Children of the Prophecy von Kendrix (Die Kinder der Prophezeihung) ================================================================================ 23: [Existenzbeweis] -------------------- 23: [Existenzbeweis] "There is no meaning in our world neither is there any meaning in us, the ones who live in it. It is then meaningless for us, who are equally meaningless, to conceive the world in our thoughts despite knowing there is no meaning to be found?” -Tite Kubo --- Seid er hierher gekommen war, seit sie ihn getroffen hatte, war viel geschehen. Große und gewaltige Dinge, die die Zukunft der Welt mitgeformt hatten, sowie kleine, unscheinbare, in den Zwischenräumen verstreute Dinge, die doch nicht ärmer an Bedeutung waren. Seinetwegen hatte sie so viel erfahren, erlebt und gefühlt, die sie nie zuvor gekannt hatte, und sie fragte sich, ob sie je dazu kommen würde, es ihm zu sagen. Sie konnte es nicht sagen, so wie sie vieles nicht sagen konnte, sie war einfach getrieben von etwas, dass da einfach aufgeplatzt war wie ein seid langem schwellender, eitriger Abszess, ein unbenannter, unkorrigierter Missstand; Ihre Leselampe war noch angeschaltet, obwohl von außen bereits das Sonnenlicht hineinschien; Sie war nicht früh zu Bett gegangen, und doch saß sie hier schon seid dem letzten Mondschein, die Laken zerwühlt und verschwitzt, in einem Zustand des Chaos, im Schneidersitz auf ihrem Lager, unbekleidet, weil sie fiebrige Hitze der Nacht zu den Dingen gehört hatte, die ihr gestern keine Ruhe gelassen hatten, und sie heute in der Frühe erweckt hatten, bevor ihre mangelhaft ausgebildeten Organsysteme Gelegenheit gehabt hatten, sie einen noch so blassen Abglanz eines erholten Zustands zu versetzten, neben ihr ihre fast schon geplünderte Schultasche und deren über das Bett zerstreute Inhalte, auf dem Boden jeweils eine leere Dosen ihres derzeit favorisierten Energydrinks und Proteinshakes , die sie eingenommen hatte, als sie sich letztlich damit abgefunden hatte, dass sie heute nicht mehr zum Schlafen kommen würde – auch kannte sie die Grenzen ihres Körpers und ahnte dass sie, wenn sie sich jetzt wieder hinlegte, nicht erwachen würde, bis der Beginn der Schulzeit schon in der Vergangenheit lag. Diese Doseninhalte waren sicherlich nicht was man als eine alters-angemessene Wartungssitzung tituliert hätte, aber sie traf ihre Wahl nach dem Erhalt ihrer fluktuierenden Funktionalität, der schnellstmöglichen Zuführung eines notdürftigen Nährwerts und dem Wissen, dass sie ihre Einzelteile sowieso nur bis zum Ende des Jahres zusammenzuhalten brauchte. Dennoch konnte die chemische Unterstützung die unerträgliche Spannung in ihrem Körper nur verstärken, und drängte sie, ein Ventil zu finden, um sie herauszulassen. Es gab in ihrer Existenz freilich solche Momente, wo sie sich fast schon wieder daran erinnerte, dass sie ein bloßes, halbwüchsiges Mädchen war, aber zumeist hatte sie in derartigen Situationen einfach gewartet, bis sie wieder vorbei waren – Heute aber war sie ergriffen mit einer Zielstrebigkeit, die sie sonst hauptsächlich im Kampf an den Tag zulegen wusste, und ehe sie sich versah, hatte sie ihren Füller in der einen Hand, und ihr kleines, rotes Notizbuch in der anderen, und schon bald befleckte die Tinte das frische Papier, zog tief in die Falten ein. Zuerst kam das Datum, wie bei jedem Eintrag, gleich unter dem letzten, mit demselben, regelmäßigen Abstand dazwischen. Als nächstes käme eigentlich die Betreffzeile, aber es gab keinen Betreff. Nichts von Relevanz, dass hier und heute geschehen wäre, oder für das Projekt und ihre sonstigen Aktivitäten relevant wäre. Die Worte würden für sich selbst sprechen müssen. Mondlicht. Nachtwind. Der Geruch von Wasser. Nichts als bloßer Schlummer. Das Meer des Schlafes. Ein Gefühl, dass ich nicht als meines Erkennen kann. Ein Ruf, der mich aus der Form, die mich begrenzt, heraus zu bitten scheint. Sie brauchte nur ihre Augen zu schließen, dann konnte sie es sehen; Augen, die schwer waren von so vielen verschiedenen Dingen, die sie nicht benennen konnte, die entgegen allem, das sie wusste und gesagt bekommen hatte nichts sehnlicher wollten, als sich sinken zu lassen, die Lider, und ihren ganzen, missratenen Körper, der sich zu jedem Schritt zwingen musste und ihren Geist kaum ordentlich festzuhalten wusste, ein Geist, an dem so viele, aufgestaute Dinge, für die sie keine Worte hatte, an den Enden zupften und zogen, und sich sehnte nach zuhause. Zuhause, köstliche, losgelöste Schwerelosigkeit frei von spannenden Fleisch und diesem schweren, schwellenden Herzen, so weit weg, dass sie gar nicht mehr sagen konnte wo, oder wann. Zuhause, ein seltsames, unlogisches Verlangen, zumal sie sich derzeitig in ihren zugewiesenen Quartieren befand; Es könnte jener Raum in den Eingeweiden des NERV-Komplexes sein, aber sie hatte eigentlich ihr bestes getan, um die Farben und Lichtverhältnisse nachzubilden. Zuhause. Das war auch etwas anderes. Diese Bilder hinter ihren Augen, wo nur Finsternis zu sein hatte. Vielleicht waren die Bücher Schuld, vielleicht sah sie sich selbst als eine dieser Figuren, augenscheinlich waren diese Bilder, die ihr einfach unvermittelt durch den Kopf geschossen waren, einfach recht grob aus alltäglichen Begebenheiten zusammengezimmert – Sie sah sich selbst als fließender Teil der Mengen, all diese Dinge tuend, die sie eben nicht tat, Muskeln in Rumpf, Gliedmaßen und Torso in voller Bewegung – Sie würde ein Bild von lauten Personen in einer Menschenmenge sehen, von tratschenden Mädchen aus ihrer Klasse oder wandernden Gruppen in den Fußgängerzonen der Stadt, und dann würde eines dieser Wesen sie selbst sein, aber doch nicht sie selbst, sie konnte es nicht erklären, mit blauschwarzen, aber doch schwarzen Haaren und dunklen Augen, ununterscheidbar von der Masse, und es machte einfach weder Sinn noch Nutzen. Es war nicht mal ein Wunsch, nichts dergleichen war vorhanden, sondern höchstens etwas subtileres als das, die Betrachtung einer Möglichkeit, aber selbst dass machte keinen Sinn. Ohne ihre… Modifikationen könnte sie den Plan nicht ausführen. Es entbehrte sich jeder Grundlage. Das sind wanderdne Gedanken, nicht? Gedanken an ein ich, dass nicht so zu sein scheint wie ich. Wieso habe ich solche Gedanken? Zu welchem Zweck? Wozu sind sie gut? Auch das konnte sie nicht sagen. Vielleicht bloß noch nicht. Vielleicht müsste sie die Antwort nur weiter suchen, wie sie bis jetzt gesucht hatte. Und das hier war ein genauso guter Ort um anzufangen, wie jeder andere, an den sie denken könnte. Mit bedacht klappte sie ihr Notizheftchen zu und befühlte die äußere, folienhafte Oberfläche mit ihren Händen. Es war ein typisches Schulheft, das auch zusammen mit ihren restlichen Schulsachen eingekauft worden war, und als solches relativ dünn, auch, wenn es sie den Platz darin mit winziger, harter Handschrift optimal ausgenutzt hatte, und daher noch gute zwei Drittel davon frei hatte. Auch der jüngste Eintrag fiel nicht aus dem Muster, der meiste Text in diesem Heftchen war ungeachtet des Sujets gleich geordnet, soweit das bei einer organischen Handschrift eben möglich war; Es sah merklich nicht aus wie computergeneriert oder maschinengeschrieben. Sie hatte es Anfang dieses Jahres begonnen, nachdem sie das letzte vollgeschrieben hatte. Es war, nicht ohne beträchtliche Ironie, das zweite, auch, wenn sie das erste Heftchen –falls sie etwas würde nachschlagen müssen, und vielleicht auch aus anderen, tieferen Gründen – nie weggeworfen hatte, und es gemeinsam mit den Notfallvorschriften in einem kleinen Seitenkompartiment ihrer Schultasche verwahrte – Momentan lag es nicht etwa mitsamt anderen Utensilien verstreut auf ihrem Bett, sondern gezielt innerhalb der kleinen Raute, die ihre im Schneidersitz positionierten Beine vom Laken freiließen. Gestern hatte sie sich unter anderem Satres „Geschlossene Gesellschaft“ zu Gemüte geführt. Es war sicherlich ein intensives Meisterwerk, aber ohne, dass sie es genau benennen konnte, hatte sie irgendetwas daran als extrem zerwühlend empfunden. („Garcim der Feigling umarmt Estelle, die Kindsmörderin!... Ich bin es, mir musst du es beweisen!“ „…Vielleicht war das alles schon vorherbestimmt, das ich hier stehe, und diese Bronzestatue betrachte… Die Hölle, dass sind die Anderen.“) Heute aber, nachdem sie so viel Zeit damit verbracht hatte, die Werke und Geschichte anderer zu lesen, einen Blick in die Welten anderer zu werfen, in die kleinen Beweise ihrer Existenz, die sie der Menschheit zurückgelassen hatten, bemerkte sie plötzlich, dass dieses unscheinbare, leicht ersetzliche Büchlein, mit seinen dünnen, teils an den Engen angeweichten Papierseiten eines der wenigen Dinge war, die ihr wirklich gehörten, ihr allein zugehörig waren. Eine bescheidene Chronik, ein genügsamer kleiner Beweis ihrer Existenz. Das ihre Aufzeichnungen im Vergleich zu denen der großen Dichter relativ leer aussehen mussten, hatte sie keineswegs übersehen, auch deshalb hatte sie sie bisher nicht als der Visitation würdig befunden, aber das war das Offensichtliche; Die Verzweiflung war das, mit dem man am Anfang dastand, ein trivial gegebenes Axiom statt eines Zwecks oder Ergebnisses. Das wesentlich deutlichere, frischere Ergebnis war in diesem Moment, dass sie dieses Dokument überhaupt hatte, das sie damit auch ein Zeugnis ihrer eigenen Welt mit einer neuerwachten Bewusstheit durchgehen konnte. Die feinsäuberlichen Einträge darin konnten alles sein; Schließlich hatten sie nie einem anderen Zweck gedient als ihrer eigenen, privaten Ordnung. Das Projekt war davon natürlich Dreh- und Angelpunkt, und etwas anderes wäre ihr zu diesem Zeitpunkt auch nicht in den Sinn gekommen, doch soweit die Existenz dieser Notizen zu betrachten war, lag diese völlig in ihrem eigenen Verwaltungsbereich; Sie hätte sich auch für eine andere Methode des Zeitzählens entscheiden können. Anfangs hatte sie hier nur irgendwelche Daten festzuhalten, die sie nicht zu vergessen hatte. Als sie begonnen hatte, die Schule zu besuchen hatte man die Schüler dort ermutigt, zum Beispiel Hausaufgaben und Termine zur Leistungskontrolle festzuhalten, und sie hatte sich entschieden, es auch für anderweitige Termine und Daten zu verwenden, und von dieser Natur waren auch die meisten Einträge gewesen: „Mathematikbuch, Seite 81, Nummer 2 a)“. „Synchrontest 18:30“. „Untersuchung bei Dr. Akagi 9 Uhr, anschließend AT-Feld-Quantifikationsexperiment und Autopilot-Datensammlung.“ „Abensessen mit Commander Ikari…?“ Es gesellten sich andere Dinge hinzu, von denen es nötig sein könnte, sie zu behalten. Kommentare über Hergang und Erfolg von Experimenten und Kampfsimulationen, Anweisungen Dr. Akagis, natürlich so für Außenstehende nichtssagend gehalten, dass keine klassifizierten Informationen heraus gesiebt werden könnten. Knappe, treffende Sätze, formale, allgemeine Sprachformen, passive Verben, ein Skelett des Nötigsten, zunächst selten über zwei Sätze hinausgehend, in effizienter, kleiner Schrift; Das war auch das Format, dass sie bis heute in der Gegenwärtigen Inkarnation des Büchleins teilten, etwas in den knappen, sachlichen Berichten über die tatsächlichen Kämpfe, die knapp das Relevanteste abhandelten. Und doch war mit der Zeit das Wachstum gekommen, unscheinbar, heimlich, Pünktchen für Pünktchen, ohne dass daran ein bewusster Versuch beteiligt gewesen wäre, über das strikt Relevante heraus noch persönlich-abstrakte Gedanken fest zu halten; Für Rei selbst wären an diesen gelegentlich auftauchenden Zeichen keine Besonderheiten oder Erweiterungen gewesen, nichts, was sie intrinsisch von den anderen abgrenzen würde – Von vorne bis hinten würde sie einfach sagen, dass sie Ereignisse einfach wiedergegeben hatte, wie sie sie erfahren hatte. Ein unerwartetes Adjektiv hier, ein kurzer Schlusssatz da, keine willensbasierte Färbung oder Wertung, sondern einfach Observationen,die offensichtlich simpel oder respekeinflößend profund wirken konnten, in einem sprachlichen Stil, der sich nicht wirklich von der Umgebung abhob – Wenn Rei diese Seiten durchblätterte, teilte sie sie freilich nicht in Daten über das Projekt (Das Projekt war alles) und Sprenkel von Persönlichkeit ein. Sie blickte schlichtweg in einen Spiegel, in dem sie einfach nur sich selbst reflektiert sah, wie sie es von einem Spiegel erwarten würde. Entlang der Zeitachse folgten verschiedene Observationen, manche spontan, manche das Resultat latenter Fragen und Gedankengänge, für Rei nur eine Obermenge, zu der auch Observationen über Kämpfe und Trainingssimulationen oder die Bedeutung der Pläne des Commanders dazu zählten, die zweifellos relevant waren, bis zu nackt niedergeschriebenen Gedankengängen und Bewusstseinsströmen und den Querverbindungen zwischen diesen Dingen, auch nicht weiter als simple, beiläufige Observationen einer Welt, von der vieles potentiell relevant werden könnte, es wenig aber tatsächlich war, und sich durch diese Gedanken im Prinzip wenig daran änderte, was sie von Tag zu Tag tat, und was relevant für den Plan war. Sie hatte relativ früh geschlossen, dass solche Fragen und Gedanken als Folge darauf zu gewissen Anteilen selbst ohne Relevanz sein mussten. Jetzt stellte sie sich die Frage: Wenn es weder in dieser Welt, noch bei denen, die in ihr wandelten, weitere Bedeutung zu finden gab, als die, die sie von ihrem Schöpfer bereits hinreichend erhalten hatte, war es dann nicht bedeutungslos, nach Bedeutung zu suchen, obwohl sie wusste, dass es keine weitere Bedeutung mehr zu finden gab? Manche Stimmen unter den alten Denkern band diese Bedeutung an einen Schöpfer und verschrieb der Suche die Bedeutung, den Schöpfer zu kennen, aber aus der Perspektive von Rei, die ihren Schöpfer sicherlich kannte, und auch die volle Breite seiner Aufgabe für sie kannte, gab es zwischen der Verleihung von Bedeutung durch einen Schöpfer und der völligen Abwesenheit davon verblüffend wenige Unterschiede; In beiden Fällen war keine Bedeutung darin, weitere Gedanken aufzunehmen. Aber das hinderte sie nicht daran, sie schlichtweg fortwährend anzusammeln. Mit der Mentalität eines Uhrmachers betrachtet hätte man anmerken können, dass es nur all zu natürlich war, dass sich während der „Lebenspanne“ eines jeden Geräts kleine Eigenheiten und halb-kompensierte Fehler ansammelten, unvermeidbare Fehlfunktionen zwar, Mutationen die nur darauf warteten zu entarten, aber doch zu Unterscheidungen und Abweichungen vom fabrikneuen Muster führten, der Teufel in eintausenduneinem winzigen Details; Daten sammelten sich an, feste, approximierte Reaktionsmuster, die vielleicht Näherungsberechnungen darstellten und bei einigen Problemstellungen das Ziel verfehlten, aber an die häufigsten Eigenschaften der gängigsten Probleme angepasst waren und nicht zwingend optimale, aber gut approximierte Werte liefen, Synapsen, Reiz-Unterschwellen und Entscheidungsbäume formten Muster, und passten sich dem Input und dem verlangten Output an, und eigneten damit auch zwingend Mechanismen an, um die Qualität des eigenen Outputs zu quantifizieren, was man wusste, und was man nicht wusste, was man war, und was man nicht war, und aus Eigenheiten und spontanen, einst funktionalen, notgedrungenen oder assoziationsbasierten Präferenzen wurde Identität, aus der See der Informationen wurde Bewusstsein, und aus einer für eine völlig andere Form und Aufgabe konzipierten metaphysischen Materie, in einem physischen Körper, deren Verdrahtung Instinkte und Reflexe, und deren Programmierung bestimmte Reaktionen auf bestimmte Stimuli vorsah, fügten sich die Splitter eines Egos zusammen. Sie mochte nicht viel bewerten oder entscheiden, weil es nicht zu ihrer Aufgabe gehörte, aber die Sinneseindrücke, die von der Welt auf sie einströmten, die Dinge, die andere Menschen in sie hinein gesteckt hatten – Atem und Leben, Form und Funktion, Gedanke und Gefühl, sie alle kamen zu ihr, köchelten, kondensierten und bildeten das Mosaik namens Rei Ayanami, der, ähnlich wie ein Fleischautomat zunächst Befehle spiegeln würde, hineingeworfenen Input nun mit zunehmend präziserer Auflösung spiegelte, und sich im Gegenzug selbst widergespiegelt sah, in diesem Raum, diesem Buch, kleine Fünkchen der Welt, die sie nach ihrem Abbild geformt hatte, wie der Commander sie als Abbild und Spiegel seiner Wünsche und Träume gefolgt hatte, und sie fand Trost, Wunder und Versicherung daran, dass sie andere genau so formte und schuf, wie sie sie geschaffen und geformt hatte, verbunden durch die Ketten des Projekts, die Bande der Evangelions. Das war ihr Leben, so hatte es sich aus vielen, in teils verschiedenen Sternenöfen zusammen gebrannten Atomen zusammen kondensiert, so war es stetig dabei, sich weiter zu formen und zu verändern, wie sie sich auch bis hin zum jetzigen Zeitpunkt verändert hatte – Schließlich hatte es auch einmal Zeiten gegeben, wo sie weder über diesen Raum verfügt, noch regelmäßig die Schule aufgesucht, noch in diesem Heftchen über ihre Existenz Buch geführt hatte; Es hatte eine lange Zeit gegeben, in der sie tief unter der Erde in den Gedärmen des NERV-Hauptquartiers verbracht hatte. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie als verstandloses Stück Fleisch irgendeinem Glastank im Terminal Dogma umher geschwappt war, und eine Zeit, bevor sie überhaupt begonnen hatte, zu existieren. Sie wusste, dass es vor ihr noch den ersten Klon gegeben hatte, und aus bloßer Logik ließ sich erschließen, dass diese erste, andere ‚Rei Ayanami‘ bei ihrer Aktivierung weniger gewesen sein musste, als sie selbst bei ihrer eigenen, und auch sie hatte ihr Dasein größtenteils innerhalb ein paar weniger Laborwände im Terminal Dogma verbracht haben musste. Und auch sie hatte einen Anfang gehabt, genau so, wie die Komponenten, aus denen der Commander sie erschaffen hatte – Sie wusste, dass sie auf der selben Behandlungsliege assembliert worden war, auf der sie selbst jahrelang genächtigt hatte, der Commander erzählte bisweilen davon, sie im unfertigen Zustand gehandhabt zu haben. Sie konnte sich vorstellen, wie er Struktur und Struktur hinzugefügt hatte Funktion und Funktion, Nerven und Körperteile, um Dinge zu fühlen, Software und Hardware, um diese Reize auch interpretieren und Wahrnehmen zu können, und später, Integrierung und rudimentäre Vorläufer von Bewusstsein, zumindest Wach- und ein gewisses Gewahrsein, und zahlreiche unvollkommene Zwischenstufen, deren unvollständige Wahrnehmungsbilder wohl einer Rückwärtsversion gewisser Hirnschadenssymptombilder entsprochen haben müssen, bei der die buntesten Funktionen scheinbar unabhängig voneinander ausfallen, oder in ihrem Fall, unabhängig von einander aktiviert worden sein könnten. An viele dieser Zustände hatte sie schon deren Natur wegen keinerlei Erinnerung, aber es reichte zum Beispiel ein kurzer Blick zum Eingang ihrer Wohnstätte, um sich zum Beispiel den Moment vor Augen zu führen, an dem sie diese bezogen hatte. Da entschieden worden war, dass sie, auch zum Zweck von Tarnung und PR die für die Piloten-Kandidaten vorgesehenen Schulklasse besuchen sollte, geschah dies hauptsächlich weil sowohl die Tests als auch die persönlichen Einschätzungen von Experten wie dem Commander ergeben hatten, dass sie nun fähig sein sollte, längere Zeiträume außerhalb des Labors lebensfähig zu sein, ohne, dass den Beteiligten eine Unterscheidung zwischen physisch-biologischen und anderen Kriterien in den Sinn gekommen wäre – Jede Unterscheidung wäre ohnehin nur ein willkürlicher Dualismus gewesen zum Zwecke der persönlichen Beruhigung gewesen, und da war niemand, der den Platz der zu beruhigenden Person eingenommen hätte. Eingeschränkt in der Außenwelt lebensfähig bedeutete eingeschränkt in der Außenwelt lebensfähig, nicht mehr, nicht weniger – Der Commander hatte sie so beschaffen und programmiert, dass sie über einen gewissen Grad an Selbstgenügsamkeit verfügen würde; Anders wäre sie als massenproduzierte künstliche Soldatin nutzlos gewesen. Sobald die Entscheidung an sich also getroffen war, wurden die Details ihrer Einquartierung ihr selbst und im weitesten Sinne auch dem zugeteilten, zuständigen Personal überlassen, ohne dass der Commander damit persönlich etwas zu schaffen hätte. Dennoch hatte er es damals noch persönlich übernommen, sie zum Quartier ihrer Wahl zu geleiten, realistisch gesehen eher als stillste Variation prozessionsartiger Zelebrierung eines wesentlichen Meilensteins in seinem Plan, als dank des nötigen Feingefühls um aus der Luft des dritten Anbaus zum Evolutions-Labor herauszureichen, das dieser große Schritt im Verständnis des jungen Mädchens einer entfremdenden Abnabelungsgeste ähnlich eines Auszuges von Zuhause gleichkam und als solcher nichts war, was sie, wenn sie sich schon in ungewohnte Wasser jenseits ihrer vertrauten Zone hinauswagen musste, nicht alleine beschreiten wollte. Der Anblick des freien, nicht durch eine Decke beschränkten Firmaments, das regelmäßige Tragen von Gewändern, laute Mengen von Menschen, die laufend komplexe Reaktionen von ihr wollten, all dies war neu für sie gewesen, ein Stück weit abstumpfend-überwältigend. Zwar war der Übergang nicht so extrem, wie er hätte sein können, da sie schon länger zwecks ihrer Piloten-Tätigkeiten im oberen Teil des Komplexes tätig gewesen war, um dementsprechend auch von Dr. Akagi angewiesen worden war, wie sie sich präsentabel herzurichten hatte. Prinzipiell war es für sie lange der Normalzustand gewesen, häufig nackt und meist von den Experimenten mit Blut und LCL bekleckert in einer Ecke des Labors zu sitzen und gelegentlich mit einem eisigen Wasserschlauch abgespült würden, aber sie hatte Anweisungen erhalten, und Anweisungen auszuführen war ihr Daseinszweck. Später begann dann ihre Arbeit als EVA-Pilotin, und man teilte ihr in Rahmen dessen einen Plugsuit zu – die ersten Modelle waren noch wesentlich klobiger als die derzeitigen – und sie begriff ihn direkt als einen weiteren zweckgerichteten Gegenstand, wie das dazugehörige Interface-Headset oder zum Beispiel Spritzen, Brecheisen und andere Werkzeuge. Es diente dem Zweck, die Synchronisation zu verstärken. Ein Konzept für „Kleidung“ als eigene Kategorie von Objekten, die einen eigenen Zweck erfüllten, hatte sie nicht gehabt, und wo sollte sie dieses ausnehmen, wo ihr „natürlicher Lebensraum“ doch beinahe ausschließlich von Menschen in einer Vielzahl von hierarchisch verteilten Uniformen und aufgabenspezifischen Arbeitskleidern bevölkert war. Als sie dann die ersten Kleider für die Schule vorgelegt bekam, begriff sie diese auch von dieser Perspektive aus, eine weitere Uniform für einen weiteren Zweck. Ihre mitgebrachten Kleider, notdürftige Bedeckungen aus dem Labor und bisweilen auch das eine oder andere Kleidchen für die gelegentliche Präsentation in der Öffentlichkeit, trug sie danach nur noch selten und kaufte sie auch nicht neu, als sie daraus herauswuchs – Es gab dafür keine Notwendigkeit. Dennoch blieb da der Unterschied, dass das Tragen eines anliegenden Plugsuits dem unbekleideten Zustand gefühlsmäßig doch etwas ähnlicher war – Auch, wenn diese sich also später im wesentlichen zu ihrem Standartoutfit entwickelt hatten, hatte sich Rei in ihrer allerersten Uniform etwas unangenehm gefühlt, hauptsächlich, weil sie wie alles, was außerhalb ihres vertrauten Labors oder gar des gesamten NERV-Komplexes lag, sehr ungewohnt gewesen war, nicht, dass man es ihr damals merklich angesehen hätte –Dieser Tag hatte in ihrem eine wichtige Zäsur dargestellt, insofern solche Zäsuren in ihrer Existenz überhaupt zu benennen waren, war es für das gesamte Voranschreiten des Projektes doch eigentlich nur ein geringer Fortschritt gewesen, nicht vergleichbar mit der Ankunft des ersten Engels. Und doch hatte dieses Datum eine Signifikanz, die sie vermutlich selbst unterschätzt hätte, aber es war klar: Für einige der vielen möglichen Definitionen für den Beginn der entscheiden Phase ihrer Existenz könnte das der Beginn gewesen sein. Dementsprechend war es leicht verständlich zu begründen, dass Rei an diesen Tag sehr klare, besonders bildliche Erinnerungen hatte. Sie brauchte nur zum Bereich um die Eingangstür ihres bescheidenen Domizils zu blicken, um sich vor ihr geistiges Auge zu führen, wie ihr damaliges Selbst von dem Commander an ihrer Seite hierein geführt worden war – Viel hatte er sich nicht verändert, es lagen nur etwas weniger unbeachtete Briefumschläge herum, aber die würden sich dort gar nicht erst befinden, wenn Rei sie für besonders relevant gehalten hätte – Sie beide waren auch nicht alles, trotz seiner innigen kleinen Relevanz folgte aus der kühl-distanzierten Natur allen, was mit ihr und dem Commander zu tun hatten, dass sie diesen Moment mit einem weiteren NERV-Angehörigen teilten, der in respektvoller Distanz (wenn auch der japanischen Variante davon) hinter den Beiden folgte, ein jüngerer Mann vom Rang eines zweiten Leutennants, der Reis persönlichen Belangen, insoweit sie zu trivial waren, um den Commander zu betreffen, noch bis zum heutigen Tage zuständig war, wenn auch unter gelegentlicher Zuhilfenahme von Ensign Agano. Sie sahen sich nicht ganz so oft wie man erwarten würde, wenn man nicht von Reis Stellung zu ‚trivialen Angelegenheiten‘ wusste, aber auch wenn sie das einfach nur als Standartanrede tat, waren viele der niederrangigen NERV Angehörige es nicht gewohnt, mit dem Level von höflicher Sprache bedacht zu werden, mit der Rei ihre Umwelt standardisiert bezeichnete (wohl das Resultat davon, unter so vielen Wissenschaftlern und ihrem Fachchinesisch aufzuwachsen, die in Gegenwart ihrer Testsubjekte mit ihren unpersönlichen, passiven Satzformen um sich warfen), oder dass sich jemand mal ihre Namen merkte, die Rei schwer hätten entgehen können, da sie sehr regelmäßig und sehr lange nur mit NERV-Beschäftigten interagierte – Jede Wahrnehmung als „Nettigkeit“ wurde wohl durch ihr fehlenden Konzept für Dankbarkeit, ihr Unverständnis für spontane Sozialisation und ihre generelle Tendenz, nur zu sprechen, wenn sie angesprochen wurde, ausbalanciert oder ganz zerstört, aber dennoch blieb ein bestimmter, schwer-greifbarer Eindruck erhalten, der sich an der Dissonanz nährte die diese Menschen damit hatten, ein junges Mädchen zum Kampf zu drillen – anders als das Second Child, deren Erziehung und Ausbildung zum weit angelegten Großprojekt der dritten Außenstelle erklärt worden war, gingen die Existenz von und die Interaktion mit der Pilotin des Hauptquartiers mehr kalt mechanisch bis bürokratisch-beiläufig von statten: Irgendwie gab es da dieses unmögliche junge Mädchen, das nirgendwo herkam und nirgendwo dazu gehörte, und Arbeiteb und Projekte, die sie involvierten, waren auszuführen, ohne Fragen zu stellen oder Skrupel zu äußern, es war einfach Teil der Arbeit, in dieser kalten, pragmatischen Post-Impact-Welt. Für Rei selbst waren die Zugehörigkeit zu Nerv und alle damit verbundenen Aktivitäten und Prozesse einfach Alltag, und dieser Leutenant zweiten Grades genau wie sie ein Zahnrädchen im ganzen, dass eine bestimmte Funktion ausführte, wegen der andere – inklusive Rei – sich an ihn zu wenden hatten. Das war noch immer gelegentlich der Fall, sie kannte sein Gesicht, aber letztlich wurde er für sie nie mehr als ein namenloser Dienstrang. Sie dachte sich nicht besonders viel dabei, und das galt in noch stärkerem Maße für dieses jüngere Selbst, dass damals hierher geführt worden war. Heute konnte sie insgesamt urteilen, dass sie damals einfach nur ein unsicheres, unerfahrenes junges Mädchen gewesen war, das sich an eine neue Umgebung hatte anpassen müssen, doch damals hatte sie noch nicht dieses Konzept in ihren Gedanken besessen, eine häufige und typisch-gewöhnliche Konsequenz des Jünger-Seins – Zwar hatte sie keinesfalls weniger Informationen absorbiert, akzeptiert und verarbeitet als heute, doch wusste sie sie noch nicht so weit zu strukturieren, soweit sie erkennen konnte, eine normale Konsequenz des Älter-Werdens, die durch ihre Unerfahrenheit mit der äußeren Welt intensiviert worden war. Ihrem jüngeren selbst hätte man die - teils erst später erkannt und bewerteten! – Zweispalte beileibe nicht ansehen können, konnte sie sie doch höchst selbst nicht erkennen – Ihr Gesicht war eine ausdruckslose Noh-Maske, sie war – immer, ewig, und bis heute! – eine getreue Darstellerin, die ihre Rolle in einem größeren Ganzen ausführte, eher dass sie irgendwas anderes war. Andere Faktoren spielten durchaus schon eine nicht offensichtliche, aber durchaus bestimmende deutliche Rolle, aber es waren vor allem die fünf Punkte an ihrem Rücken, die sie führten und anleiteten, die fünf Finger des Commanders, entweder höchst indirekt durch Falten des Stoffes, oder durch direkten Druck und dessen Anwesenheit verspürt, die sie damals anführten, und recht mechanisch durch Fingerdruck oder dessen Abwesenheit dirigierten, je nachdem, ob sie stillzustehen hatte, oder ob sie weiter gehen sollte, und das sollte sie damals auch, bis sie die Schwelle der Wohnung erreichte, die sie sich damals selbst aus den Anzeigen herausgepickt hatte, eine Adresse oder Residenz, die in ihren Papieren stehen können würde, insbesondere für die Schule und allerlei offizielle Dokumente über dem gemeinsamen Nenner-Bruchstrich der kaltschnäuzig vernachlässigten Tarnung. Ein weiteres, forderndes, wenn äußerlich höchstens als gerichtet wirkende Kontraktion seiner Finger Erkennbarkeit Signal seitens des Commanders, und Rei’s jüngeres selbst hätte mit ihren schlichten Uniformschuhen auf die verstreuten Umschläge und Prospekte treten können, wenn sie dort schon gewesen wären – Irgendwie hatte sie Gefallen an diesem Gedanken einer innerlichen Meta-Realität, aus der sie, unbekleidet, im Schneidersitz positioniert und von den spärlichen, aber relevanten Besitztümern umgeben, die sie in der Zwischenzeit angesammelt hatte, aus dem paradoxen Schutz des morgendlichen Zwielichts zu der Öffnung des Innenraumes blicken konnte, durch die das Tageslicht noch genau so stechend, blendend und überwältigend hineinfiel, wie sie es damals wahrgenommen hatte – Heute sah sie das in dieser Wohnung künstlich geschaffene Zwielicht als Schutzraum, damals war das Eintreten für sie ein Schubser in die Dunkelheit, eine plötzliche, reaktionär-mechanische Bewegung, die den Eindruck hätte vermitteln können, dass ihr ohne die Vorgaben des Commanders die Fähigkeit zur autonomen Bewegung völlig gefehlt hatte. Sie betrachtete das gedankliche Bild des jüngeren Mädchens, rekonstruiert aus Spiegelbildern und Extrapolationen von Wahrnehmungsdaten aus ihrer Perspektive, zählte Veränderliche und Konstanten, subtrahierte sie von der Gegenwart. Ein Großteil der Atome und Proteine, die das eingetretene Mädchen ausmachten, waren seither ausgetauscht worden, teils waren Zellen ganz ersetzt worden, doch selbst, wo sie das nicht getan hatten, war doch in jedem einzelnen Winkel dieser Einzellerkolonie physische wie chemische Veränderung geschehen – Dass sah man schon am offensichtlichsten daran, dass sich die Gesamtkörpermasse seither erhöht hatte, Höhe, Breite, Tiefe. Nach einigen der möglichen Postulate für eine Quantengravitation spielte die ganze Realität auf einem Netzwerk unendlich dünner, eindimensionaler Saiten, deren Erregungszustände beispielsweise Elementarteilchen darstellten, und alle Objekte dieser Welt waren bloß Wellen, die über ein Netzwerk dieser kosmischen Instrumente weitergegeben wurden. War ein mit Ersatzteilen repariertes Schiff in irgendeiner Form noch physisch das gleiche, außer, dass es in Gedanken von ewig kategorisationsfreudigen Wesen als definierter Bereich markiert war? Inwiefern war ihr ich von vor fünf Minuten überhaupt noch dieselbe Person? War auch sie nicht gerade jetzt in diesem Moment nur das ‚ich‘ eines sehr begrenzten Zeitpunktes, das sich für kontinuierlich hielt, weil sie zu den Berichten der Vergangenheit Zugang hatte, und nicht ahnte, dass sie jeden Moment für immer verlöschen würde, ersetzt von einer ähnlichen Zwiebelschicht von Ego, die sich dann wiederum für kontinuierlich hielt? Sie war sich der Zerbrechlichkeit der bloßen Idee eines Egos durchaus bewusst, waren all diesen beliebten philosophischen Gedankenexperimente oft Teil ihrer höchst persönlichen, alltäglichen Realität. Wenn sie jetzt ihr Notizheft in den Händen hielt, sah sie Schnappschüsse und Relikte der ‚Ichs’ vergangener Tage. Zumindest war es ein Mittel der Orientierung, ein dicker, roter Textmarker, mit dem sie Linien und Struktur durch ihre Existenz ziehen könnte – ‚Vermächtnis‘ wäre ein zu großes Wort, ein kleiner Fetzen der Magnitude „18:30: Synchrontest“ reichte kaum aus, um ein ganzes selbst mit inneren Mechaniken und Dynamiken zu erfassen, noch war es praktikabel, jedes einzelne Detail festzuhalten, besonders die Unmengen von Dingen, die stetig gleich blieben – Es würde länger dauern als der infinitesimale Moment, den etwas unverändert bestehen bleiben konnte, ja, der Zustand des Schreibens war ja selbst eine Veränderung – und in der See wiederholter, höchstens leicht abgewandelter Notizen würden die relevanten Details völlig untergehen. Dennoch, wenn sie die Einträge durchblätterte, stießen sie die Ketten von Assoziationen an, die ihr Gehirn mit den damaligen Situationen verknüpft hatte, und es entstand zumindest ein grober Eindruck, ein verblassendes Stempelbild – Es gab auch passendere, aber spezifischere Metaphern, auf die sie zurückgreifen könnte. Das älteste erhaltene Artefakt der nordischen Runenschrift war der persönliche Kamm eines skandinavischen Kriegers. Obwohl die Menschen nördlich ihrer Grenzen von den Römern (deren damalige Hochtechnologie ihnen ja den Bau von Swimmingpools, Fußbodenheizungen und diverser mechanischer Arbeitserleichterungen erlaubte) als wilde Barbaren tituliert wurden, waren sie für solche eigentlich recht eitel gewesen: Archäologischen Erkenntnissen nach war es üblich, einen Kamm an den Gürtel gesteckt überall mit hin zu nehmen, und selbst in relativ simplen Urnengräbern gewöhnlicher Männer finden sich solche Kämme als Grabbeigaben. Da der fragliche Kamm allem Anschein nach aus einen Rentier- oder Elchgeweih geschnitzt wurde, kam sein Besitzer vermutlich ursprünglich aus Norwegen, gestorben ist er aber auf einer Insel, die heute zu Dänemark zugerechnet wurde. Aus der Zeit sind etliche Zeugnisse von Konflikten bekannt, die auf kriegerische Zeiten hindeuten, aber wieso man sich bekriegt hat, hat niemand festgehalten – Die Schauplätze der Schlachten lagen zu weit von der römischen Grenze weg, um das Imperium direkt zu betreffen, und was kümmerten die Römer schon ein paar lokale Streitereien zwischen Barbaren? Die Archäologen wissen hauptsächlich von diesen Konflikten, weil die Einheimischen damals die charmante Angewohnheit hatte, einen Anteil der Kriegsbeute als Dank an ihre Kriegsgötter in Seen und Morasten zu versenken: Schwerter, Schilder, Schmuck und persönlicher Besitz der Feinde. Darunter befand sich auch der Kamm des besagten Kriegers – Heute weiß niemand mehr, wofür er gekämpft hat, wie viele Männer er erschlagen, wie viele Hütten angezündet und wie viele Schilde er erbeutet hat – Alles was blieb, war ironischerweise sein Name, den er in den besagten Kamm eingeritzt hatte, wie ein gegenwärtiger Soldat seine Kasernen-Zahnbürste hätte beschriften können: „Harja“. Oder: In den Wäldern am Amazonas gibt es eine heimische Orchideenart, von der man ausgeht, dass sich ihre Blüten im Laufe der Evolution entwickelt hatten, um im Zustand voller Blüte die Weibchen einer bestimmten Bienenart nachzuahmen, auf das die Männchen die Blüten auf der Suche nach einer Partnerin besteigen und das Pollen der Blüte dabei von einer Pflanze zur nächsten tragen würden. Die fragliche Biene ist jedoch vermutlich schon seit langer, langer Zeit ausgestorben, und hat keinerlei fossile Spuren hinterlassen. Um das Unvermeidliche hinaus zu zögern, haben die wenigen verbliebenen Orchideen auf Selbst-Befruchtung zurückgegriffen, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Art vom Antlitz des Planeten verschwunden sein würde. Alles, was von der Bienenart also geblieben war, war ein Bild der weiblichen Biene in Form, Duft und Berührung, wie sie durch die Wahrnehmung der Männchen erschienen, gemalt von einer sterbenden Blume. Es waren diese Art von Fakten-Kollektionen, die der jungen EVA-Pilot ein Gefühl von tiefer Traurigkeit gab, aber auch von tiefen Verständnis und eine Ahnung von der Möglichkeit, dass sie nicht allein durch diese Dunkelheit wandelte. Die Tragödie, von der Vergangenheit zu wissen, lag nicht darin, dass man nicht alles wusste, sondern genug, genug um die Punkte in den Graphen auf hunderttausend verschiedene Arten zu füllen, und den wenigen Puzzlestücken, die man niemals finden würde, sehnsuchtsvoll nachzutrauern, und allem, was man nicht wissen und weitertragen konnte, wo man im Versuch, alles in einer Vorstellung in Erinnerung zu halten, nicht mehr eine bestmögliche Näherung widerspiegelte, sondern nur noch sich selbst – Verlorene Technologien, verlorenes Wissen, verlorene Details, alles, worüber sie nur mit Sicherheit wissen konnten, dass sie es niemals wissen würden. Sie hätte sich selbst niemals als verloren bezeichnet, lief sie doch einen klar begrenzten Pfad entlang, auf dem sie täglich ein definiertes Stück vorankam, aber nicht alle, die in der Finsternis wandelten, waren verloren. Wenn sie der spezifische Schlag von Menschen, der ihre ganz eigene Umgebung bildete, sie etwas gelehrt hatten, dann das; Das war vielleicht eine der zentralsten Erkenntnisse ihrer ersten Jahre. Wenn sie also den ersten Eintrag dieses Notizheftes betrachtete, dann sah sie darin vielleicht nicht ihr ich am damaligen Tage, aber doch etwas, was sie angestoßen und indirekt beeinflusst hatte, wie diese Biene die Wissenschaftler, welche die Blume studiert hatten, oder wie die Arbeiter beeinflusst worden waren, welche den Kamm und weitere Artefakte von der gleichen Schlacht bei Entwässerungsarbeiten gefunden hatte, und die alte Schrift noch immer zu lesen wussten. Sie hatte die erste Notiz nicht direkt nach ihrem Einzug verfasst, aber doch zeitig genug, dass von ihrem ‚selbst‘ dieses Momentes noch ein ausreichendes, von der Bedeutung der Situation gefestigtes Echo geblieben war, und auch, wenn sie fehlende oder vergessene Details erschließen und nachkonstruieren musste (Und galt das nicht für alles, was man nicht gerade im Zentrum des Blickfeldes hatte?) reichte es, um sich in Gedanken zum Nachbild dieser Zeiten hin zu drehen, und sie zu fragen: „Welchen Sinn hat es für mich, mir Fragen zu stellen und Wünsche zu hegen, wo ich doch genau weiß, woher ich komme, und wohin ich gehen werde?“ „Da ich du bin, kann ich dir darauf keine Antwort sagen. Was weißt du schon von Wünschen?“ In der tat. Was? Was gab es darüber denn überhaupt zu wissen? Es gab Zeiten und Momente, da würde sie ohne zu zögern sagen, dass sie bis jetzt eine wunsch- und traumlose Existenz geführt hatte, und dass sie für keines dieser Dinge Verwendung haben würde, schließlich hatten sie zu ihrer Aufgabe nichts beizutragen. Aber war das so auch ganz korrekt? Als der Commander sie damals an diesen Ort geführt hatte, hätte sie das wohl noch nicht bezweifelt: Keine Träume, keine Zweifel, keine Wünsche (?), ein klar vorgegebener Kurs schnurgerade vorwärts. Sie hatte kein Konzept davon, dass das gut oder schlecht sein könnte, es war einfach, wie es war, eine Säule der Welt, ein Naturgesetz, aber wie bei letzteren war anzumerken, dass es durchaus seine Berechtigung hatte, wenn alles seine Ordnung hatte. Sie hatte sich, heute wie damals, größtenteils nach dem Commander gerichtet, von dem sie, weil dieser Zustand schon so lange angehalten hatte, ausreichend wusste, was sie von ihm erwarten konnte und was nicht, doch dieser löste an diesem fernen Tag damals nur ihre physische Verbindung und wendete seinen Körper ab, hielt sie aber noch über die Schultern hinweg fixiert. „Ich überlasse dir den Rest.“ Die tatsächlichen, minimal abgefassten Worte ließen in der Originalsprache mangels einen wirklichen Pronomens und der generellen Tendenz des NERV-Vorsitzenden, sich nicht mit Höflichkeitsformen aufzuhalten, nicht wirklich erkennen, ob er damit Rei oder den anwesenden NERV-Mitarbeiter gemeint hatte, der ihr darauf hin noch Papiere und Formulare zur Anforderungen weiterer Ressourcen aushändigte, und ihr die Funktionsweisen und Zweckdienlichkeiten der soweit vorhandenen Einrichtung erklärte. Etwas zögerlich zwar, das heranwachsende Mädchen in dieser Finsternis allein zu lassen, hatte der sekundäre Leutennant, ein junger Mann mit kurzen, nicht weiter erwähnenswerten braunen Haaren, ihr noch erläutert, dass sie ihn gerne fragen könnte, wenn sie noch etwas brauchte, wobei ihre bloße Zurkenntnisnahme seine Versuche in freundlichen, kindgerechten Enthusiasmus schnell abwürgten, sodass er sich letztlich doch entfernte und sie mitten in den Schatten stehen ließ, und dort war sie noch. Seid diesem Tag war viel geschehen. Aber es gab auch Dinge, die sich nicht veränderten; Sie war bei ihrer Schöpfung mit der Funktionalität ausgestattet worden, für die der Commander sie benötigte, und daher hatte sich ihre Funktion zum Beispiel am wenigsten verändert; Sie war nach wie folgt ein deterministischer Automat, der nach Erhalt bestimmter Zeichen und Befehle in klar definierte Zustände wechselte. Sie bekam Befehle, und führte sie aus. Befehle, Ausführung, Befehle, Ausführung, Befehle, Ausführung.... Sie durchschritt eine Welt randvoll mit Lebewesen, die einander fraßen, sich miteinander Fortpflanzen, miteinander in Verbindung traten, und nach ihrer Bedeutung suchten, und sie tat keines dieser Dinge, und hatte daher auch nie eine Begründung, sich in ihren Reigen einzureihen und an dem, was da außerhalb ihrer Daseinssphäre vor sich ging, in irgendeiner Form teilzunehmen. Am Anfang war sie bisweilen eingeladen worden, auch von Captain Katsuragi, aber in merklichen Maße auch von ihren neuen Klassenkameraden, als sie die Schule dann zum ersten Mal besuchte, verschiedenartige Aufforderungen zu einer Vielzahl von Aktivitäten, von denen die spezifischen Bedeutungen der Unterschiede nicht im Felde ihrer Expertise lagen, und entgegen dem, was manche vielleicht angenommen hätten, waren diese Anfragen nichts, was sie verwunderte – alle Beteiligten waren ja zu Geheimhaltungszwecken nur unvollständig über ihre Funktionen informiert, daher war es verständlich, dass sie annehmen würden, dass sie den ihren etwas mehr ähneln würden, als sie das tatsächlich taten. Weshalb eine Geheimhaltung nötig sein könnte, und was davon zu halten sei, war nichts, wozu sie eine besonders definierte Meinung hatte, wieso auch? Es war einfach so, vom Commander festgesetzt, ob sie nun etwas dazu meinte, oder nicht. Dazu passte auch, dass diese Aufforderungen und Angebote mit der Zeit allmählich verebbten, solange sie ihnen passende Antworten anbot: „Das wird nicht nötig sein.“ „Dazu besteht kein Grund.“ „Nein.“ Es dauerte nicht lange, bis ihr Sitzplatz wieder ungefähr so behandelt wurde, wie dies wohl geschah, als dort noch niemand zu sitzen pflegte, inklusive dem gelegentlichen weg-greifen des Stuhles, da die Schule in der Hierarchie ihrer Pflichten nur sehr sekundär anzusiedeln war, und sie daher oft für weit höher priorisierte Experimente abgezogen wurde. Am längsten währten die Austausche, die sie damals mehr als die Regelung von Regularien registrierte als als Kommunikationsversuche, wohl im Falle des sommersprossigen Mädchens, dessen zugeteilte Aufgabe es war, zu einem geordneten und disziplinierten Hergang des Unterrichts und aller assoziierten Pflichten beizutragen. Ein Zusammenhang zwischen dieser Position und ihrer Handlungsweise hätte Rei zunächst nicht benennen können, akzeptierte ihn aber als einleuchtend, als die Klassensprecherin selbst ihn explizit benannte. Das ihre Aktivitäten nicht mit den durchschnittlich zu erwartenden Verhaltensweisen der meisten anderen Schüler übereinstimmte, wusste Rei. Wäre sie in der Position ihrer Mitschülerin, würde sie einer solchen Unregelmäßigkeit vermutlich ebenfalls auf den Grund gehen wollen; Der Commander hätte eine solche Vorgehensweise wohl als gewissenhaft und effizient wertgeschätzt, oder zumindest war das bisher Reis eigener Eindruck von der Klassensprecherin, die damals ein wesentlich kindlicher gestaltetes Individuum von zwölf Jahren war, aber schon damals zu ihrem gegenwärtig üblichen Frisurenstil tendierte. Selbst, als alle anderen Reis schattenhaft-spärliche Präsenz kaum noch zu registrieren schienen, wanderte das Mädchen mit den Zöpfen noch regelmäßig zu ihrem Platz hinüber und fragte nach, ob sie nicht mit ihr und einer gewissen 'Ayumi-chan' zu Mittag essen wolle, verschiedenartige Mühen, die Rei ihr stets ersparte, bis sie sich eines Tages, als der Klassenraum schon fast leer, und die späte Nachmittagssonne schon am versinken war, resigniert an die Fensterbank lehnte und Rei mit einem Ausdruck ansah, der zu persönlich bewegt war, um als Frustration bezeichnet zu werden. „Sag mal, Ayanami-san, kann es sein, dass du mich nicht leiden kannst?“ „Nein.“ hatte sie bloß geantwortet, ohne von ihrem in der ferne verlaufenden Blick durch das Fensterglas abzusehen. Mit einer Schwere und einer gedrückten Spannung in ihrer Stimme, die eine dringende Antwort zu erbitten schienen, formulierte sie eine weitere bitte. „...du kannst ruhig ehrlich sein, wenn du willst.“ Auch wenn ihr nicht klar war, welche Rolle ihr abgewendeter Blick dabei spielen könnte, erkannte Rei die Intensität in ihren Worten, und empfand entfernt so etwas wie Mitgefühl, sodass sie beschloss, dass hier eine deutlichere Antwort angemessen war, auch wenn sie den Umfang dessen, was ihre Klassenkameradin für bedeutend erachten würde, nur entfernt abzuschätzen wusste. „Nein. Das ist keinesfalls der Fall.“ Damit wusste nun aber die Klassensprecherin nicht wirklich etwas anzufangen, und suchte nach den richtigen Worten, auch, obwohl dies ihre Gegenüber nicht ganz klar war, aus Achtung gegenüber Rei. „Hm... Ich... ich hatte nur eben den Eindruck, dass du.. ohne dir jetzt zu nahe treten zu wollen, unsere Versuche dich in unsere Gruppe einzugliedern, nicht wirklich zu schätzen gewusst hast... Also, es- es tut mir leid wenn ich dir irgendwie auf die Nerven gegangen bin, und ich wollte jetzt nicht irgendwie... herablassend sein oder nur aus... falsche Mitleid oder so was mit dir abhängen, wirklich nicht! Ich habe mir bloß Sorgen gemacht, weil, als Klassensprecherin bin ich halt auch ein Stück weit für unsere Klassengemeinschaft verantwortlich, und ich will wirklich nicht, dass du dich hier irgendwie unwohl oder ausgegrenzt fühlst-“ „Ich verstehe. Dies ist nicht der Fall, weitere Maßnahmen von deiner Seite sind also nicht nötig, Klassensprecherin.“ Das die Nicht-Verwendung ihres Namens sie jetzt verunsichert haben könnte, kam Rei nicht in dem Sinn – für sie waren Rang und Funktion einfach die natürlichste Ordnung der Welt, wenn nicht eine Existenzbestätigung, im generellen Sinne. Die Klassensprecherin sah zwar nicht besonders zufriedengestellt aus, suchte Rei aber von diesem Tage an nicht mehr auf, sodass sie es wohl in irgendeiner Form gewesen sein musste. Im Notizbuch-Eintrag diesen Tages erschien als kurzer Kommentar 'Unterredung mit der Klassensprecherin', genauer wusste sie es nicht zu klassifizieren, und genauer genommen war es auch nicht relevant. Aber, wenn sie ihre Gründe damals genauer hinterfragt hätte, wäre sie wohl an dem diffusen Ende angekommen, dass es ihr irgendwie falsch vorgekommen wäre, es einfach unerwähnt zu lassen, oder etwas genauer bestimmtes als 'falsch', was sie der damals nicht mal wirklich bemerkten Empfindung nicht zuzuordnen wusste. Jedenfalls folgte auf dieses Geschehnis nichts weiteres, und Reis Tage und Nächte rauschten an ihr vorbei, wie sie es immer getan hatten – Sie stand auf, sie führte Befehle aus, sie dachte sich ihren Teil dazu, und legte sich dann wieder hin. Zu irgendeinem Zeitpunkt musste sich aber irgendetwas verändert haben, zwischen all den Befehlen und all ihren Ausführungen, wenn sie jetzt hier saß, und den Anstoßzeitpunkt eines laufenden Prozesses zu ermitteln versuchte. Die offensichtlichste Gegebenheit war, dass die Zeit der Verheißung angebrochen war, die akute Erfüllung ihres lang vorherbestimmten Schicksals, und als natürliche Konsequenz dieses Prozesses traf sie zum ersten mal auf einen anderen Piloten als sie selbst – Den leiblichen Sohn ihres eigenen Schöpfers, Ikari Shinji. Auch, wenn diese Beschreibungen, wenn auch formell korrekt, mittlerweile etwas unvollständig erschienen wenn sie so ohne weiteres dastanden – Und irgendwo dort saß der Knackpunkt versteckt. In ihrem kleinen Notizheft war dieser Tag nicht gesondert vermerkt und, generell, nichts im Umkreis einiger Wochen, da sie derzeit durch den ungünstigen Ausgang eines Experiment am weiterführen ihrer Aufzeichnung gehindert worden war. Doch auch, als die Einträge zunächst weitergingen, hatte sich nichts verändert, es stand ihr frei, ihre gewohnte Regelmäßigkeit zu verfolgen, bis sie den Zeitplan der Operation wiedererkannt hatte, den sie zu seinerzeit in seinem designierten Krankenzimmer verlesen hatte. Der Eintrag war später um einen kürzeren Eintrag ergänzt, der nichts erwähnte, was sich nicht in Muster der Relevanz gießen ließ, nicht anders als der Bericht, den sie dem Commander in Person ausgeliefert hatte, am Ende noch eine Notiz darüber, dass sie den nächsten Tag frei bekommen hatte, und über alles andere bewahrten die simplen Zeilen das Schweigen. Danach aber begannen diese kleinen Kommentare aufzutauchen, unscheinbar-dezente, nicht wirklich unbegründete Anmerkungen. 'Heute dieses und jenes ausgeführt. Das Third Child war ebenfalls anwesend'. Synchrontests. Simulationen. Nicht weiter erwähnenswerte Begebenheiten in der Schule, und beinahe-Einsätze, bei denen sie aufgrund der zum derzeitigen Zeitpunkt noch in Arbeit befindlichen extensiven Reparatur- und Upgrade-Arbeiten an EVA 00 gar nicht erst zum Einsatz kam, an sich bloße erklärende Fußnoten in ihrer Einsatzhistorie, aber immerhin: 'Ikari-kun war ebenfalls anwesend'. Die Diskrepanz wurde vielleicht etwas deutlicher, als 'die Pilotin von Einheit Zwei' ein paar knappe, verstreute Erwähnungen fand, denen beim besten Willen keine Regelmäßigkeiten anzusehen waren, und meistens eng mit den Worten 'Einsatz' , 'Kampf' und 'Zielobjekt' assoziiert waren, und dann war da dieser Eintrag, wobei es weniger der an sich sachlich abgefasste und viel unterschlagende Absatz selbst war, als dessen unerklärliche Eröffnungszeile: 'Heute haben wir getanzt.' Das war eines der Wörter, die Captain Katsuragi verwendet hatte, als sie ihr das Klemmbrett mit der Choreographie in die Hand gedrückt hatte. Im wesentlichen lag eine konkrete Situation vor, und es wurde erforderlich, dass sie sich dieser anpasste, also tat sie dass, wozu sie da war und erbrachte das befohlene Resultat, und dann hatte sich die Angelegenheit in viel Chaos und Geschrei aufgelöst bevor sie es, mit den Kopfhörern auf den Ohren und zum Zwecke einer tieferen Konzentration geschlossenen Augen, überhaupt mitbekommen hatte, und dann war Ikari-kun der Pilotin von Einheit Zwei auch schon hinterher gestürmt, und letztlich wurden ihre Dienste gar nicht erst benötigt, was strategisch gesehen sehr günstig war, zumal Einheit Null ja bekanntlich in Reparatur war, und jener unangenehm-blutrote EVA mit seiner designierten Pilotin sicherlich die effizientesten Ergebnisse erzielen würde, ein weiteres Stück Allerweltsbetrieb auf dem langen, steinigen Weg bis zur Vollendung des Projekts, und im wesentlichen war dies alles, was es zu dieser Begebenheit zu vermerken gab, außer, dass dies das bisher erste und einzige Mal, dass sie Zutritt zum primären Schauplatz seiner alltäglichen Existenz bekommen hatte, und natürlich war dieser Ort randvoll gewesen mit all diesen Dingen die sie nicht verstand und nichts mit ihr zu tun hatten, vom übertrieben süßlichen Geschmack des Getränkes, das Captain Katsuragi ihr in die Hand gedrückt hatte, zu dem wahrhaftigen Sturm aus Geräuschen und Gerüchen, die während ihres kurzen Besuches über sie hinweggebraust waren, und für sie weitaus weniger zu bedeuten hatten als für irgendjemand sonst in der Menge der Anwesenden – Doch unter alledem lag eine dezente, unmissverständliche Note von ihm, eine subtile Handschrift in der Anordnung der ortsansässigen Objekte, beispielsweise der Küchenutensilien, oder in den Worten und Handlungen von Anwohnern und anderen Gästen, reservierte Eigenheiten einer Beziehung, die nur in Gegenwart der anderen Person zum Vorschein traten, und noch weitere, unscheinbarere Feinheiten, die Rei mit ihrer damaligen, oder selbst ihrer jetzigen Lebenserfahrung kaum benennen, aber schwer übersehen konnte, ganz zu schweigen von dem, was unweigerlich über ihr Verständnis hinweg gerauscht sein musste... immerhin war sie dort gewesen, um eine genau definierte Funktion auszuführen, und auf diese war sie auch fokussiert gewesen, alles andere waren nur beiläufige Anmerkungen, die nicht von größerem Belang gewesen waren. Dennoch... angesichts der Tatsache dass er die fraglichen Tage, diese ganze Region der Zeit, größtenteils in isoliertem Spezial-Training mit der Pilotin von Einheit Zwei verbracht hatte, war es an dieser Stelle des jüngeren Zeitverlaufs vermutlich am offensichtlichsten... auch, wenn es nicht explizit Teil ihrer Aufgaben war, ein Teil seiner oder sonst irgendjemandens Welt zu werden, so hatte es sie doch immer mit Intensität und Licht erfüllt wann immer eine solche Gelegenheit durch irgendwelche Winde und Spielereien des Schicksals in ihrem Schoß gelandet war – ihr Festhalten an ihrer Verbindung mit dem Commander, welche sie zuvor auch, weil es nur eine weitere Ausführung seines Willens gewesen war, nie als von ihren größeren Funktionen im Schaltplan des großen Werkes getrennt wahrgenommen hatte, erkannte sie jetzt als eine weitere Ausprägung dieser Tendenz. Und doch war diese ganze Angelegenheit mit Ikari-kun grundlegend anders, vielleicht frei von der grundlegenden Asymetrie zwischen einem Schöpfer und seiner Kreatur – Nun hatten beide Ikaris eine eigene, größere Welt von der sie nur ein bestimmtes Kompartiment darstellte, das im Falle des Commanders auch ein zugeordnetes Kompartiment des großen Planes darstellte, ein Kompartiment das wohl auch von jedem anderen ihrer zahlreichen Kopien in den Gedärmen des Terminal Dogma ausgefüllt werden konnte. Es gab dabei wohl noch feineres Detail, dass sie gedanklich herausarbeiten könnte, aber im Augenblick konnte sie die Unterscheidung, die sie deutlich fühlte, mit dem Verstand nicht wirklich erfassen; Die Worte dazu musste sie erst noch finden. Auf der anderen Seite hingegen schienen die Dinge ungewöhnlich klar, und das, obwohl sie es gewohnt war, das Klare mehr in den vertrauten als in den neuen Elementen zu finden... diese hatten nie zu ihrer Aufgabe gehört, also hatte sie sich nie die Fähigkeiten angeeignet, die von Nöten waren, um diesen Pfad zu bestreiten... jetzt, wo es sich ergeben hatte, wo sie wider erwarten herausgefunden hatte, dass sie mit der unbekannten Welt um sie herum interagieren wollte, fehlten ihr vertraute Vorgehensweisen und Methoden, um dieses Unterfangen, diese diffuse Suche nach Antworten sinnvoll zu bestreiten. Rei war nie zögerlich gewesen, aber sie handelte tendenziell bedacht; Jetzt irgendwie mit einer nicht weiter formulierten oder definierten Kommunikation hervorzubrechen hieße, ihre Fingerkuppen in die Finsternis zu strecken, und selbst jetzt, wo sie sich diesem auf und ab von verschiedenartigen, schwellenden Impulsen unmittelbar bewusst war, hieß dies noch lange nicht, dass diese mit einer Instruktion geliefert kamen, wie sie ausgedrückt oder anderweitig verarbeitet werden sollten. Mit all ihrem Vokabular und dem vollen Ausmaß ihrer für das Projekt benötigten Fähigkeiten, trotz jahrelangem Kampftraining und der Fähigkeit, diese Welt auf einen einzelnen Befehl hin niederzureißen, stand sie verklemmt da wie ein stummes Kind. Um mit Frustration zu reagieren, hätte sie eine andere, vielleicht allgemein geläufigere Vorstellung von dem haben müssen, was ihr an Möglichkeiten zur Verfügung stehen 'sollte' – Der Gedanke war eine bloße Feststellung, auf die sie nicht einmal die problemlöserische Maschinerie ihres Verstandes los ließ, doch dass hieß nicht, dass sie die Gedanken wie sooft zuvor konsequenzlos vorbeiziehen ließ. Entgegen dem, was man annehmen könnte – und von vielen in ihrer Umgebung auch 'großherzig' angenommen wurde – war Rei auf gar keinen Fall eine Person, die von der Welt um sie herum nicht bewegt wurde, die nichts empfand wenn die Räder des Schicksals über sie und ihre nähere Umgebung hinweg walzten... bis her hatte sie nur nicht gewusst wie, und selbst jetzt, ergriffen von den Händen einer Dringlichkeit, deren Quelle sie nicht aufzudecken vermochte, konnte sie die treffende Phrase, die ihre Situation totschlagend beschreiben konnte, nicht finden, als läge sie nur knapp jenseits der Ränder ihrer Wahrnehmung, wie ein Objekt, dass sie gerade eben irgendwo hingelegt, den Standort aber nur mangelhaft in Erinnerung behalten hatte, etwas, dass sie nicht finden konnte, obwohl sie wusste, das es unmittelbar in der Reichweite ihrer suchenden Hände lag. Sie konnte nicht sagen, was es war, dass sie wollte, aber sie wollte es, kristallklar und erweckend-frisch wie ein kühler Nachtwind. Eine klare Methode eröffnete sich ihr immer noch nicht, aber sie war dennoch bereit, voranzuschreiten – Nach und nach hatte sich das Muster der Geschehnisse schon seit längerem vor ihrem Angesicht aufgedeckt, es war absehbar zu erkennen, dass sie ihre Antworten schon bald herauslesen können würde, wenn sie ihre Wanderungen auf dem Pfad, denn sie derzeitig eingeschlagen hatte, zielgerichtet fortsetzen würde, nicht als eine vage, passive Hoffnung, sondern eine Gewissheit, die sie in der Tiefe spüren konnte, eine ausreichend deutliche Vorsehung, die ihre geschulten Sinne unmöglich übersehen könnten. Bis dahin fiel es ihr zu, ihre Augen und Ohren offen zu halten. --- Unzählbare Male war Rei schon mit dieser Straßenbahnlinie gefahren, und zumeist hatte sie sie hauptsächlich als ein Mittel gesehen, um ihr designiertes Ziel zu erreichen, wo sie irgendeinen mehr- oder weniger signifikanten Teil ihrer Aufgabe erfüllen würde. Heute fühle sie die Festigkeit des Bodens unter ihren Füßen, den Geruch des abgenutzen Metalls am Geländer der kleinen Haltestelle, den Tanz der Sonne auf ihren dünnen Armen – und nichts davon war wesentlich neu, das Einschätzen von Unwichtigkeiten als ein abschätzig-überhebliches 'Abtun' zu praktizieren, widersprach grundlegend ihrer Natur – Schon lange waren diese Eindrücke entfernt in ihre Gedanken hinein gerieselt, aber vielleicht bestand der heutige Unterschied darin, dass sie eine bewusste... nicht wirklich 'Anstrengung', aber doch mehr als einen bloßen Beschluss gefasst hatte, die Details ihrer kleinen, hermetischen Welt gezielt zu fühlen, den Strom ihrer Wahrnehmung abtastend auszutesten, nicht unbedingt auf all das abzielend, was bis jetzt in ihrer Peripherie existiert hatte, nicht aus irgendeiner predigtartigen 'Einsicht' eines fundamentalen Fehlens, sondern einfach aus der bloßen, unmittelbaren Tatsache heraus, dass sie es wollte, dass ihr danach war. Die klischeehafte Beschreibung, dass sie bis jetzt geschlafwandelt hatte und nun endlich erwacht war, wäre zwar eine grobe Annäherung gewesen, aber in vielen Feinheiten unpassend und unterschlagend gewesen, nicht zuletzt wegen des grundlegenden Faktes, dass Rei in ihrer Existenz niemals vergessen könnte, dass sie sich nie wirklich sicher sein könnte, dass sie nicht eigentlich am Träumen war, ihre Entschlossenheit, Hingabe und ihr ganzes System aus Göttern, Dämonen und Überzeugen nichts als die kleinkindliche Wut eines selbstverleugnenden Mädchens, das mit aller Gewalt versuchte, einen rechteckigen Bauklotz in das runde Loch an der Oberseite der Spielzeugkiste zu stecken. Die dreckigen Fensterscheiben, durch die sie die Welt all zu oft betrachtete, waren kaum ein beachtlicher Zusatz zu der Distanz und Entfremdung die entstand, wenn sie versuchte, diese all zu materielle Welt durch die Fingerkuppen eines halbherzig funktionierenden Körpers zu erfassen, der nur recht mangelhaft an der unpässlichen Seele befestigt war, die er beim Ausführen seiner zugeteilten Funktionen hinterher zog wie manch einer seinen Blinddarm, als sei diese für den Plan keineswegs unrelevante Bau-Komponente die nebensächlichste aller Beiläufigkeiten – bis die Mitternachtsstunde kam, musste sie damit schließlich nichts weiter tun, als sie einfach zu enthalten, so zumindest verhielt es sich mit dem Umfang ihrer Instruktionen. Die Nebenprodukte dieses Umstandes erreichten nur selten die zugeteilte Hardware, entfernte, verwaschene Nachbilder von Leid und Unbehagen – Doch heute war es ihr in den Sinn gekommen, diesen vernachlässigten, oft verwirrenden Bestandteil ihrer selbst etwas zu beobachten, immer noch wie aus einer sicheren Entfernung, wachsam gegenüber dem unbeschreiblich Fremden, dass sie aus dieser Richtung gelegentlich heimsuchte, und erklärungslos herumschwirrte wie schroffe Fragmente in einem Datenformat, für dessen Öffnung sie kein kompatibles Programm zur Verfügung hatte. Am Blick in den Abgrund wenig produktives sehend, fokussierte sie ihre Aufmerksamkeit auf das erfahren und interagieren mit der äußeren Welt, den Ablauf der subtilen, gegenseitigen Formung der ihr zugehörigen Region in Raum und Zeit, und allem drumherum. Das Quietschen der Schienen unter dem einfahrenden Wagon war sichtlich unangenehm, ihr üblicher Platz zwei Schritte neben der Tür, die sich hinter ihr geschlossen hatte, in vorausschauender Nähe zu einer Haltestange, für den Fall, dass sie diese benötigen sollte. Die strahlen der Sonne füllten das Gefährt mit abwechselnder Intensität, je nachdem, wie es zwischen den umgebenden Gebäuden hin durchfuhr; Das getönte Licht des blutigen Sonnenaufgangs erschuf im Zusammenspiel mit den zahlreichen Fensterrahmen und Halterungsstangen ein wankendes Netzwerk aus dünnen Schatten. Der längliche, abgerundete Umriss ihrer eigenen Form war der einzige Makel in der Symmetrie, wenn auch ein eindeutiger Beweis, dass sie wirklich hier war, in Fleisch, Blut und drei Dimensionen, und nicht einfach nur das trügerische Produkt von irgendjemandes abschweifender Fantansie, aber da nur sie hier war, um davon Notiz zu nehmen, konnte sie sich nicht ganz sicher sein. Dennoch entschied sie, dass es nicht ganz wertlos sein konnte, ihre eigene Kenntnis über diesen Moment. Da die Nachbarschaft, in der sie ihre Tage verlebte, größtenteils verlassen war, würde es eine greifbare Weile dauern, bis das Abteil begann, sich zu füllen, sobald die Straßenbahn weiter ins innere der Stadt vorgedrungen war. Daran, wie sie, wie sonst auch, starr durch die ungenügend gereinigte Plastikscheibe in der Wagontür hindurchblickte, änderte sich heute nichts; Von außen, oder zumindest aus den meisten möglichen Winkeln betrachtet, änderte sich nichts an der stillen, eventuell als leicht unheimlich wahrgenommenen Form des Mädchens, das andere regelmäßige Fahrgäste dieser Linie mit erkennbarer Regelmäßigkeit zu sehen bekamen. Die meisten vermieden es entweder, sie anzusehen, oder hatten sie mitsamt ihrem Köpfchen voll mit azurstichigem Platinumblond einfach als eines dieser seltsamen Dinger akzeptiert, die gelegentlich auf offener Straße herumstanden, eine gewohnte Regelmäßigkeit im Tagesablauf, die nicht weiter hinterfragt wurde und mit der Zeit einfach Teil des üblichen Hintergrundes geworden war. Ein gänzlich ungetätigter, aber potentiell vorstellbarer näherer Blick hätte vielleicht offen gelegt, dass sie den vor ihren Augen her rauschenden Streifen der urbanen Landschaft heute mit unüblich fokussierten Pupillen ins Visier nahm, wirklich die hinter der Scheibe liegenden Dinge anblickend anstatt einfach nur in die Ferne. Ähnliches könnte über ihre anderen Sinne gesagt werden, auch wenn diese nicht mit einer noch so minimalen visuellen Andeutung einherging – Die Geräusche des Tages, die Unterhaltungen der Menschen, die ein Stück ihres typischen Morgens am Rande von Reis Daseinssphäre verbrachten, waren etwas dass sie, wie vieles andere, gelernt hatte, auszublenden. Zu anfangs hatte sie es, wenn sie sich recht entsinnte, als unangenehm empfunden, nach der Stille des Labors, in dem nur eine Handvoll von Akteuren existiert und operiert hatte, in dieses greifbare Meer aus andauernden Geschichten geworfen zu werden – Sie konnte nicht all diesen Unterredungen folgen, die Flut aus Gerüchen schien irgendeine Reaktion zu erwarten, und die Bedeutung in ihren Worten lenkte sie von ihren Gedanken ab. Aber wie so vieles, dass ihr Unbehagen bereitete, hatte Rei gelernt, es zu ignorieren, oder vielleicht mehr das Unbehagen selbst, dass für ihre Funktion schließlich nicht von Belang gewesen war – Jetzt, wo sie älter war, akribisch abgestumpft und etwas schwerer zu überwältigen, kam doch tatsächlich der Tag, an dem ihr der sinnlose Krach gelegen kam, nicht ganz als 'Forschungsmaterial', aber doch als Gelegenheit. Unter anderem war da ein Mann mit einer Zeitung, der sich mit einem Kollegen über die darin beschriebenen politischen Geschehnisse beschwerte, und über das weitere Bestehen seines Arbeitsplatzes spekulierte. Er wusste nicht, dass er nächstes Jahr gar keinen Arbeitsplatz mehr brauchen würde. Auch in dem, was die zwei jungen Studentinnen auf der vordersten Bank besprachen, konnte Rei wenig Belang finden, noch nicht einmal für die jungen Frauen selbst. Weiter hinten im Wagen zog ein Paar von Passagieren misbilligendes murren auf sich, offenbar aus Gründen der Lautstärke, oder unpässlichen Betragens seitens eines Mitglieds; Eine ältere Dame entschied sich für eine offene Beschwerde. Hierzu stellte sich eine Meinung oder Anmerkung ein, nämlich dass die genannte Dame die Umstände dieser Beiden nicht wirklich zu bedenken schien und die Feststellung, dass sie ihren Aufrufen zu Rücksicht zum trotz selbst nicht besonders viel davon zu praktizieren schien, und vielleicht deshalb blieb Reis Aufmerksamkeit deshalb an dieser Gruppe hängen, obwohl, oder vielleicht gerade weil, sie von allen Passagieren wohl am wenigsten mit der EVA-Pilotin gemeinsam hatte. Es handelte sich bei den Zweien um eine erwachsene Frau und ein fiependen, quengeliges Stimmchen, dass darauf wartete, im nächsten Kindergarten abgeliefert zu werden. Diese beiden Passagiere selbst und ihre Interaktionen waren ihr so fremd, dass sie zu ihrem Verhalten nicht einmal die weitläufigsten Schlussfolgerungen ziehen konnte; Die sachten, geduldigen Worte, mit denen die Frau den kleinen Jungen zum ruhig sein zu überreden versuchte, hätten genau so gut die Paarungsrituale einer seltenen Art von Skorpionen sein können, tatsächlich würde ihr Wissen aus dem Bereich der Biologie diese sogar wesentlich zugänglicher machen. Die Mengen von Reis persönlicher Lebenserfahrung und dessen, was da vor sich ging, waren komplett disjunkt, und falls sie überhaupt jemals angeborene menschliche Instinkte gehabt haben sollte, die dazu etwas zu sagen gehabt haben könnten, war davon auszugehen, dass die Umstände ihrer Aufzucht diese gründlich abgetötet, deren Entwicklung im Keim erstickt haben sollten. Wieso also sollte die Realität dieses an sich recht alltäglichen Zweiergespanns mit diesem ungewissen Knoten in ihrer Bauchgegend konfrontieren, mit dieser verkrampften Empfindung von ferner Sehnsucht und dumpfen Schmerz? Die Wurzel des Übels und die Schlüssel zu seiner Behebung blieben ihr so Hoffnungslos verschlossen, wie das unergründliche Phänomen, dass sie überhaupt erst ausgelöst hatte; Die fraglichen Passagiere verließen die Straßenbahn bei der nächsten Haltestelle, und obwohl der mittlerweile gut befüllte Wagon dadurch nur unwesentlich leerer wurde, war es Rei, als sei sie die einzige Person in diesem Abteil, oder zumindest wesentlich näher an diesem Zustand. Doch dieses beispielhafte Pendeln von Ursache und Wirkung machte sie auf das generelle Vorhandensein solcher Prozesse aufmerksam, und führte sie, vielleicht durch irgendein ungreifbares Detail an diesen beiden Fahrgästen katalysiert, nicht primär zu der recht naheliegenden Feststellung selbst, sondern zu einer Erkenntnis über deren Gewicht: Gesten der Sorge, außerplanmäßige Worte, selbst ein hinweg gestohlenes Lächeln... das war alles für ihn, in seine Richtung gerichtet, und irgendwo da draußen in diesem monströsen Urwald aus Beton und Asphalt war er gerade auf seinem eigenen Weg durch den Beginn seines Tages, und starrte wohl möglich durch eine eigene Scheibe hindurch, die sich nur unwesentlich von der unterschied, die sie jetzt in diesem Moment vor sich hatte. --- „Wirklichkeit.“ Diese mysteriöse Leere zwischen den Welten, und doch die einzig wirkliche Wahrheit. Schon per Definition hart und unabänderlich, aber doch vage und ungreifbar. Was sollte das sein, das Medium zwischen der Wahrnehmung einer Person, und der der nächsten? Es war schwer abzuschätzen, ob es einem Menschen überhaupt möglich war, etwas zu erfahren, über die ‚Dinge an sich‘ tatsächliche Informationen zu erhalten, aber zugleich konnte sie auch nicht ignoriert werden. Wahrscheinlich könnte er darin eingeschlossen ewig über sie nach-sinnieren, ohne das er einer Antwort wirklich näher kommen würde – aber dazu musste auch gesagt werden, dass Shinji nicht wirklich der Typ war, der auf eigene Faust ausziehen würde, um so etwas wie die Wahrheit zu suchen, selbst wenn er wüsste, dass es das irgendwo da draußen gibt – und noch weniger, wenn das nicht einmal sicher war. Vor einer langen, langen Zeit, es war so lang her, dass er nicht mehr sagen konnte wann, und wo, oder auch nur ob es wirklich geschehen war und nicht nur in einem weit entfernten Traum, hatte ihm jemand, der ihm sehr wichtig war, einmal gesagt, dass die Wirklichkeit etwas war, dass am Rande der persönlichen Träume zu finden war, … („Wozu hast du dann deine Hände? Wieso bist du dann hier?“) …und er wusste auch noch, dass er damals entschieden hatte, loszuziehen, um sich dessen selbst zu vergewissern, und die Antworten auf ihre Fragen zu finden. Er hatte sich entschieden, und die wenn auch vage und vergängliche, aber unleugbar wahrhaftige Verbindung, die zwischen ihnen gewesen war, das ausschlaggebende Argument für seine Entscheidung gewesen war, zu bleiben. (Eines der Hauptargumente, zumindest – Der andere hatte neben ihr gestanden wie eine zweite Säule aus unwirklichem, unkenntlichen Licht, ein Lächeln umrahmt von leichtem, weißen Haar, und die Worte, „Ich liebe dich“ – Allein daran hätte zu erkennen sein können, dass diese Szene niemals hätte Wirklichkeit sein können. Er wusste von der theoretischen Existenz dieses Satzes aus Filmen, Büchern und Erwähnungen anderer, also konnte er sich etwas darüber zusammenphantasiert, aber in seinem tatsächlichen Leben hatte er diese Worte nie persönlich gehört. ) Doch auch wenn es diese beiden waren, die ihn überzeugt hatte, dass irgendwo auf dieser Welt Hoffnung und Liebe existieren mussten, hatte der Pfad, den er eingeschlagen hatte, zugleich ihre unausweichliche Trennung bedeutet – Das hatte er damals nicht gewusst, aber trotzdem setzte er seinen Weg fort, alleingelassen mit einer unvollkommenen Idee von allem, was sie ihn gelehrt hatten, die für ein ganzes Leben reichen musste. Wenn diese beiden ihn jetzt sehen konnten, was würden sie von ihm und seinen Versuchen, mit der erdrückenden Wirklichkeit seiner Situation zu recht zukommen? Seid er hierher gekommen war, seit er sie getroffen hatte, war viel geschehen. Große und gewaltige Dinge, die die Zukunft der Welt mitgeformt hatten, sowie kleine, unscheinbare, in den Zwischenräumen verstreute Dinge, die doch nicht ärmer an Bedeutung waren. Ihretwegen hatte er so viel erfahren, erlebt und gefühlt, die er nie zuvor gekannt hatte, und er fragte sich, ob er je dazu kommen würde, es ihr zu sagen. Wenn er sie jemals wiedersehen würde, wenn er sie irgendwie finden könnte, irgendwo auf dieser Welt, würde er ihre Fragen dann beantworten können? Hatte er ihr nicht versprochen, noch einmal ihre Hand zu halten? 23: [Übungen in Nichtdeterminismus] --- "God deliberated from what member He would create woman, and He reasoned with Himself thus: I must not create her from Adam's head, for she would be a proud person, and hold her head high. If I create her from the eye, then she will wish to pry into all things; if from the ear, she will wish to hear all things; if from the mouth, she will talk much; if from the heart, she will envy people; if from the hand, she will desire to take all things; if from the feet, she will be a gadabout. Therefore I will create her from the member which is hid, that is the rib, which is not even seen when man is naked." -Rabbi Joshua --- Das Mädchen, was an Shinji's Seite durch das Morgenlicht stapfte, hatte vermutlich eine wesentlich bessere Idee von „Wirklichkeit“ als er – sie bestand darauf, ihn immer recht unsanft daran zu erinnern. Andererseits gab es dann auch andere Momente, in denen sie hoffnungslos den Kopf in den Wolken zu haben schien. Vielleicht war sie beides, vielleicht war sie ein endloses paradox, vielleicht waren es alle Menschen, aber die einfachste Erklärung war, dass sie einfach eine riesige Heuchlerin war, und das regte ihn endlos auf. Aber es war auch schwer zu unterscheiden, was wirklich sie war, und was nur eine Idee von ihr, eine Idee von ihr, die sie gerne mit Gewalt in die Köpfe anderer Menschen zwängen wollte, oder eine Idee von ihm, falls er sich einfach nur restlos getäuscht hatte. Manchmal wurde er das Gefühl nicht los, das er seit seiner Geburt nicht fähig gewesen war, irgendetwas über diese Welt korrekt zu begreifen. Insbesondere nicht über seine Mitbewohnerin, oder ihren Anblick in der Morgensonne. Und als wolle sie ihm das unter die Nase reiben, wie sie ihm alles unter die Nase reiben wollte, stellte sie in diesem Moment völlig spontan mal wieder ihre undurchsichtige Unberechenbarkeit zur schau, indem sie kraft ihrer Autorität als autokratische Herrscherin jedes Ortes, an dem es ihr beliebte, sich aufzuhalten, entschied, dass sie kaum, dass sie sich eine lange Fahrstuhlfahrt und ein paar Gebäudelängen von ihrem heimatlichen Apartment entfernt hatten, ungeachtet der früheren Streiterei jetzt wieder Zeit für natürlich beiläufige Gespräche war, und wehe, wenn Shinji die Frechheit haben sollte, sich ihr zu entziehen! Es war wohl nichts besonders denkwürdiges für sie, mal eben schnell auf ihm herumzutrampeln. Er war ein Insekt, das gerade mal so noch in ihren Augen reflektiert wurde, und das wohl nur, weil er ein EVA-Pilot war; Er brauchte sich nichts vorzumachen, irgendwelche schüchternen Klassenkameraden waren für sie ununterscheidbar von einer gasförmigen Mischung aus Stickstoff, Sauerstoff, Kohlendioxid und kleineren Mengen von Edelgasen. Ohne den EVA wäre er gar nichts für sie. Das wurde schon offensichtlich in der Art, auf den sie den Kontakt begann: „Du bist echt ein Lahmarsch! Kannst du vielleicht noch langsamer laufen? Es ist, als würdest du Wert drauf legen, dass ich zu spät komme… Wenn es doch zumindest eine einmalige Sache wäre, aber mir sind wenig Jungs untergekommen, die schneller aus der Puste wären als du. Also, Kondition ist was anderes…“ Das wäre in jedem anderen Gesprächspartner eindeutig als recht gehässiger Beginn einzustufen gewesen, doch bei Asuka war selten etwas wesentlich Freundlicheres zu erwarten, zumal sie es, nicht wie man hätte meinen können durchgehend schnippisch heraus keifte, sondern in einer fast schon gleichgültige, beiläufig-abgekochten Manier, als beschwere sie sich entfernt-interessiert über das Wetter, um eine Lücke in einer Konversation aufzufüllen. Das machte es umso schwerer abzuschätzen, wie viel Wut noch dahinter versteckt lag, und wie tief – Für Shinji bedeutete das annehmen dieser Einladung also, sich auf ein Minenfeld herauszuwagen. Auch, wenn sich seine Bereitschaft für das übliche langsame Spiel seid der letzten Unterredung vor der Türschwelle nicht besonders erhöht hatte. „Was erwartest du denn?“ gab er zurück, nicht wirklich anklagend, sondern mehr in einem ziehend-flehenden, ‚Ach-Komm-Schon-Endlich‘-Tonfall. „Du hast doch selbst gesagt, dass du schon Kampf-Training machst, seid du ein kleines Kind warst. Es ist unmöglich, das ich mit dir mithalten könnte!“ Irgendwas an dem Satz gefiel ihr nicht, nicht primär die unterschwellige Wiedersetzung, es war noch deutlich genug, dass sie ihm ausreichend ans Fleisch gegangen war, mehr so gegen Ende des Satzes, irgendwo bei dem Wort ‚mithalten‘. Warum würde sie überhaupt jemals in Betracht ziehen, dass irgendeiner mit ihr ‚mithalten‘ könnte? So ein Blödsinn. Da dieser sich aber zu einer Anerkennung ihrer Überlegenheit spinnen ließ, beschloss Asuka, das den Machtspielchen hiermit genug gedient war, sodass sie die Sache auf sich beruhen lassen könnte, und nun endlich zum eigentlichen Gespräch zu kommen. Das letzte Wort in Form eines abschließenden Kommentars ließ sie sich jedoch nicht nehmen: „Faule Ausrede! Das ist noch lange kein Grund, es nicht mal gescheit zu versuchen!“ Auch darin lag Wahrheit; und wäre sie geneigt gewesen, sich weiter herabzulassen, und sie in einer bekömmlicheren Form zu verpacken, hätte vielleicht ein Zustand entstehen können, von der sie beide in einer Art Ausgleich hätten profitieren können, aber daran war sie nicht interessiert, das hätte ja impliziert, dass sie noch etwas zu lernen hatte. Selbst der billigste Klatsch und Tratsch hätte sie mehr interessiert als das. Wie zum Beispiel: „Ach ja, worüber haben du und Misato euch eigentlich unterhalten? Ich hab was von Märchenprinzen verstanden, als ich die Dusche kurz ausgemacht hab, um mich einzuseifen.“ „Du… hast alles gehört…?“ Es war nicht direkt ersichtlich, ob die Röte in seinem Gesicht von Scham über die Gesprächsinhalte herrührte, oder von der mentalen Vorstellung einer sich einseifenden Asuka. „Bist du bescheuert oder was? Wenn ich alles gehört hätte, würde ich doch nicht fragen!“ „Ah wir… wir haben uns unterhalten…“ „Ja, so weit war ich auch schon. Wieso Prinzen? Habt ihr darüber nach sinniert, wie sie dir gestern eine Gutenachtgeschichte vorgelesen hat? Denn wie sie dich süß ins Bettchen gebracht hat, habe ich gesehen.“ Stichelte sie, umso breiter grinsend je sicherer sie ihre Vormachtstellung ausgebaut zu haben dachte. „Das hat damit nichts zu tun!“ protestierte er halbherzig. „Wir haben nur… wir haben nur…“ In nicht unwesentlicher Versuchung überlegte er, ob er über heute Morgen oder gestern Abend Auskunft geben sollte, wobei letzteres schon der Natur der Situation nach gemessen eine deutlich würzigere Erwiderung beinhaltet hätte, doch letztlich beschloss er, sich nicht vermeidbaren Konflikten zu stellen, auch, wenn ein gewisser Ärger gegen Ende der folgenden Aussage doch etwas durchsickerte, und das, wenn er ehrlich war, nicht ganz unabsichtlich: „Wir haben uns bloß über Ayanami unterhalten. Sie interessiert sich für Fabeln. Wusstest du das?“ Doch sie ging gar nicht darauf ein, auch, wenn ihr Tonfall das aufschaukelnde Antworten enthielt, dass in ihren Worten fehlte: „Die First hier, die First da, immerzu das First Child! Wie kommst du darauf, dass irgendetwas, was diese überhebliche Tussi macht, mich auch nur im Geringsten interessiert?! Ist nicht so, als ob die sich in irgendeiner Form für uns interessieren würde, dafür ist sie sich ja zu schade…“ Es gab viele Dinge, die Shinji an dieser Aussage mehr störten, als er nach außen hin zu zeigen wagte, wovon die Tatsache, dass Asuka selbst diejenige gewesen war, die unbedingt nach bohren musste – Auch war es rein faktisch so, dass alle beide von ihnen Rei schon seid mindestens zwei Tagen nicht mehr zu Gesicht bekommen hatten, da sie ja in der Schule gefehlt hatte, von einem Bombardement konnte also keine Rede sein. Aber das alles wurde überschattet von Asuka’s vehementen Versuchen, eine Linie zwischen Rei und den restlichen Piloten zu ziehen, und dass sie Shinji dabei einfach mal wie einen Barrikaden-Sandsack mit auf ihre Seite zerrte. Er hatte ja gehört, dass es für Mädchen normal war, etwas mehr zu konkurrieren, aber er hatte sich Asuka’s Hang zum Wetteifern von Anfang an nicht nach vollzieren können, zumal Ayanami es Brüsten und Eierstöcken zum trotz fertig gebracht hatte, nicht permanent so verdammt missgünstig zu sein. Nicht so Asuka – Immer musste sie krampfhaft Linien ziehen, und immer musste sie ihn hinein ziehen, als sei er irgendein Anhängsel, dass sie zu ihrem Besitz zählte, wie das Deko-Kettchen an ihrem Handy – Als sein Vater Rei neulich aus den Cages abgeholt hatte, hatte sie es getan, bei den Schulprojekten, als sie zu diesem Vulkan beordert worden waren und Rei im Hauptquartier stationiert bleiben musste ja, schon als sie das allererste Mal gezwungen waren, systematisch zusammenzuarbeiten, hatte sie proklamiert, dass sie ‚Es Misato und Rei schon zeigen würden‘, und auch, wenn er einige dieser Momente auch andere Aspekte der Bedeutung an sich gehabt hatten, individuelle, Zeit-und Situationsspezifische Schichten, nicht bloß theoretisch weit weg in Asukas Sphäre, sondern auch konkret in seiner höchst eigenen, aber die gemeinsame Tendenz war das, was in diesem Moment am klarsten durchschlug und sich mit der Gegenwart verband – Wieso musste alles mit ihr so kompliziert sein, so kompliziert gemacht werden? War es zu viel verlangt, dass sie einfach… nett zu ihm sein konnte, ohne dass da nicht direkt ersichtliche Haken und Kuhhandel dabei wären, wie bei einem dieser undurchsichtigen Handy-Verträge, die einem von irgendwelchen penetranten Vertretern aufgedrückt wurden, ohne auf die Existenz des Kleingedruckten aufmerksam gemacht zu werden? Seine Reaktion war nunmehr mehr eine der Verständnislosigkeit und ungerichteten Frustration, als das es wirklich Wut gewesen wäre, denn diese offen zu zeigen hätte ein gewisses Maß an Festigkeit am eigenen Standpunkt benötigt, Sicherheit, dass er im Recht war, und sie nicht, und diese Art von Selbstsicherheit war bei ihm nicht vorhanden – doch ihre Worte einfach kommentarlos hinzunehmen hätte ihm auch keine Ruhe gelassen – Es war eine Sache, wenn sie über ihn herzog – hätte er versucht, überzeugend zu leugnen, dass er es nicht verdient hatte, würde das Ergebnis deprimierend sein, aber war es denn unbedingt nötig, auf noch auf Rei herum zu hacken? „Was ist so seltsam daran, sich für sie zu interessieren?“ Auch das klang weniger ärgerlich und vorwurfsvoll, als es eine Art ermattete Querele war, deren primäre Botschaft nicht darüber hinausging, dass er ihr Verhalten wirklich nicht verstand, und es satt hatte, da ständig mit reingezogen zu werden, auch das mehr, weil er die Streiterei als Stress empfand. „Ich versteh echt nicht, was du immer gegen sie hast… Sie ist unsere Kameradin! Sie ist eine von uns. Eine EVA-Pilotin, genau wie wir… außer uns beiden die Einzige… Bis auf sie sind wir mit alledem allein auf der Welt, also könnten wir uns doch wenigstens untereinander vertragen…“ „Mit der will ich mich aber nicht vertragen! Und sie scheint ja nicht besonders viel Wert darauf zu lesen. Scheinbar sitzt sie viel lieber in der Ecke und ließt ihre Märchen.“ Shinji zog kurz in Erwägung, sie darauf hinzuweisen, dass es zwischen Fabeln und Märchen schon einen Unterschied gab, und das viele der erfolgreichsten Werke der letzten Dekaden in irgendeiner Form ‚Fantasiegeschichten‘ gewesen war, aber die Antwort, dass es zwischen ‚Herr der Ringe‘ und ‚Der Hase und die Schildkröte‘ schon noch erhebliche Unterschiede gab, sah er praktisch schon kommen, und am Ende würde er nur eine Position verfechten müssen, die er selbst nicht wirklich teilte, und am Ende ahnungslos, hohl und konzepthaft rüber kommen, als würde er irgendwelche Definitionen aus dem Literatur-Unterricht seines alten Lehrers herunter rattern. Das einzig ordentliche, was er da tun konnte, war einen anderen Pfad versuchen, zudem er auch selbst eine Brücke zu schlagen vermochte: „Dass du solche Geschichten nicht magst, wundert mich nicht, aber, war das denn nie anders? Nicht mal, als du ein kleines Kind warst?“ „Wie du eben ganz selbstständig erkannt hast, wurde ich schon von klein auf als Kampfpilotin ausgebildet. Ich hatte keine Zeit für irgendwelche dummen Märchen. Menschen wie du und die First konnten sich so was vielleicht leisten, aber ich war mit anderen Dingen beschäftigt. Wie die Zukunft der Menschheit zum Beispiel.“ Die typische Antwort. Diejenige, die ihm klar machte, wie winzig seine Chancen waren, irgendetwas in ihrem grandiosen Leben zu verstehen, wie unmöglich das finden einer gemeinsamen Basis schien; Trotzdem, er glaubte hinter dem großen Tamtam schon einige Male ein greifbares Mädchen in seinem alter hervorschauen gesehen zu haben, und nur deshalb ließ er den Schweif des Tigers an dieser Stelle nicht los; Genug, genug, welchen Sinn hatte denn dieses Schauspiel noch? Was nahm sie sich eigentlich heraus, immer auf Krampf breit treten zu müssen, dass sie mit niemandem in ihrer Umgebung etwas gemein haben wollte? Wo er sich noch vor kurzem geschlagen gegeben hätte, obsiegte nun der Drang, zu beweisen, das kein so großer Spalt zwischen seiner Welt und der Ihren lag, zu etwa 40% aus einer naiven Hoffnung, da doch noch etwas wie einen heißen Draht zu erreichen, und zu 60% von der latenten Wut eines erniedrigten, getretenen Hundes, der zurück biss, auch wenn die Schicht aus Zweifeln, Unsicherheit und durchaus noch so etwas wie der Wunsch, sie nicht wütend zu machen oder sonst wie weiteren Zwist zu produzieren, die seine Worte zunächst noch durchqueren mussten, sämtliche Aggression durch zögerliche Vorsicht ersetzte. „Aber was ist, bevor sie dich rekrutiert haben? Oder bevor deine Eltern gemerkt haben, dass du, ähm…“ Er wollte das Wort ‚Wunderkind‘ nicht in den Mund nehmen, damit hätte er sich direkt ergeben und zugestanden, dass sie schon klugscheißend aus den Mutterleib gekommen sein musste, und sich nie in einem Zustand befunden hätte, der sich mit der zweifelnden, oft ahnungslosen Natur eines Menschen in Verbindung bringen ließe. „Die müssen doch wenigsten mal versucht haben, dir was vorzulesen -“ Schließlich war das selbst bei seinem Lehrer Teil des Programms gewesen. „Und wenn schon!“ gab sie erkennbar pikiert zurück, sich für ihren Geschmack etwas zu Nahe an die Substanz getreten fühlend. Weitere Leugnung würde sie nur defensiv wirken lassen. „Das heißt noch lange nicht, dass ich diesen Kinderkram genossen hätte!“ Doch mit der nächsten Frage riss er ihr, vermutlich sogar in Form eines ahnungslos suchenden Zufallstreffers, endgültig die Rüstung runter: „Hattest du eine Lieblingsgeschichte?“ „…Was?!“ „O-Oder zumindest eine, die du, uhm, etwas weniger gehasst hast…“ Die offensichtlichste Reaktion auf diese Äußerung wäre gewesen, ihm zu sagen, er würde langsam penetrant werden und solle seine blöde Klappe halten, und noch vor recht kurzer Zeit wäre für Asuka auch keine weitere in Frage gekommen, jetzt aber stolperte sie darüber, dass diese unverschämten Sätzen trotz allem ein gezielte Interesse an ihrer Person darstellten (Ihre Lieblingsgeschichte), ein Zustand, den sie schon seid heute Morgen irgendwie erfolglos herbeizuführen versuchte. Das hatte sie wohl verführt. Überaus kleinlaut, sichtlich unentschlossen darüber, ob sie sich nicht doch wünschte, dass ihre Worte im Äther verpuffen würden, bevor irgendwer sie tatsächlich zu hören bekam, ihnen beim verlassen der Lippen eine Qualität aufdrückend die, hätten sie je ihren Weg in eine variable schriftliche Darstellung wie zum Beispiel eine Comic-Sprechblase gefunden, geboten hätten, sie etliche Schriftarten kleiner zu notieren als der restliche Text, als wollte sie es sagen, ohne es hinterher wirklich gesagt zu haben: „…Cinderella. Oder vielleicht Schneewittchen. Kann mich nicht entscheiden.“ Spätestens bei dem dritten Satz, von dem sie gemeint hatte, dass er unbedingt dazu musste, wurde ihr klar, dass ihr Versuch, ihre Äußerung möglichst kurz und unwichtig erscheinen zu lassen, gescheitert war, und natürlich folgte die offensichtliche Reaktion – Was hatte sie denn erwartet? – und er starrte sie groß an. „Was, wirklich?“ „Was weiß ich! Es ist eh schon so dermaßen ewig her, dass ich mich kaum noch erinnern kann. Was gibt es so doof zu glotzen?! Du bist derjenige, der diese dämliche Frage überhaupt gestellt hat, also fang jetzt nicht an, dumme Sprüche abzulassen!“ „N-nein, das… Versteh das jetzt nicht falsch, es hat mich nur gewundert, weil, uhm, ich…“ „Was?“ „Es… es ist nur ein, uh, ziemlicher Zufall… dass es ausgerechnet diese beiden sind, weil ich- Zumindest, was westliche Geschichten anbelangt, habe ich immer- Also…“ Er brachte es nicht wirklich heraus, aber das war auch nicht wirklich nötig. Sie konnte sich die Antwort schon denken, bevor er seine nutzlos verlaberte Spucke gepflegt herunterschluckte, und ohne große Eleganz gestand, dass seine Favoritenliste vor langer, langer Zeit einmal genau so ausgesehen hatte, als es dann aber endlich raus war, sammelte sich dieses Glühen hinter seinen Wangen und er erlaubte sich ein Lächeln, dass trotz der Verlegenheit, die es teils zurück hielt, einiges an Wärme mit sich führte…Eine typische Frechheit dieses Idioten, sich anzumaßen, dass er sich das jetzt erlauben konnte, ja redlich verdient hatte, sich einen Erfolg zu proklamieren, und nicht irgendeinen – Triumph, Triumph, er hatte etwas gefunden, womit er sie packen konnte, einen roten Faden, eine gemeinsame Basis, die genaue Schicht im Aufbau eines Menschen, an der sie aufhörten, sich zu unterscheiden, und zugleich die Halterung für eine Brücke, die zwischen ihren verschiedenen persönlichen Kosmen geschlagen werden könnte, um ihretwegen nach irgendwelche Palaber darüber vor- und zurücktänzeln zu lassen, und sie zu sich hinunter zu ziehen, hinunter in den Dreck! Aber da hatte sich dieser Einfaltspinsel gewaltig verpokert, da war er schief gewickelt, nicht in tausend Jahren würde sie einem wie ihm verzeihen, auch nur anzudeuten, dass er in irgendeiner Form mit ihr auf einer Stufe stand. Zumindest in der Maskerade war sie ihm haushoch überlegen, also würde sie diese Maske, dieses Schild erhobenen Hauptes gegen ihn in die Schlacht führen. Ihr Gesicht wurde verschlungen von einem Grinsen, das zwar in die Breite ging aber im vertikalen dünn blieb, und alles von ihrer Körperhaltung bis zu den Haarspitzen begann, mühelose Überlegenheit zu versprühen, die in jedem in Gruppen lebenden Säugetier, zu denen Shinji letztlich doch noch dazu zählte, den instinktiven Respekt vor einem überlegenen Alphatier in die Knochen trieb. „Das erklärt einiges.“ Und damit hatte sie die ganze Überwindung, und alle Zugeständnisse, die diese kleine persönliche Offenbarung ihr gegenüber gekostet hatte, mit lächerlicher Leichtigkeit und Entwertung in den Boden gestapft – so weit hätte man es vielleicht noch seinem Pessimismus zuschieben können, aber sobald sie mit den ersten Tropfen seiner ernüchtert zusammensinkenden Körpersprachen-Reaktion Blut geleckt hatte, hatte sie seine offene Tür schon sehr schnell in einen Witz verwandelt: „Ich nehme an, Schneewittchen war auch unter deinen Favoriten?“ „Uhm, ja, aber-“ Die unvermeidliche Unterwürfigkeit, die ihn fast automatisch mit einer Bestätigung herausrücken ließ, fachte die Flammen noch weiter an: „Natürlich. Das wundert mich gar nicht. Das müssen wohl die ersten Anzeichen deiner somnophilen Neigungen gewesen sein…“ Ihr Spott und Hohn war dicht und schwarz, wie die schreienden Vögel und die knorrigen Bäume eines finsteren, undurchquerbaren Waldes, in dem man Hexen, Trolle und die gelegentliche nordische Gottheit erwarten würde, oder vielleicht den Eingang zu Dantes Inferno, nachdem das Abendrot alles grün aus den Ästen genommen hatte, und sie schaffte das mit so einer schmalen, mädchenhaften Stimme. Er wusste noch nicht mal, was sie da eigentlich gesagt hatte, doch die Schwärze war in den spitzesten Positionen ihrer zartrosa Lippen schon unumstößlich: Auch, wenn er halb stehengelassen von der Abwesenheit eines tatsächlichen Knalls noch weiter versuchte, sich irgendwie mit ihr zu verständigen, fehlte seinem hohlen Lächeln wirkliche Zuversicht; Tief in den ältesten Schichten seines Gehirns, die noch so etwas wie zusammenleben und soziale Rangfolge verarbeiten konnte, schien er doch zu ahnen, das jedes Wort, das er in ihre Richtung schickte, schneidend zurückkehren würde. „Somnophilie. Ein Fetisch für schlafende oder bewusstlose Personen. In deinem Fall ein ziemlich offensichtliches Problem. Der gute alte Herr Freud hatte ein paar sehr interessante Theorien darüber, was das über die Persönlichkeit des Fetischisten aussagt, größtenteils, das sie wahrscheinlich einen Mami-Komplex haben und sich nie an eine Frau herantrauen würden, die auch wirklich nein sagen kann…. Wirklich, nicht auszudenken das du beinahe einmal meine jungfräulichen Lippen beschmutzt hättest, nachdem ich mir meinen ersten Kuss so lange für Kaji-san aufgespart habe…“ In der Luft hing natürlich der offensichtliche Konter, dass sie die letzte war, die irgendjemandem etwas über Keuschheit oder gar Komplexe zu erzählen, aber die Energie, die dafür nötig gewesen wäre, verpuffte an ihren zielgenauen Worten, tief ins Schwarze, in Form und Funktion nach auf Schmerz optimiert, den freiliegenden Nerv sehr bewusst ansteuernd – Ihre eigentliche Aussage löste schon etwas aus, etwas sehr altes, aber auch sehr fern-zukünftiges, ein Geschmack wie beige-getünchte Perle und ein Geruch wie salzig-weiß, und eine urtümlich-instinktive Ablehnung und Ekel, aber die dunkle Vorahnung verblasste angesichts der viel konkreten Alltäglichkeit, die sie mit vollem Wissen und Verständnis über ihre Bedeutung, ja, gerade deswegen fast schon beiläufig übertrampelt hatte. Schon die einfache Präsenz des M-Wortes war genug; „Das… Das ist nichts… in dieser Art…“ brachte er hervor, mit untertriebener Verzweiflung und unterrepräsentierter Dringlichkeit, die in ihrer ganzen Tiefe ins Kreuzfeuer gezerrte Existenz zu rechtfertigen, obgleich er daran nichts sah, dass er zu diesem Zwecke ergreifen könnte; Gerade deshalb würde er ein Fundament brauchen, auf das er seine Aktionen stellen könnte, aber ihm war bereits klar, dass er so etwas nicht vorzuweisen hatte, und so stand er nackt vor ihr, mit einer logisch sehr wackeligen Erklärungen, dessen überzeugendste Teile an verschiedenen Punkten seinen Stimmapparates feststeckten. „So ist das nicht!“ spuckte er letztlich aus, sehr im Klaren darüber, dass er dabei war sich zu wiederholen. „Es ist nur- Ich dachte nur-“ „Was?“ bohrte sie unachgebig nach, gnadenlos seine töpelhaften Versuche zerschlagend, sich irgendwie zu formieren. „Es… es ist lange her… ich war damals noch ein kleines Kind, ich habe schon lange nicht mehr- Cinderella und Schneewitchen. Sie mussten beide… unter ziemlich unwirtlichen Bedingungen an… düsteren Orten leben, nachdem ihre richtigen Mütter gestorben sind, und sie-“ Er wagte es. Er wagte es. Irgendwo in den Ecken ihres Schädels plärrte noch die Logik, dass sie ihm bei weitem nicht genug erzählt hatte, als das er bewusst so etwas implizieren könnte, die Idee eines geteilten Leides hatte ihr sowieso noch nie jemand vorgestellt, doch nichts davon schaffte es bei ihr durch die Relevanzbarriere, ganz gleich, dass sie es selbst gewesen war, die mit dieser Art von niedrigem Hieb begonnen hatte. Wie konnte er es wagen anzudeuten, dass sie gleich waren? Wenn sie gleich wären, wäre sie verloren. Die saloppe Stimmung im Abendrot hatte sie am Vortag des letzten Kampfes dazu verführt, sich ihm ein Stück weit offen zu legen, und jetzt, jetzt wendete er es doch tatsächlich als Waffe gegen sie, jetzt sollte sie für ihre Momente der Schwäche bezahlen. Die Einwände, gerechtfertigt oder nicht, hätte man jetzt auch so formulieren können, das tatsächlich so etwas konstruktives wie ein erwachsenerer Umgang mit anvertrauten Details entstanden wäre, doch stattdessen zog sie das Schwert: „Und jetzt wartest du darauf, dass dein strahlender Prinz in glänzender Rüstung auf einem weißen Schimmel, und dich mit Magie von hier wegholt, oder was? Typisch! Wieder nur typisch! Alles soll dir in den Schoß fallen!“ „Aber hast du nicht selbst gesagt-“ „Oder hältst du dich etwa selbst für den Prinzen, und meinst, ich würde auf deine glanzvolle Rettung warten? Nur, weil du mich einmal aus diesem blöden Vulkan gefischt hast?!“ „Ich… ich halte dich natürlich nicht für eine Prinzessin, die gerettet werden muss, dass ist doch offensichtlich, ich meinte bloß-“ „Keine Prinzessin. Keine Prinzessin. Klar. Da sieht man mal wieder, wie wenig Ahnung du von der weiblichen Psyche hast, Papasöhnchen! Die Prinzessinnen-Filme verkaufen sich nach wie vor sehr gut. Rapunzel? Schneewittchen? Dieses… schottische Mädel? Mädchen lieben es, verehrt, verwöhnt und gentlemanhaft behandelt zu werden zu werden, und ganz viel teures, glitzerndes blingbling zu haben, nicht, dass ich von dir erwarte, dass dir diese offensichtliche Tatsache einleuchtet. Meinst du, uns zu sagen, wir sollen die Jungs nachmachen, wäre weniger sexistisch? Nein, die Prinzessinen sind geblieben. Es sind die Kerle, die sich geändert haben. Wann war das das letzte Mal wirklich ein Prinz? Die ganzen Neuauflagen sind voll mit irgendwelchen Dieben, mutigem Gesindel, Jägern, was auch immer du willst… Heutzutage kriegt man die Mädchen nicht mehr einfach nur dadurch, dass man mit einem Krönchen auf dem Kopf geboren hatte, und dadurch irgendwie magisch Anrecht darauf hat… oder es sich durch den Einfluss seines alten Herrn beschaffen lässt, wie manche andere Leute. Nein, heutzutage können sich ihre Damen ihre Kerle wirklich aussuchen, und nur das, was sie wirklich taugen zählt. Wenn du nichts drauf hast, mit dem du ein fittes Weibchen beeindrucken könntest, wirst du hochkant aus dem Genpool heraus selektiert! So funktioniert unsere Welt: Auf lange Sicht zählt es nicht, wer deine Eltern sind, wo du geboren wurdest, oder was irgendwelche Leute von dir denken, sondern Talent und harte Arbeit!“ „Entschuldige-“ Das hielt sie natürlich nicht auf – Dafür, dass sie eben noch behauptet hatte, sich kaum an ihre Präferenz für diese Geschichten erinnern zu können, geriet sie ziemlich in Wallung: „Ich bin nicht so wie du! Wenn ich jemals fünf Minuten an dieses blöde, dumme Märchen verschwendet habe, dann genau aus diesem Grund: Weil es in dieser Geschichte um die Wahrheit geht. Ganz gleich, ob diese eingebildeten bösen Stiefmütter alle neidisch waren, ganz gleich, ob Aschenputtels Stiefschwestern ihre Mutter hatten, um ihnen schöne Kleider zu besorgen und so weiter, am Ende haben die zwei die Prinzen abgekommen, weil sie eben doch die Schönsten und tüchtigsten waren, weil sie es verdient hatten! Weil sie besser waren als diese alten Schachteln!“ Auch ohne über ihre Beweggründe Bescheid zu wissen, wurde es für Shinji deutlich, dass sie ihre Interpretation dieser Geschichte deutlich von seiner abgegrenzt haben wollte, als hätte er sie mit seinen Worten irgendwie tief beleidigt, ja, ihre Kindheit befleckt. Ein- und dieselbe Geschichte, die sich irgendwelche Bauern im mittelalterlichen Europa zusammengezimmert hatte, konnte für zwei Leute so verschiedene Sachen bedeuten, und das machte Geschichten – und auch ähnliche Dinge wie Musik – letztlich zu einer genau so unzuverlässigen Kommunikationsmethode wie alle anderen auch, trotz den Schichten aus Emotion und sogar ein Stück weit Identität, dass sie beide darum gewoben hatten – Diesen schrecklichen Gedanken wollte er gar nicht erst zu ende denken. Letztlich hatte diese Geschichte nichts mit irgendeinem von ihnen zu tun; Sie hatten sich nur entschieden, Träume darauf zu errichten, und damit zugleich, von einer Instanz enttäuscht zu werden, zu deren ursprünglichen Zielgruppe sie von Anfang an niemals dazugehört hatten. Aber trotzdem: Sie machte dieses ganze Drama jetzt bloß, weil sie nichts mit ihm gemeinsam haben wollte, oder? Es wurde langsam nur zu deutlich: Wenn er die Erde wäre, würde sie der Weltraum werden, und das einzig und allein, um nicht auf dem selben Planeten zu sein wie er. Diese Art von Distanz wäre aber auch eine treffende Art von Beschreibung für den Unterschied zwischen den Gedanken, die er in ihrem unergründlichen Schädel-Gehäuse vermutete, und denen, die sich dort tatsächlich abspielten, nachdem sich dieser ganze Brocken Gefühlsausbruch doch noch gelöst hatte,und sie die Tatsache, dass sie diese Worte ausgespuckt hatte, obwohl sie sich doch eigentlich darüber aufregen sollte, ihm überhaupt irgendetwas erzählt zu haben… Und was hatte es damit eigentlich auf sich gehabt? Wieso hatte sie dieses dämliche Gespräch überhaupt begonnen? („Es hat dich keiner gezwungen, auf mich zu warten!“) Letztes Mal, und dieses mal, und überhaupt…. Spätestens jetzt hatten sich die sogenannten Zufälle so weit angehäuft, dass sie sich nicht ohne weiteres weg erklären ließen- (Und sie versuchte, sich klar zumachen, dass das nur seine Schuld war, nur an dem temporären, vergänglichen Zustand lag, dass sie ihm derzeit etwas schuldete, und sich davon hatte verwirren lassen) -und durch die Ritzen ihres Bewusstseins die Vermutung hindurch sickerte, dass sie diese blöde Cinderella letztlich doch aus Gründen gemocht hatte, die von den seinen nicht all zu verschieden waren, und mit einem Mal hatte er es wieder geschafft, hatte wieder obsiegt, und sie klein und nackt dastehen lassen. Was hatte sie da eigentlich geritten, dass sie schon anfing, ausgerechnet diesem bescheuerten Third Child ihr Herz auszuschütten? Die strategisch geniale Platzierung ihres Hinterkopfes machte es ihm unmöglich, ihren zu den Seiten hin ausweichen Blick oder das unsichere Brennen unter ihren Wangen zu sehen, aber ein erheblicher Anteil des Feuers war gewichen, als sie ihn wieder ansprach, auch, wenn sie sich natürlich bemühte, es weiter anzufachen. Sie selbst hatte es freilich nicht nötig, ihn zu sehen, um sich seinen gegenwärtigen Gesichtsausdruck vorzustellen – Das Third Child in merklich geknickter Ausführung war in den letzten Tagen nur all zu oft zu bestaunen gewesen. „Und noch etwas, wo wir schon mal dabei sind… Ich hab es dir schonmal gesagt: Wie lange willst du noch das kleine Opfer spielen?“ „Hm…?!“ „Dein Anblick. Der war die letzten Tage war deine persönliche Regenwolke noch penetranter als sonst. Es geht mir langsam wirklich auf den Keks. Wie lange soll das noch weitergehen?“ „Ahm…“ Das Asuka davon überhaupt Notiz nehmen würde, hatte nicht zu den Optionen gehört, die er wirklich für wahrscheinlich gehalten hatte, eine positive Überraschung war es mit dieser Art von Worten aber nicht, mehr eine offensichtliche Schwachstelle, die er offen hatte herumliegen lassen, bis als natürliche Konsequenz jemand begonnen hatte, mit einem Stock darin herumzupulen. „Es gibt eine Menge Leute, die sich darum reißen würden, zu machen, was du tust, weißt du das? Erwachsenere Leute, die die Bedeutung dessen begreifen, was wir hier tun. Erinnerst du dich an diese ganzen Eroberer, von denen sie dir in der Schule erklärt haben? Menschen, die das Gesicht des Kontinents verändert haben und für immer in die Geschichsbücher eingegangen sind? Qin Shi Huang? Dschingis Khan? Oda Nobunaga? Verglichen mit unserer Aufgabe als Beschützer der ganzen Menschheit sind das alles Flöhe. Verglichen mit unseren Schlachten gegen die Engel werden Weltkriege Eins und Zwei und die Post-Impact-Kriege bloße Fußnoten in der Geschichte der Menschheit sein. Wir werden in die Geschichte eingehen. Wir werden Legenden sein, wenn der Erfinder des I-Phones genau so obskur ist, wie der des Rades. Allein schon vom Verkauf der Rechte für die Verfilmung unseren Biographien werden wir bis ins hohe Alter leben können, ohne unsere Ärsche jemals wieder bewegen zu müssen. Die werden Mangas über uns kritzeln. Eine epische Film-Tetralogie. Animes! Vermutlich werden die sogar Action-Figuren von uns machen…“ „A-Action-Figuren?“ „Jap. Auch, wenn ich mir nicht vorstellen könnte, wozu irgendwer eine Figur von dir oder dem Prinzesschen haben wollen würde… So oder so: Ein Eva-Pilot zu sein, ist ein großes Privileg. Es ist eine Möglichkeit, etwas zu tun, das wirklich einen Unterschied macht. Aber nein, du kannst wahrscheinlich gar nichts damit anfangen, für immer in Erinnerung behalten zu werden…“ „Wenn denn noch jemand da sein wird, um sich an uns zu erinnern… Was wenn wir versagen? Oder, wenn wir überleben, aber es noch mal zu einer großflächigen Vernichtung kommt, wie beim Second Impact, und wir nachher die sind, die es vermasselt haben… Würdest du so auch noch in Erinnerung behalten werden…?“ „Ach, halt doch die Klappe!“ rief sie, hauptsächlich, weil sie darauf keine Antwort hatte, und sich mit dieser Art von Gedanken gar nicht erst aufhalten wollte. Für Shinji war es seinerseits nicht unbedingt ersichtlich, dass sie ihn nicht einfach unreflektiert abgeschmettert hatte. „Mein Gott, immer musst du alles schwarzsehen!“ („Es hat dich keiner gezwungen, auf mich zu warten!“) (Dieser Satz hatte auch so eine Qualität von einem klaffenden Loch. Die Implikation, dass sie es genau so gut nicht tun könnte.) (Pah!) (Es war alles seine Schuld, seine Schuld! Wenn er niemals hier gewesen wäre, wenn sie dieses verwirrende Chaos nicht fühlen müsste…) „Was ist eigentlich mit dir? Dich zwing auch niemand, hier zu sein. Du hast deine Nase aus deinem ganz freien Willen in unsere Angelegenheiten reingesteckt, also schick es dir nicht an, auch noch zu meckern. Es zwingt dir keiner, hier tollpatschig herum zu stapfen und mir damit auch noch die Show zu stehlen. Sicher, mag sein, dass die ganz am Anfang keine anderen Piloten hatten, aber jetzt ist nicht nur das Prinzesschen hier, sondern sogar meine Wenigkeit, und alles, was du kannst, kann ich schon mal doppelt. Es zwingt dich also keiner, du kannst jederzeit deine Sachen packen. Also hör auf, zu tun, als sei es anders… Echt jetzt! Bei dieser Einstellung brauchst du dich nuch nicht zu wundern, wenn der Commander keinen Bock hat, dich mit Samthandschuhen anzufassen. So einen verwöhnten Sohn würde ich auch nicht weiter verhätscheln…“ Das war jetzt wirklich niedrig – Zu dem Zeitpunkt, als er hier angekommen war, hätte er das vielleicht noch akzeptierend hingenommen, aber wie auch immer die Dinge mit seinem tatsächlichen Vater stehen konnte, er wusste, spürte, könnte schwören, dass das, was sie da sagte, einfach falsch war – Hätte sie ihm erzählt, dass ihre eigenen Eltern so etwas zu ihr gesagt hatten, würde er es mit Sicherheit falsch finden, wieso also nicht auch jetzt? Er fühlte die Flamme der Wut genau so sicher, wie damals, als er sich seinen ersten Eindruck von ihrer Situation gemacht hatte, so grundverschieden diese sich auch herausgestellt hatte. …‘verhätschelt‘… als ob es so was Simples wäre, als ob sie ein Recht hatte, all diese Jahre einfach so abzutun, einfach von der Platte zu wischen, als ob nichts weiter geschehen wären, als ob all das Leid und alles andere, die komplexen, ineinander verwobenen Netzwerken aus Fragen und Rechtfertigungen eine einfache Kinderei gewesen wäre. Es war geschehen; Wenn er etwas wusste, dann das. „Du hast leicht reden!“ rief er in einem uncharakteristischen Anflug von widerstand aus – oder vielleicht war dieser ganz im Gegenteil sehr charakteristisch, Kennzeichen und vorhandene Unzufriedenheit, die er bis kurz vor dem heutigen Tage wohl noch pauschal hätte unter den Tisch fallen lassen, ohne ihr Gültigkeit zuzumessen – Der Möglichkeit, dass außer ihm doch jemand anderes Schuld haben und falsch liegen könnte, mit all den schrecklichem Implikationen, die da mitschwangen, und als solche nicht für diese Zeit und diesen Ort bestimmt waren. „Du hast doch gar keine Ahnung! Du hast mir selbst gesagt, dass du aus freien Stücken entschieden hast, dass du mit deinen Eltern nichts mehr zu tun haben willst! Jemand, dem es von Anfang an nichts bedeutet hat, einen Vater oder eine Mutter zu haben, kann so etwas sowieso nicht verstehen!“ Dieser Dorn stach so tief, dass sie ein paar Augenblicke lang vergaß, dass diese Idee ihrer eigenen Fabrikation entsprang, ihren eigenen kalten Worten, die sie bewusst vor seine Nase gestellt hatte, um ein bestimmtes Bild von sich selbst zu erzeugen, dass nichts damit zu tun hatte, was in ihrer Vergangenheit wirklich vorgefallen war. Die bloße Andeutung, dass es ihr wirklich egal war… Das all diese Jahre, all dieses Leid, die harte Arbeit, die sie hatte aufwenden müssen, um sich von alledem loszureißen, niemals-... „Du…! Du kleines… “ Keine Ahnung… Keine Ahnung… Wenn hier einer keine Ahnung hatte, dann war er das, dieses in kitschigen Frieden behütete Papasöhnchen, dass nie die Härte ihres Trainings durchzustehen hatte, die Entbehrungen die es sie gekostet hatte, und- -die schrecklichen Dinge, die sie- -damals, vor alledem…- (Und hatte sie sich nicht höchst selbst entschieden, dass sie nichts davon, nichts von…vorher in ihrem Leben Bedeutung lassen haben würde?) (Es war lange, lange her. Es war lange her, verdamtnochmal! Diese Frau… all diese Menschen… hatten mit ihr nichts mehr zu tun, sie war über diesen Dreck hinaus gewachsen, etwas anderes geworden… nein, sie war es von Anfang an gewesen: Anders als sie, anders, besser…) „DU bist derjenige, der hier von nichts eine Ahnung hat!“ rief sie aus, und der Zorn gab ihr den Schwung, den sie brauchte, um sich in ihrer üblichen, überlegenen Position zu stabilisieren und dieses besonders große Fellknäuel latenter Verwirrung effizient herunterzuwürgen. „Warum kümmert es dich überhaupt, was dein Alter Herr von dir denkt?!“ („Ich bin nicht Mamas Puppe! Ich kann selber denken und selber entscheiden!“) „Du musst so oder so gegen die Engel kämpfen, also welchen Sinn hat es, ewig darüber nachzugrübeln? Das du einen Feind bekämpfst, der auch hinter deinem Kopf her ist, ist doch völlig selbstverständlich, wieso solltest du dafür noch groß auf die Schulter geklopft kriegen?!“ („Ich wird auch brav sein! Aber bitte hört sich auf, meine Mama zu sein!“) „Du hältst dich scheinbar wirklich für einen strahlenden Prinzen… Denkst du wirklich, dass du auf alles automatisch Anrecht hast, nur, weil du ein paar von seinen Genen mit dir rumschleppst? Wenn du denkst, dass du im Leben alles in den Schoß geworfen bekommen wirst, weil du einen einflussreichen Vater hast , hast du dich aber bedeutend geschnitten, Papikind!“ („Ich bin hier, weil ich gut bin! Nicht, weil ich irgendwelche Verbindungen hatte, wie ihr zwei!“) „Ich hab’s dir von Anfang an gesagt: Richtiges Talent und harte Arbeit. Falls du es noch nicht bemerkt hast, hier bei NERV bedeuten Ergebnisse alles. Nichts anderes zählt. Alles andere ist bedeutungslos. Wenn du willst, dass dich jemand ernst nimmt, dann musst du deinen Job machen und ihnen zeigen, dass du ihn erledigen kannst. Respekt und Anerkennung muss man sich verdienen!“ „…Shikinami…“ „Sieh das als einen Ratschlag von jemandem, der schon wesentlich länger in diesem Geschäft ist als du. Um etwas zu erreichen, muss man auch bereit sein, Opfer zu bringen. Äquivalentwert Tausch und so weiter. Wenn du statt trübsinnig in die Gegend zu glotzen etwas einigermaßen Produktives machen würdest, würde das vielleicht auch mit deinem Happy End etwas werden. So ganz wie Schneewittchen.“ „Leben wir denn wirklich in so einer Welt?“ „…heh?!“ „In einer Welt, wo harte Arbeit wirklich belohnt wird, meine ich. Ist diese Welt wirklich ein Ort, der so fair und perfekt wäre, das so etwas wie ein 'Happy End' wirklich existieren kann?“ „Ah…“ Da stand sie, zum Glück wieder von der ihrem Mitbewohner zugekehrten Rückseite verdeckt, mit offenem Mund da. Natürlich gab es unfaire Dinge, aber harte Arbeit und Talent konnten diese letztlich mit Sicherheit überwinden, nicht? Es musste so sein. Was würde praktisch alles, mit dem sie ihr bisheriges Leben verbracht hatte, denn sonst bringen? Es gab weder Sinn noch Gesetzte in diesem Kosmos, wenn diese Maxime nicht galt; Es machte nicht einmal wirklich Sinn, ernsthaft darüber nachzudenken. Es war absurd, und diese Behauptung ging nicht einmal mit Furcht und Verleugnung einher; Eine solche Welt würde doch an den Nähten nicht zusammenhängen. Wer würde denn noch irgendetwas machen, wenn es selbst am keine Entlohnung gab? Aber nein, dieser dumme Dummkopf, musste in seiner blinden Dummheit doch tatsächlich weiter auf diesem dummen Gedanken herumreiten: „Es heißt ja immer, ‚Und sie lebten Glücklich bis an ihr Lebensende‘, aber wenn man es recht bedenkt, müssen sie eigentlich irgendwann einmal alt und krank geworden sein, und wenn sie nicht unbedingt exakt gleichzeitig gestorben sind, muss einer von ihnen verwitwet gewesen sein und hat den anderen wohl bitterlich vermisst… am Ende sterben wir doch eigentlich alle irgendwann an Altersschwäche… Und man muss nicht mal so weit gehen. Mit der Zeit ist mir das einfach immer mehr aufgefallen… zum Beispiel, nimm mal Dornröschen. Am Ende ist sie erlöst, aber nach ihrem langen Schlaf dürften alle, die sie je gekannt hat, entweder verstorben oder uralt sein. Natürlich wurden ihre Eltern und so weiter mit ihr in den langen Schlaf versetzt, aber was ist mit dem restlichen Königreich? Nach so langer Zeit ist ihr Vater wohl kaum noch der amtierende König, vermutlich hat ein entfernter Verwandter den Thron übernommen, im schlimmsten Fall gab es einen Erbfolgekrieg – Wahrscheinlich würde das Volk der Prinzessin und ihrer Familie so oder so vorwerfen, sie im Stich gelassen zu haben. Haben die Feen das Königspaar überhaupt gefragt, ob sie den Schlaf ihrer Tochter wirklich mitmachen wollten? Selbst wenn kann man es ihnen nicht verübeln, dass sie für ihre Tochter da sein wollten, wenn sie wieder aufwacht, aber ob die Leute das genau so sehen werden, wenn ihre Herrscher sie einfach verlassen haben? Besonders, wenn es wirklich einen Krieg gab… gut möglich, dass ihr keiner besonders freundlich gesinnt sein würde… Und der Prinz? Ja, er hat sie erlöst, aber eigentlich kennen sich die zwei ja nicht wirklich. Was, wenn sie sich auf lange Sicht nicht vertragen? Besonders im Mittelalter, wo man sich nicht einfach scheiden lassen konnte. Es heißt zwar, ‚und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende‘, aber eigentlich gibt es keine Garantie dafür, dass sie den Rest ihres Lebens nicht allein in einer fremden Welt verbracht hat, in der sie von allen verachtet wird… Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das sein könnte. Ich habs mal eindringlich versucht, und den bloßen Gedanken kaum ausgehalten…“ „Nun chill mal. Es war bloß ein blödes Märchen. Dornröschen ist nicht real.“ „Glaub mir, das brauchst du mir nicht zu sagen… Das ist ja genau der Punkt. Ich hab das schon vor einer langen Zeit bemerkt, egal, wie gern ichs noch ‚ne Weile übersehen hätte. Diese Welt ist kein Märchen. Es gibt keine Happy Ends – Nur Erzähler, die sich entscheiden, an einem bestimmten Punkt aufzuhören, zu erzählen. Nachdem ich das gemerkt habe, konnte ich in solchen Geschichten nur noch sehen, wie sie wohl in der Realität verlaufen wären, ohne strahlende Ritter, ohne Prinzen, ohne gute Feen, und nach einer Weile konnte ich diese Geschichten einfach nicht mehr sehen… Bevor ich Ayanami mit diesem Buch gesehen habe, habe ich so was wahrscheinlich die letzten sieben Jahre nicht mehr angefasst…“ Es war eine neue, emergente Erfahrung, von solchen soliden Zeitspannen in Termen persönlicher Erfahrungen und Entscheidungen sprechen zu können, ähnlich der Art, wie Misato und Kaji regelmäßig eine schon fast am zweistelligen vorbeischrammende Distanz mit Kreuzchen, Häkchen und Datierungen zu benennen wussten. Sicher gab es da noch die zehn Jahre, die sein Vater ihn zurückgelassen hatte, doch dieses Ereignis hatte er in seiner damaligen kindlichen Verwirrung und Ahnungslosigkeit und dem damit einhergehenden Weltbild, die eigenen Eltern als eine Abart von Göttern anzusehen, wie auch aus seiner jetzigen, durch die Geschehnisse stark geprägten, wenn nicht für lange Zeit dadurch definierten Position heraus als eine Art unergründliches, empathieloses Spiel von Naturgewalten klassifiziert, wie seismische Aktivität oder das Wüten von Vulkanen, die die Welt völlig wahllos unter Feuer, Asche und Tsunamis begruben, oder neue Inseln aus dem Ozean hoben, kahl und unberührt, aber bedeckt mit Böden aus fruchtbarer Vulkanasche und den mineralreichen Resten vernichteter Meeresvegetation. Ohne, das daran etwas Positives zusehen wäre, war es ja doch dieses Ereignis, das ihn in seiner jetzigen Form geschaffen hatte. Einen anderen „Schöpfungsmythos“ hatte er nicht vorzuweisen, kein anderes Vokabular, um den Rest seiner abgeschiedenen, apathischen Existent zu erklären oder beschreiben – Das war er, Ikari Shinji, der Junge, den niemand gewollt hatte. Für den Großteil seines Lebens wäre das eine im mathematischen Sinne hinreichende Definition gewesen, aber war diese Aussage in dieser Form immer noch gültig? Er konnte die Geschichte seines Lebens immer noch nicht erklären oder beschreiben, ohne diese Geschichte wieder durchzukauen, aber allein reichte sie auch nicht aus – Viele der extremsten Erlebnisse und Erfahrungen seines Lebens, zum Guten wie zum Schlechten, wären damit unerwähnt geblieben, auch, wenn das im Endeffekt nichts weiter heißen könnte, als das es jetzt ein geringfügig anderer, immer noch von diesem dunklen, amorphen Schatten eines Mannes kontrollierter Nagel war, von dem alles, was er war, über dem Abgrund der Bedeutungslosigkeit vor sich hin baumelte, ohne sonstige Relavanz oder metaphysische Substanz. Dennoch: Ohne seinen Aufenthalt in Tokyo-3 und die damit einhergehenden Erfahrungen zu erwähnen, hätte man nicht erklären können, wieso er sich nach ebendiesem soliden Block von fast acht Jahren wieder auf Literatur wie den 'Glücklichen Prinzen' eingelassen hatte, war er doch erst seid relativ kurzer Zeit überhaupt des Lesens mächtig gewesen, als er ihnen für immer abgeschworen hatte. Auch, wenn er daran zurückdachte, wie relativ wenig er als sechsjähriges Kind von der Welt verstanden hatte (ja, wie oft er allein in den letzten Monaten eines besseren belehrt worden war) waren „acht Jahre“ tatsächlich der angemessenste Terminus dafür, und es war… seltsam. Er war es nicht gewohnt, von längeren Zeitspannen sprechen zu können, schätzte aber, das das nur natürlich war, wenn man sich vorwärts durch die Zeit bewegte, und obgleich er dem Anfang seiner Reise noch ungleich näher zu sein schien, als dem Ende, machte ihm das nur wieder klar, wie kurz und vergänglich die menschliche Existenz war, selbst, wenn man der extrem großzügigen Schätzung Gehör gab, dass da doch etwa sechzig Jahre in einer undefinierbaren Zukunft; Tatsächlich könnte es gut sein, das er, und jeder andere auf diesem Planeten mit der Ausnahme des nächsten, letztlich siegreichen Engels den Großteil ihres Lebens schon hinter sich hatten. Würde er das Ende überhaupt kommen sehen? Was, wenn er nie erfahren würde, was ihn erwischt hatte? Auf jeden Fall würde er nur einen limitierten Anteil dessen mitbekommen, was man das Ende der Geschichte nennen konnte, ein Gedanke, der einleuchtend war, wenn man bedachte, das ein Mensch an sich eine Kolonie aus Einzellern war, von denen ständig welche starben und ersetzt wurden, aber befremdlich, wenn er sich selbst als das Fenster betrachtete, durch das er die Welt und alle Geschichten darin betrachtet hatte – Die schiere Unwahrscheinlichkeit, dass er lebensfähig gezeugt und in ein modernes Land hineingeboren werden würde, wo es ihm möglich war, etwas von der Größe und Existenz des Universums zu wissen, statt der viel wahrscheinlicheren Möglichkeit, in Afrika vor dem Ausbilden eines reflektionsfähigen Bewusstseins an einer anderswo völlig behandelbaren Kinderkrankheit zu sterben, oder noch vorgeburtlich mitsamt seiner Mutter ertrunken zu sein, als die Flutwellen des Second Impact Indien trafen; Und doch, konnte er nicht erwarten, etwas anderes beobachten zu können, als eine Welt, die seine Existenz erlaubte, schon dadurch, dass er überhaupt dachte; Freilich könnte er der sprichwörtliche „König einer Nussschale“ sein, ein verkabeltes Hirn in einer Schale, oder gar ein Computerprogramm, oder etwas profaner ein Verrückter in einer Anstalt, der sich die ganzen Engel und Evangelions und all die Menschen in seiner Umgebung nur eingebildet hatte, aber es benötigte mehr Annahmen und das wiederholte verfolgen realer, aber infinitesimaler Möglichkeiten, sodass alles andere einfach nicht sehr wahrscheinlich war, außer, das er gerade auf der japanischen Inselkette in einer Stadt namens Tokyo-3 in Begleitung dabei war, in einer für seinen Geschmack etwas zu hohen Geschwindigkeit eine Staßenbahn-Haltestelle anzusteuern, in Begleitung eines rothaarigen Mädchens in deren Schädel eine genau so diverte Sammlung aus zufälligen seltsamen kleinen Gedanken, die zusammen einen ebenso unvollkommenen Versuch bildeten, die Welt auszukleiden, sozusagen von der anderen Seite – was ihre Welt und die seine trennte, konnten ganze Welten sein, oder nur ein winzig kleiner, dünner Film, in einer diffusen neutralen Zone im Mittelpunkt, dieser unerreichbare Punkt an den Rändern des Horizontes, wo die Erde den Himmel zu berühren schien, und aus ihrem Orbit heraus blickte sie auf ihn herab, und bildete sich nach undurchsichtigen, hermetischen Alghorithmen eine Meinung, die er nicht direkt beeinflussen konnte. „Also wirklich Papasöhnchen. Dir muss man überlassen, aus allem ein Drama zu machen. Natürlich machen diese blöden Geschichten keinen Sinn. Die sind nicht gemacht, damit irgendjemand mit einem halbwegs logischen Verstand versucht, Logik darauf anzuwenden. Die wurden erfunden von ungebildeten, analphabetischen mittelalterlichen Bauern, die noch nie ihre Farm oder ihr Dorf verlassen haben, und nichts über die Leute wussten, die sie regierten, weitererzählt von einer ewigen Stille-Post-Kette aus Gauklern, die wohl gerne mal übertrieben haben… sobald etwas Bildung ins Land gekommen war, waren diese Geschichten nur noch dazu gut, kleine Kinder damit zu unterhalten. Wenn du so weit bist, dass du über irgendwelche Implikationen nachdenken kannst, heißt das einfach, dass du zu alt dafür bist. Du hast ein Plot-Loch gefunden, ein Zeichen dafür, dass die Autoren dieser Sache bescheuert waren, und du dich nicht mehr damit herumplagen solltest.“ Schloss sie, ihre simplistische Antwort mit einer scheinbar unberührbaren Gleichgültigkeit feilbietend. „Chill einfach und vergiss diese blöden Geschichten. Es ist nicht immer alles so kompliziert, wie du vielleicht denkst…“ „Es ist auch nicht alles so einfach, wie du vielleicht denkst…“ murmelte Shinji in halbherzigen Protest zu sich selbst, gefolgt von einer ausgekotzten Stille, von der er nicht wusste, ob Asuka sie nicht einfach als gekonntes, stolzes Ignorieren wahrnahm. Was hätte auf diesen Austausch auch folgen können? Die schiere Schwere der Tatsache, dass es zwei Monate des tagtäglichen Interagierens gebraucht hatte, um diesen so grundlegenden, offensichtlichen Gegensatz zu formulieren und auszudrücken schien ihre leichten Schritte nicht zu verkleben, und als sie das Schienen-Quietschen einer nahenden Straßenbahn vernahm, bevor er es mit seinen wesentlich weniger trainierten Sinnen ebenfalls bemerkte und darin seine Erklärung fand, vergaß sie ihr Gespräch wie die nächstbeste Beiläufigkeit und spurtete los, um die Haltestelle rechtzeitig zu erreichen, wobei sie ihn blick- und gedankenlos mit sich mit zerrte, als sei er ein unbelebtes Anhängsel ihrer Person, oder irgendetwas, dass sie eben trotz seiner Lästigkeit benötigte, wie das Gewicht ihrer Schultasche. Als sich die Türen knapp hinter ihnen schlossen, und die S-Bahn ihre morgendliche Runde mit einem unbarmherzigem Ruck fortsetzte, fand er sich mit beiden Händen an irgendwelchen Haltegriffen wieder, im Versuch, nach der plötzlichen unvorgewarnten Anstrengung wieder einigermaßen durchzuatmen, und wenig weiter stand sie, durch die leicht breite Stellung ihrer Beine ausreichend balanciert, und konnte es sich leisten, die Arme zu verschränken und auf ihn herabzublicken, argwöhnisch, unbarmherzig, prüfend, bewertend, und in diesem Moment glaubte er tief in seinem Inneren zu wissen, dass sie Recht hatte, und er nie fähig sein würde, mit ihr mitzuhalten. Ihre eisblauen Augen waren durchaus von der Form und Sorte, die man als attraktiv bezeichnen könnte, aber jetzt, jetzt hätte er sich daran schneiden können; In seiner Schwäche beäugte sie ihn wie einen Fisch, den sie für ihr Mittagessen auszunehmen gedachte, oder vielleicht noch überlegte, ob sie ihn überhaupt kaufen wollte, und die Wahrscheinlichkeit dafür war wieder einmal dramatisch gesunken. Bei diesem Gedanken entzündete sich irgendwo tief drin in vergessener Finsternis ein Funke des Zorns, ungebeten und ungewollt hineingestoßen in die Kuppel seines Universums, und er hätte beginnen können, sie zu hassen, sie, die eigentlich seine Kameradin sein sollte, und diese widerliche Wahrheit brannte in seiner Brust, als er sich aufrichtete und unterordnend in ihrer Nähe platzierte, während sie sich längst in aller Lässigkeit an Haltestange und Fensterscheibe gelehnt hatte, scheinbar nicht besonders viel von dem Gedanken haltend, einen der eigentlich noch recht zahlreichen freien Sitzplätze zu belegen, bevor der Wagon sich bei seiner weiteren Reise stadteinwärts wie üblich bis zum Anschlag füllen würde. Sitze waren ihrer Meinung nach scheinbar eines dieser Dinge, die Weicheiern vorbehalten waren, die glückseligen Toren. Das Sonnenlicht brachte das rot ihrer Haare, das blau ihrer Uniform und die rosige Helligkeit ihrer Haut in ihrer vollen Sättigung heraus, inklusive der trügerisch schmalen Ärmchen, die unter ihren Uniform-Ärmeln verschwanden, die makellose Beuge und das dekorativ von ihrer kleinen roten Armbanduhr eingeschlossene Handgelenk, alles hell, schlank und strahlend wie der Tag, und das war das schlimmste, diese trügerische Zerbrechlichkeit, der Kontrast zwischen ihrer deutlich helleren Haut und der seinen, wenn sich ihre Hände berührten – Die ganze unverschämte Illusion, dass sie einen Beschützer brauchen könnte, dass bei ihr für so etwas Platz war. Es war nicht so, dass er sich für einen strahlenden Ritter hielt; Es war von Anfang an klar gewesen, dass sie das weder brauchte noch wollte, noch hatte er die nötige Stärke – Er könnte selbst durchaus jemanden gebrauchen, der ihm beistand. Aber gerade das war es, von der sich eingeredet hatte, er könnte es bei ihr haben, hatte gedacht, er könnte ihr Partner oder Gleichgestellter werden, ihr Kamerad, ihr Komplize, jemand der ihr helfen könnte, zu bekommen, was sie wollte, so dass er nicht allein sein müssen würde – Als sie gemeinsam gegen die letzten paar Engel gekämpft hatten, hatte er das noch voll daran geglaubt, hatte gehofft, dass er der Stärke, die sie besaß, oder zumindest der, die es brauchte, um mit ihr mitzuhalten, ohne ihr ein Klotz am Bein zu sein, mit kleinen aber stetigen Schritten näher kam, und in seinem streben nach Stärke schien es ihm zunächst wirklich, als ob er ihr näher gekommen wäre, uns sie ihm; Dass er ein Stück weit dabei war, ihre Akzeptanz und Anerkennung zu gewinnen – Auch wenn ihre Angelegenheiten miteinander von diesen beiden Dingen noch weit entfernt waren, waren sie doch in fließender Veränderung aus einem Anfangszustand der gegenseitigen Feindseligkeit heraus, und deshalb hatte er sich dazu hinreißen lassen zu denken, zu denken, dass er Fortschritte machte; Es war sicher nicht einschlägig schlecht gewesen, diese Momente des Verbündetendaseins im Morgenlicht, auf der Parkbank nahe dieses Lebensmittelgeschäfts in diesen lächerlichen Anzügen, die letzten Kapitel der ganzen Vulkan-Angelegenheit, ihre Kooperation bei diesem Kuchenbackprojekt und ihr Zusammenstehen im Angesicht des Insubstantiellen Engels, und auch der kurze Austausch danach der optimistisch formuliert doch vielleicht als Asukas Art einer Loyalitätserklärung zu verstehen war, und er hatte auch gedacht, dass sie das wertschätzte. Das sie ihm mehr und mehr Dinge sagte und sich in seiner Nähe natürlicher gab; Das sie begann, ihm zu vertrauen und sich sogar ein Stück weit auf ihn zu verlassen, ihn in irgendeiner Form als ‚zugehörig‘ zuzunehmen, dass er sogar geschafft hatte, sie ein wenig zu ‚entfrosten‘ und Teil ihrer Welt zu werden, bildete sich sogar ein, ihre groben, herablassenden Worte seinen gutgemeinte, wenn auch ungeschickte Versuche, ihm zu helfen auf das zu bugsieren, was in ihrem Kopf der ‚rechte Weg‘ war – Es war „ihre ganz eigene Art“, und zwischen ihnen beiden ein geteiltes, eigenes Universum das nur sie beide teilen konnten, egal, wie sehr ihre Worte schmerzten, wie sehr er ihre Erniedrigungen in seinem tiefsten Inneren nicht akzeptieren konnte, für sie alles zurückzustecken, wie tief er den aufquellenden Zorn zurückhalten musste, das war alles egal, wenn sie ihn nur mögen würde. Sie war einfach durch ihr Training isoliert gewesen, nicht anders als er selbst, versuchte er sich weiszumachen, die einsame Streiterin, an deren Seite platz für ihn war, deren Kampfausbildung nichts war, das sie trennte, sondern etwas das Stärken und Schwächen mit sich brachte, und in gewisser Weise seinem eigenem Exil ähnelte. Sie war einfach als kollektiver Augapfel der dritten Außenstelle verwöhnt gewesen, und kannte nichts anderes – Doch es war bei weitem nicht so simpel. Wann immer er es geschafft hatte, sich halbwegs ein Modell von diesem Mädchen zusammen zu zimmern und versuchte, ihre Handlungen und Beweggründe nachzuvollziehen, verstehen und vorherzusagen, brauchte sie selten lange, um es wieder völlig zu zertrümmern, zeigte ihm die Lügen hinter den Lügen, die Masken über den Masken, die Wahrheit jenseits der Wahrheit. Er konnte in dieser Hinsicht nicht aus persönlichem Wissen sprechen, als ‚stark‘ hätte er sich selbst zu keinem Zeitpunkt seines bisherigen Lebens bezeichnen können, aber eigentlich könnte man doch meinen, dass es selbst eine starke Person genießen müsste, Unterstützung und Gesellschaft zu haben; Zumindest bei Misato und Ayanami schien es nach seiner damaligen Erfahrung so zu sein. Sie mochten zwar durchaus fähig sein, alleine voranzuschreiten und keine Retter irgendwelcher Art brauchen, aber es war doch an sich immer gut, ein bisschen entlastet zu werden, selbst, wenn man es auch allein schaffen würde, wurde es doch leichter, oder? Zumindest hatte er das gedacht. Je mehr er glaubte, dem Moment näher zu kommen, in dem er mit Asuka mithalten konnte, je mehr er sie und ihre Art, mit ihm umzugehen aus der Nähe sah statt vom Dreck des Bodens auf ein hohes Podest hoch blickend, umso mehr wurde er sich ein paar feiner, aber relevanter Unterschiede bewusst. Er sah, wie all ihre Äußerungen, die sie Beide als Verbündete darstellten, damit einhergingen, andere wie Misato oder Ayanami scharf auszuschließen, merkte, dass ihr Bedürfnis, sich klar von ihm abzugrenzen, allen zum Trotz nicht zu schwinden schien, als wäre er gegen eine Wand gefahren, eine Linie, die in Großbuchstaben mit ‚bis hier und nicht weiter‘ beschriftet war – Obwohl sie ihn selbst ermutigt hatte, sich mehr Stärke zuzulegen, ein besserer Kämpfer zu werden und sich eher durchzusetzen, hatte er in letzter Zeit das Gefühl, dass seine Suche nach Stärke in eher von Asuka entfernte, als ihn ihr näher zu bringen, als gäbe es ähnlich wie bei der steigenden Menschenähnlichkeit von Robotern einen Punkt, bei dem ihre Reaktion völlig umschlug, und zwischen ihnen nur noch Streit und Geschrei war. Sie fand etwas Angenehmes an einer Beziehung zwischen einer Kriegerin und ihrem Knappen, aber sie konnte nicht zulassen, dass er wirklich als ebenbürtiger Krieger an ihrer Seite stand; Nie würde sie sich zu ihm bekennen, sie gab es so was wie ein strategisch platziertes Lächeln, nie nahm sie mal seine Finger statt seinem Handgelenk, nie kam ein einziges Wort des Dankes. Er musste immer unter ihr stehen, und wenn er da nicht blieb, dann würde sie ihn zurechtschneiden; Sie war von Anfang an nicht dazu gekommen, ihn zu akzeptieren, er war es gewesen, der etwas anderes mit Akzeptanz verwechselt hatte, vielleicht bloße Duldung oder etwas ganz anderes. Er verstand es einfach nicht, nicht ansatzweise, nicht die Gründe dahinter, und auch nicht die innere Mechanik, er konnte nicht mal Wahrscheinlichkeiten an ihre möglichen Handlungsmöglichkeiten heften, sie könnte ihn im nächsten Moment küssen, ins Gesicht schlagen, spontan explodieren, aus einem identischen Anfangszustand heraus, und er wäre so oder so unfähig, es zu erklären, so blieb ihm nur die eine, aller fundamentalste Einsicht: Sie beide waren weit voneinander entfernt. Zwei Monate nach Beginn ihrer stürmischen Koexistenz wurde ihm klar, dass es da eine Wand in Asukas Herzen gab, von der er nicht wusste, wie er sie überwinden konnte – Aus den wenigen Dezimetern, die sie in der Straßenbahn trennten, wurden Universen, Welten, Dimensionen. _____________________________ (1) Was *sind* diese leeren Dosen an Rei's Kühlschrank nun wirklich? Spekulation, Spekulation... Ähnliches für das kleine Notizheftchen aus Episode 6. (2) Wusstet ihr, dass euer Lieblings-Märchen einiges über euch aussagen kann? Ich habe vor einer Weile einen Artikel gelesen, nachdem das eine gute Eingangs-Methode sein könnte, um einen kleinen Patieten zu psychoanalysieren. Wenn ihr euch mal selbst als Amateur-Freuds versuchen wollt: Mein persönlicher Favorit war immer “Die Salzprinzessin.” XD Natürlich ist bei Shinji’s Kommentaren über Dornröschen das Ironie-Ventil mit voller Absicht maximal aufgedreht. Q lässt grüßen etc… (3) Ich denke man hat erkannt, dass in diesem Kapitel zwei der etwas gelungeneren Dialogue aus Gakuen Datenroku (aus Stage 13) mit-eingeknetet wurden. (4) Entgegen von Asuka’s Annahme haben sich Rei’s Action-Figuren von allem am besten verkauft, was ihr bei den japanischen Merchandise-Herstellern den Spitznamen “Premium-Girl” einbrachte XD Aber keine Sorge, Asuka, deine eigenen Action-Figuren waren auch nicht gerade Ladenhüter XD Funfact: EVA war wohl die erste Fernsehschow, bei der sich die Figuren der Mädels besser verkauft haben, als die der Mechas~ (5) Eine Szene mit Rei in dieser Art Zusammenhang mit diesem Story-Teil schon lange bringen (Inspiriert teils von der „Neuerfindung“ der Bücherei-Karten-Szene in „The Dissapearance of Haruhi Suzumiya“ (Ironie ist mir bewusst), aber auch von dem interessanten Detail das, wenn man in ep 11 genau hinsieht, Rei, welche die letzten 10 Episoden meist undifferenziert nach vorne gestarrt hatte, solange es nicht einen trifftigen Grund gibt(siehe ep 5), hinzusehen, anfängt, Shinji & Asuka mehr oder weniger die ganze Zeit über zu betrachten/auch wirklich anzusehen, als so eine Art Mini-Subplot…Ja, ich wollte auf so etwas in der Art eingehen. (6) Hiermit möchte ich euch allen ehrlich, herzlich danken, aus den Tiefen meines Seins, für alles an Feedback, Kommentaren, Traffic-Stats und Favoriten/Followern (FF-net), FF-de, Fanfiction.net und ‘mexx Leserschaft. In dem komplizierten Leben einer mittelmäßigen, oft erfolglosen Studentin & Autorin ist dieses Schreibseln wohl eine der schnellsten, und zugegebenermaßen billigsten Möglichkeiten, ein Fünkchen Annerkennung zu bekommen, aber wenn ich jedes einzelne Comment/Rewiev (oft, nein, sicherlich mehrmals) lese, ist es echtes Glück, und wohl einer der Hauptgründe, dss ich Zeit, die ich niemals zurück bekomme, in solch eine Zeit-schluckende Aktivität hineinstecke. Danke. Vielen Dank. Vielen Dank, dass ihr mir das Gefühl gebt, das wenigstens eine meiner vielen, desorganisierten Aktivitäten von einer größeren Welt/Gemeinschaft wenigstens ein bisschen wertgeschätzt wird, dass sich Leute hierrauf freuen. Vielen Dank. ~ Jedes kleine Kommi/Review/Fav bedeutet mir echt viel. *Shinji modus* *selbst-ironisch-grins* (7)Weiter geht es in Kapitel 24: [Tekhelet] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)