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Children of the Prophecy

Die Kinder der Prophezeihung
von

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06: [Das Lächeln des Commanders]


 

In the middle of a house

In the middle of nowhere

Bodies glide from room to room

I hate these walls

They speak to me:

"Hey, skin like a doll

You're no friend

Of the family"

Catch that light

It falls in subtle patterns

Crawls in

And tells them when their time is up

And when it's over

He takes her hand

and he kisses her cheek

She's a doll, oh yeah,

She's his

Spitting image

Where have you gone?

You're still a part of me

Hey, skin like a doll

You're no friend

Of the family

-The Toadies, 'Dollskin'
 

---
 

Recht froh darüber, Shinji wieder in der Schule anzutreffen, brauchten Kensuke und Touji keine weitere Zeit, um ihn voll und ganz als einen der ihren zu akzeptieren.

Doch während sie auf dem Schulhof abmachten, einander in Zukunft gelegentlich auf dem Weg zur Schule zu treffen, bemerkte keiner von ihnen das stille, blauhaarige Mädchen, dass sie vom Inneren des Schulgebäudes aus mit ihrem einen, nicht unter einem Pflaster verborgenem Auge ohne Unterlass beobachtete.
 

---
 

Da war wieder dieser Traum.

Obwohl die Anzahl der Auswürfe seines Unterbewusstseins sich mitlerweile wieder halbwegs normalisiert hatten, hörte dieser eine Traum nie auf, ihn zu verfolgen. Keine drei Tage vergingen, ohne dass er sich während seiner nächtlichen Ruhe nicht mindestens einmal an diesem Strand wiederfand.

Immer wieder hatte er das Gefühl, schon tausend mal an diesem Ort gewesen zu sein, obwohl er beim besten Willen nicht sagen könnte, wann, vor seinen Träumen einmal abgesehen.

Wie auch? Der rote Streifen am Himmel, dass Ausmaß der Zerstörung, die zerstückelte Frauenleiche von der Größe eines Kontinents, und noch dazu diese Monolithen... Es gab nicht mehr viel, das Shinji nach allem, was ihm geschehen war, noch als unmöglich abtun würde, aber das es so einen Ort irgendwie wirklich gab, war doch eher... unwahrscheinlich.

Doch egal, was das hier für ein Ort war, auf jedem fall war es der einsamste und trostloseste Ort, den Shinji je erlebt hatte.

Es waren nicht nur die Bilder, sondern die Gefühle, die sie begleiteten.

Er wusste nicht, was diese Empfindungen ausgelöst hatte; Ihm war es, als habe er plötzlich an das Ende eines Filmes gespult, von dem er weder den Anfang noch die Prequels gesehen hatte.

Aber das Ende des Films war jetzt da, die Bilder und auch die 'Hintergrundermusik', diese todsichere Ahnung, dass er hier stets volkommen allein sein würde: Ein kleiner Punkt von Leben inmitten einer großen, leeren Welt, die in ihren unbelebten Urzustand zurückversetzt worden war.

Es war, als sei der komplette Planet als Ganzes mit allem, was darauf ist, einfach verreckt wie ein verkehrtherum schwimmender Goldfisch in einem mangelhaft gepflegten Glas, als sei der sich ständig erneuernde Fluss des Lebens, der selbst die Kathastrophe des Second Impact wenn auch in recht dezimierter Form irgendwie überstanden hatte, einfach versiegt.

Zunächst hatte er mit diesen Empfindungen wenig anfangen können, doch jetzt, wo er sie schon unzählige Male empfunden, diesen Ort schon unzählige Male gesehen hatte, konnte er an ihnen ablesen, dass er all die Menschen, die er kannte, nie wieder sehen würde.

Immer wieder stellte sich ihm die Frage, wie in aller Welt er sich diese Strafe verdient hatte, wieso ausgerechnet er noch hier war.

Das war irgendwie seltsam, nicht?

Das hier war ein Traum... er war natürlich hier, weil er sich schlafen gelegt hatte.

Dafür, dass Träume so waren, wie sie waren, gab es nicht immer einen nachvollziehbaren Grund... Und im wesentlich war es doch irgendwie egal, was er hier machte, oder?

Es war doch nur ein Traum...

Aber, irgendwie fühlte es sich nicht wie ein Traum an...

Also stellte er sich die Frage, die ihn wohl auch geplagt hätte, wenn er sich wirklich ohne Vorwarnung hier wiederfinden würde - Die Frage danach, was ihn hierher verschlagen hatte.

Vor ein paar Nächten war ihm aufgefallen, dass die großen,kreuzförmigen Monolithen irgendwie wie Evangelions aussahen. Sie hatten zwei getrennte, wenn auch dicht aneinander gedrückte Beine und diese charakteristischen Panzerplatten an unterer Brust und Bauch.

Was jedoch eindeutig fehlte, waren diese Dinger an den Schultern, wo immer die Messer drin waren. Außerdem waren sie komplett grau oder weiß... Einheit Eins war schon mal nicht dabei.

Trotzdem... Könnte es seine Verbindung zu den Evangelions sein, die ihn an diesen

trostlosen Ort verschlagen hatte?

Bis jetzt war er dadurch eher mit anderen in Kontakt gekommen als dass es ihn von ihnen getrennt hätte, aber... Wenn er verlieren sollte... wenn er alles in den Sand setzten sollte...

War es so gewesen? Hatte er versagt?

War er deswegen allein?

Verlassen, weil er nicht gut genug war?

Genau, wie sein Vater ihn damals verlassen hatte?

Das... erschien durchaus wahrscheinlich.

Er glaubte nicht, dass er all das schaffen konnte...

Aber wenn alles vorbei war, wieso war er dann noch hier?

Shinji gingen eine Menge Fragen durch den Kopf - unter anderem auch die, ob es überhaupt noch Sinn machte, die Augen zu öffnen, und sich hier umzusehen.

Eigentlich hatte er die Landschaft in diesem Traum schon unzählige Male gesehen, und etwas wirklich neues geschah in diesem Traum sowieso nicht.

Es war immer der selbe...

Er war immer allein.

Fragte sich immer wieder, warum niemand hier war, um ihn zu finden, obwohl er genau wusste, dass niemand kommen würde.

Seinetwegen würde nie jemand kommen.

Er war es nicht wert, das jemand herkam....

Aber... es war schon einmal jemand gekommen, um ihn zu sehen, irgendwann, vor einer langen Zeit, die sich jetzt unsagbar weit entfernt anfühlte.

Vielleicht... vielleicht war ja jemand hier.

Vielleicht war irgendwo hier in dieser leeren Welt jemand der ihm gefolgt war, als er in diese Einöde verstoßen wurde...

Nicht, das er irgendwem genug bedeutete, das dieser jemand seinetwegen diesen schrecklichen Ort wählen würde. Nicht, dass er es verdient hätte, wenn diese ganze Vernichtung wirklich seine Schuld wäre...

Dazu müsste diese Person ihn schon lieben.

Und er war leider nicht besonders liebenswert.

Er wagte es noch nicht seine Augen zu öffnen, weil er schon genau zu wissen glaubte, dass sie eine bittere Enttäuschung für ihn bereit hielten, doch er konnte es nicht verhindern, dass zumindest die Spitzen seiner Finger sich suchend umher tasteten...

Anders als in den bisherigen Durchläufen dieses Traumes erlaubte er sich, zu wünschen.

Wenn doch nur jemand hier wäre... wenn doch nur jemand bei ihm wäre... es war ihm vollkommen gleich, wer, solange er nur nich mehr so völlig allein an diesem Ort sein würde. Solange es irgendjemandem gab, der ihn lieben könnte.

Er wusste, dass er es nicht verdient hatte, aber nach allem, was geschehen war, konnte er nicht leugnen, dass er sich trotzdem bis in die tiefsten Schichten seiner Existenz danach sehnte.

Deshalb hatte er diese Möglichkeit nicht aufgeben können.

Deshalb hatte er Tokyo-3 damals nicht verlassen.

Also suchte er weiter, tastete und tastere, bis er auch etwas ertastete.

Er fasste es nicht.

Hier, in dieser leeren, einsamen Welt.

Hier, innerhalb der klitzekleinen Reichweite seiner halbherzig suchenden Hand.

Etwas warmes.

Es konnte nicht sein oder?

Das war ein viel zu irrer Zufall... Hier? So nah bei ihm?

Das würde ja bedeuten, dass jemand wirklich wegen ihm hier war, gezielt seine Nähe aufgesucht und sich an seine Seite gelegt hatte...

Egal, wie er es drehte und wendete, da war eine menschliche Hand, da war menschliche Wärme.

Da war jemand, der ihn gebraucht hatte, der zu ihm gekommen war.

Jemand der ihn liebte.

Augenblicklich ergriff er die fremde Hand, schmiegte sein Fleisch an die zierlichen, feingliedrigen Finger.

Er hätte an Ort und stelle losheulen können.

Das... das war doch nicht möglich, dass... hatte er nicht verdient, dass musste ein Missverständnis sein...

Wer das wohl war, der ihm hierher gefolgt war?

Die Person die ihn vermisst, ihn geliebt hatte?

Sein Vater jedenfalls nicht.

Dazu war die Form dieser Hand zu fein, die Finger zu schlank, die Haut zu zart.

Warscheinlich war es sogar ein Mädchen.

Ein Mädchen, dass ihn liebte.

Ein Mädchen... Wer könnte das sein?

Er hatte aufgrund seines jungen Alters und seiner eher schüchternen Persönlichkeit noch überhaupt keine Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht gemacht...

Trotztem tauchten in seinem Bewustsein bei diesem Stichwort zahllose Bilder von Ayanami Rei auf.

Wieso Rei? Weil sie das erste gleichaltrige Mädchen war, das ihm spontan einfiel? Weil sie diese Angewohnheit hatte, ständig in seinen Träumen aufzutauchen?

Es hätte so einfach sein können, doch das war es nicht. Da war mehr, eine ganze Flut von Gefühlen, deren Ursprung er nicht kannte.

Gefühle, die ihn dazu verleiteten, an Rei zu denken.

Rei in ihrem Plugsuit und ihren Bandagen, schwer atmend in seinen Armen liegend.

Rei in einer Ecke des Klassenraumes, völlig alleine aus dem Fenster blickend.

Rei auf dem Schulhof, wie sie auf ihn herabblickte und zu ihm sprach.

Rei, ganz allein, völlig verloren in der Mitte einer Straße.

Er konnte sich nicht mal erinnern, wann das eigentlich gewesen war.

Rei, Rei, Rei, Erinnerungen an Rei, Bilder, die er so eigentlich noch nicht gesehen hatte... In seinem Inneren war alles voll von Rei...

Könnte sie es sein?

Könnte sie es sein, die ihn hier aufgesucht und gefunden hatte?

Nein, das... das wäre viel zu schön, um wahr zu sein...

Und es war auch nicht war.

Als Shinji nämlich befreit von seiner Angst vor der vollkommenmen Einsamkeit dieser öden Landschaft erwartungsvoll seine Augen geöffnet hatte, sah er, dass da absolut niemand neben ihm lag.

Er hatte sich an einen einzelnen abgetrennten Arm geklammert.

Ihm blieb nicht einmal die Kraft, mit Ekel zu reagieren und das einzelne Gliedmaß loszulassen.

Es war einfach nicht fair.

Er war völlig, völlig allein...

Und das war seine Schuld.

Sein Werk.

Ja, jetzt erinnerte er sich.

Sein Werk.

Er war es gewesen.

Er hatte diese leere, zerklüftete Welt geschaffen, und hatte auch noch die Frechheit besessen, zurückzukehren.

Er wusste nicht wie in Gottes Namen er das gemacht hatte, oder was ihn dazu getrieben hatte, aber er war sich sicher, dass alles hier das Resultat seiner höchst eigenen Handlungen war.

Kein Wunder, dass niemand hier bei ihm war.

Er war egoistisch, feige, unehrlich und schwach.

Er verdiente das hier, das und nichts anderes.

Und er hatte nicht mehr die Kraft, um wegzulaufen.

"Ich sehe es ein..." sprach Shinjis Traum-Ich sich vollkommen resigniert seinem Schicksal fügend, erdrückt von zahllosen Verlusten, die sein gegenwärtiges Pendant nicht verstehen konnte.

"Ich werde sie alle wohl nie wieder sehen... Aber ich schätze, jetzt, wo ich schon mal hier bin, kann ich auch weiter leben..."
 

Als Shinji schließlich seine Augen aufriss, war sein ganzer Körper in Schweiß gepackt. Er hatte seid seiner Ankunft hier viele Albträume gehabt, von den Kämpfen, seinem Vater und neuerdings auch diesem Mordanschlag, doch dieser hier war definitiv einer der schlimmsten überhaupt gewesen.

Dieses überwältigende Gefühl der Einsamkeit... schon daran zu denken jagte ihm eiskalte Schauer über den Rücken.

Die Decke über seinem Kopf kam ihm mitlerweile auch von sich aus vertraut vor, ohne dass dazu die Nachwirkungen des Traumes nötig waren, dafür war der Eindruck, dass in diesem Haus irgendwo noch eine Mädchenstimme zu hören sein müsste, um so stärker geworden.

Kaum, dass Shinji sich aufgesetzt hatte, war auch schon alles verflogen, und die nun etwas verwischte Erinnerung an den Traum machte schon längst keinen Sinn mehr, doch Shinji konnte nicht anders, als sich zu fragen, wie viel verrückter sein Leben wohl noch werden würde.

Er hatte bis jetzt noch zu niemandem ein Wort über diese Frau... nein, dieses Ding verloren, dass versucht hatte, ihn umzubringen.

Doch auch dieses Erlebnis brachte seine Gedanken ähnlich wie dieser Traum wieder zu der Person zurück, um die sie schon seid langem große Kreise zu ziehen schienen: Ayanami Rei.

Das war schon irgendwie verrückt gewesen, dass er in diesem ohnehin schon absolut irren Albtraum ausgerechnet an sie gedacht hatte.

Denn wenn er es recht bedachte, hatten sie in der ganzen Zeit, die Shinji hier in Tokyo-3 lebte noch überhaupt keinen richtiges Gespräch miteinander geführt.

Diese Festellung kam ihm, obwohl sie wahr war, doch irgendwie ernüchternd, wenn nicht sogar enttäuschend vor

Eigentlich war sie für ihn ja doch eine volkommende Fremde, auch wenn er irgendwie das Gefühl hatte, bereits eine Ewigkeit mit ihr verbracht zu haben... weil er so oft an sie dachte?

Aber was hieß schon, an sie denken? Ja, er dachte an sie, aber eigentlich dachte er nicht über sie nach. Dazu müsste er erst irgendwas über sie wissen, aber eigentlich wusste er eigentlich nur ihren Namen, und dass sie als Evapilotin eingeteilt war, genau wie er.

Die Erkenntnis, dass er, was sie anging, eigentlich total ahnungslos war, und nüchtern gesehen eigentlich überhaupt keine Verbindung zu ihr hatte, traf ihn wie eine kalte Dusche.

Er hatte sie in Gedanken immer zu seinem neuem Umfeld dazugerechnet. Sie ständig aus der Ferne heraus beobachtet, mitangesehen, wie sie zum Fernster heraus sah, wie die Bandagen an ihrem Körper stetig weniger wurden.

Sie war der Grund dafür, dass er hier war.

Sein Vater hatte ihn holen lassen, weil sie verletzt war.

Weil er sie nicht in den Kampf schicken wollte.

Und er wusste nicht einmal, woher diese Verletzungen stammten.
 

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Nachdem Shinji sich angezogen,gefrühstückt und sich etwas Essen eingepackt hatte, machte er sich wie gewohnt auf den Weg zur Schule - Misato hatte heute etwas früher das Haus verlassen, weil sie bei NERV noch irgendetwas erledigen wollte - angeblich eine Sicherheitsangelegenheit.

Vielleicht hatte es ja etwas mit dem Zeitungsarttikel zu tun, den Shinji auf den Tisch gefunden hatte - angeblich hatte der Tokyo-3-Serienmörder wieder zugeschlagen. Und das beunruhigte Shinji mehr als die meisten Bewohner dieser Stadt - denn er war sich verdammt sicher, gesehen zu haben, wie diese Frau vom Sicherheitsdienst das Ding vor seinen Augen erschossen hatte... andererseits, wer wusste, ob sich so ein... so ein... Wesen überhaupt von Kugeln aufhalten ließ... Die Implikationen dieses Gedankengangs waren so irre und furchterregend, das Shinji sie in einen Winkel seines Bewustseins presste, und sich auf die erträglicheren Tatsachen seines Lebens zu konzentrieren...

Dieses Ding war ihm doch nur zufällig über den Weg gelaufen, es hatte seine Opfer bis jetzt mehr oder weniger wahllos umgebracht... Es ghsb keinen Grund anzunehmen, das es speziell hinter ihm her war, oder?

Sonst hätte es in der vorangegangenen Woche eine Menge Gelegenheiten gehabt, in zu töten, nicht? Aber es war nichts der gleichen passiert.

Er sprach zwar davon, dass sein Leben immer verrückter werde, aber die letzte Woche war, bis auf die seltsamen Träume, eigentlich erstaunlich normal, wenn nicht sogar angenehm verlaufen.

Er hatte mitlerweile gelernt, Misatos Launen ein bisschen einzuschätzen und hatte nach und nach begonnen, etwas freier mit ihr zu sprechen.

Nicht über die großen Fragen des Lebens oder seine innersten Sorgen, aber doch über die ganz normalen Dinge, die er an den jeweiligen Tagen getan hatte, und irgendwo war es doch ganz angenehm, einfach mal unbeschwert über unmwichtige Sachen zu reden und einander etwas besser kennenzulernen.

Natürlich gab es immernoch Momente, in denen er sich isoliert fühlte und darüber nachgrübelte, dass das alles doch nur irgendwie Oberflächlich war und das jeder Zeit ein weiterer, schrecklicher Kampf anstehen könnte, aber er fühlte sich nicht mehr die ganze Zeit so, vor allem nicht mehr in der Schule.

Seid letzter Woche erwarteten ihn Touji und Kensuke des öfteren irgendwo auf dem Weg zur Schule, wo er dann meistens seinen Musikplayer ausschaltete und sich zu ihnen gesellte - Ehrlich lächelnd und dankbar über die ersten beiden wirklichen Freunde, die er je hatte.

Sie unterhielten sich in den Pausen miteinander, scherzten über den alten Lehrer oder die Klassensprecherin und sonstigen Jungs-Kram.

Er war kaum zu glauben, wie einfach das gegangen war - Er hatte sich zunächst etwas daran gewöhnen müssen, so oft in einer 'Geprächs-Situation' zu sein, doch nach ein paar von Toujis Blödelleien war Shinjis anfängliche Nervosität wie weggeblasen und die Interaktionen gingen ihm ohne großes überlegen von der Hand, fast schon als wäre es etwas natürliches, das er sein ganzes Leben lang gemacht hatte.

Am zweiten Tag wurden Touji und Kensuke wohl das erste Mal in diesem Jahrhundert von der Klassensprecherin dafür gelobt, dass sie ihn 'Erfolgreich in die Klassengemeinschaft eingegliedert hätten', und danach schien es auch alle anderen irgendwie normal zu sein, dass sie drei zusammen abhingen.

Und auch für Touji und Kensuke selbst war es mittlerweile völlig normal, den stillen EVA-Piloten freundschaftlich zu begrüßen, sobald er den Raum betrat.

"Hi Ikari!" kam es von den zwei winkenden Jungs auch heute wieder.

Shinji hatte sich immer noch nicht ganz daran gewöhnen können.

Zaghaft winkte der den Beiden zurück, entfernte seine Kopfhörer und begab sich zu den beiden hinüber, hinein in eines dieser kleinen Grüppchen, zwischen denen er bis jetzt nur hindurchgewalndelt war.

"Hallo, ihr zwei..." grüßte er zaghaft zurück. "Uh, es ist... schön euch zu sehen."

"Ganz unsererseits." entgegnete Touji. "...Aber sag mal, wo hast du gestern eigentlich gesteckt?"

"Ich... uh... ich war bei NERV. Habe ich etwas wichtiges verpasst?"

"Nö, nich wirklich." gab Touji zu. "In Mathe haben wir nur noch ein paar langweilige Widerholungen gemacht und in Geschichte mussten wir den üblichen Vortrag über den Second Impact angehören."

"Was genau hast du da eigentlich gemacht?" wollte Kensuke wissen. "Pilotentraining?"

"So ähnlich." bestätigte Shinji. "Ritsuko-san von der technischen Abteilung und ihre Kollegen haben ein paar neue Kampfsimulationen programiert, die ich halt machen sollte..."

"Wow! Echte Kampfsimulationen! Mit... Holodecks und sowas? Du Glückspilz! Klingt wesentlich interessanter, als hier in der Schule einfach herumzusitzen..."

"Nun, so aufregend ist es auch wieder nicht..." meinte Shinji. "Eigentlich waren das nur einfache Zielübungen... Aber ich hab' ja auch nie zuvor mit richtigen Knarren oder Messern zu tun gehabt, also ist es wohl gut... dass ich sie mache... schließlich... könnte jeder Zeit der nächste Feind auftauchen..."

Zum Ende dieses Satzes hin klasg der junge EVA-Pilot zunehmend beunruhigt, und Touji fiel es nicht all zu schwer, sich vorzustellen, warum. Also beschloss er, dass Thema zu wecvhseln, bevor Kensuke weiter nachboren konnte: "Ach ja, Ikari, wusstest du schon, dass du jetzt offiziell nicht mehr der Neue bist?"

"Uh... Wieso...?"

"Weil wir einen... äh, neueren Neuen gekriegt haben." verkündete der Junge in dem Jogginganzug.

"Ach was, wirklich?"

"Ja. Er ist gestern dazugekommen, als du weg warst. Der da hinten, mit dem Kopfverband. Ich denke, er heißt Mitsurugi. Mitsurugi... Nanao?"

"Nagato." korrigierte Kensuke. "Aber nah dran war's."

Tatsächlich entzdeckte Shinji in einer der hinteren Ecken des Klassenzimmers ein noch unbekanntes Gesicht.

Es handelte sich um einen schlanken, hochgewachsenen Jungen, der genau, wie Touji es beschrieben hatte, einen dicken Verband an seinem Kopf hatte, unter dem glänzendes, kinnlang geschnittenes, schwarzes Haar in Form einer Art Haubenfrisur hervorquoll.

Seine Haarfarbe tat, genau wie das schwarze Unterhemd, dass man unter seinen ordentlich zugeknöpften, makellosen Schuluniform hervorschauenm sah, ihr übriges, um seine ohnehin schlon blasse Gesichtsfarbe zu verstärken, auch wenn ihn ein gewisses Mädchen in Punkto Blässe trotz allem noch bei weiten in dem Schatten stellte.

Seine stahlgrauen Augen waren ganz und gar auf das kleine Geduldsspielchen fixiert, mit der er sich die Zeit bis zur Ankunft des alten Lehrers vertrieb.

"Dieser Verband sieht ganz schön übel aus." kommentierte Kensuke. "Ich frag mich, was ihn da erwischt hat..."

Doch Shinji hörte ihnen gar nicht mehr zu. Seine Gedanken waren schon wieder ganz wo anders. Denn bei seinem Blick auf Mitsurugis Verband hatte sein Blick jemanden getrieft, den er heute zum ersten Mal vollkommen ohne Bandagen zu sehen bekam: Das Mädchen, das zwei Reihen vor dem Neuzugang saß...

Ayanami Rei.

Da sie wieder einmal nur aus dem Fenster in die Landschaft hinein blickte, bekam Shinji wie sooft nur ihren blauen Hinterkopf zu sehen - doch der reichte, um zu verifizieren, dass die Bandagen wirklich fort waren - und auch ihr zweites Augen war wider ertwarten doch noch (wieder?) intakt.

Shinji hatte sich schon längere Zeit Sorgen darüber gemacht, dass sie es permanent verloren haben könnte, doch diese hatten sich jetzt als unberechtigt herausgestellt.

Allmählich hatte Shinji sich mit dem Gedanken angefreundet, dass sie wohl doch immer so blass war. Ihre Haut war kaum dunkler als die weißen Teile ihrer simplen Schuluniform - Verbände oder nicht, sie sah immernoch so aus, als ob sie jeden Moment kollabieren und sterben könnte.

Es lag auch irgendwie an ihrem zierlichen, feinen Körperbau, an der hellen, geisterhaften Farbe ihres Haarschopfes, dessen Farbe von der durch das Fenster einfallenden Sonne nur noch verstärkt wurde...

Er würde sie am liebsten in den Arm nehmen und in ein warmes, sicheres Bett legen, wo sie es schön weich und kuschelig hatte und nicht die Gefahr lief, auch nur gestubst zu werden...

"Hey, Ikari! Hörst du mir überhaupt zu?"

Es war Toujis leicht genervte Stimme, die den jungen EVA-Piloten aus der Kontemplation des Mädchens herausriss, dass ihn schon seid Wochen in ihrem unerklärlichen Bann hielt.

"Uh... was... was hast du noch mal gesagt?"

"Er hat gemeint, dass es ungewöhnlich sei, dass wir einen Neuen bekommen haben." erklärte Kensuke.

"Wieso denn?"

"Na ja, sieh dich mal um. Es ist hier in letzter Zeit doch ziemlich leer geworden." setzte der Militärfreak fort. "Weißt du, vor dem ersten Kampf sind hier fast alle Klassenräume aus allen Nähten geplatzt, weil Tokyo-3 ja die neue Hauptstadt werden soll, aber unsere Klasse blieb vor dem großen Andrang aus irgendeinem Grund größtenteils verschont. Und ausgerechnet jetzt, wo alle unbedingt aus der Stadt herauswollen, bekommen wir als einzige zwei Neulinge, dich mit eingerechnet.

Vor den Kämpfen ist bei uns eigentlich nur Ayanami dazugekommen..."

"Ayanami, hm?"

Bevor Shinji weiter nachfragen konnte, erschien der alte Lehrer in der Tür, und auch Hikari, die Klassensprecherin trat rasch ihren Dienst an und verteilte ihre üblichen Kommandos:
 

"Aufstehen! Verbeugen! Setzen!"
 

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Die Unterrichtsstunde gestaltete sich in etwa genau so 'interessant' wie alle anderen auch, sodass sämtliche Schüler sehr erleichtert waren, als der Himmel endlich mit ihnen Erbarmen hatte und es zur Pause schellen ließ.

Nachdem er seine Sachen in seine Tasche gestopft hatte, wanderten seine Blicke jetzt, wo er schon mal stand, direkt in die Reihen hinter ihm.

Wortlos sah er zu, wie Ayanami ohne großes zeremoniell ihre Sachen packte und sich wortlos aus seinem Blickfeld begab.

Selbst, ihr bei solch alltäglichen Dingen wie dem Zusammenpacken von Schulkram zuzusehen, war seltsam fesselnd. Da war immer diese seltsame Aura der Vertrautheit, die an die Schritte dieses Mädchens geheftet war.

Durch das Verlassen ihres Platzes gab sie den vollen Blick auf den neuen Schüler frei, der irgendetwas auf ein Papier krizelte - vielleicht vergessene Hausaufgaben?

Shinji wusste es nicht.

Jedenfalls saß er völlig alleine auf seinem Platz - kein Wunder, er war ja auch neu. Shinji konnte sich nur all zu gut daran erinnern, wie er seine ersten Wochen in dieser Schule völlig einsam und allein verbracht hatte...

Jetzt hatte er Touji und Kensuke, aber dass hieß nicht, dass er vergessen hatte, wie mies sich man sich in so einer Situation fühlte.

Ob dieser Mitsurugi auch keinen Anschluss gefunden hatte?

Zugegeben, es war erst sein zweiter Tag hier, doch Shinji stellte sich die Frage, ob er dem Jungen nicht die ganze Tortur ersparen und ihn gleich ansprechen sollte... und sei es nur zum einfachen kennen lernen.

Zögerlich bewegte sich Shinji auf seinen neuen Mitschüler zu - bei näherer Betrachtung erwiesen sich die Blätter, auf denen er herumgekritzelt hatte, als Sudokus und Kreuzworträtsel, an deren Ausfüllung er von der Schulglocke völlig unbehelligt weiter arbeitete.

Seine Augen waren wieder nur auf die Rätselblätter vor seiner Nase konzentriert, und Shinji glaubte nicht, dass der Neue ihn überhaupt schon bemerkt hatte.

Gut, dass ließ die Wahl der ersten Worte bei Shinji.

Nur, dass er überhaupt nicht wusste, was er denn sagen sollte.

Und sein Glück verließ ihn genau so schnell wie sein Mut: Früher oder später hätte der schwarzhaarige Junge über seine Sudokus hinweg blicken müssen, und die Möglichkeit, die sich das Schicksal ausgewählt hatte, war 'früher'.

So kam es, das sich Shinji von einem Moment auf den anderen darüber bewusst wurde, das Mitsurugi ihn schon geraume Zeit mit Zeichen leichter verwunderung auf seinem Gesicht zu ihm hoch blickte, und wahrscheinlich darauf wartete, das er etwas sagte.

"Uh..."

Von der Aufregung deutlich behindert suchte sein Gehirn nach Möglichkeiten, ein Gespräch zu beginnen... er hatte sich ja noch gar nicht vorgestellt.

Das war etwas, sich vorstellen ist immer gut...

"G-Guten Morgen, Mitsurugi...-san... Ich... ich bin, uh, Ikari Shinji. Ich wollte mich nur mal vorstellen, weil ich, uh, gestern nicht da war."

Mitsurugis Gesichtsausdruck verriet nicht all zu viel über seine Reaktion.

"Vielen Dank. Ich wünsche dir ebenfalls einen guten Morgen, Ikari-san." gab

er höflich aber dennoch trocken an. "Die anderen reden viel über dich. Du bist der 'alte' Neue, nicht?"

"St-stimmt genau!" antwortete Shinji von einem hektischen Nicken betrachtet.

Danach blieb es erstmal still.

Mitsurugi sah bloß still zu ihm hoch.

Es wäre alles wohl wesentlich leichter gewesen, wenn er einer von der gesprächigen Sorte gewesen wäre, und viele Fragen gestellt hätte...

Shinji fragte sich, was die anderen wohl über ihn erzählten.

Doch jetzt musste ihm erst mal ein neues Gesprächsthema einfallen, nach Möglichkeit vor Ende der Pause.

"Wir haben jetzt als nächstes, ähm, Sport..." fiel Shinji spontan ein.

"Soll ich dir vielleich den, äh, Weg zur Sporthalle zeigen...?

Oder denkst du, du findest ihn allein?"

Mitsurugi schüttelte leicht den Kopf.

"Vielen Dank für dein Angebot, aber die Mühe brauchst du dir nicht zu machen..."

"Es, uh... macht mir wirklich nichts aus!"

"So meine ich das nicht... Ich gehe nicht hin."

Und da fiel es Shinji wie Schuppen aus den Haaren.

Natürlich. Was auch immer den Kopf dieses Jungen so demoliert hatte, dass er diese Verbände nötig hjatte, hatte ihn sicherlich nicht in der Verfassung zurückgelassen, Sport treiben zu können.

Es war irgendwie doch sehr deprimierend, so früh schon in ein Fettnäpfchen getreten zu sein. "Es, uh, tut mir sehr Leid ich... na ja, jendenfalls tut es mir leid."
 

"Hey, Ikari!" Die Zeit war wohl um.

Das war Toujis Stimme und als Shinji sich etwas zu ihm umdrehte, stellte er fest, dass er Kensuke im Schlepptau hatte, alle beide mit Sporttaschen bewaffnet.

Kensukes Tasche zierte natürlich ein Tarnmunster.

"...was stehst du noch hier rum? Wenn wir zu spät kommen, bekommen wir einen Anschiss von der Klassensprecherin."

"Wir können, ähm, also sofort losgehen..." antwortete Shinji, der seinen eigenen Turnbeutel bereits bei verlassen seines Sitzplatzes mitgeführt hatte.

"Und du kannst natürlich auch mirkommen, wenn du willst." Meinte Kensuke zu Mitsurugi. Doch dieser schüttelte nur wieder den Kopf.

"Er, uh, geht nicht hin." erklärte Shinji.

"Verstehe..." antwortete Touji. "Ach ja, hast du der Klassensprecherin schon 'ne ärztliche Bescheinigung gegeben, dass du nicht in Sport kannst?"

"Horaki-san meinst du...? Nein, ich... fürchte, dass ich das versäumt habe." gab der Junge mit dem Kopfverband zu. "Ich habe aber eine Bescheinigung..."

"Dann solltest du sie ihr schleuningst geben. Sie verwaltet diesen ganzen Organisations-Kram und das Klassenbuch, und glaub mir, die kann manchmal recht zickig werden..."

"Oder wartet mal. Wie wär's, wenn wir ihr das Teil bringen?" schlug Kensuke vor. "Ich glaube nicht, dass wir sie auf dem Weg zu den Sportanlagen noch einholen, aber wir könnten es ihr mindestens auf dem Rückweg geben, bevor sie dir 'ne Standpauke halten kann."

"Das wäre wirklich sehr freundlich von euch. Vielen hezlichen Dank." erwiderte Mitsurugi relativ nüchtern und von einem Nicken begleitet, bevor er den dreien ein Papier hinhielt, welchen Kensuke dann sogleich einsteckte, während er bereits los lief, um Touji einzuholen, der bereits bei dem 'vielen Dank' losmarschiert war, um mit etwas Glück noch rechtzeitig den Sportplatz zu erreichen.

Shinji hinterließ dem 'neuen Neuen' noch ein paar karge Abschiedsworte, bevor er seinen Freunden hinterhereilte.

"Der Neue tut mir echt leid." meinte Touji halb scherzend zu seinen Freunden, sobald sie ihn erreichten. "Verpasst den Sportunterricht. Das einzige Fach in der Schule, wo man tatsächlich gute Noten für's Spaßhaben kriegt."

"Das kommt darauf an, ob einem Sport Spaß macht." wand Kensuke ein.

"Ich fall dabei nur auf die Nase und bin danach komplett verschwitzt. Aber ich schätze, die Sachen, die man gut kann, machen einem meistens Spaß..."

"Was ist denn mit dir, Ikari?" fragte Touji schließlich das neuste Mitglied ihres Grüppchens. "Wie hast du's denn mit dem Sport?"

"Ich... ich weiß nicht so recht... "

Das er sich nie so recht so recht getraut hatte, die Kinder in seinem kleinen Dorf zu fragen, ob er mitspielen durfte, ließ er an dieser Stelle einfach mal aus. "Ich... hoffe nur, dass ich keinen Ball ins Gesicht kriege..."

"Da kann ich dich beruhigen, wir machen Ausdauerlauf... Obwohl das bei der sängenden Hitze natürlich eher weniger beruhigend ist..." gab Kensuke schmunzelnd zu. "Die Mädchen haben's gut, die dürfen schwimmen gehen, während wir in der Sonne braten..."

Doch Touji sah das ganze etwas gelassener: "Na ja, immerhin haben wir vom Sportplatz aus einen ziemlich tollen Ausblick auf das Schwimmbecken... Noch was, das der arme Mitsurugi wohl verpassen wird..." Er untermalte seine dies bezüglichen Pläne mit einem Grinsen, dass auf die... unanständige Natur seiner Gedanken hinwies.

auch Kensuke schien sich von diesem, uh, Gendankengut angesteckt zu haben, doch Shinji war dagegen in ganz andere Gedanken versunken.

Er stellte sich das nicht als besonders toll vor, alleine im Klassenzimmer zu sitzen, während alle anderen raus in die Sonne gehen, doch es war nicht primär Mitsurugi, an den er jetzt dachte - es war erst sein zweiter Tag hier; Er würde sicher bald Anschluss finden.

Doch es gab da noch jemand anderen.

Jemand, der die letzten Wochen allein in diesem Klassenraum verbracht hatte, egal, ob die anderen Schüler in Sport waren oder nicht.

Er hatte sie noch nie mit jemand anderem zusammen gesehen, hatte in der ganzen Zeit, die er schon hier war, nie erlebt, wie sie sich mit jemandem unterhielt.

Er erinnerte sich noch ganz genau, das sie in den ersten Wochen nach seinem Wechsel an die Schule die einzige gewesen war, die genau so einsam und allein gewesen zu sein schien wie er...

Ayanami Rei.

Doch jetzt hatte er Touji und Kensuke.

Er war nicht mehr ganz allein.

Aber sie war es noch.

Sie war es schon die ganze Zeit gewesen.

Shinji wusste nicht, wieso, aber es machte den Anschein, dass sie... immer so ganz allein war.

Das arme Mädchen...

Er wusste ja selbst wie es war, völlig einsam zu sein, und wenn er daran dachte, dass dieses zierliche, zerbrechliche Wesen immernoch in dieser Hölle festsaß, konnte er nicht anders, als es als eine himmelschreiende Ungerechtigkeit zu empfinden.
 

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Durch die Dimensionen der Rennbahn bedingt bot es sich an,

die Jungs aus der Klasse II-A in zwei Grüppchen einzuteilen, und ihnen dann

nacheinander das zweifelhafte Vergnügen zu gönnen, in der sängenden Sonne einen

Zwölfminutenlauf machen zu 'dürfen'.

Während die erste Gruppe bereits ihr Martyrium durchlitt, wartete die zweite auf der Ersatzbank auf ihr grausiges Schicksal - so auch Shinji.

Die Zeit vor dem Dauerlauf vertrieben sich die Jungs unter anderem damit, zu dem etwas höher auf dem Dach eines Nebengebäudes liegenden Schwimmbecken hochzusehen, wo die Mädchen in ihren schwarzen Uniformbadeanzügen Wassersport praktizierten.

Doch Shinjis Blick ging vorbei an all den gebräunten Schönheiten mit ihren üppigen Leibern voller prachtvoller Kurven.

Die Mädchen waren alle schön, doch es sah die eine wie die andere aus;

Shinji hätte die Unterschiede zwischen ihnen nicht benennen können.

So kam es, dass er sie alle letzten Endes zugunsten eines kränklich

aussehenden Mädchens mit einer simplen Kurzhaarfrisur verschmähte, die zwischen ihren Mitschülerinnen hervortach wie eine Oase in der Wüste. Seine ungeteilte

Aufmerksamkeit galt einzig und allein dem zierlichen, blassen Wesen, das mit

angezogenen Beinen einsam und allein in einer Ecke saß wie ein verlassenes, vergessenes Kind.

Es machte ihn irgendwie traurig...
 

Doch Shinji war nicht der einzige, dessen Blicke zu den leicht bekleideten Damen schwenken ließ - und diese nahmen davon auch irgenwann unweigerlich Notiz:

"Hey, gib mir mal das Handtuch!" bat eine von ihnen. "Die Jungs glotzen wieder..."

"Suzuhara ist der schlimmste!"

"Aber Ikari find ich irgendwie süß... HEY! IKARI-KUN!"

Shinji nahm die Schmeichelei nicht wirklich wahr,genau so wenig, wie die

unanständigen Kommentare seiner von dem Anblick recht erfreuten Freunde - er war viel zu sehr in Gedanken über das Subjekt seiner eigenen Beobachtungen

versunken.

Doch auch das blieb nicht lange unbemerkt: Nachdem die zickige

Klassensprecherin und ihre Freundin ihre Schenkel mit Handtüchern verhüllt

hatten, beschloss Touji aus einer Art spontanen Neugier heraus mal nachzusehen,

wo denn seine Kumpels hingeschaut hatten.

Da Kensuke auf die selbe Idee gekommen sein schien wie er, konnte Touji davon ausgehen, dass die Person, der sein Kumpel auf den Hintern gestarrt hatte, sich entweder bedeckt hatte, oder mit Schwimmen dran war.

Shinji hingegen blickte weiterhin fest in ein und die selbe Richtung, als ob er die Welt um sich herum komplett vergessen hätte.

"Hey Meister! Wo guckst du denn so angestrengt hin?" erkundigte sich

Touji mit einem breiten Grinsen.

"U-Uh, nirgendwo hin..." stammelte Shinji verunsichert, sich schlagartig darüber bewusst werdend, dass man seine Observationen auch mächtig falsch verstehen könnte.

Doch es war schon zu spät: Für Kensuke, der sich nun grinsend zu den beiden herüberlehnte, war es anscheinend ein leichtes gewesen, zu erkennen, wo, oder besser, zu wem Shinji da hinübergeschaut hatte: "Kann es sein, dass du Ayanami angaffst?"

fragte er breit grinsend.

"W-Wie kommst du denn da drauf?" entgegnete Shinji in einem verzweifelterm Versuch, einem sehr großen Missverständnis vorzubeugen.

Er hatte Ayanami ganz sicher nicht... so angehesehen...

Doch der Schaden war bereits angerichtet, und jedes Abstreiten stellte für seine breit grinsenden Freunde nur eine weitere Besätigung dar: "Ich hab dich beobachtet!" verkündete Kensuke. "Mit den Augen ausgezogen hast du sie!"

"Und dabei von ihren prallen Brüsten geträumt!" ergänzte Touji. "Ihren seidenweichen Schenkeln... und vor allem von dem, WAS DAZWISCHEN IST!"
 

Den letzten Part hatten die zwei mehr oder weniger im Chor gesagt und waren dabei auch unangenehm nah an Shinjis Gesicht gekommen, sodass er sich nun vorsichtig etwas entfernte.

"N-Nein, so war das wirklich nicht..." versuchte es es noch mal, ohne wirklich daran zu glauben, dass er der Brandmarkung als Lustmolch noch entgehen konnte.

"Warum hast du dann zu ihr rübergeguckt?" entgegnete Kensuke, dass mehr als eine rhetorische Frage einsetzend.

"Denn das hast du, streit es ja nicht ab!"

Sein Gesicht betrübt von seinen Freunden abwendend rückte Shinji schließlich mit der Wahrheit heraus: "Ich habe mich nur gefragt... warum sie immer allein ist..."

Kensuke und Touji, die so eine ernsthjafte Antwort wohl nicht erwartet hatten, brachten sich wieder in halbwegs normale Positionen.

Darüber hatte bis jetzt keiner von ihnen so recht nachgedacht.

"Hm.. Ich weiß auch nicht." gab Touji zu.

"Aber es stimmt schon. Hier auf der Schule hat sie jendenfalls noch nie

irgendwelche Freunde gehabt...."

"Sie sagt ja auch nie was." ergänzte

Kensuke. "Sitzt immer nur stumm da und starrt vor sich hin..."

"Sie ist uns einfach nicht zugänglich..."

"Kann sein, dass sie 'ne schlechte Persönlichkeit hat, wegen der sich keiner mit ihr abgeben will..."

"Oder vielleicht ist sie ja ein bisschen zurückgeblieben oder sowas..."

So hatte es Shinji noch nicht betrachtet... Wenn er es recht bedachte, hatte er wirklich nie beobachtet, wie sie versucht hatte, mit anderen zu reden oder diese auch nur angesehen hatte...

Gleich anzunehmen, dass sie ein schlechter Mensch oder gar 'zurückgeblieben' sei, erschien Shinji zwar etwas krass, (Vielleicht wollte es auch einfach nur nicht in seinen Kopf gehen, dass es so etwas 'normales' sein könnte) aber was sich nicht bestreiten ließ, war das

Rei ihren Statur als Außenseiterin entweder teilweise selbst verschuldet hatte,

oder aber es nicht geschafft hatte, aktiv etwas dagegen unternehmen.

Aber nichts von alledem machte auch nur im entferntesten Sinn, und er kannte sie wohl auch bei weitem nicht gut genug, um irgendwelche Schlussfolgerungen über sie ziehen zu können. Es wäre nicht fair, einfach etwas daherzuspekulieren, ohne

überhaupt jemals mit ihr gesprochen zu haben - und auch, wenn er sehr oft

darüber nachgedacht hatte und versucht hatte, sich in seinem Kopf auszumalen,

wie ein Gespräch mit ihr wohl laufen würde, dachte er nicht, dass er sich jemals dazu durchringen würde, sie anzusprechen...

Es war irgendwie sehr entmutigend.

Doch bevor Shinji Zeit hatte, weiter sein Denkorgan zu strapazieren, ertönte die Pfeife des Lehrers - Ein sicheres Zeichen dafür, dass ihn und seine Freunde jetzt mit die Tortur des Ausdauerlaufes erwartete.

Doch die war ihm schon längst schnurzpiepegal; Er war nicht mehr in der

Stimmung, um sich halb scherzend über so etwas zu beklagen.

Da war etwas ganz anderes, dass ihn in seinem Inneren beschäftigte, und die Außenwelt einfach an sich vorbeiziehen ließ.

Das Rätsel der Ayanami Rei.

"Sie ist doch auch EVA-Pilotin, oder?" erkundigte sich Kensuke noch im Laufen. "Du müsstest sie doch eigentlich besser kennen als wir."

"Stimmt genau." pflichtete Touji ihm bei.

Doch das half nur geringfügig dabei, Shinji um seine betrübte Stimmung oder die zahlreichen Fragen in seinem Kopf zu erleichtern.

Es bekräftigte nur die traurige Feststellung, zu der er selbst längst gelangt war...

Das er und Rei trotz ihres geteilten Schicksals und bald wohl auch geteilten

Leides eigentlich überhaupt nichts miteinander zu tun hatten.

"Es stimmt schon..." gab Shinji resigniert zu. "...Aber wir reden kaum

miteinander..."
 

---
 

An diesem Nachmittag stand wieder ein Harmonixtest bei NERV an - diesesmal einer, der direkt in den Cages stattfinden sollte; Er würde dabei also tatsächlich in seinem Evangelion sitzen - doch nicht nur er.

Erstmalig nach dem Vorfall, bei dem sie sich ihre Verletzungen zugezogen hatte, sollte Ayanami Rei wieder an den Experimenten teilnehmen...

Doch vor diesem Test stand noch ein Zwischenstopp an - Misato hatte Dr. Agaki angeboten, sie bei ihrer Tätigkeit an der Stätte des letzten Kampfes zu treffen und sich bei dieser Gelegenheit über der Stand der aktuellen Forschungen zu erkundigen - Wie ihr Vorgänger war der letzte Engel nach ihrer

Niederlage komplett zu einer dickflüssigen Pampe zerplatzt, doch anders als

dieser hatte der fünfte Engel etwas zurückgelassen: Ihre erstarrten Tentakel,

die bei ihrem Tod noch in Einheit Eins gesteckt hatten.

Jetzt, wo man sie schon lange von dort geborgen und mit improvisierten Pavillions überdacht hatte, hatten die Wissenschaftler ihre helle Freude mit dem Abtragen und Analysieren zahlloser Proben.

Er hatte diese Peitschen leuchtend, flexibel, schnell und tödlich in Erinnerung; jetzt stand er vor kollossalen, starren, grauen Gebilden,

deren monumentale Dimensionen er in dem selbst nicht gerade kleinen Evangelion

nicht wirklich realisiert hatte.

Die graue, an den Rändern im Rahmen ihres Zerfallsprozess seltsam verwischt oder wie das Bild auf einer alten, im verblassen befindliche Fotografie aussehende Materie hatte wenig Ähnlichkeit mit den Waffen, die ihn, oder eigentlich ja EVA 01 durchbohnt hatten, und er hätte sie wohl nicht als solche erkannt, wenn man es ihm nicht vorher erzählt hätte.

Das aus der Explosion des Wesens resultierende Blut war schon größtenteils beseitigt worden, auch, wenn der unangenehme Geruch der Flüssigkeit immer noch nicht komplett aus der Luft gewaschen war, und wahrgenommen werden konnte, wenn man sich etwas konzentrierte.

Man erlebte das fremde Wesen doch anders, als wenn man ihm im Kampf gegenüberstand; Wenn man von Todesangst gepeitscht mit einem großen Monster rang, dachte man nicht viel nach; Man versuchte es zu vernichten, um

selbst zu überleben. Er hatte im Kampf zum Beispiel nie die Zeit, wirklich auf

die Struktur des Feides zu blicken oder darüber nachzudenken, gegen was er da

eigentlich kämpfte...

"Es ist ein komisches Gefühl, den Feind so aus der Nähe zu sehen..." fasste Shinji seine bisherigen Eindrücke nachdenklich zusammen.

Gemeinsam mit Misato hatte er unter dem fürr die Analyse des Engels

aufgebauten Pavillon nun endlich Dr. Akagi gefunden, die sie alle bereits auf

einem Gerüst erwartet hatte, sich ihnen nun mit einem Klemmbrett in der Hand

zuwendendete.

"Sehr gut..." lobte sie von oben her. "...Durch die Art, wie du

ihn erledigt hast, ist dieser Engel im Gegensatz zum letzten nicht explodiert,

sondern einfach nur zerflossen, und hat uns dabei diese 'Arme' hier dagelassen.

Jetzt haben wir endlich etwas, dass wir erforschen können... Und das verdanken

wir nur dir."

Shinji wusste nicht so recht, was er mit diesem Lob anfangen

sollte.

Er hatte bei seinem Kampf sicher nicht darüber nachgedacht, ob der Engel später ein gutes Forschungsobjekt abgeben würde, oder nicht.

"Und?" fragte Misato sofort nach. "...Wann wird es die ersten Ergebnisse

geben?"
 

---
 

Die ersten Ergebnisse konnte ihnen Dr. Akagi in einer

ruhigen, für Computerterminals reservierten Ecke des Pavillons präsentieren: sie bestanden aus genau drei Ziffern: 6-0-1.
 

"Und was heißt das?" fragte Misato.

"Es ist die Standart-Fehlermeldung für 'Nicht analysierbar."

"Dann habt ihr immer noch keine Ahnung davon, womit wir es zu tun haben?!"

beklagte sich die Leiterin der Einsatzabteilung.

"Stimmt. Wir wissen nur, dass die Engel aus einer Materie bestehen, die sowohl Partikel- als auch Wellencharakteristika aufweißt. Wie erstarrtes Licht."

berichtete die Wissenschaftlerin, beiläufig an ihrem Kaffee nippend.

Misato und Shinji, denen bei der Ankunft hier ein Getränk in die Hand gedrückt worden war, taten es ihr gleich, auch wenn die Flüssigkeitsaufnahme bei ihnen eher die Verdauung der bizarren neuen Informationen unterstützen sollte.

"Aber es sollte doch möglich sein, wenigstens die Energiequelle zu finden..."

"Leider nein. Der Körper des Engels hat sich leider bis auf diese Fangarme zusammen mit all seinen Geheimnissen verflüssigt..."

"Dann können uns die Reste, die wir haben, also keinerlei Ergebnisse liefern?"

"Doch, schon..." antwortete Dr. Akagi, sich von ihrem Stuhl erhebend.

"Aber leider werfen sie dabei noch wesentlich mehr

neue Fragen auf. Sieh dir zum Beispiel mal das Energiewellenmuster an..."

Die Wissenschaftlerin tippte etwas auf ihrer Tastatur herum und machte dann

fürr Misato's und Shinji's neugierige Augen platz, die sich nach vorne lehten, um zu sehen, wie eine Reihe von Buchstaben einer ähnlich beschrifteten Anordnung

von Wellendaten und kleinen Diagrammen Platz machten.

Misato verstand anders als ihr Schützling sofort deren Bedeutung: "Das gibt's nicht, oder?!"

"Doch. Obwohl das Gewebe aus einer uns fremden Form von Materie besteht, enthält es Strukturen, die menschlicher DNS sehr ähnlich sind... Die Übereinstimmung

beträgt Über 99%. Zum Vergleich: Mit Schimpansen haben wir etwa 98%

gemeinsam, mit einem Neandertaler etwa 99,5"

"Da steht 99,89..." las Misato erstaunt vor.

"Und das heißt, das wir uns klar machen müssen, dass es noch viele Dinge gibt die wir nicht verstehen..."

Während Shinji zunächst recht ahnungslos auf den Bildschirm geblickt hatte, lenkte ihn das Geräusch von Schritten noch während die beiden Frauen sprachen davon ab.

Als er seinen Kopf zu den zwei vorbeilaufenden Männern drehte, war es pure

Neugier, die ihn bewegte, doch es waren ganz andere Empfindungen, die seinen

Blick an ihnen kleben bleiben ließen.
 

Es waren Vize-Commander Fuyutsuki... und Ikari Gendo.

Wahrscheinlich nahmen sie von Shinjis Anwesenheit nicht mal Notiz, marschierten raschen Schrittes zu einer Gruppe von Wissenschaftlern, die an einem Schipsel aus dem Peitschenarm des Engels herumhantierten, während einige ihrer Kollegen sich an der Stelle zu schaffen machten, aus der sie das kleinwagengroße Stück herausgeschnitten hatten.

Ein hochgewachsener Mann mit längeren Haaren, der unter seinem weißen Kittel eine NERV-Uniform trug, wie sie zum Beispiel auch Hyuuga oder Aoba trugen, griff sich ein Klemmbrett, dass er wohl vormals abgestellt hatte, um seine Werkzeuge handhaben zu können, und

grüßte seine Vorgeseztzten mit einem lässigen Winken.

"Hallo Commander! Und natürlich auch Hallo Subcommander. Ich nehme an, sie kommen, um sich nach unseren Ergebnissen zu erkundigen?"

"Ganz recht." bestätigte Fuyutsuki.

"...Nun, was ist? Haben sie Überreste der Energiequelle gefunden?"

"Leider nein, Sir."

"Was ist mit dem Rest?"

"Der Rest ist ziemlich homogen und weißt keine besonderen Strukturen auf... und er zerfällt, wie Sie sehen, ziemlich schnell. Ich glaube nicht, dass wir damit noch besonders viel anfangen können..."

"Das ist kein Problem. Vernichtet den Rest." befahl der Commander.

"...Möchten Sie vorher vielleicht noch irgendetwas persönlich

inspizieren..?"
 

Anscheinend wollte er das. Shinji hatte die ganze Zeit

übr gebannt zugesehen, auch wenn die Konversation nicht wirklich einem Thema

folgte, dass mit ihm zu tun hatte. Schon allein, dass sein Vater darin

verwiockelt war, reichte, um Shinjis Blick festzunageln.

Er hatte den strengen, kühlen Mann nie wirklich kennengelernt und wusste eigentlich so gut wie gar nichts über ihn... Auch, wenn er jetzt hier in Tokyo 3 lebte und bei NERV arbeitete, hatte er immernoch nur sehr wenig mit dem älteren Ikari zu tun und hatte praktisch nie direkt mit ihm gesprochen, und schon gar nicht über persönliche Themen.

Irgendwie wollte er wissen, was es mit dieser Arbeit auf sich

hatte, die anscheinend so viel interessanter gewesen war, als Shinji

selbst.

Das auch die Hoffnung, seinen Vater endlich zu verstrehen, sich in

den Cocktail von Shinjis Gefühlen mischte, versuchte dieser zunächst zu

verdrängen - er wollte sich keine leeren Hoffnungen machen.

Shinji wollte seinen Blick bereits wieder abwenden, als eine kleine, triviale Geste ihm völlig unerwartet mit neuen Informationen konfrontierte:

Anscheinend doch daran interessiert, sich des Gewebes des Engels doch noch persönlich zu besehen, entledigte sich Ikari Gendo der weißen Handschuhe, die ihn sonst überall him begleiteten, und fuhr mit seinen bloßen Händen über die verblassende Oberfläche der Proben, von der sich dabei einzelne, leuchtende, flockenartige Partikel lösten, in einem bestimmten Winkel hineinschauend, als verspräche er sich davon aufschlussreiche Information.

Er ordnete noch ein paar Dinge an, bevor er sich seine Handschuhe wieder

überstreifte, und es Fuyutsuki überließ, die Berichte zu prüfen und mitzunehmen.

Die weißen Accessoires hatten ihren angestammten Platz wohl nur für ein paar

Minuten verlassen, aber es hatte völlig ausgereicht. Shinji war nicht entgangen,warum sein Vater sich nie von seinen Handschuhen zu trennen schien -

Seine gesammten Handflächen und die unteren Glieder der Finger waren von recht

unschönen Brandnarben entstellt.

Shinji fehlten die Worte.

Er hatte nicht die geringste Ahnung davon, wo sein Vater sich diese Verbrennungen zugezogen haben könnte.

Er könnte nicht einmal angeben, wann die Verletzungen zu stande gekommen waren. Seine Erinnerungen an die Zeit, bevor sein Vater ihn weggeben hatte, waren bestenfalls schwamming und er hätte nicht sagen können, ob er die Narben damals schon hätte oder ob er sich in der ewig langen Zeit zugezogen hatte, in der ihr Kontakt mit 'lose' noch sehr euphemistisch beschrieben wäre - seid drei Jahren hatte dann komplette Funkstille geherrscht, und Shinji hätte nicht gedacht, seinen Vater überhaupt noch mal wieder zu sehen - Er hätte warscheinlich gegen einen Baum fahren und sterben können, ohne das Shinji davon das geringste mitbekommen hätte - von diesen Verbrennungen ganz zu schweigen.

Aber eigentlich hätte es auch ohne weiteres nach Shinjis Ankunft hier passiert sein können.

Wenn man es recht betrachtete, war die Distanz zwischen ihnen beiden nur auf die Art gesunken, die man in Kilometern festhalten konnte - aus allen anderen Winkeln betrachtet war sein Vater noch genau so weit weg von ihm, wie er es die letzten elf Jahre über gewesen war.
 

"Was hast du denn?" fragte Misato, ihren Schützling unsanft auf seinen Gedanken reißend.

Shinji kam sich ziemlich ertappt vor, hatte er doch der Illusion unterlegen, dass Misato mit Dr. Akagi beschäftigt war, und es nicht bemerken würde, wenn sein Blick mal eben abschweifte - doch sa hatte er wohl zu lange und zu intensiv in die Ferne geguckt.

"G-Garnichts..." log Shinji.

Er wollte jetzt nicht darüber reden.

Doch gerade seine Resignation war es, die seinen Vormund immer am meisten zur Weißglut brachte. Auf sein Abwenden seiner Augen reagierte sie mit dem zücken ihres Zeigefingers: "Jetzt hör mal zu! Wenn du in diesem Tonfall 'gar nichts' sagst, dann lässt du mir doch gar keine andere wahl, als noch mal nachzuhaken! Nichts ist aufälliger als wenn jemand übertrieben unaufällig tut!

Also was ist jetzt?"

Da Misato ihn nicht ohne eine klare Antwort zu geben davonkommen lassen würde, und er irgendwo wirklich eine Frage stellen wollte, gab er sich schließlich geschlagen und packte aus: "Ach ich hab nur... eben gesehen, dass mein Vater Verbrennungen an den Handflächen hat..."

"Verbrennungen?"

Misato schien einerseits erleichtert, dass Shinji über etwas relativ harmloses nachgegrübelt hatte, schien aber selbst zum ersten Mal von den besagten Narben gerhört zu haben.

"...und da hab ich mich gefragt, wie das passiert ist..."

"Ich hab keine Ahnung." gab Misato zu, sich fragend zu ihrer Freundin umdrehend.

"...Weißt du es?"

"Es ist vor etwa zwei Monaten passiert, noch bevor du hier ankamst." erklärte Dr. Akagi

"Eva 00 ist bei der Aktivierung außer Kontrolle geraten. Du hast doch davon gehört, oder?"

Shinji bejahte dies, obwohl er eigentlich keine Ahnung hatte - er wollte einfach nur den Rest der Geschichte hören. Trotzdem verstörte es ihn irgendwie, dass diese Dinger, in die man ihn und Rei da rein setzte, offenbar des öfteren

verrückt spielten.

"Es war schlimm." setzte die Wissenschaftlerin fort. "Der Pilot war in seinem Entryplug gefangen.

"Ayanami Rei, oder?" hakte Shinji nach. "Sie war bestimmt der Pilot...."

Es musste so sein. Jetzt begann, ihm alles einzuleuchten.

Natürlich - außer ihr hatte es vor seiner Ankunft doch keine weiteren EVA-Piloten gegeben, oder? Dann kam eigentlich nur sie in Frage. Daher mussten ihre Verletzungen stammen! Was das ganze mit seinem Vater zu tun hatte, wollte ihm zunächst nicht einleuchten - Doch Dr. Akagi setzte ihn rasch über den Zusammenhang in Kenntnis: "Ja. Und Commander Ikari hat sie gerettet.

Er hat die überhitzte Ausstiegsluke mit bloßen Händen geöffnet..."
 

---
 

Dem Commander war bereits eine gewisse Anspannung anzumerken gewesen, als er den Beginn des Experimentes befohlen hatte, und seine Brille dabei etwas hochgeschoben hatte - nicht das mitunter spiegelnde, getönte Exemplar, mit dem Shinji ihn seid seiner Ankunft hier gesehen hatte, sondern eine mit dicken, klaren Gläsern und einem billigen, alles andere als neuen Plastikgestell, dass fast schon ein wenig zu groß für sein Gesicht zu sein schien.

Überall um ihm herum herrschte wildes Getipsel, die Stimmen der Techniker berichteten ihm, wie Evangelion Einheit Null nach und nach hochgefahren wurde.

Der orangene Koloss richtete seinen einäugigen Kopf auf, die Lichter am Kopf und an den Armen gingen eins nach den anderen an.

Zwischen Dr. Akagi und Fuyutsuki stehend beobachtete der Commander den Fortgang des Experiments mit todernster Miene.

So weit schien alles gut zu laufen... aber eben nur so weit.

Kurz vor erreichen der "Absoluten Grenzlinie" kam es zu einem Fehler im Aktivierungsprozess - Die Fehlermeldungen erschienen schneller auf den Bildschirmen, als die Techniker sie rufen konnten - Die meisten Durchchnittsmenschen hätten wohl wenig mit Ausadrücken wie "Impulsrückfluss" oder "Unkontroliertes hineinziehen des Plugs" anfangen können, doch spätestens, als der an der Wand fixierte, orangene Koloss sich zu regen begann, wurde klar, dass etwas gewaltig schief gelaufen war.

Evangelion Einheit Null löste sich von seinen Fesseln, die Halterungen, die ihn an Ort und Stelle halten sollten, einfach mit sich aus der Wand reißend.

Ein scheußliches Brüllen von sich gebend, bewegte sich die Bestie durch den Raum - doch es war kein gerader Marsch, den der menschengemachte Titan da vollführte; Er taumelte, wand sich und fasste sich an seinen im Vergleich zum Körper winzigen Kopf, in bizarrer Ähnlichkeit zu einem Menschen unter qualvollen Schmerzen. Doch das Ding hatte durchaus ein Ziel, dass es mit seinem einzelnen Auge immer wieder verzweifelt zu fokusieren versuchte: Das Fenster, durch das die Insassen des Kontrollraumes es beobachteten.

Der Eva rammte seine Faust mehrmals in die Scheiben, die Scheiben zersplitternd und die Wand demolierend, zahlreiche große Dellen hinterlassend.

Gendo Ikari blieb trotz der fliegenden Glassplitter um ihn herum, der immer wieder einschlagenden Faust des Giganten und der Warnungen der blonden Wissenschaftlerin an Ort und stelle stehend, ein fast schon erschreckend geringes Ausmaß an Reaktionen zeigend.

Doch da gab es etwas anderes, dass ihn sehr wohl reagieren ließ - Die eine Sache an diesem Evangelion, die noch funktionierte, wie sie sollte - Der Notasusstoßmechanismus des Entryplugs.

"Verflucht!" rief Ikari scheinbar ehrlich schockiert - und er hatte auch allen Grund dazu. Denn die Funktion, die den Entryplug samt Piloten in einem echten Einsatz wohl vom Kampfherd und damit von der Gefahr wegkatapultiert hätte, sogte hier nur dafür, dass der Plug ungebremmst gegen das Dach des Versuchsraumes knallte, und funkensprühend quer durch den Raum an der Decke entlang raste - die Düsen, die sonst die Funktion gehabt hätten, einen etwaigen Fall abzudämpfen machten alles nur noch schlimmer und waren schon längst aus, als der Plug schließlich zu Boden fiel.

"REI!" rief Ikari völlig entgeistert, seine sonst streng beherrschten Gesichtszüge entgültig entgleist.

Es war wohl kein Wunder - Das hier war exakt der selbe Kontrollraum, fast die selbe Situation... fast das selbe Gesicht...

Doch es half nichts - Der Plug schlug hart auf dem Boden, prallte ab und kam erst bei der zweiten unsanften Landung dauerhaft am Boden an.

Einheit Null war währenddessen dazu übergegangen, seinen Kopf ohne Rücksicht auf Verluste gegen die Wandplatten zu knallen, immer und immer wieder, bis er irgendwann zum stehen kam, weil man in der zwischenzeit das Stromkabel abgetrennt und den Raum mit Bakelit geflutet hatte.

Der Großteil der Menschen im Kontrollraum atmeten erstmal erleichtert aus, als der Evangelion endlich komplett stillstand, doch nicht Ikari - Für ihn war nur ein Hindernis beseitigt, dass ihn daran gehindert hatte, sich um das zu kümmern, was ihm wirklich Sorgen bereitete.

Er hatte jetzt frei Bahn, setzte sich umgehend in Brewegung, als sei irgendetwas in ihm eingerastet, dass lange Zeit durchtrennt gewesen war... Als sei er wieder an jenem Tag und sei noch in der Lage, jenes schicksalhafte Ereignis zu verhindern.

"Nicht nochmal." hallte ers durch seinen ansonsten wie leergefegten Kopf.

"Nicht auch noch Rei."

Zuerst eilte er zu den zerbrochene Fenstern, lehnte sich etwas heraus, während er sich nebenbei an der Wand festhielt - Das waren mindestens sechzig Meter bis nach da unten, springen konnte er vergessen.

So gerne er sich die trügerische Sicherheit einer geraden Linie gönnen würde, so genau wusste er, das Kurven manchmal sehr, sehr hilfreich sein konnten.

Also drehte er sich ohne weitere Worte mit irgendjemandem zu wechseln um und stürmte aus dem Raum, sowohl Fuyutsuki und Dr. Akagi ignorierend wie Nullen auf der linken Seite.

Sie spähte durchaus ein wenig getroffen unter der Form des Giganten hindurch zum Entryplug hinunter und konnte sich nur all zu gut denken, was ihn da antrieb.

Sie konnte es nicht fassen, dass er wirklich fast gesprungen wäre.

Ikari selbst hatte inzwischen einen Aufzug bestellt, war dann aber doch die Treppen heruntergestürmt, bevor dieser angekommen war.

Er raste weiter, ohne sich seiner Umgebung wirklich bewusst zu sein - Das hier war ein für Wartungarbeiten vorgehesener Zugang, den er im Leben noch nicht betreten hatte, aber das logische Erschließen des richtigen Weges wie auch das Lesen der Schilder geschahen beinahe schon automatisch.

Das er unterwegs eine Tür eingetreten hatte, erfuhr er erst, als Fuyutsuki ihn ein paar Tage später darauf ansprach.

Darüber, das ihm in seiner Hast sein Sicherheitsausweiß aus den Händen fiel, als er ihn durch den dafür gedachten Schlitz an der letzte Tür ziehen wollte, sodass er ihn wieder aufsammeln musste, speicherte sein Verstand nicht einmal Erinnerungen, so aufgelöst war er, so närrisch gab er sich der Illusion hin, hiermit gegenüber seiner Frau oder seinem Sohn irgendetwas 'wieder gut machen' zu können.

Als die Tür sich schließlich öffnete, rannte er sofort los, ungehalten, fast schon über seine eigenen Schritte stolpernd, bis er den Entryplug erreichte, sich direkt den Griff der Ausstiegsluke - Und die war wahrscheinlich heiß genug, um die oberen Schichten seiner Haut innerhalb kürzester Zeit regelrecht zu kochen.

Einen Schmerzenslaut von sich gebend wich Ikari instinktiv zurück, seine Brille dabei unabsichtlich auf den Boden fallen lassend.

Doch so ein bisschen Hitze reichte bei weitem nicht aus, um ihn in irgendeiner Form zögern zu lassen - Noch aus der selben Bewegung heraus führte er seine gequälten Finger durch rohe Willenstärke zurück an das brennend heiße Metall und drehte unter großer Anstrengung und noch größeren Schmerzen den Öffnungsmechanismus, bis sich die Luke endlich öffnete und sich das heiße LCL über den Boden der Versuchshalle ergoss.

Er öffnete die Luke ohne sich auch nur die kleinste Pause zu gönnen komplett, und lehnte sich in den schmalen, zylindrischen Plug hinein.

"Rei?! Geht es dir gut? REI!"

Das Mädchen saß zitternd und schwach auf ihrem Platz, verängstigt und dem Blut nach zu urteilen, das quer über ihr Gesicht floss, wohl auch verletzt, es gerade mal so auf die Reihe bringend, sich zu ihm hinzuwenden und ihm zuzunicken.

Ikari lächelte.

"...Gott sei dank..."

Er nahm sich erst einmal die Zeit, richtig durchzuatmen, wobei ihm selbst die aufgeheizte, nach LCL stinkende Luft im inneren des Entryplugs wie eine Meeresbriese vorkam.

Sie lebte.

Der Leiter von NERV gönnte sich gerademal eine einsekündige Pause, bevor er seine... Untergebe? Frau? Werkzeug? Erinnerungstück? Schöpfung? Tochter?

mit einer Behutsamkeit und einer Vorsicht aus dem Entryplug hob, die man einem strengen, pragmatischen Mann wie ihm nicht im geringsten zugetraut hätte.

Er stand einen Moment lang da, bevor er sich umdrehte und sie aus der Versuchshalle trug, langsam, allmählich, seinem Herzschlag und seiner Atmung eine Gelegenheit gebend, zu einer normalen Geschwindigkeit zurückzukehren.

Noch bevor er den Kontrollraum erreichte, übergab er das blasse Mädchen an die Notfallmannschaft, die Dr. Akagi wohl zu einem Zeitpunkt herbestellt haben musste.

Erst jetzt bemerkte er, dass er seine Brille im Versuchsraum zurückgelassen hatte - nicht, dass diese ihm sonderlich viel genützt hätte.

Das simple Plastik hatte sich durch den Kontakt mit dem glühend heißen LCL verformt, sodass die Gläser Sprünge bekommen hatten.
 

---
 

"Und DAS hat mein Vater getan?!" fragte Schinji ungläubig.

Er hätte seinem Vater nie im Leben zugetraut, dass er für das Leben einer simplen Untergebenen so etwas wie Verletzungen in Kauf zu nehmen. Irgendwie fiel es ihm schwer zu glauben, dass der Mann in dieser Erzählung die selbe Person war, wie die große, düstere Figur, die ihn einst völlig hilflos heulend an diesem Bahnhof zurückgelassen hatte.

Es erschien ihm einfach nicht möglich...

"Ja. Daher stammen seine Verbrennungen." bestätigte Dr. Akagi entgegen aller logik von Shinjis innerer Welt. Er konnte für den Rest der Konversation nur zuhören und versuchen, das, was man ihm eben erzählt hatte, irgendwie zu verarbeiten.

"Unfassbar, dass das alles passiert ist..." kommentierte Misato alles andere als zufrieden. Das die Waffe, auf die sie ihre Hoffnungen, ihre Rachepläne, ihren Wunsch nach Befreiung gestützt hatte, sich als so unzuverlässig herausstellte, verführte sie zu unangenehmen Gedanken.

"Ja. Natürlich wurden alle Aufzeichnungen gelöscht und die offizielle Version lautet anders, aber so war's." berichtete Dr. Akagi wesentlich kühler, als es Misato lieb war.

"...Und habt ihr inzwischen endlich herausgefunden, warum der EVA Amok ghelaufen ist?" fragte sie, in der Hoffnung, ihre Zweifel zum schweigen bringen zu können.

"Nicht defrinitiv. Aber wir vermuten, dass es eine mentale Instabilität beim Piloten gegeben hat, und dass das die Hauptursache war."

"Eine mentale Instabilität? Bei Rei?"

"Ja. Anscheinend war sie wesentlich angespannter, als wir erwartet hatten."

"Aus welchem Grund?"

"Ich weiß es nicht... aber... möglicherweise..."

Möglicherweise wollte irgendein Winkel dieses... widernatürlichen Monstrums Rache an der Tochter der Person, die es getötet hatte...

Nein. Jeztzt begann sie schon, wie sie zu denken.

Dr. Akagi hätte sich selbst eine dafür klatschen können, dass sie überhaupt an soetwas dachte.

"Möglicherweise was?"

"Nein... das kann nicht sein."

"So oder so, wenn man noch nicht genau weiß, was bei dem Experiment schief gelaufen ist, warum will man Einheit Null dann reaktivieren? Ist das nicht ein bisschen voreilig?"

"Die Engel sind zurückgekehrt, und die Evangelions sind nunmal unsere einzige wirksame Waffe."

"Ich weiß, aber..."

"Das war nicht unser ersten Versuch mit Rei und Einheit Null. Wir haben schon unzählige erfolgreiche Experimente durchgeführt. Sobald das neuronale Interface endich repariert ist..."

"Wird sie wieder in den Kampf geschickt, ich weiß..."

So ganz glücklich war Misato mit der Tatsache, dass jetzt ein weiterer, simpler Teenager gezwungen sein würde, als Soldat für das Schicksal der Menschheit anzutreten - und das mit einer nachgewiesenermaßen instabilen Waffe.

"Wenn alles klappt, werden wir sie beim nächsten Engel schon einsetzen können. Sie wird also ebenfalls deinem Kommando unterstehen, genau wie Shinji. Hier sind ihre Akten."
 

Misato griff sich die Papiere und ging.
 

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Rei Ayanami.

Vierzehn Jahre alt.

Die erste Versuchsperson, die das Marduk-Institut ausfindig machen konnte.

Das First Child, designierte Pilotin von EVA 00, aber auch als Ersatzpilotin für EVA 01 vorgesehen.

Ziemlich konstanter, gut nutzbarer aber im Vergleich zu den Werten von Einheit 02 oder 01 nicht besonders hoher Synchronwert.

Mehr war da nicht.

Keine Blutgruppe, keine Familie, keine psychologischen Profile, keine Vorgeschichte.

Nicht mal ein verdammtes Geburtsdatum!

Die Akten, die Ritsuko ihr da gegeben hatte, waren im Vergleich zu dem Bündel Papier, das sie zu seinerzeit über Shinji oder das Second Child bekommen hatte, ausgesprochen dünn. Bis jetzt hatte sie von Rei nur ihre Synchronisationsdaten zwecks des Vergleichs mit den anderen Kindern gesehen, und sich schon länger, gefragt, was wohl in ihrer Akte stand... zuerst hatte sie sich gewundert, dass man ihr die Papiere so ohne weiteres ausgehändigt hatte, aber jetzt sah sie, wieso man sie einfach so dran gelassen hatte - Es stand absolut nichts drin.

Außer einem weiteren Detail, dass das große Netz der Mysterien nur noch undurchsichtiger machte: Von ihren Eltern gab es nicht einmal Namen, aber als ihr aktueller Vormund war niemand geringeres eingetragen als Commander Ikari höchst persönlich.

Das war alles höchst mysteriös... Erst soll der Sohn des Commanders Einheit Eins steuern, und jetzt stellt sich heraus, das sein Pflegekind schon seid Jahren im Programm ist...

War das nicht irgendwie Vetternwirtschaft? Und überhaupt...

Spontaner Heroismus hin oder her, niemand, der sein eigenes Kind weggibt, zieht aus purer Nächstenliebe ein kleines Mädchen auf...

Aber Misato hatte nichts Handfestes, keine konkreten Beweise dafür, dass das alles nicht einfach nur ein großer Haufen von Zufällen mit relativ einfachen Erklärungen war...

Laut diesen Papieren war das Mädchen allein untergebracht worden, wie man es zunächst auch mit Shinji vorgehabt hatte. Vielleicht war Rei ja nur der…Formalitäten wegen bei Commander Ikari eingeschrieben… und außerdem war diese Organisation der einzige Weg, den Misato hatte, um ihre Ruhe wiederzufinden...

"Hey, Shinji..." fragte sie den nachdenklichen Jungen beiläufig.

Das er etwas wusste war nicht sehr wahrscheinlich, aber einen Versuch war es wert.

"Hast du Rei eigentlich schon mal getroffen oder von ihr gehört, bevor du hergekommen bist? Sind die Ayanamis irgendwie entfernte Verwandte von euch oder vielleicht Freunde der Familie?"

"Wieso... fragst du mich das?" gab er immernoch ein wenig geistesabwesend zurück.

Misato konnte sich nur all zu gut vorstellen, dass die Geschichte mit seinem Vater jetzt wohl den größten Teil seines Denkorgans beanspruchte - und da lag sie nicht so falsch. Natürlich grübelte er über diese unerwartet heroische Handlung seines Vaters nach, die dieser seinem Sohn nie gezeigt hatte - aber auch Ayanami Rei, die wieder einmal in die Sache verwickelt war, ließ ihm keine Ruhe.

Sie war es, die sein Vater gerettet hatte... Eine Wildfremde. Eine Fremde Für irgend ein fremdes Mädchen würde er üble Brandnarben in Kauf nehmen, aber ihn, seinen eigenen Sohn, lies er einfach links liegen...

Und da fragte Misato ausgerechnet ihn, ob er etwas über Rei oder die Verbindungen seines Vaters wusste? Er zerbrach sich ja selbst dauernd den Kopf über die Beiden.

Doch immerhin war der Leiterin der Einsatzabteilung zu gute zu halten, dass sie die Verstimmung ihres Schützlings rasch bemerkte.

"...Nur... für den Fall. Ich hab mir schon gedacht, dass du dazu nichts weißst, aber es hätte ja sein können..."

"Du... hast dir also schon denken können, dass ich... keine Ahnung habe..."

"Nein, so.. so hab ich das nicht gemeint..."

"Schon in Ordnung." antwortete er in einem Tonfall, der es ziemlich deutlich machte, dass er überhaupt nicht in Ordnung war.

Misato verkniff sich den tiefen Seufzer an dieser Stelle nur, um ihn nicht zusätzlich zu belasten.

Dabei hatte er heute Morgen doch noch einen ganz zufriedenen Eindruck gemacht...

Aber so einfach ging das wohl nicht, das war Misato inzwischen mehr als klar geworden. Nur, weil er ein paar Tage halbwegs fröhlich gewesen war, hieß das nicht, dass er aufgehört hatte, ein Sensibelchen zu sein.

Auch, wenn er ausgeglichener wirkte, brauchte es nicht viel, um ihn zu bedrücken und aus dem Lot zu bringen. Er war schließlich hier geblieben, um seinem Vater näher zu kommen - und jetzt war ihm noch mal brutal vor Augen geführt worden, wie wenig erfolg er dabei überhaupt gehabt hatte.

"Von irgendwelchen Freunden der Familie weiß ich nichts..." meinte er leise.

Er klang einfach nur deprimiert, doch seine Finger hatten sich wütend in seine Hose gekrallt. Er sprach es nicht aus, aber Misato konnte er sich nur all zu gut denken, was ihm eigentlich noch auf der Zunge brannte.

Er wollte noch sagen, dass er davon, dass es je so etwas wie eine Familie gegeben hatte, auch nichts mitbekommen hatte.
 

---
 

Nach einer langen Autofahrt, bei der Shinji die meiste Zeit an die Decke des Automobils anstarrte und Misato sowohl über Shinjis Gemütszustand als auch über die Papiere nachgrübelte, die man ihr ausgehändigt hatte, erreichten die beiden das NERV-Hauptquartier, wo Shinji wie bereits erwähnt für einen Test erwartet wurde - In der Zeit, die er brauchte, um sich den Plugsuit überzuziehen, sich zum Cage zu beginnen und sich in den Evangelion hineinzusetzten, war auch Dr. Akagi eingetroffen, die am Ort des letzten Kampfes noch ein paar Daten zu sortieren gehabt hatte.

Prompt begann man, Shinji, der seine trüben Gedanken für sich hielt und mal wieder brav alles mit sich machen ließ, an seinen Evangelion anzuschließen - Dies war auch das erste Mal, dass Shinji den im selben Raum fixierten EVA 00 mit eigenen Augen zu sehen bekam. Beide EVAs standen etwa bis zur Körpermitte in der Kühlflüssigkeit; Rei war offenbar schon vor ihm eingetroffen, sodass man mit ihrem Experiment bereits begonnen hatte. Ähnlich wie sein eigener EVA hatte die einäugige Biomaschine gewisse Ähnlichkeit zu einem mythologischen Dämon, obgleich der Aufbau des Kopfes und der Panzerplatten an sich doch deutlich von dem ihres violetten Gegenstücks abwich.

Was die beiden EVAs jedoch offensichtlich anscheinend gemeinsam hatten, war ihre Tendenz, bei Zeiten mal verrückt zu spielen... Bis jetzt hatte er sich zumindest bei den Tests sicher gefühlt, aber jetzt hatte er erfahren, dass diese Dinger auch bei den Experimenten Amok laufen konnten...

Er beschloss, sich besser zurückzulehnen und an etwas anderes zu denken - Nervosität tat erfahrungsgemäß nicht wirklich Wunder für die Synchronwerte.

Also schloss er die Augen und versuchte, bewusst und langsam zu atmen, um sich etwas zu entspannen - das war es, was ihm Dr. Akagi im Training geraten hatte, aber es wollte nicht so richtig wirken.

Ikari Shinji war nicht wirklich talentiert darin, sich zu entspannen.

Das er hier keine Luft, sondern eine warme Flüssigkeit mit einem eigentümlichen Eigengeruch im sich hatte, machte es auch nicht viel besser und erschwerte es ihm, zu vergessen, wo er sich befand... das hier war echt, der richtige Evangelion, kein Simulationskörper oder Testplug...

Im Moment schien sich alles, was die Verbindung mit dem EVA betraf, normal anzufühlen, aber wer wusste, ob das bei Ayanamis Versuch nicht genau so gewesen war.

Genau, das war richtig. Ayanami war auch hier, nicht unweit von hier, tief in ihrem eigenen EVA. Bei dem letzten Zwinschenfall hatte sie sich diese entsetzlichen Verletzungen eingehandelt... Jetzt schienen sie verheilt zu sein, aber schon bald würde man sie im Kampf einsetzen... und dieser Gedanke wollte Shinji nun gar nicht gefallen... Er sah sie immer noch vor sich, wie sie in diesem Krankenbett an ihm vorbei gekarrt wurde, schwach, zerbrechlich, schwer atmend...

Schon die Vorstellung, dass dieses arme Mädchen in den Kampf geschickt werden würde und bei alle dem genau so schrecklich leiden müssen würde wie er selbst...

Schon wenn er an die Qualen des letzten Gefechts dachte, lief es ihm kalt den Nacken herunter... und wenn er sich jetzt Rei vorstellte, zitternd, blutend und vor schmerzen winselnd wie bei ihrer ersten Begegnung... er wollte das nicht.

Er wollte sie in den Arm nehmen und sie davon beschützen, doch er wüsste nicht wie... dafür hätte er schon selbst ein guter Kämpfer sein müssen... Aber so nutzlos, wie er war, würde es sich über kurz oder lang nicht vermeiden lassen, dass sie eingesetzt und unweigerlich auch verletzt werden würde...

Er traute sich ja nicht einmal, sie anzusprechen.

Ayanami Rei würde für ihn wohl genau wie sein Vater für immer weit, weit entfernt bleiben...

Ayanami... Rei...

Ihr Name war es auch, der Shinji aus seinen Träumerreien riss - nein, nicht ihr Name. Ihre Designation. Das First Child.

Sie wurde in einer von diesen Durchsagen erwähnt, die es immer wieder einmal aus der Kommandozentrale zu hören gab.

Sie waren gerade dabei, die... die Testdaten des First Childs an die Magi zu übermitteln? Was denn, es war... schon vorbei?

Nun, nicht ganz, für Rei war es vorbei, sie hatte ja auch vor ihm begonnen... Aber trotzdem, er musste wohl vor einer ganzen Weile eingedöst.

Wie ihm das trotz seiner Anspannung gelungen war, wusste er nicht, aber es hatte vielleicht etwas damit zu tun, dass es hier im Evangelion so... kuschelig warm war, so grotesk es ihm auch vorkam, dieses furchterrenge Konstrukt mit solchen Adjektiven zu bezeichnen. Aber es war nicht nur das. Nach seinem kleinen Nickerchen fühlte er sich irgendwie erstaunlich gut, nicht nur ausgeschlafen, sondern irgendwie... bis in die Tiefen belebt, als sei er an einem angenehmen, hellen Ort gewesen, wo ihn jemand getröstet hatte...

Obwohl er es irgendwie unheimlich fand, dass er ausgerechnet hier diese Assoziationen hatte. Vielleicht hatte er ja irgendetwas geträumt, an dass er sich nur noch schwamming erinnerte. Jetzt war er jedoch hellwach, und stellte fest, das man Rei sogar bereits aus ihrem EVA gelassen hatte.

Der Entryplug war jedenfalls bereits rausgefahren...

Ohne großartig darüber nachzudenken, was er da eigentlich tat, ließ er das Interface aus einer spontanen Neugier heraus näher heranzoomen.

Tatsächlich, da war sie.

Er sah sie auf dem Steg vor ihrem EVA.

Sie hatte sich vorgebeugt, um irgend etwas aus dem kleinen Fach zu nehmen, das im Steg zur Aufbewahrung ihres Kleinkrams diente, begab sich anschließend zurück zu ihrem Plug und ging in die Hocke, um noch irgendetwas von dort zu holen.

Natürlich trug sie ihren Plugsuit.

Sicherlich hatte er sie schon mal darin gesehen, aber es war doch etwas anderes, wenn sie ihn komplett trug, nicht zur Hälfte mit Bandagen bedeckt war und tatsächlich in der Lage war, sich damit richtig zu bewegen - Allerdings war die volle Wirkung des Kleidungsstücks von der der Bandagen nicht all zu verschieden - Beides war etwa gleich gut darin, sie wie eine unglaublich zerbrechliche Porzellfigur aussehen zu lassen.

Warum musste es denn ausgerechnet dieses Weiß sein?

Wenn sich dieses knochenfarbene Kleidungsstück so eng an ihren Leib schmiegte, wirkte sie fast, als könnte sie bei der kleinsten Berührung zerplatzen wie eine Seifenblase.

Fasziniert folgten seine Augen den Bewegungen ihres zierlichen Körpers.

Wieder einmal kreisten Seine Gedanken um die Frage, warum sie immer zu allein war.

Aber sie war nicht allein.

Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte Shinji die nahende, eindrucksvolle Silhouette eines Mannes in einer dunklen Uniform.

Das konnte nicht sein, oder?

Aber es war so.

Sein Vater!

Was in aller Welt machte sein Vater dort, mitten auf diesem Steg?

Dort hatten wohl in erster Linie die Techniker zu tun und nicht der, na ja, Boss.

Sobald sie seine Anwesenheit bemerkte, drehte sich Ayanami eilig um und hüpfte fast schon aufgeregt mit einer Art von spielerischer Eleganz, die Shinji ihr in der Schule nie angemerkt hatte, zu ihm herab, wie ein kleines Mädchen, dass gehört hatte, wie der Vater dabei war, die Haustür aufzuschließen.

Ja, sie hüpfte und führte sobald sie vor ihm stand ein paar grazile Gesten mit den Armen aus.

Es erschreckte Shinji fast schon, dass sich ihre Handlungen einfach nicht anders beschreiben ließen, weil es dem bisherigen Bild, den er von diesem Mädchen gehabt hatte, einfach komplett wiedersprach.

Das allein reichte schon, um ihn erheblich zu verstören, doch dann geschah etwas, dass den jungen Evapiloten schlichtweg bis ins Mark schockierte - Sie lächelte. Richtig beschwingt sah sie aus, der Ausdruck der Freunde wollte einfach nicht von ihren Lippen weichen, die immer eifriger neue Worte formten.

Und das verrückteste war... Sein Vater lächelte zurück.

Da war es, direkt vor seinen Augen, ein Ding der Unmöglichkeit: Gendo Ikari, wie er einem anderen Menschen fest in die Augen sah, mit einem zufriedenen, wenn nicht sogar stolzen Lächeln auf seinem kantigen, sonnengegerbten Gesicht.

Shinji war, als habe man ihm den Boden unter den Füßen weggerissen.

Eine lähmende Hilflosigkeit ergriff ihn, während er gezwungen war, durch sein Interface aus der Ferne zuzusehen, wie die Beiden sich scheinbar prächtig verstanden, abgeschnitten von ihrer glücklichen, harmonischen Welt.

Er konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber ihre Gesicher sprachen ganze Enzyklopedien.

Sie lächelten, nicht bloß ein bisschen, sondern für alle offenkunding und ganz klar von ehrlicher Freude bewegt.

Die Augen seines Vaters nahmen schließlich einen fast schon zärtlichen, hingebungsvollen Ausdruck an, und Rei fing danach augenblicklich an, zu strahlen wie ein neugeborener Stern.

Spätestens da wurde es ihm klar.

Sie lächelten miteinander.

Rei... und sein Vater.

Shinji glaubte nicht, dass er irgendeinen von den Zweien überhaupt schon mal lächeln gesehen hatte.

Natürlich hatte Commander Ikari Gendo nicht einfach so für ein fremdes Mädchen diese Brandnarben in Kauf genommen.

Sie war für ihn keine Fremde.

Er war es.

Er, Shinji, er war der Fremde, der entfernte Verwandte, der dahergelaufene Typ.

Shinji war derjenige, der hier nicht dazu gehörte, der irgendwie "zuviel" war, er war das "andere" Kind.

Er war es, der hier kein Freund der Familie war.
 

Shinji ließ sich resigniert in seinen Sitz sinken.

Es hatte doch alles keinen Wert...

Er war hier geblieben, in der Hoffnung, dass sein Vater ihn wenn er alles gut und richtig machte auch mal als seinen Sohn annerkennen würde, aber... Im Moment sah sein Vater nicht so aus, als ob er noch Verwendung für ein Kind hätte.

Das... das war einfach unfair... das da war sein Vater, verdammt noch mal, und eine Mutter hatte er nicht!

ER war der Sohn, ER sollte dieses annerkennende Lächeln bekommen...

Wie konnte er SIE anlächeln, und ihn, seinen richtigen, leiblichen Sohn, einfach so links liegen lassen?

Natürlich hätte er Rei niemals mit eifersüchtigen Gefühlen belegen oder gar hassen können - wenn seine Gedanken auch nur in diese Richtung abschweifen sah er sie schon bandagiert am Boden liegen, wie sie in ihm diesen Drang auslöste, ihr um jeden Preis zu helfen, und begann, sich zutiefst zu schämen.

Er musste wirklich Dreck sein, wenn er so etwas auch nur dachte. Es war nicht so, als ob Rei etwas dafür konnte.

Trotzdem konnte er nicht anders, als sich vorzukommen, als hätte man ihm auf gut deutsch in die Fresse gehauen.

Wenn dieses Mädchen dort Ikari Gendos kostbares, liebes Kind war...

Wer war Shinji dann eigentlich?

Wozu war er dan eigentlich noch auf der Welt?

Was machte er hier eigentlich noch?

Schon bald verkündete man ihm, dass das Experiment zuende sei und ließ ihn endlich aus dem Entryplug steigen.

Als er den Ausstiegssteg betrat, war er dort alleine, niemand, niemand wartete hier auf ihn.

Er sah zu, das er dahin kam, wo er seinen Musikplayer gelassen hatte, oder zumindest zu Misato.

Eigentlich war es ihm egal - ihm war jetzt so ziemlich alles Recht, was Krach machte und seine trüben Gedanken vertreiben würde.
 

Obgleich Misato ihr bestes gab, um ihn dazu zu bewegen, komunizierte er auf der Rückfahrt ausschließlich mit Einzeilern und ließ sich noch nicht einmal von ihrem etwas besogten Hauspinguin wieder aufmuntern, sodass er sich für den Rest des Tages in seinem Zimmer einschloss.

Die Besitzerin der kleinen Wohnung gab sich schließlich geschlagen und hoffte, dass Shinjis Freunde Morgen etwas mehr Erfolg dabei haben würden, ihn aufzumuntern.

Wenn auch dass nicht half, würde sie ihn ein bisschen ärgern, da musste er früher oder später aufhören, trübsal zu blasen und in die Defensive gehen.

Außerdem würde morgen ja Ritsuko kommen, da würden sich dem Jungen sicherlich genüged Ablenkungsmöglichkeiten bieten.

Seufzend öffnete sie die Bierdose, die sie sich vorhin aus dem Kühlschrank geholt hatte.

Sie hätte gedacht, dass sie nach all der Zeit längst so eine Art Gespür dafür entwickelt haben müsste, wie sie an den Jungen heran kommen könnte, aber so schnell ging das wohl nicht.

Entweder das, oder es lag daran, dass sie eben doch nicht seine Mutter war.
 

---
 

Es gab Menschen, die sich an einem Tag deprimiert unter der Bettdecke verschanzten und am nächsten schon wieder alles anders sahen... Doch Ikari Shinji war keiner von ihnen.

Er war rechtzeitig zur Schule losmarschiert, aber dass war auch das Beste, das Misato über seine heutige Stimmung sagen konnte - er servierte ihr zwar promt das Frühstück, rührte sein eigenes aber nicht einmal an und hiel sein hübsches Köpfchen auf seine übliche Art und Weise gesenkt.

Misato fragte sich mitlerweile, ob irgendetwas konkretes vorgefallen war, von dem sie nicht wusste. Er war schon gestern früh eher melancholisch drauf gewesen, aber wenn sie es recht bedachte, war seine Stimmung erst seid dem Synchrontest richtig im Keller.

Das musste doch selbst bei ihm so etwas wie eine Ursache haben - entweder das, oder sie hatte seine Labilität bedeutend unterschätzt... Und dann war da noch das kleine Problem, dass wohl niemand sagen konnte, wann der nächste Engel angreifen würde...

Der Gedanke, das er dermaßen geknickt in den Kampf geschicht werden sollte, behagte ihr immer noch nicht.

Wieder einmal suchte sie sich Trost bei einer schönen, kühlen Bierdose.

Das alles wäre wirklich weniger Frustrierend, wenn sie ihre Erfolge an irgendeiner Messlatte ablesen könnte.
 

---
 

Shinji war inzwischen dabei, zur Schule zu laufen.

Wiedereinmal fragte er sich, was er eigentlich hier suchte und ob das alles überhaupt noch einen Sinn hatte...

Sein Vater und Ayanami.

Ihre lächelnden Gesichter wollten ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen, egal, wie sehr er sich auf den Fußboden zu konzentrieren versuchte.

Früher oder später kehrten seine Gedanken doch zu diesem ausgelassenen Moment des Miteinanders zurück, bei dem ihm die Teilnahme verwehrt worden war.

Sein Vater hatte ihn doch nur gebraucht, weil Rei verletzt gewesen war.

Aber jetzt hatte sie sich erholt - was also machte er noch hier?

Sein Vater brauchte ihn doch nicht mehr... es würde sich doch sowieso nie etwas ändern...

Während er seines Weges ging, wurde Shinji auf eine bekannte Stimme aufmerksam.

Nun, 'bakannt' war wohl etwas übertrieben, er war ihrem Eigentümer gestern erst begegnet.

Es war Mitsurugi, der sich mit einem erwachsenen Mann mit längeren, schwarzen Haaren unterhielt, der an einem am Straßenrand geparkten Auto lehnte. Auch den Mann hatte er schon mal gesehen - war das nicht einer der Techniker, mit dem sich sein Vater gestern unterhalten hatte?

Shinji hätte den Mann wohl nichtmal erkannt, wenn er nicht die selbe Uniform getragen hätte wie damals, übergestreifter weißer Kittel inklusive.

"Entschuldige, wenn ich frage, aber läufst du nicht gefahr, zu spät zu kommen?" fragte Mitsurugi zurückhaltend. Der Mann, der offenbar wesentlich lockerer drauf war, schüttelte nur seinen Kopf. "Nee, nee, mach dir da mal keine Sorgen, Nagato. Es gibt 'nen Zugang gleich neben der Schule, immerhin ist das ja auch die, die von den Children besucht wird... Sie sind doch in deiner Klasse, nicht?"

"Jas das... sind sie." bestätigte er tonlos.

"Und? Wie sind sie so? Ich will ja nicht neugierig sein, aber es ist schon irgendwie meine Pflicht, mich dafür zu interessieren, wer mir, dir und jedem anderen in dieser Stadt regelmäßig den Gluteus Maximus rettet." Der Mann schmunzelte etwas.

"Ich... ich habe kurz mit Ikari-san gesprochen." gab Mitsurugi leise Auskunft.

"Er scheint ein netter Kerl zu sein, wenn auch etwas, eh, wortkarg."

Bei den letzten Worten bemühte sich Mitsurugi tatsächlich zu so etwas wie einem dünnen Lächeln.

"Wortkarg, heh? Dann kommt er wohl nach seinem alten Herrn. Weißt du, der Commander ist auch nicht gerade der ausgelassenste Mensch auf dem Planeten... Aber die in den oberen Etagen sind ja alle recht begnadet was die Kunst des Pokerfaces angeht. Du müsstest dir mal die Leiterin der Einsatzabteilung ansehen... Oder Dr. Akagi, die Leiterin meiner Abteilung. Alles übelste Workaholics sage ich dir! Na ja, deshalb sind sie wohl auch in der Chefetage... Einzig und allein Subcommander Fuyutsuki scheint normal zu sein, aber mit dem hab ich nicht all zu viel zu tun..."

Na ja, wenn die wüssten. Misatos "Professionalität" war etwas, dass sie sich zusammen mit ihrer Arbeitskleidung einfach abzustreifen schien, wenn sie ihr Haus betrat. Aber das konnten die Beiden ja nicht wissen.

Erst jetzt realisierte Shinji, dass er stehen geblieben war, als er gemerkt hatte, dass sie über ihn sprachen.

Er hielt sich dennoch in einer gewissen Entfernung zu den zweien.

"Ich denke eher, das Ikari-san, also, der jüngere Ikari-san, eher schüchtern ist als etwas anderes..."

"Schüchtern?" der Ältere hob eine Braue. "Tja, in dem Punkt hält sich die Familienähnlichkeit dan wohl in Grenzen. Aber na ja, wir beide sollten da wohl ganz still sein... Da sind wir ja auch nicht gerade das Musterbeispiel.... Aber so oder so, ich erwarte von dir, dass du schön nett zu unserem Third Child bist." der Ältere Mitsurugi zückte spielerisch seinen Zeigefinger.

"Er ist nämlich der einzige Sohn von dem Kerl, der über mein Gehalt bestimmt."

"Das... das werde ich, Vater..."

Mitsurugis Vater lachte.

"Du musst doch nicht alles immer so ernst nehmen, Nagato... Und was soll dieses "Vater?" Es gibt da viel angenehmere Ausdrücke, weißt du? Du kannst mich Papa nennen oder Paps, ich könnte sogar mit diesem neumodischen 'Dad' leben, aber bitte, bitte erspar mir dieses hochtrabende 'Vater'.

...Und lass uns endlich gehen, wir werden am Ende noch beide zu spät kommen!

Ach ja, und Nagato, hast du eigentlich auch das First Child getroffen? Du weißt schon, das Mädchen?"
 

Shinji wartete an seinem Platz und setzte seinen Weg nicht eher fort, bis die Mitsurugis in der Ferne verschwunden waren.

Er wollte nicht den ganzen Weg lang daran erinnert werden, dass er ein solches Gespräch mit seinem eigenen Vater wohl niemals haben würde.

Auch diese Beiden hatten gelächelt... genau wie Rei und Shinjis eigener männlicher Elternteil.

Eine Weile stand er da, und fragte sich, ob er heute überhaupt noch lust hatte, zur Schule zu gehen. Aber er wollte jetzt auch nicht zurück laufen und Misatos enttäuschtes Gesicht sehen, also lief er am Ende doch weiter.

Als er in der Schule ankam, saßen Ayanami und auch Mitsurugi wiedermal allein an ihrer Plätzen. Letzterer beschäftigte sich mal mit Schulkram, mal mit Käsekästchen oder Sudokus, alleine und still wie üblich, zumindest in den Pausen. In den Stunden meldete er sich recht oft und es schien, als würde er sich mit dem Stoff gut auskennen, was dem Third Child nur vor Augen führte, wie nutzlos er selbst in dieser Hinsicht war.

Shinji machte heute keine weiteren Versuche, irgendwie mit ihm zu Reden - dafür fehlte ihm einfach die Kraft, er würde es wahrscheinlich ohnehin nur vermasseln, zumal der Nachgeschmack, den Mitsurugis Gespräch mit seinem Vater bei Shinji hinterlassen hatte, ihm irgendwie ein unangenehmes Gefühl gab, wenn er an den dunkelhaarigen Jungen mit dem Kopfverband dachte.

Auch Rei sprach Shinji heute nicht an - mit ihr würde er heute wohl erst recht nicht reden können, dazu war er viel zu verunsichert.

Aber er beobachtete sie, ließ seinen Blicke immer wieder zu ihrem abgewendeten Hinterkopf wandern.

Genau wie bei seinem Vater würde sich wohl auch bei Rei nie etwas ändern... Shinji glaubte nicht, dass er je den mut zusammen nehmen könnte, sie anzusprechen.

Er hätte nie gedacht, das er für die langen, langweiligen Reden seines Geschichtslehrers jemals dankbar sein würde, aber er war es.

Die ewigen Erzählungen vom Second Impact taten ihr übriges dabei, die trübseligen Gedanken aus seinem Kopf zu wischen, und auch Toujis und Kensukes Albernheiten halfen ihm dabei, allerdings entging es den Beiden nicht, dass ihr Freund zur Zeit ziemlich neben sich zu stehen schien: "Sag mal, Ikari, welche Laus ist den dir heute über die Leber gelaufen? Du siehst aus wie nach sieben Tagen Regenwetter!" kommentierte Touji.

"Uh...tu ich das?"

"Jap. Du bist heute total neben der Spur!" meinte Kensuke. "Du bist ein obercooler Elite-Kampfpilot, lebst mit Misato-san zu sammen und der Klassenschwarm bist du auch noch! Also was kann so schlimm sein, das du so tübselig dreinblickst?"

Kensuke formulierte das alles bewusst etwas lockerer, in der Hoffnung, dass es vielleicht auf Shinji abfärben würde, aber er und Touji hatten selbst miterlebt, wie sensibel ihr Freund manchmal sein konnte, und machten sich daher durchaus Sorgen um ihn.

"So... so toll, wie ihr euch das vielleicht vorstellt, ist das gar nicht... Und der Klassenschwarm bin ich auch nicht... An mir ist ja auch nichts interessant. Du hast zumindest Muskeln, und Aida ist hat immer das ganze Insider-Wissen..."

"Du bist wirklich ein Lämmchen weiß wie Schnee, Ikari." entgegnete Touji.

"Meistens wirken unsere Hobbies eher mädchenabweisend..." gab Kensuke ergänzend zu.

"Unsere Hobbies?"

"Ja, stimmt, bei dir ist es dein loses Mundwerk."

"Wie bitte? Na ja, jedenfalls scheinst du bei den Mädels hier eigentlich sehr beliebt zu sein.... Nur... nicht bei allen Mädels, richtig?" Touji grinste ihn breit an.

"Wie... wie meinst du das?"

"Du hast Liebeskummer, nicht?" brachte Kensuke Toujis Vermutung auf den Punkt.

"N-Nein, das ist es nicht..." antwortete Shinji ein wenig aus dem Konzept gebracht.

Eigentlich wäre es zu erwarten gewesen, das die Beiden hinter seiner melancholischen Verstimmung ein "normales" Problem vermuten würden, aber...

"Oh doch! Denkst du, wir hätten nicht bemerkt, wo du die ganze Zeit hinguckst, wenn einer von uns auch nur die kleine Sprechpause macht? Ayanami muss dich aber ganz schön erwischt haben!" behauptete Kensuke grinsend

"A-Ayanami? N-Nein, so... so ist das nicht, wirklich..."

Doch Touji ließ Shinji nicht einmal die Zeit, um sich zu rechtfertigen: "Gestern haben wir dir das vielleicht noch abgekauft, aber du schaust sie doch fast die ganze Zeit an! Sei ruhig ehrlich mit uns. Ich gebe zu, mein Typ ist sie definitiv nicht, aber so schlimm ist sie auch nicht. Nen netten Arsch hat sie ja. Vielleicht hast du ja Glück, und sie ist gar nich asozial, sondern nur.... schüchtern."

"Sehr, sehr schüchtern..." setzte Kensuke hinzu, der nicht so recht an diese Möglichkeit zu glauben schien. "So oder so, als deine Kumpels werden wir dir natürlich mit Rat und Tat zur Seite stehen!"

"Es... es ist wirklich nicht so wie ihr denkt!" beharrte Shinji doch ein wenig ratlos wirkend.

"So? Was ist es dann?" verlangten die beiden Unruhestifter im Chor zu wissen.

"Ich... ich will gerade nicht darüber reden..."

Letztenendes beschlossen die Beiden, die Sache doch besser auf sich beruhen zu lassen – es war unwahrscheinlich, das Shinji jetzt noch auspacken würde – und entschieden sich, das Gesprächsthema auf „Mathematik“ zu verlegen, da der Lehrer die unangenehme Eigenschaft hatte, zu Beginn der Stunde ein oder zwei Leute abzufragen, um dafür zu sorgen, dass die Schüler den Unterrichtstoff wiederholten.

Touji hatte nicht wirklich kapiert, wo von der Lehrer letzte Stunde gefaselt hatte, und auch Kensuke, der von diesem ganzen Schulkram sonst etwas mehr Ahnung zu haben schien, war ratlos, weil er damit beschäftigt gewesen war, unter der Bank ein Plastikmodell von einem Kriegsfliweger zusammen zu basteln – so war es an Shinji, die Grundzüge der neuen Rechenart zu erläutern, auch wenn sein recht konfuser Erklärungsversuch die Verwirrung der anderen Beiden nur noch steigerte – Am Ende war die ganze Aufregung umsonst, denn der Lehrer pickte sich glücklicherweise jemand anderes aus - Ayanami und Mitsurugi, um genau zu sein.

Die zuest genannte war auch zuerst dran. Sie stellte sich vorne an die Tafel, blickte die Gleichung kurz an und begann dann, sie zu lösen, ohne dem Lehrer oder der Klasse, der sie komplett den Rücken zugekehrt hatte, irgendwie zu erklären, was sie Tat. Am Ende zeichnete sie noch ein recht minimalistisches Diagramm dazwischen, wobei sie die Zeit an die Y- Statt wie üblich an die X-Achse schrieb.

Selbstverständlich sah Shinji ihr dabei die ganze Zeit

Der Lehrer brauchte etwas, um die vollgeschriebene Tafel zu begutachten und alle Rechnungen nachzuvollziehen. "Na so was? Du kannst es ja." kommentierte der Lehrer. "Wenn du es so gut kannst, warum meldest du dich eigentlich nicht etwas öfter?"

Der Lehrer schien nicht wirklich eine Antwort zu erwarten und gab dem blauhaarigen Mädchen auch keine Zeit, eine zu formulieren. "Nun, wie dam auch sei. Sehr Gut, Ayanami-san. Geh bitte zurück an deinen Platz... Mitsurugi-kun, du bist als nächstes dran."

Anders als Ayanami lieferte Mitsurugi sehr wohl Erklärungen ab und machte sich die Mühe, hin und wieder zu seinen Mitschülern hin zu blicken, auch wenn man auch von ihm die meiste Zeit über nur den bandagierten Hinterkopf.

Er kritzelte die Formeln an die Tafel, ohne die Kreide auch nur einmal zum Nachdenken abzusetzen und wusste die Nachfragen des Lehrers immer zu beantworten.

Dabei zeigte sich jedoch auch, das Mitsurugi eine ziemliche Sauklaue hatte.

So brauchte der Lehrer auch bei ihm eine Weile, aus der kleinen, in eine Ecke gekritzelten Schrift schlau zu werden, war aber auch hier mit den Resultaten zufrieden, sodass er mit dem Unterricht begann, und auch schnell wieder damit fertig war.

Der Schultag verging wie im Fluge und für Shinji wurde es bald Zeit, nachhause zurück zu kehren. Er musste unbedingt noch einmal abstauben, bevor Dr. Akagi bei ihnen ankam - Misato dachte sowieso sogut wie nie daran.

Manchmal könnte man meinen, dass er ihr Vormund war und nicht umgekehrt... Wenigstens würde er heute Nachmittag nicht ganz mit ihr allein sein - dann würde er ihre überdrehte fröhlichkeit wenigstens nicht ganz allein aushalten müssen.

Es war nicht so, dass er sie nicht mochte, aber im Moment war er einfach nicht in der Stimmung für sie und ihre Art.

Natürlich war es eine gute Sache und auch ihr gutes Recht, in ihren eigenen vier Wänden gut drauf zu sein, aber das letzte, was Shinji sehen wollte, wenn er selbst deprimiert war, war eine betrunkene, leicht bekleidete Frau die versucht, ihn "aufzumuntern" und ihm dabei wenn auch unwillentlich unter die Nase rieb, das er selbst nichtszu lachen hatte.
 

---
 

"Was ist DAS?" verlagte Dr. Akagi zu wissen.

"Curry."antwortete Shinji, während er das nicht vertraueswürdige Zeug auf die Teller sämtlicher anwesenden Verteilte.

Die falsche Blondine, die man hier ausnahmsweise ohne weißen Kittel und knallroten Lippenstift zu sehen bekam, kannte ihre Freundin zwar schon lange genug, um zu ahnen, dass in ihrer Wohnung so einige undefinierbare Substanzen zu finden waren, aber das hier schlug dem Fass doch den Boden aus. Es stand nichts auf dem Tisch, dass nicht irgendwie in Plastik eingepackt wäre.

"Ernähst du dich immernoch von diesem Fertigmüll?" fragte sie, es nicht so recht glauben könnend.

Doch Misatos Wahrnehmung schien auf eine Art beschaffen zu sein, die es ihr ermöglichte, die Ratschläge ihrer Kollegin einfach nach Belieben auszublenden.

"Als Gast meckert man nicht." meinte sie nur halb scherzhaft und wendete sich Shinji zu, der sich mit der Kelle und der Curryshüssel zu ihr hinüberlehnte.

"...Misato?"

"Oh? Schütt es einfach hier rein!" wies Misato an, den Plastikteller von ihrer bereits vor einigen Minuten um heißem Wasser ergänzte Instantnudelverpackung nehmend und ihn Shinji hinhaltend.

Obwohl der Wasserdampf noch herausströhmte, hatten die Nudeln sich schon aus ihrer anfänglichen "Blockform" gelöst, schienen also schon so etwa verzehrsfertig zu sein.

Shinji blinzelte sie ratlos an. Sie wollte, dass er das Curry... in ihre Instantnudeln kippte? Wenn sie es sagte, würde es schon okay sein, aber er war nicht nicht ganz sicher, ob sie das wirklich ernst meinte.

"Bi- Bist du dir da sicher?"

"Ja! Warum auch nicht? Das schmeckt toll!" behauptete sie breit lächelnd.

Shinji beschloss, ihr einfach mal zu geben, was sie wollte, und sich dann erst später Gedanken über den Sinn zu machen.

"Weißt du, so ganz allein schmecken diese Nudeln doch nach gar nichts. Man muss sie erst ein bisschen aufpeppen." kommentierte Misato, vielleicht in einem Versuch, sich vor ihren Tischgeossen zu rechtfertigen, ohne ihr zutiefst überzeugtes Lächeln absetzen zu müssen.

"Der Trick dabei ist, immer nur halb so viel Wasser zu nehmen, wie auf der Packung steht."

Sie rührte ihren Hexenkessel von einer Nudelverpackung noch einmal gründlich um, bevor sie sich ihre "Schöpfung" zufrieden in den Mund stopfte.

Trotz oder vielleicht ja gerade wegen ihres Gesichtsausdruckes zeigten sich Shinji und Dr. Akagi eher verunsichert, als sie ihre eigenen Portionen probierten - wie es sich zeigen sollte, nicht unbegründet...

"Das hat Misato gekocht, nicht war?"

"Oh? Das merkst du?" antwortete Misato noch mit vollen Mund, den all zu offensichtlichen Beiklang von Frustration in der Stimme ihrer Freundin entweder nicht bemerkend oder gezielt überhörend.

Die Wissenschaaftlerin musste sich ziemlich zurückhalten um ihr der Höflichkeit halber aufgesetztes Lächeln aufrecht zu erhalten und nicht alles wieder auszuspucken. Irgendwo fragte sie sich, ob es nach den geltenden Naturgesetzten überhaupt möglich war, ein Fertiggericht so dermaßen königlich in den Sand zu setzen.

"Wenn du mich das nächste mal einlädst, kannst du das bitte an einem Tag machen, an dem Shinji mit kochen dran ist?"
 

Angesichts dieses "Feuerwerks" aus Lob fragte sich das dritte Mitglied des Katsuragi-Haushalts, ob es den Inhalt seiner Futterschüssel überhaupt anrühren sollte.

Der im Nebenraum befindliche Heißwasserpinguin blickte ungläubig auf die Bierdose und den Reis mit Curry, den seine Besitzerin ihm vorgesetzt hatte.

Erwartete sein Frauchen wirklich, dass er dieses Zeug anrühren sollte?

Na ja, PenPen beschloss, dem Zeug einfach mal eine Chance zu geben und es einfach mal zu probieren - nicht ahnend, dass schon der erste Schnabel voll ausreichen würde, um ihn ins Reich der Träume zu befördern...
 

Im Nebenraum bekam man vom Ausgang des epischen Curry-vs.-Vogel-Gefechts nur ein leises "Thumb!" mit, welches auch nur Shinji kurzzeitig bemerkte und dann als Einbildung abschrieb.

"Du solltest dir wirklich langsam eine neue Bleibe suchen. Mit ihr zusammenzuleben ist sicher ziemlich hart." riet Dr. Akagi mitleidig.

"I-Ich hab mich daran gewöhnt..." antwortete Shinji tonlos, sich für eine 'diplomatische' Antwort entscheidend.

"Genau." setzte Misato jetzt doch etwas säuerlich hinzu. "Unterschätze nie die Fähigkeit der Menschen, sich an ihre Umgebung anzupassen. Außerdem, wenn er umziehen wollte-" An dieser Stellen machte sie eine kurze Pause, um Shinji zu bitten, ihr noch ein Bier zu holen. "Wenn er umziehen wollte, hätte er eine Menge Formalitäten vor sich. Er hat schließlich gerade erst seinen neuen Sicherheitsausweis bekommen."

Bei diesem Stichwort zeite Dr. Akagi eine deutliche Reaktion.

"Ach ja, da fällt mir etwas ein."

Sie griff sich ihre Tasche.

"Ich habe da etwas, worum ich dich gerne bitten würde, Shinji-kun."

"Uhm...was?" fragte der Junge, während er Misato ihr bevorzugtes Alkoholgetränk reichte.

"Das hier ist Ayanami Reis neuer Sicherheitsausweis." erklärte sie, ihm, die besagte Plastikkarte entgegenhaltend.

"Ich habe vergessen, sie ihr zu geben. Könntest du sie ihr auf dem Weg zum Hauptquartier bitte vorbeibringen?"

Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber da die Ausrede so gewöhnlicht und unauffällig und die Wahrheit so unwahrscheinlich war, dürfte Misato vermutlich noch nicht einmal darüber nachdenken.

Dr. Akagi konnte sich ja selbst nicht erklären, wieso der Commander sie geben hatte, seinen Sohn mit irgendeinem Vorwand dazu zu bringen, mit Rei in Kontakt zu treten.

Er hatte es eher beiläufig am Ende einer längeren Konversation über ihr aktuelles Vorgehen erwähnt, doch anderseits tat Ikari wie sie leider hatte feststellen müssen nie etwas ohne einen Grund; Bei jedem anderen Mann hätte man glauben können, dass er sich um die eher bescheidenen beziehungsweise nichtexistenten Freundeskreise seines Sohnes und seiner Pflegetochter sorgte und sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe wollte, oder einfach nur dachte, dass sich die zwei kennenlernen sollten, da sie zusammenarbeiten müssen würden und im Anbetracht von Reis... Identität ja eigentlich auch so etwas wie Geschwister waren.

Doch nicht bei Ikari Gendo, oh nein... Dr. Akagi konnte nur erahnen, was genau er damit bezweckte, doch es konnte nichts geringeres sein, als die Räder des Schicksals anzustoßen.
 

"Das ist ein sehr schönes Bild von Rei, nicht wahr?" Schließlich war es die breit grinsende Besitzerin des Appartments, welche Dr. Akagis und wohl auch Shinjis Gedankenfluss unterbrach.

Der Junge, der bis jetzt stillschweigend und wohl auch ein wenig ratlos die Sicherheitskarte oder viel mehr die darin eingearbeitete Fotografie von Rei betrachtet hatte, zeigte sich abrupt ziemlich verlegen und wurde auch ein stückweit rot. Erst das mit Touji und Kensuke, und jetzt musste auch noch Misato damit anfangen...

"N-Nein..."

Doch sobad Shinji eine andere Emotion gezeigt hatte als Trübsinn, sah Misato ihre Zeit gekommen: "Aber, aber, Shin-chan! Sind wir etwa ein bisschen verknallt?"

"N-NEIN!"

Misato kicherte. "Warum dann so verlegen? Na ja, immerhin hast du jetzt eine offizielle Ausrede, um bei ihr vorbeizuschneien!"

Nach dem Shinji ein paar Sekundenbruckteile lang versuchte, etwas kohärentes zu sagen, setzte er sich einfach eingeschnappt an seinen Platz.

"Hör doch auf mich zu ärgern."

"Aber ich ärgere dich doch so gerne." entgegnete Misato. Shinjis Kritik hatte ihre Stimmung höchstens verbessert - wenn er sich beklagte und sich nicht mehr alles gefallen ließ, dann hieß das, dass das kleine Regenwölkchen über seinem Kopf sich mittlerweile verflüchtigt haben musste.

"Du gehst immer gleich an die Decke." merkte sie noch schmunzelnd an.

"Genau so wie du, nicht?" konterte Dr. Akagi.

Misato machte ein alles andere als erfreutes Gesicht, doch bevor sie sich irgendwie aufregen konnte, zog Shinji die Aufmerksamkeit der beiden Frauen auf sich, als er, immer noch auf die Karte blickend, den wahren Grund dafür preisgab: "Mir... ist nur aufgefallen, dass wir so gut wie gar nichts voneinander wissen, obwohl wir die einzigen beiden EVA-Piloten sind..."

Darüber hatte er die ganze Zeit nachgegrübelt?

Misato fragte sich, warum er nicht einfach gleich mit der Frage herausgerückt war, aber sie konnte sich das eigentlich auch selbst denken.

Die Antwort auf Shinjis frage lieferte jedoch Dr. Akagi, ihre wahren Gefühle hinter ihrem Lächeln und der Hand, mit der sie an ihren Haaren herumhantierte verbergend: "...Sie ist ein nettes Mädchen. Aber sie ist leider genau wie dein Vater. Sie ist einfach nicht gut darin."

"Nicht gut.. in was?"

"Tja, weißt du... im Leben."
 

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Nicht gut.. im Leben?

Shinji hatte nicht die geringste Ahnung, was sie damit gemeint hatte... Das mit der Ähnlichkeit zu seinem Vater leuchtete ihm schon eher ein. Rei schien ebenfalls recht wortkarg, mysteriös und ernst zu sein, zudem schienen die zwei ihren Gesichtsausdruck etwa gleich häufig zu ändern.

Aber was diese Formulierung am Schluss zu bedeuten hatte, wollte ihm nicht einleuchten... "Nicht gut im Leben"... Das klang ein bisschen drastisch, nicht?

Wiedereinmal besah er sich im Halbdunkel des Treppenhauses von Misatos Appartment des kleinen Passfotos, welches ihm das blasse Antlitz von Rei Ayanami zeigte. Sie blickte mit einem völlig ernsten, strengen Gesichtsausdruck direkt in die Kamera, der ihn tatsächlich etwas an seinen Vater erinnerte.

Er hatte gelächelt, als sie sich unterhalten haben.

Shinji hatte er noch nie angelächelt.

Irgendwie wollte er schon wissen, was sie eigentlich für ein Mensch war...

Er wollte wissen, wer das Mädchen war, dem das Lächeln des Commanders gegolten hatte.
 

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06:[Eine Freundin der Familie]
 

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Born in motion

Forward is your only course

Plunge the gaping edge

Fallen into flesh and bone

You could've been

Caught up in

All those empty odds

Alive but not awake

Promises

Am I seeping through?

Are you an angel

Whose ship ran aground?

Can't get a grip

On this planet you've found

-Three, 'Alien Angel'
 

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Die Gegend, in der Ayanami Rei wohnte war... nicht das, was Shinji erwartet hatte.

Je mehr er sich der Adresse näherte, die Misato ihm angegeben hatte, um so weiter tauchte er in die Tiefen eines verlassenen Plattenbauviertels.

Er hatte schon des Öfteren im Fernsehen oder im vorbeigehen gehört, wie sich die Menschen über diese dem Stadtbild nicht all zu zuträglichen Strukturen gesprochen hatten.

Nach dem Second Impact hatte kaum noch ein Stein auf dem anderen gestanden; Was die Erdbeben nicht niedergerissen hatten, wurde von den Tsunamis versenkt, und Milliarden von Menschen starben - und die meisten, die überlebt hatten, waren danach erst einmal obdachlos und mussten sich in den Ruinen behelfen.

Als der Wiederaufbau dann erst nach zahllosen Kriegen und Konflikten endlich kam, wurden die Trümmer von dem, was einst Hakone gewesen war, hinweggewischt wie störender Dreck, um schließlich als Tokyo 3 wiedergeboren zu werden - und wie in vielen anderen war diese Wiedergeburt als eine Welle aus Stahl und Beton über das Land gerollt - ästethische Belange waren für eine Regierung, die noch um ihre Stabilität gekämpft hatte, äußerst nachrangig gewesen, wenn zahllose potentielle Krawallmacher obdachlos auf den Staßen saßen - man wollte in erster Linie alle Überlebenden möglichst kostenarm untergebracht und mit dichten Dächern und funktionierenden Sanitäranlagen versorgt haben.

Dementsprechend sahen aus die Stadtviertel aus, die noch aus dieser Zeit stammten; Am Rande einer breiten Straße erstreckte sich eine Reihe von hohen Betonblockbauten, die sich glichen wie ein Ei dem anderen.

Die Reihe, die Rei ihr Zuhause nannte, erschien Shinji beinahe wie eine lange, am Horizont verschwindende Reihe von Dominosteinen - nur das Dominosteine in einem uniformen Grau wenig Sinn gemacht hätten.

Shinji war nicht fähig, irgendwelche Unterschiede zwischen den einzelnen Gebäuden festzustellen,´und weniger noch zwischen den einzelnen, winzigen Apartments.

Shinji fühle sich angesichts der hohen, gleichföremigen Bauten ziemlich klein, und er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand freiwillig hier leben würde - vor allem nicht hier, ganz am Rande der Stadt und somit auch der Plattenbausiedlung; Denn diese Reihe hier war die am weitesten Außen gelegene; Es hatte wohl noch mehrere gegeben, die weiter außen gelegen hatten, doch von denen zeugten nur noch Ruinen; Jetzt, wo Tokyo-3 sich zu einer blühenden, wehrhaften Metropole entwickelt hatte, wurden diese notdürften, gleichförmigen Betonklötze nicht mehr gebraucht, sodass man nach und nach begonnen hatte, sie abzureißen. Shinji konnte irgendwo in der Ferne immer noch Baulärm hören.

Misatos Appartment war ziemlich weit oben und daher war es dort zumeist schön ruhig, wenn Misato selbst nicht da war.

Der Krach hier war nicht all zu laut, weil seine Quelle weiter entfernt schien, aber dennoch unaufhörlich und allgegenwärtig.

In der Zeit, die Shinji brauchte, um das richtige Haus zu finden, hielten die Bauarbeiten nicht ein mal inne.

Das Gebäude selbst machte keinen wesentlich besseren Eindruck als die Gegend, in der es stand; Die Fassade war absolut kahl, wo sie nicht verschmutzt war, und die Türen standen teilweise einfach offen, eine war sogar aus den Angeln gelöst; Der immense Großteil der Menschen, die hier einmal gelebt hatten, schienen schon vor sehr langer Zeit weggezogen zu sein, und wer kein Geld hatte, um von hier zu verschwinden,hatte auch keinen Grund, sich um die Instandhaltung des Gebäudes zu sorgen - So war der gelegentlich herumliegende Müll wohl das einzige Zeichen dafür, dass hier überhaupt noch jemand lebte.

Verübeln konnte man es den 'verflüchtigten' Bewohnern des Hauses nicht - Einen Aufzug gab es trotz der zahllosen Stockwerke nicht, das kahle, farblose Treppenhaus hatte nur ein paar kleine, scheibenlose Fenster, die Wohnungen waren durch außen liegende Zugänge mit simplen Geländern zu betreten, und Shinji erspähte sogaqr die eine oder andere kaputte Regenrinne.

Immmer mehr begann sich Shinji zu fragen, wieso Rei an so einem tristen Ort ihr dasein fristete... Es gab keinen Grund für sie, hier zu sein. Sie war NERV-Personal, noch dazu eine Pilotin, und dann schien sie sich auch noch gut mit seinem Vater zu verstehen - Wenn man schon Shinji selbst zu Anfangs eine eigene Wonung für ihn allein spendieren wollte, sollte es sich von selbst verstehen, dass man Rei ohne weiteres eine 'ordentliche' Wohnung geben würde, wenn sie nur darum bat... wieso also war sie hier in diesem trostlosen Loch?

Kümmerte es denn keinen?

Warum beklagte sie sich nicht oder sowas?

Dieser ganze Ort tat nichts weiter, als Shinji mehr, und mehr zu verunsichern, bevor er das Apartment an sich überhaupt betreten hatte.

Als ob er nicht schon angespannt genug wäre - immerhin war die Person, die hier lebte, das lebende Rätsel, dass ihn schon seid seiner Ankunft hier undauernd beschäftigte. Die Wohnung, vor deren Schwelle er jetzt stand, gehörte der Vertrauten seines Vaters, und nicht zu letzt einem... Mädchen.

Ja, das hier war das erste mal, das Shinji die Wohnung eines fremden Mädchens betrat. Das allein schon reichte aus, um seine Nerven bis aus äußerste zu spannen.

Gut, er war bei Misato eingezogen, aber das war etwas anderes.

Die Katsuragi-Residenz war mitlerweile auch sein privater Raum, doch was hinter dieser Tür lag, gehörte einzig und allein Rei.

Die privaten Räume einer Person waren immer etwas intimes, spezielles, das auch irgendwie die Persönlichkeit und die Lebensart einer Person wiederspiegelten.

Freilich wurde die Türschwelle selbst dieser romantisierenden Sprache kaum gerecht: Er hatte eine simple Plastiktür vor sich, die wohl in ihren besten Tagen einmal weiß gewesen war und in einer Wand aus simplen, unverputzten Beton steckte.

Der Gang vor der Wohnung war dreckig, die herumliegenden Plastikflaschen, Papierchen, Blechdosen und sogar eine verschrumpelte Bananenschale schienen niemanden zu stören.

Trotzdem, das kleine, ebenfalls ergraute Plastikschild über der Tür bestätigte Shinjis prüfenden Augen zweifelsfrei, dass es sich hier wirklich um das Apartment Nummer 402 handelte - Hier schien jedenfalls jemand zu wohnen, der 'Ayanami' hieß, also war er hier anscheinend entgegen jedweden Sinnes für Normalität richtig.

Da er diesem Sinn seid seiner Ankunft in Tokyo 3 ohnehin nicht mehr vertraute, beschloss er, einfach das nächstliegenste zu tun, und die ebenfalls fürchterlich billig aussehende Klingelanlage zu verwenden - doch diese machte ihrem billigen Aussehen alle Ehre und produzierte keinen Mucks.

Nach mehrmaligen Drücken kam Shinji zu dem Ergebnis, dass die Klingel wohl kaputt sein musste.

Entmutigt und immer noch unsicher blickte Shinji auf die nichtssagende Plastiktür. Einige Minuten stand er ratlos davor, dann fiel ihm ein, dass diese Apartments hier sicher nicht all zu groß sein dürften, und dass sie es also warscheinlich hören müsste, wenn er klopfte - Doch als er anklopfen wollte, machte er eine weitere, verunsichernde Entdeckung - Die Tür war nicht einmal abgeschlossen. Eigentlich ging das ja überhaupt nicht einfach so in andererleuts Häuser hinein zu laufen, aber die Tür war offen und... diese ganze Situation war absolut verrückt.

Er musste... er sollte... er hatte den Auftrag, die Karte bei ihr abzuliefern, und sie für die Experimente mitzunehmen, also musste er im wesentlichen darein... alles andere war sinnlos.

So kam es, das Shinji die Tür vorsichtig um einen Spalt breit öffnete und sein Eintreten mehrmals anzukündigen, um etwaige Defizite an Höflichkeit auszugleichen. Das schlimmste, was jetzt geschehen konnte, war das seine einzige Mitstreiterin in diesem schrecklichen Kampf irgendwie ein falsches Bild von ihm bekam. Das würde er nicht ertragen.

"H-Hallo... Entschuldigung... Ist jemand zuhause?" rief er fragend in die Wohnung hinein, während er vorsichtig eintrat. "E-Entschuldigung! Ich bin es, Ikari!"

Shinji war zunehmend verunsichert. Auch wenn die offene Tür an sich ein eindeutiges Zeichen hätte sein sollen, so merkte er spätestens beim eintreten, das hier etwas, um es unverblümt auszudrücken, gewaltig seltsam war.

Die Tür, die er gerade hinter sich geschlossen hatte, verfügte über einen Postkasten, der bis zum überquellen voll mit Werbebriefen, Prospekten und dergleichen war; Auch bei der heutigen Angewohntheit der Firmen, einen ständig mit allen möglichen Papieren zu Bombardieren musste dieser Briefkasten schon sehr, sehr lange nicht geleert worden sein. Doch damit nicht genug: Einige der Briefe waren einfach auf irgendwelchen Möbeln drapiert oder lagen gar auf dem Boden herum.

Shinji stand bedröppelt in dem düsteren Apartment, ohne das irgendjemand kam, um ihm zu sagen, was er denn tun sollte oder ihm etwas zu geben, worauf er reagieren sollte.

"Uh... Ayanami, ich komm jetzt rein..." stammelte er vor sich hin.

Er wollte weiter hinein gehen, bemerkte aber, dass er vor lauter Aufregung seine Schuhe noch nicht ausgezogen hatte, wie es in diesen Breiten nun mal beim betreten einer Wohnung üblich war... andererseits hatte er nicht den Eindruck, das dies in dieser Wohnung die Regel war.

Der ganze Boden war voll mit dunklen Schuhabdrücken. Auf zehenspitzen, darauf bedacht, nicht auf den groben Schmutz zu treten bewegte sich Shinji weiter vorwärts, doch auch der Rest der Wohnung machte sich keinerlei Mühe, Shinjis immer tiefer werdender Verstörung Einheit zu gebieten:

Es gab keinen Bodenbelag und keine Tapeten; Wände und Boden bestanden nur aus nacktem Beton.

Man konnte die einzelnen Betonblöcke, aber auch die zahllosen Fußabrückte trotz des ungewissen Zwielichts genau ausmachen, ebenso die Staubschicht auf der komplett in kaltem Metall gehaltenen Küchenzeile, die nicht den Eindruck machte, schon irgendwann einmal benutzt worden zu sein.

Sehr abgenutzt dagegen wirkte die ergraute Gardiene, die den Badezimmerbereich vom Rest der winzigen Wohnung abtrennte. Alles lag versunken in tiefe Schatten, die einzige Lichtquelle weit und breit war ein verirrter Sonnenstrahl, der zwischen der Wand und den langen, schweren Vorhängen hindurchschien, die vor die einzigen, ohnhehin viel zu kleinen Fenster der Wohnung gespannt waren - das aber erst im nächsten Raum, der von dem Eingangsbereich nur durch einen simplen Türbogen abgetrennt war.

Irritiert, aber auch irgendwo zutiefst fasziniert setzte Shinji seinen Weg fort, ohne wirklich darüber nachzudenken, was er da gerade tat.

Ihm war, als habe er ein fremdes Universum betreten, dessen Inneres einer ganz anderen Ordnung folgte als der, die er sein Leben lang gekannt hatte.

Die dicken Vorhänge waren direkt an der Decke befestigt, welche ebenfalls nur von Betonblöcken definiert war.

Die Schatten drängten sich dicht in diesem Zimmer; Es gab zwar eine Lampe, aber diese war a) aus, b) mit nur zwei statt der mögglichen vier Leuchtröhren ausgestatten und c) nicht einmal abgedeckt.

Eine der oberen Ecken des Raumes war aus irgendeinem Grund voller Ruß, ohne das es irgendwelche Anzeichen dafür gab, dass jemals auch nur der geringste Versuch unternommen wurde, den hässlichen, schwarzen Fleck zu beseitigen.

Das Bett hatte ein schwarzes Gestell aus Metallstangen, die Shinji persönlich etwas an ein Krankenhausbett erinnerten; Eine kleine Lampe war ebenfalls daran beschäftigt.

Die blaue Bettwäsche war komplett unordentlich und eine Uniform seiner Schule lag in Einzelteilen über das Schlafmöbel vertreut - spätestenz jetzt konnte es keinen Zweifel daran geben, dass in diesem Etablissement - Shinji hütete sich davor, seinem ersten Impuln nachzugeben und es 'Loch' zu nennen - tatsächlich ein Mädchen lebte.

Das Kopfkissen war voller Blutflecken, die vermutlich noch aus der Zeit stammten, als sie noch diesen dicken Verband am Kopf getragen hatte - Der Bezug schien seither nicht mehr gewechselt, geschweigeden gereinigt worden.

Es machte einfach keinen Sinn... Warum sollte sein Vater zulassen, dass sie unter diesen Bedingungen lebte? Warum tat Ayanami selbst nichts dagegen?

Und wo waren egentlich ihre Eltern?

Diese Wohnung war eigentlich schon für eine einzige Person viel zu klein.

Eine Mischung aus Sorge um Rei und Entsetzten über diesen Ort und einer Begeisterung für diesen unnormalen, fremdartigen Platz, der trotz allem doch das innere Sanktum des Mädchens war, das weder Shinjis Gedanken noch seinen Gefühlen seid ihrer ersten Begegnung irgendeine Form von Ruhe gelassen hatte, setzten Shinjis Augen ihre Reise fort. Es gab auch noch einen einzelnen, farblosen Plastikstuhl, über dem ebenfalls ein paar Kleidungstücke drapiert waren.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes fand sich außerdem noch ein kleiner, weißer, halbhoher Kühlschrank, der einsam vor sich hinbrummte, und gleichzeitig auch als eine Art Abstellplatz fungierte; Daran gehängt war eine randvolle Plastiktüte mit gebrauchten Getränkedosen, die wohl als provisorischer Mülleimer fungierte; Die eine, auf den Boden herabgefallene Dose schien die Besitzerin der Wohnung nicht besonders zu stören.

Auf dem Kühlschrank selbst fanden sich ein Messbecher voll mit Wasser, in dem der durch den Fensterspalt eindringende Strahl eigentümliche Lichtspiele bewirkte, gleich neben einem umgedrehten Plastikbecher und unmengen von Tabletten; Da war eine Plastiktüte und zwei Gläser voll mit verschiedenenartigen Medikamten, wenn Shinji sich nicht komplett täuschte. Gleich daneben befanden sich zwei Rollen mit Frischen Bandagen - und neben dem Kühlschrank fand sich ein ganzer Pappkarton voll mit benutzten Bandagen, die über und über mit Blut besudelt waren - klar hatte Shinji gesehen, dass sie geraume Zeit mit Bandagen herumgelaufen war, und verstand auch, dass diese hin und wieder gewechselt werden sollten.

Dennoch schockierte ihn dieses Bild; All diese makellosen, reinweißen Bandagen, die er in der Schule von außen betrachtet hatte, waren von innen vielleicht die ganze Zeit über tiefrot gewesen... Schlagartig wurde ihm klar, dass es in der ganzen Zeit, in der sie ganz alleine an ihrem Tisch gesessen war, und er sich nicht getraut hatte, sie irgendwie anzusprechen, noch wesentlich schlimmer um sie gestanden hatte, als er es gedacht hätte... Und was war überhaupt mit diesem Haufen an Medikamenten? Wofür waren sie?

Nachzufragen wäre wohl ziemlich unhöflich und die Fettnäpfchen waren im wesentlichen vorprogramiert, aber ganz kaltlassen konnte ihn das ganze einfach nicht. Vielleicht hatten diese Pillen auch nur irgendwas mit Ayanamis Verletzungen zu tun, aber diese schienen jetzt im wesentlichen Weg zu sein - Ob es vielleicht... noch einen anderen Grund hatte?

Ayanami sah wirklich im allgemeinen ziemlich kränklich aus, so blass wie sie immer war... Was auch einen gehörigen Effekt auf Shinji hatte war die Tatsache, dass er das gar nicht erfahren hätte, wenn er nicht hierher gekommen wäre... Es ging ihn doch im Grund nichts an, ob sie irgendwie krank war oder nicht.

Er war einfach haltlos in ihre Privatsphäre eingebrochen.

Doch auch wenn dieser Gedanke reichte, um seinen Blick von dem Kühlschrank zu entfernen, gab es noch viel anderes an diesem Ort, dass ihn festzuhalten vermochte; Hinter ihrem Bett hing noch eine Art mettalischer Ring zum aufhängen von Kleidung, an dem etliche Stücke Unterwäsche baumelten.

Doch es war ganz anders als bei Misatos Unterwäsche zum Beispiel; Jede kleinen Stückchen Stoff, die da zum Trocknen aushingen, wollten nicht betören, nicht ansprechen; sie waren einfach nur im Raum und existieren, schlicht, schmucklos und unbefleckt-reinweiß. Dann war da noch eine kleine Komode neben dem Fenster, auf der einige Bücher anzutreffen waren.

Mehr. War. Da. Nicht.

Die Hauptkomponente der Einrichtung, in der sich Shinji immernoch verblüfft umsah, war ohne Zweifel leerer Raum.

Shinji wusste nicht, was er mit allem hier anfangen sollte.

Das hier sah eher wie ein... Krankenhauszimmer oder ein... Labor aus, als wie das Zimmer eines Mädchens...

Es fehlte der 'benutze' Geruch in der Luft, die willkommenheißende Wärme, eines 'Zuhauses'.

Dann jedoch gelang es einem weiteren, kleinen Detail, Shinjis Aufmerksamkeit zu erhaschen, etwas, dass so gar nicht in den sterilen, unpersönlichen Aufbau der Wohnung überhaupt nicht hineinpasste, ihm aber genau so wenig erlaubte, sich einen Reim darauf zu machen.

Dort, auf der kleinen Komode mit der leicht offen stehenden Schublade, neben den beiden dicken, schlichten Büchern, inmitten des hereinfallenden Lichtstrahles aufgestellt wie eine Reliquie, traf Shinjis Blick auf eine teilweise gesprungene Brille mit einem billigen Plastikgestell.

"Gehört die Ayanami?" dachte Shinji laut nach.

Er konnte sich nicht entsinnen, sie je mit einer Brille gesehen zu haben, auch in der Schule nicht... Kensuke hatte seinen andauernd auf seiner knubbeligen Nase, und schon die kurze Zeit, die Mitsurugi erst in Shinjis Klasse war, hatten für Shinji ausgereicht, um zu bemerken, das er bisweilen eine Lesebrille herausholte, wenn er Rätselheften oder Schulbüchern herumkramte, aber Rei?

In all der Zeit, die er sie ausgiebig beobachtet hätte, wäre ihm nie aufgefallen, dass sie je eine Brille auf der Nase gehabt hätte.

Doch da fiel ihm ein, welche Person in Shinjis näheren Umfeld neben Kensuke und Mitsurugi ebenfalls auf eine Sehhilfe angewiesen war...

Sein Vater, Ikari Gendo, Oberkommandant von NERV.

Ritsuko hatte in ihrer Erzählung erwähnt, dass bei diesem Unfall mit Rei eine Brille von ihm zu Bruch gegangen war... könnte es sein?

Teils aus einem verdrehten Wunsch heraus, die Welt durch die Augen seines Vaters sehen zu können, teils, weil eine herumliegende Brille immer eine gewisse Versuchung ausstrahlte, setzte Shinji die Brille vorsichtig auf seine Nase - Im ungünstigsten denkbaren Moment.

Kaum, das er seiner Neugier nachgegeben hatte, ertönte hinter ihm das rasche geräusch eines Vorhangs, der dabei war, zurückgezogen zu werden.

So kam es, dass er die Ursache des Geräusches als er sich voll von einem Gefühl des ertappt seins hastig umdrehte, nur zwischen ein paar Sprüngen hindurch und auch dann nur verschwommen erkannte - doch es reichte völlig aus.

Ihre makellose, alabasterfarbene Haut, eingewickelt in tiefe Schatten.

Ihre Haltung, so rein, so ehrlich, wie aus einem Stillen Moment des Lebens gegriffen, ohne, dass sie irgendwie künstlich herumkokettierte.

Ihr Haar, ungekämmt und unverstellt, gerade erst unter dem simplen, braunen Handtuch hervorgekommen, das sie noch halb in den Händen hielt, und über ihrem perfekten Leib hing wie eine Tunika über eine antike Götterstatue aus Marmor.

Ihre dünnen, aber eleganten Waden, die das Auge dazu einluden, ihnen weiter nach oben zu folgen.... Ihr nackter, absolut perfekter, nackter... nackter...

NACKT!

SIE WAR NACKT!

Bis auf ein kleines, braunes Handtuch und ein paar schlichte, schwarze Pantoffeln, die die Sache auch nicht besser machten, war sie absolut SPLITTERNACKT!

Sie senkte leicht verwundert ihre Arme, ließ ihr Handtuch sinken und blickte das Third Child unvermittelt an, ohne auch nur ein Wort zu sagen.

Shinji verfiel augenblicklich in tiefste Panik.

"ICH- ICH..."

Doch er war nicht fähig, irgendetwas aus seinem Mund herauszuquetschen, bevor Rei bei der stillen musterung seiner Person etwas auffiel, und ihren zunächst nur fragenden Gesichtsausdruck gegen einen deutlich nicht erfreuten eintauchen.

Zielstrebig marschierte sie anscheinend verärgert auf Shinji zu.

Die Schritte ihrer immer noch nassen Füße kamen näher und näher.

Shinji wich augenblicklich zurück, sich vor ihrer unmittelbar bevorstehenden Vergeltung fürchtend, aber auch , weil er völlig überfordert mit der ganzen Situation war, weil weglaufen mehr oder weniger seine Standartreaktion auf eine solche überforderung war und nicht zuletzt wegen einem Par formidabler, sich bei jedem Schritt regender Brüste, mit derer Nähe ein sexuell unerfahrener vierzehnjähriger nicht klar kam, zumal Rei nicht die geringsten Anstalten machte, sich zu bedecken.

Doch es half alles nichts, weder sein Reißausnehmen noch sein kaum verständliches "I-Ich wollte wirklich nicht...-": Schon bald stand er mit dem Rücken zu Reis Kommode, und Rei selbst, die ihre Füße unaufhaltsam zwischen Shinjis setzte und keinerlei hemmungen dabei zeigte, ihm ihren nackten Körper anzunähern, begann, ihre schlanken, blassen Hände nach ihm auszustecken.

Doch anstatt ihm eine zu verpassen oder ihn am Kragen zu packen, um ihn hochkant herauszuwerfen, galt die ganze Aufmerksamkeit ihrer feinen Hände der verbogenen Brille auf Shinjis Antlitz.

Bei dem Versuch, diese von seiner Nase zu entfernen, kam sie Shinji jedoch entgültig zu nahe für dessen Verhältnisse, hatte ihren nackten, weiblichen Körper inklusive sämtlicher... besonderer Stellen ihrer Anatomie zur Zentimeter weit von seiner Haut entfernt, sodass der ohnehin schon nicht mehr zu klaren Gedanken fähige Junge versuchte, nach hinten auszuweichen, als dort schon längst kein Platz mehr war. Nun hatte er aber bereits auf Zehenspitzen und verlor nun entgültig das Gleichgewicht, schaffte es durch Verlagerung seines Gewichtes, nicht nach hinten zu kippen, begab sich dabei jedoch unabsichtlich auf einen amüsanten Ausflug nach vorne, wobei er dann allerdings auch Rei von den Füßen riss, die wie bereits erwähnt nur geringfügig von ihm entfernt stand.

Als ihre ohnehin schon ineinander verdrehten Körper zu stützen drohten, kamen beide instiktiv etwa zur selben Zeit auf die Idee, sich aneinander festzuhalten.

Wenn Shinji später an diesen Moment zurück dachte, würde er anmerken, dass er Rei gegenüber von Anfang an eine tiefe Vertrautheit gespürt hatte und daher ohne Nachdenken darauf vertraut hatte, dass sie ihn auffangen würde - in diesem Moment hätte er den Grund für sein Nachdenken allerdings eher als 'Pech' oder ‚Dummheit’ bezeichnet – Denn da sie Beide die selbe ‚glorreiche’ Idee hatten, aber keiner von ihnen einen sicheren Halt auf dem Boden hatten, ließen die Gesetzte der Physik für ihre verzweifelten Versuche, auf den Beiden zu bleiben, nur einen logischen Ausgang übrig:

Sie fielen. Alle Beide.

Zu allem Überfluss verfing sich auch noch der Tragegurt von Shinjis Tasche an der halboffenen Schublade von Reis Komode und als ob die Situation nicht schon peinlich genug wäre, sollte es sich heraustellen, dass sie in diesem Möbelstück ihre Kleider verwahrte… präziser gesagt, ihre Unterwäsche.

Die ganze Schublade war voll mit schneeweißen Höschen und BHs, die den beiden EVA-Piloten bei ihrem Sturz munter hinterher segelten.

Aufgrund des bunten Treibens wurde sogar die Gardine in Schwingung versetz und erlaubte es dem Licht, etwas breiter hineinzufallen und durch Brechung in dem Glas auf dem Kühlschrank, dessen Inhalt sich auch etwas zu kräuseln begonnen hatte, zu einem Regenbogen zu werden… Ein Regenbogen, entstanden aus einer simplen Schwingung, sie selbst im stillsten aller Wasser noch Wellen geschlagen hatten… Der Regenbogen, für Shinji in letzter Zeit häufig ein Zeichen dafür, dass er einen Engel bezwungen hatte. Der Regenbogen. Ein Symbol für ein himmlisches Versprechen, für einen neugeschmiedeten Bund zwischen den Göttern und den Menschen, zwischen dem allmächtigen Lebensquell und seinen Kindern…

Wie eine Brücke spannte er sich über den bis auf den fernen Baulärm absolut stillen Raum über diese beiden Kinder, die ihre in einer präkeren Lage miteinander verwobenen Körper nicht zu bewegen wagte.

Shinji hockte da wie eine frische Salzsäule.

Er war noch auf allen vieren Gelandet, aber das war auch das Beste, was er sagen konnte.

Das Handtuch, das Rei bis jetzt zumindest ein bisschen bedeckt hatte, lag ausgebreitet auf dem Boden, die Brille, wegen der sie beide überhaupt in dieser Position gelandet waren, saß immer noch fest in ihrer Hand. Ihr perfekter, makelloser Leib lag vollkommen entspannt am Boden.

Nicht so Shinji. Alles an ihm war angespannt und unfähig, klare Gedanken auszuspucken.

Entsetzt realisierte er, dass er gerade eines seiner Knie zwischen den Beinen eines nackten Mädchens hatte. Sicher, er trug noch eine Hose, aber das blendete seinen Tastsinn nicht ganz aus.

Darüber, was sich eine Person, die in diesem Moment hereinschneien sollte, sich bei diesem Anblick wohl denken würde, wollte er gar nicht erst nachdenken.

Fakt war, das er gerade auf einem nackten Mädchen lag, von dem er gar keine Ahnung hatte, was sie wohl über ihn dachte, und nur so als garnierung, nur als i-Tüpfelchen war auch noch ihr gesamter Unterwäschevorrat im Raum verstreut, darunter auch ein BH, der sich an Shinjis Hinterteil verirrt hatte.

Stille.

Für ein paar Augenblicke waren die Baugeräusche von außen so ziemlich alles, was man hören konnte.

Von seinem Entsetzten gelähmt konnte er nichts anderes, als mit weit aufgerissenen Augen auf sie herabzusehen.

Shinji blickte Rei an.

Rei blickte Shinji an.

Doch es war nicht die gleiche Art von ‚Anschauen’ wie Shinji bemerkte, als sich sein Anfänglicher Schock in ein Gefühl tiefer Verunsicherung wandelte.

Ayanami Rei… war völlig ruhig.

Sie lag splitterfasernackt inmitten ihrer eigenen Unterwäsche unter einem wildfremden Jungen, mit dem sie in ihrem Leben vielleicht ein oder zwei Sätze gewechselt hatte, und sie zeigte nicht die geringste Reaktion.

Keine Verlegenheit, keine Angst, kein „Geh-von-mir-runter-du-Perversling“, einfach… nichts.

Und das machte es für Shinji noch viel schwerer, das irgendwie zu verarbeiten, als wenn sie irgendwas tun würde… Wenn sie schimpfen würde, könnte er sich verteidigen und zurück schimpen, wenn sie verlegen wäre, könnte er sie beruhigen und ihr helfen, sich zu bedecken, aber so blieb Shinji nichts weiter übrig, als dieses völlig unmögliche Mädchen weiterhin einfach nur mit großen Augen anzustarren.

Sollte das jetzt die.. kalte Schulter Strategie werden? Würde sie ihn anschweigen, bis er sich von allein in Grund und Boden schämte oder... Wieso sagte sie denn nichts?

Das... das war einfach falsch.

Vierzehnjägrige Mädchen nahmen es nicht einfach so hin, wenn eine Person entgegengesetzten Geschlechts sie so zu sehen bekam wie Gott sie schuf.

Gefangen in der drückenden Stille rührte sich Shinji geraume Zeit nicht von der Stelle, wohl wissend, dass ihn jede vetrichene Sekunde wohl noch mehr wie einen hoffnungslosen Perversling aussehen ließ.

Mit jedem Moment, in dem Rei ihn nichtssagend ansah, wurde es nur noch schlimmer.

"Wirst du nicht von mir runter gehen?" sagte sie schließlich, die Stille mit ihren leisen, fast schon erschreckend gleichgültigen Worten durchbrechend, als ob überhaupt nichts gewesen wäre.

Shinji leistete ihrer anweisung nur all zu gerne Folge - doch während des Aufstehprozesses fiel seine Aufmerksamkeit auf ein Detail, das ihm bis her wundersamerweise entgangen war.
 

Schon allein daran, das er es nicht bemerkt hatte, sah man, wie sehr dieses ganze verrückte Ereignis Shinji in Panik versetzt hatte. Normalerweise hätte dies das erste sein müssen, dass ihm auffiel... und damit nicht genug. Der schockierende Teil fing jetzt gerade erst an, denn das, was Shinji bis jetzt entgangen war, war die Tatsache, dass sich seine linke Hand diese ganze, ewig lange Zeit ziemlich genau auf Reis linker Brust befunden hatte, und diese ziemlich genau umschloss.

"AAAH!!"

Shinji ging augenblicklich auf Abstand, seine Hände hastig in die Höhe reißend und sich sofort wieder hinstellend.

Das Third Child war mit den Nerven völlig am Ende.

Das hier war der absolute Supergau! Die einzige andere EVA-Pilotin auf dem Planeten, mit der er ab jetzt vielleicht fast täglich zu tun hatte und mit der er auch die selbe Schule besuchte, hielt ihn jetzt mit hunderprozentiger Sicherheit für einen perversen Grabscher.

Wenn er nicht schon durch das nackt sehen bei ihr unten durch gewesen war, dann war er es spätestens jetzt.

"Ich... Ich... Ich..." versuchte er noch vor vergeblich vor sich hin zu stammeln.

Rei verweilte noch einen Wimpernschlag lang reglos auf dem Boden und sah ihn mit einem geringfügig verwunderten bis verständnislosen Blick an, bevor sie sich dann schließlich wortlos in Bewegung setzte, als ob nichts gewesen sei, wobei auch ihre Brüste wieder in bewegung gerieten.

Sie machte nicht die geringsten Versuche, irgendwie von ihm weg zu gehen, sodass das zurückweichen für Shinji übrig blieb, der sich in der nähe von nacktem, weiblichen Fleisch doch etwas unwohl fühlte und immernoch einen Vergeltungsschlag erwartete.

Doch dieser blieb vollkommen aus.

Statt dessen drehte sich Rei einfach um, als ob nichts weiter sei, und lief immernoch splitternackt, ohne irgendwelche Anzeichen von Scham in aller Seelenruhe zu ihrem Bett hinüber.

Shinji konnte nicht anders, als ihr völlig perplex hinterherzusehen.

Ohne sich dessen richtig bewusst zu sein, rieb Shinji die Finger seiner linken Hand aneinander, als ob er die immernoch daran klebende Wärme von Reis Körper irgendwie greifen wollte.

Die Brust war... so schön warm und glatt und rund gewesen... Er hatte bis jetzt... noch nie eine echte, weibliche Brust so richtig berühren und in seiner Hand halten können... Er hatte die... diese einzigartige Konsistenz gefühlt... So eine Brust war schon fast wie... ein gutes, warmes, kuscheliges Kissen, nicht zu weich und nicht zu hart, seinen Fingern etwas nachgebend aber doch noch mit einem gewissen "Biss" wie eine italiene Nudel.

Er hatte sogar... die Brustwarze klar und deutlich in seinem Handtteller fühlen können...

Sich nicht wesentlich damit aufhaltend, dass ein fremder Junge im Raum war, griff Rei ohne besondere Eile zu den Kleidern, die sie sich auf ihrem Bett bereitgelegt hatte.

Völlig eingemommen beobachtete Shinji, wie sie vollkommen ruhig und unbekümmert dieses kleine, dehnbare Stückchen Stoff griff und ihre wohlgeformten Schenkel hindurch gleiten ließ. Die Tatsache, dass sie sich dabei so verhielt, als sei sie unbeobachtet, machte es nur noch aufreizender.

Shinji sah, wie sie sich aufrichtete, die Schulterblätter, die Wirbelsäule, das ganze Gewölbe ihres Rückens wie das Dach einer Kathedrale, die Beine wie weiße, vollkommene Marmorsäulen, ihr Leib, wie eine Statue, nicht überdurchschnittlich üppig, eher zierlich, aber doch zum Anfassen einladend richtig, nicht irgendwie dürr oder mager oder übertrieben, sondern einfach vollkommen, einfach so passend, einfach so... ja, richtig, einfach nur richtig.

Bis auf die statuenhafte Hautfarbe war sie eigentlich... normal gebaut, normal, aber doch genau richtig, so perfekt, das Shinji keine weiteren Adjektive einfielen, um sie zu beschreiben, keine Abweichungen, die er hätte nennen können.

Vielleicht waren die Waden etwas dünn, aber das störte ihn nicht, am Torso war alles, wie es gehörte und auch die Pölsterchen waren dort, wo sie hingehörten; Irgendwo in Shinjis hinterkopf erzeugte dieses Detail bei ihm das Gefühl, das sie einen Beschützer brauchte, und das war... in Ordnung.

Sie schob die schlichte, nicht übermäßig verzierte, weiße Unterhose hoch, zupfte sie sich gedankenverloren an ihrem Hintern zurecht, und irgendwie erregte ihn das mehr, als Misatos Reizwäsche. Wenn man versuchte, sich vor anderen korrekt zu präsentieren, wenn man die Art von Wäsche kaufte, die andere gerne ansehen würden, dann spielte man ein Stück weit, man versuchte zu gefallen, und das war auch toll, aber was Rei da tat, versuchte nichts, diente keinem mit ihm verbundenen Zweck, sondern war einfach nur in sich selbst schön, ohne es versuchen zu müssen.

Erst, als sie sich nach ihrem BH beugte, und ihn völlig beiläufig ohne große Emotionen fragte, was er denn wolle, bemerkte Shinji, was er da eigentlich tat.

Er hatte sie angesehen... völlig ungeniert... beim anziehen bespannt, und dabei auch noch dreckige Gedanken gehabt... Außerdem verlangte sie jetzt Rede und Antwort von ihm.... Was sollte er nur sagen, was in aller Welt sollte er nur sagen... Er hätte wissen sollen, dass sie früher oder später eine Erklärung wollen würde, sie war ja doch ein Mädchen, es war vollkommen dämlich von ihm auch nur einen Moment anzunehmen, dass sie vielleicht nicht sauer sein könnte.

"Ich... äh, ich..." stammelte Shinji verzweifelt mit seiner eigenen Panik und Nervosität kämpfend. Er senkte seinen Blick. Der Mund ging auf, die Luft kam aus den Lungen, aber die verdammten Worte wollten sich einfach nicht von der Zunge lösen.

Rei, deren absurd ideal geformtes Gesäß die schlichte, weiße Unterhose spannte, und ein Stück der Pobacken hervorgucken ließ, wo der Stoff nur noch den schmalen Steg zwischen ihren Beinen bedeckte, hatte sich inwischen den ebenfalls eher funktionell ausgelegten BH zurecht gedreht, wonach sie ihre zierlichen, makellosen Arme durch die Bügel geleitete, nicht eine Minute damit aufhörend, so idealisiert und fehlerlos auszusehen wie Botticellis Venus.

Ihr Leib sagte vielleicht "Renaissance", aber ihre kurzen, unkompliziert geschnittenen Haare bildeten eine lockere Haube um ihren Kopf und sagten eher "Neunziger Jahre". Die links und rechts von ihrem Nacken verlaufenden Ausläufer ihres Schopfes änderten ihren Platz bei jeder bewegung, und legten mal dieses, mal jenes Stück ihres anmutigen Halses - N-Nein, gaffte er etwa schon wieder?

Shinji wandte beschämt seinen Blick ab, sich größte Mühe gebend, um nicht wieder hinzuschauen. Es war unglaublich... das hier war seine erste, wirkliche sexuelle Erfahrung mit einer Gleichaltrigen, und nicht mit irgendeiner Gleihaltrigen, und er musste sich schon aufführen wie der letzte Dreck.

Oh, wenn sie seinem Vater davon erzählen würde!

Er musste sich irgendetwas einfallen lassen, um die Situation noch schnell zuretten, falls das denn noch im Entferntesten möglich war.

"I-Ich b-bin hier weil... weil man mich um... um etwas geben hat!" brachte er endlich nach so vielen fruchtlosen Versuchen hervor. "Ich... was... was war es noch gleich? Ja, die... die Karte! Dein Sicherheitsausweiß ist abgelaufen und ich wurde gebeten, dir den neuen zu bringen..."

Rei war mittlerweile dabei, ihre Bluse zuzuknöpfen.

"Ritsuko-san hat vergessen, sie dir zu bringen, und da hab ich... ich... ich wollte...." Shinjis Stimme wurde zunehmends leiser wie auch holpriger, bis er schließlich innehielt, um zu versuchen, den Kloß in seinem Hals herunterzuschlucken.

Rei zeigte nicht die geringste Reaktion auf seine Entschuldiguungsversuche, sondern zog sich einfach nur kommentarlos ihr Kleid über, ihm die volle Breitseite mit der kalten Schulter gebend.

Für Shinji gab es dafür im Moment keinen anderen logischen Grund, als dass sie schlichtweg angepisst war und seine Visage nicht sehen wollte.

Dieser Besuch hier war wirklich zu einem komplettes Desaster ohne die geringste tröstliche Komponente ausgeartet.

Da bekam er mal eine Chance, das Mädchen zu besuchen, das ihn schon die ganze Zeit beschäftigte, und was tat er? Er begrapschte und bespannte sie!

Selbst jetzt konnte er den Blick seiner nervösen Augen nicht daran hindern, abzuschweifen.

"E... Es tut mir wirklich Leid, ich- Ich wollte wirklich nicht-"

Doch sie hörte seinen halbausgesprochenen Entschuldigungen nicht einmal wirklich zu. Ihre Aufmerksamkeit lag dort, wo sie bereits die ganze Zeit über gelegenhatte - bei der gesprungenen Brille, welche sie sorgfältig zusammengengeklappt vorsichtig in die zu ihnen dazugehörige Box gelegt hatte, welche sie nun behutsam zu machte, sodass der Verschluss klickend einrastete.

Unbemerkt von Shinji huschte das dünstmöglichste Lächeln über das Gesicht des mysteriösen Mädchens, während sie zuversichtlich die Brillenbox in ihren blassen Händen bertrachtete, in glücklichen Erinnerungen schwelgend.

Denn was Shinji nicht wusste war, dass es für sie so ziemlich das normalste von der Welt war, sich an einem laborhaften Ort zu befinden oder nackt anzusehen - das ganze Tohubawohu verdankte er der Tatsache, das er diese Gläser angerührt hatte, welche Rei schon seid einer langen Zeit behütete wie ihren Augapfel.

Die Brille vor Schaden bewahrt zu haben, erfüllte sie mit einem warmnen Gefühl und ließ sie daran zurückdenken, wie dieses Andenken in ihren Besitz gekommen war.
 

"Ich... Ich hatte wirklich keine Ahnung!" stammelte Shinji inzwischen weiter, immernoch irgendwo zwischen Angst und Hilflosigkeit "Ich hab geklingelt, aber es hat keiner aufgemacht, und die Tür war nicht abgeschlossen... Ich wollte wirklich nicht..."

Noch während er sprach, wurde sein Satz vom Quietschen einer Tür unterbrochen, und ehe er sich versah, war er völlig allein in dem kleinen Apartment.

Er konnte es nicht fassen.

Sie war wirklich einfach so ohne weiteres rausmarschiert und hatte ihn hier stehen lassen...
 

---
 

Da sie sich nicht einmal seine Entschuldigungen bis zu Ende angehört hatte, hatte Shinji allen Grund anzunehmen, dass sie wesentlich wütender war, als sie sich anmerken ließ und schlicht und ergreifend keinen Bock darauf hatte, seine Visage zu sehen.

Wenn man aber dieses Axuim zu Grunde legte, war es einfach, sich vorzustellen, warum Shinji es den lieben, langen Weg nicht schaffte, ihr die blöde Karte einfach in die Hand zu drücken.

Wieder einmal konnte er nichts anderes tun, als sie aus der Ferne zu beobachten.

Nun wurden sie aber beide im Hauptquartier erwartet, was es Shinji unmöglich machte, sich in irgendeinem Winkel zu verkriechen und zu hoffen, dass sie ihn dort nicht sehen würde.

Sie hatten leider unweigerlich den selben Weg, sodass Shinji nichts übrig blieb, als ein gutes Stück hinter dem schweigsamen Mädchen hinterherzulaufen, welches sich zielstrebig ihren Weg durch die Innenstadt bahnte.

Näher an sie heran zu gehen, traute er sich nicht. Er wollte nicht auch noch von ihr abgelehnt werden.

Ähnlich stand es auch bei ihrer gemeinsamen Straßenbahnfart in Richtung Hauptquartier, die eigentlich überhaupt nichts gemeinsames an sich hatte.

Sie saßen je am anderen Ende des selben Wangons mit einer großen Tür zwischen ihnen, und auch wenn Shinji sich betrübt nach ihr umdrehte, so würdigte sie ihn keines einzigen Blickes.

Schon bald erreichten sie, ohne auch nur eine Silbe miteinander gewechselt zu haben, das Hauptquartier und standen vor den Gates, für deren Durchquerung man bekanntlich einen Sicherheitsausweis benötigte.

Shinji schluckte.

Entweder jetzt, oder nie.

Rei stand bereits neben dem Kartenleser, leicht verblüfft aufschauend, als dieser ihren Ausweis nicht annahm.

Auch ein weiterer Versuch brachte ihr nicht viel, bot Shinji aber immerhin die Chace, gleich darauf selbst Reis Ausweis durch den Schlitz zu ziehen und ihn ihr lächelnd entgegen zu halten. "Hier ist dein neuer Sicherheitsausweis. Ritsuko-san hat mich geben, ihn dir zu bringen.

Jetzt drehte sich das Mädchen tatsächlich leicht verwundert zu ihm hin, schaute ihn auch tatsächlich an - und riss ihm prompt die Karte aus der Hand, ihren reichlich verwirrten Mit-Piloten zum wiederholten Male links liegen lassend, gerade, als er gedacht hatte, dass er durch sein gentlemanähnliches Zuhilfekommen wenigstens ein paar Punkte wettgemacht haben könnte.

Er hatte es mir ihr, auf gut Deutsch gesagt, einfach von Anfang an komplett verkackt.
 

Die Versuchung war groß, sich einfach irgendwo zu verkriechen und mit einer Papiertüte über dem Kopf wieder zu kommen - oder gar nicht.

Diese fordernde Stille, die zwischen ihm und Rei herrschte, während sie zu zweit und doch nicht gemeinsam eine unsagbar lange Rolltreppe herunterfuhren, die neben ihrer in die andere Richtung verlaufenden Genossin durch einen der bodenlosen Schächte im Nerv-Hautquartiers verlief, war einfach nicht mehr auszuhalten.

Dann könnte er wenigstens nichts mehr falsch machen...

Doch wider besseres Wissen rang sich Shinji sich dazu durch, es noch einmal mit einer Endschuldigung zu versuchen - er hatte bereits den Zorn des Mädchens auf sich gezogen, die ihm schon seid Wochen nicht mehr aus dem Kopf ging und wohlmöglich würde sie es zu allem Überfluss auch noch seinem Vater erzählen. Wie viel schlimmer konnte es werden?

Nachdem er also alles, woran seine Worte hätten kleben bleiben können, heruntergeschluckt hatte, wagte er sich wieder an das Mädchen heran, das mehrere Treppenstufen unterhalb von ihm reglos dastand, ohne ihn anzusehen.

"H-Hör zu, es tut mir wirklich Leid, was passiert ist..."

"Was meinst du?" fragte sie, ohne ihn anzusehen.

Es war nicht irgendwie sarkastisch oder so etwas, nein, sie schien wirklich, ehrlich nicht zu wissen, wofür er sich hätte entschuldigen können.

Oder verstellte sie sich nur? Immerhin hatte sie ihm immernoch den Rücken zugekehrt... War es denn möglich, dass es einem heranwachsenden Mädchen dermaßen egal war, von einem Jungen nackt gesehen und auch noch begrabscht zu werden, dass sie es nicht einmal als wirkliches Ereignis einstufte?

Der bloße Gedanke erschien Shinji zutiefst falsch, wenn nicht sogar unheimlich...

Wenn es so wäre, dann könnte ja jeder hingehen und sie-

Nein, daran wollte er nicht einmal denken, besonders nicht, wenn er daran dachte, was Misato, Touji, Kensuke oder sein Vater wohl sagen würden, wenn sie wüssten, dass er an so etwas dachte...

Aber immerhin hatte Rei ihm geantwortet, mit diesem hohen, sanften Stimmchen, das stets klang, als sei sie kurz davor in Ohnmacht zu fallen oder so etwas...

Wenn sich ihm mal die Chance bot, mit ihr ins Gespräch zu treten, dann musste er sie auch nutzen - wer weiß, ob er bei ihr nicht alles wieder Wett machen können würde. Aber dazu müsste ein neues Gesprächsthema her... Was schwer war, da er überhaupt nichts über sie wusste und auch nicht all zu viel mit ihr gemeinsam hatte... Aber halt. Eins wusste er über sie. Eins hatten sie gemeinsam...

Eine Sache, über die er schon sehr, sehr lange Zeit mit jemanden hatte sprechen wollen, der ihn auch verstehen konnte und die Sache aus seiner Perspektive heraus sehen könnte... Ja, genau. Das war genau das richtige Gesprächsthema.

"Ähm ich... ich hab gehört das... das die heute das Reaktivierungsexperiment mit dir machen wollen..."

Auf einer voreiligen Woge der Hoffnung reitend stieg Shinji eine Stufe herab, die Distanz zwischen ihnen ein kleines bisschen veringernd und hoffend, dass sie sich so auch innerlich näher kommen würden. "Ich... ich hoffe, dass diesesmal alles gut geht..." brachte er erstaunlich erfolgreich heraus, bevor er dann zum 'heißen Brei' überging. "Ähm... Nur mal so... hast du gar keine Angst, dich wieder in Einheit 00 hineinzusetzen?"

"Warum sollte ich?" fragte sie allerhöchstens ein kleines bisschen verwundert, ansonsten aber nicht von all zu großen Emotionen bewegt zurück.

Shinji wünschte sich, dass ihre Antworten etwas länger wären, damit er mehr dait anfangen könnte. Aber wenigstens hatte sie überhaupt geantwortet.

Mehrmals hintereinander sogar... Sie schien wirklich nicht sauer zu sein!

Dieses Mal empfand Shinji es eher als erfreulich.

"Uhm ich... ich hab gehört, dass du beim letzten Experiment sehr schwer verletzt wurdest und da hab ich mich gefragt... ob du damit klar kommst..."

"Ja. Komme ich."

"Aber... was ist, wenn dein EVA wieder Amok läuft oder... wir von einem Engel getötet werden!" fragte Shinji, eher seine eigenen Ängste aussprechend. Er verstand nicht, wie sie das so einfach hinnehmen konnte, und noch weniger verstand er ihre Gegenfrage:

"Du bist doch Commander Ikaris Sohn, oder?"

"Ja..." antwortete Shinji zögerlich.

"Hast du denn gar kein Vertrauen... in die Arbeit deines Vaters?"

Vertrauen? Vertrauen?!

Shinjis Hände ballten sich augenblicklich zu Fäusten, seine Mine verhärtete sich wie auf Knopfdruck. Welches Vertrauen sollte er schon in die ominösen Machenschaften eines Mannes haben, der es die letzten elf Jahre nicht für nötig gehalten hatte, seinem Sohn sein Gesicht zu zeigen?

Vor allem, wenn dieser Kerl dann auch noch von ihm verlangte, dass er sich in einem großen, violetten... Ding das jederzeit durchdrehen könnte einem Kampf auf Leben und Tod zu stellen.

Vertrauen? Pah!

Shinji hätte an dieser Stelle wohl laut losgelacht, wenn ihn das ganze nicht so wütend und verzweifelt machen würde, und so kam es, dass er sprach ohne nachzudenken: "...Natürlich nicht! DEN kannst du kaum einen Vater nennen! Er hat kein Vertrauen verdient!"

Oh, du armer Shinji.

Als sich Rei dann von jetzt auf gleich wortlos zu ihm umdrehte, hoffte er noch, dass sie sich jetzt von Angesicht zu Angesicht mit ihm sprechen würde, doch spätestens als sie eine Stufe hochstieg, sich direkt vor ihn hinstellte und ihm direkt in die Augen sah, ahnte er, das irgendetwas nicht stimmte.

Und er hatte Recht. An sich war Ayanami Rei eine sehr genügsame, anspruchslose Person, doch es gab da eine einzige Sache, auf die sie bestand, eine einzige Regel, die man in ihrer Gegenwart zu beachten hatte, und die hatte Shinji gebrochen:

Beleidige. Niemals. Ikari. Gendo.

KLATSCH
 

Rei wandte sich kommentarlos wieder von Shinji ab und kehrte ihm eiskalt den Hinterkopf zu.

Shinji selbst fasste sich derweil immernoch perplex an seine gerötete Wange.

Er hätte nicht gedacht, dass so ein zierliches, kränklich aussehendes Mädchen, das vor kurzem noch von Kopf bis Fuß in Verbände gewickelt gewesen war, derart schmerzhafte Ohrfeigen verteilen konnte.

Entweder war sie weitaus kräftiger, als sie aussah, oder es war ihr sehr wichtig gewesen, ihm mitzuteilen, dass sie ihn für ein komplettes Arschloch hielt, sodass sie sich ernsthaft bemüht hatte, ihm größtmögliche Schmerzen zuzufügen.

So oder so, wenn er bei der Grabsch-Kiste nicht sämtliche Chancen bei ihr verspielt hatte, dann hatte er das spätestens jetzt.

Zuerst konnte er sich ihre Reaktion nicht erklären, dann aber fiel ihm ein, wie er sie neulich mit seinem Vater zusammen gesehen hatte... Die beiden schienen sich sehr Nahe zu stehen... Natürlich war sie jetzt stocksauer.

Dieses Fettnämpfchen hätte er eigentlich aus zehn Kilometern Entfernung sehen können und trotzdem war er reingetreten.

Shinji hatte keinen Zweifel daran, dass er sich diese Ohrfeige verdient hatte.

Trotzdem war es vor allem die Intensität der Reaktion, die das Third Child verunsicherte.

Dieses Mädchen, das nicht mal mit der Wimper zuckte, wenn man ihre Intimsphäre aufs Gröbste verletzte, hatte ihm das halbe Gesicht demoliert nachdem er (nicht unbegründet!) schlecht über ihren Vorgesetzten gesprochen hatte.

Shinji verstand nicht im Geringsten, warum. Sein Vater war so ein kalter, hartherziger Mensch, dem Shinji noch nie eine wirkliche Gefühlsregung angesehen hatte. Ihm fiel wirklich kein noch so geringer Grund dafür ein, das Rei so einen großen Respekt vor ihm hatte...

Außer das der Mann, der sie damals im EVA-Cage angelächelt und ihr vor zwei Monaten das Leben gerettet hatte, sehr wenig mit dem desinteressierten Menschen zu tun hatte, den Shinji als seinen Vater kennengelernt hatte.

Der Ikari Gendo, den er kannte, sollte zu so etwas gar nicht fähig sein.

Aber was wusste Shinji schon über diesen Mann?

Vielleicht hatte er eine ganz andere Seite, von der Shinji nie gewusst hatte.

Wenn Rei so an ihm hing, dann... dann war er vielleicht in Wahrheit ein netter Kerl, und Shinji verstand ihn nur einfach nicht...

Doch der Junge erstickte seinen Hoffnungen sobald sie zu keimen begonnen hatten.

Selbst wenn sein Vater so etwas wie eine 'nette' Seite haben sollte, so hatte er Rei und nicht ihn als Person seines Vertrauens gewählt.

Wiedereinmal fragte er sich, in welcher Beziehung sein Vater mit diesem mysteriösen Mädchen eigentlich stand.

Shinji folgte ihr still, bis sie in der Mädchenumkleide verschwand, um sich auf ihr Experiment vorzubereiten.

Als er auf die verschlossene Tür starrte, stellte er fest, dass diese Umkleide nicht das einzige war, dass ihr im Gegensatz zu ihm vorbehalten war.

Oh nein.

Auch die Tür zum Herzen seines Vaters würde für ihn wohl immer verschlossen sein... Denn der Platz dahinter schien bereits Rei zu gehören.

Rei, die ohne weiteres bereit gewesen war, schwerverletzt ihrem sicheren Tod entgegen zu gehen und sich an jenem Tag in Einheit Eins hineinzusetzten...

Es war leicht ersichtlich, wieso so ziemlich jeder sie einem nutzlosen Feigling wie ihm vorziehen würde.

Sobald Rei sich vollständig erholt hatte, würde Shinji wohl überhaupt nicht mehr gebraucht werden.

Nicht von Misato, nicht von Dr. Akagi, und erst recht nicht von seinem Vater.

Aber... wenn Rei das kostbare Kind des Commanders war, wenn sie diejenige war, der er sein Lächeln offenbarte...

Wer war Shinji dann eigentlich?
 

---
 

Shinji war jendenfalls nicht das, was Reis Gedanken beschäftigte, als sie allein in ihrer Umkleide saß und ihren Plugsuit herichtete.

Sie drückte kurz den Knopf an ihrem Handgelenk, und schon begann das gummiartige Material, ihren vollkommenen Leib eng zu umarmen.

Der Widerhall der Worte in ihrem Gesicht entlockte ihr ein beschwingtes Lächeln, dass so schnell nicht wieder weichen wollte. Die ungläubigen Stimmen des Personals, dass es nicht wirklich glauben konnte, dass der Commander für das First Child bleibende Brandnarben in kauf nehmen würde, die Besorgnis in seinen Nachfragen, obwohl für seine Pläne eigentlich keine Bedrohung bestanden hatte, weil er genügend... "Ersatz" im Keller hatte...

Rei hatte von Anfang an um die recht knappe Liste ihrer Daseinsgründe gewusst und noch nie einen Grund gesehen, etwas zu erwarten, was darüber hinaus ging; Um so deutlicher hatte sie gemerkt, das der Commander schon immer anders mit ihr umgegangen war, immer mehr mit ihr gesprochen hatte, als es für ihre 'Wartung' unbedingt nötig war, und oft aus keinem anderen Grund nach ihr schickte, als dass er sie einfach in seiner Nähe wissen wollte.

Er war der einzige gewesen, der ihr so etwas wie einen emotionalen Imput gegeben hatte, und eine richtige Verbindung mit ihr eingegangen war - und diese Verbindung hatte sie geformt. Nicht nur, weil er sie erschaffen und ihr eine Aufgabe gegeben hatte. Sie war genau wie er eine ernste, verschlossene, aber auch hingebungsvolle Person, für die 'zögern' ein Fremdwort war.

Kurz gesagt: Er hatte Rei praktisch aufgezogen.

Man hätte mit einiger Berechtigung sagen können, dass er der einzige Elternteil war, den sie jemals gehabt hatte.

Natürlich hatte sie Vertrauen in ihn.
 

---
 

"Rei? Kannst du mich hören?"

"Ja." bestätigte sie tonlos.

Wiedereinmal saß Rei im Entryplug des orangenen Prototypen.

Ikari rückte seine Brille zurecht, um noch direkter zu der einäugigen Kampfmaschine hinüberstarren zu können.

"Wir fangen jetzt an."

Aus dem Kontrollzentrum waren Tippgeräusche und berichte etlicher Techniker zutun; Es war kaum zu übersehen, dass alle erheblich angespannt waren - niemand wollte eine Wiederholung des Unglücks, das derartige Experimente die letzten Wochen über verhindert hatte.

Selbst Ikari und Rei merkte man eine gewisse Anspannung an.

Auch Misato und Shinji, welche das Experiment von einem seitlichen Steg durch eine kleine Fensterluke hindurch beobachteten, blieben nicht unberührt; Die Leiterin der Einsatzabteilung hielt sich mit einem Kaffee einsatzbereit, das Third Child lehnte sich über das Geländer hinaus nach vorne, seinen Blick nicht eine Sekunde lang von EVA 00 lösend.

So weit schien alles gut zu gehen.

Rei hatte die ganze Zeit strikt nach vorne gestarrt, ohne den Lichtern des sich aufbauenden Interfaces Bedeutung zu schenken, doch obgleich ihre Gesichtsmuskeln keine deutlichen Regungen zeigte, so war es der Ausdruck in ihren Augen, der sie verriet.

Eigentlich sollte es für sie selbstverständlich sein, hier drin zu sitzen, immehin war das eine der Aufgaben, für die sie geschaffen wurde, aber ihre Gedanken schweiften zurück zum letzten Experiment.

Es waren nicht die Schmerzen, die Verletzungen oder überhaupt der Evangelion; All das gehörte zu ihrer Aufgabe. Das Problem war nicht das, was aus dem Unfall resultiert war, sondern, was ihn verursacht hatte. Irgendeine Regung einer dunklen, kaum greifbaren Präsenz in den Tiefen ihrer selbst, eine verzerrte Erinnerung... Das letzte, was sie wusste, war der Anblick von Dr. Akagi, Subcommander Fuyutsuki und Commander Ikari im Fenster des Kontrollraums, und dann war sie schon aus dem Evangelion herausgeschleudert worden, mit nichts als wirren, wilden Visionen ohne klare Bilder dahinter und diesem seltsamen Gefühl eines Nachleuchtens in ihr, dass ihr das Gefühl gab, irgendwie... hohl zu sein, dass sie eines Tages nicht mehr aus diesen Alpträumen erwachen würde, dass sie selbst nur ein Traum war, der von etwas viel, viel Größerem geträumt würde, das ihr jetziges selbst einfach vergessen könnte, und dass selbst alle anderen, sie vergessen würden, weil sie doch unecht war und es jetzt ein 'wahres', 'wirkliches' selbst hinter ihr gab, dass allein Gültigkeit hatte...

Sie blickte hinüber zu der Brille des Commanders, die sie neben sich liegen hatte. Da war es, ein simpler Beweis dafür, das Reis bisheriges Leben real gewesen war, dass sie real war, dass die Verbindungen, die sie dazu gemacht hatten, real gewesen war, und dass es vollkommen unsinnig war, über so etwas überhaupt nachzudenken...

Es gab überhaupt keinen sinnvollen Grund, um angespannt zu sein.

So weit schien alles gut zu laufen, doch das Experiment näherte sich allmählich der kritischen Stelle... Der Stelle, an der letztes Mal alles schiefgegangen war.

Deprimiert blickte das Third Child in den Testraum hinein, völlig vertieft in die Ansagen der Techniker, von denen er ohnehin nur die Hälfte verstand. Wieder einmal konnte er nichts anderes tun, als Rei einfach nur aus der Ferne zu betrachten.

Die Last der Fragen in seinem Kopf drückte immer mehr auf sein Gemüt.

Misato machte ebenfalls einen eher ernster Eindruck und Fuyutsuki schien seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen schon fest mit einem erneuten Fiasko zu rechnen - Einzig und allein Dr. Akagi präsentierte ein gefasstes, professionelles äußeres - aber nur so lange, bis sie zu dem besorgten Antlitz des sonst so eisigen Commanders hinüberspähte, der weiterhin geradewegs durch die Glasscheibe blickte.

Der Countdown ging weiter, die Lichter auf den Kontrollbildschirmen leuchteten eins nach dem anderen auf - und es geschah nichts.

Es klappte.

Dennoch zeigte sich keine Änderung in Reis Gesichtsausdrucks, auch als sie erklärte, dass gleich mit weiteren Tests fortfahren würde - doch so weit kam es nicht.

Eins der zahllosen, in die Konsolen eingelassenen Telefone klingelte, und Fuyutsuki nahm den Anruf entgegen.

Kaum, dass er aufgelegt hatte, drehte er sich direkt zu seinem Vorgesetzten hin: "Ikari. Ein unidentifiziertes Objekt nähert sich. Ich fürchte, dass ist der sechste Engel."

"Test sofort abbrechen." befahl der Commander, sofort sein übliches Pokerface überstreifend. "Alle Mann auf ihre Posten, lassen Sie augenblicklich Alarmstufe Eins ausrufen."

"Verstanden." bestätigte Fuyutsuki. "Wirst du Einheit Null einzusetzen?"

"Nein, Rei ist dafür noch zu schwach. Was ist mit Einheit Eins?" fragte Ikari in Dr. Akagis Richtung, ohne sich wirklich umzudrehen.

"Sie wird in 380 Sekunden Einsatzbereit sein."

"Gut. Kümmern sie sich darum."

"Ja, Sir."

Nachdem Ikari das erledigt hatte, galt seine ungeteilte aufmerksamkeit wieder Rei, die statt dem energischen Befehlston wieder einen etwas neutraleren, wenn nicht sogar netten Tonfal zu hören bekam: "Rei, das Experiment war erfolgreich. Du kannst jetzt raus kommen."

"Gut." antwortete sie leise, während das Interface sich um sie herum auflöste.

Erst, als der Plug wieder dunkel war, lehnte sie sich wieder zurück und atmete erleichtert ein paar Luftblasen aus.

Es lief alles gut, es war alles in Ordnung.

Sie würde ihre Aufgabe weiterhin erfüllen können.
 

---
 

Während Rei ihre Feuerprobe für heute hinter sich hatte, so hatte Shinjis jetzt gerade erst angefangen. Er war schon völlig erstarrt, als er das Wort 'Engel' vernommen hatte.

Die ganze letzte Woche über, in der alles ruhig zu sein schien, hatte er sein bestes getan, um zu vergessen, dass ein neuer Feind jederzeit vor der Tür stehen könnte und ihm neues Leid bereiten würde... und jetzt war es so weit... jetzt hing wieder alles von ihm ab, alles, alles lag in seinen Händen obwohl er genau wusste, dass er das hier unmöglich schaffen konnte... bis her hatte er sich mit großem Glück durch die Kämpfe hindurch gehangelt, aber er hatte doch immer noch keine Ahnung, wie er das schaffen sollte.

Mit jeder Halterung, die sich vom kollossalen körper des Evangelion-Testmodells löste, wuchs Shinjis Anspannung.

Da saß er, in seinem Plugsuit, eingehüllt in LCL, mit dem Interfaceheadset auf seinem Kopf, perfekt darauf vorbereitet, seinem sicheren Verderben entgegen zu gehen.

Warum eigentlich?

Es machte doch eh keinen Sinn... Sein Vater würde ihn schon bald nicht mehr brauchen, und wenn er nicht mehr als Evapilot gebraucht werden würde... dann würde ihn gar niemand mehr brauchen... Misato nicht, Touji nicht, Kensuke nicht...

Misato machte sich nicht einmal die Mühe, ihn mit vorbereitenden Worten zu beruhigen; Sie ging schon davon aus, das er es einfach so machen würde, immerhin war es seine... Bezahlung dafür, dass er hierbleiben konnte...

Und dafür hatte er sich doch eigentlich entschieden... aber nicht im Angesicht eines weiteren Kampfes.

In irgendeiner Ecke des Cages sah er Rei stehen, wie sie, immer noch in ihrem Plugsuit zu ihm herüber blickte.

Ihm fiel nicht ein, wieso in aller Welt sie ihn ansehen sollte - Nach der ganzen Geschichte heute musste sie ihn mit Sicherheit zutiefst verachten...

Noch ein Eintrag in der langen, langen Liste der Dinge, die er in seinem relativ kurzem Leben schon komplett verbockt hatte.

Während der Evangelion Einheit Eins durch die zahlreichen Abschusstunnel an die Oberfläche befördert würde, fragte sich Shinji, ob er überhaupt schon mal etwas richtig gemacht hatte...
 

__________________________________________
 

(1) Diese Version von Shinjis 'Third-Impact-Traum' wurde inspiriert von einem

weiteren möglichen Ende, das Anno für EoE im Sinn hatte. *schauder* Ich denke

ich spreche für alle hier, wenn ich sage, dass ich froh bin, dass er sich

umentschieden hat...

(2) Jap, Shamshels 'Laserarme' waren selbst in Rebuild

nach dem Kampf noch übrig (seht nochmal nach, wenn ihr mir net glaubt!) also war das die Gelegenheit, um die Analyse-Szene noch irgendwie mit rein zu bringen,die ja doch nicht all zu unwesentlich ist...

(3) Ich bin untröstlich. Ich hatte eigentlich geringere Wartezeiten angekündigt, und dann dass... Tut mir echt leid. Die Schule ist ein Arschloch. XD

Freut euch schonmal auf den großen Höhepunkt des 1. Aktes: 07:[Operation Yashima]


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Toxikum-
2010-11-28T17:45:17+00:00 28.11.2010 18:45
und ich hab schon gedacht, dich hätte dein Mut verlassen aber siehe da ein Licht am Ende des Tunnels.
Ich hoffe (und bete vielleicht zur abwechslung wiedereinmal ^^ ) das du weiterschreibst.
Von:  Diclonius01
2010-11-28T16:48:18+00:00 28.11.2010 17:48
Ich weiß gar nicht, warum ich überhaupt noch Kommis schreibe. ;)

Wiedermal genial geschrieben.
Von:  Magnus
2010-11-28T03:24:48+00:00 28.11.2010 04:24
Ich bin wie immer begeistert von deiner art der story.
hoffe es geht bald weiter.

mfg Magnus


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