bevor sie das Gebäude verließ, war unwahrscheinlich. Schließlich war es ironischerweise Shinjis Funktion als tüchtiger Hausmann, über die sich Asuka wie er es erwartet hatte, ausgiebig lustig gemacht hatte, dem ihm auf die richtige Fährte brachte – Denn der Einkaufszettel, den er neulich geschrieben und an die Haustür geklebt hatte, um sich beim nächsten rausgehen daran zu erinnern, die darauf stehenden Dinge zu besorgen, war nicht mehr an seinem Platz – er erinnerte sich noch dunkel daran, gehört zu haben, wie Asuka sich Misato gegenüber beschwert hatte, dass es in diesem Haushalt keinen Salat und kein Obst zu finden gäbe, und dass sie endlich welches kaufen solle, da sie [Asuka] im Gegensatz zu anderen Leuten auf ihre Linie achten müsse. Ehrlich gesagt meinte Shinji, dass an Misato kein Gramm Zuviel war, und das Asuka selbst ein bisschen mehr zum Anfassen um die Hüften rum brauchen könnte, doch ihre Beschwerde verriet ihm, dass sie in ihrem eingeschnappten Zustand wohl beschlossen hatte, den Salat sowie diverse Schönheitspflegeprodukte, nach denen sie öfter verlangt hatte, selbst zu besorgen. Das hieß, dass er sie mit etwas Glück bei den nächsten Läden finden würde. Keine Zeit damit verschwenden, das peinliche Outfit abzustreifen – Hikaris bohrender Blick machte ihm Angst – brach er auf, um seine rothaarige Mitstreiterin zurückzuholen. Wissend, dass sie wahrscheinlich gerannt sein musste, bemühte er sich, möglichst schnell zu laufen und die zahlreichen schrägen Blicke bestmöglich zu ignorieren, doch er war wie bereits erwähnt nicht gerade sportlich, sodass er sobald er die nächsten Geschäfte erreichte erst einmal völlig aus der Puste war, und zirka auf halber Strecke eine Pause einlegen musste. Als er dabei mit einem Arm an der Wand abgestützt nach Luft schnappte, entdeckte er auf dem Boden vor seinen Füßen einen glänzenden Gegenstand. Shinji war nicht der Typ, der aus Neugier heraus handeln würde, besonders nicht, wenn er es eilig hatte, aber die Aufschrift auf dem Gegenstand, den er als eine ihm bekannte Plakette erkannte, überzeugte ihm mit einem einzigen, aus nur zwei Worten bestehenden Argument, sie aufzuheben – „Yui I.“ War das hier nicht dieselbe Gasse, an der er sie neulich getroffen hatte? In einem Zustand der Ungewissheit befühlte er das Stück Metall. Es war kühl, glatt, und eindeutig real. Er wollte es wegwerfen, weit fort, damit er es nicht mehr sehen musste, damit es ihn nicht mehr an die grausame Prophezeiung erinnern konnte, für die es stand. Sein Arm holte aus, aber die Plakette verließ nicht seine Finger. Dieses Ding war das… einzige Zeichen dafür, dass er nicht verrückt geworden war, der einzige Beweis. Er steckte es ein. Warum hatte Yui es denn hier gelassen? Sich fragend, ob sie wie so oft aus den nichts auftauchen würde, wenn er nur an sie dachte, schielte er in die Gasse hinein, aus der sie letztes Mal gekommen war. Da war etwas Rotes an der inneren Wand der Gasse, eine Spur, ein Streifen. Frisch, rot, mit herunterlaufenden Rinnsalen, verzerrte Handabdrücke, die eine Linie, und weiter innen Schriftzeichen bildeten. Sehen konnte er nur das Ende, doch Shinji wusste auch so schon, wie der Rest des Satzes lautete – „Die Welt ist falsch“. Er rannte los. Hauptsächlich, weil er Asuka nicht verpassen wollte. An die anderen Gründe, die er gehabt haben könnte, wagte er nicht zu denken. Wenn Yui hier wäre, würde ihm ohnehin raten, dem Second Child zu folgen – hatte sie nicht genau das gesagt? Dass sie in nächster Zeit bei all den Kämpfen, die sie in nächster Zeit erwarteten, darauf ankommen würde, das er, Asuka und alle anderen mit vereinten Kräften kämpfen sollten? Dass sie den Feind nur so besiegen konnten? Zumindest bei dem Kampf, der ihnen als nächstes bevorstand, schien sie Recht behalten zu haben… eigentlich war es ganz einleuchtend – es wäre ihm nie in den Sinn zu kommen, dass er das alles allein schaffen könnte. Dennoch wurde die ganz normale, selbstverständliche Tatsache, dass man im Leben ganz ohne Zusammenarbeit nicht weiter kam unheimlich und fremd, wenn er daran dachte, das diese Yui diese ganze verrückte Sache irgendwie… vorausgesehen haben könnte. Doch egal, wie sich die Dinge damit verhielten, es war in jedem Fall von allerhöchster Wichtigkeit, dass er Asuka schleunigst einsammelte. Also legte er einen Zahn zu. Schließlich kamen die Läden in Sicht – Menschen, Geräusche. Möglichkeiten, um sich zu vergewissern, ob alles, was er sah, auch von anderen gesehen wurde. Asuka – Ihretwegen war er gekommen. Er musste sie suchen. In der Drogerie war sie nicht, aber der Verkäufer hatte sie gesehen – so viele europäisch-stämmige Mädchen in Gymnastikanzügen liefen hier schließlich nicht herum. Shinji probierte es im Lebensmittelgeschäft – Bingo. Er fand sie vor einem offenen Kühlregal hockend, als sie sich eine Getränkedose herausnahm. In dem Zeitraum, den er gebraucht hatte, um sie zu finden, schien sie ihre Entscheidung bereits getroffen zu haben. Entweder hatte sie ihn bereits erwartet, oder sich die Worte bereits zurecht gelegt, die sie ihm nach ihrer Rückkehr entgegnen wollte. Als er sich zu ihr gestellt und sich mit einem unsicheren „Uhm…“ bemerkbar gemacht hatte, machte sie ihm sofort klar, dass er sich seine Entschuldigungen und Beteuerungen sparen konnte: „Es ist schon okay, du brauchst nichts zu sagen.“ Auch, wenn sie ihn nicht anblickte, kniete sich Shinji des Respektes wegen hin, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein, und nicht im wörtlichen Sinne auf sie herabzusehen und nicht den Eindruck zu erwecken, dass er es im übertragenen Sinne tat. Er verstand zwar nicht, wie Asuka ihn auch nur im entferntesten Sinne als eine Bedrohung sehen konnte – Er wusste selbst, dass er ziemlich armselig war, und er dachte eigentlich, dass sie das auch deutlich sah, wenn man bedachte, wie sie ihn ständig verspottete. Er war ihr gegenüber feindselig gewesen, weil sie ihn wie Dreck behandelt hatte, aber eigentlich wäre es ihm doch lieber, wenn sie zumindest halbwegs miteinander auskommen würden – Das Third Child war wirklich alles andere als ein Fan von Streit und Ärger. Er wollte ihr, falls sie es wollen sollte, sein Verständnis anbieten – und zu seiner großen Verwunderung war sie bereit dazu, seine Hilfe anzunehmen: „Ich weiß das alles schon. Ich hab ja keine Wahl. Ich muss den EVA steuern…“ Doch es war keine Einsicht die da sprach – es war betretener, geknickter Stolz, ein halbherziges, resigniertes Eingeständnis. Glücklich sah sie nicht aus, fast wie eine schöne, fantastische Kreatur, von der man etwas weggebrochen, sie mit einem Hammer bearbeitet und zu Stücken zerschmettert auf den Boden liegengelassen hatte, wie ein gebrochener Engel, den man einen Flügel ausgerissen und allein im Sturm zurückgelassen hatte, ganz ohne die Fähigkeit, zu fliegen. Sie sah… beschädigt aus. Beschädigt, gestutzt, gehemmt, ein bisschen kaputt, blutend, aber nicht verblutend, brennend, aber nicht verbrennend, stets ein kleines bisschen unglücklich durch den Tag gehend. Sie sah genauso aus wie er. Das Bildnis ihres hockenden, schutzlos in sich selbst zusammengefalteten Körpers das Shinji durch die Tür des Kühlregals hindurch betrachten konnte, glich seiner eigenen Spiegelung, die teils damit überlappte in einem verblüffenden Maße, bis hin zu ihrer gesenkten Kopfhaltung und dem leicht verlorenen Ausdruck in ihren Augen… Sie hatte gesagt, dass sie den EVA steuern „musste“, dass sie… keine Wahl hatte, als es zu tun. Für Shinji klang das sehr vertraut… Es mochte für sie nicht die schreckliche Bürde sein, die es für ihm war, aber ihre Tätigkeit als EVA-Pilotin schien für Asuka sehr, sehr wichtig zu sein. Auch sie schien einen Grund zu haben, der sie an ihre Kampfmaschine band. Auch sie schien etwas beweisen zu wollen… Schlagartig wurde ihm klar, dass dieses überlegene, verwirrende Wesen, dass ihm stets nur Spott entgegengebracht hatte, ein Mensch war. Das Second Child hatte… Wünsche, Hoffnungen und auch Ängste wie jeder andere auch. Und eine dieser Ängste schien es zu sein… nicht mehr gebraucht zu werden. Shinji hätte nie gedacht, dass es zwischen sich und Asuka je so etwas wie eine Gemeinsamkeit feststellen würde, aber Tatsache war, dass diese Angst etwas war, was sie miteinander teilten. Das, was Asuka jetzt fühlen musste… kannte er nur zu gut. Dieses starke stolze Mädchen… sollte sich nicht so fühlen oder so aussehen, Shinji konnte gar nicht beschreiben, wie abgrundtief falsch das einfach nur aussah. Doch wie jeder einflügelige Engel würde sie fliegen können, wenn sie einen zweiten finden und ihre Arme um ihn schlingen könnte… ja, zusammen konnten sie fliegen. Das hatte sie begriffen, nachdem diese Sache mit dem First Child eben den Spiegel vorgehalten hatte. Dieses Third Child war ein Idiot, aber von dem ganzen Haufen aus Rei, Misato und den dämlichen Jungen war er wohl der, den sie am ehesten ertragen konnte. Diese nur halb-entschlossene, indirekte Andeutung war wohl die einzige Art, auf die sie es sich selbst erlauben konnte, ihn um seine Hilfe zu bitten. Die Endgültigkeit ihres Entschlusses dadurch zementierend, dass sie sich aufrichtete und das Kühlregal schloss, um das Gespräch somit für beendet erklärend versicherte ihm Asuka, dass sie es tun würde. Sie würde mit Shinji zusammenarbeiten um diese Operation durchzuziehen. Kaum, dass sie wieder stand, hatte sie wieder diese bewundernswerte Aura der Stärke an sich. Das war wohl das erste Mal, dass er sich deswegen nicht eingeschüchtert, sondern froh fühlte. Trotzdem war das auch das erste Mal, dass es ihm in den Sinn kam, dass Asuka einfach nur ein ganz normales Mädchen sein könnte. So oder so hatte es zwischen ihnen einen stillen Moment des Verständnisses gegeben, und kaum, das Shinji wieder stand, wurde er von seiner neuen Mitbewohnerin dazu abkommandiert, die Hälfte der noch fehlenden Sachen auf dem Einkaufszettel zu besorgen. Gemeinsam brauchten sie nur wenige Augenblicke, bis sie alles zusammengesammelt hatten und den Laden mit mehreren Einkaufstüten beladen verließen – Natürlich wies Asuka Shinji an, diese zu tragen, doch sie erlaubte sich unter der Begründung, dass sie selbst Hunger habe, an der nächsten Parkbank eine Pause zu machen und sich mit einem der frisch-gekauften fertig-Sandwiches zu stärken. Nettigkeit konnte man es nicht nennen, aber auch abgemilderte Unfreundlichkeit bedeutete für ihre Verhältnisse einen großen Quantensprung. Soweit hatte Shinji sie schon kennengelernt – Er hatte bereits das Gefühl, ihr wesentlich näher zu sein, als er es am Anfang gewesen war. Das sie erkannt hatte, dass sie ihn brauchte, hieß nicht, dass sie mit ihm zusammen sein wollte oder ihn gar mochte, aber sie duldete ihn jetzt. So etwas wie diese Mahlzeit in der Abendsonne wäre vorher nicht möglich gewesen – jemand, der ihn zuerst nicht gemocht hatte, hatte aufgehört, ihn bedingungslos abzulehnen. Jemand hatte ihn gehasst… und er hatte das geändert, zumindest ein bisschen. Es war nicht viel, nur ein klitzekleines Schrittchen, und er versuchte, sich nicht zu viel dabei zu denken, aber es konnte diese angenehme Wärme in seinem Inneren nicht ignorieren, und er wollte es auch nicht. Er... er konnte es ändern, wenn ihn jemand nicht mochte, es war selbst für so jemanden wie ihn möglich, selbst bei jemandem, der so wenig von ihm hielt wie Asuka! Vielleicht… vielleicht würde er es ja auch eines Tages schaffen, dass auch sein Vater ihn nicht mehr so hasste! Vielleicht, an einem weit, weit entfernten Tag… „Schön aufessen!“ befahl Captain Shikinami, obligatorischerweise auf der Bank stehend, um auf ihn herabsehen zu können. „Da sind Vitamine und Eiweiß drin! Ich will nicht, dass du mir beim Training im Weg stehst, nur, weil du nicht genug davon in deinem Schädel hast! Ich habe vor, es Rei und Misato so richtig heimzuzahlen!“ „…Warum denn heimzahlen…?“ fragte Shinji, der trotz allem immer noch nicht ganz begriff, was Misato, Ayanami oder er selbst eigentlich falsch gemacht hatten. Asuka sah ihn wie üblich an wie ein Kindergartenkind, dass eine dumme Frage gestellt hatte: „Wie kannst du nur so naiv sein! Als Mann müsstest du das doch eigentlich kapieren.“ Das Second Child biss energisch von ihrem Sandwich ab. „Sie haben mich bloßgestellt! Meinen Stolz verletzt!“ Obgleich Shinji nach ihrer Antwort nicht viel schlauer war als vorher konnte er nicht anders, als ein kleines, ehrlich erleichtertes Lächeln hervorzubringen – Das sie wieder ihr übliches, kompliziertes selbst war, bedeutete auch, dass mit ihr wieder alles in Ordnung war, und das war auf jeden Fall etwas, das ihn glücklich machte. So betrachtet war es tatsächlich fast schon ein bisschen niedlich, genau wie die Art und Weise, wie sie urplötzlich begonnen hatte, von einem „wir“ zu sprechen, ohne ihn zu fragen, ob er sich durch Rei und Misato irgendwie beleidigt fühlte. (Was bei ihm definitiv nicht der Fall war.) Es hieß, dass sie ihn als Partner, Mitstreiter und Waffenbruder akzeptiert hatte, dass sie bereit war, ein gewisses Maß an Vertrauen in ihm zusetzen – Er machte sich keine Illusionen darüber, dass sie ihn in irgendeiner Form als Gleichgestellten sehen könnte, aber schon, nicht komplett unter ihrer Würde zu sein war ein großer Erfolg, der den zurückhaltenden Jungen innerlich sehr glücklich machte, und die Flammen eines kribbelnden, warmen Gefühls unter seinen Wangen entfachte. Vom Abendlicht beleuchtet wirkte die Silhouette des Second Childs, das auf eine niedlich-energische Weise ihr Dosen-Erfrischungsgetränk exte, sogar noch attraktiver als sonst – Die bernsteinfarbenen Töne des Sonnenuntergangs entfernten irgendwie die Kälte aus ihrem Anblick, die Anstrengungen des Trainings hatten den süßen Geruch ihrer weiblichen Duftstoffe nur verstärkt, und so albern er auch aussehen mochte, so schaffte es der Gymnastikanzug doch nicht, ihre sprießenden, im Reifungsprozess befindlichen weiblichen Rundungen zu verbergen. Alles an ihr strotzte so vor Leben und Vitalität wie eine frisch erblühte, lieblich duftende, exotische Blume. Dennoch war sie eigentlich eher zierlich gebaut… wäre da nicht ihre Haltung, ihre Ausdrücke der Stärke, so würde der Kontrast ihrer intensiven Haarfarbe mit ihrer hellen Haut den trügenden Schein erwecken, dass sie einen Beschützer brauchen könnte. Bis her hatte Shinji sie als etwas unerreichbares, unantastbares, ihm weit überlegenes gesehen, und nicht geglaubt, dass sie in irgendeiner Form irgendjemanden brauchen könnte. Aber zumindest im Kampf gab es so etwas wie einen freien Platz an ihrer Seite. Und Shinji würde sein Bestes tun, um diesen Platz auszufüllen. Er durfte sie nicht enttäuschen, nicht bei etwas, dass ihr so wichtig war. --- 04: [Der Platz an deiner Seite] --- Early morning, she wakes up Knock, knock, knock on the door It's time for makeup, perfect smile It's you they're all waiting for They go: "Isn't she lovely, this Hollywood girl?" Lost in an image, in a dream But there's no one there to wake her up And the world is spinning, and she keeps on winning But tell me, what happens when it stops? They go: "Isn't she lovely, this Hollywood girl?" And they say: She's so lucky, she's a star But she cry, cry, cries in her lonely heart, thinking 'If there's nothing missing in my life Then why do these tears come at night?'" Lost in an image, in a dream But there's no one there to wake her up And the world is spinning, and she keeps on winning But tell me, what happens when it stops? -Britney Spears,’Lucky’ --- „Die Patientin aus Zimmer zwölf? Das ist das kleine Mädchen, dass beim ersten Kampf verschüttet wurde. Sie ist schon ziemlich lange hier…“ „Ihre Verletzungen waren ja auch sehr schlimm…“ „Und dabei ist die arme Kleine noch im Grundschulalter….“ „Ist der Junge heute wieder gekommen?“ „Allerdings. Er besucht sie immer noch mindestens zweimal in der Woche. Er muss seine kleine Schwester sehr gern haben, ein wirklich vorbildlicher Bruder.“ „Wirklich? Jungs von diesem Schlag sind heutezutage wirklich selten…“ Toujis Lächeln löste sich exakt in dem Augenblick auf, indem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Die kleine Sakura hatte es schon schlimm genug, ohne dass sie sich auch noch Sorgen um ihn machen musste. Also musste er ihr gegenüber standhaft bleiben, ihr ein paar witzige Trivialitäten erzählen und ein paar Grüße von ihrem gemeinsamen Vater bestellen. Dieses Mal hatte er ihr enthusiastisch geschildert, was für eine dämliche Figur Shinji und Asuka in ihren Gymnastikanzügen abgegeben hatten. Doch es war schwer zu leugnen, dass es nicht einfach war, zu Lächeln, wenn das, was man vor Augen hatte, einem selbst nach all der Zeit noch das Herz brach. Die Knochen in ihren Beinen waren mittlerweile nach zahllosen Operationen und der Anwendung von Unmengen von Gips und Schrauben wieder verheilt, doch es würde wohl noch wochenlanger Krankengymnastik bedürfen, bevor sie wieder laufen konnte. Gleiches lag für das Benutzen ihres rechten Arms. Aber auch ohne die zersplitterten Knochen würde das kleine Mädchen wohl noch lange ans Bett gefesselt bleiben – denn die Schäden, die ihre inneren Verletzungen verursacht hatten, ließen sich wesentlich schwerer beheben., und Touji hatte ehrlichgesagt nicht das Gefühl, dass die Anzahl der piepsenden Bildschirme und Gerätschaften am Bett seiner Schwester in letzter Zeit merklich weniger geworden seien. Und gab absolut nichts, was er tun konnte, um ihr zu helfen – Es war einfach zum Mäusemelken, und an jedem Tag, an dem er hierher kam, spürte er seine Machtlosigkeit umso mehr – Da ihre Mutter früh gestorben und ihr Vater mit seiner Arbeit sehr ausgelastet war, war es gelegentlich auch an Touji hängen geblieben, für Sakura da zu sein und ihr zum Beispiel bei den Hausaufgaben zu helfen oder sie zu trösten, wenn sie traurig war. Doch als sie ihn wirklich gebraucht hatte, war er nicht da gewesen, um sie aus dem Weg zu schubsen und an ihrer Stelle dieses dumme Trümmerstück abzukriegen. Es war frustrierend. Doch die Erinnerungen an die Verwüstung nach dem ersten Kampf reichten aus, um seine Gedanken zu dem anderen Grund für sein hier sein zurückzuführen. Außer seiner Schwester gab es noch jemanden, nachdem er sich erkundigen wollte – und da kamen ihm diese zwei tuschelnden, nicht ganz unansehnlichen Krankenschwestern ganz recht. „Ähm, Miss, ich hätt‘ da noch eine Frage. Hier ist doch vor drei Tagen bestimmt ein Mädchen eingeliefert worden, dass drei Jungs verletzt auf der Straße gefunden haben…“ „Was, du kennst sie?“ „Also… nicht ganz… Ich war bei denen dabei, die sie gefunden haben… Wie geht es ihr?“ „Ihre Verletzungen waren nicht so schlimm wie sie ausgesehen haben.“ „Puh, da hat sie aber ziemliches Schwein gehabt. Wer war sie denn? Also, soweit sie mir das sagen dürfen.“ Die Krankenschwester seufzte. „Das könnte ich dir weder sagen noch vorenthalten, dafür müssen wir es selbst wissen. Sie hat zwar einen Namen gesagt, aber es gibt nirgendwo Aufzeichnungen über sie, in dieser Stadt ist unter diesem Namen niemand gemeldet. Ihre Beschreibung passt auf keine der zahllosen Personen, die in diesem Land vermisst gemeldet sind. Es ist, als ob sie bis vor drei Tagen schlichtweg nicht existiert hätte…“ „…Kann ich sie sehen?“ „Nur Verwandte und Freunde sind als Besuch zugelassen…“ „Na dann finden Sie die mal schleunigst, nicht, dass das arme Ding da ganz allein rumsitzt…“ --- Von Bandagen und steril-weißen Bettlaken bedeckt bereitete es Yui einiges an Mühe, ihren Kopf so zu drehen, dass sie aus dem Fenster blicken und das bewölkte, scheinbar tief hängende Himmelszelt betrachten konnte. Sie hatte auch so gewusst, dass es geregnet haben musste – sie erkannte es an dem Geruch der frischen, kühlen Luft, die durch das Fenster hineinströmte. Auch hier gab es also Regen… Der Himmel und seine Wetterströmungen waren das einzig beständige auf ihren langen, aufzehrenden Reisen gewesen. „Wenn du hier wärst… was würdest du wohl tun… Papa?“ --- Der Kampf war also in drei Tagen angesetzt, und die Zeit, die ihnen blieb, wurde nicht länger, sondern stetig kürzer. Trödelleien jedweder Form konnten sich die beiden Children also in keinster Weise mehr erlauben. Entschlossen, diese Sache durchzuziehen, versenkten sich beide völlig in ihre Aufgabe und somit auch ineinander. Doch wenn man so grundverschieden war, wie es Shinji und Asuka waren, war es keine leichte Aufgabe, sich einander bis auf den Herzschlag anzugleichen und die Bewegungen und Denkweisen des anderen so weit kennen zu lernen, dass man sie vorhersehen konnte. Doch immerhin waren die zwei bei ihrer Aufgabe nicht ganz auf sich gestellt: Das Misato ihren Tagesablauf auf die Minute genau verplant war, fühlte sich bei der neuen Einstellung und der frischen Entschlossenheit der Children nicht mehr wie ein Fluch, sondern wie ein sehr hilfreicher Segen an, und es half auch, das der ortsansässige Pinguin das Debakel des ersten Tages dadurch wiedergutzumachen versuchte, das er sich gelegentlich zwecks der moralischen Unterstützung am Synchrontraining beteiligte, sie anfeuerte oder ihnen zumindest Gesellschaft leistete. Bei den Teilen des Trainings, die im NERV-HQ stattfanden, musste er jedoch leider zuhause bleiben. Dr. Akagi scheuchte die Kinder vor allem vormittags unzählige Male durch dieselbe Simulation, in der sie den Kampf proben sollten – Wichtig war das vor allem in Shinjis Fall, da die Choreographie des Angriffsplans verlangte, dass er mit seinem Evangelion genau wie Asuka Angriffsplans verlangte, dass er mit seinem Evangelion genau wie Asuka Bewegungen ausführte, die jenseits dessen lagen, was er mit seinem eigenem Körper tun konnte. Laut den Messdaten sollte er dazu eigentlich schon seit Mitte letzter Woche in der Lage sein, da sein Synchronwert neulich die hundert überstiegen hatte, doch bewusst getan hatte er es noch nie, weshalb er es jetzt üben sollte – Tatsächlich gelang es ihm, die Wissenschaftlerin dadurch zu verblüffen, dass es ihm in der Simulation schon beim ersten Versuch gelang, mit dem EVA in den Kopfstand zu springen, doch leider sah die darauf folgende Landung nicht viel eleganter aus als das Ergebnis des letztes Kampfes – Er hatte seine liebe Not damit, diese „übermenschlichen“ Bewegungen einzuschätzen, präzise anzuwenden und zu koordinieren, ohne über das Ziel hinauszuschießen. Asuka, die für alles, was der Plan verlangte, auf ihrem Level etwa so viel Anstrengung brauchte wie bei einem simple n Hopser, regte sich selbstverständlich darüber auf, das sie wegen des „bescheuerten Papasöhnchens“ wertvolle Zeit verlieren würde, begann dann aber, ihm Tipps zu geben, entgegen Misatos Meinung nicht, weil sie ihre eigene Meinung bezüglich des Third Childs geändert hatte, sondern weil sie einfach nicht wollte, dass er ihr auf den Keks ging. Shinji bekam die Sache noch am selben Tag unter Kontrolle. Besonders hilfreich waren ihre Instruktionen im Bereich des Roundhousekicks, ein Bereich, in dem sich Asuka wie Shinji es schon öfters am eigenen Leib erfahren hatten, bestens auskannte – schließlich sollte der Gnadenstoß gegen den Engel ja Form eines Trittes in beide Kerne erfolgen. Er schätze, dass er es wohl als eine Art Ehre ansehen sollte, von ihr in diese hohe Kunst eingewiesen zu werden – und ihre Tipps stellten sich als wirklich ziemlich nützlich heraus, das waren Dinge, auf die man erst einmal kommen musste – aber er glaubte nicht, dass er diesen Tritt außerhalb des Evangelions hinbekommen würde. In diesem Punkt würde er Asuka wohl niemals ebenbürtig werden – Aber ehrlichgesagt stand „Leute vermöbeln“ auch nicht wirklich auf der Liste der Dinge, die er schon immer einmal lernen wollte. Dass sie nur den Vormittag im HQ verbrachten, bedeutete jedoch nicht, dass sie nachmittags frei hatte – oh nein, genau deshalb hatte Misato ja die umgebauten Twistermatten besorgt! Ehrlich gesagt gaben die Children immer noch beide gelegentlich eine unglückliche Figur ab, aber Asuka fand immerhin Trost darin, dass ihre Fehler anders als die ihres Mitbewohners nicht damit endeten, dass sie auf ihrem Gesicht landete oder hinterher aufs lächerlichste durch die Gegend rollte. Da sie diese Aufmunterung sehr zu schätzen wusste, bedankte sich Asuka, indem sie Shinji half, wieder auf seine eigene Matte zu kommen – Mit einem guten, alten Shikinami’schem Roundhousekick. Doch wesentlich mehr Ärger als das eigentliche Training machte das dazugehörige gemeinsame Alltagsleben – Immer auf Peinlichkeiten bedacht hatte Misato ihnen beiden zu ihren Kostümen passende Zahnputzbecher besorgt, angeblich, um der Harmonie zwischen ihnen etwas Gutes zu tun. Im Nachhinein betrachtet wäre ein größeres Waschbecken jedoch die lohnendere Investition gewesen, da so eins die beiden Kinder vielleicht daran gehindert hätte, einander regelmäßig anzufeinden, wann immer sie sich versehentlich nassspritzen sollten, was dadurch, dass sie gezwungenermaßen direkt nebeneinanderstehen mussten, leider ziemlich oft geschah. Auch auf das abendliche Fernsehprogramm konnten sich die beiden nicht einigen, und auch darin, die Posen zu imitieren, mit denen der jeweils andere die Fernbedienung auf die Glotze richtete, waren sie nicht sehr gut. Beim dem „Ich will diesen Mist nicht gucken!“ klappte das Teamwork noch sehr gut, aber es gab eben nur eine begrenzte Anzahl von Schimpfworten, die sich sowohl aus eine Kochsendung als auch auf eine Seifenoper anwenden ließen. Die darauf folgenden Streitereien arteten so weit aus, das Misato keine andere Wahl sah, als sich zum Schlafen zwischen ihre beiden Schützlinge zu legen, um zu verhindern, dass sie sich gegenseitig die Köpfe einschlugen. Am nächsten Morgen zeigte sich jedoch zumindest ein bescheidener Erfolg – nachdem Misato die Children dazu verdonnert hatte, unter Einfluss der für das Angriffsmuster verwendeten Musik zu schlafen, fand sie die Zwei am nächsten Morgen in exakt der gleichen Pose wieder. Dass ihre Arbeit langsam Früchte trug, sah man auch daran, dass sich die Biorhythmen der Kinder langsam aufeinander einstellten, sodass sie bisweilen zusammen mit dem Pinguin, der ihnen treu zur Seite gestanden hatte zu Dritt das WC belagerten, was bei nur einem Klo in der ganzen Wohnung jedoch nicht nur positive Effekte hatte – Es reichte wohl zu sagen, das Shinji den Rest des Tages mit einem Abdruck der WC-Tür im Gesicht verbrachte, den Asuka ihm versehentlich (?) beschert hatte. Irgendwie gelang es sowohl dem Rotschopf als auch dem Vogel, stets vor Shinji auf den Porzellanthron zu kommen. Trotz der traurigen Folgen, die das bisweilen hatte, bestand Misato jedoch darauf, dass alle drei ihre Nudelsuppen weiterhin gleichzeitig schlürfen sollten, auch, wenn ihre Überredungskünste bei Weitem nicht ausreichten, um Asuka davon zu überzeugen, diese „absolut unpraktischen“ Stäbchen zu benutzen. Ihre flammende Rede davon, wie viel, viel, viel besser Gabeln doch sein sollten, war für die Trommelfelle anderen Mitglieder des Katsuragi-Haushaltes schlichtweg eine viel zu große Strapaze. Asuka hatte die Gabel also behalten dürfen – Durch den ganzen Vorfall etwas genervt ging Misato darauf aber bei ihrem Vorhaben, sicherzustellen, dass das bisschen Freizeit, dass den Children noch blieb, gerecht aufgeteilt wurde, ausnahmsweise mal gewissenhaft vor, sodass Shinji, der sonst eher dazu tendierte, nachzugeben, um weiteren Krach zu vermeiden, bei seiner Hausarbeit Unterstützung erhielt und sogar Zeit bekam, in Ruhe seine Musik zu hören, was für Asuka hieß, dass sie sich einen Kopfhörer einstecken und sich den „EMO-Bullshit“ ebenfalls anhören musste – so ganz genießen konnte Shinji seine tägliche Dosis melodisch untermalter deprimierender Poesie jedoch nicht, da Asuka darauf bestand, dass er die Augen geschlossen hielt, während ihre Unterwäsche in nächster Nähe zu dem Fleckchen trocknete, dass Misato ihnen zum Musikhören ausgesucht hatte – Der Gedanke machte ihn einfach zu nervös. Auch beim Mitmachen von Asukas Hobbies kam Shinji nicht zu besonders viel Spaß, weil er ziemlich schnell feststellte, das Mädchenmagazine zumeist entweder pervers oder brotlangweilig waren – Er verstand ehrlich gesagt nicht, was es ihn oder Asuka anging, mit wem dieser und jener Prominente jetzt wieder zusammen war, und fühlte sich schon allein dafür schuldig, das er den Mist überhaupt las, es fühlte sich zu sehr wie lästern an, und das war, na ja, nicht nett. Und interessieren tat es ihn auch nicht – Die Modemagazine waren etwas besser, da die ganzen Models zumindest war für’s Augen waren, aber wehe ihm , wenn Asuka bemerken sollte, das seine Blicke nicht auf die Kleidung, sondern die unbekleideten Stellen gingen – Schon allein, eine von den Damen „hübsch“ zu nennen hatte ihm eine Ohrfeige gekostet. Asuka spielte auch sehr gerne Videospiele, hatte aber nur einen einzigen Gameboy, weshalb prompt ihre Konsole ausgepackt und an die Glotze angeschlossen wurde. Misato bestand darauf, dass sie im Mehrspielermodus zusammen spielen sollten, und zwar falls möglich im Team, aber obwohl die Daddelmaschine nichts explizit Mädchenspezifisches war, musste Shinji trotzdem feststellen, dass er dafür schlicht und ergreifend kein Talent hatte. Aber auch Asuka verging der Spaß schnell, da er ihr im Team-Modus ein Klotz am Bein und im Duellmodus zu leicht zu besiegen war. Zuerst freute sie sich ja, ihn in den Boden zu stampfen, aber nach einer Weile machte es einfach keinen Spaß mehr. Zwischen das Training und die Streitereien mischten sich jedoch immer wieder auch diese kleinen Momente, in denen Shinji war, als sei er kurz davor, von innen heraus zu verbrennen, diese kleinen Augenblickte, in denen er Asukas nahezu perfekten Körper betrachtete, wenn sie miteinander kurz blicke auftauchten, immer wenn sie sich beim ständigen Beisammensein versehentlich streifen oder berührten. Ein warmes, kribbeliges, verzehrendes Gefühl des Begehrens, dass sich so ganz sachte durch die Hintertür eingeschlichen hatte, ohne, dass er es wirklich bemerkt hatte – Seid diesem Gespräch in der Abendsonne war ihm, als ob Asuka irgendwie… greifbarer oder erreichbarer für ihn geworden war… Ihm war klargeworden dass sie trotz allem ein Mädchen in seinem Alter war das auch ein stückweit… verletzlich sein konnte. Trotzdem war sie noch stark, bewundernswert, intelligent und vor allem extrem attraktiv… Und was geschah für gewöhnlich mit einem gesunden, heterosexuellen, männlichen Teenager, wenn er ein starkes, bewundernswertes, extrem attraktives Mädchen in seiner Nähe hatte, wenn er sie ständig in seiner Nähe hatte, ständig ihren jugendlichen Brüsten, ihren langen Beinen, ihrem heißen Hintern, ihren glänzenden, feuerroten Haaren und ihrem süßen Duft ausgesetzt war und mit ihr zusammen Höhen und Tiefen, Erfolge und Misserfolge, Anstrengung und intensive Emotionen durchlebte? Was dann geschah? Nun, zumindest in Shinjis Fall geschah es, das sich die wunderbaren Prozesse in Bewegung setzten, welche die Quelle jedweden menschlichen Lebens waren. Ehe er sich versah, fand sich Shinji mit der Situation konfrontiert, dass er diese Person, die er bis vor kurzem nicht einmal ausstehen konnte, begehrte. Diese neuen, fremdartigen Gefühle sprudelten aus einer ihm unbekannten Quelle auf eine Art und Weise hervor, wie er sie nie zuvor gekannt hatte. Er verzehrte sich regelrecht danach, ihren perfekten, makellosen Leib in seine Arme zu schließen, ihren Hals mit Küssen zu übersähen, ihr die Klamotten vom Leib zu reißen, ihre Brüste zu greifen und ihre Brustwarze in seinem Handteller und ihre langen, perfekten Beinchen zwischen seinen zu spüren. Die hatten ihm in Bio zwar gewarnt, aber ihm nie beschrieben, wie… intensiv dieses Verlangen sein könnte, wie brennend das Schmachten… Doch es waren alles zweischneidige Schwerter. Gerade weil er immer an ihr hing, fand er nie die Zeit, seiner Lust durch… abendliche Aktivitäten abzuhelfen, und gerade weil sie so attraktiv, intelligent und physisch gereift war, konnte er sich auch sicher sein, dass sie einem Voll- und Ganzversager wie ihn niemals auch nur von der Seite angucken würde – Sie hatte die beliebtesten, reichsten, muskulösesten Kerle der Schule von der Kante gestoßen, und ihre Ansprüche so hoch gesteckt, dass man schon ein James-Bond-Verschnitt mit Dreitagebart sein musste, um ihnen zu genügen. Shinji fielen viele Worte ein, mit denen er sich selbst beschreiben könnte, doch „cool“, „charmant“ und „Testosteronbolzen“ gehörten definitiv nicht dazu, und so waren AsukaÄs dreiste Provokationen, jede einzelne der Bewegungen, die sie im leicht bekleideten Zustand vollführte, Paradies und Hölle zugleich. Sie streute zwischen all ihren „Bist du bescheuert oder was?“-s und „Du bist echt so eine Null!“-s bewusst hin und wieder sexuelle Provokationen ein, einfach, weil sie es liebte beliebt zu sein, als sexy zu gelten und schmachtend angestarrt zu werden, doch sie machte ihm noch während der flirtversuche sogleich klar, dass sie ihn für unter aller Kanone hielt und dass er froh sein könne, dass sie ihn überhaupt in ihrem Dunstkreis wandeln ließ. Sie hielt ihm Dinge vor, die sie ihm niemals geben würde… und dafür begann er fast schon, eine gewisse Wut zu verspüren. Auf einmal trafen ihn all ihre Demütigungen und Erniedrigungen, aller Spott und Hohn viel tiefer als zuvor, wobei er zugleich die Lust dazu verlor, ihr das Maß an halbherzigen Widerstand entgegen zu bringen, den er bis jetzt gezeigt hatte. Es begann ihn… sehr wohl zu interessieren, was sie von ihm dachte und er wollte… für sie da sein und sich mit ihr verstehen. Aber sie, sie wollte das nicht, sie hielt sich nur notdürftig mit ihren Beleidigungen und Schlägen zurück, weil sie im Kampf brillieren wollte. Er war eigentlich nur… Mittel zum Zweck, und es begann langsam aber sicher, ihn zu stören. Doch so oder so neigten sich die Tage vor der Ankunft des Engels ihrem Ende zu, und zu dem Zeitpunkt, an dem Misato die letzte Trainingseinheit für beendet erklärte, hatten die beiden EVA-Piloten ihre Zusammenarbeit und Synchronisation bis ins kleinste Detail restlos perfektioniert. --- „Also dann, Tschüss Schwesterchen! Ich komm dich dann am Donnerstag wieder besuchen, okay? Versprochen!“ Als Touji das Krankenzimmer seiner Schwester verließ, wartete die Krankenschwester, mit der er eben gesprochen hatte, noch vor der Tür – sonderlich ermutigend war das, was sie ihm erzählt hatte, ja nicht gewesen. „Ach übrigens, Miss, wie geht es denn dem mysteriösen Mädel, haben sie schon herausgefunden, wer sie ist? …. Ehm… was, verschwunden?“ „Ja. Als wir siegestern wecken wollten, um sie zu denen vom Jugendamt zu fahren, war ihr Bett leer und das Fenster eingeschlagen – Sie hat den Deckenbezug und das Bettlaken zusammengeknotet und als eine Art Abstiegsseil verwendet… Die Polizei sucht schon nach ihr, aber gefunden hat man sie bis jetzt nicht…“ --- Der letzte Abend vor dem Kampf kam lange erwartet und doch schleichend; Die letzten drei Tage, die Shinji während er sie durchlebte wie drei kleine Ewigkeiten vorgekommen waren, schienen rückwirkend betrachtet wie im Fluge vergangen sein – Es fiel ihm schwer zu glauben, dass all das wirklich in so wenig Zeit und durch eine so begrenzte Zahl von Ereignissen geschehen sein sollte. Es hatten sich ein paar ganz entscheidende Dinge grundlegend verändert, neue Erfahrungen hatten ihn gefoltert, verändert und bereichert. Ihm war gewesen, als ob dieser Abend niemals kommen würde, auch weil die Zeit davor bis jetzt lang genug gewährt hatte, um ihn das Gefühl zu geben, merklich älter zu sein, aber jetzt war dieser Zeitpunkt endlich gekommen… und er fühlte sich nicht mal besonders an, da war weder Spannung noch Vorfreude in der Luft. Für sich betrachtet… war es nicht mehr als ein ganz gewöhnlicher, entspannter Abend, die berühmte Ruhe vor dem Sturm. Da Misato sich ins Hauptquartier begeben hatte, um dort die letzten Vorbereitungen für den Kampf zu treffen, und Asuka derzeit unter der Dusche stand, hatte Shinji beschlossen, die kurze Zeit der Ruhe zu nutzen, um ein wenig abzuschalten – Wenn er sich das Angriffsmuster noch nicht hinreichend gemerkt haben sollte, dann war es jetzt ohnehin zuspät, also hatte er sich in lockere, gemütliche Klamotten gesteckt, seinen Kassettenspielerherausgeholt, etwas sich angenehme, ruhige Musik angemacht, und sich nebenbei noch daran gemacht, endlich dieses Comicheft zu lesen, das ihm Touji schon vor einer ganzen Weile ausgeliehen hatte. Als das Ende seines ruhigen Stündchens letztlich von Asuka’s Schritten eingeläutet wurde, behielt Shinji seine Augen aufgrund Asukas Tendenz, das Bad nur mit einem Handtuch bekleidet zu verlassen, in weiser Voraussicht geschlossen – es hatte sich als eine sehr effektive Art und Weise erwiesen, um unnötige Schmerzen zu vermeiden. Tatsächlich wiesen die Hintergrundgeräusche darauf hin, dass sie dabei war, sich anzuziehen. „Wo ist Misato abgeblieben?“ fragte Asuka, sich nebenbei ihr Nachthemd überziehend. „Bei der Arbeit. Sie hat eben angerufen um zu sagen, dass sie heut nach nicht mehr nachhause kommt.“ „Toll! Dann haben wir zwei heute also sturmfreie Bude!“ Bevor Shinjis hormondurchströmtes Hirn diesen Satz und das Lächeln, das verführerische Lächeln, dass ihn begleitete, in eine wilde, die Kopulation beinhaltende Fantasie verwandeln konnte, erinnerte ihn die boshafte Realität daran, dass Asukas Wahl, sobald sie diese hatte, sie nie zu ihm hin, sondern stehst von ihm Weg führen würde – nur aus Zwang atmete sie überhaupt dieselbe Luft wie er, und kaum, dass diese Zwang wegfiel, packte sie ihren Futon zusammen und schleppte ihn augenblicklich in den nächsten Raum, wo sie die Tür mit dem Fuß hinter sich schloss, ohne ihn auch nur eines einzigen weiteren Blickes zu würdigen – die Wohnung für sich zuhaben hieß, was hätte er auch anderes erwarten sollen, Befreiung von den peinlichen Lebensumständen, die das Training ihnen aufgebürdet hatte. Er hatte gerade erst seine Kopfhörer herausgezupft, in der Hoffnung, dass sie noch irgendwas zu ihm sagen würde, als sie die Tür bereits vor seiner Nase zugeknallt hatte. Sie an das Training und so weiter zu erinnern, traute er sich ehrlichgesagt nicht, er wollte sie nicht wirklich im miesgelaunten Zustand neben sich haben, und wenn er sich selbst ansah, brauchte er nicht lange zu überlegen, warum jemand wie Asuka nicht mit ihm in einem Raum sein wollte – wahrscheinlich dachte sie sogar, dass er sich über das bisschen Privatsphäre freute, sie konnte ja nicht wissen, dass er… sie würde nie erfahren, wie sehr… Die Schiebetür öffnete sich wieder. Ihr locker sitzendes, gelbes Nachthemd verbarg ihre Brüste nur äußerst mangelhaft, ihr feindseliger Tonfall hingegen war sehr effektiv dabei, sicherzustellen, dass sein e Blicke dennoch in ihrem Gesicht landeten. „Betrachte diese Tür hier ab sofort als die unbezwingbare Mauer von Jericho!“ „Hm…?“ Shinji blinzelte verwirrt. Was bitte…? Was das irgendeine… westliche Sache oder so? Er konnte sich jedenfalls nicht entsinnen, je davon gehört zu haben – nicht, dass er je eine besonders große Leuchte gewesen wäre. Glücklicherweise (?) hatte Asuka die „Gnade“, ihm so etwas wie eine Erklärung abzuliefern: „Das heißt, wenn du sie überschreitest, bringe ich dich um! So, und jetzt marsch ins Bettchen mit dir, für kleine Kinder wie dich ist schon längst Schlafenzeit!“ und noch während sie sprach, schlug sie die Tür wieder zu – und dieses Mal endgültig. Er hörte sie noch, wie sie sich darüber beklagte, wie man es hier in Japan nur fertig bringen konnte, auf den Boden zu schlafen, doch dann verriet ihm das klicken des Lichtschalters, dass sie für heute nicht mehr gedachte, auch nur ein weiteres Wort an ihn zu verschwenden. Um zu vermeiden, dass sie wieder sauer auf ihn werden sollte, räumte er das vormals erwähnte Comicheft weg, schaltete ebenfalls das Licht aus und beschloss, das sie wohl recht hatte und es wahrscheinlich schon Zeit fürs Bettchen war. Sich wegen einer sehr großen Anzahl verschiedener Tatsachen, darunter auch Asukas Desinteresse und der Schriftzug, den er vor drei Tagen in dieser Gasse entdeckt hatte, recht deprimiert fühlend beschloss Shinji, zum Einschlafen noch ein wenig Musik zu hören, wobei der nicht besonders laut gestellte Klang des Liedes auf Track 25, das er stets zum Anfang zurückspulte, wenn es vorbei war, so in etwa seine Stimmung wiederspielte. Jenseits des Fensters konnte man in den letzten Lichtstrahlen des sterbenden Tages, die sich noch nicht einmal mehr bemühten, ihre drohendes Ende durch die warmen Farben des Sonnenlichts zu kaschieren, sondern einfach nur ein fahles blau zeigten, dass am anderen Ende des Himmels schon in schwarz überging, die glänzenden Flächen der Wolkenkratzer sehen, aus denen Tokyo-3 bestand, wie an ihnen selbst wie auch an ihren zahllosen Antennen nach und nach die kleinen, roten Lichter angingen, welche nächtlichen Flugzeugen gleich einem Leuchtturm in Sturm als Wegweiser dienten, um sie vor gefährlichen Gefilden zu warnen. Shinji wünschte sich nur, das er irgendwas hätte, dass ihm den Weg weisen würde – den Weg zu Rei, zu Asuka, zur Rettung der Erde, und zu seinem Vater… Den Weg zu der Antwort auf alle seine Fragen. Er könnte wirklich ein paar dieser roten Lichter gebrauchen, die ihm markierten, wie weit er gehen konnte, ohne zurückgewiesen zu werden, und was er vermeiden sollte, um nicht gehasst zu werden. Aber er hatte sie nicht, und so war er immer wieder gezwungen, unbekannte, schwarze Flecken in der Karte zu betreten… er hielt es nicht aus, diese ständige Ungewissheit in dieser großen, verwirrenden Welt, in der stets eine große Leere um ihn herum und alle, die ihm hätten helfen können, weit entfernt war. Die Tür verwandelte die zwei bis drei Meter, die ihn von Asukas Schlafplatz trennten, in „den nächsten, abgeschlossenen Raum“, und die Worte „kleine Kinder wie du“ machten darauf einen tiefen Abgrund. Vermutlich lag sie da, friedlich schlafend, nichts ahnend von der Gewalt, die sie über ihn haben konnte, ohne davon zu wissen… Doch es gab auch etwas, das Shinji nicht wusste, ja nicht hätte wissen, oder auch nur ahnen können – zum einem war da einmal die Tatsache, dass der Abstand zwischen ihm und dem Second Child nur halb so groß war, wie er es vermutet hätte – die designierte Pilotin von Einheit Zwei wartete immer noch auf allen vieren vor der Tür, in der Erwartung darauf, dass sie sich wieder öffnen würde. Wie dumm konnte man eigentlich sein…? Wie offensichtlich musste sie es denn noch machen, damit dieser bescheuerte Idiot es endlich kapierte? Daraus, dass er ein schwanzgesteuerter Lustmolch war, hatte dieser Kerl nie ein Geheimnis gemacht, und so ein Weichei wie der konnte es sich weiß Gott nicht leisten, bei den Tussen wählerisch zu sein, also wo blieb er denn? Was müsste einem Jungen im Alter von 14 Jahren, exakt dem Alter wo die Hormone am stärksten ihr Unwesen trieben denn sofort einfallen, wenn es hieß, dass sie „Sturmfreie Bude“ hatten, und ein hübsches Mädchen in Reichweite war? Wofür war die Mauer von Jericho denn berühmt – Na dafür, dass sie eingestürzt war, verdammt noch mal! Reichte es denn nicht, dass sie schon die ganze Zeit über in bloßen Handtüchern oder nuttigen Shirts vor seiner Nase herumlief? Sollte sie ihre Brüste vielleicht in sein Gesicht schieben, damit er sie bemerrkte? Oder war sich das legendäre Third Child tatsächlich zu gut für sie, er, dieses hirnlose, feige Papikind, das sich nie traute, ihr entgegen zu treten, sondern den Schwanz einzog und jeder Konfrontation aus dem Weg ging? So ein Loser, so würde er schon mal nie eine abbekommen –Deshalb bekam sie vor der Mittagspause immer mindestens ein Liebesgeständnis, und er nicht. Nicht, dass sie irgendetwas von diesen kleinen Jungs wollen würden – Und er war der schlimmste, unreifste von allen, ein absolutes Baby, das immer schön „nach Plan“ vorging und brav an Misatos Rockzipfel hing. Es würde sie nicht wundern, wenn dieser jämmerliche Wich ein bisschen in Misato verknallt wäre – So ein Armleuchter, als ob eine erfahrene, ältere Frau ihn je auch nur von der Seite ansehen würde! (Genau so wenig, wie Kaji Asuka selbst ansehen würde.) Pah! Es war ja nicht so, als ob ihr ernsthaft etwas daran gelegen wäre, diesen Trottel zu betören – wäre er hier reingeplatzt, hätte sie ihn einen Idioten genannt und ihn mit einem Tritt aus dem Zimmer befördert, schon allein dafür, dass es dieser Idiot wagte, zu glauben, er würde in Asukas Beuteschema passen! (Aber war sie es nicht, die versucht hatte, ihn hierher zu locken?) Sie hatte ihn nur als bloßes Versuchskaninchen verwenden wollen, um den Umgang mit ihren Sexappeal ein wenig zu üben, ehe sie versuchte, Kaji zu verführen, einfach, um ihre neuen, weiblichen Reize etwas auszuprobieren. Das er dazu überhaupt in Frage kam, verdankte er seinem Status als EVA-Pilot, nicht, weil er irgendetwas an sich hatte, für dass sie sich an ihn verschwenden würde. Normale Jungs waren von der Elite, zu der sie gehörte, etwa so weit entfernt wie von Affen! Sie hatte den Idioten nur zum „spielen“ gewollt. (Um sich nach ihrer Niederlage und den Demütigungen, die diese Zusammenarbeit mit sich brachte, all ihrer glasklaren Gewissheit, dass sie… nicht gut genug war, mit ein bisschen Anerkennung, Aufmerksamkeit und Zuwendung zu trösten. Um dadurch, dass sie das legendäre Third Child zumindest mit ihren Körper dominieren konnte, ihre Angst zu lindern, ihm unterlegen zu sein. Und es hatte nicht geklappt. Sie wartete hier schon mindestens gute fünfzehn Minuten. Er würde nicht kommen.) Von Leid überkommen ließ Asuka ihren Kopf sinken. Was war falsch an ihr, dass sie nicht mal so einen Schwachkopf in Versuchung führen konnte, der es so dermaßen offensichtlich dringend nötig hatte? Nicht mal einen hormonellen Teenager konnte sie beeindrucken, und sie wollte es mit Kaji versuchen! Sie konnte nicht NERVs beste Pilotin sein, und eine attraktive Erwachsene konnte sie auch nicht sein… nur ein… nutzloses Kind! Alles… alles würde auch ohne sie gehen, sie wurde nie gebraucht… keiner brauchte sie, keiner mochte sie, keiner wollte sie, keiner umarmte sie, keiner fand sie toll, keiner würde bei ihr bleiben…! Oh, wie sie das alles hasste! Alles und jeden hier, dieses ganze verdammte Land, sie hasste es, sie hielt es nicht aus… Und am allermeisten hasste sie das nutzlose, kleine Kind, dass sie schon immer gewesen- Nein. Nein, so tief durfte sie nicht sinken, so jämmerlich wollte sie nicht sein… Es konnte nicht sein…. er war es, er war schuld! Dieser Idiot! Wie konnte er ihr das nur antun! Wie konnte er sie nur verschmähen?! Es machte keinen Sinn, auf ihn zu warten, sie war überaus froh, dass er nicht gekommen war! Entschlossen, keine einzige Sekunde ihres Lebens an das Third Child zu verschwenden, ließ sie sich auf ihr Lager sinken. Die Stille versagte dabei, irgendein besonderes Interesse daran zu zeigen. Sie versuchte, in eine gemütliche Schlafposition zu gelangen, doch es wollte einfach nicht klappen, und am Ende wälzte sie sich nur immer wieder rastlos im Bett herum, wobei sie ihre Beine immer wieder aneinander schmiegte, als wolle sie sich gewissermaßen selbst umarmen und sich den Trost und die Wärme spenden, den ihr diese ungerechte, grausame Welt vorenthalten hatte. Doch es brachte nichts. Sie konnte einfach nicht schlafen, brachte es nicht fertig, sich einfach zu entspannen, bekam es nicht hin, dieses klaffende Loch in ihrer Seele zu übersehen. Erst, als sie es schließlich aufgab, ihre Augen geschlossen halten zu wollen, und durch einen Spalt in den Gardinen an den schwarzen Himmel blickte erkannte sie, was es war, was ihr ihre Ruhe raubte, und was sie zu dem Versuch getrieben hatte, das Third Child zu ihr zu locken – Es war nicht gewesen, um ihre weibliche Anziehungskraft auszuprobieren, zumindest nicht nur deshalb… Nein, diese… „erwachsene“, höchst indirekte, angedeutete Vorgehensweise war nur die einzige Art, auf die es ihr das bisschen Stolz, dass sie zu bewahren versuchte erlaubte, um die Erlösung von ihren Leiden zu flehen. Denn dort am düsteren Himmelszelt bahnte sich ein einzelnes Flugzeug seinen Weg, sichtbar nur als der winzige, rote Lichtpunkt den seine nächtliche Sicherheitsbeleuchtung erzeugte. Schon seit sie sich als kleines Kind entschieden hatte, ihr Leben bis auf die letzte Sekunde ihrer Aufgabe als Evangelion-Pilotin zu verschreiben, hatte sie danach gestrebt, so zu sein, wie dieses Flugzeug, das schnellste, teuerste, also wertvollste Vehikel von allen, das auch die weitesten Strecken zurücklegte und sich von keiner Art von Gelände behindern, für keine Art von See, Berg oder sonstigem Hindernis eine Kurve einlegen musste – so besonders, dass es anstatt sich mit geringeren Transportmöglichkeiten wie Zügen oder Autos den Erdboden zu teilen über das Privileg verfügte, hoch oben durch die Atmosphäre zu schießen, die nur für seinesgleichen reserviert war. Sie war schon immer ein… Überflieger eben, oder versuchte zumindest ihr Bestes, um es zu sein. Es gab nur wenige Flugzeuge, viel weniger, als es Autos, Züge oder Schiffe gab, und wenn eines durch die Gegend flog, so hatte es meist den ganzen Himmel für sich und war unübersehbar für alle in einem großen, großen Landstrich, die fähig waren, nach oben zu blicken. Aber genau das war es ja – Dieses Flugzeug da oben hatte den Himmel für sich, aber was war das schon, der Himmel? Da oben gab es weit und breit nichts anderes als Luft, Kälte und Wasserdampf. Wann immer ein Flugzeug flog, flog es einsam und allein, zu allen Himmelsrichtungen von nichts umgeben als klaffender Leere. Einsam und allein…? Sie hatte versucht… das Third Child herzulocken weil… sie sich einsam fühlte? Weil sie nicht allein sein wollte und er gerade praktisch in der Gegend herumstand? Weil sie sich einfach einen warmen Körper zum dran Kuscheln wünschte, um sich davon abzulenken, dass sie versagt hatte? Widerlich! Jämmerlich! Inakzeptabel! Asuka verstand die Welt nicht mehr. „Bis jetzt… war es für mich doch immer ganz normal, allein zu sein…“ erzählte sie leise den unverschämt desinteressierten Luftmolekülen. „Einsamkeit… sollte mir eigentlich überhaupt nichts ausmachen….“ --- Das Second Child war nicht die einzige in diesem Haushalt, die sich damit schwertat, zu irgendeiner Form von Schlaf zu gelangen – Obwohl er wusste, dass er für den großen Tag morgen möglichst ausgeschlafen sein sollte, war es ihm schlichtweg nicht möglich. Da half auch die Musik nichts – es schwirrten so viele Sorgen in seinem Kopf herum, zu denen sich jetzt zu allem Übel auch noch Asukas Ablehnung und die Aufregung wegen des morgigen Kampfes mischten. Dann, plötzlich, ein Geräusch. Das Öffnen einer Schiebetür – Asuka. Beinahe reflexartig ließ Shinji Kopf und Gliedmaßen auf das Laken sinken, um einen Zustand des Tiefschlafes vozutäuschen – Sie hatte ihm gesagt, er solle schlafen gehen, und er wollte wirklich nicht, dass sie sauer auf ihn wurde, erst recht nicht um diese Uhrzeit. Dementsprechend rührte er sich während er im Hintergrund ihre Schritte vernahm, keinen Millimeter – Die einzigen Muskeln, die er bewegte waren die, die er brauchte, um den Pause-Knopf an seinem Musikplayer zu betätigten, um hören zu können, was sie tat. Erst, als er das Quietschen einer Tür hörte, traute er sich, prüfend die Augen zu öffnen – zu sehen bekam er Asuka nicht mehr, aber die Geräusche, die er vernahm, verrieten ihm, dass das Ziel ihrer Reise die Toilette gewesen zu sein schien. Shinji beschloss also, dass es wohl das Beste sein würde, wenn er sich einfach schlafend stellte, bis sie wieder in ihrem Zimmer lag, zumal er nichts von dem blauen Wunder ahnte, dass diese Nacht für ihn bereithielt. Nachdem sie das Bad verlassen hatte, hörte er deutlich Asukas Schritte – Doch etwa nach dem, was höchstens die halbe Strecke gewesen sein könnte, hörten sie einfach aus. Natürlich hätte es sein können, das Shinji ihre Schrittgeräusch falsch gedeutet und den Abstand nicht korrekt geschätzt hatte aber… er hörte auch nicht das Geräusch einer sich öffnenden Tür. Natürlich könnte er kurz zu ihr hochspähen um in Erfahrung zu bringen, ob sie nun noch im Wohnzimmer war, oder nicht, aber er hatte viel zu viel Angst, dass sie merken könnte, dass er noch wach war. Da ihm nicht viel anderes übrig blieb, entschied er sich, erst mal abzuwarten – doch dass er die Antwort nicht suchte, hinderte diese nicht daran, zu ihm zu kommen – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn nachdem Asuka ein paar Augenblicke lang unbemerkt von Shinji zögernd und mit sich ringend dagestanden hatte, hörte dieser mit einem mal ein deutliches Geräusch, begleitet von einer plötzlichen, warmen Empfindung an seiner Stirn, als ihn etwas dort berührte und seine Haare geringfügig in Bewegung versetzte. Sekundenbruchteile nachdem er seine Augen weit genug geöffnet hatte, um zu erkennen, was das alles zu bedeuten hatte, flogen sie ihm beinahe aus dem Schädel. Der Anblick, der sich ihm da bot, jagte einen Schock durch seinen Körper und trieb Unmengen an Blut in sein Gesicht. Instinktiv zusammenzuckend klammerte sich seine Hand fester an seinen Kassettenplayer, an dem er versehentlich den Rückspulknopf betätigte, sodass er eine kaum noch als Musik zu erkennbare ultraschnelle Rückwärtversion der Lieder zu hören bekam, mit denen er sich sonst ständig volldröhnte. Es war ein hast auslösendes, unharmonisches, aber tolerierbares, nicht unbedingt störend kreischendes Geräusch, das Shinji nur irgendwo am Rande wahrnahm und ihm nur die vage Vorstellung eines Zeitlimits übertrug – Er war viel zu sehr mit dem beschäftigt, was seine Augen ihm zeigten, um seinen Ohren auch nur die geringste Beachtung zu schenken. Denn als er erstere soeben geöffnet hatte, war sein ganzes Blickfeld randvoll mit Asuka. Die Wärmequelle, die er an seiner Stirn gespürt hatte, war nichts als eine weitere Stirn – genauer gesagt Asukas. Sie hatte sich doch tatsächlich direkt vor seiner Nase zu ihm ins Bett gepflanzt, ihre eigene Position seiner schrägen Lage anpassend, sodass der Abstand zwischen ihnen etwa konatant war – ihre langen, schlanken Beine waren nur bloße Zentimeter von seinen entfernt, als würden sie nur darauf warten, dass er die Initiative ergriff und ihre Formen miteinander verband, bis sie miteinander verwoben waren wie die eines jungen, frisch verliebten Paares nach dem ersten Liebesakt. Shinjis Gedanken waren wie weggefegt, und das, was einmal sein Verstand gewesen war, völlig von der Versuchung vor seinen Augen lahmgelegt, überladen, eingenommen oder alles auf einmal. Er war nicht mehr in der Lage, daran zu denken, was in so einer Situation richtig oder falsch wäre, was er tun „sollte“ oder was die Menschen in seinem näheren Umfeld von seinen Handlungen denken könnten. Er brachte es nicht einmal fertig, sich zu fragen, was in diesem großen, unergründlichen Universum Asuka dazu bewegt haben könnte, das hier zu tun. Dazu hätte er schon fähig sein müssen, in kohärenten Sätzen zu denken, und das war er nicht. Er war nicht fähig, irgendetwas anderes zu erfassen, als dieses Moment, fast so, als ob nie irgendetwas anderes existiert hätte, als ob das Second Child das einzige Mädchen auf der Welt währe und der Platz an ihrer Seite der Ort wäre, an den er schon immer gehört hatte. Alles, woran er denken konnte, war Asuka, alles, was er fühlen könnte war die zarte, warme Haut ihrer Stirn und die liebevollen, leicht kitzelnden Liebkosungen ihrer Haare, alles, was er riechen konnte, war der frische, fruchtige Duft ihres frisch gewaschenen Körpers, der sich aus dem Parfum ihrer Pflegeprodukte, der verführerisch-anregenden Rosmarin-Seife und sem selben Erdbeerschampoo, dass er schon damals nach ihrem ersten, gemeinsamen Kampf bemerkt hatte, aber auch aus ihrem ganz eigenen Geruch zusammensetzte, und er konnte auch nichts anderes sehen als sie – Das hatte sie bezweckt, und das war ihr gelungen. Wären es andere Umstände, oder ein anderes Mädchen, so hätte er wohl spätestens jetzt beschämt weggesehen, aber dazu war er einfach zu sehr überwältigt, berauscht von der Vorstellung, dass seine nächtlichen Fantasien sich in Realität verwandelt haben könnten. Er hatte sich zu lange, zu stark nach dem verzerrt, was ihm Asuka stets vor die Nase gehalten aber nie übergeben hatte, und er war zu wütend über ihre ständigen Demütigungen und Beleidigungen um sich darum zu kümmern, dass er ihre Privatsphäre verletzte – so nobel, dass er jetzt wegsehen würde, war er nicht. Er wusste, dass er ihr den respekt schuldete, den sie ihm nie gezollt hatte, aber er konnte diese Verpflichtung nicht fühlen. Das Third Child war nur ein Mensch, ein pubertierender Mensch noch dazu. Er wusste, dass er sich schämen sollte, dass er niederträchtig, feige und einfach das letzte war, aber in diesem Augenblick war ihm all das völlig egal – Er wollte die Gelegenheit nutzen, auf die er gehofft hatte – immerhin war sie es, die ihre Brüste praktisch in sein Gesicht gepresst hatte, und sich ihm auf dem Präsentierteller darbot wie eine Dirne! In ihm keimte das Verlangen dazu, Rache für ihren Spott nehmen, indem er sie sich nahm, wenn sie ihn nicht ablehnen konnte. Doch am meisten von allen sehnte er sich danach, sowohl ihr als auch sich selbst zu beweisen, dass er nicht der Feigling war, für den sie beide ihn hielten, dass er ein Mann sein und… den ersten Schritt gehen konnte. Er konnte einfach nicht anders, als Asuka über alle Maßen zu bewundern – sie war so schön, so stark, so stolz, so beliebt, so leichtfüßig dabei, zu sagen und zu tun, was sie wollte. Sie war viel offener und erfahrener mit ihrer Sexualität als er es je sein würde. Er wollte sie verstehen. Begreifen, was es war, was sie schwach machte, um ihr helfen zu können, und begreifen, was es war, dass sie stark machte, um selbst eine Quelle der Stärke zu finden. Er verzehrte sich danach, diese Stärke von ihrer Haut und ihren Lippen abzulecken. Also starrte er, völlig unvermittelt, ohne Scheu oder Scham direkt auf ihren schlafenden Körper, ihr weiches, intensiv rotes Haar, auf die großen Mengen von heller, makelloser, aufwändig gepflegter Haut, die ihre spärliche Bekleidung mitsamt ihrer Schulter freilegte und auf ihre Brüste, diese weißen, weichen, aber doch klar geformten Hügel aus bloßem, weißen Fleisch, die wie Wasserballons fast komplett aus ihrem Nachthemd quollen, sodass die Brustwarzen nur knapp verdeckt waren und in einem Fall unter dem Stoff ihrer Kleidung durchdrücken. Gerade an denen blieben seine weit geöffneten Augen hängen, als könne er nicht glauben, dass sie wirklich real und zugleich wirklich so nah waren. Sie wurden noch ein winziges Stückchen weiter aus dem Nachthemd gedrückt, als Asuka sich geringfügig regte, doch der Haupteffekt der sachten Regung war, das Shinji nun obwohl er es noch eine Sekunde zuvor nicht für möglich gehalten hatte noch ein gutes Stück näher an ihrem Gesicht war, dessen Mund leicht offen stand wie eine Einladung. Und die schlug Shinji nicht aus. Er wollte sie. Begleitet vom Geräusch des schnell spulenden Players kam Shinji soweit es ihm sein geistig-emotionaler Zustand erlaubte zu so etwas wie einem Entschluss – „So etwas wie“ weil es nichts war, dass er mit Argumenten hätte erklären oder verteidigen können, aber doch des Wortes „Entschluss“ würdig weil er gewillt war, es auszuführen ohne zu kneifen, zu zögern oder es nochmal zu durchdenken. Unaufhörlich bewegte er sich auf ihre zarten, gepflegten, geschmeidigen Lippen zu, bis sie alles waren, was er sehen konnte, alles, was Teil seiner Welt war, ihre Lippen allein, wie sie sich langsam öffneten, um ihn willkommen zu heißen- Nein. Nicht um ihn willkommen zu heißen. „Mh…mi…. Mami…“ Der Musikplayer erreichte den Anfang der Kassette und verstummte. An Asukas Augen formte sich die eine Chemikalie, die jede Art von Lust sofort beendete. Glitzernde kleine Tränchen, perfekt passend zu ihrem kindlichen, kleinen Stimmchen. Shinji blieb Millimeter von ihrem Mund entfernt wie versteinert stehen. Ihm war, als habe man ihn in kaltes Wasser geworfen. Das… das war nicht fair. Er wollte die überlegene, aufreizende Frau küssen, die er um ihre Stärke beneidet hatte, und nicht ein kleines Mädchen, das weinte, weil sie ihre Mami daheim in Deutschland vermisste! Der EVA-Pilot kam sich gelinde gesagt verarscht vor. Diese Arrogante…! Machte eins auf erwachsen und überlegen, obwohl sie kein Deut besser war als er selbst! Er hätte es wissen müssen. Warum hatte er mit diesem ganzen Schwachsinn überhaupt angefangen? Frustriert griff er sich seine Decke und rollte sich darunter verschanzt am anderen Ende des Raumes in sich zusammen, so weit, weit weg von Asuka wie nur irgendwie möglich. „Du bist doch selbst noch ein kleines Kind!“ murmelte er beinahe verächtlich, bevor er sich die Decke über dem Kopf zog und versuchte, dass alles hier zu vergessen. --- Zahllose Akten und Papiere küssten in einem einzigen Schwall den Boden. Er drückte sein Bein zwischen ihre, wie ein geübter professioneller an ihrer Unterhose herumreibend, die ihr kurzer Rock nur gerade zu erreichbar machte, während er sie mit einem Arm an sich presste und mit dem anderen ihre zitternde Hand hielt. „Lass das! Jemand könnte uns sehen…!“ „Wer denn?“ „Irgendwer…“ Bevor sie dazu kam, noch irgendwas zu sagen, hatte er ihre Lippen bereits versiegelt und sie gegen die Wand gedrückt, wo er ihre Widerstände endgültig brach, und mit seiner Zunge ihre Lippen durchschritt. Er verlangte einen langen, innigen, heftigen Kuss, und ihre Augen schielten die ganze Zeit sich schuldig und besudelt fühlend auf den Zähler, der ihr anzeigte, in welchem Stockwerk sie sich befand. Erst, als sich die Fahrstuhltüren öffneten, entließ Kaji Misato aus dem festen Griff seiner Arme, worauf sie sofort herausschritt und erst einmal mindestens einen Meter zwischen sie Beide brachte, ohne sich die Zeit zu nehmen, sich umzudrehen. „Mach soetwas nie, nie wieder. Das mit uns ist vorbei, okay?“ „Na so was…“ entgegnete Kaji, während er sich bückte um die Akten aufzusammeln, die Misato vorhin durch den plötzlichen „Angriff“ überrascht hatte fallen lassen. „Auf einmal sagen deine Lippen „nein“. Und das, obwohl sie eben noch “ja“ gesagt haben… Also was soll ich jetzt glauben?“ Großkotzig grinsend wie immer reichte er ihr ihre Papiere und hatte noch die Frechheit, sich zu verbeugen. Trotzdem, was sich in Misatos Gesicht zeigte, war kein Ärger, sondern Schuld. Sie hatte sich schuldig und besudelt gefühlt… weil sie es genossen hatte. Nein! Nein, das hatte sie nicht. Sicher nicht. Warum sollte sie auch, bei dem Machotyp! Der konnte sich seine Schleimtriefende Gentlemannummer sonst wo hin stecken. Die Akten konnte er auch zurück haben – und zwar ins Gesicht, ZACK! …Die unschuldigen kleinen Aufzugstüren, hinter denen Kaji verschwunden war, fragen sich übrigens bis heute noch, was sie Misato getan hatten, um sich die Ladung Papier zu verdienen, mit denen diese sie beworfen hatte. --- „Hier für dich.“ „Oh, Danke…“ Den Kaffee, den ihre treue Freundin freundlicherweise gebracht hatte, dankend entgegennehmend schaffte es Misato tatsächlich, dem ganzen Frust, den sie mit Kaji und den zankenden Kinderchens hatte zum Trotz doch noch zu lächeln. „Ich gebe zu, es ist schon ungewöhnlich, dich ausnahmsweise mal nüchtern zu erleben.“ Kommentierte Ritsuko noch während sie sich auf ihren Platz nahe der großen Panoramafenster der Kantine setzte. Liegt das an deiner Arbeit… oder an einem Mann?“ „An vielen Dingen.“ „Noch verliebt, heh?“ Misato, die gerade dabei gewesen war, an ihrem koffeinhaltigen Getränk zu nippen, konnte es nur gerade mal so abwenden, sich daran zu verschlucken. „Bitte? Machst du Witze?!“ entgegnete sie erst nach einigen Hustern. „Den kannst du von mir aus geschenkt haben. Der Typ war der größte Fehler meines Lebens! Die einzige Entschuldigung dafür, dass ich mich überhaupt mit ihm eingelassen habe, ist, das ich noch jung und dumm war.“ „Weißt du…“ begann Ritsuko, scheinbar noch völlig ruhig. „Eigentlich meinte ich damit ja, das Kaji-kun noch verliebt ist… aber du bist es offensichtlich auch.“ „Ach sei still…“ maulte Misato griesgrämig. „Wenn ich falsch liege, warum regst du dich dann so auf? Gib ihm doch mal eine Chance. Vielleicht war er vor acht Jahren ja auch noch jung und dumm.“ „Das würde Sinn machen, wenn er sich denn verändert hätte, aber es ist immer noch genau derselbe! Er wird einfach nicht erwachsen…“ „Guck mal, wer da spricht.“ Kommentierte Ritsuko darauf nur. „Letzte Woche, als er deinen Job für dich gemacht und sich eine Kampfstrategie ausgedacht hat, da fandst du’s noch niedlich. Ich will mich ja nicht in dein Privatleben einmischen aber findest du es nicht etwas unfair, ihn nur dann abzuweisen, wenn es dir nicht ungelegen kommt? Das klingt ein bisschen nach benutzen.“ „Ich hab ihn ja nicht darum geben, ja? Er ist derjenige, in dessen Kopf es nicht reingeht, das eine nichts mit ihm zu tun haben wollen könnte. Er hält sich immer noch für das Zentrum des Universums. Aber lassen wir das Mal. Wir haben eine Menge Arbeit zu erledigen – Morgen ist schließlich der große Tag.“ --- Und der große Tag kam auch. Exakt wie vorhergesehen stampfte der Engel wieder los in Richtung Tokyo 3, beschienen von der Morgensonne, die seinen teils metallischen Körper glänzen ließ. Doch nicht nur Israphael hatte sich in der letzten Woche fleißig auf die Revanche mit den Menschen vorbereitete – auch letztere waren absolut vorbereitet und hatten ihren Gegenschlag bis ins kleinste Detail geplant. „Da kommt es!“ informierte Misato ihre beiden Schützlinge. „Dieses Mal werden wir nicht verlieren! Sobald die Musik beginnt, baut ihr eure AT-Felder auf, und macht ab dann alles, wie ihr es geübt habt.“ „Verstanden.“ Bestätigten die Kinder gleichzeitig – was auch immer in der letzten Nacht vorgefallen sein mochte, so hatte Shinji die ganze Angelegenheit am nächsten Morgen bei Lichte besehen als seine eigene Schuld eingestuft – was er da getan hatte, war absoluter Quatsch gewesen, und er wusste selbst nicht mehr, was ihn da eigentlich geritten hatte. Asuka mochte nicht viel besser sein als er, aber er war auch nicht viel besser als sie, und es war Zeit für den Kampf. Es ging jetzt wieder einmal um das Schicksal der Menschheit, sein persönlicher Ärger (oder dessen Abwesenheit) konnte warten. Todernst wie immer, wenn er sich mental auf einen Kampf vorbereitete, ging er den Bewegungsablauf noch ein letztes Mal durch, und fühlte tief in das geistige innere des EVAs hinein, um zu prüfen, ob er damit auch ausreichend verbunden war. Das hier war jetzt die Stunde der Wahrheit – jetzt würde sich zeigen, ob er dem Platz an Asukas Seite gewachsen war. „Vergiss nicht, dass wir von Anfang an auf volle Leistung und volle Geschwindigkeit gehen.“ Erinnerte sie ihn noch einmal. Ihre Vorfreude auf die Chance, sich endlich zu beweisen, war schwer zu übersehen. „Ich weiß.“ Bestätigte Shinji, der auch wenn Asuka es nie zugeben würde, irgendwie immer ein gutes Stück cooler wirkte, sobald er in seinem EVA steckte. „Wir werden das in 62 Sekunden beenden.“ Schließlich hörten die beiden, wie Aoba meldete, das der Engel am geplanten Punkt angekommen sei – Es war also Zeit. Misato befahl nur noch, die Stromkabel abzusprengen – denn für diesen Einsatz würden die Children maximale Bewegungsfreiheit brauchen – und gab dann schließlich den Startbefehl. Musik marsch. Evangelions ebenfalls marsch. Elegant wie professionelle Ballerinas schossen sie aus dem Boden und sprangen dort angekommen sogleich um in luftige Höhen, die ein Vielfaches ihrer eigenen Höhe betrugen – und das in absolut exakten Gleichklang. Gemeinsam warfen sie ausklappbare Stäbe, zwischen denen sich sobald sie gelandet waren eine Energiebarriere aufbaute, die den Engel glatt zerteilte. Wie schon zuvor bildete er darauf zwei Miniaturformen aus, die von der Größe her einem Evangelion ähnelten – Die Evangelions selbst landeten adrett auf dem Boden und stellten sich nebenbei eine Viertelpirouette ausführend wieder auf die Füße, um sich die Knarren zu greifen, die man für sie bereits aus den nächstbesten Gebäuden ausgefahren hatte – Das war der Punkt, an dem das Timing besonders wichtig wurde, denn die Schüsse sollten nur dazu dienen, die Aufmerksamkeit der Engel auf sich zu ziehen. Mit geradezu anmutigen Seitenschritten voranschreitend zielten die beiden Piloten auf den Engel, und schossen ohne Rücksicht auf Verluste ihre Magazine leer – Beiden war eine deutliche Anstrengung oder Aufregung anzumerken. Ihre akribisch Einstudierte Reaktion erinnerte eher an einen tödlichen Gymnastikparcours als an ein Ausweichmanöver, zumal sie aus einer Folge von Handständen bestand – shinji war überrascht, dass er das überhaupt hinbekam, aber es funktionierte erstaunlich einfach, fast, sei seine Bewegungsfreiheit einzig und allein durch seine Vorstellungskraft begrenzt – er bekam es sogar hin, es im exakten Gleichtakt mit dem Second Child zu tun und schaffte es auch, zielgenau auf den für die Füße der Evangelions gedachten Kreidemarkierungen zu landen – und das wiederum aktivierte die Stahlplatte, die den nächsten Angriff des Engels von ihnen abhielt und ihnen so die Zeit gab, sich noch ein paar Gewehre zu greifen und auf den Engel zu schießen – Dieser jedoch schien bemerkt zu haben, dass er mit seinen Energieschüssen nicht weit kommen würde, sodass über beiden Hälften eine Art Heiligenschein erschien, wobei beide davon miteinander verwoben schienen wie die Seiten einer liegenden Acht. Shinji hatte das schon einmal gesehen – bei dem ersten Engel, den er bekämpft hatte. Und genau wie dieser begannen sie in derselben Sekunde, in der die Lichtringe erschienen waren zu schweben und landeten erst direkt vor der Panzerplatten, die sie sofort mit ihren Krallen zerfetzten – Die beiden Evangelions waren zu diesem Zeitpunkt jedoch schon lange in die Höhe gesprungen – und während ein paar Raketen und Geschütze, die Misato abschießen ließ, den Engel wenn auch nur geringfügig beschäftigten, machten sich die Children dafür bereit, in die Offensive zu gehen – Agierend wie die beiden Hälften eines einzigen Körpers ließen Shinji und Asuka ihre Kampfschreie zu einem einzigen verschmelzen, und auch ohne, dass sie im selben EVA saßen oder sonst wie physisch verbunden waren, konnten die Zwei doch spüren, dass sie exakt den selben Willen teilten. Und dann kam der Punkt, an dem Shinji zeigen konnte, was er von ihr gelernt hatte – Der Moment, in der sie beide jeweils einer Hälfte des Engels den Tritt seines Lebens verpassten – den Tritt seines Lebens, weil der nächste todbringend sein sollte. Als der Engel wieder zu einer Form verbunden durch die Landschaft raste, und es nicht schaffte, anzuhalten oder seinem Schicksal sonst wie zu entkommen, gab es zwischen den Piloten einen kurzen Blickwechsel – Sie schauten blau in blau, Shinji, ernst, prüfend und sich ihrer Unterstützung versichernd, Asuka, hocherfreut von Triumph und Extase, ihm für das, was jetzt noch kommen sollte, ihr vollstes verstrauen zusichernd, und dann kam der Gnadenstoß. Sich drehend wie tanzende Schwäne schossen sie in dem Himmel, nur um gleich darauf wieder herabzusteigen wie blutrünstige Walküren, entschlossen, die Kerne des Engels zu treffen, bevor sie wieder in die Tiefen seines grünlichen Fleisches abtauchten. Die Körper ihrer EVAs zu einer Art gigantischen Ypsilon zusammensetzend, ohne einander zu berühren, besiegelte das ungleiche Paar das Schicksal des Engels – schon, bevor sie ihr Ziel getroffen hatten, machte sich im Hauptquartier Hochstimmung breit – Misato zeigte mit einem spielerischen Lächeln, wie stolz sie auf ihre Schützlinge war, Kaji grinste triumphierend, Maya war ganz aus dem Häuschen, Hyuuga staunte Bauklötzchen, Aoba zeigte einen irgendwie ehrlich überraschten Ausdruck gefolgt von einem dünnen, zufriedenen Lächeln, und selbst Ritsuko, die sonst die Zynikerin vom Dienst war, fand nichts, dass sie daran hätte hindern können, erfreut zu lächeln. Ja, selbst der sonst zumeist bestenfalls ernste Subcommander, der die zwei letzte Woche noch gründlich ausgeschimpft hatte, schien voll und ganz von der allgemeinen Euphorie angesteckt worden zu sein. Diese Freude hatte auch einen Grund - Israphael hatte nie eine Chance – Schon als die beiden ihn trafen, brachen die Kerne ein, und je mehr die Wucht des Trittes ihn einen Hügel hinauf durch die Landschaft zogen, umso mehr splitterten sie, bis sie schließlich alle beide im selben Moment einbrachen und zu einer blutähnlichen Flüssigkeit zerplatzten, welche die EVAs von oben bis unten bespritze, nur, um von ihnen heruntergebrannt zu werden, als der restliche Körper des Engels ebenfalls explodierte, und den kleinen Hügel, auf dem der Exitus eingetreten war, in einem Feuersturm, der zugleich zum Scheiterhaufen des himmlischen Botschafters wurde aus den Landkarten tilgte. Es folgten die obligatorische, kreuzförmige Lichtsäule, der Blutregen und der doppelte, an den Rändern sogar dreifache Regenbogen, und der tief in den Boden hineingeschmolzene Krater, aus dem wohl schon bald wieder ein neuer See entstehen würde. „Die EVAs?“ fragte Misato knapp. „…sind unbeschädigt.“ berichtete Maya. Tatsächlich wurden die Formen der beiden Kolosse sichtbar, nachdem das Licht der Explosion verflogen war – Man musste genau hinsehen, um sie unter den klebrigen, roten Überresten des Engels auszumachen, aber da waren sie – Operation gelungen. Ein voller Erfolg also? Nicht unbedingt. Denn was schwer zu übersehen war, sobald man die Formen der EVAs erspäht hatte, war, dass sie hoffnungslos ineinander verkeilt waren – Und Misato und Ritsuko begriffen sofort, was ab diesem Zeitpunkt wohl unausweichlich sein würde. „Och nö!“ kommentierte erstere, sich die Hand ins Gesicht klatschen. Die Wissenschaftlerin brachte ihr vollstes Verständnis entgegen. „…Dann wird es wohl gleich losgehen…“ Und tatsächlich – kaum, das Shinji aus seinem Entryplug geklettert war, um sich des Ergebnisses seines Kampfes zu besehen, bimmelte die interne Leitung und präsentierte ihm ein niedliches Hologramm einer ziemlich ärgerlichen Asuka. „Guck mal an, was du angerichtet hast! Jetzt gebe ich wegen dir schon wieder so eine jämmerliche Figur ab!“ „Was heißt hier wegen mir!“ gab Shinji sofort ärgerlich zurück. Bei allem Respekt und so weiter, wollte sie nachdem sie das Ding ohne Schäden oder Verletzungen besiegt hatten, wegen so etwas einen Aufstand machen? Das konnte doch nicht ihr ernst sein! Sie war ein kleines Kind! Meistens schüchterte sie ihn mit ihrer Überlegenheit ganz schön ein, wofür er sie wohl auch bewunderte, aber es gab auch Momente, in dem Shinji sich vorkam, als wäre er dazu abkommandiert worden, sie zu babysitten! „Du bist doch von hinten in mich reingerannt!“ protestierte er, um mindestens einmal die Fakten klar zu stellen. „Das war nur, weil du aus dem Timing gekommen bist!“ spie sie bissig zurück. Hinter ihrem Hologram konnte er sie in der Ferne wirklich sehen, wie sie am Ausgang ihres Entryplugs stand und wild in der Luft herumgestikulierte, während sie ihm seine bemitleidenswerten Ohren vollschrie. „Bist du immer so lahmarschig? Und überhaupt, was bist du gestern auch noch so lange aufgeblieben!“ Das hatte sie gemerkt? „I-Ich bin den Bewegungsablauf für den Kampf nochmal im Kopf durchgegangen…“ „Lügner! Du hast doch bestimmt versucht, mich im Schlaf zu küssen!“ D-Das hatte sie auch gemerkt? Shinji schluckte verzweifelt. „E… Es nicht fair, nur so zu tun, als ob man schläft!“ entgegnete er ein klein wenig verloren. „DU PERVERSLING! Das sollte doch nur ein Witz sein! Dann hast du’s also wirklich getan, heh? Du hast mir meinen ersten Kuss versaut!“ „NEIN! Ich hab vorher aufgehört!“ „Perversling! Lustmolch! Notgeiler Sack! Ich glaub es einfach nicht!“ „Was musst du auch zu mir ins Bett kriechen!“ Es war wohl kaum noch nötig, zu erwähnen, dass das ganze Kontrollzentrum von vorne bis hinten in lautes Gelächter ausbrach. Resigniert versenkte Fuyutsuki sein gesenktes Haupt in seiner rechten Hand. „Schon wieder so eine Blamage…“ So langsam gelangte er zu der Überzeugung, das bei Ikaris Bengel schon lange Hopfen und Malz verloren waren… --- Zum Leidwesen des NERV-Personals setzten sich die Streitereien über die Bergungsaktion bis hin zum Abtransport der Piloten hin fort, auch Misato vermochte es nicht, sie langfristig dazu zu bringen, die Klappe zu halten. Bis sie jedoch bei den Duschräumen ankamen, schien Asuka die Lust am Streiten vergangen zu sein – oder vielleicht waren ihr auch nur die Schimpfwörter ausgegangen. Oder es lag an dem bekannten Gesicht, das ihnen auf dem Weg dahin in einem vor LCL triefenden, weißen Plugsuit begegnete. „Hallo, Ayanami.“ Grüßte Shinji freundlich lächelnd. „Es ist schön, dich wiedermal zu sehen.“ „Ist… es das?“ antwortete sie leicht verwundert. „Nun… ähm… ich… ich wüsste nicht, warum es… nicht so sein sollte… Immerhin haben wir uns ja lange nicht gesehen… A-Aber ab morgen bin ich wieder, uhm, in der Schule und so, also nur damit du’s weißt…“ „Gut. Dann habt ihr das Zielobjekt vernichtet?“ „Natürlich habe ich das!“ mischte sich Asuka leicht beleidigt klingend ein. „Hälst du dich für so übermäßig wichtig, dass wir es nicht ohne dich und deinen Schrotthaufen von einem Prototypen schaffen würden? Also bitte, First Child! Anders als du und dieser Amateur hier bin ich als einzige nicht hier, weil ich irgendwelche Kontakte habe, sondern weil ich gut bin. Du kannst ruhig davon ausgehen, dass ich so einen popeligen Engel schon erledigt kriege. Zugegeben, unser Papikind hier hat auch ‘n bisschen geholfen, aber es ist offensichtlich, wem hier der Sieg zu verdanken ist. Aber na ja…“ Asuka grinste herablassend. „Ich kann’s einer Asozialen wie dir ja nicht verübeln, dass du eine dumme Frage stellt, nur, damit überhaupt mal einer mit dir redet! Muss langweilig gewesen sein, hier in einem halbreparierten EVA herumzusitzen und am Ende nichts zu tun zu kriegen…“ „…Also, Asuka…“ versuchte Shinji sich leise einzumischen. „Ich denke nicht, dass Ayanami-“ „Könnt ihr bitte später weiter quatschen?“ unterbrach sie ihn direkt. „ Ich würde mir gerne heute noch das LCL aus den Haaren waschen, wenn’s möglich ist. Wenn ihr nicht eure Hintern bewegt, geh ich ohne euch!“ Jetzt, wo sich die Zahl der hier arbeitenden Piloten auf drei belief, sah der Raum mit den Duschen tatsächlich so aus, als ob er richtig benutzt werden würde – Die Zahl der benutzten Kabinen überstieg die der leeren jetzt um eins – Was den Raum jedoch hätte angenehmer und belebter hätte machen sollen, sorgte nur für stress, da Asuka Shinji mehrmals mit der Todesstrafe gedroht hatte, falls er es wagen sollte, seine Kabine zu verlassen, bevor sie angezogen sei – Sie wisse schließlich ganz genau, wass er für ein Lustmolch sei. Technisch gesehen ließ die Kabinentür ja nur ihren Kopf und ihre Unterschenkel frei, die sie der Welt zumeist gerne präsentierte… und auch so gab es nichts an ihr, was Shinji noch nicht gesehen hatte. Aufgrund seiner verständlichen natürlichen Aversion gegen Schmerzen zog es Shinji jedoch vor, diese Einwände für sich zu behalten, und einfach darauf zu warten, das Asuka ihn hier „herausließ“. Da diese jedoch darauf bestand etliche Schönheitsprodukte anzuwenden, war es Rei, die als erste fertig wurde. „Auf Wiedersehen.“ Verabschiedete sie sich, nachdem sie in ihrer Schuluniform aus der Kabine gestiegen und still zur Tür gelaufen war. Asuka kam erst eine ganze Weile später heraus, setzte sich auf die Bank, zückte einen mitgebrachten Handspiegel und machte sich mit zahllosen Töpfchen und Tiegelchen an ihrem Gesicht zu schaffen. „Kannst raus kommen, Papasöhnchen.“ Informierte sie nach einer Weile, nachdem sie sich alle Zeit der Welt genommen hatte, ihre „Schönheitstation“ aufzubauen, fast, als sei ihr eben erst wieder eingefallen, das Shinji existierte, und vermutlich schon eine ganze Weile voll bekleidet in der Kabine saß, wo noch etwas Restwasser vom Duschkopf auf sein blaues Polohemd getropft und seine Haare in ziemlich seltsam-abstehenden Winkeln an der Luft getrocket waren, ohne vorher einen Kamm zu treffen. „Uhm… Shikinami-san…“ „Schon okay, brauchst nicht auf mich zu warten.“ „Uhm…Ich wollte nur… ähm…“ Asuka seufzte. „Diese Japaner! Hör zu, wenn du mir was sagen willst, spuck’s aus oder lass mich in Ruhe.“ „Ich… wollte mich nur entschuldigen falls… falls ich dir… irgendwie im Weg gestanden habe…“ brachte er schließlich Mühevoll hervor – er hatte selber mehrmals gesegen, wie wichtig Kampferfolgt für Asuka zu sein schien. „Schon okay. Du warst nicht ganz so nutzlos, wie ich es erwartet hatte. Man sieht, dass bei der Zusammenarbeit mit einer Meisterin wie meiner Wenigkeit was auf dich abgefärbt ist.“ „D-Danke…“ „Spar dir den Höflichkeitskram und geh mir aus dem Blickfeld!“ Die deutlich Röte, die ihr Kompliment… oder na ja, eigentlich eher ihr akzentuierter Verzicht auf eine stärkere Beleidigung auf sein Gesicht zauberte, sah sie nicht mehr, da dieser teils, um diese vor ihr zu verbergen und teils, weil sie es deutlich verlangt hatte. Statt auf seine Schritte zu achten, als er den Raum verließ, blickte sie das frisch hübsch hergerichtete, perfekt scheinende Mädchen im Spiegel an. Ihr Lächeln schien verschwunden zu sein, aber für sie war es nur ein unwichtiges, äußerliches Detail. Spiegelbilder konnten sich keine Fragen stellen, oder sich für eine Schwäche schämen, das andere Mädchen, das da ganz allein im Glas gefangen war, konnte in ihrem gläsernen Käfig niemanden treffen, und sie konnte auch nicht um Hilfe bitten, weil sie Stumm war – auch wenn sie den Mund öffnete, Asuka hörte stets nur ihre eigene Stimme. Sie hatte ihre Stiefmutter einmal in einem Gespräch mit ihrem Vater sagen hören, das der Spiegel das Böse oder die Fehler nicht nur wiedergab, sondern vielmehr erschuf, doch das, was der Spiegel in Asukas Hand da erschaffen hatte, schien überhaupt keine Art von Fehler zu haben… Wenn ihre richtige Mutter die Wahl gehabt hätte, hätte sie wohl das Spiegelmädchen gewählt. Aber aus irgendeinem Grund schien sie fähig zu sein, den Spiegel trotzdem zuzuklappen und wegzustecken. Es konnte ihr doch egal sein, was die Frau gedacht hatte! Sie wollte kein stummes Spiegelbild, kein stummes Püppchen sein, und wenn sie dann noch so perfekt sein würde. Ha! Dafür, dass sie mit diesem dämlichen Third Child hatte zusammenarbeiten müssen, brauchte sie sich nicht zu schämen – Er war ja nicht gerade nützlich gewesen, oh nein! Wenn sie ehrlich war, wollte sie auch gar nicht, dass er so gut war wie sie – Sie war NERVs beste Pilotin und das sollte und würde auch so bleiben. Verglichen mit diesem arroganten, asozialen First Child war er ja noch das kleine übel gewesen… und auch, wenn sie ich einen Perversling geschimpft hatte, es schmeichelte ihr schon, begehrt zu werden – Sie hatte sich all diese blöden Sorgen umsonst gemacht – Natürlich konnte sie so eine Null wie ihn um ihren kleinen Finger wickeln – Der Typ war nur so dämlich, dass man schon mit dem Zaunpfahl wickeln musste. Aber auch wenn er ein Idiot war, würde sie ihn wohl noch eine Weile ertragen können… irgendwo war es ja auch… ja, auch, wenn sie es nie zugegeben hätte, tief in ihrem Inneren fand Asuka es schon angenehm, jemanden zu haben, der ihr in der Schlacht zur Seite stand. _______________________________________________________ (1) „Katayoku no Tenshi“ = Engel mit nur einem Flügel. Ich weiß, der Spruch/dieses Motiv is überbenutzt, aber bei den Zweien passt es halt extrem gut (2) Und, was meint ihr…? Habe ich Asuka halbwegs passend hingekriegt? Sie ist ehrlich gesagt einer der Charaktere, in die ich mich am schwersten hineinversetzten kann – ich versuche natürlich mein bestes, aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich sie „getroffen“ habe. Was meint ihr dazu? (3) Das nächste Kapi könnte sich ein wenig verspäten – Ich hab demnächst meine Mündliche Prüfung. Ab dem 10. Bin ich dann aber frei, bis im September die Uni losgeht, was heißt, dass ich ‘ne Menge Zeit haben werde, um die FF hier fertigzustellen^^ (4) Weiter geht’s in 05: [Ihrer Würdig]. Und ja, das "ihr" hier bezieht sich auf Asuka. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)