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Children of the Prophecy

Die Kinder der Prophezeihung
von

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2. 24: [Tekhelet]

24: [Tekhelet]
 

(You say yes

You say yes

I say maybe

I say maybe to everything)
 

(Beautiful)

Oh yeah, those blue skies up ahead

Blue skies in my head
 

All town clocks

And marching soldier’s socks

I said, let’s go, let’s go, let’s go, to this magic wonder show
 

And I’m walking and,

Crawling and,

So tired and insane
 

A-Ah-Ah – I

I see
 

Blue Skies over my head

I said, Blue Skies are in my ahead

(Blue Skies up ahead)

I said, blue Skies are in my head

(Blue Skies up ahead)

I said Blue Skies…

Blue Skies up ahead
 

Beachwood says

He’d like you in the street,

So like you in the street,

In the lullabies
 

Just when she sings

Like you in the street

So like you in the street

In the lullabies
 

You can go just where she’s going!
 

[…]
 

Need a little joy,

Need a little joy,

Need a little joy,

And I have a baby boy

And need a little joy,

Need a little joy,

Need a little joy and some dancing,

Need a little joy,

Come on baby boy,

Come on blue skies.

Blue skies, oh say blue skies are in my.....
 

Blue Skies are in my head;

Blue skies, up ahead….
 

-Blue Skies, BT ft. Tori Amos
 

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DAS PROJEKT ZUR VOLLENDUNG DER MENSCHHEIT.

„Was ist das?

Es stimmt, dass ich immer noch nicht herausgefunden habe, was nun real ist, das hier oder das da drüben, aber gerade jetzt spielt das keine Rolle. Ich bin ja in beiden Welten, genau wie diese Worte. Sie sind überall, versteckt am helllichten Tage, ein Stückchen über unseren Köpfen, kurz unter unseren Nasen, der Schatten in unseren Augenwinkeln, das Flüstern in unseren Augen, das ungewisse Glitzern hinter unseren Spiegelbildern...

Misato-san, du hast gesagt, dass das hier die Arbeit meines Vaters ist, aber, was genau hat er hier versucht zu verwirklichen?“

„Pardon, Pardon. Vielleicht könnte ich das erklären, junger Herr?“

„Wer...?“

„Ich? Ich bin Ihr, Eure Majestät. Es gibt nichts hier, was nicht zu Euch gehört, dass ist der springende Punkt. Ich dachte, soweit hättet Ihr es schon begriffen. Wenn Ihr aber diese Form und diese Stimme meint, dass sind Erinnerungen an jemanden, der schon lange fort ist.“

„Und zugleich ein Schatten einer möglichen Zukunft?“

„Zukunft? Gegenwart? Solche Worte haben keine Bedeutung mehr an diesem Ort. Auch das sollte Euch bewusst sein.“

„Für Sie wäre all dass hier Vergangenheit, nicht?“

„Das ist es nicht. Was ich Ihnen bewusst zu machen versuche, junger Herr, ist das Unterscheidungen wie 'für mich' oder 'aus deiner Perspektive' an diesem Ort völlig überflüssig sind.“

„Dann sind Sie also eine der vielen, vielen Stimmen aus dem schwarzen Ozean, ein Gefäß für den Chor vom Meer der Finsternis.“

„'Meer der Finsternis'? Ist es das, was Ihr es nennen wollt?“

„Es ist das, was es für mich immer gewesen ist. Was mich die Erfahrung gelehrt hat.“

„'Meer der Finsternis'...' Evangelion-Friedhof'. 'Die blutrote Welt jenseits aller Rettung'... Ihr mögt unausgereift sein, aber Ihr sprecht wie ein Prophet. Es erinnert mich zu sehr an Euren Großvater. Er war ein Visionär, der die Ziele SEELEs immer klar vor Augen zu haben schien, als wären sie schon Gegenwart. Auch, wenn es ihm anders als dir nie vergönnt war, sein Werk im voraus zu bestaunen. Ihr mögt das Blut dieses elenden Rokubungi in Euch tragen, aber im Herzen seid Ihr Eurer Ästhetik nach Romantiker... das ist einer der Gründe, weshalb ich immer noch große Hoffnungen in Euch lege.“

„Was für Hoffnungen? Was wollen Sie von mir?“

„Wie könnte denn ein Schatten einen Willen haben? Der einzige Wille, der wie im Himmel so auf Erden noch geschieht, ist der Eure. Und Ihr hast eine Frage gestellt, oder etwa nicht?

Du warst fähig, mich hier zu erreichen, nachdem du dort drüben begonnen hast, unsere Kausalitätsketten zu verflechten. Es ist dir schon mal gesagt worden, oder? Das falsche Wort an der falschen Stelle kann verheerende Folgen haben.“

„Ja, das wurde mir gesagt,aber warum mir das gesagt wurde, das ist eine andere Sache. Ihnen und Ichijou-san scheint es schon mal nichts auszumachen, zu wissen, was hier gespielt wird.“

„Und genau das ist der Grund, weshalb Ihr im Moment limitiert seid. Ihr versteckt Euch immerzu hinter der Klage, nichts zu wissen, aber Ihr unternehmt keinen wirklichen Versuch, Euer Wissen zu vergrößern, ja, Ihr schirmt Euch sogar davor ab, weil Ihr Eure sichere kleine Welt nicht verlieren wollt – zumindest noch nicht, nicht heute. Ihr geht weiter auf Euch bekannten, vertrauten Pfaden auf denen Ihr euch sicher wähnt, ohne auf den Abgrund zu achten, der sich in der Ferne auftut.

Wer nichts weiß, der kann auch nichts verstehen, und wer unwissend lebt, verdient es auch, unwissend zu sterben, unwissend über sein eigenes Erbe, die Macht, die sein Geburtsrecht ist.... Euer Erbbesitz, junger Herr.

Diese Macht ist diejenige, die Euch zusteht; Wenn Ihr sie ergreift, gibt es nichts auf dieser Welt, was sie Euch verwehren kann.“
 

DAS PROJEKT ZUR VOLLENDUNG DER MENSCHHEIT (Redux)

(EINE TRAGÖDIE IN FÜNF AKTEN)

In den Worten seiner Anhänger:

„Der Schlüssel zur Vereinigung des menschlichen mit dem Göttlichen.“

„Der Weg, ein Kind Gottes zu werden.“

„Die Rückkehr zum Plan Gottes.“
 

Wir werden dies an dieser Stelle für jene, denen das noch nicht begreiflich sein sollte, einmal am Beispiel eines einzigen Individuums erläutern.

(Nein, heute mal nicht Shinji Ikari. Er ist schließlich nicht der einzige Mensch auf diesem Planeten. Zumindest noch nicht.

Mein Knecht Hiob, lausche und lerne:)
 

I:

Gott ist perfekt.

Gott ist nicht bloß perfekt; Perfektion wird definiert im Vergleich zu Gott und „Herrlichkeit“ genannt, zumindest von ihm selbst, und dass ist alles, was für ihn wirklich zählt.

Gott hat keine Bedürfnisse, aber Gott wird von allen gebraucht.

Gott muss niemandem dankbar sein, aber alle sollen Gott danken.

Alles existiert zuallererst, um Gottes Willen zu erfüllen, es ist untragbare Selbstsucht, die Erfüllung von Gottes Willen nicht vor alles andere zu stellen; Gott existiert nur für sich selbst.

Wer Gottes Willen nicht folgt, ist töricht und vermessen; Gott muss sich nicht zeigen.

Gott hat keine Schwächen oder Fehler, aber alle sind schwach und fehlbar im Vergleich mit Gott. Gott schuldet niemandem etwas, aber alle stehen in der Schuld von Gott, alle sollen nach Gottes Vergebung flehen.

Es gibt nichts, das Gott nicht weiß, nicht kann, oder nicht versteht, und jeder der es wagt etwas anderes zu behaupten, ist vermessen.

Genau so ist von Gott zu fordern eine Vermessenheit; Was er einem gibt aber, als Segen anzuerkennen, egal, in welcher Form es kommt, ob er sich einem mal milde zuwendet nur, um einem dann wieder strafend zu schlagen... denn schließlich ist es schon genug, das Gott sich zu uns dreckigen, unwürdigen Menschen hinab lässt, um uns aus purer Gutmütigkeit sein Haupt zuzuwenden, die wir ihn so, so enttäuscht haben.

Es gibt nichts, was wir für Gott tun könnten, doch Gott tut alles für uns; Er opfert sich komplett für uns auf, ohne dabei etwas zu verlieren;Er stirbt für unsere Sünden, doch der Tod kann ihn nicht halten. Die Hingabe an Gott ist für den Menschen erfüllend.

Gott hat immer recht, und daher bleibt für alle, die sich gegen Gott stellen, immer nur das Unrecht.

Gott verdient besondere Behandlung wegen dem, was er ist, nicht dem, was er tut. Er ist der Schöpfer des Himmels und der Erde, der Herr der Heere, der Ursprung von Liebe und Wissen, das Licht der Welt; Er könnte die ganze Welt in eine Sintflunt stürzen, jedes Kind und jedes Tier, und wäre trotzdem noch im Recht, denn die Welt verdankt alles, was sie hat, ohnehin alles Gott.

Gott hat schon per Definition Recht; denn er ist Gott, und Gott „ist, dass er ist“. Alles gute kommt von Gott, und an allem schlechten sind die Menschen selber schuld, Gott ist niemals schuld und ohne ihn kann der Mensch nichts gutes schaffen – Ja, alle guten Taten des Menschen sind wie schmutzigen Lumpen vor Gott, der allein ihre wahre, selbstsüchtige Natur erkennen kann, und jede Strafe Gottes ist ein Geschenk, für das die Welt ihn lobpreisen sollte, sein jeder Tritt eine Ehre.
 

Und vor allem ist Gott einzig, einzig und allein: Es gibt keinen zweiten Gott, niemand ist wie Gott, und ihm von Angesicht zu Angesicht entgegenstehen zu wollen, ist die größte Vermessenheit von allen.
 

II:

Das Second Child ist perfekt.

Das Second Child ist nicht bloß perfekt; Perfektion wird definiert im Vergleich zum Second Child und „höchster Synchronwert der Welt“ genannt, zumindest von ihr selbst, und dass ist alles, was für sie wirklich zählt.

Das Second Child hat keine Bedürfnisse, aber sie wird von allen gebraucht.

Das Second Child muss niemandem dankbar sein, aber alle sollen ihr danken.

Alles existiert zuallererst, um den Willen des Second Childs zu erfüllen, es ist untragbare Selbstsucht, die Erfüllung ihres Willens von nicht vor alles andere zu stellen; Das Second Child existiert nur für sich selbst.

Wer dem Second Child nicht jeden Wunsch von den Lippen abliest, ist ein selbstsüchtiger Dummkopf; Das Second Child muss nicht bitten.

Das Second Child hat keine Schwächen oder Fehler, aber alle sind schwach und fehlbar im Vergleich mit ihr. Sie schuldet niemandem etwas, aber alle stehen in der Schuld des Second Childs, alle sollen nach ihrer Vergebung flehen.

Es gibt nichts, das Second Child nicht weiß, nicht kann, oder nicht versteht, und jeder der es wagt etwas anderes zu behaupten, ist vermessen.

Genau so ist von ihr zu fordern eine Vermessenheit; Was sie einem gibt aber, als Segen anzuerkennen, egal, in welcher Form es kommt, ob sie sich einem mal milde zuwendet nur, um einem dann wieder strafend zu schlagen... denn schließlich ist es schon genug, das sie sich zu uns dreckigen, unwürdigen Menschen hinablässt, um uns aus purer Gutmütigkeit ihr Haupt zuzuwenden, die wir sie so, so enttäuscht haben.

Es gibt nichts, was wir für das Second Child tun könnten, sie Gott tut alles für uns; Sie opfert sich komplett für uns auf, ohne dabei etwas zu verlieren; Sie arbeitet unermüdlich als Pilotin für die Evangelions, doch wird dabei niemals müde. Ja, die anderen sollten sich freuen, dass sie Gelegenheit haben, sich dem Second Child hinzugeben.

Das Second Child hat immer recht, und daher bleibt für alle, die sich gegen sie stellen, immer nur das Unrecht.

Sie verdient besondere Behandlung wegen dem, was sie ist, nicht dem, was sie tut. Sie ist die designierte Pilotin von EVA 02, das Ass der Europäischen Streitkräfte, die einzige voll ausgebildete Pilotin, die Verteidigerin der Erde; Sie könnte die ganze Welt wie Dreck behandeln, jeden Kameraden und jeden Mitschüler, und wäre trotzdem noch im Recht, denn die Welt verdankt alles, was sie hat, ohnehin alles dem Second Child.

Das Second Child hat schon per Definition Recht; denn sie ist das Second Child, und das Second Child ist Gott. Alles gute kommt von ihr, und an allem schlechten sind die anderen selbst schuld, das Second Child ist niemals schuld und ohne sie können die anderen nichts gutes schaffen – Ja, alle guten Taten der anderen sind wie schmutzigen Lumpen vor ihr, sie allein kann ihre wahre, selbstsüchtige Natur erkennen, und jede Strafe des Second Childs ist ein Geschenk, für das die Welt sie lobpreisen sollte, ihr jeder Tritt eine Ehre.
 

Und vor allem ist das Second Child einzig, einzig und allein: Es gibt keinen zweites Second Child, niemand ist wie das Second Child, und ihr von Angesicht zu Angesicht entgegenstehen zu wollen, ist die größte Vermessenheit von allen.
 

(Das Second Child mag zwar ein artifizielles Konstrukt sein, dass keinen Schmerz kennt, aber mit Asuka Langley verhält sich das anders.

Asuka Langley ist ein realer, verletzlicher Mensch. )

(„AT LEAST, BE HUMAN.“)
 

III:

Der Mensch ist nicht perfekt.

Der Mensch ist nicht bloß nicht perfekt; Fehlbarkeit wird definiert im Vergleich zum Mensch und „Menschlichkeit“ genannt, zumindest von ihm selbst, und dass ist alles, was für ihn wirklich zählt.

Der Mensch hat Bedürfnisse, aber der Mensch wird auch von anderen gebraucht.

Der Mensch muss anderen dankbar sein, kann aber auch die Dankbarkeit anderer gewinnen.

Alle Menschen haben zuallererst ihre eigenen Wünsche, die sie verfolgen; Der Mensch der verlangt, dass andere seinen Willen vor alles andere stellen, ist vermessen.

Wer will, dass seine Wünsche erfüllt werden, muss sich zeigen und darum bitten; Wer verlangt, dass man ihm alle Wünsche von den Lippen abliest, ist töricht und vermessen.

Der Mensch hat Schwächen und Fehler, aber andere sind ebenso schwach und fehlbar im Vergleich mit dem Menschen. Der Mensch kann Schuld auf sich lagen, aber sie kann ih erlassen werden, wenn er nach Vergebung fleht.

Es gibt Dinge, die der Mensch nicht weiß, nicht kann, oder nicht versteht, und jeder der es wagt etwas anderes zu behaupten, ist vermessen.

Genau so ist es eine Vermessenheit, wenn der Mensch sich weigert, den Anteil zu leisten, der von ihm gefordert wird, doch was er dem Ganzen wirklich schuldet, hängt daran, was er dafür erhält, und in welcher Form es kommt. Es geht nicht, dass er sich den anderen nach seinem launischen Gutdünken mal milde zuwendet nur, um einem dann wieder strafend zu schlagen... denn die Mächtigen unter den Menschen haben ihre Macht und Würde nur durch die Unterstützung ihrer Untergebenen, und niemand kann Gutmütigkeit verlangen, nachdem er seine Vertragspartner wieder und wieder enttäuscht hat.

Es gibt viel, was die Menschen füreinander tun können, doch es gibt auch Grenzen in ihren Möglichkeiten; Keiner kann sich komplett aufopfern, ohne dabei etwas zu verlieren; Jeder hat nur ein Leben, dass er sich für sich selbst und andere einteilen muss; Doch auch die Hingabe an andere Menschen ist für den Menschen erfüllend.

Der Mensch hat nicht immer recht, und daraus folgt, dass er manchmal im Unrecht ist.

Der Mensch verdient keine besondere Behandlung wegen dem, was er ist, sondern dem, was er tut. Er könnte der Sohn des reichsten Fürsten sein, der mächtigste Krieger, der weiseste Gelehrte, der gerühmteste Held; Wenn er stiehlt, ist er ein Dieb, wenn er lügt ist er ein Lügner, wenn er tötet ist er ein Mörder, und wenn er hintergeht, ein Verräter; und wenn er an anderen Menschen unrecht tut, verdankt er es seinem eigenen Treiben, wenn er von anderen Menschen dafür bestraft wird.

Der Mensch hat nie schon per Definition Recht; denn er ist ein Mensch, und der Mensch ist, was er sich durch seine Handlungen entscheidet, zu sein. Der Mensch enthält sowohl Licht als auch Schatten, sowohl Chaos als auch Ordnung, sowie sowohl gutes als auch schlechtes. Und obgleich nicht alles gute, was ihm widerfährt, verdient ist, und nicht alles schlechte mit dem er sich herumplagt, seine Schuld ist, so haben seine Handlungen und Entscheidungen doch Konsequenzen: Tut er Böses, rechnet man ihm seine Schuld an, und tut er gutes, schafft er wenn auch noch so kleine, aber doch reale Veränderungen im Leben seiner Mitmenschen.

Denn nur wer sich nicht schämt, eine wahrhaft selbstsüchtige Natur vor allen offenzulegen, würde gute Taten wie schmutzige Lumpen vergelten, oder erwarten, für Schelte und Lug Lob und Preis zu erhalten, oder für Tritte gerühmt zu werden.
 

Und vor allem ist der Mensch ein Wesen, das in einer Gemeinschaft lebt, das zoon politikon: Jeder Mensch ist einzigartig, aber in Wert und Recht und Sterblichkeit sind sie alle gleich, und dass sich ein einzelner anschickt, von oben auf alle herabzublicken, statt ihnen von Angesicht zu Angesicht entgegen zu stehen, ist die größte Vermessenheit von allen.
 


 

(VI: )

(Ein interessanter Vergleich.)
 

Ein Neugeborenes ist perfekt.

Das kleine Kind ist nicht bloß perfekt; Perfektion wird definiert im Vergleich zu Babys und „Unschuld“ genannt, zumindest von den meisten Menschen, die sich Kinder zulegen und sich um sie kümmern, und dass ist alles, was für sie wirklich zählt.

Gott hat keine Bedürfnisse, aber Gott wird von allen gebraucht.

Gott muss niemandem dankbar sein, aber alle sollen Gott danken.

Die Eltern müssen die Bedürfnisse des Babys so erfüllen, das ihm nichts fehlt, aber das Baby muss keine Gegenleistung erbringen und es ist nicht für die Bedürfnisse der Eltern zuständig.

Von einem Baby werden keine Gesten der Dankbarkeit erwartet, aber die Eltern sind oft dankbar, es bekommen zu haben.

Die Versorgung des Babys steht a erster Stelle, es ist untragbare Selbstsucht, die eigenen Interessen über sein Wohl zu stellen; Das Baby existiert nur für sich selbst.

Wer dem Willen des Babys nicht folgt, nicht sofort angerannt kommt, wenn es weint, ist töricht und vermessen; Das Baby muss nicht genau sagen, was es will.

Ein Baby hat noch keine Fehler gemacht, aber alle sind alt und fehlbar im Vergleich mit dem Baby. Das Baby schuldet niemandem etwas, aber die Eltern schulden dem Baby das beste, was sie ihm bieten müssen.

Von dem Baby wird nicht verlangt, dass es irgendetwas kann, weiß, oder versteht, und jeder der es wagt es deswegen anzuklagen, ist vermessen.

Genau so ist es eine Vermessenheit von einem Baby etwas zu fordern; Was es einem gibt aber, als Segen anzuerkennen, egal, in welcher Form es kommt, ob es einen mal milde anlächelt nur, um einem dann wieder mitten in der Nacht aufweckt... denn schließlich ist es schon genug, dass das Kind vollkommen auf die Eltern angewiesen ist, und ihnen voll Vertrauen das Köpfchen zuwendet, sich an sie bindet, egal, ob sie sich später als dreckige, unwürdige Menschen erweisen, die es so, so tief enttäuschen werden.

Es gibt nichts, was das Baby für uns tun könnte, doch wir tun alles für es; Sie opfern sich komplett für es auf, ohne sich zu fühlen, als hätten sie dabei etwas verloren; Ja, die Hingabe an das Baby ist erfüllend für die Eltern; Sie geben Zeit ihres Lebens auf, doch der Tod kann ihn nicht halten, da sie in den Kindern weiterleben.

Das Wohl eines Kindes ist immer recht, und daher bleibt für alle, die sich gegen sein Wohlergehen stellen, immer nur das Unrecht.

Ein Kind verdient besondere Behandlung wegen dem, was es ist, nicht dem, was es tut. Denn es waren die Eltern, die sich entschieden haben, das Kind überhaupt erst zu bekommen, mit allen Pflichten, die damit einhergehen; Sie sind für das Kind der Himmels und die Erde, die Armee, die es beschützt, der Ursprung von Liebe und Wissen, das Licht der Welt; Er könnte die ganze Zeit Schreien, Beißen und um sich Schlagen, und wäre trotzdem in recht, denn die Eltern haben selbst gewählt oder zumindest riskiert, ein Kind zu bekommen.

Das Kind hat schon per Definition Recht; denn es ist ein Kind, und Kinder sind unschuldig. Das Kind ist gut, und an allem schlechten sind die Eltern selber schuld, das Kind ist niemals schuld, da es ohne die Hilfe der Eltern kann der Mensch nichts schaffen kann – Ja, alle guten Taten der Eltern sind das mindeste, was von ihnen als Eltern erwartet wird, denn sie sollten als Erwachsene fähig sein, die Natur des Kindes zu erkennen: Das es Liebe und Pflege braucht. Die Prüfungen, die den Eltern bei der Aufzucht des Kindes widerfahren, sind etwas wofür sie dankbar sein sollte, eine Gelegenheit zu lernen und zu wachsen.
 

Und vor allem sind Liebe und Fürsorge rechte, die allen Kindern gebühren: Es gibt keines, das mehr wert wäre als irgendein zweites, denn sie brauchen diese Liebe, um selbst zu erwachsenen heranzuwachsen und ihren Vorfahren eines Tages von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen; Kinder werden erwachsen, sie wachsen auf und geben freche Antworten, und zu erwarten, dass sie für immer Kinder bleiben werden, ist die größte Vermessenheit von allen.
 

(V:)
 

Als Gott die Welt schuf, stand am Anfang des Prozesses ein Vorgang, den die Anhänger gewisser Glaubensrichtungen als „Tzimtzum“,„Verdichtung“ oder „Verhüllung“ bezeichnet wurde: Gott selbst hat viele scheinbar widersprüchliche Attribute, die nach dem Logos unserer Welt nicht in einem Wesen koexistieren können, und doch ist uns das göttliche Licht nicht fremd, da es das Herzblut allen Lebens ist; Aber Gott ist einzig und unteilbar, ewig, und unbeweglich, und nichts geringeres als er selbst könnte seiner Herrlichkeit widerstehen.

Um eine dynamische, von ihm verschiedene Schöpfung zu erschaffen, der er im Gespräch sein Gesicht zuwenden könnte, musste er für die Welt platz machen, und Teile seiner Essenz verbergen, damit andere davon unabhängig dastehen konnten; Die Vielfältigkeit der Welt ist also ein Kaleidoskop der Aspekte Gottes, und das Resultat war die von Aristoteles beschriebene Welt, in der nichts gleichzeitig mit seinem Gegenteil wahr sein kann, und nichts zwei Eigenschaften besitzen kann, die einander widersprechen.
 

Aus dem selben Grund sind die Menschen alle verschieden, obwohl sie alle nach Gottes Abbild geschaffen wurde; Wie die spirituellen und materiellen Schichten ihres Bewusstseins und der sie umgebenden Realität, stellen sie verschiedene, 'verhüllte' und unvollkommene Teile von Gottes Natur da: Wenn ein Mensch geboren wird, mag ein Teil seiner Natur schon festgelegt sein, oder auch nicht, aber nur ein geringer Teil seines endlosen Potentials wird je wirklich genutzt: Für alles, was er tut und erwählt, gibt es zahllose Sachen, die er nicht tut, und nicht als ein Teil seiner selbst akzeptiert.

In dieser materiellen, geschaffenen Welt kann ein Gegenstand entweder eine Eigenschaft haben, oder auch nicht; Nur dadurch, dass ein Mensch eine Eigenschaft hat, oder sie zumindest als teil seines Selbstbilds oder Egos akzeptiert, verschließt er sich gegenüber der Möglichkeit, dass nicht dazu passende Elemente in seiner Persönlichkeit existieren; Je mehr man sich auf eine Fähigkeit spezialisiert, umso großartiger und gefragter die Dinge, die man damit vollbringen kann, und umso weniger Zeit und Energie hat man für das ausbilden anderer Fähigkeiten, insbesondere derer, die gegensätzliche Anforderungen stellen: Wer seinen Körper für eine Sportart trainiert, passt nicht mehr genau in die Spitzen-Anforderungen für eine andere, und genau so steht es mit Seele und Geist; Je mehr das Leben voranschreitet, je mehr Ideen und Konzepte von Ego sich ansammeln, umso beschränkter wird der Mensch in seinem handeln, zumindest, solange sich der Mensch seiner eigenen Auswahl in dem, was aus ihm wird, nicht bewusst wird.
 

„Eine Wahl?“

(Selbst allein in der endlosen, zeitlosen Dunkelheit stehend, und mit ihren dünnen Ärmchen um ihren bloßen Körper geschlungen, war in der Stimme des rothaarigen Mädchens noch ein beleidigter Stolz zu hören, vielleicht, das einzige Schild, dass ihr gegen das umbarmherzige Vakuum zur Verfügung stand)

„Ich habe keine Wahl! Eine Wahl bedeutet immer auch eine Beschränkung, einen Zwang, sich zu entscheiden, und sollte ich mich beschränken lassen? Willst du mir sagen, dass es etwas gibt, was ich nicht sein kann?

Wollt ihr mir sagen, dass es keinen Weg gibt, oder wart ihr nur zu faul, zu feige, zu voreingenommen, um einen zu finden?

Die Erfolgreichen auf dieser Welt sind diejenigen, die den Mumm haben, nach dem scheinbar unmöglichen zu greifen und es mit beiden Armen in Besitz zu nehmen.

Ich sage euch, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg:

Ich kann alles sein, alles tun, alles werden! Ich kann sein, was auch immer nötig ist, um in der Welt zu überleben; Alles, was gebraucht wird, alles, wonach die Menschen jubeln und jauchzen; Ich werde es euch allen noch zeigen!“
 

„Aber,“ fragte eine leise, helle Stimme, die das Second Child sehr schnell mit einem zischenden Aufstieg von Verachtung in Verbindung brachte, in einem Ton, der noch nicht einmal anklagend war, sondern aller höchstens entfernt neugierig: „Was bist du, wenn du allein bist? Was bist du, wenn es keine Spiegel gibt, um dein strahlendes Licht auf dich zurückzuwerfen?“
 

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Im Gegensatz zu den endlosen Abarten von Rot, Braun und Ocker, die schon in den frühesten Ansätzen von Höhlenmalereien ihren Weg in das künstlerische Repertoire der Menschheit zu finden, brauchte jedwedes Fünkchen von Blau wesentlich länger, um sich in Kunst, Kultur und Bauwerk zu manifestieren, nicht zuletzt, weil die Auswahl an möglichen Pigmenten wesentlich begrenzter war; Obgleich die Weite des Himmels die Bewohner des Planeten Erde fast jeden Tag mit seinem majestätischem Ausmaß provozierte, fanden sich darunter wesentlich weniger Objekte, die dem Firmament in seiner Färbung entsprochen hätte – Am ehesten gab es noch etwas dunklerer Farbtöne, verschmutzt von restlichem Violett, die sich in ein paar gelegentlichen Beeren und Blüten manifestieren, aber Tiere und Pflanzen, die sich in sattem, strahlenden Blau präsentierten, waren eine köstliche Rarität, ein Anblick wie ein lebendes Juwel, den nicht jeder zu erhaschen vermögen würde... so war es kein Wunder, dass die Erbauer der alten Zivilisationen den Farbton, nachdem sie ihn endlich vom Himmel heruntergezerrt und ihn sich durch die Wunder des Wissens zu eigen gemacht hatten, immer noch genug achteten, um ihn sich als universelles Symbol für Ewigkeit und Unendlichkeit zu erhalten, die Farbe des Göttlichen, das von den niederen Kriechtieren der Erde getrennt war, und sich ungeachtet ihrer irdischen Angelegenheiten unberührt über das Firmament erstreckte – Schon die alten Babylonier und Sumerier, deren prunkvolle Städte aus Stein die ersten Strukturen waren, die die Finsternis der Nacht jemals durchbrochen hatten, überzogen ihre Götterbilder mit ihren neu gefundenen Pigmenten; Der vielleicht älteste synthetische Farbstoff der Weltgeschichte wurde vielleicht in Ägypten verwendet, schon damals ein klar definiertes Zeichen für das endlose und göttliche; Am anderen Ende der Welt fügten die Chinesen Kobalt zu ihren Gläsern und Keramiken hinzu; Auf der anderen Seite des Atlantiks verzierten die Maya ihre heiligen Stätten mit einer lange verlorenen, selbst für heutige Verhältnisse unglaublich resistenten Mischungen, die ihren Tempeln die Farbe des Himmels verlieh, und auch in einigen der Religionen, deren Götter noch bis zum heutigen Tage verehrt wurden, hatte die vielleicht irgendwo urtümlich-grundlegende Faszination der Menschheit mit den farblichen Attribut der immerzu sichtbaren, und doch niemals greifbaren Ewigkeit über ihren Köpfen nicht an Bestand verloren – So galt sie im an sich prinzipiell (trotz seines etwas zwiespältigen Verhältnisses mit Symbolen überhaupt) mit dem Grün von Natur und Gesundheit assoziierten Islam dennoch als die Lieblingsfarbe des Propheten, im Hinduismus war sie eines der Attribute von Vishnu dem Bewahrer, dessen Avatar Krishna in der Regel mit blauer Haut dargestellt wurde, und auch im Judentum zitierten viele der weltweit verstreuten Gläubigen fast täglich ihr zentrales Gebet, in dem einer der geforderten Tribute ihres Gottes an seine Knechte besagte, dass sie ihre Gebetsriemen unter Zuhilfenahme eines bestimmten Pigmentes mit einem blauen Streifen auszustatten hatten – eine Tradition, die nach der Zerstörung des Tempels ein Ende gefunden hatte, nachdem die in alle Winde verteilten Gläubigen einfach keinen Zugang mehr zu dem fraglichen Farbstoff gehabt hatten – Ein anderes, in ihren neuen Heimatorten häufigeres Pigment zu verwenden, wäre Blasphemie gewesen.

Ein Stück weit hätte man sagen können, dass sich die gesamte Menschheit im Moment in so einer Situation befand – als hätte sich der Schöpfer des Universums aller sieben-farbigen Versprechen zum Trotz so über die Erde erzürnt, dass er sie noch einmal mit Flut schlug, und fünfzehn Jahre zuvor alles hinweg gewaschen hatte, was den sterblichen je als Inspiration für ihre vielfältigen Götzenbilder gedient hatte, die Pflanzen und Tiere, die sie gegessen hatte, die eindrucksvollsten Wunder der Natur, die sie in Ehrfurcht versetzt hatten.

Für die Menschen in der Welt nach dem Second Impact war blau hauptsächlich die Farbe eines verlorenen Traumes, die Unschuld des ganzen Planeten, die von einer einzigen Flut aus rostig-blutiger Schlacke gehörig übertüncht worden war – Sie begleitete ein Gefühl sehnsüchtiger Melancholie, nach einer Welt, welche die jüngeren Einwohner der verdorbenen Welt niemals gekannt hatten, und auch niemals kennen würden. Für Shinji selbst auf einer ganz individuellen Ebene war diese Assoziation mit Melancholie vielleicht einer der Hauptgründe gewesen, welche dieser Farbe bei der Auswahl seiner diversen Kleidungsstücke einen Vorteil verschafft hatten, wenngleich ein weiterer, vermutlich sogar wichtigerer Faktor dabei gewesen war, dass solche kalten Farbtöne im allgemeinen nicht so... aufdringlich waren wie beispielsweise Rot und Orange, sondern die Eigenschaft hatten, dass sie relativ unbehelligt in den Hintergrund hinein sinken konnten.

Das war ihm nur all zu recht.

Aber es gab da auch noch andere Stimmen, verschwörerisches Flüstern, dass er vor seiner Ankunft hier in Tokyo-3 selten bemerkt, oder vielleicht auch nur selten beachtet hatte, Echos einer anderen Welt, die nicht eine Vergangene, sondern eine Zukünftige war, die selbst in der Form ihres noch nicht erreichten Potentials zu leuchten und strahlen vermochte, auch, wenn sie nur als Idee existierte. Das es andere Menschen mit einer anderen Sichtweise geben würde, war zu erwarten – das galt für alle Dinge, warum dann nicht auch für Blau? Für die mittelalterlichen Europäer galt es schließlich als warme Farbe, vielleicht, weil sie es mit der Jungfrau Maria und somit allen Formen von weiblicher Wärme und Mütterlichkeit verbunden hatte, Dinge, von denen Shinji freilich nur weit, weit entfernte, verblassende Ahnungen erfahren hatte – Doch mit der Interpretation, die den flüsternden Stimmen von Tokyo-3 vorschwebte, konnte er sich fast schon anfreunden, manchmal nur, wenn es durch diverse Ablenkungen einfacher wurde, zu vergessen: Das das blau des weiten Himmels, das Kleid des vergangenen Himmels, auch ein Versprechen des Glanzes sein könnte, der eines Tages wiederkehren würde, wenn der Feind lange bezwungen und die Wasser des Lebens durch die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Ingenieuren wieder geläutert worden waren – Vielleicht, weil beide Assoziationen zumindest für ihn nicht so grundlegend verschieden waren. Shinji konnte sich an diesem Ding namens 'Hoffnung' nicht Zuversichtlichkeit festhalten, wie das Misato vielleicht zu tun vermochte – Vielmehr war das Schillern einer geretteten Welt mit genau so viel verzehrender, melancholischer Sehnsucht verbunden, wie die nur unwesentlich unerreichbarere Vergangenheit.

Die Möglichkeit, dass es doch alles anders werden könnte, schwirrte über seinen Kopf hinweg wie ein Irrlicht, dessen Distanz zu seinen suchenden Händen trotz all seiner Anstrengungen gleich zu bleiben schien, und band ihn nur durch die bloße Tatsache, dass diese trügerische Vision ganz verworfen sein würde, wenn er diesem Ort den Rücken kehren sollte, an seinen Posten wie ein Gespenst an das Haus, in dem es die Welt der Lebenden verlassen hatte.

Für ihn hatte die Hoffnung als etwas fremdes, beinahe unheimliches begonnen, dass sich mehr als eine Art stummes, nicht weiter bezeichnetes Symbol verhalten hatte, dass irgendwo im Hintergrund seiner Gedanken aufhielt, und nichts weiter tat, als einfach seine Präsenz anzukündigen und erklärungslos vor sich hin zu existieren... und auch wenn sich diese Zeiten geändert hatten, und er sich zumindest der theoretischen Möglichkeit gegenüber gelegentlich geöffnet hatte, so blieb dieses ganze Konzept für ihn noch immer etwas weit, weit entferntes...
 

...was aber nicht heißen musste, dass er unberührt stehen blieb, wenn er in den Mengen des Schulgebäudes ein Fitzelchen von Blau ertappen sollte. Gut, es war bei weiten nicht das einzige, aber an die Uniformen der Mädchen war er mittlerweile soweit gewöhnt, dass er sie kaum noch registrierte, vielleicht auch aus einer gewissen Über-Saturierung heraus – Der Rotschopf, der sich längst von ihm abgewendet hatte, um sich mit ein paar der zahlreichen Mädchen zu unterhalten, die mehr ihre Fans als wirklich ihre Freundinnen waren, zeigte nie irgendwelche Zweifel daran, dass sie nicht verlieren könnten, und das machte ihre Selbstsicherheit zu einer recht billigen Ware, die sie einem hinterherwarf, wenn man sie ihr nicht freiwillig abkaufte; Die Leichtigkeit, mit der sie sich durch die Verehrerinnen in ihrem Dunstkreis hindurch bewegte, und ihre meisterhaft einstudierte Routine abspielte, wie es ihm niemals möglich gewesen wäre, und nachdem er diesen Gedanken abgefasst hatte, wurde es nahezu unmöglich, nicht zu sehen, wie sie immerzu ihren Platz in der Rangfolge klarzustellen versuchte – und zu allem Überfluss ging die Unterhaltung auch noch über ein Thema, dass er bis jetzt fast schon erfolgreich zu verdrängen vermocht hatte – Diese anstehende Berufsorientierungsveranstaltung.

Erdrückt von der Hitze und dem unmöglichen Wissen, das auf seinen Schultern lastete, sehnte er sich nach dem geringsten Fünkchen von Wasser in der Wüste, und aus einem gestauchten Winkel sah er tatsächlich ein Fitzelchen davon die Treppen des Gebäudes hoch laufen – Eigentlich hätte es umgekehrt sein müssen, zumindest bis jetzt war sein klares Bewusstsein darüber, dass sich jeder Abglanz eines Lichtstrahls jederzeit, und auch mit verhältnismäßig großer Wahrscheinlichkeit als Fata Morgana entpuppen könnte, mehr ein Grund gewesen, solchen fernen Möglichkeiten gar nicht erst hinterherzujagen, aber warum war er denn überhaupt hier in Tokyo-3, wenn nicht, wenn er sich von so etwas hatte verführen lassen, einmal ganz zu Anfang, und dann immer wieder, obwohl er fast schon eine bewusste Anstrengung unternommen hatte, ja nichts anderes davon zu erwarten als die bittere Enttäuschung, mit der ihm so ziemlich alles in seinem bisherigen Leben all zu vertraut gemacht hatte, bis er sie in- und auswendig kannte?
 

Stattdessen schienen ihn all die kleinen Unerträglichkeiten seiner heutigen Existenz nur verzweifelter in seiner Suche voranzutreiben, deren Ziel er nur als eine konfus-diffuse Wolke beschreiben konnte, die sich im inneren seines Schädels breit gemacht hatte. Er wusste es doch selbst nicht, hatte keine Richtung, auf die er seine angestaute Intensität hätte loslassen können, und ohne ein Ablassventil fühlte er wieder deutlich diesen Eindruck von einer Trennung zwischen seinen sinnlosen Gedanken und der Welt um sich herum – an Anfang hatte er noch versucht, sich zu beteiligen, mehr aus mechanischer Höflichkeit den anderen Mädchen gegenüber, als dass er noch wirklich viel Geduld dafür übrig gehabt hätte, noch in Asukas Theater mitzuspielen. Hätten sie einander mit Diskussionen über irgendwelche Popstars, Fernsehsendungen oder Modetrends überschüttet, wäre das eine Sache gewesen, vielleicht hätte er dann damit fortgefahren, gelegentlich zu nicken und so zu tun, als ob er von Asukas Enthusiasmus zumindest zu einem halbherzigen Beitrags-Versuch mitgerissen worden wäre – Die schier endlose Energie, die Leichtigkeit, die er einst bewundert hatte, trug nach Abklingen seiner anfänglichen Begeisterung die grell-künstliche Falschheit abblätternder Neonfarben an sich, und es wurde deutlicher, je mehr er sie aus der Nähe sah und nicht in der entfernten Bewunderung des Unerreichbaren.

Sie war stark, sie hatte etwas dass sie antrieb, sie war fähig, einen Raum völlig zu dominieren, und er hatte sich davon blenden lassen, einfach, weil er selbst dazu niemals in der Lage gewesen wäre. Sich selbst als eine vollkommen wertlose Person sehend, war es den glänzenden Lichtern dieser in scheinbar so ziemlich allen unmenschlich perfekten Person ein leichtes gewesen, ihn völlig zu blenden – Und vielmehr war er nicht wirklich in der Position, irgendwem große Vorträge zu halten, sich zu beklagen, auf welcher Grundlage denn? Oder reichte das nicht? Sollte es reichen?

Oder hätte er nicht leugnen sollen, dass er komplett darüber hinweggesehen hatte, dass sie zu allem und jeden in ihrer Umgebung eine absolut scheußliche Person sein könnte, wenn ihr danach war – Oder eigentlich...

Es war kompliziert. Manchmal tat sie dies, manchmal das, dass es im wesentlichen eine Lotterie war machte alles nur noch schlimmer – Er sah sie bisweilen mit der Klassensprecherin abhängen, und trotz der kleinen Klassenraum-Fehde, die sich zwischen ihr und seinem eigenem Freundeskreis abspielte, konnte er sie, wenn er alles spielerische, situationsabhängigen Ärger und jugendlichen Stolz ausblendete, und sie ganz im Ernsthaften betrachtete, nur als ernsthaftes Mädchen mit an sich guten Absichten beschreiben. (und er konnte sich auch nicht vorstellen, das Touji, Kensuke oder Nagato etwas ernsthaftes gegen sie hatten – Deshalb waren ihre Streitereien auch 'sicher' genug, als das er sich, wenn auch selten außerordentlich aktiv, daran beteiligen würde. Mit Asuka war das anders... Wenn sie jemanden nicht leiden konnte, empfand sie einfach nur alles an dieser Person als eine tödliche Beleidigung)

Dennoch: Er glaubte nicht, dass sich die Klassensprecherin mit jemandem abgeben würde, der nicht irgendwo ein gutes Herz hatte.

Dabei war es jetzt keineswegs so, dass er jetzt sagen würde, dass Asuka ein schlechter Mensch war – das war ein ziemlich starkes, definitives Urteil, und außerdem... „war sie nicht immer so“?

Das klang nicht sehr überzeugend.

Er mochte es sicherlich nicht, wenn sie über Rei oder Misato herzog, aber er wollte sie keinesfalls irgendwie zum Teufel jagen... lag das jetzt an ihr, oder daran, dass er einfach ihre Feindschaft nicht aushalten wollen müsste?

Eine Frage, die implizierte, dass sie nicht bereits jetzt schon Feinde waren.

Waren sie denn Feinde? Es war schwer einzuschätzen. Wäre es einfacher, wenn sie Feinde wären? Oder einfach nur schrecklich? Er wollte sicherlich nicht, dass sie ihn hasste, noch wollte er sie hassen, das war nun wirklich keine tragbare Situation.

Feinde würden nicht vor irgendwelchen Türen aufeinander warten, einander explizit aufsuchen, um einander anzusprechen, oder... diese ganze Situation neulich, mit den Kuchen.

Das hätte glatt ein ganz anderes Mädchen sein können, als die Schaufensterpuppe, die sich da vor den anderen Mädchen profilierte, jemand greifbares, jemand, der auch mal etwas nicht konnte, aber ach, selbst solche Momente waren immer von Beteuerungen ihrer Überlegenheit flankiert.

Und wenn ihm das gefallen haben sollte, ihre Schwäche zu sehen zu bekommen, oder aber, dass sie ihn auf ihre Seite der Linie gezogen hatte, und sich entschieden hatte, ihn allein unter allen Menschen auf der Welt ein bisschen weniger zu hassen und ein bisschen von ihrem Leben mit ihm zu teilen, auf ihrem hohen Podest, weil er ein EVA-Pilot war, was sagte dass dann über ihn aus?

Die Idee, dass sie ihn durchschaut haben könnte, dass sie direkt durch alle Schichten von Höflichkeit und gut antrainierten Masken hindurch direkt in sein schwarzes Herz geblickt hatte, und ihn ausgewählt hatte, weil sie erkannt hatte, dass er so war, wie sie, und ihn dazu führen wollte, diese Finsternis über die Welt auszuschütten...

Das war absurd. Höchstwahrscheinlich, den Tendenzen entsprechend bloß ein konstruiertes Produkt seiner eigenen Unzulänglichkeiten, Spekulationen über einen schwarzen Fleck in der Karte.

Das Durchwuseln seiner Gedanken machte ihm nach und nach nur zunehmend klar, dass es vielleicht nicht so sehr Asuka war, an der er zweifelte, sondern seine eigenen Einschätzungen, und was sie über ihn aussagten.

'Versuch nicht, den Splitter aus den Augen deines Nächsten zu ziehen, bevor du nicht den Balken aus deinem eigenen gezogen hast'? Sicherlich, aber wenn alle so vorgingen, wie sollte dann je irgendjemand irgendwo mit dem ziehen anfangen? Wenn er nicht bereit war, wie sollte er dann je bereit werden?

Zu sagen, dass ihm die Person, die damals neben ihm in der Küche gestanden hatte, lieber war als die, deren übertriebene Gestik derzeitig nicht den Eindruck machte, als ob sie es überhaupt bemerken würde, wenn er sich unauffällig davonstehlen sollte, wäre vielleicht das noble gewesen, oder vielleicht auch nicht, aber nichts davon änderte etwas daran, dass es nicht die Wahrheit war.

Er hätte nicht einmal sagen können, ob 'dieses Mädchen' oder jede andere unvollkommene Abbildung, die sein Geist von ihr hätte erschaffen können, überhaupt jemals existiert hatte, oder nur ein Phantasieprodukt seiner eigenen Ahnungslosigkeit war – So weit ging das volle Ausmaß seiner Limitationen.

Das einzige, was er der sinnlichen Form seiner stürmischen Mit-Pilotin mit irgendeinem Maß an Gewissheit an Informationen entnehmen konnte, war das, was ihre undurchsichtige Oberfläche als Reflektion zurückwarf – Sie zeigte ihm das aller naturgetreuste, hässlichste seiner Spiegelbilder, die Summe von alledem, was er nicht begriffen, nicht verdient, immer gefürchtet, oder deutlich vermasselt hatte.

Waren seine Gedanken so also von Anfang an nicht bei der Konversation am Ball gewesen, trennten sie sich davon völlig ab, als die Unterhaltung dann irgendwie, von irgendwoher umschlug, vielleicht nur von einer plötzlichen Bemerkung eines Mädchens ausgehend, oder vielleicht hatte sich das ganze schon länger angebahnt, und Shinji hatte es durch seinen Zustand genereller Ablenkung nur spät gemerkt, aber es kam ein Zeitpunkt, an dem er sich mit einem nicht weiter definierten Grad an Plötzlichkeit in einer Menge von lebendigen jungen Mädchen wiederfand, die sich alle mit vollem Einsatz von Körper und Stimme über diese bevorstehende Berufsorientierungsveranstaltung unterhielten – es mussten nicht einmal strahlend-begeisterte Schilderungen großer Träume sein, es reichte schon, wenn sich die Schülerinnen über die Albernheit der ganzen Geschichte ausließen und sich über bessere Verwendungsmöglichkeiten für diesen Nachmittag austauschten, oder bloß die bevorstehende Blamage durch ihre peinlichen Eltern befürchteten, eine Sorge, die Shinji ihnen nur zu gerne abgenommen hätte. Ein Junge, der das ganze Rambazamba im Vorbeigehen mitbekommen hatte, meinte sogar ganz salopp, dass die ganze Veranstaltung sich als komplett sinnlos herausstellen könnte, da die ganze Welt durchaus schon morgen früh in die Luft gehen könnte, worauf Asuka natürlich erwiderte, dass sie das ganze durchaus mal ihre Sorge sein lassen könnte. Einst wäre auch diese sturköpfige Zuversicht etwas gewesen, dass Shinji zumindest entfernt bewundert hätte, weil es für ihn unmöglich wäre, und das Gras auf der anderen Seite des Gartenzauns bekanntlich immer grüner war, doch zumindest für heute erschien ihm die Hypothese als ersichtlich, die er schon länger parallel mitverfolgt hatte: Das es sich hier um billigen Übermut statt wirklicher Überzeugung handelte.

Sie führte im folgenden die Unterredung mit dem apokalyptisch eingestellten Jungen und der Gruppe seiner Freunde fort, wobei sie immer einen gewissen herausfordernden Ton beibehielt, aber nicht so viel Herablassung, wie man es zum Beispiel bei einem Mitglied des 'Idioten-Quartetts' oder einem ihrer zahlreichen 'Verehrer' antreffen könnte, auch, wenn das nichts weiter bedeuten müsste, als das Second Child schon noch etwas von Klassenraum-Politik verstand – Shinji erkannte den Jungen, der sein Uniformhemd offen über einem hellblauen T-Shirt trug, flüchtig als eines der etwas prominenteren Mitglieder seiner eigenen Klassengemeinschaft, ein Individuum, dass in der sozialen Rangfolge der männlichen Schüler relativ weit oben zu sitzen schien, was als notwendigen Korollar beinhaltete, dass er mit ihm, Touji, Kensuke oder Nagato nicht all zu viel persönlichen Kontakt hatte. Trotzdem hatte Shinji nicht den Eindruck, dass es sich bei diesem Jungen um irgendeine Art von Großprotz handelte, oder dass er gegen sein kleines Grüppchen von zusammengeschlossenen Außenseitern, die bei der Aufteilung auf die anderen Cliquen und Kreise übriggeblieben waren, besondere Abneigung hatte – Shinji erinnerte sich entfernt, seinen winkenden, satt gebräunten Arm und sein kurzes, aber tendenziell wild-abstehendes Haar auf dem Schuldach erkannt zu haben, als sich ein großer Klasse entschieden hatte, ihn und Ayanami bei ihrem Aufbruch in Richtung Futagoyama etwas anzufeuern.

Vielmehr rührte die relative Popularität von Kaneda …Takuya? – so der Name des Jungen, wenn Shinji's Erinnerung ihn da nicht im Stich ließ – von seiner Reputation als offener, humorvoller und auch recht kreativer Mensch und einen guten Kommunikationsfähigkeiten her, und wohl auch nicht zuletzt von seiner äußerlichen Attraktivität, über die sich Shinji etwas mehr bewusst war, als er dass wohl sollte (Darüber versuchte er einfach mal, nicht weiter nachzudenken. Shinjis modus operandi im Bezug auf seltsame Sachen bestand generell darin, sie einfach zu ignorieren, bis sie ihn in Ruhe ließen – Nur schienen sich unheimlich viele davon in letzter Zeit verschworen zu haben um alle zugleich einen Punkt zu erreichen, an dem sie schlichtweg nicht mehr ignoriert werden konnten. Aber ja. Natürlich hatte er es bemerkt, in dieser großen Stadt, die genau so voll mit attraktiven jungen Männern war, wie mit ihren weiblichen Gegenstücken, wäre es nicht anders möglich) – Schon, als er frisch in die Klasse eingewechselt worden war, war er ihm gelegentlich aufgefallen, oft umgeben von anderen Jungs, bisweilen mit solchen Unternehmungen beschäftigt wie den Missbrauch des Tafellineals als Luft-Plastik-Hybrid-Gitarre – Es war nicht schwer zu sehen, warum viele seiner Mitschüler Kaneda schnell als potentiellen Freund eingestuft hatten... oder warum Shinji die Vorstellung, ihn selbst anzusprechen, damals absolut grauenerregend fand, und seine anfänglichen Versuche, den neuen Klassenkameraden formell zu begrüßen und gründlich kennenzulernen, höflich abgewimmelt hatte.

Heute würde er wohl nicht mehr direkt voller Verbitterung annehmen, das hinter der Annäherung falsches Mitleid oder sonst ein zweifelhaftes Motiv stecken musste, und auch, wenn er es wohl immer noch eher anstrengend als einladend finden würde, einen in seine Richtung abgefeuerten Sturm aus Extrovertiertheit und Charisma zu bewältigen, wäre er wohl nicht mehr soweit überwältigt, dass er kaum noch zwei kohärente Sätze aneinanderreihen konnte... Die kleine widerliche Gewissheit darüber, was sich sicherlich nicht geändert hatte, machte sich jedoch penetrant bemerkbar wie ein kleines Steinchen, das jemanden in die Sandale gerutscht war: Das einschüchternde Gefühl, jemandem gegenüberzustehen, der alles war, was man nie sein würde – und Kaneda brachte dies sogar fertig, ohne gehässig oder überheblich zu sein. Er konnte nicht, wie in Asukas fall, das ganze Spiel umdrehen, und den Zeigefinger auf sie richten.

(Schon seid er sich entsinnen konnte, hatte er nie wirklich an etwas gefallen finden können, wenn nicht etwas daran kaputt war. Das war einer der Flüche, die auf seiner existenz lasteten)

Trotzdem verstand er vom Verstand her, dass gute Dinge, nur deshalb, weil sie zu gut zu sein schienen, um in seine verkorkste Welt zu passen, nicht unbedingt zu misstrauen war. Er wollte nicht... versuchte, nicht diese hasserfüllte, eklige Art von Person zu sein.

Es blieb nur ein dünner, unvermeidbarer Film von Missmut, der ihn und die Menschen in seiner Umgebung weiter auseinander drückte – Sich ein paar Schritte aus dem Zentrum der Menschentraube zu entfernen, war nichts, was er mit Bestimmtheit tat, um einen Akzent zu setzen oder etwas auszusagen, und er schauderte vor der Möglichkeit, dass das jemand so sehen könnte – vielmehr war es eine Reaktion des Überwältigt-Seins, verzögerter und beherrschter, als sich die Ohren zuzuhalten und davonzurennen, oder vielleicht nur gedämpft von Betäubung.

Kanedas Ideen von 'Zukunftsplanungen' waren scheinbar nicht besonders ausgereift, er meinte, dass es quatsch sei, sich jetzt schon festzulegen, und dass er jetzt mit vierzehn noch nicht sagen konnte, was die nahe Zukunft oder weitere Lebenserfahrungen noch bringen würden.

Wäre Shinjis Aufmerksamkeit zu diesem Punkt nicht völlig in die Peripherie abgeschweift, wäre ihm vielleicht aufgefallen, wie Kanedas Bemerkungen darüber, dass sich Asuka vermutlich nur mit so etwas ganz Aparten wie einer Stelle als Astronautin oder einem Heilmittel für AIDS zufrieden geben würde, gekonnt umgelenkt wurde, anstatt eine Äußerung über ihre Zukunftspläne nach sich zu ziehen – Doch es war ebendieser wandernde Blick, mit dem er diesen ganz bestimmten, azurblauen Haarschopf zwischen den Silhouetten beschäftigter Schüler ausmachte, einfach nur unbeirrt voranschreitend, stetig in einer abgelenkten, geraden Linie, das einzige Lebewesen im näheren Umkreis, dass nicht von irgendwelcher Eile oder Intensität vorangetrieben wurde, das zwischen den zahlreichen kleinen Grüppchen und Konstellationen vorbeilief, ohne irgendwie daran teilzuhaben... und wie die vielmals besungene und bedichtete 'Blaue Blume' in der Kunst der Romantiker, und die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren darstellte, wie der blaue Vogel des Glücks, den die Schreiberlinge dieses Kontinents gelegentlich als Metapher für ein fernes Ziel benutzen, dem der Held dennoch in seiner Verzweiflung nachjagte, rief sie ihn zu sich, wie ein sehnlichster Wunsch, der nie dazu bestimmt gewesen war, in Erfüllung zu gehen – Sich im Stillen zu umzudrehen und zu entfernen war ihm schon vorher in den Sinn gekommen, nur hatte er nicht wirklich an einen Ort denken können, der dem hier und jetzt in irgendeiner wesentlichen Eigenschaft vorzuziehen gewesen wäre – Touji, Kensuke und Nagato hätten es kaum besser gemacht, die hatten ja ihre eigene Zukunft – das das Mädchen dort, am oberen Rande der Treppenstufen, knapp am Rande des Winkels, jenseits dessen die Decke des oberen Stockwerks ihm die Sicht abgeschnitten hätte, dieses ganze Geschwafel von Zukunft von der selben Seite hineinschielte, wie er selbst auch, wurde allerdings schnell nachrangig, hatte er doch gefunden, worauf er länger gewartet hatte, als er eigentlich hätte zurückdenken können sollen; Es war schwer zu beschreiben, ein Begreifen eines schon lange bestehenden Sachverhaltes, in einer Welt, durch die er sich schon lange hindurch geträumt hatte, und sich erst jetzt nicht unbedingt dem Erwachen näherte, oder doch einem Zustand des Wachtraumes; Alles kosmische Chaos außer Acht gelassen war es auch einfach etwas, was sie an sich hatte, die Fähigkeit, einen weiteren, dritten Raum zu erschaffen, für die Dinge, die sich nur zwischen zwei bestimmten Personen abspielten, eigene Seiten, die sich nur hier zeigten, wenn sie mit dem Stimulus konfrontiert wurden, der sie hervorlockte – Sie hätten weit entfernt an zwei verschiedenen Enden der Stadt sein können, verbunden nur durch eine verrauschte Stimme aus einem Telefonhörer, und es wäre so gewesen, als säßen sie sich in irgendeinem metaphysischen, abgeschlossenen Ort direkt gegenüber, und jetzt, wo sie sich verstreut in diesem großen, offenen Raum voller verschiedener Menschen und weiter verstreichenden Geschichten befanden, war es nicht anders, als hätten sie den ganzen Schulkomplex allein für sich selbst;

Deshalb konnte Shinji auch im Nachhinein nicht sagen, ob seine Flucht heimlich begonnen und erst im Verlauf an Geschwindigkeit zugenommen hatte, oder ob er direkt losgestürmt war – Er war nur ergriffen von dieser Sicherheit das, was auch immer sichtbar werden würde, wenn sich die Schleier dieser allumfassenden Verwirrung gelichtet hatten, was auch immer aus ihm werden sollte in dieser Welt, er musste sie sehen, er hatte da noch etwas, das er ihr sagen musste-

und das nächste, was er zu beschreiben wusste, war, dass er, am heutigen Tage mal wieder völlig außer Atem, am oberen Ende der Treppe stand und gegen seine protestierenden Muskeln ankämpfte, um die Spur nicht zu verlieren-

„Ayanami!“

-und er konnte sich nicht vorstellen, was sie sich wohl dabei denken musste, als sie ihn hörte, in ihren Schritten zum stocken kam und ihm ohne große Hast ein schneeweißes, von der Zerstörung noch unberührtes Gesicht zuwendete, in dem bis auf leichte Verwunderung nichts zu lesen war.

Er stand da, mit bebender Brust aufblickend, Hände auf die Oberschenkel gestützt, offensichtlich preisgebend, dass er irgendeinem starken Impuls gefolgt war, dessen Grund sie unmöglich hätte erahnen können.

Die zwei Tage, die er sie nicht gesehen hatte, und ihm einst wie unerträgliche Ewigkeiten vorgekommen waren, schrumpften mit aller brutal eines unfreiwilligen kalten Bades zu ihrer tatsächlichen Länge zusammen, und führten ihm mal wieder die Absurdität seiner eigenen Situation vor Augen – Er hatte also irgendwo diese Idee hergenommen, mit ihr sprechen zu müssen, aber jetzt, wo er tatsächlich vor ihr stand, wusste er nicht, was er eigentlich sagen sollte.

'Hallo Ayanami, Ich wollte dich unbedingt öffentlich blamieren, weil irgend so eine Tussi aus der Zukunft angedeutet hat, das dir ein übles Schicksal bevorsteht' oder 'Ich bin neuerdings ein Hellseher, und habe deinetwegen eine üble Vorahnung' waren wohl kaum sinnvolle Optionen.

Shinji hätte eher befürchtet, dass sie ohne weiteres weiterlaufen würde, als dass er erwartet hätte, das sie sich vollends in seine Richtung wendete, ein paar Schritte auf ihn zulief während er damit beschäftigt war, sich halbwegs wieder aufzusammeln und tief Luft zu holen, und bei alledem Blickkontakt beibehalten würde, aber sie tat es.

„Ikari-kun.“ sagte sie, mehr als bloße Bestätigung, dass sie ihn gehört hatte.

„G-Guten Morgen!“ gab er rasch zurück, noch etwas außer Atem, aber wieder ordentlich hingestellt und mit dem erschöpften Versuch eines Lächelns auf den Lippen.

„Du bist heute sehr in Eile.“ Noch eine simple Feststellung.

Das Third Child schüttelte den Kopf. „Nein, nicht doch, es... es ist nur, dass ich mir nicht sicher war... ob ich dich noch einholen würde...“ Doch wenn er zugeben müsste, rührte die Röte auf seinen Wangen nicht mehr von den Worten ab, die ihm eben entglitten waren, als von der Umgebung, die sich je mehr der Sauerstoff in sein Hirn zurückkehrte, nicht mehr ganz ausblenden ließ; Er wollte sich gar nicht umblicken, um sich irgendwelche Reaktionen anzutun; Die flimmernden Pünktchen an seinem Rücken könnten eine eingebildete Manifestation von Nervosität sein, oder Blicke, die sich auf der Rückseite seiner Form sammelten, wie das Ziel von eintausend Laserpointern; Asuka könnte sein Verschwinden völlig entgangen sein, oder als Hochverrat kategorisiert haben – die ernste, dunkelhaarige Gestalt, die vor einem Klassenzimmer des nächst jüngeren Jahrgangs gewartet hatte, und sein auftauchen mit einem kontrolliert-alarmierten Antlitz begrüßt hatte, war nicht mal komplett außerhalb seiner Gedanken, ihre Präsenz in der Gegenwart blieb jedoch weder erwartet, noch wahrgenommen.

Hätte er sie bemerkt, wäre seine Reaktion vielleicht weniger ein schamvolles Verstecken als ein trotziges Zurschaustellen gewesen, primär, weil sie hier das einzige Wesen war, welches seine Rebellion gegen die Wände seines Käfigs als solche erkennen und ihnen als solche Bedeutung zumessen würde.

Dennoch genug Gründe findend, alles, was in dieser Konversation noch geschehen könnte, erst mal aus dem potentiellen Rampenlicht heraus zu verschieben, begann er, sich nach einer andeutenden Geste in Richtung ihres Klassenzimmers zu bewegen, und hoffte, dass sie verstehen würde.

Selbst, als Ayanami dann zirka einen konstanten halben Schritt nach hinten versetzt neben ihm her lief, auch, wenn sie sich aus irgendeinem Grund entschlossen hatte, ihm ihr Antlitz dabei persistent zuzuwenden, weigerte sich dieses Gefühl lächerlicher Irrealität, in irgendeiner Form loszulassen – Noch, als er an ein paar recht verwirrten Mitschülern vorbei die Treppen hoch gestürmt war, war er sich irgendwie absurd sicher gewesen, dass er sie niemals erreichen, den Anblick einer sachten Reaktion auf ihren zarten Gesichtszügen niemals wiederfinden würde – und doch war er hier, direkt neben ihn, und als wollten sie ihm noch einmal eindrücklich klar machen, dass er mit Sicherheit nicht die Lieblings-Person dieses launischen Universums war, weigerten sich diese zerworfenen Echos einer ausgelöschten Zukunft genau dann handfeste Informationen heraus zu geben, wenn diese in irgendeiner Form nützlich sein könnten – Konnte es denn wirklich sein, dass da in allen Richtungen nur namenlose Schrecken lagen, deren bloßer Anblick mehr schaden als nützen würde? Oder war er es, der zu schwach war, um den Vorhang der Zeiten zur Seite zu ziehen und die unmögliche Wahrheit in ihrem vollen Umfang zu enthalten?

Ayanami stand da, vor seinen Augen, unterwegs dahin, wo auch immer der Lauf der Zeit sie beide hinwerfen würde, und es gab nichts, was er tun konnte; die Schatten, die sie verschlingen könnten, konnten nicht bekämpft werden, wenn sie nicht angekommen waren, und die Sensenmänner mussten ihr Geschäft erst mal eröffnen, bevor er ihnen irgendetwas zum Tausch bieten könnte. Wenn die schwarzen Ritter der Zukunft bereits auf ihren Rössern warten würden, könnte er sie bewusst zum Duell fordern, aber so wie die Dinge derzeit standen, war er ausgeliefert zu warten, bis sie ihm in irgendeinem weniger vorbereiteten, weniger bewussten Moment der Unachtsamkeit auflauerten.

Er zog mit Gewalt Wortfetzen aus dem Chaos, die simpelsten, einfachsten Sätze, von denen er ahnte, dass sie einmal große Bedeutung enthielten hatten, oder enthalten können, aber ohne ihren Kontext waren sie in etwa so nützlich wie eine verwaiste Zweiundvierzig.

So blieb es ihm nur übrig, ihre jetzige, gegenwärtige Form aufzunehmen, wie er sie genau jetzt sehen, hören und wahrnehmen konnte, in diesem einen Moment, in dem sie einen ihrer dünnen, blassen Arme über ihre lederne Schultasche positioniert hielt, ihr Blick zwar in seine Richtung gerichtet, ihr Kopf als ganzes jedoch etwas gesenkt, wie eine Topf-Blume, die mal wieder eine Dosis Wasser vertragen könnte, ein unglücklicher, von der allgegenwärtigen Sommerhitze erstickter Anblick, große Rubin-Augen, hinter denen ein Strom von undefinierbaren Gedanken vor sich hin rieselte, weiße, noch recht mädchenhafte Knie, die kurz unterhalb ihres Rocksaums den Fortbestand ihrer Vorwärtsbewegung gewährleisteten – Alles daran, ein Desaster, dass nur auf seinen zugesprochenen Zeitpunkt zu warten schien, etwas, was man endlos begehren, aber nie ganz ergreifen konnte, und dennoch, obwohl er wusste, schon immer gewusst hatte, dass alles und jeder, auf den er sich in dieser Welt einließ, sich ohne jegliche Vorwarnung wie vom Planeten verschluckt aus dem Staub machen könnte, wie das seine Eltern einst getan hatten, und obwohl ihm immer mehr klar wurde, dass er nichts und niemanden je ganz erreichen würde, wie ihm das die ganze Angelegenheit wohl noch viele Male aufs neue klar machen würde...

Was auch immer in der Vergangenheit gewesen war, oder in der Zukunft werden würde, der Moment gerade jetzt war... er war...

„...Es... es wundert mich etwas, dass ich dich gerade jetzt hier antreffe... Versteh mich nicht falsch, aber, normalerweise, wenn ich... wenn ich um die Zeit hierher komme, dann...“ glücklicherweise bot sich hier die Möglichkeit, in einen seitlichen Flur einzubiegen, hinüber in eine etwas schmalere Überführung, die über den Schulhof hinweg zum Nachbargebäude führte, indem auch die Räumlichkeiten für Klasse II-A anzutreffen waren. „...dann bist du normalerweise schon längst im Klassenzimmer, du bist immer eine von den Ersten...“

„Ach ja? Bin ich das...?“ Ihre Stimme schweifte ab, ohne, das sich daraus weitere Erklärungen ablesen ließen, ihre Schritte kamen zum Stillstand, und Shinji konnte mitansehen, wie sie ihren Blick zu einer der Fenster richtete, durch die der Schulhof unter ihnen zu erkennen war, welche Gründe das haben oder welche Assoziationen sich hinter ihren merklich nachdenklichen Augen (zumindest das konnte er mittlerweile relativ natürlich abschätzen, auch, weil das keinesfalls eine Seltenheit bei ihr war) abspielen könnten, würde ihm -natürlich- erstmal verborgen bleiben, konnte nicht mal vermuten, dass es dieser Fleck war von dem sie – damals noch mit einem Wattebausch über dem linken Auge – des öfteren auf ihn herabgesehen war, oder wo der Sinn in ihren Worten liegen könnte, zwischen ihren Betrachtungen der Entität, die die Zeit aus ihrem 'selbst' gemacht hatte, oder ihrer ehrlichen, aber von vielen schweren Wahrheiten gedämpften Überraschung darüber, das solche kleinen, nebensächlichen Begebenheiten ihres Daseins überhaupt je jemandem aufgefallen waren. Es reichte ihm schon, sie geduldig zu Ende denken zu lassen, das minimale zusammenziehen ihrer Augenbrauen zu beobachten, die geringfügige Verschiebung des Muskeln auf ihrer Stirn.

„Es sind... verschiedene Dinge dazwischen gekommen.“ formulierte sie, vermutlich selbst nicht ganz sicher darüber, unter welcher Überschrift oder Betreffzeile sie ihre spontanen Beobachtungen abfassen sollte.

Natürlich sagte sie ihm nicht, was, aber es war nicht so, dass sie ihm diese Auskunft irgendwie schuldete – Er war der letzte, der sich in... irgendjemandes Angelegenheiten einmischen wollte, wenn sie es ihm nicht sagen wollte, dann wollte er es bei weitem nicht wissen – Siehe seine übliche Politik mit seltsamen Dingen.

Das sie eine entfernte, eigene Welt hatte, war nichts, was einer nachträglichen Erkenntnis bedurft hatte; Es war offensichtlich genug gewesen, um sich unter seinen allerersten Versuchen, sie zu beschreiben bemerkbar zu machen.

Viel, viel später würde er sich fragen, ob es nicht diese Art war, Dinge anzugehen, mit der er sich als einfach zu ergreifende Schachfigur preis geboten hatte – andererseits würde er sich auch fragen, ob ein solches... hinwegsehen nicht irgendwo notwendig war, um Personen wie Ayanami, Misato oder Asuka trotz ihres jeweiligen persönlichen Wahnsinns als Menschen kennen zu lernen, und auch die Dinge, die er letzterer hatte durchgehen lassen, erschienen so vielleicht in einem ganz anderen, weitaus weniger zweifelhaften Lichte, auch wenn er in diesem Augenblick selbst hauptsächlich mit der Befürchtung beschäftigt war, wiedermal blindlings in ein Fettnäpfchen gehüpft zu sein: „Ich- also, ich wollte dir jetzt wirklich nicht zu nahe treten, o-oder, irgendwie verlangen das du mir eine Erklärung ablieferst... es ist nur, das... ich hab mir Sorgen gemacht, weil du gestern in der Schule gefehlt hast!“

„Das brauchst du nicht. Meine Anwesenheit wurde lediglich im Hauptquartier benötigt, für weitere Experimente.“

Natürlich. Natürlich würde sie wieder verneinen, dass ihre stille, von Aufopferung und Leid durchzogene Existenz irgendwie verbessert werden könnte, dass sie irgendetwas jenseits des bloßen Minimums brauchte, dass die Organisation ihr einfach mal so hingeworfen hatte. Und wer war er, dass er besser wissen könne, als sie, was sie nun brauchte? War er irgendwie so einflussreich oder erfahren oder bedeutend, dass er etwas am grausamen Fluss dieser Welt ändern könnte, aus dem er sich ja kaum selbst herausfischen konnte?

Mit Sicherheit nicht!

In dieser Hinsicht hatte er keine Illusionen.

Aber, Balken in seinen eigenen Augen hin oder her, sie schien in ihrem Leben doch noch viel weniger zu haben, als er. Er hatte doch zumindest Touji und Kensuke, und Asuka, selbst, wenn man den Einfluss seines Vaters in Rei's Leben einfach mal als gleichwertig zu Misato's Beistand in seinem annahm. Er hatte wenigstens ein richtiges Zuhause mit Licht und Lauten, und, was das wichtigste war, er wusste noch zu gut, wie es gewesen war, dass alles nicht zu haben, und er hatte es auch für unerreichbar gehalten, oder von sich gegeben, dass er es ohnehin nicht brauchen konnte.

Natürlich musste das, was ihr wichtig war, nicht unbedingt dem entsprechen, was ihm wichtig war, ihre Unterschiede lagen in ein paar recht offensichtlichen und wer weiß wie vielen ihm noch unbekannten Dingen ebenso tief wie ihre Gemeinsamkeiten, und daran wollte er auch gar nichts rütteln, er hatte sie schätzen gelernt, so wie sie war, und so wie sie war war sie schon mal ein zehnfach besserer Mensch als er es je zu sein hoffen könnte, aber...

Gab es denn tatsächlich nichts, was er in irgendeiner Form für sie tun konnte, kein reales Bedürfnis, dass er auch wirklich real befriedigen könnte?

Sie stand direkt vor ihm, und doch hätte sie genau so gut auf der Rückseite von Pluto stehen können, weit jenseits der Reichweite seiner mickrigen Finger, mit denen er sich in seiner Verzweiflung vorwärts tastete.

„Das heißt... wenn du nicht in der Schule bist, bist du immer im Hauptquartier?“

„Häufig.“

Er hätte sich durchaus beruhigendere Antworten vorstellen können. Natürlich war es schwer gewesen, zu übersehen, dass sie des Öfteren etwas mehr Aufgaben und Tests zu erledigen bekam, als der Rest von ihnen, und da sie... gewissermaßen die rechte Hand seines Vaters war, war dass ein Stück weit zu erwarten, dass er ihr besonders vertraute, oder für seine Unterstützung mehr Dienste verlangte oder so was – Aber er hatte das schiere Ausmaß der Zusatz-Experimente bei weiten unterschätzt, das was sie da andeutete... erstreckte sich weit jenseits dessen, was sich mit 'besonderen Gefallen' oder 'Überstunden' erklären ließ, und dann hieß 'Häufig' auch nicht immer, und es gab da noch das große Fragezeichen ihres vage als suboptimal angedeuteten Gesundheitszustands. Handelte es sich bei diesen Zusatz-Tests um spezielle Kontrollen wegen ihrer empfindlichen Verfassung, oder wurde sie trotz dieser so hart herangezogen?

Es... es war ja nicht wirklich an seiner Stelle, da jetzt groß zu plappern, obwohl er von nichts davon wirklich eine Ahnung hatte, und freiheraus naseweis zu fragen wäre sicherlich auch nicht besonders respektvoll, aber er hatte ja am eigenem Leib erfahren, wie wenig es NERV... wie wenig es seinen Vater gelegentlich um Leib und Leben seiner Untergebenen scherte, der ganze Vulkan-Ausflug und die involvierten Bomber-Flugzeuge ließen grüßen... Ayanami war in dieser Hinsicht ja oft eine Ausnahme, doch das erste mal, als er sie zu Gesicht bekommen hatte, war sein alter Herr kurz davor gewesen, sie schwer verletzt in sein ach so wertvolles, knallviolettes Frankenstein-Konstrukt zu kramen.

„Ist... das nicht ganz schön hart... so viel Zeit im Hauptquartier verbringen zu müssen? Ich meine...in der Schule mitzuhalten, scheint ja nicht so das Problem zu sein, aber-“

„Wieso sollte das einen Unterschied machen? Das Projekt gehört zu meinen vorrangigsten Aufgaben.“

Was hätte er darauf schon antworten können? Er wollte sich wirklich nicht noch eine Schlappe einhandeln, oder gar den Wert ihrer Arbeit in Frage stellen... Das Gefühl kannte er auch, und er würde es niemandem an den Hals wünschen...

Dann, scheinbar, eine Schlussfolgerung: Das Fenster einfach mal sein lassend, wendete sie sich wieder in seine Richtung, und mit einer bestimmten Schwere, die einem Gefühl gab, die Räder des Schicksals im Hintergrund aneinander vorbei schleifen zu hören, formte sie Worte:

„...Und was ist mir dir, Ikari-kun? Hast du dich schon entschieden... wegen uns?“

„Was... wie meinst du das? Was denn für eine Entscheidung?“

„...ob du als einer von uns hier in Tokyo-3 bleiben wirst, oder nicht.“

Das... war jetzt nicht etwas, von dem er erwartet hätte, dass er ausgerechnet hier in der Schule damit konfrontiert werden sollte. Vielleicht war sie darauf gekommen, weil er die Arbeit in NERVs Laboren in seinem vorherigen Kommentar als eine Last charakterisiert hatte. Aber es stimmte schon – Er hatte Misato vor langer Zeit nur noch einen weiteren Kampf zugesichert, und auch wenn er nicht wusste, ob das irgendwie an Rei weitergeleitet wurde, hatte er einen Widerwillen über seine Rekrutierung zuvor mehrfach zum Ausdruck gebracht, und nie formell oder auch nur explizit zugesagt, hier auf unbestimmte Zeit bleiben zu wollen, sondern lediglich darauf verzichtet, die Sache jemals wieder zu erwähnen. Eine definitive Zusage wirklich auszusprechen hätte sich viel zu... endgültig angefühlt, aber da er auf weitere Einsätze geschickt worden war und diese dann auch ohne größere Zwischenfälle ausgeführt hatte, hatte selbst er diese Zusage 'bis auf weiteres' als implizit gegeben angenommen, oder zumindest schienen das alle anderen so gesehen zu haben... dachte er zumindest.

Es war ja keinesfalls uncharakteristisch, das Ayanami eine nicht gegebene Antwort als schlichtweg ausstehend betrachten würde, auch, weil das schlichtweg der Wahrheit entsprach. Und anzunehmen, dass er sich einer Antwort für immer entziehen konnte, nur, weil er versuchte, sie so weit wie möglich aufzuschieben, war sowieso von Anfang an idiotisch gewesen – Shinji konnte sich nur zu gut denken, was Asuka oder Misato dazu sagen würden. Ayanami sagte nichts dergleichen; Sie wollte einfach nur die Antwort, und interpretierte sein dumm glotzendes Schweigen als einen Mangel an Verständnis, den sie sogleich konsequent mit einer prompten Erklärung zu korrigieren versuchte.

Sie wusste nicht ganz wie, vielleicht im Zusammenhang zu den Gründen, die diese Frage überhaupt erst aus ihr hervorgelockt hatten, aber sie war entschlossen, diesen Punkt zu kommunizieren, und behalf sich mit Sätzen, die die gefragte Materie zumindest gefühlsmäßig zu 'streifen' zu schienen.

„Vor drei Monaten und fünf Tagen... wurde ein hochenergetisches Objekt auf dem Meer nahe der japanischen Inselkette als der vierte Engel identifiziert. Als Konsequenz darauf, und der Tatsache dass die übrigen Piloten entweder nicht vor Ort verfügbar, oder nur begrenzt einsatzfähig waren, wurdest du, Ikari Shinji, der Sohn des Commanders, nach Tokyo-3 beordert, und als Third Child rekrutiert.“ soweit kam sie noch in einem einzelnen Block soldatenhaft-monotoner Aufzählung, doch danach verriet die gelegentliche Unterbrechung, wo sie nach Worten suchen musste. „Diese Begebenheit war auch... das erste Mal, dass das First Child...“ sie schien zu überlegen, ob diese distanziert-losgelöste Vogelperspektive ihre Aussage effizient herüberbringen würde. „...das ich Kontakt zu einem der anderen Piloten hatte. Das Zielobjekt wurde erfolgreich vernichtet, also... wirst du die Funktion, die im Rahmen des Projektes für dich vorgesehen ist, bis zum Ende ausführen, oder wirst du sie nicht ausführen?

Das ist eine Art von Freiheit... über die du verfügst, ebenso wie die Pilotin von Einheit Zwei.“

Nun war es für sie häufig, sich mit formellen, nicht unbedingt der 'intuitivsten' Betonung nach pausierten Sätzen auszudrücken, aber in diesen Pausen schwang schon etwas anderes mit. Dennoch kam Shinji zunächst nicht auf eine Einstufung als ein... Nachlassen, vielleicht im Sinne von Erschöpfung oder Frustration. Sicherlich konnte er sich denken, das jemand, der tendenziell zielgerichtet und entschlossen voranschritt, als Konsequenz mit einer derartigen Reaktion zu tun haben könnte, wenn diesem jemand klar wurde, dass ihre Anstrengungen gegen eine Wand liefen, aber verband dass Bild, dass sich ihm bot, gar nicht erst mit solch einem Szenario – Sehr selten kam es vor, das irgendjemand Ayanami voll von irgendeinem Impuls ergriffen zu sehen bekam, auf eine Art, die ihre ganze Form in Bewegung versetzte – Es kam durchaus vor, aber im Regelfall haftete ihren Reaktionen auch im 'Normalfall' etwas... gedämpftes, ausgewaschenes an, als erführe sie die Welt nur durch einen Wall aus Watte hindurch, oder von Unterhalb einer Wasseroberfläche.

Ein wie auch immer geartetes Abfallen von Konzentration und Präsenz verbarg sich zunächst nur all zu leicht unter der üblichen Konfiguration ihrer Handlungen und Worte, ließ ansonsten verräterische Merkmale nur geringfügig über das für sie Übliche hinausgehen

– Dennoch glaubte Shinji keinen Moment lang, dass sie gestolpert war; Es hatte nicht so ausgesehen, und er glaubte auch nicht, das jemand der lebenslanges Kampftraining hinter sich hatte, derart einfach ohne weiteres das Gleichgewicht verlieren würde – Seine Reaktion war dennoch schnell und bestimmt, wenn auch bei weitem nicht auf professionellem Niveau. Es gelang ihm zwar, sie in seine Arme zu fassen, verkalkulierte sich aber im Folgenden mit dem zusätzlichen Gewicht, sodass er zur Kompensation gezwungen war, auf seine Knie auszuweichen, doch das reichte durchaus, um sich einen ausreichenden Eindruck zu verschaffen – Sie war... an sich nicht so schwer, schwerer als die übliche volle Einkaufstasche oder Misato's Wäschekorb, sicher doch, aber für ein heranwachsendes Mädchen, für einen ganzen Menschen war sie gemessen an der Oberfläche seiner selbst nicht gerade stattlichen Arme ein kleines, kränkliches Geschöpf, das bloße Minimum eines menschlichen Wesens, dass den ihr zugestandenen Raum kaum auszufüllen vermochte, und die widerstandslose Art, wie sich ihre statuenbleichen Gliedmaßen jenseits seiner Arme über den Boden ergossen, die unstetigen Versuche, ihren himmelblauen Haarschopf aus der Kurve seines Ellenbogens zu heben, verstärkte nur diesen ursprünglichen Eindruck, nicht ganz das hektische Glühen einer viktorianischen Heldin, zumal sie trotz ihrer offenkundigen 'Zerbrechlichkeit', trotz all der Pillen und Besuche bei Dr. Akagi nie aufgehört hatte, zu kämpfen, oder sich für irgendwelche Experimente, von denen er nichts wusste, sonst wie abrackern, und dabei auch gerne mal – wie bei diesem Aktivierungsexperiment zum Beispiel – ein paar Knochen zertrümmert zu kriegen. Er wagte sich gar nicht auszudenken, was man an Nahtstellen und Narbengewebe finden würde, wenn man ihre zierliche Gestalt einmal von oben bis oben durchleuchtet hätte... und doch traf auch das andere extrem der knochenharten, eiskalten Action-Protagonistin nicht auf sie zu, dennoch war sie sich nie für eine kleine Geste der Anerkennung oder eine neue Erfahrung zu Schade, wann immer ihr solch ein Glück denn – viel zu selten!- mal zu teil werden sollte... Shinji selbst konnte sich schwer vorstellen, wie jemand all dass durchleben konnte, und sich dennoch solch eine ...ehrliche Reinheit behalten könnte, dass sie nicht viel mehr... grollend und verbittert war. Er selbst war erst seid einer viel kürzeren Zeit für die Betätigung eines dieser... Monster zuständig, und fühlte stetig, wie die Verderbnis dabei war, sein dreckiges kleines Herz zu überwuchern. Sicherlich hatte das Leid auch an ihr seine Spuren hinterlassen, aber es hatte sie nicht zu einem Feigling gemacht;

Ein Stück weit war ihm das schon seid ihrem Gespräch auf dem Futagoyama klar gewesen, wenn es nicht schon bei ihrer ersten Begegnung offensichtlich gewesen wäre: Sie sah für sich keinen anderen weg, als unter allen Umständen weiterzukämpfen, bis zu ihrer physischen Vernichtung, egal, wie sehr sie dabei leiden musste, oder nicht, oder ob er nun an ihrer Seite kämpfen würde, oder nicht, und ja, vielleicht selbst, wenn sie mit der Möglichkeit konfrontiert werden sollte, dass ihre Anstrengungen ihr am Ende nichts bringen sollten. Würde eine kosmische Zeitschleife, ein schlechtes Omen oder was-auch-immer sie aufhalten können? Er wusste es nicht, aber dass er, in einer Situation die in einiger Hinsicht bei weitem nicht so grottig war wie die ihre, sich mit so etwas aufhielt wie der Angst zu versagen oder verlieren, erfüllte ihn mit Scham.

„-Ayanami...!“

Erst als sie, wenn auch etwas verzögert, aus dem Ring seiner Arme heraushob, direkt zu ihm aufsah, sich unter Zuhilfenahme ihre eigenen Arme in eine weniger prekäre, kniende Position brachte, und ihn durch diese Bewegungen recht deutlich auf die Überlappungen ihrer Oberflächen aufmerksam machte, wurde Shinji schlagartig klar, wie das hier wohl für so ziemlich jeden ihrer Mitschüler aussehen würde, die allesamt jederzeit in diesen Gang hinein stolpern könnten.

Zugegeben, die halbwegs brauchbaren Instinkte, die er sich im Rahmen seiner Pilotenkarriere allmählich hatte zulegen müssen, hatten durchaus einen Unterschied gemacht, dass hier war ein absoluter Erfolg im Vergleich zum letzten Missgeschick, aber dennoch hielt Shinji es an dieser Stelle für weiser, sich erst einmal schlagartig zu entfernen, bevor er überhaupt begann sich aufzurichten.

„Entschuldigung...!“

Danach aber bestand seine nächste Aktion darin, ihr die Hand zu reichen.

„Ayanami... ist alles in Ordnung?“

„...kleinere Fehlfunktionen sind hinnehmbar.“

Sobald sie wieder auf beiden Beinen stand blickte sie ihm, zunächst ohne seine Hand loszulassen, bestimmt in die Augen. „Das bedeutet lediglich, dass wir nicht mehr viel Zeit haben...“

So kurz es auch währte, so schnell er es auch als einen irrsinnigen, phantastischen Gedanken abtat, dieser Satz allein, die exakten Worte und die Art, wie sie es sagte, führten Shinji zu dem ersten Moment, in dem es ihn in den Sinn kam, das zwischen ihm und Ayanami ein wesentlich tieferer, wahrer Unterschied lag, der über ihren bloßen Status als Pilotin und den damit einhergehenden Prozeduren weit hinausging, für den es keine mögliche Erklärung geben könnte, für die solche logischen, plausiblen Dinge wie eine zerbrechliche Gesundheit und eine militaristisch geprägte Aufzucht als Bausteine ausreichen würde – So wie sie das sagte, so wie diese Äußerung geklungen hatte, und viele andere, bei denen sie ihre Zukunft in vagen Termen angegeben oder bereitwillig aufs Spiel gesetzt hatte, hätte man meinen können, dass sie sich sehr, sehr sicher sein musste, dass sie nächstes Jahr um diese Zeit bereits nichts mehr-

Aber man wird doch wohl die Kiste im Dorf lassen dürfen – Das unerklärte bedingte nicht immer gleich das unerklärliche.

„...Zeit?“ wiederholte Shinji also besorgt. „Was... was meinst du damit?“

„Die Zeit... bis zur Vollendung des Projekts.“ erklärte sie, den Satz zugleich mit unglaublich finaler Bestimmtheit und ohne jeden Abglanz von Gefühl abgebend, während sie den Riemen ihrer Schultasche so herumriss, dass diese nicht mehr seitlich sondern nach vorne hin von ihr herunterhing und mit geübter Präzision in eine der Seitentasche hineingriff, um eine einzelne, rot-weiße Kapsel hervorzuholen, die ihr vermutlich für solche Situationen verschrieben worden war.

„Bist... bist du dir sicher, dass du nicht lieber zur Schulkrankenschwester gehen willst, oder wenigstens ein bisschen frische Luft schnappen?“

Sie schien derart an das herunterwürgen solch ominöser Mittelchen gewohnt zu sein, dass sie zumindest die einzelne Kapsel ohne Wasser oder irgendwelche Verzögerung routiniert herunterschluckte, ohne großartig irgendwelche Reflexe dafür überwinden zu müssen.

„Das wird nicht nötig sein... “ meinte sie, sich mit frappierender Gleichgültigkeit den Rock zurecht zupfend.

...die Vollendung des Projekts? Das sollte doch nichts weiter sein, als der Tag, an dem sie den letzten Engel endlich aus der Welt schaffen würden, vielleicht noch die letzten paar Tage danach für irgendwelche Aufräumarbeiten, aber so, wie sie das sagte, so wie sich dieser ganze Cluster von Informationen darstellte, und in sich in dem grob unvollständigen Zustand, in dem Shinji ihn vorliegen hatte, nur umrissweise abschätzen ließ, ballte sich alles doch der Art von nicht weiter fassbaren dunklen Wolke zusammen, welche von diesen... Prophezeiungen? angedeutet worden war und nun entschlossen schien, tröpfchenweise in seine greifbare Welt hinüber zu wanden, oder vielleicht war er es ja bloß, der durch diese unmöglichen 'Warnungen' angestiftet begann, überall Dinge zu sehen....

Das einzige, worin sich das Chaos seiner Gedanken wirklich einig wurde, war dieses echt vertraute Gefühl der Machtlosigkeit, sowohl als eingebüchstes Stück Seele in einem Fetzen aus Fleisch und Knochen, der irgendwo in dieser großen Maschine aus Organisationen, Verschwörungen und Geheimnissen festhing, ohne die Muster und Schaltpläne der großen, quietschenden Zahnräder mehr als nur erahnen zu können, wie auch als einfacher junger Mann, der hier vor diesem unmöglichen Mädchen stand, die das haltlos Unakzeptable ohne weiteres hinnahm, sich sogar ohne weiteres in Bewegung setzte, um ihren Weg in Richtung Klassenzimmer fortzusetzen, als sei überhaupt nichts gewesen.

Vorbei an den beidseitig weiten Fenstern der Überführung, an dem diversen Sammelsurium aus halbhohen Bücherregalen, Heizkörpern und einem Miniatur-Urwald aus verhältnismäßig frei wuchernden Topfpflanzen von blühenden Kakteen über Bonsais zu diesen allseits beliebten Miniatur-Palmen, setzten ihre Pfade sich fort.

Auf eine gewisse Art und Weise gaben die rechteckige Form mit nicht besonders hoher Decke und das Layout der großen Fenster dieser Räumlichkeit, die etwas mit einem Zugwagon gemeinsam hatte, irgendwas an der Art, wie das goldene Morgenlicht in diesen Streifen von 'drinnen' hineinfiel, der von ein paar schlichten Pfosten gestützt durch merklich weniger begehbare Höhen über den Schulhof verlief.

Ganz ungekreuzt war die umgebene Luft natürlich nicht, man konnte sich denken, dass Vögel und Insekten sich in diesen Volumen-Streifen des Raums aufgehalten haben könnten, und letztlich lagen etliche fest auf unteren Stockwerken verwurzelte Räume auf derselben Höhe, doch mit all seinem Gewusel aus Pflanzen und in Regale gestopften Geschichten behielt sich der Übergang doch etwas momentan-mystisches für diejenigen vor, die willens waren, zwischen ihren alltäglichen Besorgungen und Erledigungen mal kurz stehen zu bleiben.

Es war sicherlich ein Ort, an den so etwas wie ihre Form hinpasste, nicht gerade ein märchenhaftes Hexen-Internat aber doch gebrauchter und moderner, vielleicht mehr die Heimat eines modernen Internet-Creepypastas als einer klassischen Spukgeschichte, aber die Unmöglichkeit brauchte nicht wirklich ordentlich in Genrekategorien gekrämt zu sein, um sich ihm in verbleichten Farben und entfernt durchsickernden Empfindungen zu präsentieren, ein Anblick, von dem er kaum hinwegzusehen wagte, weil sie sich genau so gut an Ort und Stelle in Luft auflösen könnte, tendierte sie doch dazu, so schnell zu verschwinden, wie sie gekommen war, und sich nur in den seltensten Fällen dazu bewegen zu lassen für das 'Hinterher-Abhängen und Feiern' einer jeglichen Handlung oder Errungenschaft zu bleiben, oder sich in die Welt der definierten Wärme ziehen zu lassen -

Dabei war gerade ein solcher Ort, die kleinen und leicht übersehenen Dinge, die Züge der wandernden Gedanken, die Weisheit der Stille, etwas, dessen Wertschätzung er mit ihr teilen konnte, wie mit kaum jemanden sonst in der lauten und turbulenten Welt, in der er lebte – und doch schaffte es diese Welt im Zusammenspiel mit ihren beiden Umständen, die zu einer nebensächlich vorbei kratzenden Trivialität zu machen, welche die Spannung des Momentes lediglich vergrößerte, als sie ihren Weg ins Klassenzimmer unbeirrt fortsetzte, die Angelegenheit anscheinend für ausreichend erledigt befunden hatte... oder vielleicht hatte sich ihre undurchsichtige Stille hier wiedermal als trügerisch erwiesen, denn während Shinji nun überlegte, ob er diese Unterredung überhaupt weiter vorantreiben sollte, wendete sie ihr Angesicht noch im Laufen in seine Richtung, nicht direkt, wie er zunächst befürchtet hatte, um ihre Stellung bezüglich des Gespräches klarzumachen, (auch, wenn sich später deutlich zeigen sollte, dass sie den Gesprächsfaden keinesfalls verloren oder auf sich beruhen lassen hatte) sondern mehr wegen einer Art nachtragendem Zusatz, dessen mögliche Notwendigkeit ihr erst verzögert eingefallen war, vielleicht aus dem Prozess ihrer eigenen Versuchen heraus, seine Antworten zu deuten.

„Falls ich dir Sorgen bereitet habe sollte, muss ich dich um Verzeihung bitten... Ich habe es aus verschiedenen Gründen vernachlässigt, ausreichende Ruhephasen einzulegen...“

„Oh.“

Das katapultierte das Gespräch jetzt unvermittelt aus den Sphären der Unerreichbarkeit in irgendeinen metaphorisch-metaphysischen Vorgarten, in dem sie sich mehr oder weniger seit an seit auf Plastik-Gartenmöbeln gegenübersetzen konnten. „Du... konntest nicht schlafen?“

Sie hielt ihren Kopf subtil gesenkt, nicht anders als damals, als er sie aus ihrem Entry-Plug befreit hatte und sie zunächst nichts mit seiner Reaktion anzufangen wusste.

„Ich habe begonnen, ein Buch gelesen, und- Ich hätte nicht gedacht, dass es sich auf meine Leistungsfähigkeit auswirken würde. Ich werde diese Aktivitäten etwas einschränken müssen... oder sie besser organisieren.“

Sie führte ihre Händen vor dem Körper voreinander, verhakte sie an den Daumen, behielt eine diagonale Ausrichtung bei. Shinji war nicht komplett ratlos darüber, wie er ihre Reaktionen einordnen sollte, war sich aber auch nicht ausreichend sicher, um eine Schlussfolgerung zu ziehen.

„Uhm... ja, mach das besser...“ versuchte er, sich für den Zweifelsfall mit einem Lächeln behelfend. „A-aber mach dir darüber jetzt keinen Kopf, ich glaube so ziemlich jeder an dieser Schule hat sich irgendwann mal... verkalkuliert oder, … oder ist zu lange aufgeblieben und am nächsten Tag über der Schulbank gehangen...“ Dass er das Ausmaß der ganzen Situation aus ihren sparsamen Bemerkungen heraus unterschätzen oder als etwas... Alltäglicheres einschätzen würde, war vielleicht zu erwarten, aber da war auch ein Versuch, eine möglichst allgemeine Formulierung zu finden, die selbst für sie irgendwie Bestand haben musste, und zumindest das ließ sich nicht weiter leugnen. „Mir geht es in letzter Zeit auch nicht anders, bei der Hitze in letzter Zeit...

„...die Temperatur ist tatsächlich etwas... unangenehm. Aber daran lässt sich nichts ändern...“

„Das stimmt wohl... und dann sind da auch noch... so viele Dinge hier mit dieser ganzen Situation, über die man lange nachgrübeln könnte...“

„Das ist wahr, ...“ merkte sie an, mitten im Verlauf der Satzmelodie abschweifend, als sei sie unterwegs an irgendeinem weiteren Gedanken hängen geblieben... „Ist das auch, weil du dich nicht entschieden hast? Ob du nun bleibst.“

Die unerwartete, aber letztlich unvermeidliche Rückkehr dieser Frage brachte seine Schritte zum Stocken, und sie blieb einfach mit ihm stehen, knapp vor ihm, gerade jenseits der Schwelle, die die luftige Überführung mit dem Massiv des Schulgebäudes verband, und sah ihn direkt an, mit diesem Gesicht das selbst mit minimalsten, kaum benenn-baren Gesten eine nicht unwesentliche Menge an... Entschlossenheit, oder in diesem Kontext vielleicht eher Intensität zu transportieren vermochte. Dieses mal führte daran kein Weg vorbei, da war kein Eigennutz, kein zweifelhaftes Motiv, dass er wie eine Karte aufdecken könnte, um von der Frage wegzukommen, nur der reine, unmittelbare Ersuch nach der Antwort selbst:

„Wirst du deine Rolle im Projekt bis zum Ende ausführen... oder wirst du gehen?“

Shinji schluckte, übersah jedoch trotz ihrer Eindringlichkeit und seiner eigenen halb-verleugneten, halb ehrlich bestrittenen Vermutung, dass er eine deutlichere Schelte durchaus verdient hätte, nicht die Ansätze von echter, abwägend-betrachtender Ambivalenz in ihren Worten.

„Du hast diese Freiheit, du, und die Pilotin von Einheit Zwei. Nichts bindet dich hier.“

Du. Dich. Ihr. Sie sprach hier klar von etwas, zu dem sie sich selbst nicht dazu zählte, in das sie nur von außen hineinblickte; Auch die Stellung ihrer Beine, die dünnen Knie, die hinter ihrem azurblauen Rock zum Vorschein kamen, zeugten von einem ehrlichen Wissen-Wollen aus einem vorwärts gerichteten Impuls heraus; Neigte sie sonst zu engen Beinhaltungen, standen sie derzeit ein gutes Stück auseinander, in einer sehr subtilen Variation einer breit abgestützten Pose.

Für sich selbst sah sie keinerlei Alternative, soweit, dass sie die bloße Möglichkeit wie etwas fremdes, unklares wahrnahm, über dass sie derart hypothetisch nachfragte, die Tatsache, dass er und Asuka theoretisch den Plugsuit an den Nagel hängen könnten, nicht als etwas sehend worüber sie, vielleicht mit Anschuldigungen von Feigheit, irgendwie Urteil sprechen könnte, sondern ein grundlegender, fundamentaler Unterschied, der sie nicht betraf, sondern von ihr nur betrachtet wurde, wie eine Art von natürlichem Phänomen am fernen Nachthimmel.

„Ich... ich hab nicht wirklich vor, in nächster Zeit von hier zu verschwinden...“

„Aber du schließt die Möglichkeit nicht aus?“

Das war wieder einer dieser Momente, wo alle um ihn herum unerwartet ins Schwarze trafen und ihn in eine Situation brachte, aus der er nur raus kommen könnte, wenn er Dinge sagte, die er eigentlich nicht sagen wollte; Misato würde er in solch einer Situation bisweilen vorwerfen, dass sie unfair war, aber Rei hatte nicht vor, ihn in irgendwelche Bedrängnis zu bringen – So stand es mangels Versteck- und Ablenkungsmöglichkeiten glasklar da, das er ihr hier nur rede und Antwort stand, weil ihm andere Möglichkeiten weniger behagten, kurzum, weil er es gewählt hatte... Wieso also gab er ihr dann nicht die faire, ehrliche Antwort, die sie verdient hat?

Weil sie diese Antwort nicht mögen würde und er sich in seiner Kleinlichkeit zumindest dieses zaghafte Beisammensein erhalten wollte? Weil er sich wünschte, etwas zufriedenstellenderes antworten zu können? Oder war es, dass er schlichtweg keine Antwort hatte? Ein und der selbe kluge Ratschlag konnte selbst im selben Kontext je nach Auslegung gegenteilige Dinge fordern, oft mit demselben Extrem an Dringlichkeit; Diese Welt war kein Ort, an dem es nur eine Frage der passenden Lupe war, klare Pfade aus dem Chaos herauszulesen, und wie das finden eines eigenen Pfades funktionieren sollte, hatte sich ihm von Anfang an nicht erschlossen, kamen solche Weisungen doch immer gepaart mit Warnungen vor den Kraken und Lindwürmern, die an den Rändern der Landkarten hausten.

Aber nichts davon änderte etwas an der Anwesenheit von Rei, deren klar fokussierte, rubinrote Augen eine Antwort erwarteten, und zumindest einen Versuch verdienten. Mehr, als die Wahrheit selbst könnte dabei ohnehin nicht offen gelegt werden, oder? Also war die Wahrheit, oder zumindest das, was er derzeit für die ungefähre Nachbarschaft der Wahrheit hielt, zumindest kein schlechterer Ansatzpunkt als sonst irgendwas.

„Ich... ich weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher... Natürlich hindert mich nichts physisch daran, einfach aus der Stadt zu marschieren, oder... keine Ahnung... Misato-san ein Kündigungsschreiben vorzulegen...“ gestand er, den letzten Absatz mehr zum Abhaken einer 'realistischeren' alternative hinzufügend, zumal er 'direkt hinausmarschieren' bereits einmal erfolglos versucht hatte.

„...aber dass so dazustellen, als ob es wirklich so etwas einfaches wäre, dass ist weder die Wahrheit, noch besonders fair!“ brachte er heraus, erst während er sprach wirklich merkend, was in den Worten an echtem Unmut mitschwang – zwar verfluchte er sich innerlich ein wenig dafür, Rei mal eben so damit vollzutexten, doch noch höher stieg die Quecksilbersäule des Selbsthass-O-Meters dadurch, dass ihn diese Erkenntnis nicht mal dazu brachte, dass ganze herunterzuschrauben – Es fühlte sich einfach gut an, das ganze einmal gesagt zu haben, und das nicht einmal auf eine 'Couch der Enthüllung'-mäßige Art und Weise, sondern durchaus mit aggressiven Konnotationen. Dampf Ablassen? So könnte man es spinnen, aber als sie raus waren, hatte er das Gefühl dass diese Worte schon sehr, sehr lange vor sich hin kristallisiert waren, bevor sie endlich darauf bestanden hatten, das Tageslicht zu sehen, gehört zu werden, ganz gleich, wen sie trafen... dabei war Rei eigentlich die letzte Person, gegen die er einen Groll hegte, und Erwartungen, dass sie sich direkt auf seine Seite schlagen würde, hatten sich schon vor langer, langer Zeit als nutzlos erwiesen, eher noch würde sie etwas schmerzhaft-wahres daran auszusetzen haben. Er hatte natürlich keine Namen genannt, keine Personen ins Gespräch gezerrt, die, wie zum Beispiel die NERV-Angestellten wie Misato, Ritsuko und Hyuuga, auch nicht mehr diese selbstsüchtige graue Masse für ihn waren, über die er herziehen konnte, das schien eine eindeutig als 'falsch' markierte Linie zu sein, die er nicht überkreuzen würde, aber konnte er trotzdem noch ehrlich behaupten, besonders besser zu sein als Asuka und ihr niederes Verhalten? Nicht, das 'besser' ein Wort wäre, mit dem er sich besonders oft beschreiben würde, aber wenn die gerechte Strafe dann kam, selbst, wenn er sie bereitwillig entgegen nahm und zumindest intellektuell verstand, dass er sie vollends verdient hatte, konnte er doch nicht anders, als sich in irgend einer kindischen, simpel-reaktionären Schicht seines erbärmlichen Daseins berechtigt zu fühlen, die beleidigte Leberwurst zu markieren, und er hasste es; Asuka, Misato und die anderen brauchten ihn nicht ständig daran zu erinnern; Manchmal, sicherlich, so viel Vertrauen hatte er dann doch wieder nicht in seine eigene 'Bescheidenheit', aber doch nicht immer – Vielleicht war es das, was das hier sollte, einmal einen Raum zu finden, in dem er seine Worte aussprechen konnte, ohne, dass er sie direkt ins Gesicht geklatscht bekommen würde – Nicht, um irgendwie straflos seiner kleinlichen Selbstsucht zu fröhnen, sondern um zumindest ein mal nicht mehr auf der Anklagebank zu sitzen und zu wissen, dass alles, was er von sich gab, gegen ihn verwendet werden könnte. „...Ich meine, selbst wenn ich Tokyo-3 verlassen sollte, wo würde ich denn überhaupt hingehen?

Alle Freunde, und fast alles gute, was mir im Leben je passiert hat, ist hier – Wenn ich hier weg wollte, müsste ich das alles wieder hergeben... was für eine Entscheidung soll das sein? Es gibt nur eins, dass ich darauf wirklich antworten könnte...“

„...weil du deine Verbindungen erhalten willst?“

(Und nicht zuletzt wegen der gleichen Wortwahl flammte die Erinnerung sofort auf, ihre Stimme hell und klar wie die Mondscheibe, die über ihnen beiden geschienen hatte: „...wegen meiner Verbindungen.“ Und er wäre lieber sehr vorsichtig damit, sich dazu auf eine Stufe zu stellen – zum einen, weil es eine Lüge sein könnte, zum anderen, weil eine solche Absicht, einmal als die seine markiert, mit heftigen Anforderungen einhergehen würde, deren Nichteinhalten eine weitere Existenz als dreckiger Heuchler bedeuten würde, mit etwas Pech noch sechzig weitere Jahre)
 

„Ich... ich weiß nicht... Ich weiß nicht, ob ich das mit gutem Gewissen sagen kann. Manchmal... bin ich mir nicht mal sicher, ob ich überhaupt so etwas wie wirkliche Verbindungen zu irgendjemandem habe, zumindest nicht so, wie das alle anderen Menschen haben... nicht immer, nicht die ganze Zeit, aber wenn, dann frage ich mich, ob ich es mir nicht einfach nur vormache, dass es jemals anders war, und dann... dann kommt mir dieser schreckliche Gedanke, dass ich vielleicht einfach nicht dazu fähig bin, nicht mehr, oder vielleicht von Anfang an. Vielleicht bin ich einfach so auf die Welt gekommen, einer der Abfallprodukte der... Vielfältigkeit, die die Evolution antreibt, ein blindes Ende oder, ein toter Ast. Oder vielleicht ist das nur was, dass ich mir vormache, damit es nicht meine Schuld ist, dass ich nicht einfach nur faul oder kaltherzig bin, ein verbitterter, niederer Mensch ohne Mitgefühl...

Ich... ich sehe Touji, Kensuke, Misato-san und die anderen... vor allem Shikinami-san, und sie alle haben Dinge, die ihnen wichtig sind, Energie, die sie antreibt, Gefühle, die sie nicht ignorieren können... Jeden Tag sehe ich zu, wie sie über die kleinsten Sachen in Wallung geraten, eine attraktive Person, eine kleine, unwichtige Spielerei, irgendwelche Hobbys, von den kleinsten Dingen bis zu den größten Zielen, und ich stehe einfach nur da und sehe zu, und kann mich einfach nicht mit ihnen freuen...“

Dabei gab es auch Momente, in denen er sich fühlte, als sei er Randvoll mit Gedanken und Gefühlen, die er mit niemanden teilen konnte, Zeiten, zu denen ihm sein Herz wie ein schwerer, glühender Stein vorkam, den er am liebsten fortwerfen wollte, aber wenn er wirklich darüber nachdachte, was für Dinge waren es, die da so schwer wogen, denen er sich bisweilen derart ausgeliefert fühlte, das jedes normale Funktionieren außer Frage stand?

Wohl nichts eigenes als seine eigenen, erbärmlichen Sorgen über nichts als seine eigenen Ängste und um Schuld, die er nicht tragen wollte; Es bestätigte diese schrecklichen Vermutungen, eher noch, dass es sie besänftigte; Und jetzt musste er damit auch noch Rei den Tag verderben, an dem sie ohnehin schon genügend Sorgen hatte.

(Asukas Worte vom Vortag erreichten ihren Widerhall in einer weniger melodischen, aber umso prägnanteren Form: „Gibt es auf dieser Welt überhaupt irgendetwas, das du wirklich magst?“ Er hatte kein legitimes Schild, um ihre Worte abzuschmettern, also endete es damit, dass er sie aufgesogen hatte, wie eine Art Anti-Schwamm, ein umgekehrtes Ausbluten mit derselben gewaltvollen Brisanz)

„Es... es tut mir leid. Du kannst sicher überhaupt nicht nachvollziehen, was ich da für einen konfusen Mist rede...“

„Doch,“ hörte er ihr dünnes Stimmchen, gezielt unterbrechen, in einem Ton, der andeutete, das hinter diesem Wort eine längere Geschichte lag, als es zu transportieren vermochte.

Warum sie das sagte, erfuhr er nicht, hatte nicht das Recht, da jetzt nachdem er sich derart vor ihr ausgelassen hatte, auch noch nachzubohren, aber dass sie auch ihre Zweifel im Leben hatte, auch nicht mit besonders vielen Kontakten durchs Leben ging, und sicherlich selbst gemerkt und gespürt haben musste, dass sie nicht gerade ein über-typisches 08/15 Mädchen war, war nicht schwer nachzuvollziehen.

Und es war auch bei weitem nicht das erste mal, dass sie soetwas äußerte; Auch die Worte vom Vortag meldeten sich da wieder zurück - („Ikari-kun..? Hast du dich schon einmal gefragt, ob du eigentlich real bist?“) Wieder eine Erinnerung, dass er sein Universum von Dingen hatte, die er nicht alle teilen konnte, und sie ihres. Und sie war sich darüber genau so bewusst, versuchte vermutlich gerade jetzt ebenso herauszubekommen, was ihm durch den Kopf ging, und setzte etwas hinzu, als seine Antwort ausblieb, und sie eventuell bezweifeln ließ, ob ihre bisherigen Äußerungen ihre Absichten ausreichend ausgedrückt hatten.

Wie ein Paar von Zwillingen, dass sich durch ihre jeweiligen Fruchtblasen hindurch nicht berühren konnten, hatten sie zumindest die Wand zwischen ihren Welten, auf die sie beide einwirkten, als eine wenn auch stark gefilterte Schnittstellen zwischen ihren privaten Blasen im unergründlichen Nichts der Realität: Irgendeine Variante des Gespräches, dass sie gerade aufrecht zu erhalten versuchten, musste sich, wie auch immer verzerrt, auch in ihrer Welt abspielen; Auch, wenn er nie ganz wissen würde, ob sie mit jedem einzelnen Worte auch das gemeint hatte, was er zu verstehen hatte, so wusste er doch, dass sie ihm etwas mitteilen wollte.

Und so zeigte der wie auch immer diffuse Geist seine unmittelbare Existenz, gerade hier in diesem Flur, in diesen beiden Körpern, in der Bewegung hin zu etwas, was er nicht verstand; In der Faszination, dem selben Wunsch, etwas über den Rest dieses großen Universums zu erfahren, der die Menschen dazu getrieben hatte, die ewige Finsternis mit Satelliten und Teleskopen zu durchbrechen und die Erde mit Städten wie Tokyo-3 zu überziehen.

„...Doch. Tue ich. Sprich weiter.“

Die Botschaft lag ganz in der Aufforderung, in der Erwartung einer Antwort, die sie unabhängig davon hören wollte, dass er sie bereitwillig raus gerückt hatte – Es verlangte ihr danach, weil sie sie als Puzzlestück für ihre eigenen Rätsel brauchte, für die Ergründung ihrer eigenen Fragen.

Sie hatte diesen Austausch schließlich begonnen, sie war es, die ihn explizit nach seinen Motivationen gefragt hatte; Es war also nicht sein Platz, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, ob er sie mit seinen reden rücksichtslos vollgetextet hatte, sie hatte durchaus einen Mund und ihren eigenen Willen... und wenn er sich selbst schon wegen seiner Vorwürfe etwas vorzuwerfen hatte, war er wirklich ganz unten.

Das ganze war ein Getapse im Dunkeln, er hatte ein paar Dinge genannt geworden, die vage als Schlecht etikettiert waren, aber eine klare Richtung gab es nicht, nur zu allem mögliche unerfreuliche Implikationen in jede denkbare Richtung. Es sollte eigentlich nicht so schwer sein, sich nicht wie ein komplettes Arschloch aufzuführen, ein erheblicher Teil der Menschheit schaffte es doch auch. Doch selbst wenn da ein klarer Weg wäre, würde er damit überhaupt etwas anfangen können, außer, sich wegen einer klaren, nicht ergriffenen Alternative auf ewig Vorwürfe zu machen?
 

„Ich weiß es ja...“ begann er, den Blick, den er bis jetzt leicht nach unten hin abgesenkt hatte, um sie nicht sehen zu müssen, wie sie ihn sah, wie er seine ganze Lächerlichkeit offen legte, ordentlich auf den ihren auszurichten; Seine ganze Haltung zeigte nun offensichtlich die Spannung, die schon länger von seinen Gliedmaßen besitzt ergriffen hatte, und seine Finger zu irgendeinem undefinierbaren Zeitpunkt zu einer Faust verbogen hatte.

„...das richtige, das noble wäre es, sich selbstlos für die Rettung der Erde hinzugeben oder bei dem Versuch draufzugehen. Aber das hat nichts damit zu zu tun, ob ich das kann, oder wie ich mit dabei fühle. Ich will dich und Shikinami-san nicht mit diesen Monstern allein lassen, aber wenn ich auch nur das geringste falsch mache, könnte ich am Ende selbst der Grund sein, dass euch etwas zustößt... Ich... ich wünschte nur, ich hätte dein Vertrauen in Dinge...“

gab er schließlich zu, holprig versuchend, für das, was er meinte, ein halbwegs umfassendes Wort zu finden; In seiner Stimme war ein deutlicher Strang von Erschöpfung zu hören.

„Du, Misato-san, Shikinami und die anderen, ihr seht etwas, von dem ihr wisst, dass es getan werden muss, und geht einfach hin und tut es. Das es erledigt werden muss, reicht völlig aus. Besonders du, Ayanami... ich habe nicht ein einziges Mal gesehen, dass du irgendetwas nicht hinbekommen hast, weil du dich davor gefürchtet hast, egal, wie gefährlich es war, egal, ob es auch jemand anders hätte machen können... Dazu bin ich einfach nicht fähig. Obwohl ich weiß, das das Schicksal der Welt davon abhängt, obwohl ich weiß, dass ich sonst keinen Ort habe, an den ich gehen kann, kriege ich es einfach nicht hin, mich am Riemen zu reißen, und ich hasse es! Wenn sich hier einer entschuldigen sollte, dann bin ich das. Ich hab von Anfang an nur einen Fehler nach dem anderen gemacht, seid wir uns das erste mal getroffen haben...

Ich denke damals, vor deinem Aktivierungsexperiment habe ich so was gesagt, wie, 'Ja, vielleicht macht es dir ja nichts aus', obwohl du bei deinem Unfall wesentlich übler weggekommen warst wie ich, als mein eigener EVA durchgedreht ist... Aber damals habe ich überhaupt nichts gewusst, über dich, darüber, was wir hier eigentlich machen, und wofür wir hier kämpfen, und es gibt immer noch sehr, sehr viele Dinge, über die ich genau so wenig weiß, wichtige, ausschlaggebende Dinge, und es gibt noch so viel, was ich besser machen könnte, besser machen sollte...“

Und nach und nach gaben die alten, gut etablierten Risse nach und ließen die Gefühlsbrunst an die Oberfläche, und mit-geschwemmt von diesem faulenden Magma wurde auch das eine oder andere Körnchen von etwas, was dort niemals hinein gehört hatte, unmögliche Xenolithen aus Emotion, nicht anders als dieser Eindruck gestern, dass er sie unbedingt sehen, ihr unbedingt gegenüberstehen müsste. „Es tut mir leid.“ brachte er letztlich heraus, seine zunehmen unstetige Rede damit abfangend. „Es tut mir nur noch leid... dass ist alles, was ich noch sagen kann, auch, wenn ich nicht erwarten kann, dass mir irgendjemand verzeihen könnte. Es tut mir leid, für alles, was ich dir jemals angetan habe, selbst die Dinge, von denen du nichts weißt, alle Enttäuschungen, die ich dir bereitet habe, und alles, was ich dir wahrscheinlich noch antun werde...“

Spätestens jetzt wurde es ersichtlich, das er eine Form von Limit erreicht hatte, eine Erkenntnis vielleicht, darüber, welche Fluttore da kurz davor waren, aufzubrechen, und ein deutlicher versuch, sich zurückzuhalten und all das wieder hinweg zu zwängen, zu einem ausreichend-nennenswerten Anteil aus Furcht darüber, was dahinter liegen könnte und was das an Bedeutungen und Pflichten bringen könnte, doch hauptbestandteilig aus einem Bewusstsein von großer Scham, über ihre Anwesenheit bei diesem Debakel, die Situation selbst und die ihr zugrundeliegende Unzulänglichkeit, und vielleicht noch viel, viel mehr, dass er dankbarerweise nicht einzuordnen versuchte.

Doch er war nicht der einzige, der sich zum Zeitpunkt des Zwischenfalles auf dem Futagoyama über Dinge im Unklaren gewesen war, die sich ihn nun unübersehbar erschlossen; Hatte sie damals nur ratlos nach dem Grund für seine Tränen gefragt, wusste sie nun fast unmittelbar in nicht hastigen, aber doch mit Ziel und Bestimmung versehenen Bewegungen ihrer Hände zu reagieren, und es dauerte nicht lange, bis ihr gegenüber dies bemerkte, und den subtilen Wechseln darin zu beobachten, wie weit ihre verschiedenen Handknochen durch ihre Haut hindurch drückte, je nachdem, wie sie ihre Finger einzeln kommandierte – Diese eine Hand löste den Verschluss an der oberen, abdeckenden Klappe ihrer Schultasche, klappte diese dann zurück, sodass die eine in nahtlosem Anschluss daran hineingreifen konnte, um den gewünschten Gegenstand direkt an seinem derzeitigen Aufenthaltsort aufzugreifen, ohne, das irgendein Art der Suche nötig gewesen wäre; Und als ihre Finger wieder zum Vorschein kamen, umschlossen sie einen nicht unbekannten Gegenstand, dem sie in folgenden nicht wirklich 'präsentierte', aber doch in einer schlichten, aber zweckmäßigen, nur geringfügig den Oberarm involvierenden Bewegung zu ihm hinhielt, sodass er es zur Kenntnis nehmen möge: Dieses eine Brillen-Etui, dass in seiner schäbig-alten physischen Existenz etwa so ein kleines Objekt war, wie ein Schriftzeichen ein paar krakelige Striche auf einem Papier waren: Würde es ohne Kontext durch das Weltall sausen, wäre das sicherlich völlig korrekt, doch für lebende Geister, die den nötigen Kontext mitführten, konnte daraus nicht nur ein Wort, sondern ein ausschlaggebendes Stück einer ganzen Geschichte werden, wie es der Natur eines Symbols eben entsprach.

Für sie selbst reichte das Gefühl der vertrauten Oberfläche an der Innenseite ihrer Hand; Das First Child hielt ihren Blick unentwegt auf ihren Mitschüler und Gesprächspartner gerichtet.

„Das.“, begann sie, „hatte ich bei mir, als ich damals zum Aktivierungsexperiment beordert wurde.“

Das reichte dann auch fast schon, diese bloße Tatsache, die schlichten, unscheinbaren Worte, die nichts weiter taten, als ihn auf etwas aufmerksam zu machen, dass schon die ganze Zeit über eine Wahrheit gewesen war, an deren Unumstößlichkeit dieser knappe Austausch von Lauten an sich nichts geändert hatte – doch oh, die Türen, die das aufstieß, die Verbindungen, die das zusammenzog, oder korrekter belassen lediglich aufzeigte, wo er sie noch nicht bemerkte, wo sich ihm dort, wo er in seiner kindischen Träumerei wilde und fremde Träumereien vermutet hatte, nun etwas unerwartet vertrautes aufzeigte, und ihm neue Gründe gab, sich in seiner Scham zu verkriechen, ja selbst aus lang vergangenen Missetaten noch ein zusätzliches Quäntchen Stickstoff herauszuwringen vermochten, nur durch deren erneute Betrachtung: Jetzt, noch einmal mit Klarheit:

(„Wegen meinen Verbindungen... Ich hab sonst nichts.“)

Die beiden Welten jenseits und diesseits dieser Zugwagontür, die er doch nicht hinter sich lassen konnte-

("Uhm ich... ich hab gehört, dass du beim letzten Experiment sehr schwer verletzt wurdest und da hab ich mich gefragt... ob du damit klar kommst..." )

-den alten Brillenkasten musste sie damals irgendwo an sich getragen haben-

("Hast du denn gar kein Vertrauen... in die Arbeit deines Vaters?")

-eine unverfälschte Klarheit, wie sie sich damals, und auch jetzt, fest im Fadenkreuz ihres festen, Zweifel-losen Blickes befunden hatte-

("Ich... Ich will aber nicht...Dir macht das vielleicht nichts aus, aber...“)

- und auch ohne irgendeinen Filter aus Falschheit oder Dissonanz ebenso über ihre Lippen kam:
 

„'Vertrauen'“ begann sie, fest und zielgerichtet seine vorherige Formulierung aufgreifend, „...lässt Furcht oder Zweifel nicht restlos verschwinden.“

Nein, sie war nicht 'furchtlos', und je mehr er sie betrachtete, um so klarer wurde ihm, wie lächerlich das bloße Konzept war, wie offensichtlich es die Idee war, die ein Kind von Mut haben würde, dass das rücksichtslose Draufgängertum der Narren nicht davon zu unterscheiden wusste – Nur, wer den Preis seiner Handlungen kannte, konnte sie wirklich vollen Wissens in Kauf nehmen und verdiente dafür auch das volle Maß an Achtung; Denn nur jemand, der die Tiefe des Abgrunds kannte, musste das volle Maß an Furcht überwinden, der seiner Tiefe gebührte;

Sie stand da, ein schwächliches Schulmädchen in einer unscheinbaren Uniform, mit der Autorität einer unerreichbaren heiligen Jungfrau in strahlender Rüstung zu hohem Pferde, die keines göttlichen Lichtes bedurfte, das die Finsternis in ihrer Welt für sie verschwinden ließ, oder ihr die Wahrheit von vornherein ins Ohr flüsterte:

„'Vertrauen' kann weder Schmerzen lindern, noch den Feind erschlagen, alle Zweifel zum Schweigen bringen, oder dir in der Finsternis den Weg zeigen. 'Vertrauen' bedeutet, trotzdem voranzuschreiten. In so weit ist das nicht anders, als was du bereits sehr oft getan hast.“

„Huh?“

Er war vollends, voll und ganz überwältigt.

„Was... was meinst du?“

„Du bist noch hier.“

Diese simple Wahrheit war so grundlegend, dass er erst etwas verzögert darauf kam, was genau unter den vielen möglichen Implikationen dieses Satzes sie nun meinte, doch nachdem sie es genauer klargestellt hatte, starrte es ihm praktisch ins Gesicht, fast, als ob die weise Magierin dem Helden der Geschichte verkünden würde, dass sich die Hälfte der magischen Artefakte, die er einzusammeln hatte, schon in seinem Besitz befunden hatte, bevor er seine epische Reise überhaupt angetreten hatte:

„Du hattest schon oft Gelegenheit, diesen Ort zu verlassen, und diese Absicht auch offen geäußert. Dafür gibt es sicherlich Gründe, die du bereits dargelegt hast. Aber, dennoch bist du noch hier. Obwohl du erkenntlich versucht warst, zu gehen, und unabhängig davon, was du in der Zukunft tun wirst, bist du doch jetzt und hier noch nicht gegangen. Auch dafür muss es einen Grund geben.“

„...das... das mag vielleicht sein, aber ich kann ja selbst nicht mal sagen, was das für ein Grund sein könnte. Ich schätze, dass einer existiert, aber das heißt nicht, dass es ein guter Grund sein muss... wenn es etwas wäre, das halbwegs Sinn macht, hätte ich wahrscheinlich schon daran gedacht...“

Das ließ sie einen Moment lang pausieren, ihr stoisch-bedenkendes Antlitz eine undurchdringliche Zitadelle, deren hohe Mauern alles vor ihm verbargen.

Doch schließlich kam sie zu ihrem Urteil: „...dennoch. Du hast all das durchschritten, was deinem Pfad im Weg stand. Es ist lediglich ein gewählter Pfad, in unterschied zu meinem...“

Wenn sie sein verräterisch platziertes Regen registrierte, jenes Flattern seiner Brauen und Lider, das dem Mysterium ihrer Umstände galt, dann übersah sie es, oder wählte bewusst, nicht darauf einzugehen; Doch an dem Punkt, den sie auch schon vor seinem Einwand schon zu markieren gedachte, hatten seine Worte scheinbar nichts gerüttelt; Sich selbst erwähnte sie lediglich als nützliches Referenz-Vergleichsmaterial, mit einer trotz mitschwingender, halbherzig getragener Resignation in keinster weise herausgekehrten Gleichgültigkeit, die nicht nach Aufmerksamkeit zu haschen versuchte, und sein schlecht verstecktes Selbstmitleid im Vergleich geradezu aufplatzend- grotesk als solches demaskierte, eine offensichtliche Deformierung wie eine faulende Pestbeule;

„Ich... bin daran gebunden.“ erklärte sie mit leicht gesenkten, aber nie komplett abgewendeten Blick. „Nur das allein ist die Existenz, die ich habe; Der einzige Pfad, der mir zur Verfügung steht – Und selbst unter meinen Aufgaben im Rahmen des Projekts sind meine Pflichten als Pilotin die einzigen, die es beinhalten, mit anderen in Verbindung zu treten – Du, Commander Ikari, Dr. Akagi, Captain Katsuragi, die Pilotin von Einheit Zwei, die anderen in unserer Klasse... Aber du, du kannst gehen. Es stimmt, dass du dann nicht mehr hier bleiben könntest; NERV, und alles, was damit in Verbindung steht, existiert zur Ausführung des Projekts. Aber der EVA ist lediglich ein Spiegel deines Herzens.“

„...Spiegel meines was-?! Ich... ich verstehe nicht...“

„Denkst du wirklich nicht, dass die Fähigkeiten und Eigenschaften, die es dir erlaubt haben, auf diesem Pfad bis hierher zu kommen, für nichts anderes auf dieser Welt Verwendung haben könnten? Du, und auch die Pilotin von Einheit Zwei? Das ist etwas, dass ich nicht verstehe. Ihr tut viel, um zu erhalten, was ihr hier habt, wenn diese Taten selbst ein Zeichen sein sollten, dass ihr fähig seid, euch so etwas aufzubauen, wo immer ihr seid?“

Nun mal ganz abgesehen von der Antwort auf diese Frage – Shinji war bei weitem noch nicht bereit, sich ihr zu stellen, und hatte eine deutliche Vorahnung, dass ihm diese Antwort so oder so nicht gefallen würde, oder vielleicht waren das die Konsequenzen der Antwort;

Jedenfalls blieb da noch die Frage selbst. Hielt Ayanami sie beide etwa für undankbar?

Nein, dass war es nicht; Sie maßte es sich nicht an, irgendwelche Wertungen zu erheben, selbst, wenn zumindest er sie schuldbewusst in Kauf nehmen würde.

Vielmehr handelte es sich hier um eine distanzierte Betrachtung des Pfades, den sie nicht gewählt hatte, oder vielmehr nicht mal als zugänglich wahrnahm; Er eröffnete sich ihm dass sie vielleicht gerade deshalb immer so hinnehmend auf die Möglichkeit seines außerplanmäßigen Abmarsches reagiert hatte, weil sie das als eine Freiheit sah, die sie nicht hatte. Aber nicht in so einer simplen Form wie das klassische Begehren nach der andere Seite des Gartenzauns, sondern das stellvertretende Ausführen eines unmöglichen Traumes, vergleichbar mit einer Immigrantenfamilie, die ihren jüngsten Nachwuchs anspornte, die Bildungsmöglichkeiten in ihrer neuen Heimat voll auszunutzen um von Anfang an ein besserer abgesichertes, komfortables Leben zu haben, das für sie selbst nicht möglich war, und auch niemals mehr möglich sein würde, weil sie längst alt und die Chancen lange verstrichen waren.

Wenn jemand anderes diese Freiheit erreichen konnte, wenn sie sehen konnte, wie jemand diese Freiheit erreicht, und mit dieser Person mitfühlte, dann wäre es, als könnte sie selbst ein wenig davon fühlen und erfahren; Was Shinji daran nach dem Morgen mit Asuka und vielen langen Jahren mit dem privaten Abschaum zwischen seinen Hirnwindungen direkt am meisten ansprach, war die komplette Abwesenheit von Missgunst, weder gedankenlos in die Welt hinaus gekippt, noch mit Druck und Gewalt aufgestaut und für die Nachwelt eingekorkt; Es brachte ihn zurück auf einen alten Gedanken, den er vor vielen Jahren einmal ergebnislos unterhalten hatte, denn sich zu freuen, wenn ein anderer glücklich war, und zu leiden, wenn man diese Person im Unglück sah, war das nicht eine populäre Beschreibung der Liebe, zumindest, wenn man damit das Grundprinzip meinte, dass all ihren Abarten zu Grunde liegen sollte, sei es nun die romantisch-erotische Version, die griechisch-philosophische, daher 'platonische' Zuneigung zu einer verwandten Seele, die Bande der Familie oder dieses abstrakt-Transzendente, oft den Göttern und Helden zugesprochene Konstrukt der 'bedingungslosen' Liebe?

Shinji war generell vorsichtig damit, was er sich zutraute, sodass er sich sei es aus Weisheit oder verkapptem Narrentum generell damit zurückhielt, eine Meinung über Dinge zu bilden oder gar zu äußern, über die er keine Ahnung hatte, und diese ominöse 'Liebe' war vielleicht das klassischste Beispiel für etwas, von dem das Third Child schon mal überhaupt keine Ahnung hatte, und sich nicht sicher war, ob er es jemals in irgendeiner Form erfahren hatte; Er hielt dessen theoretische Existenz schon noch für deutlich wahrscheinlicher als die der ähnlich flüchtigen Gottheiten, aber wenn es sie gab, war sie strikt etwas, das die Anderen zu bekommen pflegte, und Shinji's eigene Belange nur peripher tangierte – So zumindest verhielt es sich für die letzten zehn Jahre, bevor dieser einzige Brief alles ins Chaos gestürzt hatte. Dementsprechend hatte er auch zu der geläufigen Frage danach, was denn von der Liebe das Gegenteil sei, der spezifische Zustand, der am weitesten davon entfernt sei, keinerlei fertige Meinung – Was nicht hieß, dass er sich nicht von einer äußerlich-hineinblickenden Perspektive rein theoretisch mit der Frage befasst hatte. Die zwei populärsten Antworten waren, basierend auf einem Verständnis von Liebe als der größtmöglichen 'positiven' Bindung, entweder 'Hass', die größtmögliche Abneigung, oder 'Gleichgültigkeit', die niedrigst mögliche, oder komplett abwesende Bindung.

Führerlos im formlosen Dunkel sein es Lebens tapsend schätze Shinji doch, dass er davon, 'geliebt' zu werden, eher weit entfernt als nahe dran war, aber was sich statt dessen jenseits seiner privaten kleinen Welt abspielte, war ein schwer zu erahnendes, unklares Niemandsland; Irgendwo weit weg in dieser Welt war sein Vater, und Shinji konnte nicht wirklich unterscheiden, ob der ihn hasste, oder ihm gegenüber einfach nur gleichgültig war, wie man das feststellen könnte, und welches davon nun schlimmer sein würde, wenn es sich als die Realität herausstellen würde.

Aber er hatte auch von einer dritten Möglichkeit gehört: In der katholischen Theologie zum Beispiel war der Todsünde des Neides als gegensätzliche Tugend die Liebe zugeordnet; Und damals hatten ihm die Sünden mehr interessiert als die Tugenden, waren letztere doch weit weg von seinem Leben, aber es war doch eine gewisse Logik dahinter, wenn man weiter darüber nachdachte: Sowohl Liebe als auch Neid waren Möglichkeiten, wie man mit den guten Eigenschaften, Erlebnissen und Errungenschaften anderer umgehen konnte: Wer 'liebt', sieht gutes an einer anderen Person und wird ihr deshalb zugetan, und wünscht, dass ihnen weitere gute Dinge zu Teil werden; Bei 'Neid' wird alles gute, was der andere hat oder ihnen widerfährt, zum Angriffspunkt für Misstracht, man gönnt ihnen nichts und wünscht sich nichts sehnlicher, als die fragliche Person aus ihrem Orbit stürzen zu sehen, wenn man sie nicht selbst schubst...

Etwas näher an seinem täglichen Dasein als sein Vater, und somit etwas häufiger studierbar lebte das Rätsel namens Asuka, und er hatte aus ihrer Richtung viel abbekommen, dass wie Feindseligkeit, Gleichmut oder gelegentlich beides aussah, aber dass auch Neid und Eifersucht irgendwie in dieses Spektrum passten, hatte ihn zunächst erst mal verwirrt, als Hikari das Wort zunächst in den Mund genommen hatte – Vielleicht war da ja noch das halbernste Gezanke wegen Kaji, aber an sich hatten weder er selbst, noch Rei, noch beispielsweise Mayumi damals besonders viel gehabt, worauf Asuka neidisch sein könnte – Trompetete sie denn nicht immer frei heraus, wie sie bereits besser war als alle anderen, die beste Pilotin, die beste Schülerin, das begehrteste Mädchen, die unbestrittene Alpha-Biene?

Und wenn sie nicht damit beschäftigt war, ihre eigenen Attribute anzupreisen, machte sie sich darüber her, wie ihre Mit-Piloten unter aller Kanone waren, und Ayanamis Kommentar eben ließ vermuten, dass sie das ähnlich sah. Sie beide waren nun wirklich in keinster weiße übermäßig privilegiert – Andererseits, des einen Freud, des anderen Leid. Kensuke zum Beispiel hatte ja des öfteren angedeutet, gerne mal tauschen zu wollen, und schon daran, dass Asuka sehr wohl an der eigenen Haut erfahren hatte, wie es mit den Realitäten der EVA-Dressur aussah, und immer noch absolut wild auf die nächste Chance war, einen Kampf auf Leben und Tod zu bestreiten (und dann noch möglichst allein), zeigte schon deutlich, dass ihre beiden Prioritätenlisten und Weltanschauungen astronomisch weit auseinanderlagen.

Am ehesten konnte er es sich noch über ihre Neigung zum ständigen Konkurrenzkampf herleiten; Sie wollte immer die Gewinnerin sein und missgönnte daher jenen, die statt ihr 'gewinnen' könnte, aber das erklärte immer noch nicht, was ihn, Ayanami oder Misato zu ausreichend ernsthaften 'Bedrohungen' machte, um sich solche Missgunst zu verdienen; Wie Asuka nie aufhörte, ihnen ins Gedächtnis zu rufen, waren sie alle weit unter ihrer Würde.

Seine bisherige Standart-Antwort wäre ja gewesen, dass er das ganze Fiasko mit den EVAs selbst nicht wollte, aber so, wie er hier stand, und sich zu erklären versuchte, wusste er nicht, ob er das noch guten Gewissens sagen konnte – Sicherlich war er keinesfalls erfreut über die ganzen schrecklichen und verwirrenden Dinge, mit denen er hier das 'Vergnügen' hatte, und wünschte sich, dass er sie nicht mehr mitmachen müsste, aber dass er vor Freude aufspringen und enthusiastisch seine Sachen packen würde, wenn man ihm morgen früh sagen würde, dass er als Pilot ausrangiert war, konnte er auch nicht behaupten – Diese Frage führte auch wieder in einen nebelverhangenen Morast der Ambiguität, in dem nichts zu erkennen war als ein paar halbversunkene, verrottende Äste.

Dennoch; Vielleicht war diese Art von unterwerfender 'Ehrfurcht' etwas, dass er erst mal frustriert ablegen musste, bevor es ihm in den Sinn kommen könnte, das die sogenannten 'Inkonsistenzen' in den unbegreiflichen Mauerwerken des Second Child vielleicht nichts anderes waren, als die selbstverständlich zu erwartenden Beweise dafür, dass ihr Antrieb und ihre Energie zwar weit jenseits seiner Standards lagen, aber eben doch nicht endlos waren; Manchmal wurde sie vermutlich müde, und dann war sie bisweilen nicht ganz auf den Höhen, in denen sie sich anprangerte; Nicht so sehr bereitwillig-verlogene Heuchelei, als einfach nur Menschlichkeit. Er schaffte es ja auch nicht, immer alles so zu tun, wie er es sich vornahm, bei weitem nicht, Asuka konnte da wenigstens mit Recht von sich behaupten, dass sie zumindest den Großteil der Zeit keine Schwächen zeigte, und das ließ sich eigentlich guten Gewissens respektieren, nicht ganz in dem selben Sinne wie Ayanami, aber in einem anderen, nicht weniger gültigen.

Es stimmte, das er keine von den beiden, oder sonst irgendwen je vollständig begreifen, oder überhaupt zweifellos berühren würde – Er würde sich nie sicher sein können, ob seine Worte verstanden wurden, oder ob alles was er an Aussagen und Bedeutungen von seiner Umgebung entgegengenommen hatte, nicht irgendwo seiner eigenen Fantasie entsprach – Aber war das eine Versicherung einer Unmöglichkeit, oder eher der Mangel einer Garantie?

Irgendwo mussten sie doch herkommen, diese Stimuli, Geräusche und Lichter, die da von außen hineinströmten; Er konnte nicht beweisen, dass er nicht in Wahrheit irgendwo ein Hirn in einem Gurkenglas war, aber es war nicht sehr wahrscheinlich, und selbst wenn, so wäre dieser Ansatz für das Meistern seiner unmittelbaren Existenz vorerst nicht besonders nützlich.

Das Gespräch gerade jetzt, oder auch das neulich auf dem Schulhof, („Hast du dich schon einmal gefragt, ob du eigentlich real bist? Du und… dein Leben, wie es jetzt ist?“) und was sich noch alles abgespielt hatte, war es so unwahrscheinlich, dass sie da gegenseitig zumindest ein Iota an wirklicher Information, an fünkchenhafter Wärme getauscht hatten, die sie vielleicht nicht direkt übertragen, aber zumindest aus den diffusen Signalen halbwegs umrissweise abgeschätzt hatten?

Er war zurecht zögerlich darin, irgendwelchen situationsbezogen aufsteigenden Gefühlen, es zu wissen, irgendwelches Vertrauen zuzumessen, er wusste, dass sie trügerisch sein könnten, dass er sich all zu gerne etwas vormachte, und dass er unweigerlich wieder zweifeln würde... Nein, 'wissen' tat er nicht besonders viel in dieser unklaren, zweifelhaften Welt, aber die Menge seiner bisherigen Erfahrungen müsste doch ausreichen, um zumindest guten Gewissens darauf hoffen zu können, nicht etwa wie ein Gebet oder eine bewusst im noch unbekannten, undefinierbaren und unwahrscheinlichen verkrochene Gottheit, sondern mehr wie das hoffen auf den Sieg eines Sportteams in einem Wettkampf, von dem man die Ergebnisse einfach noch nicht kannte – Es machte doch einen Unterschied, ob man nun allein war, oder nicht, oder zumindest gab es eine echte Möglichkeit, einen Unterschied zu machen, wie auch gerade eben:

Er musste nicht unbedingt alles über Ayanamis Lebensumstände und Gedanken wissen, um zu ihr eine echte Verbindung zu knüpfen; Er konnte zumindest das nach bestem Wissen und Gewissen verarbeiten, was sie ihm da ließ, was er schon wusste, nicht?

Und sie musste auch nicht alles über ihn wissen, damit ihre Worte für ihn von nutzen waren, und das, dass es auch umgekehrt möglich sein könnte, erschien ihm fast noch wertvoller als primär 'Verständnis'; Die Möglichkeit, eine Abdruck auf dieser Welt zu hinterlassen, der nicht (nur) für alle Beteiligten negativ war.

Er dachte an die Zeit unmittelbar nachdem er sich über diese höchst prekäre Situation bewusst geworden war, die er immer noch mit abwägender Skepsis betrachtete, wenn auch mehr, um sie ein Stück weit von seine alltäglichen Leben wegzuhalten, um auf ein gewisses Maß an Erträglichkeit zu kommen – Die Nacht, in der Misato mit in sein Zimmer gekommen war, oder die Begegnung mit Kensuke auf dem Dach des Schulgebäudes – Keiner von beiden hatte es zu diesem Zeitpunkt geschafft, den Schleier seiner düsteren Überzeugungen zu durchbrechen, aber im Nachhinein betrachtet tat es wirklich gut, dass sie da gewesen waren.

Nein, er musste nicht alles über Ayanamis Lebensumstände wissen, um sich sinnvoll mit ihr unterhalten zu können, oder jeden Winkel von Asukas Gedanken zu kennen, um eine vorsichtige Schätzung über ihre Beweggründe, Fehler und Stärken anzufertigen – und etwas anderes, als es einfach zu versuchen, konnte er ohnehin nicht machen.

Was blieb ihm anderes übrig?

Die Form des blauhaarigen Mädchens, dessen fester, bestimmter Blick ihn fixiert hielt, mochte nichts als ein lückenhaftes, von seinem Gehirn liberal geflicktes und geschätzt-vervollständigtes Muster aus gefangenen Lichtstrahlen sein, die irgendwann mal von ihr abgeprallt waren, aber das deutete an, dass sie tatsächlich in dieser Richtung stand und weiter Licht zerstreute. Und sie hatte auch noch ein paar akustische Schwingungen für ihn: „Ich weiß nicht, was es ist, dass du suchst, aber wenn es doch Verbindungen sind, dann wisse, dass sie nicht nur ein Ziel, sondern auch eine Stütze sein können. Sie lassen die Hindernisse auf unserem Weg zwar nicht verschwinden, aber sie können uns Gründe geben, sie zu überwinden... Du sagst, du seist dir nicht sicher, ob diese Verbindungen überhaupt real sind? Dafür ist das hier da.“ beschrieb sie, das Brillenetui etwas höher haltend, immer noch zerbrechlich-hoch und entfernt-neutral in der Stimme, aber doch merklich sicher in dem, was sie da aussagte.

„Das hier... hat der Commander jeden Tag getragen, überallhin mitgeführt, bei Erfolgen und Misserfolgen. Ich denke, es ist das nächste dazu, einen Teil von ihm zu haben. Es ist ein Beweis seiner Existenz... Wenn ich mir einmal nicht sicher sein sollte, ob eine Verbindung zwischen uns besteht... habe ich das hier.“

Sie beschrieb eigentlich nur einen Teil ihres Alltags in seine Richtung hin, den er schon wusste, aber er glaubte, dass er sich denken konnte was sie damit meinte, versuchte in direktere Worte zu gießen, was sie nur beschreiben konnte, indem sie Gedanken und Begebenheiten beschrieb, die sie damit assoziierte... Ein Beweis dafür, dass es eine Verbindung gab; Eine Wahrheit, die sich nicht leugnen ließ; Die Art von Konzepten.

Er wurde sich mit einem mal unüblich bewusst über das Gewicht des alten Kassenttenspielers in seiner Hosentasche, die orangene Plakette, auf der ein unmöglicher Name stand, und weitere Dinge, die noch nicht einmal stoffliche Objekte brauchten, um ins Gewicht zu schlagen; Häufige Situationen, Sammlungen aus vertrauten Geräuschen und Gerüchen, Phrasen und Sätze, denen mit der Zeit mehr als nur ihre natürliche Bedeutung angehaftet war, und die einzigartigen Kontexte, die diese Worte zu Symbolen von Beziehungen, oder gar Trägern von luftigen Konzepten zu machen vermochte, Referenzen, die nur zwei bestimmte Menschen untereinander verstanden, einzigartige Verhaltensweisen, die nur in gewissen Situationen zum Vorschein kamen, die er vorher nicht gekannt hatte.

„Ja ich... ich glaube, dass ich... solche 'Beweise' bereits kenne...“

„...Ich verstehe.“

Ob sie das wirklich tat, wusste er nicht; Zu viel versuchte ihn dazu, zu sagen, das sie in diesem Moment die selben Gedanken geteilt hätten, als das er das mit Sicherheit sagen könnte; Es gab nur ihn, sie, und ein Stückchen Flur, an dessen Enden sie sich gegenüberstanden, selbst die Stille war ja doch nichts anderes, als die Abwesenheit von Lauten und Geräuschen; In seinem sozialen Umkreis mochte sich zwar diese Idee verbreitet haben, dass er irgendwie der lokale Experte in Sachen Ayanami war, die 'eine Person, mit der sie redete', aber an sich konnte er nicht behaupten, besonders viel mit des Konfigurationen ihres unberührten Gesichts und ihren intensiven Augen anfangen zu können, und auch diese unkomplette Beschreibung ließ es mehr wie einen Gegensatz klingen, als es eigentlich war, wenn man sie sah; Die Distanz war noch sehr da - Eigentlich wäre an ihren bisherigen Interaktionen und Gesprächen nichts besonders außergewöhnliches oder enges dran, würde Ayanami nicht tendenziell ein eher abgeschiedenes, einsames Leben führen, und das war nun wirklich kein guter Grund; Wenn er den gelten lassen würde, wäre er nicht anders, als der rest der Welt, der sie einfach als „seltsam“ abtaten; Er schätze dass sie Bekannte waren, vielleicht lose assoziiert, sie arbeiteten zusammen, gingen zusammen zur Schule, also natürlich unterhielten sie sich bisweilen; Sie war länger in dieser Situation, als er es gewesen war, also natürlich fragte er sie nach dem Weg, und er wusste nur zu gut, dass er sich sowieso an jeden Halm klammerte, der in seine Reichweite hinein hängte; Sie war aus diesem ganzen Mikrokosmos mit Asuka und Misato schon einmal ausgeschlossen, und so sehr es sich 'richtig' und 'passend' anfühlte, dass sie in ihrer eigenen Sphäre existieren sollte, es hieß, dass er ihren Weg nur gelegentlich kreuzte; Er versuchte, bei dieser Einschätzung realistisch zu bleiben, und allem Pessimismus zum Trotz nicht zu vergessen, dass es auch seine eigene Unfähigkeit und Zögerlichkeit war, die sichergestellt hatte, das nichts passiert war, nicht mit Rei, und nicht mit irgendeinem anderen der anderen Nicht-Wirklich-Kontakte in seinem Leben.

Trotzdem. Unbestreitbare Beweise, dass etwas reales passiert war?

Er war sich nicht mehr so sicher, ob er nicht lügen würde, wenn er angeben würde, so etwas nicht zu kennen; Beispiele flatterten durchaus in sein Bewusstsein, aber vertraute auf seine Fähigkeit, sie ins bedeutungslose Nichts zu dekonstruieren, oder sich an kleine, unachtsame Nichtigkeiten zu hängen, die Asuka, Misato, Touji oder wer auch immer einfach nur ohne nachzudenken raus in die Welt gehängt hatte, ohne der kleinen Handlung oder Silbe Bedeutung zuzumessen oder Erinnerungs-Speicher zu allozieren; Selbst 'Auf Wiedersehen' konnte nur einfach etwas sein, dass sie begonnen hatte zu tun, weil er es ihn gesagt hatte – Es waren die Ballen, die Muster aus Momenten und Symbolen, die eine Dicke und Substanz besaßen, die sich nicht so leicht wegerklären ließ, ein diffuses Schwärmen zwischen seinen Schläfen;

Von seiner Seite aus waren da wortlose Schnüre aus Erwartung, zögerlicher Unsicherheit und zaghafter Verbindung, aber ohne eine Bekleidung aus Wort und Tat konnte selbst Shinji sich ihrer nicht sicher sein, und die einzige Gewissheit blieb, dass sie auf der anderen Seite des Stückchen Flurs in der Realität des First Child keine Substanz hatten; 'Überhaupt nicht' schien die einzige Antwort zu sein, die man je mit irgendeiner Sicherheit erlangen konnte, und selbst diese Gewissheit schien sich mit der Zeit in Fragen und Rückfragen aufzulösen, wenn sie sich wortlos gegenüberstanden, als ob das Gespräch noch nicht zu Ende sei, und es den Anschein hatte, dass keiner von ihnen noch zu wissen schien, wer hier eigentlich wartete, oder auf was;

Doch irgendwo, irgendwann musste sich irgendwie ein Gedanke zu Wort und Handlung versponnen zu haben, denn ohne, dass das Third Child irgendwas als klaren Auslöser erkennen könnte, kam schließlich der Moment, in dem sich seine Mit-Pilotin zum Gehen wendete, und das nicht mal irgendwie unsicher oder allmählich, aber auch nicht plötzlich, nach Wechseln eines Blicks mit einem verblassten Abglanz von frischen Schwung, der sich deshalb voll schmecken ließ, weil bei ihr so viel entfernt und verblasst war, mehr als hätte sie eine Anweisung erhalten als selbst entschieden, doch Shinji hatte kaum einen Fuß vor den anderen gesetzt um ihr zu folgen, als sie sich recht dynamisch ein Stück weit zurück wendete, und sprach, nicht wirklich 'beiläufig', aber auch nicht ganz identisch dazu, wie wenn man etwas vergessen hatte und nicht wusste was, es unterschied sich daran, dass sie die Worte nicht suchen musste, sondern recht natürlich als einzig mögliche Option fand, auch, wenn das allein ihre Unerfahrenheit mit dieser Sorte von Situation nicht ganz außer Kraft setzte:

„...weil du mich aufgefangen hast... Vielen Dank dafür.“
 

Und er konnte nicht genau sagen, was es an diesen simplen Worten war, das ihn so traf wie ein dramatischer Windhauch, und den Augenblick in seinen geweiteten, berührt-glänzenden Pupillen einfror, ihre halb zu gewendete, hab in einer Bewegung befindliche Körperhaltung, die subtile Spannung in ihren schmalen Schultern, das fallen ihrer Haarspitzen und die zarten Rillen in der Oberfläche ihrer leicht geöffneten, braunstichig-lachsrosa Lippen in diesem einen Moment, irgendein feines Detail an Bedeutung, dass noch keiner von ihnen völlig verarbeitet hatte, und die sich anbahnende Erkenntnis, dass ein 'unbestreitbarer Beweis' gar nichts großes oder dramatisches sein muss, sondern lediglich etwas greifbar reales, und er fühlte sich geneigt, das erste mal die Möglichkeit zu unterhalten, dass diese diffus-konfuse 'Liebe' nicht irgendein seltener, für wenige privilegierte vorbehaltener Schatz, sondern etwas recht banales, alltägliches, das in jedem Winkelchen zu finden sein sollte, wenn man nur die Augen hatte, um es zu sehen.
 

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„AYANAMI! IKARI! Ihr seid fünfzehn Minuten zu spät? Könnt ihr mir das bitte erklären?!“

Tatsächlich hatte Shinji die Zeit völlig vergessen, sich sogar noch am rande gefragt, wieso um diese Zeit nicht bereits einige Leute vor der Klassenraumtür herumstanden, bis die schroffe Stimme der verständlichermaßen genervten Lehrerin ihr kleines, privates Bläschen von Taschen-Universum abrupt zum Platzen gebracht hatte, und wenn ihn das nicht höchst beschämt in einem vollen Klassenraum voll tuschelnder, mit Halbwahrheiten und Gerüchten vertrauen Menschen zurückgelassen hatte, den er gerade alle Aufmerksamkeit auf sich ziehend und merklich gedankenverloren in Gegenwart eines Mädchens betreten hatte, wäre ihm vielleicht aufgefallen, das auch Rei darüber überrascht schien, und die Lehrerin derzeit mit einem Ausdruck ansah, der zwar nicht dramatisch weit entgleist war, dem aber doch der übliche Filter aus Distanz und Abschwächung fehlte, der auch in dem hellen, knappen Laut nicht zu finden war, der ihren Lippen in den Sekunden dieser Feststellung entwich, er war nicht per sé laut, aber nicht 'gedämpft', legte mehr von einer natürlichen Stimmfärbung offen, ein hauch von in Ocker verlaufendes Gelb, den ihre übliche, leise Sprechweise selten durchscheinen ließ.

Es war etwas geschehen, dass sie nicht erwartet hatte.

Dennoch blieb dieser Ausdruck subtil genug, um der Lehrerin nicht als etwas unübliches zu erscheinen, und änderte nichts daran, wie sie sich der beiden Zuspätkommer mit zusammengezogenen Brauen und in die Hüften gestemmten Händen besah, und gar nicht erst abwartete, bis Shinjis Gestammel anfing, Sinn zu machen. „Also wirklich! Dabei hattet ihr beiden bis jetzt fast keinerlei negative Einträge im Klassenbuch... besonders du, Fräulein Ayanami!“

Mit den Fingern als eine Art Frustbewältigung an ihrer Bluse herumzupfend erlaubte sie sich ein gepflegtes Seufzen. „Na ja, immerhin könnte es für euch noch Hoffnung geben... deshalb werdet ihr mir bis Morgen gleich eine Strafarbeit abliefern, damit mir das ja nicht zur Gewohnheit wird!“
 

Normalerweise könnte man ja meinen, dass generell zuverlässigere Schüler milder behandelt werden würden statt umgekehrt, aber Shinji fand gar nicht erst die Zeit, diesen Gedanken länger zu verfolgen, sondern trollte sich zunächst in klarer Beta-Äffchen-Manier auf seinen angestammten Sitzplatz, wo er darauf mit gesenktem Köpfchen und geröteten Wangen seine Sachen entpackte und hastig das gefragte Schulbuch auf die passenden Seite blätterte, wobei er es gar nicht erst wagte, zu den anderen Schülern aufzublicken – Er hatte in der Menge Touji erblickt, wie er mit einem schelmischen Grinsen einen Daumen-Hoch abgab, und etwas weiter hinten auch Nagato, der sich mit der einen Hand seine Lesebrille abgenommen hatte, um sich mit der anderen gepflegt durchs Gesicht fahren zu können, auch die Klassensprecherin sah man ähnlich 'beeindruckt' den Kopf schütteln, und am Ende war Shinji ganz froh, das der Kommentar, den Kensuke seinem 'durchschauenden' Grinsen nach zu urteilen für wahnsinnig schlau hielt, in der Menge untergegangen war.

Allerdings war er es mehr oder weniger gewohnt, das die solche Dinge in den falschen Hals bekamen oder einfach nur ein wenig auf seiner Tendenz zu ihrer Meinung nach urkomischen Verlegenheit herumzureiten; Auch, wenn er sich nicht ganz daran hindern konnte, sich nach der Blamage einfach nur verschanzen zu wollen, wussten seine rationaleren Gedankenzüge bereits, dass der Witz gegen Ende des heutigen Schultages wieder kalter Kaffee, und innerhalb weniger Tage vergessen sein würde. Was ihn ernsthafter beschäftigte, und auch dazu beitrug, dass er ihre Reaktion gar nicht ernst abzuschätzen versuchte, war, das er Ayanami ebenfalls Ärger eingebrockt hatte – Sie wirkte nie besonders interessiert am Unterricht, aber andererseits war sie dennoch eine gute Schülerin und nahm ihre anderen Pflichten generell sehr ernst. Asuka würde sich an dieser Stelle mit Sicherheit offen beschweren und darüber beklagen, dass Shinji sie in der Öffentlichkeit hatte dumm dastehen lasse, und das es keinen guten Grund gab, dass sie sich von der Lehrerin hatte ausschimpfen lassen müssen, aber Ayanami war, wie sooft, schwerer einzuschätzen, aber motivierend war es nicht gerade zu hören, dass sie, wie die Lehrerin auch noch vor der ganzen Klasse zitierte, sobald sie sich wieder vor ihr Pult gesetzt und einen Blick ins Klassenbuch geworfen hatte, das ganze Schuljahr noch keinen einzigen Eintrag wegen irgendeines Fehlverhaltens eingebrockt hatte – Keine Verspätung, kein vergessener Turnbeutel, keine vergessenen Hausaufgaben, und auch ihre häufigen Fehlzeiten waren scheinbar alle entschuldigt gewesen – bis heute.

Sicherlich, sie hatte selbst angegeben, heute ausnahmsweise untypisch abgelenkt und unausgeschlafen gewesen zu sein, doch der Lehrerin brachte sie dies nicht als Ausrede vor, sondern begab sich, sobald Shinji das aus ihren Schrittgeräuschen ableiten konnte, lediglich zurück an ihren Platz, nach einer kurzen Pause, in der vielleicht eine Art Zurkenntnisname erfolgt war, wie zum Beispiel ein Nicken.

Wenn sie sauer war, dann würde er es nie erfahren, und selbst, wenn er vom rationalen her wusste, dass sie nicht zu der nachtragenden Sorte zählte, war das Gefühl, auch für einen Moment lang nicht zu wissen, ob sie vielleicht innerlich nicht das geringste bisschen Bock auf sein Gesicht hatte, war ein unangenehmer Gedanke, der eine ganz andere Hitze hinter seinen Wangen brennen ließ, und sich auf seltsame Art und Weise mit diesem eben erst fest eingebrannten Anblick ihres zurück gewendeten Gesichts vermengte, und im Vergleich zu der bewusst zurückhaltend wertenden, aber dennoch Hoffnung hegenden Perspektive von eben auch Klarheit und Unklarheit selbst durcheinanderwirbelte, und es zusätzlich erschwerte, zu einem nächsten Schritt zu kommen, und den Weg zu finden, auch nur mit dem herumblättern im Schulbuch weiter zu kommen, bei dem sich seine Finger nicht gerade halten und seine Augen nicht sicher auf den Textspalten halten ließen – Hilfreich war es sicher nicht, dass die Lehrerin es nach dem eintragen des ersten Verwarnungs-Striches hinter Ayanamis Namen in der Klassenliste auch noch für pädagogisch sinnvoll hielt, sie auch noch die Hausaufgaben vorlesen zu lassen, aber immerhin erübrigte sich so das weitere hantieren mit dem Schulbuch.

Bei dem Aufsatz, der dem gestrigen 'Rausch' glücklicherweise noch nicht zum Opfer gefallen war, war ihnen eine gewisse thematische Freiheit gelassen worden, und Rei hatte sich für 'die Wissenschaftliche Vorgehensweise' entschieden.

Wie man erwarten konnte, las sie einfach den Text aus ihrem Schulheft aus, ohne die Lehrerin oder die Klasse wirklich anzusehen; Der 'Vortrag', wenn er sich mit der simplen Methodik überhaupt als solcher bezeichnen ließ, stellte sich als relativ interessant heraus; Zwar wusste er, das seine Eltern beide in dieser 'Branche' gearbeitet hatten, und hatte recht regelmäßig mit Dr. Akagi und ihren Kollegen zu tun, doch er hatte sich nie wirklich hingesetzt, und sich mal gefragt wie 'Wissenschaft' eigentlich definiert war – Es schien so ein selbsterklärender Allgemein-Begriff zu sein, Sie wissen schon, diese Heinis mit den Reagenzgläsern. Statt dessen erzählte Rei nun etwas von den Anfängen der Naturphilosophen im griechischen Ionien (Shinji konnte etliche Begriffe nennen, die davon abgeleitet waren, von geladenen Teilchen bis zu komischen Säulen, wusste aber bis jetzt nicht, dass das sich von einem Ort ableitete und nicht etwa einfach der Name eines Kunststils oder einer Zeitperiode war), von einem Herren namens Anaximander, der scheinbar mit simpler Trigonometrie die Sonne grob ausgemessen und sogar auf eine Art simplere Vorstufe der Evolution gekommen sein soll, bis hin zu den Denkern der Renaissance und Barockzeit, die den Himmelskörpern zwar noch 'Willen' unterstellten, aber letztlich die sauberen Methoden aufstellten, die den Vormarsch der letzten vierhundert Jahre ermöglicht hatten: „Es gibt nur eine Methode, etwas mit Sicherheit in Erfahrung zu bringen: Mit einer Hypothese und einem Experiment, um sie zu überprüfen.“ Sie erklärte kurz den Begriff der Null-Hypothese, den ihr Mathematik-Lehrer bei dem Kapitel über Wahrscheinlichkeitsrechnung zwar ein paar mal herumgeschleudert hatte, sich jedoch trotz Nagatos geduldigen Erklärungen und Asuka's etwas weniger freundlichen Spontan-Lektionen jedoch permanent geweigert hatte, in Shinji's Kopf viel Sinn zu machen, und fuhr mit ein paar Beispielen fort, die Shinji nicht als typische Klassiker erkannte – Sie kritzelte bei ersterem zwei wie umgedrehte westliche Buchstaben aussehende Symbole an die Tafel, bei deren Erklärung Shinji nicht ganz mitkam („Wenn ein einziger schwarzer Schwan gefunden wird, ist die Aussage 'alle Schwäne sind weiß' sofort widerlegt, aber sofern nicht alle Schwäne der Welt überprüft werden können, kann keine Menge an gefundenen weißen Schwänen die Aussage sicher beweisen, nur eventuell zur Abschätzung deren Wahrscheinlichkeit beitragen“), dann brachte sie das Beispiel einer abgeschlossenen, schwarzen Kiste und der Frage danach, was da drin war – Zwar konnte man dazu auf den ersten Blick nichts sagen, doch die Frage danach, was nicht in der Kiste war, gestaltete sich wesentlich einfacher: Zum Beispiel konnte es nichts sein, was nicht in eine Kiste hinein passt.

Dann konnte man weitere Vermutungen anstellen, zum Beispiel, dass die Kiste leer war, oder Münzen enthielt. Ein Experiment hierzu könnte zum Beispiel sein, die Kiste zu schütteln – Hörte man keine Münzen klimpern, konnte 'Geld' schon einmal nicht richtig sein, aber hörte man nichts, war die 'leer' Option noch lange nicht bewiesen, aber auch nicht ausgeschlossen. Die Kiste könnte leer sein, oder etwas nicht bewegliches enthalten, weitere Tests wären nötig, zum Beispiel, das Vergleichen des Gewichts mit einer baugleichen leeren Kiste...

Die Kunst darin, etwas zu testen bestand im wesentlichen darin, eine Bedingung zu finden, unter der es falsch sein könnte.

Sie spielte das ganze dann Aufgrund zweier eigentlich als typische Eseleien der Gelehrten bekannten Beispiele ausführlich durch, wie ein Befund zu einer Schlussfolgerung und dann zu neuen Tests geführt hatte, wie sich die Menschen Möglichkeiten ausgedacht hatten, Aussagen über die flüchtigsten Dinge zu treffen, bis es schließlich zu einer Revolution kam: Einmal im Falle des Lichtäthers, oder vielmehr dessen Nicht-Existenz, und wie man Wege gefunden hatte, dessen Abwesenheit tatsächlich festzustellen, und der an sich spitzfindige Grund, weshalb die Menschen überhaupt darauf gekommen waren, so etwas zu vermuten, auch, wenn Shinji Rei's Erzählungen über Referenz- Systeme nicht wirklich folgen konnte. Doch das zweite Beispiel, der Aufbau des Sonnensystems, war da schon etwas anschaulicher. Zwar wurde einem das Ptolemäische Modell mit seinen Epizyklen häufig als Eselei derer vorgestellt, die um jeden Preis am Geozentrismus festhalten wollten, doch Rei's Votrag brauchte nur ein paar knappe Erläuterungssätze, um die Situation als deutlich komplexer zu entlarven – Zum einem war der Heliozentrismus nicht mal eine so neue Idee, sondern wurde schon in der Antike in Betracht gezogen, damals aber als unwahrscheinlich abgetan, weil es mit dem damaligen Stand der Mathematik als Modell weniger Sinn machte, zum anderen lagen dem Ptolemäischen Ansatz Himmelsbeobachtungen zu Grunde, die in der Zeit vor der Erfindung der Zeitraffer-Kamera reichlich aufwändig gewesen sein musste – jeder andere hätte an dieser Stelle wohl eine Powerpoint-Folie oder eine Overhead-Folie verwendet, doch Rei begnügte sich damit, unter Inkaufnahme einer längeren Funkstille eine Skizze an die Tafel zu kritzeln, die den durchschnittlichen Verlauf marsianischer Himmelspositionen darstellen sollte, und tatsächlich etwas aussah, als würde der Planet einen Epizyklus durchlaufen. Ein weiteres, weniger bekanntes Detail über das Ptolemäische Modell war, dass er verdammt gut war, und bereits unheimlich genaue Vorhersagen über die Positionen der Planeten geliefert hatte. Kopernikus war eigentlich ein Rückschritt, er zwängte die Planeten wieder in kreisrunde Bahnen hinein, weil er die Natur gerne als Perfektion sehen wollte, seine Idee von Perfektion allerdings seinen höchst menschlichen Ideen entnahm statt dem, was wirklich vorhanden war; Der wirkliche Ruhm gebührte Keppler, der mit der Magie der Quadratischen Gleichungen (...und nun wisst ihr wo für die gut sind, Kinders!) ein Modell entsann, das tatsächlich bessere Vorhersagen lieferte, und gerade die sind der eigentliche Knackpunkt: Zwar haben sich die Erklärungen mancher Dinge (die am Ende ohnehin alles bloß Modelle waren, die man Situations- und Zweckgemäß auszuwählen hatte) im Laufe ihrer Erforschung häufig geändert, die Vorhersagen selbst waren aber immer besser geworden -

Und so hatte Shinji das ganze noch nie betrachtet. Er hatte bei dem Wort 'Wissenschaft' zumeist an düstere, unnatürliche Monolithen gedacht, an effiziente Vernichtung und die kühle Sterilität, mit der NERV seine Untergebenen behandelte, und Ayanami selbst war dafür an sich eines der deutlichsten Beispiele; Nach dem, was mit seiner Mutter passiert war, war es wohl

Shinji konnte mit Formalismen wenig anfangen, fand aber schon etwas poetisches daran – Sich an etwas heranzutasten, in dem man erst mal versuchte, herauszufinden, was es alles nicht war. Das war manchmal doch einfacher zu erkennen, was man nicht wollte. Vielleicht würden seine Überlegungen darüber, was die Liebe schon mal nicht war, ihm eines Tages erlauben, zumindest den Umriss des realen Dings zu erahnen – oder vielleicht war genau das eine dieser nutzlosen bis gefährlichen Romantisierungen, vor denen eben zu warnen war, nicht zu letzte wegen ihrer Macht, legitime Fakten und klar erkennbare Märchen in den Gedanken der Öffentlichkeit ununterscheidbar zu machen – Rei hatte in ihrem Vortrag einen ganzen Absatz über 'Grenzen des Models' und häufige Missverständnisse, mit Beispielen wie die gegenwärtige 'Mystifizierung' von Quanten-Effekten, wie zum Beispiel deren Herranziehung zur 'Erklärung' des freien Willens, unwissend darüber, dass es dafür wesentlich nützlichere Möglichkeiten und Konzepte in etwas direkter relevanten Disziplinen (wie Philosophie & Psychologie), und in der Annahme, dass das, worauf man gerade zusammen fantasierend gekommen war, nicht schon längst wesentlich konkretisiert und gedanklich abgetastet war, und ein mehr als nur oberflächlicher Blick über die Theorie, der man sich bemächtige, schnell anzeigte, was man für einen Quatsch geredet hatte. (So erforderte die Behauptung im Beispiel einen Maxwell'schen Dämon an jedem Neuron, angeblich ein lange bekanntes, längst als unmöglich zerlegtes Gedankenexperiment)

Anders als man es den Denkern jedoch häufig vorwarf, sahen sie unüberprüfbare Möglichkeiten wie Beispielsweise Paralleluniversen (Ha!) durchaus als ein großes, Kopfzerbrechen-bereitendes Problem, (Die vormals erwähnten 'Grenzen des Modells', eben) da man einerseits nichts postulieren wollte, über dass man nichts handfestes sagen könnte, es allerdings völlig möglich war, dass es Dinge gab, die einfach jenseits unserer Labore und Teleskope existierten – als wichtigster Punkt wurde an dieser Stelle die Verankerung an sehr zugänglichen Spuren in unsrer Welt herausgearbeitet, die man sehr wohl verifizieren konnte, und die eben einer Erklärung bedurften, die auch die schrägeren Details mit einarbeitete, und wohl auch die Kultivierung, oder viel mehr Erkennung des Zustands, dass wir als Menschen was unsere Weltsicht angeht, nicht mehr wie damals, als wir die Wahrheit zu suchen begannen, größtenteils im Dunkeln tappen, sondern begonnen haben, die letzten Reste dessen, was man überhaupt wissen kann, großflächig auszukratzen, auch wenn in einigen Bereichen natürlich noch große Fragezeichen bleiben. Man kann das grobe, weitläufige Strukturwesen ausmachen, ohne alle Details kennen zu müssen, die meisten Rätsel sind gelüftet, und viele einst rein theoretisch erarbeitete Dinge wie Gravitationswellen, Higgs-Bosonen und Antimaterie haben sich ungefähr da auffinden lassen, wo wir sie vermutet hatten.

Im Wesentichen las sich das Ganze wie einer dieser Einführungs- oder Motivationstexte am Anfang eines dicken Buches oder eins bestimmten Unterkapitels, zunächst allgemein und die groben Grundaussagen und Ideen herauskehrend, bevor der wahre, präzise Knackpunkt, in dem die Macht zum Bestehen der Klassenarbeiten lag, ein gutes Stück weiter unten in einem Formelwald versunken sein würde, den Laien, oder im Leben mit anderen Sorgen zu genüge ausgelasteten Schulkinder nur mit den üblichen Assoziationen überschlagen konnten – In diesen Zeilen stand nichts von sterilen, kühlen Komplexen, nuklearer Verwüstung oder dem mysteriösen Verschwinden junger, kleine Kinder zurücklassender Hausfrauen, aber dennoch musste sich all das irgendwo zwischen dem Zeichenbrett und dem aktuellen Stand der menschlichen Zivilisation angesammelt haben wie Sand, der das bloße Getriebe einer alten, krächzenden Maschine gerieselt war, Zahnräder über Zahnräder, Mechanismen, zu denen hier und da so viele Erweiterungen und Umbauten hinzugefügt worden war, dass weder seine Erfinder noch das aktuelle Wartungspersonal wusste, warum es überhaupt noch funktionierte, und was es daran hinderte, mit dem kleinsten Stubs in sich zusammenzufallen; Mit Sicherheit aber war abzusehen, das Shinjis eigenes Verständnis nur aus vage zusammengesuchten Assoziationen bestand; Je mehr Zeit er in Tokyo-2 um so mehr erhärtete sich der Verdacht, dass er seit seiner Geburt von Anfang an überhaupt nichts über diese Welt verstanden hatte.

In Gedanken konnte er sich schon Asuka's hohnvolle Stimme vorstellen, wie sie, für die solches kompliziertes Material natürlich ein Zuckerschlecken sein musste, seine schwammigen Konzepte von luftigen Halb-Begreifen lässig in Stücke zu reißen, und sich dann direkt wieder wegzudrehen, ohne ein Fünkchen an konstruktiven Hinweisen dazulassen, die ihn aus seiner Ahnungslosigkeit hätten heraus führen können; Vielleicht wusste sie es selbst nicht, eigentlich hatte sie gar keinen Grund, ihm in irgendeiner Form zu helfen, zumal sie mit ihrem eigenem Kram beschäftigt war, und vielleicht ging das auch gar nicht von jetzt auf gleich mit einer vor-setzbaren Antwort, die Welt zu begreifen, es bedurfte wohl viele Jahre der Vorarbeit, und Opfer, Dinge, die man eintauschen musste, je nachdem, was man mit der begrenzten menschlichen Zeitspanne anzustellen gedachte, und wie stark man es wirklich wollte; Eine dieser kalten, unumstößlichen Wahrheiten des Universums könnte durchaus darin bestehen, dass Shinjis bisherige, ziel- und planlose Versuche, hie und da halbherzig etwas anzuhäufen, schlichtweg nicht genug waren.
 

(Und es geschah erst dann, dass er es bemerkte, als seine Gedanken den Bereich ihrer Existenz kreuzten und auch seine Augen sie als entfernte Reaktion darauf aufzusuchen versuchten, vielleicht, um ihre Reaktion auf den Vortrag abzuschätzen, der einem Laien wie ihm wohl möglich nur relevant vorkam, oder vielleicht vielmehr, in dieser dummen, kindlichen Erwartung, dass es dort irgendwo eine Art Anleitung oder Richtungsangabe zu finden geben würde, einfach, weil sie nie müde werden zu schien, Anweisungen und Befehle von sich zu geben, nicht mal im Gedanken an mögliche Adressaten, sondern einfach aus dem Verlagen heraus, dass sich die ganze äußere Welt doch einfach an sie angleichen möge, statt es wie alle anderen, den Mühlsteinen der Evolution unterworfenen Lebensformen anders herum zu machen.

Seine halbherzigen Andeutungen von Plänen verrieten sich selbst schon dadurch als Schäume, dass er den Blick in ihre Richtung nur sehr vorsichtig wagte, denn was, wenn sie ihn tatsächlich bemerken sollte, wenn sie irgendwie schon so ausgerichtet war, dass er ihr Blickfeld tatsächlich streifen sollte – Ja, es war ziemlich einfach, sich zu denken, was dann geschehen würde.

Aber seine Vorsichtsmaßnahmen mitsamt seiner unausgesprochenen Bereitschaft, ihr jederzeit auszuweichen, stellten sich letztlich als vollkommen ungebetene Darbietungen an ihren bloßen Schatten heraus, ihr inkomplettes Abbild in seinem Bewusstsein

- Denn in der realen Welt hatte sie sich die ganze Zeit über nicht in diesem Klassenzimmer befunden.

Asukas Sitzplatz war leer. )
 

24:[Ego]
 

I feel like a substitute sittin' on the sideline,

Clicking every single finger waiting for the right time,

I feel like a substitute sitting pretty in my prime,

I'm about to play the game 'cause I'm running out of time
 

[...]
 

I feel like I'm stuck inside a race, feel like I'm catching up,

Oh, Marina what a shame you didn't make the upper cut!

Feel like I'm stuck inside a race, feel like I'm catching up,

Oh Marina, we're so sorry, but you didn't make the cut.
 

Drop your knees to the floor,

Hands to the sky,

Give a round of applause for the great Miss Y
 

I walked all night long in the dark just to be standing here

Only to feel like nobody and Miss Y am I here?

I walked all night long in the dark just to be standing here

Only to feel like nobody and Miss Y am I here?

and the lights, they get stronger the longer that you have to wait,

for the honor, the honor, to be great.
 

-Marina & the Diamonds, 'Miss Y'

---
 

Sie hatte also einmal den Fehler gemacht, nicht darüber nachzudenken, wie das ganze wohl aussehen würde, was das ganze bedeuten sollte; Sie war sich ziemlich sicher, dass sie allein war, oder jedenfalls hätte sie es sein sollen.

Sie wollte einfach hier raus, einfach Luft haben, und hatte nicht darüber nachgedacht, das diese immer so grausame Zeit sehr erwartet den Nerv haben würde, ohne sie weiterzugehen.

Im Nachhinein konnte sie wohl nicht leugnen,dass sie ein abscheuliches Abbild abgegeben haben musste, das ganz archetypische Abbild eines miserablen, vollkommen einsamen Mädchens, weit und breit verlassen auf dem Schulhof, den sie Minuten zuvor beherrscht hatte.

Da hatte sie nur einen Moment nicht hingeschaut, eigentlich komplett vergessen, dass so etwas wie er jemals in ihrem Weg gestanden hatte, bis es Zeit wurde, zu gehen, und sie sich nach ihm umgedreht hatte, nicht eine Sekunde lang in frage stellend, dass er da da sein würde, wo sie ihn gelassen hatte, dass er da stehen würde, wie er immer dastand, gefälligst dazustehen hatte.

„Entschuldigt, Mädels, geht schon mal vor. Ich muss sehen, dass ich herausfinde, wo dieses Papasöhnchen hin verschwunden ist, bevor er noch zu spät kommt...“ -

Das war das letzte, was die anderen wohl von ihr gesehen hatte, und darüber war sie sichtlich dankbar.

Nicht nur war dieser Idiot zu irgendeinem unnennbaren Zeitpunkt vom Erdboden verschwunden, er stellte sich auch noch als unauffindbar heraus; Sie hatte zunächst damit gerechnet, dass es völlig genügen würde die äußeren Ausläufer ihrer persönlichen Menschentraube zu durchkämmen, das hatte bis jetzt immer gereicht, dieser kleine Idiot war viel zu aufgesetzt-höflich um sich davonzumachen, ohne seinen Abmarsch wenigstens erkenntlich zu machen, nicht, dass es ihr in den Sinn kommen könnte, ihm später noch was sagen zu wollen.

Dafür, sie einfach stehen zu lassen, fehlte ihm einfach der Mumm... also wieso erzielte auch das längere Absuchen des Eingangsbereichs mit den Schuhfächern und der anliegenden Korridore keinerlei Ergebnisse?

Sie hatte die Suche längst frustriert aufgegeben und grummelnd das Hauptgebäude verlassen, um über den Schulhof hinweg den längst schon überfälligen Weg in ihr Klassenzimmer anzutreten, als ihr der Gedanke kam das so, wie Misato ihn immer bevorzugte, es kaum erwähnenswert oder besonders wäre, wenn sie am Ende einen Anschiss dafür kassieren würde, dass er zu spät kam, und dass, obwohl sie sich die Mühe gemacht hatte, ihn praktisch den ganzen Weg hierher zu schleppen... War es nicht das, worüber Misato neulich mit Dr. Akagi dieses sichtlich gespannte Einzelgespräch hatte, weil Ikari junior mal wieder im Unterricht gepennt hatte? Selbst, wenn er was ausgefressen hatte, redeten alle nur über ihn! Was nur würde sie tun müssen, damit die mal über sie sprachen? … diese Hitze war unerträglich... und das Second Child hatte etwa die Hälfte des staubigen Schulhofes durchquert, als sie völlig kontextlos eine einzelne Schülerin dort stehen sah, ganz ungeachtet des Wochentags und der Tageszeit, eine uniformierte Siebtklässlerin mit einer helmartigen Masse von dichtem, schwarzen Haar, die einem flüchtigen, ersten Eindruck nach besehen sowohl grundlegend fremd als auch unsagbar bekannt erschien, bevor die Sortieralgorithmen ihres Gehirnes wieder richtig in Fahrt kamen – War das nicht die neue aus der I-C, die vor kurzem mitten im Jahrgang dazu gekommen war, Yamaki oder so? Laut den anderen in ihrer Klassenstufe war sie angeblich ziemlich unsympathisch und nicht besonders freundlich, und ließ Asuka's Hirn vielleicht deshalb eine Verbindung zu Ayanami schlagen, und vielleicht erklärte das auch,warum Beide irgendwas an sich hatten, dass den Schwung der Alarmbereitschaft nicht aus ihren Knöcheln weichen ließ und jedes der winzigen Härchen auf der Rückseite ihrer Oberarme zu Berge stehen ließ.

Oder vielleicht irrte sie sich auch, und was sie so aufregte war einfach die nötige Geschmackslosigkeit, um eine Verehrerin von Ikari zu sein, jedenfalls hätte es den meisten Sinn gemacht, wenn dieses Mädel einfach nur eine von seinen zahlreichen Fangirls wäre, die ihm gelegentlich vom Pool der Schule aus zujubelten während die Jungs unten Sport hatten, so wie diese Yamagishi oder wie auch immer ihr Name gewesen war, obwohl dieser Idiot mit seinem inkohärenten Gestotter natürlich immer sicherzustellen wusste, das daraus nie etwas wurde...

„A- Asuka?“

Das war eine spontan-überraschte Reaktion, über die die Kleine nicht weiter nachgedacht hatte. Zumindest das ließ sich dem überraschten Zucken in ihren Schultern und der vorsichtigen Platzierung herauslesen, und damit war dieses unspezifizierte Third-Child-Fangirl Nummer xtausend-weißderhimmelwas schon mal besser als das kleine Prinzesschen, auch darin, dass sie sich direkt wie ertappt ihre kleinen Finger vor den Mund schlug und sich augenblicklich mit großer Hast davon machte, wie man es zu machen hatte, wenn man eine Dummheit begangen hatte – Wie auf Ikari zu stehen, zum Beispiel, oder das beliebteste Mädchen der Schule mit ihrem Vornamen anzuschwätzen, ohne dass diese sich entsinnen konnte, ihr je die Erlaubnis dazu erteilt zu haben, oder überhaut je mit ihr gesprochen zu haben.

Jedenfalls würde es Sinn machen, wenn sie eine der Verehrerinnen des Third Child gewesen wäre, zumal er augenscheinlich der Grund dafür zu sein schien, warum die Siebtklässlerin so kurz von Unterrichtsbeginn noch hier herumgestanden war – Das erklärte, warum sie ihn nicht hatte auffinden können – Statt im Hauptgebäude zu bleiben oder den Weg über den Schulhof zu nehmen, hatte er sich entschieden, der Sonne aus dem Weg zu gehen und die Überführung zu nehmen.

Sie erhaschte nur den kürzesten Schnappschuss eines Blicks auf ihn, ein von Fensterrahmungen unterbrochenes Bild, das in ihrer Erinnerung kleben blieb, aber was sie gesehen hatte, hatte gereicht, dieser vermaledeite Streifen von Blau, der in dieser Welt nichts zu Suchen haben sollte.

Ein schändlicher Anblick zwar, aber keiner, der es wert sein sollte, derartig auf ihrer Netzhaut zu brennen:

Der Anblick des Third Child und der kleinen Prinzesschen,einander zugewandt, offensichtlich irgendwelche Worte austauschend, umgeben von Topfpflanzen und Fensterrahmen, hoch oben in der Unterführung, als seien sie in ihrer eigenen kleinen Seifenbase, unerreichbar in diesem verkrüppelten Stellvertreter für die Weite des Universums, der er bereitwillig den Rücken gekehrt zu haben schien... „Na und? Was soll's? Ist sein eigener Verlust!“

So in der Art hätte wohl die ideale Antwort gelautet, wenn sie tatsächlich die unabhängige, kriegerische Halbgöttin wäre, für die sie sich ausgab.

Ein paar zugewendete Rücken gaben jedoch einen stummen und nicht besonders schmeichelhaften Spiegel ab.

Intellektuell verstand sie zwar, dass die beiden sie von dort oben nicht sehen konnten, doch ihr derzeitiger Gemütszustand registrierte nichts als noch eine weitere Beleidigung, die sich aus heiterem Himmel unvermittelt und unverschuldet über sie ergoss, und ihren Haaren und Gliedmaßen anhaftete wie wortwörtliches Pech, eine weitere Schicht wie Kleidung oder stickige Luft, die sie in dieser glühenden Hitze gefangen hielt, sie einschnürte wie ein zu eng gestelltes, viktorianisches Korsett.

In solchen Momenten wurde sie sich dem endlosen Topf aus brodelnder, diffuser Wut bewusst, die das Blut in ihren Schläfen pochen ließ, eine Kreuzung aus einem Schwarzen Loch, und einem Riesenkraken, der mit seinen Tentakeln gegen die Innenseite ihres Daseins prügelte, als wolle es ausbrechen und sich mitsamt ihrer Innereien auf den grauen Asphaltboden des Schulhofs ergießen und dabei noch etwas anderes heraus schwemmen, ein kleines verlorenes Wimmern dass in der Anatomie ihrer Seele derzeit so rudimentär war wie ihr Blinddarm in ihrer physischen Form.

Manchmal konnte sie selbst nicht sagen was es war, dieser ständige, unersättliche Hunger nach mehr, dieses flüchtige Etwas, nachdem sie immer auf der Suche war, den Tribut, den das Maul des Monsters stetig forderte – Aber es führte dazu dass sie sich einfach nicht zurückhalten konnte, wenn sie solche Anblicke zu Gesicht bekam, wie ein Hai der eine blutige Wunde gewittert hatte.

Nicht nur das Third und First Children, sondern dieses ganze, laute Gebäude voll mit diesem Geschwafel über 'Zukunftsträume', voll mit lächelnden Gesichtern, die sie herauszufordern schienen, sich zu fragen, ob sie sich nicht ganz, ganz sicher war, dass sie nicht irgendetwas hatten was ihr fehlte – gut möglich, dass das Prinzesschen und das Papasöhnchen es auch nicht hatten, aber die Vorstellung, mit ihnen in einer Kategorie zu landen war vielleicht die Unheimlichse von allen.

Sie hatte diese unersättliche Wut im Bauch, aber nichts und niemanden, woran sie sie auslassen konnte, und zum ersten mal seid langer Zeit auch nicht mal die Energie, um so etwas aufzusuchen: Das Feuerholz war ihr verweigert worden, reichte nur noch für einen kleinen Schritt nach hinten, der Beginn eines ungewissen Taumelns, der sie letztlich auf eine der zum Schulhof gehörigen Parkbanken führte – sie hatte noch die Geistesgegenwart besessen, diejenige Bank zu vermeiden, auf der sich das First Child bisweilen niedersetzte.

Zum Glück –

Sie wusste nicht, was sie tun würde, wenn sich dieser Funke des Zorns in ihrem inneren jemals ausbrennen sollte; Er war alles was sie hatte, das Benzin, mit dem sie die Maschinerie der mechanischen Belagerungstüre antrieb, die sie in ihren Armen und Beinen, hinter den Höhlungen und spitzen ihres Gesichts aufgebaut hatte; Mit dieser Wut steckte sie die weiß-lodernde Feuerwand an, die sie vom Rest der Welt fernhielt, diese hohe und zerbrechliche Wand, die die Grenzen ihrer Existenz aufrecht erhielt und sie daran hinderte mit anderen zusammen zu verlaufen und aus der Existenz herauszuflackern, genau wie diese Frau.

Diese Frau hatte ohne sie zu fragen entschieden, dass sie ihr in die Vernichtung folgen sollte.

Aber sie war sie selbst, nicht bloß irgendein ausgespuckter Fötus, ein simples Anhängsel von ihr.

Also musste sie sich abgrenzen, einen Wall errichten, jede Verbindung zu dieser Frau kappen und alle Sympathie für sie im Keim ersticken, und ihren Weg ohne zögern weitergehen.

Irgendwo auf ihrem steilen Weg zum Gipfel hatte sie dieses kleine Mädchen in einen Käfig gepackt, weil sie es nicht vermocht hatte, sie in Stücken am Wegesrand zurückzulassen, das Kind, dass nicht anders konnte, als vom grausigen Schicksal ihrer Mutter betroffen zu sein, weil sie ein Mensch mit menschlichen Schwächen und Gefühlen war, dieses machtlose kleine Geschöpf, dass dieser ausgeleerten Hülle einer Frau kein einziges wimpernzucken wert gewesen war, diese magische Zutat, die man brauchte, um sich selbst in anderen wiederzuerkennen, ihnen als Mensch wie andere Menschenwesen zu begegnen und entgegenzukommen

– Das alles hatte sie fortwerfen wollen, es mit ganzem Herzen und aller Spannung in der Stahlfeder ihrer Wirbelsäule vollständig abzulehnen versucht, und es durch ein glänzendes Götzenbild ersetzt:

Das Glanzvolle Second Child.
 

Doch sie hatte nicht geahnt, dass es ein fortwährender Kampf werden würde, ein ständiges Opferbanket an den verselbstständigten Götzen, jenen roten Golem: Den was war ein Götze, wenn ihr niemand anbetete?

Während mancher andere sich allein in der Wüste vorkommen würde, als sei er lebendig begraben, so könnte er doch noch sagen, dass er existierte, so weit er sich zumindest seiner Gedanken vergewissern konnte.

Aber ein Götze?

Der konnte nicht existieren, wenn es nicht Leute gab, die ihn anbeteten, und ständig bestätigten, dass er etwas anderes war als der Stein, aus dem her gemeißelt hat; Nur die Anbetung der Menschen machte in dazu.

In dem Versuch, sich von den Menschen in ihrer Umgebung loszureißen und solide über ihnen zu stehen, hatte sie nichts weiter getan als sich von ihnen abhängig zu machen; Und unter alledem blieb noch die immer zu währende Vermutung das die ganze Anbetung gar nicht ihr gebührte, sondern lediglich ihrer taten, ihrer äußeren Form, irgendeiner Existenz, die sie geschaffen hatte, und ständiger Bestätigung bedurfte, um ihre Realität aufrecht zu erhalten, sodass sie sich selbst davon überzeugen konnte, dass sie die nötige Stärke besaß, um in dieser grausamen, gleichgültigen Welt zu bestehen –

Und wenn ihre Versuche, das klar zu stellen in letzter Zeit in Sachen Aggressivität über das Übliche hinausgeschossen waren, dann war das, weil solche Bestätigung in letzter Zeit zur Mangelware geworden war:

Ihr Leben lang hatte sie sich auf ihre Ankunft in Tokyo-3 vorbereitet, die bevorstehende Invasion fast schon ein wenig herbeigesehnt, damit sie endlich die Gelegenheit bekommen würde, der Welt zu zeigen, was sie drauf hatte;

Wie oft hatte sie es sich ausgemalt, wie sie mit Glanz und Gloria die Welt retten würde, sich auf den Tag gefreut, an dem all ihre Behauptungen ein für alle mal bewiesen sein würden, so unleugbar, wie das Leben eines jeden Menschen, mit dem sie sprechen würde

- Sie musste hart arbeiten und verzichten, weil sie etwas besonderes war; Sie musste Einsamkeit aushalten, weil sie erwachsen war, reifer, stärker als ihre Altersgenossen.

Sie durfte nie um Hilfe rufen oder weinen, egal, wie sehr sie es sie wünschte, egal, wie sehr sie hoffte, dass irgendjemand auf dieser grausamen Welt mal an sie denken und bei ihr bleiben konnte, all das, weil es sie zu etwas besonderem machte, weil es bedeutete, dass sie sih nicht fürchten musste und von anderen Respekt verlangen könnte...

Aber die Zeit, an der sich all ihre Mühen auszahlen, all ihre Sünden gerechtfertigt und all ihre Schmerzen entlohnt werden sollte, was bis jetzt ausgeblieben – Was sie statt dessen erhalten hatte, was zu wenig, zu lauwarm, nicht genug, um ihren Schmerz und die inneren, stetig nagenden Zweifel zum schweigen zu bringen, und zu sehr überschattet von Frustration und Enttäuschungen...

Den einzigen Engel, den sie bis jetzt vollkommen allein bezwungen hatte, war das Geschöpf im Vulkan gewesen, und selbst bei dem wäre sie fast gestorben, wenn das Papakind nicht im wörtlichen Sinne 'eingesprungen' wäre – Sie konnte noch so viel Zeit damit verbringen, sich weiszumachen, dass sie doch erheblich beigetragen hatte... aber es war nicht das, was sie sich vorgestellt hatte, daran führte kein Weg vorbei.

Die Person, die dauernd gerettet werden musste, war nicht die Figur in einer Geschichte, auf die irgendjemand zeigen würde, um sie als Held zu bezeichnen.

Noch vor wenigen Monaten hatte niemand irgendwas von einem Third Child gewusst, und Asuka war sich fast sicher, dass sie und das First Child bis auf weiteres die einzigen Piloten sein würden – Sicher, war die First eben noch da und andere EVAs waren im Bau, aber in ihrem Übermut war sie sich fast schon sicher gewissen, dass sie alles allein lösen würde; Da die anderen EVAs noch nicht fertig und das First Child ihr synchronwertmäßig weit unterlegen schien, schien es gar nicht so weit hergeholt, dass sowohl der Prototyp als auch seine Nachfolger als Staubfänger und Museumstücke enden würden.

Doch dann hieß es plötzlich, der erste Angriff sei von einem kompletten Neuling abgewehrt worden, und die verschiedenartigen Folgen dieses Fehlstarts hatten sich über die letzten Wochen hingezogen... oder hatte sie überhaupt noch das recht, dass als 'Fehlstart' abzutun?

Wie lange noch, bis sie zugeben musste, dass ihr plan, die Idee, an die sie sich ihr leben lang geklammert hatte, einfach nicht in der Realität verwurzelt gewesen wäre...

Und wenn es nur eine einzige Idee gewesen wäre, hätte sie sich damit abfinden und bis zum ende ihr bestes versuchen können, aber sie war viel zu sehr in all diese Vorstellungen und Ideen investiert, zu viel hing davon ab, war zu sehr mit der Dampfwalzen-Hochdruck-Machinerie verwurzelt, die sie all die Jahre am laufen gehalten hatte, immer laut, immer in Bewegung, um der gähnenden, klaffenden Leere zu entkommen, der fordernden Stille, wo Sicherheit und Beständigkeit hätten sein sollen.

Wenn sie keine Heldin war, wenn sie nichts besonderes war, wozu hatte sie dann all diese Einsamkeit ertragen? Wozu war sie dann noch hier? Womit rechtfertigte sie dann eigentlich ihre Existenz?

Der Gedankengang, den sie so lange versucht hatte, zu vermeiden oder übertönen, erschien ihr nun wie ein unvermeidliches Dilemma, eine notwendige Konsequenz ihrer Sterblichkeit und kosmischen Belanglosigkeit, von der sie vor kurzem noch geglaubt hatte, dass sie näher daran war, ihr zu entkommen, als je ein Mensch zuvor.

Wie diese Chance also real gewesen war, wenn sie auf alles vorbereitet gewesen war, die best-qualifizierte, best-ausgerüstete, wie nur hatte sie es dann geschafft, diese Chance zu vergeigen?

War ihr ganzes bisheriges Leben nichts als ein große Lüge gewesen?

Dieser Gedanke war noch nicht einmal zu ende gedacht, als ihr die Tränen in die Augen schossen; Da war noch nicht mal eine Verzögerung, oder Zeit, in der sie hätte eine Reaktion formen können, keine Möglichkeit, es zu Leugnen oder zu verdrängen; Die heiße Flüssigkeit hatte sie verraten, ohne ihr überhaupt eine Chance zu geben, sich zu bewähren – Genau, wie ihr Schicksal.
 

In einem einzigen Moment der Nachlässigkeit hatte sie ihre ständige Vigilanz, ihren ständigen, stahlharten Würgegriff über ihr Herz und ihren ständigen, alarmbereiten Fokus auf ihre Umgebung nicht nur kurz unterbrochen, sondern gänzlich in Frage gestellt, fast schon unterminiert;

War sie sonst ständig auf die Gegenwart ausgerichtet und bereit, alle Probleme zu lösen, so hatte sie in diesem Augenblick des Zweifels ihre Umgebung komplett vergessen, so weit, dass sie erst wieder mit Gewalt in ihre Umgebung geschleudert wurde, als etwas ihre Aufmerksamkeit zurückforderte –
 

„Ist alles in Ordnung....?“

Asuka hatte die Frau, die da in ihrer Nähe stand, im Leben noch nicht zu Gesicht bekommen, aber sie erspähte schnell ihren weißen Kittel und reimte sich augenblicklich zusammen, dass sie zu Nerv gehören musste; Ein Stück von ihr war fast schon dankbar dafür etwas zu haben, auf dass sie reagieren konnte, doch zur selben Zeit bildeten die Gedanken in ihrem Kopf überhitze Ketten, kein wenig geordneter, als die üble Suppe die Sekunden vorher noch im Kessel ihren Schädels übergekocht hatte.

Alles, was sie sah, konnte sie nur mit all der Wut verbinden, die in ihr ständig am Überkochen war, ihre Assoziationen sprangen von der bloßen Existenz und Präsenz von NERV-Wissenschaftlern zu ihrem bloßen Wissen darüber, dass sie zu jedem denkbaren Zeitpunkt von NERV-Sicherheitspersonal überwacht wurde, dass alle Funktionen ihres Körpers akribisch von Akagi und ihren Lakaien überwacht wurde, die ständigen Experimente, und wie sie heute Nachmittag wieder für eines davon im Hauptquartier erwartet wurde, kurzum, all diese Dinge, die ihre Existenz eher wie die eines Versuchskaninchens aussehen ließen als die einer Heldin, all die Arten, auf die sie seit Jahren gefangen, kontrolliert und nichts weiter als ein Spielball dieser großen, Nebulösen Organisationen gewesen war; All die Glasscheiben und die sterilen Gerüche, und die übergroße, blutrote Marionette, die sie ständig daran erinnerten, wie diese Frau damals geendet war.

Dass sie es unter allen Umständen vermieden hatte, sich selbst so zu sehen, änderte nichts daran dass sie sich irgendwo tief im inneren um ihre Kindheit betrogen fühlte, die Kindheit, die sie selbst immer nur als etwas wertloses dargestellt hatte, dass sie wegwerfen wollte, um den Schmerz nicht zu spüren; Es musste ihr nicht weh tun, ihre Chance auf ein normales Leben zu verlieren, wenn sie sich nie eins gewünscht hatte, richtig?

Falsch.

Sie sah es als unvermeidbar an, doch zur selben Zeit saß der Zorn darüber, dass es so sein musste, tief in ihren Knochen, unausgesprochen, auskristallisiert, zu fest, um sich in Worten zu lösen, wie ein perfides Salz, das ihre Wunden entzündete.

Wenn alles direkt oder indirekt der Verdienst des Third Childs war -

(- des Third Childs, dass ihre Existenz bewahrt hatte -)

Wenn alles fast genau so gut ohne sie funktioniert hätte-

Dann warum?

Warum hatte sie diesen Pakt geschlossen, ihre Kindheit und alles weiche und zarte, alle Erwartung auf Hilfe aufzugeben?

Warum war sie dann hier?

Wozu war sie noch gut?

Was war der Sinn von alledem?

Das schreien der Stille, die auf sie lauerte wenn immer sie ihr nicht mit Geräusch, Beschäftigung das Maul gestopft hatte, schien ihr grell wie das brennen der Mittagssonne, und schnürte sich um ihren Leib wie das Korsett einer dramatischen viktorianischen Heldin.
 

„Was- was haben Sie hier zu suchen?!“ verlangte das Schulmädchen zu wissen, als die Worten den weg zu ihrer Zunge fanden, bebend vor Zorn, der mit dieser spezifischen Situation eigentlich nichts zu tun hatte. „Hat- Hat Akagi Sie geschickt? Weiß Captain Katsuragi, dass Sie hier sind?

Sie- Sie haben hier nichts zu suchen, bevor die Experimente losgehen!

Ich werde mit Katsuragi reden und dafür sorgen dass das hier nie wieder vor kommt, haben Sie mich verstanden?

Scheren Sie sich zum Teufel!“
 

---
 

„Sie hatte wohl einen schlechten Tag...“ merkte Miyazawa an, als sie sich in den Beifahrersitz eines schlichten, schwarzen Wagens sinken ließ, der am Rande des zu NERV zugehörigen Schulgeländes geparkt war.

Ihr Kollege hatte den Motor schon gestartet, sobald sie die Tür „War es wirklich notwendig, hierher zu kommen?

„Entspannen Sie sich, Chef. Der derzeitige Wachdienst für die Kinder besteht fast komplett aus Agenten von SEELE, es besteht keinerlei Risiko für die Operation.“

„Das erklärt nicht, warum wir überhaupt hier sind, Miyazawa.“

„Ach, kommen sie schon! Wir haben die kleinen zwar seid Jahren nicht mehr in Person gesehen, aber wir gehen seid Jahren durch ihre Akten durch, aktualisieren die Bilder, verwerten Testergebnisse... Es ist fast schon ein bisschen als wären wir die Lehrer ihrer alten Schulklasse!

Und außerdem sind Sie doch auch ein Wissenschaftler, Kuze. Können sie mir ernsthaft sagen, dass sie nicht das kleinste bisschen neugierig darauf sind, sie zu sehen?

Auch, wenn uns SEELE derzeit noch für alle fälle 'behält', mit der Auslieferung von Subjekt 23 haben wir unseren Teil getan. Die Zukunft unserer Spezies hängt jetzt allein von diesen Mutaten-Kindern ab....“
 

---
 

Der Anblick von Yui Ichijou löste bei Shinji nichts weiter als ein vorsichtiges Gefühl von dunkler Vorahnung aus, und das Third Child wusste nicht, ob er dafür ein schlechtes gewissen haben sollte.

Er schätzte, dass das wohl davon abhängen würde, in wie fern er das geheimniskrämerische Mädchen wirklich als seine Verbündete ansehen konnte, aber nach der schweren Wanderung, die ihre Worte aus den letzten Tagen gemacht hatten – eine verhältnismäßig kurze Zeit, die sich wie eine halbe Ewigkeit angefühlt hatte – konnte er sich nicht dazu bringen, ihren Anblick mit etwas anderem als abgekochtem, entfernten Ernst zu begrüßen, und zumindest machte das das ganze einfacher, ließ sich eher vereinen mit dem Wissen, dass sie eine Fremde war, eine Besucherin aus einer anderen Welt, die es vermieden hatte, sich in die seine einzufügen, und auch ihrerseits ihre Distanz von ihm hielt;

Nichts gutes konnte sich daraus ergeben, dass sie sich ihm in der Pause zwischen den Schulstunden in einem schmalen, wenig benutzen Korridor zeigend, mit einer ernsten Miene aus einer Tür hervorkommend, die keinen Zweifel daran ließ, dass sie ihm mehr oder weniger aufgelauert hatte, und eindeutig bezweckte, etwas mit ihm zu besprechen, dass nur für ihrer beiden Augen bestimmt war – Etwas , dass mit diesen anderen, zukünftigen Welten zusammenhing, deren langer Schatten schwer auf ihm lastete.

Es konnte schlichtweg nicht erwartet werden, das er ihr mit etwas anderem als kaltem ernst und verborgenem Misstrauen begegnete, und zu ihrer Verteidigung war zu sagen, dass sie nicht reagierte, als ob sie das in irgendeiner Form einer Erwähnung würdig finden würde, sondern direkt aus den Schatten hervor kam und die ihr unweigerlich vorgeschriebene Rolle spielte:
 

„Ich habe dich heute morgen gesehen. Was machst du da?!“

Es war wohl kaum zu erwarten, dass sie damit das Zuspätkommen meinte, und nichts, was man an dieser Situation hätte schönreden oder entschuldigen können:

„Das selbe könnte ich auch dich fragen. Du hast gesagt, der nächste Engel würde einfach werden... statt dessen waren wir fast zwei Tage ununterbrochen am kämpfen.

Du hast mir falsche Informationen gegeben! Wie kannst du da erwarten, dass ich mich auf dich verlasse?“

So feindselig hatte er dann auch nicht klingen wollen, aber ganz unberechtigt fühlte er sich mit dieser Einstellung jedoch auch nicht; Von irgendwo musste er die Stärke nehmen, um ihr und allem, dass sie repräsentierte, entgegen zu treten, und der Teil von ihm, der mit Furcht und Panik reagiert hatte, war zu ausgebrannt, zu heiser, um noch mehr als diese kalten, entfernten, abgestumpften Versuche hervorzubringen, sich von den Implikationen dieser Situation zu distanzieren, um nicht überwältigt zu werden.

Doch auch, wenn ihr Anblick für ihn die berstenden, ausgeleierten Fasern der Realität bedeutete, war sie doch eine Person und kein Symbol, und er konnte es nicht übersehen, wie sie – vielleicht schuldbewusst oder zumindest mehr ernst als klagend – ihr Antlitz leicht senkte.

Sie schien sich darüber bewusst, dass er dabei im Recht war, von ihr zu fordern:

„Etwas unvorhergesehenes ist geschehen...Das ist eines der Dinge, die ich mich dir bereden wollte.“

„Ach ja.“

Trotz der Frustration über sich selbst und die Welt, konnte er doch nicht ganz Leugnen oder Weg-Rationalisieren, das ihre Information immer noch zumindest teilweise von Nutzen sein wollte; Irgendwo wusste er doch, dass es nicht sie war, die er zum Teufel jagen wollte, sondern diese ganze Situation, die er satt hatte, aber wohl kaum wie ein zu eng gewordenes Kleidungstück einfach abstreifen konnte.

„Es gibt zumeist ein oder zwei bestimmte Reihenfolgen, denen die Engel im Großteil der Fälle folgen, und ich ging davon aus, das diese Iteration genau so sein würde; Aber gerade, wenn uns die Wiederholung am ehesten nützen würde, müssen wir uns in einer unregelmäßigen Schleife wiederfinden... der Insubstantielle Engel taucht nur in sehr, sehr wenigen Interationen auf; Manchmal ist es die einzige Abweichung, aber es kann auch sein, dass wir von nun an nur wesentlich weniger voraussehen können... und dass heißt, dass ich dir leider auch nicht sagen kann, wie viel Zeit dir noch bleibt...“

„Zeit?“

Alarmiert erinnerte sich Shinji daran, was auch Ayanami heute früh erwähnt hatte, ein weiteres, stechendes Indiz, das er Yui's Warnungen leider nicht einfach ignorieren konnte.

„Die Zeit, in der du noch etwas verändern kannst... Es gibt ein paar Ereignisse... 'Meilensteine', wenn du willst, die sich fast immer ereignen. Einer davon stand fast unmittelbar bevor, oder zumindest hatte ich dass gedacht – Nach dem Vorfall mit dem Insubstantiellen Engel ist wie gesagt, alles schwer vorherzusehen. Sehr bald wird ein mächtiger Engel sich aus dem Orbit heraus auf das Nerv Hauptquartier stürzen. Eine gigantische Kreatur, dessen Einschlagpunkt nur schwer vorhersehbar sein wird, mit einer ausreichenden Sprengkraft, um diese ganze Inselkette gnadenlos ins Nirvana zu brennen.“

Shinji schluckte.

Trotz der Tatsache, dass er, Misato und die anderen bis zu diesem Zeitpunkt schon sehr viele 'unmögliche' Umstände gemeistert hatte, schafften es die als 'Engel' bezeichneten Kreaturen es doch immer wieder, einander als maßlos überwältigende Feinde zu übertreffen.

„...und dieser Engel... löst den Third Impact aus?“

„Im Gegenteil. Er wird vernichtet, durch die gemeinsame Arbeit des Third, First and Second Child. Ich war noch dabei, als wir diesen Feind in meiner Zeitlinie bezwungen haben; Wir haben es damals ohne größere Schäden an den verfügbaren EVA-Einheiten gemeisterst, in den meisten Iterationen, die ich mitansehen dürfte, wird EVA 01 leicht aber nicht signifikant beschädigt, aber moderate bis starke Schaden an allen Einheiten sind möglich; Doch der Engel wurde in der Regel erfolgreich zerstört. Es war einer deiner größten Siege... und häufig war es war dann auch euer letzter, die letzte Ruhe vor dem Sturm, von dem ihr euch nie wieder erholt habt...

Diesen Engel werdet ihr besiegen, aber danach stehen euch große Prüfungen bevor.

Das Ende eurer unbeschwerten Tage.“

Shinji hätte erwartet, dass er die Hiobsbotschaften bis jetzt gewohnt sein würde, aber irgendwie zogen es diese konkreten Details mehr in die Realität, und verstärkten seinen Eindruck davon, zu einer meilenhohen Feuerwalze aufzusehen und in dem Sekundenbruchteil zu leben, in dem er sich darüber bewusst war, das es kein Entrinnen gab.

Wiedereinmal musste er sich dazu zwingen, sich an seine eigenen Entscheidungen und Vorsätze zu handeln.

„...wie lange.“

„Genau das kann ich dir nicht sagen...“ erklärte Yui, nicht ohne ein gewisses Schuldbewusstsein, nicht, das Shinji viel mehr als das erwartet hätte. Ihre nächste Aussage aber enthielt eine Unstimmigkeit, die ihm unmöglich hätte entgleiten können.

„Es könnten noch Wochen sein, oder es hätte gleich nach Asuka's Ankunft geschehen können.“
 

„Halt... Wenn das so wichtig ist, und es gleich nach Shikinami-san's ankunft hätte passieren können... wieso hast du mir das dann nicht gleich erzählt, als wir uns das erste mal getroffen haben?“

Wieder senkte sie ihren Blick; Die Aussage war klar: Das, was sie ihm als nächsten berichten würde, würde ihm mit Bestimmtheit nicht gefallen:

„...Ich hab abgewartet. Manche Abläufe hängen mit bestimmten Vorzeichen in Verbindung, und was meistens geschieht, wenn dieser Kampf direkt auf Asukas Ankunft folgt, ist... nicht angenehm. Abläufe wie dieser sind der Grund dafür, dass es so wichtig ist, das Netz der Kausalität nur vorsichtig zu beeinflussen... du wusstest nicht genau, was du da tust, aber du hast den Ablauf mit Sicherheit bedeutend verändert...

Unser Ziel darf es nicht nur sein, die Zeitschleife zu durchbrechen – wir wollen ein Ende, mit dem wir einigermaßen gut leben können... Deshalb hätte ich, wenn dieser Kampf als nächstes gefolgt wäre, sofort den Sprung in die nächste Iteration der Schleife gemacht.“

Eine Iteration, von der sie nun hoffte, dass sie niemals existieren würde, weil sie nun gezwungenermaßen eine 'Welt' unterstützte, die sie ansonsten ohne zu zögern zurückgelassen hatte... vielleicht wäre sie auch jetzt gleich aufgrund des unregelmäßigen Ablaufs verschwunden, wenn sie diese Möglichkeit noch gehabt hatte – Sie musste wohl so denken, wenn man ihre Mission betrachtete.

Shinji kam noch nicht mal dazu, zu betrachten, was dieses 'schlimmere' Ergebnis sein könnte, dass er in dieser anderen Welt vielleicht ausgelöst hätte, vielmehr wurde ihm klar, dass so, wie er bisweilen anzweifelte, ob Yui und ihre Welt wirklich 'real' sein konnten, er und seine ganze Welt, oder zumindest diese Version davon, für Yui ausgesprochen unreal war;

Für sie war er das hypothetische Geschöpf, und für ihn was die Zukunft scheinbar ein Mienenfeld mit vielen, vielen falschen Biegungen, an denen der Schritt vom Wege geschehen könnte; Langsam graute es ihm selbst vor dem Fortschreiten der Zeit, das eigentlich sein endgültiges Ziel sein sollte; wenn es keine Zukunft gab, dann sollte doch wenigstens alles so bleiben können, wie es jetzt war, doch das war unmöglich;

Zumindest hatte Yui nicht von ihm erwartet, dass er nach alle dem noch die darauf folgende Sprachlosigkeit unterbrechen sollte, und tat es selbst:

„...wo wir schon einmal dabei sind: Da der Engel aus dem Orbit angreifen wird, könnte es sich lohnen, wenn du bei Major Katsuragi oder Doktor Akagi danach andeuten würdest, das es sich doch lohnen würde, in bessere Gegenmaßnamen zu investieren, falls sich das wiederholt. Die Forschung hat nicht immer Erfolg, aber solche Technologie stand in einigen Iterationen zur Verfügung, und wenn es funktioniert, wird Asuka es dir danken...“
 

Diesesmal traf es also Asuka. Wieder eine dieser Andeutungen, wieder eine ihm nahe stehende Person, der angeblich das Verderben drohte, und wieder wurde ihm nur das nötigste gesagt, oder das, was Yui dafür hielt – Sie war jünger als er, oder sah zumindest so aus, aber all dies machte es wirklich schwer, sie als Verbündete anzusehen.

„Wenn es so wichtig ist, warum sagen wir es Misato nicht jetzt gleich?“

„Das habe ich dir doch schon gesagt. Schlimme Dinge passieren, wenn sie das mit der Zeitschleife auch nur vermutet.“

„Warum? Misato-san würde dieses Problem sicher lösen würden, und Ritsuko-san kennt sich mit diesem ganzen Physik-Kram aus, also wieso? Macht es nicht Sinn, ihnen das zu sagen? Wieso muss ich das ganz allein mit mir herumtragen?“

„Weil wir bereits versucht haben, es ihr zu sagen. Mehr als einmal sogar; Nach den ersten paar Fehlschlägen hast du mich ein paar mal dazu überredet, es wieder zu versuchen; Das Ergebnis war nichts, woran du dich gerne erinnern würdest; Ich würde dich darum bitten, dass du es nicht versuchst. Nicht, mit dem, was mit Misato geschehen ist, oder dem, was in dieser Entgleisten Zeitlinie passiert ist; Unser Ziel ist, eine Welt zu erschaffen, in der all diese Dinge niemals geschehen sind.

Wenn du dich daran erinnerst, verstrickt es sie nur unnötig in den Verlauf der Kausalität...“

„Und dass du mir das sagst, tut es nicht?“

Yui seufzte, ein müdes aber nicht außergewöhnlich frustriertes Seufzen.

Schlagartig wurde ihm klar, dass sie dieses Gespräch vielleicht nicht zum ersten mal führten. Ob er wohl immer das selbe sagte, wenn sie zu diesem Punkt des 'Skripts' kamen? Müsste es ihm nicht leid sein, wenn er wirklich so viel länger in Tokyo-3 verbracht hatte, als er sich erinnern konnte?

Und was bedeutete das ganze aus Yui's Blickwinkel? War Sie es leid, sich zu wiederholen?

Was konnte er einer solchen Person wirklich sagen? Alles, was er versuchen könnte, um sie irgendwie umzustimmen, könnte sie schon zahllose male gehört haben, und dennoch schien es nicht akzeptabel, dass Schicksal dass sie ihm diktierte, einfach hinzunehmen.

Aber wann hatte er gegen irgendeine Art von vorbestimmten Pfad je etwas anderes getan, als sich nur halbherzig zu sträuben?
 

„Na schön. Also wie ist das jetzt mit diesem Engel?“

„Du wirst wissen, dass es bevor steht, wenn Major Katsuragi ihre Beförderung erhält; Ich kann dir wie gesagt nicht genau sagen, wann das sein kann, aber es könnte sehr gut sein, dass es der übernächste Engel ist.“

„Der Übernächste...“

Das klang nicht wirklich gut; Shinji hatte sich auf weitere erschütternde Schläge gefasst gemacht und bereits einige davon eingesteckt, aber die wahre Knappheit der Zeit für was-auch-immer er zu erledigen hatte, drang immer deutlicher in sein Bewusstsein, trotz seiner Versuche sich nach Möglichkeit abzuschirmen, und das ganze so gefasst wie möglich hinzunehmen.

Erst hieß es, er hätte weniger als ein Jahr, jetzt hieß es, Wochen; Hatte er tatsächlich den Großteil des signifikanten Zeitfensters bereits verschlafen, so gelähmt von der unmöglichen Wahrheit, das er jegliche Handlungsmöglichkeiten versäumt hatte, zu beschäftigt mit seiner eigenen Schuld und die Bürde noch einer Mission, für die er sie nie gemeldet hatte, um sich der Verantwortung zu stellen, die daraus erwuchs...

Bloß, das diese Verantwortung die Dinge allerhöchstens schwerer machte, und nicht einfacher; Sie änderte gewiss nichts an seinen beschränkten Möglichkeiten, und den vielen Dingen, von denen er nichts verstand; Wenn sich die Situation darauf überhaupt auswirkte, dann darin, das sie ihm die Tiefe seines eigenen Unwissens vor Augen führte.

In seiner Verzweiflung hatte er die letzten Tage in die länge gezogen wie zähes Kaugummi, mit endlosen Gedanken und Fragen, und mit Versuchen, die Gewissheit in irgendeiner Form zu ertränken, vielleicht in Musik oder Nichtigkeit oder Taubheit; Oder den Träumen, in denen er das Verderben mit Gewissheit betrachten konnte, die nahende Feuerwalze beeindruckt und eingenommen betrachtend, ungeachtet der Tatsache, dass sie kurz davor war, ihn hin wegzublasen; Das Bewusstsein darüber hätte das mittel zu seiner Befreiung sein sollen, aber in einer Situation, wo das Wissen darüber und das Verständnis davon, wie er seinen Pfad zu ändern hatte, nicht dazu ausreichte, dies auch zu vollbringen, war er im Wesentlichen gefangen, und dazu verdammt, seine eigene Machtlosigkeit als eine Art entfernter Beobachter zu Kenntnis zu nehmen, während sein Gegenstück in der Realität zu sehr in seinen Beschränkungen festgefahren war, um mehr als ein Passagier in seinen eigenen Gedanken zu sein;

Die nächsten Worte, die er sprach, waren vermutlich auch so eine automatische Reaktion, deren genauer Wortlaut so oder so egal war; Gut möglich, dass Yui nur darauf wartete, dass er diesen Part endlich über die Lippen brachte, damit sie die nächste Zeile ihres einstudierten Texts zum Besten geben könnte.

„...und was genau willst du, dass ich bin dahin erledige?“

„Es würde zum Beispiel helfen, wenn du ein paar Verbündete hättest. Ich habe Asuka heute morgen auf dem Schulhof getroffen... hätte sie nicht eigentlich im Unterricht sein sollen? Vielleicht solltest du zu ihr gehen...“

„Ich glaube nicht, dass das was helfen würde... Ich weiß nicht, wie die Shikinami-san aus deiner Zeitlinie war; Du sagst, wir sind gute Freunde, und ich würde das gerne glauben, aber sein wir mal ehrlich, ich bin vermutlich so ziemlich der letzte, mit der sie in so einer Situation reden will... Selbst, wenn ich sie finden würde, ich weiß gar nicht, was ich sagen sollte.

Ich... ich bin nicht gut mit so was, was, wenn ich alles nur noch schlimmer mache? Immer wenn ich versuche, mit ihr zu reden, werde ich angeschrien...“

„Und weil du nicht angeschrien werden willst, wirst du ihr nicht helfen?“

„Warum soll ich auf einmal für sie verantwortlich sein? Es ist nicht so, als ob meine Gefühle sie besonders viel interessieren würden...“

Yui seufzte.

„Es geht hier nicht darum was fair oder gerecht ist; Es ist niemand anderes da, der es tun könnte. Du hast die Möglichkeit. Es liegt an dir, ob ein großes Unglück verhindert wird.“

„Das ist es, was ich von allen immer zu hören bekomme... Aber keiner sagt mir irgendetwas, und du bist da keine Ausnahme... Wenn wir nur irgendjemand irgendeinmal erklären würde, was hier gespielt wird...- Zum Beispiel, was ist so schlecht daran, Zeit mit Ayanami zu verbringen?

Warum sagst du mir nicht einfach, was in der Zukunft mit ihr geschehen soll, damit ich es verhindern kann?“

Wieder dieses seufzten, dass zu einer wesentlich älteren Person zu gehören schien.

„Das ist nichts, was du so einfach ändern kannst. Du hast dein Schicksal, und sie hat ihres.“

„Und das wäre? Wenn es kompliziert ist, erklär es mir einfach – Ich würde tun, was auch immer es kostet!“

„...und sie würde das selbe für dich tun. Genau das ist das Problem.“

Das war... nicht die Antwort, die Shinji erwartet hatte, nicht nur wegen den Implikationen, die sie da so achtlos hingeworfen hatte; Bis zum heutigen Tage hätte Shinji nie zweifellos bestätigt, das irgendjemand 'alles für ihn tun würde', nicht einmal Misato; Zum teil glaubte er ehrlich nicht, dass er besondere mühen wert sein könnte; Auch wurde ihm klar, dass er die Warnungen seiner Gesprächspartnerin bedeutend falsch eingeschätzt haben musste – Yui's Tonfall klang fast schon bedauernd, es war nicht einfach so, als ob sie irgendwas gegen Ayanami zu haben schien, es war mehr so, als würden sich ihre Andeutungen wie so oft auf ein sehr bestimmtes, zukünftiges Ereignis beziehen, von dem er derzeit nichts wusste, und darüber auch nichts entgegnen würde.

Doch vielleicht schien sie zu begreifen, wo sie falsch verstanden worden war, oder zumindest, wo sie es versäumt hatte, sich zu erklären;

Den steinerd-ernsten Blick in Shini's Gesicht gerichtet, spezifizierte sie ihr klinisch-leidenschaftsloses Fazit mit wenig mehr als dem verbleichtem Gespent von Bedauern:

„Dass du dich ganz und gar von ihr fernhalten sollst, habe ich niemals gesagt. Im Gegenteil, dass wir Ayanami Rei auf unsere Seite bekommen ist strategisch von hoher Wichtigkeit; Aber dass sorgt mich weniger, als andere Alianzen, oder die Gefahr, dass du dabei unser Hauptziel aus den Augen verlierst.“

„Du klingst fast schon genau wie mein Vater. Ayanami und Shikinami-san sind keine... strategischen Allianzen.“

„Was sind sie dann?“

Auf eine defensive Reaktion wäre Shinji vorbeitet gewesen; Am allermindestens hätte er mit Sturheit dagegen halten können; Die Gegenfrage aber entwaffne ihn vollends.

„Was sind sie dann? Ja, sie ist dir sehr wichtig, aber welche Art der Zuneigung ist es? Bist du dir sicher, dass du nicht mindestens zwei Dinge miteinander verwechselst?

Sowohl das First Child als auch Asuka sind für sich wichtig... aber was genau sind sie für dich? Und noch viel wichtiger, was sind sie nicht?

Was ich versuche, dir klar zu machen, ist das in der Zukunft ein Moment kommen wird, an dem das wichtig werden können. .“

Sie richtete ihren stumpfen Blick direkt in seinen Augen, ihre Worte wie die Stimme des Metatron:

„Du hast Zeit, bis Katsuragi zum Major befördert wird. Das wird das letzte Vorzeichen sein, dass das eure letzten Kämpfe unmittelbar bevor stehen.

Bis dahin solltest du gut und genau darüber nachdenken, was dir wichtig ist, was es wirklich ist, was du retten willst, und was du dafür bereit zu tun sein solltest.“
 

Shinji vermochte nichts weiter, als wie ausgehöhlt dazustehen, während sie sich mit einer leichten Verbeugung verabschiedete, und ebenso still und schicksalhaft davon machte.

Vielleicht begann er zu erkennen, in wie fern sie in einer anderen Welt Ayanami's Gegenstück gewesen war, auch wenn ein bei weitem mehr der Zögerlichkeit verfallener Mensch zu sein schien, eine sehr verblasste, verwässerte Art von Abbild, die Kopie einer Kopie einer Kopie, der nicht mal mehr ein romantisch-zerbrochener Abglanz des Ursprünglichen anhaftete, erlaubt von selbst der Möglichkeit, etwas wertvolles zu enthalten.

Doch welches Recht hatte er, jemanden der Zögerlichkeit zu bezichtigen?

Alle rechte, die er je gehabt zu haben meinte, überhaupt irgendetwas von sich behaupten zu können, tropften da hin wie unregemäßig geformte, hab-geschmolzene Brocken von Wachs; Selbst um der Augenbinde erleichtert, die in daran gehindert hatte, seine Situation als ein brennendes Haus zu erkennen, konnte er doch nicht damit aufhören, wie gelähmt dazustehen, als könne er den Fluss der Zeit auf ewig aufheben, sich in seinen dunkelsten Momenten sogar überzeugen, dass das morgen dem er sich stellen müssen würde niemals kommen würde.

Ungestellte Fragen raschelten im Gebüsch seiner Furcht, die Gewissheit, so vollständig von der Welt überwältigt zu sein, dass er niemals wieder bereit sein könnte, sich ihr zu stellen, und je mehr er es hinauszögerte, umso kürze schien die Verbleibende Zeit, umso unmöglicher die zu vollbringende Tat, die ihn jenseits seines Refugiums erwartete.

Wissen und Erkenntnis über eine Situation sollte einem eigentlich mit der Möglichkeit versehen, etwas dagegen zu tun, aber was, wenn er sich im vollen Bewusstsein über seine eigenen Unzuläglichkeiten befand, und trotzdem absolut gar nichts dagegen zu tun vermochte?

Genau so gut hätte er ein Gefangener in seinem eigenen Gehirn sein können, lediglich ein entfernter Passagier, der einem antriebslosen Zombie dabei zusah, wie er sich in den Kreisen seiner gefestigten Gewohnheiten bewegte, den endlosen Pirouetten des Narrens, der sich immer wieder im Kreis bewegte.

Seine Gedanken und Gefühle waren alles, dessen er sich sicher sein konnte, aber welche Bedeutung konnten sie schon haben, wenn niemals eine andere Seele davon erfahren würde?

Wenn er letztlich mit all seinen Worten, und all seinen ungesungenen Liedern zu Grunde gehen würde, eine alles im allen negative Summe, ein Fraß von Ressourcen auf dieser Welt?

Vielleicht hatte er geglaubt, dass seine Position als EVA- Pilot, oder seine Versuche mit dem Cello – das einzige, wass er je wirklich gekonnt hatte – ihm ermöglichen würden, seine Existenz zumindest indirekt in die äußere Welt zu schütten, doch selbst das war ihm zum Gefängnis geworden; selbst dass hatte er sich von den Schatten rauben lassen.

Und es überkam ihm, dass das vielleicht am Ende einer seiner größten Ängste war, dass er aus dieser Welt scheiden würde, ohne ein einziges mal etwas bedeutungsvolles getan zu haben, ohne eine einzige Verbindung mit einer anderen Seele geknüpft haben.

Bitte bitte, bitte, lass mich nicht missverstanden werden...

Er war zu verängstigt, um die Furcht überhaupt als solche zu erkennen, zu erfüllt damit, als das irgendeine andere Emotion in deren ausgekratzten Leere platz gefunden hätte;
 

Erst, nachdem er sich mehr mechanisch-automatisch als von auch dem entferntesten Schatten eines Willens angetrieben hatte, und seine Schritte ihm von dem licht getränkten Weiß des Flurs weggeführt hatte, kehrte das Leben ansatzweise in seine von der Hitze ausgebleichte Form zurück, formen und Farben wie aus Fieberträumen, verzerrte Klumpen von Gefühlen, für die vielleicht noch keine Worte gefunden worden waren auf dieser Welt;

Noch nie hatte so viel von ihrem Schicksal von einer so unvorbereiteten Person abgehangen.

Seine Schritte schwankten nicht einmal, kein zögern, kein stocken ließ erkennen, was hinter dem undurchdringbaren Wall seiner inneren Welt verbogen blieb, kein Beobachtet hätte etwas anderes sehen können, als einen Schuljungen, der ausdruckslos einen Flur hinablief.

Keine Worte in keiner Sprache der Welt hätten seine Gedanken in diesem Moment nach außen bringen können, und selbst wenn sie existiert hätten, hätte er nicht den Mut, die Stärke oder die Freiheit, sie auszusprechen.

Das nächste, was er dazu beschreiben konnte, was die absurde Idee, das jede Faser seiner Existenz und jeder Stern des Universums sich verschworen hatten, um zu einem einzigen Käfig zu verschwenden.

Nur, es war nicht das ganze Universum, nicht wahr?

Das Universum war unvorstellbar weit, erstreckte sich weiter, als das Produkt einer Menschlichen Entscheidung jemals gekommen war, und selbst die zwei Raumsonden, die die Oortsche Wolke erreicht hatten, dürften von der Verzeiflung dieses Moments nicht einmal berührt worden sein...

Yui hatte es ja ganz am Anfang erklärt: Eine Macht, die das ganze Universum beeinflussen könnte, existierte nicht, und würde vielleicht in der ganzen Lebenspanne des Universums nicht existieren: Vielmehr war es die Erde und die darauf situierten Ereignisse, die 'fest steckten' und sich immer wieder überschrieben;

Außerhalb dieses blassen, blauen Fleckes schritt die Zeit weiterhin voran, die Zukunft existierte – Es war ihm nur nicht vergönnt, ein Teil davon zu werden, und in gewisser Hinsicht war das sogar tröstlich.

Wie es sich so traf, konnte ein wenig Distanz alles unwichtig erscheinen lassen.
 

Doch mit der Bewegung schien sein Blut wieder in Bewegung zu kommen, die Geräusche und Gerüche der Schule umfingen ihm, und aus der Wand von Überwältigung lösten sich ein paar Komponenten, denen er wieder ansatzweise Namen und Bedeutung zuordnen konnte, Funken, an die er sich klammern konnte, die leichter zu ertragen waren.

Wut war etwas, woran man sich zum Beispiel ziemlich einfach halten konnte, schon durch die instinktive Natur des Triebs zur Verteidigung.

Die Suche nach einem externen Grund erlaubte es, das extreme Gewicht nach außen abzuschieben, vielleicht die Gewissheit von tausenden Niederlagen wieder weg zu erklären, als ob sie niemals kurz davor gewesen wäre, vollends über sein Bewusstsein hereinzubrechen, die Gewissheit der undefinierbaren, schauderhaften Welt für belange zurück lassend, die vielleicht eher in den Flur einer Schule hinein gehörten;

Der mechanisch-automatische Rhythmus seiner Schritte nahm ein betonteres, energischeres Muster an, nichts extremes, nichts, was darüber hinausgehen würde was der zögerliche verschwiegene Junge sich auch sonst ansehen lassen würde, allerhöchstens merklich an einer etwas geraderen Ausrichtung seines Rückens.
 

Was... was erwartete sich Yui eigentlich von ihm?

Wenn er eine Gelegenheit im wesentlichen schon verpasst hatte, was brachte es, ihn damit zu konfrontieren?

Und was war das überhaupt für eine Frage, 'was bedeuten sie für dich'?

Was sollte er darauf eigentlich antworten?

Was sollte irgendein 14 Jähiger Schüler antworten, wenn man ihn plötzlich fragte, was zwei Klassenkameraden 'für ihn bedeuteten'?
 

...aber, die Wahrheit der er sich nicht länger entziehen konnte war, dass Sikinami und Ayanami für ihn mehr waren, als irgendwelche Klassenkameraden... und dass das auch nicht wirklich eine neue, so dahergelaufene Frage war – in simpler, weniger dramatischer Form war er schon von Touji, Kensuke und der Klassensprecherin damit konfrontiert worden.

Angesichts dieses Situation und dem Kontext, in dem ihm das gefragt wurde, fühlte er sich nicht bewegt, in Träumen oder vagen Spekulationen zu antworten, die er mit seiner begrenzten Lebenserfahrung nicht wirklich beurteilen konnte.

Sicherlich existierten diese Fantasien, aber er konnte nicht garantieren, dass sie mehr waren als genau das.

Dazu kam das Yui selbst mehr oder weniger die verbalen Bomben abgeworfen hatte – hatte sie eben doch angedeutet, das Ayanami „alles für ihn tun“ würde, und von Shikinami-san von Anfang an als jemanden gesprochen, zu dem er eine große Vertrautheit hegen sollte.

Tatsächlich kannte er die Beiden inzwischen eine ganze Weile, in der sie zusammen schreckliche Prüfungen bewältigt hatten – Ayanami kannte er etwas länger, dafür hatte er mit Shikinami-san unter einem Dach gelebt.

Sie waren zumindest Kameraden, auch wenn es sich bei der bisweilen kühlen, wetteifernden Atmosphäre zwischen ihnen nicht immer so anfühlte.

Zumindest darüber, dass sie zusammen gekämpft hatten, ließ sich nicht streiten.

Zumindest dessen konnte er sich sicher sein.

Sie hatten eigentlich die Art von Umstände durchlebt, nach denen man erwarten würde, dass sich das gleiche Ziel verfolgende Menschen anfreunden und zusammenhalten würden...

Aber konnte er sie so bezeichnen, als seine Freunde?

Sie schienen sich nicht immer so zu benehmen wie man es von Freunden erwarten würde. Bisweilen schien da doch Distanz und Kälte zu sein. Es ließe sich einwenden, dass man in dieser veränderten Welt nach dem Second Impact erwarten sollte, ungewöhnliche Freundschaften anzutreffen, aber Shinji war noch nie der Typ gewesen, die Dinge optimistisch auszulegen.

Doch die Idee, die beiden seine Freunde nennen zu können – egal, was auch immer sie sonst noch sein sollten – das wäre zumindest ein schöner, wenn auch entfernter Gedanke.

Eine simple, losgelöste Vision, wie sie drei vielleicht in irgendeiner unmöglichen, parallelen Version zusammen in der Stadt abhängen könnten oder sich einen 'Schlachtplan' für das lernen auf den neusten Mathetest überlegen könnten, zusammen die Zeit im Sonnenschein verträumend...

Normalerweise konnte man das First und Second Child noch nicht einmal zusammen in einen Raum packen, ohne das es Gezanke gab.

Beim Anblick seines hald-sichtbaren Spiegelbilds in einem Fenster blieb Shinji stehen und fragte sich, ob es in irgendeiner der zahllosen Iterationen, in irgendeiner möglichen Welt auch mal eine Zeit gegeben hatte, in der sie drei miteinander lachen konnten.
 

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Okay.

Sie hatte sich abgeregt. Alles unter Kontrolle, alles, wie es sein sollte.

Über das Waschbecken hinweg blickend, in dem gerade mit etwas erfrischt hatte, betrachtete das rothaarige Mädchen ihr Ebenbild im Spiegel, sich still seiner Existenz vergewissernd, aber dennoch einen ernsten, mahnenden Blick in die blauen Augen werfend, die sie dort erwarteten.

Die Verdunstungskälte, die das Wasser au ihrem Antlitz hinterlassen hatte, bestätigte, das sein Umriss real war, die roten Interface-Spangen versicherten ihr, wer sie war und wo ihr Platz lag.

„Reiß dich zusammen, Asuka. Dass hat alles nichts zu bedeuten, kein Grund, sich die Sommerhitze zu Kopf steigen zu lassen...“

Sie war Captain Asuka Langley-Shikinami, das Second Child, designierte Pilotin von EVA 02.

Sie war eine Kriegerin, die sich wegen einem kleinen Rückschlag nicht aus der Bahn werfen lassen würde.

So wild war das gar nicht – Dann hatte er sie eben einmal gerettet. Es war nicht so, als ob sie ihm nicht zur Hand gegangen wäre; Die Sache mit dem Vulkan war das letzte weshalb sie sich aufregen müsste – schließlich hatte sie die aufgrund ihrer überlegenen Fähigkeiten und ihrer fortschrittlicheren EVA Einheit für den gefährlicheren Teil der Mission ausgewählt, so war es natürlich, dass sie von Anfang an in mehr Gefahr geschwebt hatte -

Genau so gut hätte sie ihn da raus fischen können, wenn die Aufteilung der Rollen anders gewesen wäre – falls dieser untrainierte Anfänger 'ihren' Teil der Mission überhaupt überlebt hätte. Gewissermaßen hatte sie ihn dadurch, dass sie den Kampf im Vulkan übernommen hatte, schon das Leben gerettet, und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie dazu kam, es wieder zu tun.

Es stand fast schon außer frage -

Alles, was sie tun musste war, ihm beim nächsten Kampf ein bisschen aus der Patsche zu helfen, und schon würden sie quitt sein, das ganze wäre aus der Welt geschafft, und sie müsste sich nie wieder deswegen sorgen machen oder einen weiteren Gedanken daran verschwenden.
 

Sie musste nur ihre Schuld begleichen, und dann würde alles so weitergehen, wie es schon immer hätte sein sollen.

Sie musste sich nur zusammenreißen und auf das vertrauen, was ihr der Spiegel so klar und stofflich zu zeigen vermeinte:

Die Pilotin von EVA 02.
 

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Auch die letzte der drei Children beschäftigte sich in der Pause zwischen den zwei Unterrichteinheiten mit Gedanken, die weit über ihre unmittelbare, alltägliche Umgebung hinausgingen, und sich zugleich aus dem tiefsten Kern ihres Selbstbildes verzweigten, oder was sich in dieser Richtung zwischen Befehlen, und deren Erläuterung und Ausführungen in ihrer schmalen Form angesammelt hatte.
 

Den Klassenraum im Gegensatz zum Großteil ihrer Mitschüler nicht verlassend habend, saß sie am Fenster, der Hitze, welche das Fensterglas nicht zurückzuhalten vermochte nicht ausweichend.

Ihr Blick schien unrettbar veloren in die weiten des blauen Sommerhimmels abgeschweift zu sein, oder vielleicht ging die Suche ihrer Augen nicht weiter als zu der leicht verdreckten Glascheibe, die zwischen ihr und der Außenwelt dahing.

Ein im Zusammenhang mit Kriegsveteranen und deren 'Tausend- Meilen-Bick' gelegentlich zitierter Fakt war und blieb, dass Augen die in die Ferne gerichtet waren gar nicht so viel anders aussahen wie solche, die überhaupt nichts betrachteten, und selbst dahinter lag die Zweideutigkeit einer möglichen Verirrung in der eigenen Vergangenheit, oder vollkommener Leere und Entrückung aus dem derzeitigen Moment.

Ihr Verstand hätte in diesem Moment so leer und klar sein können wie der weite, wolkenlose Himmel, oder so besessen von innerer, bienenschwarmartiger Aktivität wie ein heißlaufender Computer, und ein unvertrauter, äußerer Beobachter hätte niemals den Unterschied wissen können, und manch einer hätte vielleicht bezweifelt, ob Gedanken, Gefühle und Bestreben eines Willens unter dieser kargen Fassade überhaupt hätten existieren können, ohne dass sie wie ein Keimling vom Asphalt erstickt worden würden in diesem lichtlosen Reich jenseits dieser undurchdringlichen Wände.

Zum Teil hätte sie Rei selbst nicht dort vermutet; Es war nicht unvernünftig, etwas anzuzweifeln, das für den Lauf dieser Welt von keinerlei Konsequenz zu sein schien.

Ein kleines Detail wäre für geübte und aufmerksame Zuschauer jedoch erkennbar gewesen: Das Brillenetui, dass sie zu irgendeinem Zeitpunkt aus ihrer Tasche gehold und zwischen ihre Hänge gesteckt in ihrem Schoß platziert hatte, kaum sichtbar unter dem Schutz ihrer Schulbank.
 

Es war als ihr Blick die Grüppchen von Schülern auf dem unteren Schulhof schweifte, periphere Teile einer äußeren, weiteren Welt jenseits von NERV und dem Projekt, in der sie immer Beobachterin und nie Teilnehmerin war, als ihr bewusst wurde, genau welche Unstimmigkeit ihre Gedanken und Gefühle bis jetzt nicht aus dem Flur von Heute Morgen entlassen hatte:

„'Vielen Dank'. Ein Ausdruck von Dankbarkeit. Ein Ausdruck, den ich noch nie zuvor verwendet habe.“

Einmal ausgesprochen, fügten sich bloße Feststellungen und logische Definitionen fügten sich zu einer tieferen Bedeutung zusammen:

„Ich habe mich noch nie bei jemandem bedankt. Noch nicht einmal... bei ihm.“

Und eigentlich sollte das nicht verwunderlich sein;

Auch, wenn sie der Welt jenseits des Projekts nur geringe Priorität zumaß, so hatte oft beobachtet, wie Menschen sich bedankten; Ein Dank war die angemessene Reaktion, wenn jemand etwas für jemand anderen tat.

Das war ihr einfach noch nicht geschehen: Alles, was sie erhielt oder bekam, war für einen anderen Zweck: Für das Projekt, für den Fortbestand der Stadt bis zum Tag der Prophezeihung... Es war also nichts für Rei, sondern alles, was sie erhielt, war für das Fortschreiten des Projekts gedacht und somit dem selbst-interesse der Person gegeben, die ihr etwas gab.

Selbst ihr Leben, dass sie von Commander Ikari erhalten hatte, hatte klare Zwecke und Gründe, die außerhalb ihrer selbst lagen.

Ihm dafür zu danken, dass er seinen eigenen Plan ausführte, machte wenig Sinn –

Auch spielte wohl (auf weniger bewusster Ebene) eine Rolle, dass Rei ihre Existenz, die auf wenige klar definierte Zwecke beschränkt, schon per Definition mit Schmerz und Unwohlsein verknüpft und im Bezug auf regelmäßige Quellen der Freude relativ leer war, nicht als eine Art Geschenk sehen würde – Eher war es noch ein Dienst, den sie so lange ausführen musste, wie es eben nötig war, genau wie fasst alle der handvoll Dinge, die dieses Leben erfüllten.

Dennoch hatte das Bewusstsein, in ihrer gesamten, nicht sehr langen aber doch bestehenden Existenz niemals in eine Situation gekommen zu sein, wo das Wort verwendbar gewesen wäre, doch etwas extremes oder zumindest definierendes an sich:

Es war etwas, dass sie niemals getan hatte, auch nicht mit der Person, die ihr eigentlich am nächsten stehen sollte, ihrem eigenen Schöpfer.

Vielleicht war das Einfach das Limit der 'Nähe' die in ihrem Dasein existierte.

Doch die Worte hatten sich natürlich angefühlt, als sie sie letztlich ausgesprochen hatte, fast schon gedankenlos, ohne sich überhaupt über die Signifikanz der Geste bewusst zu werden, bevor sie später darüber nachgedacht hatte.

Auch das spätere Nachdenken ergab trotz dem Ausnahmecharakter der Situation keine Unstimmigkeiten:

Ikari-kun hatte einzig und allein gehandelt, um ihr unangenehmes zu ersparen, eine Idee, die soweit jenseits des Verständnisses ihres Platzes in der Welt lag, dass sie eine Weile gebraucht hatte, um sich darüber klar zu werden und daran zu denken, entsprechend zu reagieren:

Sie war bis jetzt immer nur das Mittel gewesen und niemals der Zweck.

Das war ihre Rolle: Sie hatte keinen Zweck außer der Zwecke des Projekts und des Commanders, also gab es an sich keinen formalen Grund, etwas für sie anstatt durch sie zu tun.

Aber: Ikari-kun hatte es getan, und rückblickend war es nicht einmal das erste mal -

Wie ein Eiskristall verzweigte und verfestigte sich in ihren Gedanken die Erkenntnis eines deutlichen Musters, das eigentlich mit ihrem Treffen im Cage von EVA 01 begonnen hatte und sich seither fortgesetzt hatte: Wenn überhaupt, dann war die 'Adressierung' von Ikari-kun Gesten mit der Zeit spezifischer geworden, es wurde deutlicher und deutlicher, dass er wirklich sie gemeint hatte und nicht irgendeine Funktion oder Verbindung von ihr, bis selbst sie letzlich keine andere Erklärung für sein Verhalten gesehen hatte.

Waren solche Vorkommnisse schon vorher geschehen, vielleicht in anderen Situationen, mit anderen Personen, vielleicht nicht ganz so eindeutig aber doch vorhanden?

Sie konnte es nicht sagen, hatte nie darauf geachtet, weil sie es nie für wahrscheinlich gehalten und sicherlich nicht erwartet hatte.

War es möglich, dass sie einen Dank versäumt haben könnte, wo er angebracht gewesen wäre?

Vielleicht, vielleicht auch nicht.

Ein potentieller, aber nicht sicherer Kandidat war Commander Ikari, einfach, weil sie mit ihm die meiste Zeit verbrachte. Er hatte bisweilen Dinge getan, die zumindest indirekt als Nebeneffekt unangenehmes von ihr abgewendet hatten; Die Brillengläser, die sie in dem Etui bei sich trug, waren der unumstößliche Beweis; Er trug immer noch die Zeichen, Narben an seinen Händen, gewissermaßen der deutlichste Beweis dafür, dass sie existiert hatte.; Die ledrigen Furchen und Verfärbungen in seiner Haut waren vielleicht das nächste, was sie je zu einem Grab haben würde, und selbst dieses war nun entweiht durch die Modifikationen, derer er sich für das Projekt hatte unterziehen müssen. Dennoch, wenn sie sterben würde, und der nächste Klon ihren Platz einnehmen würde, wären diese Narben doch mit dem Grund verknüpft, dass dies nicht früher geschehen war; Sie wären Beweis für sie, und sie allein;

Das war eine der größten Opfer, die je für sie gebracht worden waren, und sie hatte sich nicht bedankt, und es schien angemessen, ihrem Schöpfer gegenüber Dankbarkeit zu zeigen, wenn sie angebracht war.

Andererseits, war das Prinzip Dankbarkeit auf die Situation überhaupt anwendbar?

Alles, was der Commander tat, stand im Dienste des Projektes, und sie wusste genau dass er, wenn sie sterben und ersetzt werden würde, wohl dieselbe Handlung und dasselbe Verhalten gegenüber dem nächsten Klon zeigen würde.

Also war es nicht strikt 'für sie', oder überhaupt nicht, da ihre Existenz ja zum Projekt beitrug. Zudem war der Commander, der ihr Schöpfer war, der ursprüngliche Grund für alles was in ihrem Leben widerfahren war, und was ihr Leben per Definition beobachtete, denn er, ihr Schöpfer, hatte sie geschaffen, ihr einen Zweck gegeben, und zu diesem in den Dienst gezogen;

Das er sie bisweilen nicht mehr Schmerz aussetzte als strikt notwendig, schien Sinn zu machen, ohne das es einer Besonderen Erklärung oder gar einem Dank bedurfte.

Selbst Ikari-kun, dessen Dasein ebenfalls auf den Commander zurück ging, aber bis zum gescheiterten Aktivierungsexperiment mit EVA 00 nicht einem bestimmten Zweck zugeteilt gewesen zu sein schien, hatte bei ihrem ersten Treffen nicht den Eindruck gemacht, das er sein Dasein allein als etwas dankenswertes angesehen hätte.

Er, der ihr Schöpfer war, was auch der Grund, für den Leid und den Schmerz und der täglichen Last einer Aufgabe, die Schmerz und Aufopferung beinhaltete, und der Last einer Existenz eines zerfallenden Leibes, der sich weigerte, zusammenzuhalten, und eines Herzens und Geistes, die ohne guten Grund oder Daseinszweck leid trugen und sie ständig mit einem Aufflackern des Schmerzes, einer grausamen Gewissheit oder einer Regung ihres Empfindens daran erinnerten, dass sie existierte, und weiter existieren müssen würde bis der Tag des Gerichts kommen würde.

Es schien daher unpassend, einen Dank auszusprechen bevor sie sich deren sicher war, und wusste, dass es angemessen war;

Oder, bevor sie damals, wie bei Ikari-kun ein natürliches Verständnis oder Bedürfnis sah, diese Worte auszusprechen.

Eigentlich gab es keinen Grund zu danken. Es war nicht notwendig, es wurde nicht erwartet, und vor allem bestand keine Schuld; Es gab nichts, was sie wirklich bekommen hätte:

Commander Ikari hatte ihr ihr Leben nicht wirklich „gegeben.“ Er besaß es noch.
 

Aber doch war es so, dass ihre Existenz egal, wie sie begonnen hatte, nun einmal da war, etwas, dass in ihren Augen vielleicht erst stärker herausstach, seid etwas mehr Dinge dazu gekommen waren, die nicht direkt mit dem Projekt zu tun hatten. Indirekte, beiläufige Nebeneffekte, die sich aus ihrer Existenz ergeben hatten.

Sie verspürte wieder einer dieser ungeordneten Empfindungen, die es sich vorenthielten, ihr Sein zeitlich in Besitz zu nehmen und nicht davon zu weichen, ein ziehen, drängen, schwellen, dass sich daran zu stören schien dass sie die Antwort, obgleich sie für ihre Aufgaben nicht wichtig war, vielleicht niemals wissen würde.

Ihre Existenz war geborgt für die Dauer des Projekts oder zumindest die Zeit, die sie fähig sein würde es zu erfüllen; Ihr Raum, ihre Kleidung, ihre Bestimmung, ihre Seele; All das würde sie wieder her geben müssen, wenn ihre Existenz vorbei war, all das würde wiederverwendet werden, nicht mal ihr Gesicht was ganz ihr eigenes; Der Commander und Dr. Akagi sagten, dass dies effizient war; Effizienz war nötig für die Bestimmung, für die sie geschaffen worden war.

Was nicht nötig gewesen war, war lange Haltbarkeit; Der Leib, dem sie innewohnte war nicht dazu gedacht, länger auszuhalten, als es bis zur Vollendung des Projektes dauern würde, vielleicht nicht einmal so lang;

Sie hatte also schon immer gewusst, dass ihre Tage beschränkt waren, dass ihre Existenz im Rahmen eines strikten Zeitplans ablaufen wollte – Sie hatte auch nichts anderes zu tun gehabt als das, was auf diesem Zeitplan stand, also gab es nie einen Grund, wieso es mehr Zeit hätte geben sollen, noch hatte sie einen wirklichen Grund gehabt, diese zu begehren.

Sich häufende Ausfälle wie der von heute morgen waren der Beweis dafür, ein Zeichen dafür, dass es bald vorbei sein würde, dass ihre Mission bald erfolgreich abgeschlossen sein würde., dass es keinen Grund mehr für sie geben würde, Schmerzen zu leiden.

Nun aber.. nun hatte sie Fragen, und die Konfrontation mit ihren unausweichlichem Schicksal bedeutete, dass sie vielleicht nicht dazu kommen würde, die Antworten zu finden.

Nun aber wurde ihr bewusst, dass nur noch eine sehr begrenzte Anzahl an Tagen vor ihr lagen, die sie mit Ikari-kun würde verbringen können, oder mit Lesen, oder damit, diese Welt zu beobachten oder selbst damit, von Commander Ikari benötigt zu werden.

Ihre Zeit war begrenzt.

Die Zeit, die sie mit angenehmen Dingen verbringen konnte, in der sie Dinge erfahren konnte, für die sie Dankbar sein konnte, war selten, verstreut, und das meiste davon war vermutlich schon verstrichen.

Das meiste von der Zeit, die sie an der Seite des Commanders verbringen würde, war mit Sicherheit bereits verstrichen...

Die Zeit, die sie zum Beispiel mit Ikari-kun verbringen würde, war noch knapper, und noch rarer.

Und dass machte ihre Zeit fast schon zu etwas wertvollem.
 

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(1) Die Klassenkameraden wurden (wie auch gewisse namenlose NERV-Techies) hie und da schon mit gewisser Konsistenz gezeichnet, sodass struppiger-Haare-Junge und Haarreif-Mädchen vielleicht langsam mal Namen verdient hätten XD

(2) Weitere Referenzen/Shout-Outs/Inspirationen: - Datenroku Stage 9, Der Satz „Was auch immer aus ihm werden sollte in dieser Welt...“ ist eine Anspielung auf/inspiriert von einem ähnlichen Zitat aus Warcraft II, „Er hatte noch etwas, was er ihr sagen musste“ = Anspielung auf die Lyrics von 'Sakura Nagashi'. „Die Bewegung des Geistes zu etwas, dass er nicht versteht“, ist von einem Zitat inspiriert, das Anno in Shizo/Parano von sich gegeben hat: „The spirit and body cannot question one another. The spirit can only ask questions [of the body]. It can never receive answers, only an echo. … Love is born only out of despair. Spirit against nature; love is the movement of the spirit towards something it cannot comprehend. Then why question? For spirit, there is no way of demonstrating its existence save through questioning something [else]. An unquestioning spirit’s [very] existence is placed in jeopardy.“ Ich persönlich würde das weder für eine Hinreichende noch Notwendige Definition halten, dh, es würde Dinge nicht einordnen, die ich selbst durchaus als „Liebe“ klassifizieren würde und anders herum, aber da ist schon eine korrelation/ mit einem Körnchen Salz genommen etwas dran/ ein interessanter Gedanke.

(3) Der Stoizismus ist eine sehr missverstandene Philosophie, der oft eine Verteufelung der Empfindungen und ein zu einfaches Aufgeben angesichts der Unbilden des „unabänderlichen“ Schicksals vorgeworfen wird – ersteres mag auf einige Richtungen, die wir heute zurecht als prüde abtun würden, sicherlich zutreffen, andere Richtungen brachten uns jedoch die ersten Denker, die – noch zur Römerzeit! - die Idee hatten, das die Ehe doch auch eine faire, gleichberechtigte Partnerschaft sein könnte, die auf eine tiefere Freundschaft gegründet ist, und Freundschaft und Verfolgung tiefgründiger Erfüllung, sowie des allgemeinen Wohls wurden allgemein hoch angesehen. Vernünftig zu sein und die Dinge so zu sehen, wie sie sind – also genau so wenig zu idealisieren und herauf zu romantitisieren, wie unmäßig zu verteufeln – ist an sich eine sinnvolle Sache, und Menschen haben aus Impulsivität schon einiges kaputtgemacht, aber der springende Punkt hier ist... Ich persönlich halte beim gegenwärtigen Stand meines Wissens die Idee eines Schicksals zumindest in der realen Welt für unkompatibel mit der Realität (man könnte interessant und langwierig darüber diskutieren, wie deterministisch das Eva-verse wirklich ist, und wie weit SEELE & co einfach nur daran glauben, es gibt Indizien für beides, wobei Rebuild vermutlich etwas mehr in Richtung „Schicksal“ neigt als das Original) , aber man muss sich auch vor Augen führen, dass sie ersten Denker des Stoizismus Jahrhunderte nach Aristoteles und seinem Eudämonismus in einer Zeit großer wirtschaftlichen Schwierigkeiten stammte... Das nicht alles von Vornherein festgelegt ist, ändert nichts daran, dass es zumindest manchmal Dinge gibt, die man nicht ändern kann, und die Idee an der Philosophie war, dass man zwar die Umstände nicht ändern kann, doch aber, wie man auf sie reagiert, wie weit man sie sich an Fleisch gehen lässt, wie man darauf reagiert – Und das passt auch gut zu Reis Situation/Plot, in dem es viel darum geht, dort Freiheit zu finden wo alles beschränkt scheint.

(4) Die Aufsatz-Szene war vielleicht die, bei der ich die größte Angst hatte, sie irgendwie falsch zu machen – Solche Exkurse/beiläufige 'Flavour-Text' Erwähnungen irgendwelcher Konzepte können im besten Fall interessant sein, gut zur Atmo beitragen und helfen, ein 'Motiv' zu zeichnen/herüberzubricken, verkackt man es aber, besteht die Gefahr einen nervigen, eingebildet klingenden Textblocks, der niemanden außer dem Autor wirklich interessiert, zudem kommt noch die Schwierigkeit, die generelle Idee rüberzubringen, aber dabei bei Shinjis Perspektive treu zu bleiben, der nur einen teilweisen Peil hat. Eines der zentralen Punkte bei dem Kapitel ist, dass sich die Children über Misato's Anstoß zum Thema ihrer potentiellen Zukunft (von der keiner von ihnen wirklich eine Vorstellung hat) weitere Gedanken machen – Bei Shinji's und Asuka's Abschnitten ist das ziemlich offensichtlich, aber bei Rei, die zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht mal daran denken könnte, an Gendo's plan zu zweifeln, müsste eine etwas subtilere Vorgehensweise her. Schulaufsätze muss man so oder so schreiben, die Auswahl des Themas ist aber ein subtiler Freiheitsgrad, der an dieser Stelle durchscheinen lassen sollte, dass die von ihr zwar als unmöglich angesehene Möglichkeit, ihr Faible für dicke Biologie-Bücher zum Beruf zu machen, doch noch irgendwo im Unterbewusstsein auf kleiner Flamme herum köchelt.



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