Falsches Spiel von abgemeldet (Woher weißt du, wem du trauen kannst?) ================================================================================ “Das war so lustig! Ich hab gar nicht mehr aufhören können, zu lachen! Ihr hättet mal ihren Blick sehen sollen…” Eifrig bemühte sich Seungri, das verdutzte Gesicht ihrer Visagistin zu imitieren. Er schnitt eine Grimasse nach der anderen und die restlichen Bandmitglieder konnten sich vor Lachen kaum auf ihren Stühlen halten. “Sie war völlig sprachlos… Stand sicher fünf Minuten lang vor mir und hat nichts anderes getan, als mich dumm anzugu-… Oh?” Der Redefluss des Jüngsten und auch die Lacher verstummtem augenblicklich, als G-Dragon eilig seinen Platz am Esstisch verließ und mit einer Hand vor dem Mund in Richtung Bad stürzte. Vier Augenpaare starrten irritiert auf den Stuhl, auf welchem bis vor wenigen Sekunden noch ihr Bandmitglied saß und sich lachend seine Nudeln schmecken ließ. “Meint ihr, jemand sollte mal nach ihm sehen…?” Als Antwort auf Daesungs Frage schob T.O.P seinen Teller von sich. Der Appetit war ihm sowieso vergangen. Seufzend stand er auf und begab sich in Richtung Badezimmer. Neugierig verfolgte ihn der Rest von Big Bang mit ihren Blicken. “Hey, alles in Ordnung bei dir?” Zaghaft klopfte er an die Türe. Seine Frage blieb unbeantwortet, lediglich ein leises Röcheln und Würgen ließ verlauten, dass G-D alles andere als in Ordnung war. T.O.P haderte mit sich selbst. Sollte er einfach eintreten? Oder wäre das seinem Freund gegenüber taktlos? Schließlich wusste er, dass G-D seine Rolle als Bandleader sehr ernst nahm. Wahrscheinlich wäre es ihm nicht recht, wenn der Rest der Band ihn in solch einer Situation sehen würde. Erneut klopfte er an die Türe, dieses mal jedoch ein bisschen lauter. “Ich gehe zurück zu den anderen… Wenn du Hilfe brauchst, sag einfach Bescheid!” Noch während er diese Worte aussprach, wurde die Badezimmertüre geöffnet und G-Dragon betrat den Flur. Scheinbar hatte er die letzten Sekunden, ehe er das Zimmer verließ, dafür genutzt, sein Gesicht mit Make Up aufzufrischen, denn bis auf die glasigen, leicht geröteten Augen ließ nichts darauf schließen, wie elend es dem jungen Rapper noch vor wenigen Minuten gegangen sein musste. “Ist schon wieder in Ordnung, keine Sorge… Hab wohl einfach ein bisschen zu doll geschlungen.” Ein verlegenes Lächeln zierte G-Ds Gesicht. Es tat ihm Leid, dass er mit seiner Gier den schönen Abend ruiniert hatte. Die letzten Wochen waren stressig und Abende, an denen sie gemütlich beim Essen zusammen sitzen und Spaß haben konnten, selten. Es ärgerte ihn, dass es seine eigene Schuld war, dass die lustige Stimmung gestört wurde. Sollte er als Anführer nicht dafür sorgen, dass sie als Gruppe gemeinsam Spaß hatten? Stattdessen würden sich nun alle um ihn sorgen. “Los komm! Gehen wir zurück zu den anderen!” Scheinbar wieder bester Laune griff er sich T.O.Ps Arm und zog diesen eiligen Schrittes einige Meter in Richtung Küche. Noch immer rebellierte sein Magen und die schnellen Bewegungen verursachten ein Schwindelgefühl. Tief atmete er durch und schloss für einen kurzen Moment die Augen. “Möchtest du dich nicht lieber einen Moment ausruhen? Wir sind dir nicht böse deswegen…” Prüfend beobachtete der Ältere G-D. Er ahnte, was in diesem vorging. Er wollte den lustigen Abend nicht ruinieren, wollte nicht, dass sie sich um ihn sorgten. Ohne auf eine Antwort zu warten, schob er den Jüngeren ins Wohnzimmer und deutete auf das Sofa. “Leg dich einfach ein paar Minuten hin. Wenn es dir wieder besser geht, kannst du ja wieder zu uns kommen…?” Widerwillig setzte der Jüngere sich auf die Couch. Er wusste, dass T.O.P recht hatte und er sich besser ein bisschen ausruhen sollte. Schließlich war er auch keine große Hilfe, wenn er der guten Stimmung wegen zurück zu den anderen ging und dafür dann morgen nicht fit genug für das Training war. Seufzend gab er sich geschlagen. “Wenn du noch irgendetwas brauchst, sag uns einfach Bescheid…” Leise löschte T.O.P das Licht und schloss die Türe hinter sich. » Das lief nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte… Sie hätten schneller wirken müssen. Auch an der Dosierung muss ich noch etwas ändern, wenn ich mehr als ein flaues Gefühl im Magen erzeugen wollte. Aber was stört mich ein kleiner Fehlschlag? Ich konnte fast drei Jahre warten, da macht ein Tag mehr oder weniger auch keinen Unterschied. « Verschlafen blinzelte G-D. Was war das für ein Geräusch? Orientierungslos blickte er sich um. Hatte er etwa die ganze Nacht auf dem Sofa im Wohnzimmer verbracht? Langsam kehrte die Erinnerung zurück: Das Essen, die Übelkeit, der Schwindel. Noch mehrere Stunden lag er wach auf dem Sofa und kämpfte gegen den ständig wiederkehrenden Brechreiz an. Sicher hatte er deswegen jetzt verschlafen. Ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigte seine Vermutung: 10:37 Uhr. Nun wurde ihm auch klar, welches laute Geräusch ihn geweckt haben musste. “Ach verdammt…” Um 11 Uhr begann das Training. Sicher hatte ihn das Motorengeräusch aus dem Schlaf gerissen. Eilig rappelte der Rapper sich auf. Warum hatte ihn keiner geweckt? Welchen Eindruck musste der Trainer von ihnen bekommen, wenn der Bandleader das tägliche Training schwänzte? Eilig lief er ins Bad, um sich zumindest kurz zu waschen und zu kämmen. Erleichtert stellte er fest, dass das Schwindelgefühl vergangen war. Keine fünf Minuten später stieg G-D in ein Taxi, dass ihn zur Turnhalle bringen sollte. Zeitgleich sollte Taeyang das Fehlen von G-Dragon entschuldigen. T.O.P übte mit den beiden jüngsten Mitgliedern die schwierigsten Tanzschritte und somit war es an ihm, dem Zweitältesten, die unangenehme Nachricht zu überbringen. Noch während er sich im Geiste die Sätze zurechtlegte, stürzte, völlig außer Atem, das fehlende Mitglied in die Halle. Irritiert starrte Taeyang den Jüngeren an. Auch die restlichen vier Personen in der Halle hatten inne gehalten und sahen verdutzt in Richtung Tür. “Tut mir Leid, ich hab verschlafen… Wird nicht wieder vorkommen!” Mit einer kurzen Handbewegung animierte er seine Freunde, ihr Training wieder aufzunehmen, während er selbst reumütig den Kopf senkte und die darauf folgende Standpauke über Pflichtbewusstsein und fehlende Disziplin über sich ergehen ließ. Als der Trainer seine Standpauke beendete, entschuldigte er sich noch ein letztes mal, ehe er sich seinen Bandmitgliedern anschloss. “Was machst du denn hier?” “Geht es dir wieder besser?” “Warum hast du dich nicht ausgeruht?” “Wir haben dich extra schlafen lassen…” Alle quasselten aufgeregt durcheinander. Tausend Fragen wurden gestellt, G-D von oben bis unten gemustert und seine Stirn befühlt, bis dieser seine Hand hob, um sie zum Schweigen zu bringen. Schlagartig verstummten die Stimmen. “Ich kann euch Chaoten doch nicht alleine lassen… Sicher kann keiner von euch seine Choreographie, nicht wahr?” Neckisch grinste der Leader in die Gruppe. Ihren betretenen Gesichtern war zu entnehmen, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte. Somit war die Fragestunde über sein Befinden offiziell beendet. Es tat ihm Leid, die Leistung seiner Freunde zu kritisieren, aber er wusste, dass es nötig war, um sie dazu zu bringen, sich nicht mehr um ihn zu sorgen. Es war nicht ihre Aufgabe, sich Gedanken über ihn zu machen - es sollte anders herum sein. Da ihm keiner antwortete, klatschte er in die Hände. “Los, los! Nutzt zumindest die restliche halbe Stunde noch und übt eure Schrittfolge…” Ohne auf das Murren einzugehen, bewegte er sich vor den Spiegel und fing an, seine Tanzschritte einzustudieren. Eigentlich war es nicht nötig, er beherrschte die gesamte Choreographie im Schlaf, doch er hoffte, dass sein Elan den Rest der Gruppe anstecken würde. Wie erwartet, folgten die vier Jungs ihm vor den Spiegel und fingen an, ebenfalls ihr Training zu absolvieren. Zufrieden beobachtete G-D sie, gab hier und da Ratschläge und tröstete, wenn eine Schrittfolge absolut nicht zu klappen schien. “Okay Jungs, genug für heute!” Das ließen sich die Bandmitglieder nicht zweimal sagen. Kaum hatte ihr Anführer die Worte ausgesprochen, hielt sie nichts mehr in der Halle. Weniger als zwei Minuten später saß die gesamte Gruppe im Wagen, um sich auf schnellstem Wege in die Wohnung bringen zu lassen. » Wie konnte das sein? Es war absolut unmöglich, dass er so fit sein konnte… Ich habe die Dosis verdreifacht und er hatte sie auf nüchternen Magen zu sich genommen. Wie konnte er anschließend einfach zum Training kommen, grinsen und so tun, als würde es ihm gut gehen? « Seungri sprang als Erster aus dem Wagen. Schon während der Fahrt hatte er die anderen darum gebeten, ihn zuerst aussteigen zu lassen. Es hatte seinen Vorteil, der Jüngste zu sein - die anderen konnten ihm keine Bitte abschlagen. Ein bettelnder Blick und die älteren Mitglieder wurden weich. Auch dieses mal war es ihm gelungen, seinen Willen durchzusetzen. Eilig stieg er aus dem Fahrzeug und sprintete zur Wohnungstüre. Grinsend folgten ihm seine Gruppenmitglieder. Manchmal kam es ihnen so vor, als wäre der Jüngste noch ein Kleinkind. Die gesamte Fahrt über hatte er gejammert, dass er Durst hatte und darauf bestanden, vor allen anderen aussteigen zu dürfen. “Lass uns noch was übrig!” Die Hänselei des Ältesten kommentierte Seungri lediglich mit einer Grimasse, ehe er in die Küche eilte und sich die nächstbeste Flasche Wasser griff. Während er diese in zügigen Schlücken leerte, betraten nach und nach auch die restlichen vier Mitglieder von Big Bang die Küche. “Menno… Da haben wir uns ja völlig umsonst Mühe gemacht. Du hast sie ja gar nicht probiert…” Enttäuscht zeigte Daesung auf das Tablett auf dem Esstisch. Darauf befanden sich eine Kanne mit Tee, eine Tasse und eine Schüssel mit Keksen - alles unberührt. Anklagend musterte er G-D. Er war extra eine halbe Stunde eher aufgestanden, um ihm eine Freude zu machen und dieser hatte es nicht einmal für nötig befunden, auch nur einen winzigen Bissen davon zu probieren. Eine beleidigte Schnute verriet seine Gedanken. “Oh nein… Das habt ihr extra für mich gemacht? Das tut mir Leid… Ich bin aufgewacht, als ihr weggefahren seid und hab mich dann total beeilt!” Versöhnend blickte er in die Runde. “Dann iss wenigstens jetzt einen!” Als G-Dragon den Mund öffnen wollte, um etwas zu erwidern, hatte Taeyang ihm schon einen Keks in eben diesen gesteckt. Vier Augenpaare starrten ihn nun erwartungsvoll an. Um die Spannung herauszuzögern und seine Freunde ein bisschen zu ärgern, kaute G-D extrem langsam. Erst, als Seungri vor Neugierde fast zu platzen schien, erbarmte er sich, reckte einen Daumen in die Höhe und nahm sich mit der anderen Hand gleich noch einen weiteren Keks. “Echt lecker!” Begeistert klatschte Daesung in seine Hände. Jetzt hatte es sich wenigstens gelohnt, dass er früher aufgestanden war. Lächelnd betrachtete er, wie sich ihr Anführer einen Keks nach dem anderen in den Mund steckte. Dieser hatte schließlich seit gestern Abend nichts mehr gegessen und musste nach dem anstrengenden Training völlig ausgehungert sein. “Möchtest du dich den ganzen Tag nur von Süßigkeiten ernähren? Du solltest auf leeren Magen nicht so viel zuckrige Kekse essen…” Die mahnende Stimme T.O.Ps ließ G-D inne halten. Immer noch kauend stellte er die Schüssel wieder auf den Tisch und schüttelte mit dem Kopf. “Spielverderber…” Sowohl G-D, als auch Seungri griffen sich schnell noch eine Hand voll Kekse, ehe der Gruppenälteste die Schüssel an sich nahm und sie vor den gierigen Fingern der jüngeren Mitglieder in Sicherheit brachte. Er wusste, dass G-Ds Motzen nicht böse gemeint war und grinste diesen deshalb nur an, während er sich daran machte, einige Töpfe und Zutaten auf der Küchenanrichte zu verteilen. “Das dauert ja sicher noch eine Weile, oder?” Gelangweilt starrte Taeyang auf die Uhr. Er hatte nicht vor, die nächste halbe Stunde damit zu verbringen, T.O.P beim Kochen zuzusehen. Ob er es wohl schaffen könnte, sich unbemerkt die Kekse zu schnappen und sich vor den Fernseher zu verdrücken? Noch während er seinen Plan durchdachte, wurde ihm ein Rührbesen in die Hand gedrückt. “Wenn du hilfst, geht es sicher schneller…” Nicht, ohne dem unfreiwilligen Küchenhelfer die Zunge rauszustrecken, verließen die beiden Jüngsten die Küche. Einzig G-D stand noch etwas orientierungslos in der Küche. “Ich geh in mein Zimmer… vielleicht kommen mir ein paar gute Songideen…?” Kurz ließ er seinen Blick durch die Küche schweifen. Hatte Seungri die letzte Wasserflasche geleert? Erneut suchte er die Schränke, Ecken und versteckten Winkel des Raumes mit seinen Augen ab. Nichts. Kurzerhand griff er nach der Teekanne. Kalt gewordener Tee war auch nichts anderes als Eistee. Zufrieden ging er durch den Flur und betrat nach wenigen Sekunden das Zimmer, das er sich mit Taeyang teilte. Da dieser damit beschäftigt war, sich von T.O.P herumscheuchen zu lassen, ließ sich der Bandleader auf dem fremden Bett fallen, um sich den Weg in die andere Ecke des Raumes zu sparen. Außerdem wäre, für den Fall, dass er ein paar Tropfen des Tees verschütten sollte, nicht sein Bett, sondern das seines Zimmergenossen dreckig. Amüsiert über diesen Gedanken füllte er die Tasse und roch daran. Ein süßlicher Geruch nach Waldbeeren drang in seine Nase. Die Jungs wussten, dass er eine Naschkatze war und hatten sich viel Mühe für ihn gegeben. Er würde ihnen später noch einmal danken und sie vielleicht auf einen Drink in ihre Lieblingsbar einladen. Erst, als er die ersten Schlücke genommen hatte, merkte er, wie ausgetrocknet seine Kehle war. Eilig leerte er die Tasse, um sie erneut zu füllen und auch diese in wenigen Zügen auszutrinken. » Ich könnte mich ohrfeigen. Warum bin ich heute Morgen zum Training gefahren? Stattdessen hätte ich in der Wohnung bleiben sollen. Ich hätte mich zu G-D auf das Sofa setzen sollen, ihn bemitleiden sollen und ihn dazu bringen müssen, wenigstens ein paar Schlücke des Tees zu trinken. Wieder ist mein Plan nicht aufgegangen. « „Ich deck den Tisch, trommel du den Rest zusammen!“ Darum musste T.O.P seinen Helfer nicht zweimal bitten. Froh darüber, dass er zumindest beim Tischdecken nicht helfen musste, eilte Taeyang aus dem Raum und suchte die restlichen Zimmer nach den beiden Jüngsten ab. Wie erwartet saßen die beiden vor dem Fernseher, stritten sich um die Fernbedienung und alberten herum. “Los, Leute… Fernseher aus und ab in die Küche mit euch!” Während er die beiden Jungen vom Sofa aufscheuchte, klopfte er gegen die Türe seines Zimmers. Höchstwahrscheinlich saß sein Zimmergenosse auf der Fensterbank, starrte aus dem Fenster und schrieb all die Gedanken auf, die ihm durch den Kopf gingen, um sie anschließend zu einem Song zu verbinden. Ihr Bandleader war wahrlich ein Genie - und wie alle Genies hasste er es, wenn man ihn in seiner kreativen Phase nervte. Er wollte sicher nicht dessen Zorn auf sich ziehen und ihn stören. “G-D? Essen ist fertig!” Mit diesen Worten wandte er sich ab und folgte Daesung, der auf ihn gewartet hatte, an den Esstisch. T.O.P hatte ganze Arbeit geleistet und bereits all das gekochte Essen auf fünf Teller verteilt. Nun starrte er irritiert in die Runde. “Hast du nicht jemanden vergessen?” Bereits die erste Portion Reis im Mund kauend, zuckte Taeyang mit den Schultern. “Dschi-Di isch im Schimma… Isch glaub nisch, dasch er geschdört werden will…” Seungri prustete laut los und hatte alle Mühe, seinen Mundinhalt nicht über dem gesamten Tisch zu verteilen. Warum musste Taeyang auch mit vollem Mund nuscheln? Immer noch kichernd schluckte er und spülte mit einem Schluck Wasser nach. “Soll ich mal nachfragen? Mir ist er sicher nicht lange böse, wenn ich ihn stören sollte…?” Dankbar nickte Taeyang. “Wie könnte er unserem Baby schon böse sein?” Spielerisch kniff er dem Jüngsten in die Wange, ehe er ihn vom Stuhl schubste. Seungri, der sich eigentlich für den immerhin fast zehn Meter langen Weg einen weiteren Löffel voll Reis in den Mund stecken wollte, wurde von seinem Vorhaben abgebracht und verließ stolpernd und mit leerem Mund die Küche. Wie zuvor Taeyang klopfte auch er erst einige Male gegen die Türe. “Darf ich reinkommen?” Aus Höflichkeit und um G-D nicht zu überrumpeln, wartete er wenige Sekunden, ehe er schließlich die Türklinke griff und leise das Zimmer betrat. Irritiert sah er sich um. Die Fensterbank war leer und auch das Bett ihres Bandleaders unberührt. Es dauerte einige Augenblicke, ehe Seungri die zusammengesunkene Person auf Taeyangs Bett bemerkte. Ein Lächeln erschien auf Seungris Gesicht. Ihr Anführer schlief. Sicher war er noch längst nicht so fit, wie er behauptet hatte. Darauf bedacht, keinen unnötigen Lärm zu verursachen, ging er Schritt für Schritt rückwärts. Gerade, als er das Zimmer verlassen wollte, glaubte er, ein heiseres Stöhnen zu vernehmen. Neugierig betrat Seungri erneut das Zimmer. Dieses mal ging er einige Schritte weiter hinein, um einen besseren Blick auf ihren Anführer werfen zu können. Erneut vernahm er ein Geräusch aus dessen Richtung. Die Neugierde siegte und eilig lief der Jüngere durch das Zimmer, wo er entsetzt die Szene beobachten musste, die sich in Taeyangs Bett abspielte. Der Kopf des jungen Rappers drohte zu platzen, die Zimmereinrichtung drehte sich vor seinen Augen und sein Magen wurde von heftigen Krämpfen geplagt. Er hatte das Gefühl, sich jeden Moment erneut übergeben zu müssen und nicht die Kraft, sich aus dem Bett zu erheben. Was war nur los mit ihm? Er war nicht der Typ, der sich so leicht eine Magenverstimmung zuzog. Erneut schmeckte er einen bitteren Geschmack im Mund. Noch während er versuchte, den Brechreiz zurückzuhalten, erschütterte ein weiterer Krampf seinen Körper. “Oh mein Gott…” Zu Tode erschrocken starrte der Jüngste auf das Bild, das sich ihm bot: Vor ihm auf dem Bett lag sein Anführer, geschüttelt von Krämpfen, mit aschfahlem Gesicht und scheinbar unfähig, aus eigener Kraft aufzustehen. Wie erstarrt beobachtete er das schreckliche Spektakel. Erst ein lautes Husten gepaart mit einem würgenden Geräusch ließ ihn aus seiner Starre erwachen. “Was ist passiert?! Ji-Yong, was ist los? LEUTE, KOMMT SCHNELL!” Daesung stellte sein Glas ab. “War das Seungri?” Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er den Esstisch. Auch die übrig gebliebenen Mitglieder standen auf und folgten der aufgeregten Stimme ihres Jüngsten. “Helft mir doch! Ji-Yong… “ Noch während Seungri erwähnen wollte, dass der Bandleader scheinbar an Übelkeit litt, demonstrierte dieser es, indem er erneut würgte, kurz aufstöhnte und sich anschließend direkt in Taeyangs Bett übergab. Um Schlimmeres zu verhindern, griff der Jüngste sich G-D, um ihn ins Badezimmer zu bringen. Eigentlich stellte es keine Schwierigkeit dar, da dieser ziemlich wenig wog, doch da er keine Anstalten machte, sich aus eigenen Kräften zu bewegen, hing er in seinen Armen wie ein schwerer, nasser Sack. Wenige Sekunden war es völlig still im Zimmer, ehe alle aufgeregt durcheinander redeten. “Um Gottes Willen…” “Seungri, was ist hier los?” “Ji-Yong, hörst du uns?” “Hast du was getrunken?” Einzig der Leader sagte kein Wort. Schlaff hing er in den Armen des jüngsten Mitglieds, ohne zu antworten. Er befürchtete, sich auf der Stelle erneut übergeben zu müssen, sobald er den Mund öffnete. Hin und wieder durchbrach ein Würgen das aufgeregte Gequassel der restlichen Band. “Wir sollten einen Krankenwagen rufen!” “Quatsch, er killt uns, wenn wir ihn wegen einer Magenverstimmung ins Krankenhaus bringen lassen…” “Sieht das für dich nach einer Magenverstimmung aus?!” “Wir sollten zumindest einen Arzt anrufen!” » Wäre das nicht zu auffällig, könnte ich springen vor Freude. Letzten Endes hat mein Plan also doch funktioniert. Nicht so, wie ich es gedacht hatte… aber mindestens genauso effektiv. Den Krämpfen nach zu urteilen, hat er mehr als die doppelte Menge von dem getrunken, was ich eigentlich eingeplant hatte. Fast hätte ich Mitleid, hätte er mir damals nicht das genommen, was ich mir am meisten gewünscht hatte. Nicht, dass man mich falsch versteht: Ich hasse G-D nicht. Es macht mir keinen Spaß, ihn leiden zu sehen. Aber anders weiß ich mir nicht mehr zu helfen. Ich habe auf jede erdenkliche Weise versucht, ihn davon zu überzeugen, mir meinen Herzenswunsch zu erfüllen aber er war ja so stur. Mehrere Monate lang hatte ich gebettelt, geflucht, gefleht und geschrien - aber er hat es ignoriert. Wer nicht hören will, muss fühlen. Selbst Schuld. « Dankbar registrierte Seungri, dass vier starke Arme ihm die Last abnahmen. Die gesamte Situation schien ihn zu überfordern. Doch der Rest der Band hatte keine Zeit dafür, sich um ihren Jüngsten zu kümmern. Während T.O.P und Taeyang versuchten, den noch immer von heftigen Krämpfen geschüttelten Leader ins Bad zu bringen, machte sich Daesung daran, das Erbrochene auf dem Bett und dem Boden mit einem nassen Lappen zumindest oberflächlich zu entfernen. “Achtung, wir setzen dich ab… Ganz langsam…” Gleichzeitig mit diesen Worten spürte G-D, wie er vor der Toilette auf den Boden herabgelassen wurde. Kraftlos sank er auf die kühlen Fliesen. Sein gesamter Körper zitterte, der Boden unter ihm bebte und alle Kraft hatte ihn verlassen. Seine Hände krallten sich in das kalte Porzellan, während er sich abermals übergab. Röchelnd und hustend hing sein Kopf über der Schüssel. “Ich finde wirklich, dass wir einen Arzt rufen sollten…” Keiner hatte bemerkt, dass auch Seungri sich von seinem Schock erholt zu haben schien und den Dreien ins Bad gefolgt war. Abwartend schwenkte er sein Handy in der Luft hin und her. Taeyang nickte. Er wusste, dass das, was ihren Leader plagte, keine Magenverstimmung sein konnte. “K-kein… keinen Arzt…” Zittern hob G-Dragon eine Hand und winkte beschwichtigend ab. Das Letzte, das die Band so kurz vor der Tour brauchen konnte, war ein Anführer, der die wertvolle Trainingszeit damit verbrachte, sich langweilige Sendungen auf einem Fernseher im städtischen Krankenhaus anzusehen. Ein paar Stunden Ruhe und Tabletten gegen die Übelkeit mussten ausreichen. “Bist du dir sicher?" Er konnte die besorgten und prüfenden Blicke auf sich spüren. Sicher gab er ein erbärmliches Bild ab, wie er so über der Toilette hin, mit tränenden Augen und Resten seines eigenen Erbrochenen an Haaren und Klamotten. Er aktivierte seine letzten Kraftreserven, um nach dem Handtuch zu greifen, sich damit Gesicht, Haare und sein T-Shirt abzuwischen und schließlich wankend aufzustehen. Sein Blick war noch immer verschwommen und die Einrichtungsgegenstände sowie seine Freunde drehten sich vor seinen Augen. Langsam tastete er sich mit beiden Händen an der Wand entlang. Es waren nur wenige Meter bis in sein eigenes Zimmer, doch ihm kam es so vor, als würde er sich keinen Millimeter von der Stelle bewegen. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn und immer wieder musste er die Augen für einen Moment schließen, um das Schwindelgefühl auszublenden. Er konnte spüren, dass seine Kräfte mit jedem Schritt mehr schwanden. Seine Bewegungen wurden immer träger. “Lass dir doch helfen…!” Keine Sekunde zu spät hatte T.O.P seinen Arm um die Hüfte des Jüngeren gelegt. Noch während seine Finger im Shirt von G-D Halt suchten, spürte er, wie dieser ohne Vorwarnung in seine Arme sank. Einzig und allein der raschen Auffassungsgabe des Ältesten war es zu verdanken, dass sein Körper nicht vollends den Boden berührte. Auch Seungri war zu Hilfe geeilt. Mit vereinten Kräften trugen sie den kraftlosen Rapper auf sein Bett. “Daesung, bring uns bitte einen Waschlappen und eine Schüssel voll Wasser! Seungri, ruf den Arzt an!” Nickend befolgten die Beiden die Anweisungen Taeyangs, welcher in Zwischenzeit zusammen mit dem Ältesten versuchte, G-D in eine einigermaßen angenehme Position zu bringen. Das Gesicht des Anführers wirkte angespannt und verzerrt, die Hände verkrampften sich in die Bettdecke und das unterdrückte Würgen und Husten ließ darauf schließen, dass dieser noch immer gegen einen heftigen Brechreiz ankämpfen musste. “Der Doktor ist schon unterwegs! Die Sprechstundenhilfe hat gemeint, dass es wichtig ist, dass Ji-Yong versucht, sich zu entspannen…” » ‘Entspannen’ - in Gedanken grinse ich. G-D konnte froh sein, wenn die Krämpfe nicht die ganze Nacht anhalten würden. Schließlich hätte die Dosis, die ich in den Tee gemischt hatte, gereicht, um einen ausgewachsenen Elefanten dazu zu bringen, seinen Mageninhalt preiszugeben. Ich konnte schließlich nicht ahnen, dass er soviel davon trink. Tee zählt eigentlich nicht gerade zu seinen Lieblingsgetränken. Allerdings würde mir dies hier eine Lehre sein. Schließlich hätte auch einer der anderen Jungs auf die Idee kommen können, sich eine Tasse Tee zu gönnen. Ich musste besser aufpassen und geschickter vorgehen, wenn ich mein Ziel erreichen wollte, ohne unnötige Schäden zu verursachen. « Langsam und vorsichtig entfernte der Doktor die Spritze aus dem dünnen Arm des Rappers. Binnen weniger Minuten konnte man beobachten, wie sich der versteifte Griff löste und sich die Gesichtszüge des jungen Patienten entspannten. Wüsste man nicht, wie sehr er noch vor wenigen Minuten gelitten hatte, könnte man vermuten, dass dieser sich nur einen kleinen Mittagsschlaf gönnen würde. “Und Sie sind sich sicher, dass Ihr Freund keine verdorbenen Speisen zu sich genommen hat? Oder gibt es sonst etwas, das ich wissen sollte? Nimmt Ihr Freund Drogen, hat er eine Lebensmittelallergie? Ist sonst etwas vorgefallen, das solch eine heftige Reaktion seines Körpers auslösen könnte…?” Betretenes Schweigen und vereinzelte schüttelnde Köpfe waren die einzige Antwort auf seine Fragen. Erneut betastete der Arzt den Bauch des Schlafenden. Keine Verhärtungen, keine Verkrampfungen. Nichts, das auf eine Magenverstimmung dieser Ausmaße deuten würde. Gewissenhaft prüfte er Puls und Herzschlag. “Leidet er unter Stress? Als Band sind Sie ja sicher oft unterwegs… Sie müssen wissen, dass der Körper eines gesunden jungen Mannes viel aushalten kann aber irgendwann ist die Belastungsgrenze erreicht. Vielleicht ist es ein Warnsignal, sozusagen die Notbremse seines Körpers gewesen.” Beide Werte befanden sich im normalen Bereich. Der ältere Herr packte sein Stethoskop zurück in die Tasche, füllte noch rasch einige Rezepte für die Apotheke aus, die er Daesung reichte und nickte ihnen dann allen höflich zu. “Er sollte sich Ruhe gönnen und in ein paar Tagen für eine genauere Untersuchung meine Praxis aufsuchen. Auf Wiedersehen!” Mit diesen Worten verließ er die Wohnung. Zurück blieben vier ratlose und ein schlafendes Mitglied von Big Bang. “Los Abmarsch! Ihr habt es doch gehört: Er braucht Ruhe…!” Ohne Widerworte zu leisten, verließ Seungri als erstes das Zimmer. Einzig die beiden Älteren standen weiter ruhig vor dem Bett. Daesung seufzte. Er wusste, was in ihren Köpfen vor sich gehen musste. Sicher fühlten sie sich verantwortlich für G-Dragon. Er war zwar ihr Anführer aber die Tatsache, dass er jünger war als die beiden, führte zwangsläufig dazu, dass er für sie so etwas wie ein jüngerer Bruder war, den sie zu schützen hatten. Er klopfte T.O.P auf die Schulter. “Momentan könnt ihr hier nichts mehr für ihn tun. Das Beruhigungsmittel sollte ihn die nächsten Stunden schlafen lassen…” Widerwillig ließ der Älteste sich auf den Flur ziehen. Taeyang allerdings schüttelte den Kopf. “Ich komm später nach… Vielleicht wacht er ja auf…? Außerdem muss ich eh noch ein bisschen Ordnung schaffen. Und mein Bett sollte ich wohl auch lieber frisch beziehen…” Darauf bedacht, keine lauten Geräusche zu verursachen, setzte er sein Vorhaben in die Tat um. Leise bezog er sein Bett mit einem neuen Laken und öffnete das Fenster, um ein wenig zu lüften. Die beschmutzte Bettwäsche wanderte in den Wäschekorb, Putztücher und Reste der Kekse, die G-D gegessen hatte, in eine Mülltüte. Nicht einmal eine halbe Stunde später verließ Taeyang mit einem Müllbeutel in der einen, Teetasse und Kanne in der anderen Hand, das Zimmer, um diese Dinge in der Mülltonne und der Geschirrspülmaschine zu entsorgen. Bereits an der Küchentüre wurde er von den beiden jüngeren Mitgliedern erwartet. “Wie geht es Ji-Yong? Ist er wieder wach?” “Können wir kurz rein und ihm gute Besserung wünschen? Och bitte… bitte… bitte!” Seungris Gequengel verfolgte ihn. Ein Lächeln bildete sich auf dem Gesicht Taeyangs. Er liebte diese kindliche Seite ihres Jüngsten, seine Naivität, die ihn wie ein kleines Kind wirken ließ und den flehenden Hundeblick, den er jedes mal aufsetzte, wenn er seinen Willen durchsetzen wollte. Auch jetzt zierte eine niedliche Schnute sein Gesicht. “Lass die beiden doch…” Es war T.O.P, der Seungris Betteleien dieses mal verfallen war. Er verstand, dass dieser sich Sorgen machte. Der Anführer war sein Vorbild. Schon häufig hatte der Jüngste in Interviews verlauten lassen, wie sehr er den jungen Rapper dafür bewunderte, dass er es schaffte, die Gruppe stets zu motivieren, ihnen bei Problemen zur Seite zu stehen und gleichzeitig noch die Zeit zu finden, sich ständig neue Songideen einfallen zu lassen. “Es hat doch keinen Zweck. Er hat sich in der gesamten Zeit, in der ich aufgeräumt habe, nicht ein einziges mal bewegt. Gönnt ihm Ruhe, er hat den Schlaf dringend nötig…” Ein beleidigtes Aufseufzen war die einzige Antwort, die Taeyang erhielt. Sowohl Seungris als auch Daesungs Gesicht zierte eine Schnute und als sie die Küche verließen, würdigten sie den Zweitältesten keines Blickes. Als ob dieser besser wüsste, was ihr Leader brauchte! Eingeschnappt setzten sich die beiden vor den Fernseher und ignorierten die Versöhnungs-Chips, die ihnen Taeyang anbot. Die gedrückte Stimmung führte dazu, dass bereits am frühen Abend Ruhe in die Wohnung einkehrte. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, erholte sich von dem Schrecken oder lenkte sich anderweitig ab, um wenigstens für einen kurzen Moment die Sorge über ihr geschwächtes Bandmitglied vergessen zu können. » Das lief bei Weitem besser, als ich es mir erträumt hatte. Der Doktor hatte mir, ohne es zu wissen, direkt in die Hand gespielt. Von ‘zuviel Stress’ war die Rede gewesen und davon, dass G-Dragon sich ‘Ruhe gönnen’ sollte. Besser hätte mein Plan gar nicht funktionieren können. Wenn erst einmal alle davon überzeugt sein würden, dass dieser eine Spur kürzer treten musste, würde es ein Leichtes sein, meinem Ziel wieder etwas näher zu kommen. Ich musste nur verhindern, dass G-D sich zu schnell erholte. Und das Wichtigste war, dass ich es unauffällig anstellte. Weder er selbst noch die restlichen Mitglieder durften etwas bemerken. « „Oje… Tut mir Leid, ich wollte dich nicht wecken…“ Mit einem geknickten Gesichtsausdruck legte Daesung die Medikamente, die er für ihren Anführer in der Apotheke abgeholt hatte, auf dessen Nachttisch. Auch eine Flasche Wasser und ein Glas stellte er neben den Tablettenpackungen ab. Er ärgerte sich, dass er den Schlaf, den G-D so dringend nötig hatte, gestört hatte. Schließlich hatte er versucht, sich möglichst leise zu verhalten. Er hoffte, dass ihm der Geweckte keine Vorwürfe machen würde. Doch dieser machte keine Anstalten, mit seinem Bandmitglied zu schimpfen. Verschlafen blinzelte er mehrmals. Es kam ihm vor, als hätte er mehrere Tage geschlafen und dennoch fühlte er sich nicht ausgeruht. Es fiel ihm schwer, seine Augen länger als wenige Sekunden offen zu halten. Sein Mund fühlte sich völlig ausgetrocknet an und sein Kopf pochte, als hätte ihn in der Nacht jemand mit einem Presslufthammer bearbeitet. Stöhnend rieb der Rapper sich die Schläfen. “Geht es dir wieder besser? Soll ich dir vielleicht etwas zu Essen bringen? Taeyang hat frische Brötchen gekauft… Du hast doch sicher Hunger, oder?” Erschöpft schüttelte der Gefragte den Kopf, wodurch sich der Druck gegen seine Schläfen allerdings verstärkte. Er zog es vor, sein Haupt wieder auf das Kissen zu betten. G-Dragon hoffte, dass der Jüngere ihm keine weiteren Fragen mehr stellen würde, damit er sich noch einen Moment ausruhen konnte. “Ist er wach?” “Ich hab dir doch gesagt, dass du leise sein sollst…” Die Wünsche des geschwächten Mitglieds wurden nicht erhört. Hatte zuvor nur eine Stimme die pochenden Schmerzen in seinem Kopf verstärkt, prasselten jetzt noch mehr Wörter auf ihn herab. Es fiel ihm schwer, diese zu sinnvollen Sätzen zu formen und das Gesagte zu verarbeiten. Warum konnten sie ihn nicht einfach noch einen Moment schlafen lassen? Hände befühlten seine Stirn, zogen an seiner Bettdecke und versuchten, ihn aufzurichten. Ohne Gegenwehr ließ G-D das Treiben um sich herum über sich ergehen. “Kannst du aufstehen? Wir haben extra mit dem Frühstück auf dich gewartet!” Eine weitere Hand zerrte an seinem Arm. G-Dragon wusste, dass es für ihn nur zwei Möglichkeiten gab: Er könnte sich in die Küche zerren lassen oder darum bitten, noch einen Moment schlafen zu dürfen. Aber er bezweifelte, dass die zweite Möglichkeit eine schlaue Wahl war. Würde er damit nicht indirekt zugeben, dass er noch immer geschwächt war? Und sollte ein Bandleader nicht immer das Gegenteil von Schwäche ausstrahlen? “Natürlich kann ich aufstehen. Allerdings nur, wenn ihr endlich aufhört, ständig an mir herumzuzerren… Ich bin doch keine Puppe!” Sofort ließen die Hände von ihm ab. Betreten blickten sich die restlichen Mitglieder an und nahmen etwas Abstand, damit er sich ungestört aufrichten konnte. Es war, als würde sich jede Faser seines Körpers dagegen sträuben, das Bett zu verlassen. Langsam und mit wackeligen Knien erhob sich der Leader. Er fühlte sich noch immer wie gerädert und das grelle Licht der Sonne blendete ihn. Einzig, um dem Rest von Big Bang eine Freude zu bereiten, wankte er die wenigen Meter bis in die Küche, um sich dort auf dem erstbesten Stuhl nieder zu lassen. “Magst du Kaffee oder lieber Tee?” Fragend hielt Taeyang zwei Kannen in der Hand. Lustlos zuckte der Anführer mit den Schultern. Es war ihm egal, welches Getränk er erhalten würde. Er hatte nicht vor, viel davon zu trinken. Sein Plan war, ein paar Minuten am gemeinsamen Frühstück teilzunehmen, ein paar Schlücke zu trinken und sich anschließend wieder in sein Zimmer zu begeben. Lediglich, um zu verhindern, dass sich seine Bandmitglieder weitere Sorgen um ihn machten, hatte er sich überhaupt dazu durchgerungen, sein gemütliches Bett zu verlassen. “Wir haben das Training für die nächsten drei Tage abgesagt. Wir dachten uns, dass dir ein bisschen Ruhe sicher nicht schaden würde…” Vier Augenpaare musterten G-Dragon, der, sein Gesicht mit beiden Händen stützend, am Tisch saß und laut aufseufzte. Sie wussten, dass dieser sicher etwas gegen ihr Vorhaben auszusetzen hatte und hatten sich innerlich schon auf eine lange Diskussion über die Wichtigkeit des täglichen Trainings eingestellt. Wie du erwarten räusperte sich der Rapper kurz darauf. “Das ist doch Schachsinn. Natürlich gehen wir alle zum Training… Welchen Nutzen hat es, wenn wir die nächsten drei Tage faul auf dem Sofa verbringen?” T.O.P öffnete bereits seinen Mund, um zu protestieren, doch G-D ließ ihm keine Zeit, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. So schnell es ihm möglich war, erhob er sich vom Tisch. “Ich werde sofort den Trainer anrufen und ihm Bescheid geben, dass wir doch kommen. Wir können es uns so kurz vor der Tour nicht erlauben, wertvolle Trainingseinheiten abzusagen.” Der bestimmte Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass jeder Widerspruch zwecklos sein würde. Betretenes Schweigen machte sich unter den verbliebenen Vier breit, als ihr Leader das Zimmer verlassen hatte. “Das kann doch gar nicht gut gehen…” “T.O.P, sag du doch was! Du bist älter, auf dich hört er vielleicht…?” Der Angesprochene nahm noch einen Schluck aus seiner Tasse, stellte diese anschließend ab und schüttelte mit dem Kopf. Es hätte keinen Zweck, mit G-D zu diskutieren, da dieser viel zu stur war, um sich von seiner Meinung abbringen zu lassen. Wenn er davon überzeugt war, dass er am Training teilnehmen konnte, würde er ihn daran nicht hindern können. “Du weißt genauso gut wie ich, dass Ji-Yong nicht auf mich hören würde. Wir werden einfach alle dafür sorgen, dass er sich nicht unnötig aufregen muss…” Im Klartext hieß dies, dass keiner sich mit dem Trainer stritt, sich jeder voll auf seine Choreographie konzentrierte und keiner G-D mit irgendwelchen Problemchen belasten durfte. Ihm war klar, dass dieses Vorhaben schwer in die Tat umsetzbar war. Gerade Daesung hatte häufig große Schwierigkeiten, sich seine Schrittfolge einzuprägen und beinahe jedes mal musste ihr Bandleader dazwischen gehen, wenn sich einer aus der Band mit dem Trainer anlegte. “Die Halle wurde für heute schon neu belegt…” Noch immer sein Handy in der Hand haltend, betrat G-Dragon den Raum. Obwohl er erst wenige Minuten wach war, fühlte er sich schon jetzt wie am Ende eines stressigen Tages. Schlapp ließ er sich zurück auf seinen Stuhl sinken und nahm einige Schlücke aus seiner Tasse. Insgeheim war er froh, dass das Training für heute ausfallen würde. Er sehnte sich nach seinem Bett, der Dunkelheit in seinem Zimmer und der Stille, die dort herrschte. “Vielleicht könntet ihr den freien Tag ja nutzen, um einzukaufen? Die Vorräte werden langsam knapp und die nächsten Tage könnten stressig werden, da wir einiges aufzuholen haben…” G-Dragon hoffte, dass sein Vorschlag auf Gegenliebe stoßen würde. In Gedanken malte er sich aus, wie der Tag ablaufen würde, wenn er es nicht schaffte, den Rest der Band außerhalb der Wohnung zu beschäftigen. Die beiden Jüngsten würden den halben Tag irgendwelche laut knallenden Ballerspiele auf der Spielekonsole spielen, Taeyang die meiste Zeit auf seinem Bett sitzen und in einer übertrieben hohen Lautstärke Musik hören und T.O.P wie eine besorgte Glucke über ihn wachen. “Au ja! Einkaufen!” “Die Chips sind auch schon alle weg…” Zumindest auf Daesung und Seungri war Verlass. So schnell es ihnen möglich war, aßen sie ihre Brötchen auf und beeilten sich, eine Einkaufsliste anzufertigen. Wenn sie nicht den Ärger der beiden Jüngsten auf sich ziehen wollten, blieb T.O.P und Taeyang nun gar nichts anderes mehr übrig, als diese zu begleiten. “Aber wenn es dir wieder schlechter gehen sollte, rufst du uns an, ja?” Schnell nickte der Angesprochene. Beruhigt machten sich die Übrigen daran, sich ihre Jacken, Schuhe und Mützen anzuziehen, ehe sie kurz winkten und anschließend die Wohnung verließen. Erleichtert atmete G-D auf. Noch immer pochte sein Kopf und jede Faser seines Körpers fühlte sich an wie aus Blei gegossen. Nur für einen kurzen Moment wollte der junge Rapper die Stille genießen. Vorsichtig bettete er seinen Kopf auf der kühlen Tischplatte und schloss die Augen. » Es war gar nicht nötig, dabei nachzuhelfen, die anderen davon zu überzeugen, dass es G-Dragon noch immer schlecht ging. Natürlich hatte er versucht, stark zu wirken aber wir alle kannten ihn lange genug, um hinter diese Fassade zu blicken. Sein müder Blick, die schlaffen, lustlosen Bewegungen und seine Hände, die fast die gesamte Zeit über seine Schläfen massierten, hatten Bände gesprochen. Auch die Tatsache, dass er uns aus der Wohnung haben wollte, war keinem von uns entgangen. Langsam wurde es Zeit, zu Teil zwei meines Planes überzugehen. Es konnte sich höchstens noch um ein bis zwei Tage handeln, bis es soweit war. « Mit vielen Tüten unter den Armen betraten die Einkäufer die Wohnung. Sie hatten sich viel Zeit gelassen, waren in mehr Geschäfte gegangen, als eigentlich nötig gewesen wäre und hatten zwischendurch sogar bei einem Freund von Taeyang Halt gemacht. Sie hofften, dass ihr Anführer die Zeit dafür genutzt hatte, sich auszuruhen. „Halloooo! Wir sind wie-… oh…“ Das zweitjüngste Bandmitglied fand G-D in der selben Position vor, die dieser morgens eingenommen hatte. Aus den wenigen Minuten, die er sich Ruhe gönnen wollte, waren inzwischen weit über fünf Stunden geworden. Noch immer lag sein Kopf auf der Tischplatte, die Arme hingen schlaff nach unten und sein Gesicht wirkte völlig entspannt. Leise entfernten sich die Schritte wieder aus der Küche. „Ich glaub, wir räumen die Taschen lieber später aus… G-D schläft grad! Sollen wir vielleicht Essen gehen? Wenn wir hier kochen, stören wir sicher nur…?“ Da keiner widersprach, zog sich Daesung seine Jacke wieder an. Die übrigen Mitglieder folgten seinem Beispiel, stellten die Einkaufstüten im Flur ab und keine fünf Minuten später waren die eben erst Heimgekehrten auch schon wieder auf dem Weg in die Stadt. Hätten sie nur wenige Minuten länger gewartet, hätten sie sich diesen Weg sparen können. Während der Rest der Band gerade mit dem Wagen die Auffahrt verließ, regte sich der Anführer. Langsam hob er den Kopf. Wie viel Zeit war vergangen? Waren die anderen schon wieder zurück? Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass bereits früher Nachmittag war. Einige Minuten verharrte er ganz still auf seinem Platz. Kein Geräusch drang in seine Ohren - die anderen mussten noch immer beim Einkaufen sein. Gähnend erhob sich G-D. Erleichtert stellte er fest, dass das Ausschlafen Wunder gewirkt hatte. Das schmerzhafte Pochen seines Kopfes war schwächer geworden und auch die bleierne Müdigkeit, die morgens noch seinen Körper beherrscht hatte, hatte nachgelassen. Im Flur fiel sei Blick auf die Einkaufstüten. Scheinbar waren die Jungs doch schon einmal daheim gewesen. Wahrscheinlich wollten sie ihn nicht wecken und waren erneut weggefahren. Der Blick des Rappers streifte das Fenster. Ob er vielleicht ein bisschen frische Luft schnappen sollte? Sicher würde ihm ein kleiner Spaziergang nicht schaden. Erst das schrille Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken. Eilig verließ der Junge die Küche und lief zur Quelle des Lärm. „Hallo?“ „Trainer Lee-Min hier. Es tut mir Leid, aber auch für morgen ist die Halle schon ausgebucht. Dafür habe ich für Freitag eine Doppelstunde eingetragen.“ Frustriert fuhr sich der Angerufene mit der freien Hand durch die Haare. Das war ja wohl ein schlechter Witz!? In wenigen Wochen begann die Tour und noch so gut wie keine Choreografie saß perfekt. Nach wenigen verabschiedenden Worten legte er auf. Ein weiterer verlorener Tag. Und das Schlimmste an der Sache war, dass das alles indirekt seine Schuld war. Hätte er sich nicht ein paar Wochen später den Magen verderben können? Was für ein beschissenes Timing! Noch während er sich über sich selbst ärgerte, fiel sein Blick auf einen kleinen gelben Notizzettel, der neben dem Telefon positioniert wurde. Eilig überflog G-D die wenigen Zeilen. Hey Kleiner! :P Sind in der Stadt und gehen Essen. Brauchst nicht zu kochen, wir bringen dir was mit. Daneben hatte jemand einen weiteren Smiley gezeichnet. Lächelnd zerknüllte G-Dragon den Zettel und entsorgte ihn in den Papierkorb. Die Lust auf einen Spaziergang war ihm nun allerdings vergangen. Lustlos begann er, die gekauften Lebensmittel in die verschiedenen Küchenregale zu verteilen. Nachdem alles verstaut war, ließ er sich auf die Couch im Wohnzimmer fallen. Die Energie, die er noch vor wenigen Minuten verspürt hatte, war wie weggeblasen. Ob er den Jungs Bescheid geben sollte, dass das Training morgen entfallen würde? Schließlich könnten sie dann etwas länger außer Haus bleiben, vielleicht ein bisschen feiern oder die freie Zeit dafür nutzen, Freunde zu besuchen. Seufzend erhob sich G-D wieder. Wo war sein Handy? Suchend blickte er sich um, konnte es allerdings nirgens entdecken. Schwerfällig begab er sich auf den Weg in sein Schlafzimmer. Auf dem Nachttischchen entdeckte er schließlich sein Mobiltelefon. Daneben lagen die drei Medikamentenpackungen, die Daesung ihm morgens gebracht hatte. Neugierig griff er danach. Beruhigungstabletten, krämpfelindernde Mittel und eine Schachtel ‚Aspirin‘. Zumindest die letzte Packung schien nützlich zu sein, da sein Kopf bereits wieder kurz davor war, zu explodieren. Während er mit der einen Hand das Nummernverzeichnis seines Handys durchsuchte, griff er mit der anderen nach der Wasserflasche, um die Kopfschmerztablette besser schlucken zu können. » Alles läuft nach Plan. Soeben hat G-Dragon bei uns angerufen und uns Bescheid gegeben, dass das morgige Training ausfallen würde. Natürlich gab ich mich völlig überrascht, als ich die Neuigkeiten erfuhr. Dann hat er meine Stimme also nicht erkannt. Er hatte sich Zeit gelassen, ehe er sich bei uns gemeldet hatte - ich befürchtete schon, er hätte mich entlarvt. Schon jetzt freue ich mich auf die Gesichter der anderen - allen voran natürlich auf G-Ds Blick - wenn sie merken, dass ihrem großen, allwissenden Anführer scheinbar ein großer Fehler unterlaufen sein musste. Hoffentlich gelingt es mir, nicht laut zu lachen. « Laute Stimmen weckten G-Dragon am nächsten Morgen. Es war bereits kurz vor 12 Uhr und dennoch fühlte er sich wie erschlagen. Er war bis zum Morgengrauen wach im Bett gelegen und hatte sich überlegt, wie sie den Trainingsrückstand am schnellsten aufholen konnten. Erst einer Beruhigungs- und einer weiteren Kopfschmerztablette war es zu verdanken, dass er schließlich doch in einen tiefen, allerdings nicht sehr erholsamen Schlaf gefallen war. „Aber er hat gesagt, er hätte gestern nicht angerufen…“ „Und warum sollte Ji-Yong sich das ausdenken?“ Scheinbar redeten seine Bandmitglieder über ihn. Den lauten Stimmen nach zu urteilen, stritten sie sich. Was war nur los? So schnell es ihm möglich war, schleppte sich der Geweckte aus dem Bett und folgte den Geräuschen, bis er schließlich im Wohnzimmer angekommen war, in welchem sich der Rest der Band versammelt hatte. „Kann doch sein, dass er etwas durcheinander gebracht hat…?“ „Quatsch!“ „Das Training ist ihm doch heilig.“ „Ich hab vorhin mal nach Ji-Yong gesehen… Es fehlen einige Tabletten - vielleicht war die Dosis etwas zu stark für ihn?“ „Ein paar Kopfschmerztabletten lösen doch keine Haluzina-… ähm….“ Verlegen räusperte sich Taeyang. Erst jetzt fiel auch den Anderen die erschöpft und verwirrt wirkende Gestalt auf, die sich leise genähert hatte. Müde lehnte ihr Anführer im Türrahmen und blickte irritiert vom einen zum anderen. Was war hier los? Erst nach zweimaliger Aufforderung G-Ds begann Seungri, diesem zu erzählen, worüber sie geredet hatten. Der Blick des Bandleaders entgleiste von Sekunde zu Sekunde mehr. Während der Jüngste ihm erklärte, dass soeben der Trainer völlig aufgebracht angerufen und gemeint hätte, dass sie zu spät wären, verließ auch das letzte bisschen Farbe dessen Gesicht. Die Aussage, dass Trainer Lee-Min beteuerte, niemals hier angerufen und die Übungszeiten verschoben zu haben, gab ihm den Rest. Ein ihm seit einigen Tagen gut bekannter Kopfschmerz breitete sich aus. „D-das kann nicht sein… Ich habe gestern mit ihm telefoniert. Ehrlich…“ Er musste sich einen Moment setzen. Besorgte, verwirrte und mitleidige Blicke verfolgten, wie sich der Leader auf das Sofa fallen ließ, immer wieder irritiert mit dem Kopf schüttelte und leise vor sich hinmurmelte. Seine zitternden Hände spielten mit den Ecken eines Kissens, während er immer und immer wieder beteuerte, sich das Telefonat nicht eingebildet zu haben. „Hör mal… Du hattest geschlafen, sicher noch starke Schmerzen und dann auch noch Medikamente eingenommen. Da kann es schon mal passieren, dass man etwas durcheinander bringt.“ G-Dragon spürte, dass sich ein Arm freundschaftlich um seine Schulter legte. Könnte Daesung recht haben? Hatte er sich das alles nur eingebildet? Erneut schüttelte er den Kopf. Nein - er war sich absolut sicher! Das Telefonat war real. Er war doch nicht verrückt! „Er hat angerufen!“ Heftiger als eigentlich beabsichtigt stieß er den Jüngeren weg. Er brauchte sein Mitleid nicht. Auch ihre bedauernden Blickte konnten sie sich sparen. Er wusste, dass er im Recht war. „Vielleicht solltest du dich noch einmal hinlegen…?“ Der Blick, mit dem T.O.P ihn ansah, sprach Bände. Auch die Gesichter der anderen Bandmitglieder ließen keinen Zweifel daran, dass sie ihrem Anführer keinen Glauben schenkten. Während der Älteste versuchte, G-D sanft in eine liegende Position zu drücken, hatte Taeyang einen Apfel und ein Glas Wasser aus der Küche geholt. Besorgt betrachtete er das bleiche Gesicht und den verkrampften Blick, mit dem sich der Leader an das Kissen klammerte. Er befürchtete, dass der Jüngere jeden Moment einfach umkippen könnte. „Ji-Yong, beruhig dich wieder…“ „Beruhigen?! Ihr haltet mich alle für gestört und ich soll mich beruhigen?“ „Aber das tun wir doch gar nicht…“ „… die letzten Tage waren einfach ein bisschen stressig für dich!“ Obwohl ihm dieser Gedanke missfiel, musste sich G-Dragon eingestehen, dass T.O.P mit seiner Aussage recht hatte. War es möglich, dass ihm sein Gedächtnis einen Streich spielte? Aber es kam ihm alles so real vor: Er war in der Küche, es klingelte und am Apparat war Trainer Lee-Min. Er konnte sich sogar noch an die genauen Worte von ihm erinnern. In seinem Kopf drehte sich alles. Warum kam ihm das Telefonat so real vor? Lag es wirklich an den Tabletten und dem Stress? Oder war er kurz davor, den Verstand zu verlieren? „Alles wieder in Ordnung…?“ „Kann doch jedem mal passieren!“ Aufmunternd lächelte Seungri ihn an. Doch noch ein weiteres Gefühl zeichnete sich deutlich in seinem Gesicht ab: Mitleid. Auch die Mimik der restlichen Bandmitglieder machte deutlich, dass sie in ihm nicht mehr den starken, unverwüstlichen Anführer sahen, für den sie ihn noch vor wenigen Tagen gehalten hatten. G-D erhob sich. Er konnte die Blicke nicht mehr ertragen. „Ich… ich muss raus hier…“ Ohne sich die Mühe zu machen, die Trainingshose, die ihm als Schlafanzug diente, gegen eine Jeans zu wechseln, verließ er die Wohnung. Es war ihm egal, ob er aussah wie ein Penner. Das einzige, das ihn interessierte, war, so schnell wie möglich die Wohnung verlassen zu können. Fragen wirbelten durch seinen Kopf. Was war nur los mit ihm? „Hey, es regnet! Nimm wenigstens einen Schi-…“ Das laute Knallen der Haustüre ließ Seungri verstummen. Auch der Rest der Band sagte kein Wort. Es war auch nicht nötig, über das, was sich eben vor ihren Augen abgespielt hatte, zu sprechen. Ein betretenes Schweigen herrschte, ehe sich T.O.P traute, das auszusprechen, was sich jeder von ihnen im Stillen gedacht hatte. „Er braucht Hilfe.“ Es war klar, dass es nicht damit getan sein würde, ihn jeden Morgen eine halbe Stunde länger schlafen zu lassen. Das eben war nicht nur Stress, das war die Vorstufe von Wahnsinn. Ihr Anführer sah eben so aus, als wäre er kurz davor, an der Last, die er als Bandleiter zu tragen hatte, zu zerbrechen. Abwartend blickte der Älteste in die Runde. Alle Mitglieder nickten zustimmend. „Aber wie stellst du dir das vor? Du glaubst ja wohl nicht, dass er, nur weil wir es sagen, ein bisschen kürzer tritt, oder?“ Der Angesprochene schüttelte mit dem Kopf. Natürlich glaubte er das nicht. Er kannte G-Dragon schon lange genug, um zu wissen, dass dieser niemals freiwillig ein paar seiner Aufgaben abgeben würde. Aber wenn sie es geschickt genug anstellen würden, würde es dem erschöpften Leader eventuell gar nicht auffallen. Eifrig weihte er die anderen in sein Vorhaben ein. » Ganz großes Kino! Wie G-Dragon zitternd auf dem Sofa saß, immer wieder das selbe Zeug gestammelt hatte… Es hätte nicht besser laufen können. Man konnte den anderen Drei richtig ansehen, wie ihr Bild vom ‚coolen, unschlagbaren Bandleader‘ zerbrach. Noch ein paar geschickt eingefädelte Situationen und ich konnte zu Phase drei übergehen - dem großen Finale! « Ein hektisches Treiben herrschte in der Wohnung von Big Bang. Trainingsklamotten wurden angezogen, die letzten Bissen vom Frühstück gekaut und Turnschuhe geschnürt. Alles war so, als hätte sich der gestrige Vorfall nie ereignet. Schweigend waren die fünf Bandmitglieder zum Alltag übergegangen - mit der einzigen Ausnahme, dass alle außer G-D in den Plan eingeweiht waren, den geschwächten Anführer zu schonen und ihn zu unterstützen. Einzig G-Dragon selbst fiel es schwer, so zu tun, als wäre nicht passiert. Noch immer konnte er sich nicht erklären, wie ihm solch ein schwerwiegender Fehler unterlaufen konnte und noch immer spürte er jedes mal, wenn er sich von den anderen Jungs abwandte, ihre fragenden und mitleidigen Blicke. Es würde schwer werden, sie davon zu überzeugen, dass alles wieder in Ordnung war. „Wo ist der Trainingsplan? Leute, wer hat den Plan?“ Ratlose Blicke trafen ihn. Seungri blickte von seinem Schnürsenkel auf, um mit den Schultern zu zucken und Taeyang konnte es sich nicht verkneifen, irritiert mit der rechten Augenbraue zu zucken. Schließlich meldete sich T.O.P zu Wort. „Warum sollten wir ihn haben? Den hast doch eigentlich immer du…“ Wieder diese Blicke. Und wieder das Gefühl, als Bandleader versagt zu haben. Der Plan war wichtig für die Band. Schritt für Schritt hatte G-D dort die Choreografien skizziert. Ohne ihn würde es schwer werden, keine Fehler in die Schrittfolge einzubauen. Wo konnte er nur sein? Der Rapper war sich sicher, das Heft letzte Woche genau hier in den Schrank gelegt zu haben. „Ähm… Ich hab ihn aber genau hier hingelegt. So ein Trainingsplan löst sich schließlich nicht einfach in Luft auf!“ „Ach, ist doch egal… Du hast die Choreografien doch eh alle im Kopf!“ Bemüht eifrig lächelte Daesung den Rapper an. Diesem war bewusst, dass der Zweitjüngste ihn nur aufmuntern wollte. In seinem Gesicht spiegelte sich ganz klar wider, was er sich wirklich denken musste. Frustriert packte G-D sich den Wagenschlüssel, räusperte sich und versuchte, betont zuversichtlich zu grinsen. „Natürlich! Ab ins Auto…“ Er wartete an der Türe, bis schließlich auch der Letzte die Wohnung verlassen hatte. Er sperrte ab, atmete noch einmal tief durch und eilte dann hinter Taeyang her. Sobald er das Auto erreicht hatte, ließ er sich niedergeschlagen in seinen Sitz sinken. Warum lief zur Zeit alles schief? Warum machte er all diese dummen Fehler? Und warum konnte er sich nie daran erinnern, diese zu begehen? So wie ihm, gingen auch den anderen Bandmitgliedern ähnliche Fragen durch den Kopf. Bereits nach höchstens einer halben Stunde war das eingetreten, was G-D befürchtet hatte. Die beiden Jüngsten hatten große Probleme, sich die anspruchsvollen Schrittfolgen zu merken und die Solo-Parts waren ein Desaster. Im Kopf des jungen Leaders herrschte Durcheinander. Die meisten der Tänze hatte er selbst zusammengestellt aber dennoch wollten ihm einige Passagen nicht einfallen. Er hasste sich im Moment dafür, den Trainingsplan verlegt zu haben. „Rechts, Drehung und dann mit der Hand an den Ko-… Nee, das war Daesungss Part. Rechts, Drehung, Schritt nach vorne und… Scheiße!“ Frustriert trat er mit dem Fuß gegen seine Sporttasche. Es konnte doch nicht so schwer sein, Seungri seine Choreografie zu erklären. Vor wenigen Tagen wäre es auch kein Problem gewesen… Er kannte sie schließlich! Aber in seinem Kopf kreisten die verschiedensten Tänze, vermischten sich und ließen sich nur lückenhaft abrufen. Die leicht genervten Blicke der restlichen Mitglieder führten ebenfalls nicht gerade dazu, dass der Anführer sich entspannen konnte. „Rechts, Drehung und dann einen Wiegeschnitt… Drehung nach außen und anschließend in die Hocke und da verweilen.“ Erleichtert atmete der Bandleader aus. Er konnte sehen, dass alle anderen ebenfalls froh darüber waren, dass er sich scheinbar wieder etwas gefangen hatte. Seungri lächelte ihn an und G-D war sich sicher, dass dieses Lächeln ehrlich gemeint war. Die Tatsache, zumindest einen kleinen Teil des Vertrauens, das bis vor einer Woche noch alle in ihn hatten, zurückgewinnen zu haben, trieb ihn zu Höchstleistungen an. Eifrig eilte er von Bandmitglied zu Bandmitglied, gab Ratschläge und fühlte, wie sich die Atmosphäre im Team änderte. Am Ende des Trainings hatte T.O.P das Gefühl, dass die Stimmung fast wieder so war wie früher. Die Jüngsten ließen sich jeden Schritt von G-Dragon erklären und hingen geradezu an seinen Lippen und wenn ihr Anführer ein paar Minuten Zeit fand, kam er zu Taeyang und ihm, um sich liebevoll über Daesungs plumpe Bewegungen zu amüsieren. Doch schon wenige Stunden später sollte sich das Blatt wieder wenden. Während Daesung am Herd stand und versuchte, etwas Leckeres aus den frisch gekauften Lebensmitteln zu zaubern, ertönte aus dem Flur ein lautes, klirrendes Geräusch. Eilig ließ der Kochende den Rührbesen in den Topf fallen, um nachzusehen, was passiert war. Auch die beiden Ältesten unterbrachen ihr Kartenspiel und starrten bereits irritiert den bis eben noch gut gelaunten Bandleader an, der mit fassungsloser Mine den Schrank betrachtete. „D-das ist unmöglich… Wer hat ihn da reingelegt? Wer?!“ Geschockt blickte G-D in das geöffnete Schrankfach. Wie erstarrt stand er davor und die Hand, in der er bis vor wenigen Sekunden noch ein Glas Orangensaft gehalten hatte, hing kraftlos nach unten. „Wer war das?!“ Die schrille Stimme des Bandleaders hallte durch die Wohnung. Auch Seungri, der den Nachmittag dafür nutzen wollte, ein bisschen zu schlafen, wurde unsanft geweckt. Verschlafen betrat er den Hausflur, in welchem G-D immer wieder seine Frage wiederholte. Keiner antwortete ihm. Ratlos wechselte Daesung einen Blick mit Taeyang, welcher jedoch lediglich mit einem Schulterzucken antwortete. Erst als der Anführer mit vor Aufregung zitternden Händen ein kleines Heftchen vor ihren Gesichtern schwenkte, verstanden sie den Sinn für sein aufgebrachtes Verhalten. „Ich hab heute morgen hier gesucht. Der Plan war nicht in diesem Schrank… Wer von euch hat ihn hier reingelegt?!“ Erneut blieb seine Frage unbeantwortet. Vier ratlose Augenpaare starrten ihn lediglich geschockt an. Weder T.O.P, noch die drei anderen Jungs wussten, wie sie sich verhalten sollten. Fakt war jedoch, dass sie sich schleunigst etwas einfallen lassen mussten, um die Situation zu entschärfen. „Er war heute Morgen nicht hier… D-das ist die Wahrheit… ehrlich…“ Weg war die Wut, die soeben noch die Stimme des Rappers regiert hatte. Die letzten Worte waren kaum mehr als ein heiseres Flüstern. Die Hand, die sich bis eben noch krampfhaft an den Trainingsplan geklammert hatte, suchte ihren Weg an G-Ds Kopf. Das Heft glitt auf den Boden. Schon nach wenigen Sekunden hatte es sich mit der gelblichen Flüssigkeit vollgesogen, doch das war ihm egal. Er wurde verrückt. So fühlte es sich also an, seinen Verstand zu verlieren. „Ich… T-tut mir Leid…“ Ohne eine weitere Erklärung stürzte der junge Leader ins Badezimmer, knallte die Türe hinter sich zu und ließ sich vor dieser auf den Boden sinken. Er hörte das Klopfen seiner besorgen Freunde, spürte, wie die Türe im Rhythmus der Schläge auf seinen zitternden Körper traf. Er hatte das Bad nicht verschlossen und keine Kraft, gegen das Drücken seiner Bandmitglieder anzukommen. Regungslos saß G-Dragon auf dem kalten Fußboden und ließ es geschehen, dass vier starke Arme ihn anhoben und auf sein Bett zogen. Ohne Widerstand zu leisten, ließ er sich ins Kissen drücken und mit einer Wolldecke zudecken. Es war ein geradezu erschreckender Anblick. Teilnahmslos lag der sonst so stolze Anführer im Bett und starrte mit glasigen Augen an die Decke. Taeyang musste schlucken. Auch den beiden Jüngsten stand der Schrecken ins Gesicht geschrieben. Einzig T.O.P schien sich für G-D zusammen zu reißen. Nachdem er den scheinbar völlig verwirrten Jungen zugedeckt hatte, ließ er die Rollläden herab und löschte das Licht. Ihm war klar, dass G-Dragon momentan sicher nicht in der Lage war, friedlich einzuschlafen aber die Dunkelheit verhinderte zumindest, dass der Älteste sich dieses Elend noch länger ansehen musste. „H-heute… Heu-heute früh… Der Plan w-war heute früh noch nicht da…“ Noch immer wiederholte der Bandleader immer wieder die selben Sätze. Der Älteste war sich nicht sicher, ob er damit sich selbst oder den Rest von Big Bang überzeugen wollte oder ob es einfach nur der Schock war, der ihm immer und immer wieder die gleichen Worte in den Mund legte. “Ich muss hier raus…” Verständnisvoll nickte Taeyang. Er konnte sich vorstellen, dass der weinerliche Klang in G-Ds Stimme für den Ältesten nur schwer zu ertragen sein musste. Und noch schlimmer musste es für ihn sein, dass er seinem Freund nicht helfen konnte. Während Taeyang sich noch über T.O.P Gedanken machte, verließ dieser eiligen Schrittes das Zimmer. Unschlüssig verweilten die übrig gebliebenen Mitglieder noch einige Minuten an der Seite ihres Freundes, ehe schließlich auch sie das Zimmer verließen. » Es war so einfach… Zugegeben, heute Mittag hatte ich schon fast befürchtet, dass mein Plan ein Misserfolg werden könnte. Woher sollte ich auch wissen, dass G-Dragon die Tanzschritte so perfekt in seinem Gedächtnis gespeichert hatte? Wüsste ich es nicht besser, könnte man glatt behaupten, er wäre der perfekte Bandleader! Doch als ich dann das Klirren gehört hatte, wusste ich, dass alles wieder gut werden würde. Der Blick. Die weinerliche Stimme. Der Gesichtsausdruck, als ihm klar wurde, dass ihm keiner glaubte. Ich war fast am Ziel. « “Und wer soll ihn holen?” Betreten starrte jedes der vier Bandmitglieder auf den Boden. Keiner wollte freiwillig in das Zimmer ihres Bandleaders. Keiner wollte sehen, wie der Junge, den sie so bewundert hatten, apathisch an die Decke starrte und so zerbrechlich wirkte. Keiner wollte derjenige sein, der ihn dazu überreden musste, endlich wieder das Bett zu verlassen. Zwei Tage lang sahen sie nun schon mit an, wie G-D sein Schlafgemach nur verließ, um für wenige Minuten das Bad aufzusuchen. “Seungri sollte… Daesung und ich haben ihm schon das Frühstück gebracht.” Resigniert seufzte der Jüngste auf. Er hatte absolut keine Ahnung, wie er den Bandleader zum Aufstehen motivieren sollte. Warum konnten sie nicht einfach bei ‘Radio Rainbow’ anrufen und ihren Anführer wegen Krankheit entschuldigen? Hoffentlich würde er sich zumindest während dem Interview zusammen reißen… Er sparte es sich, erst anzuklopfen. Ihn würde sowieso niemand hereinbitten. “Bist du wach?” Leise näherte er sich dem Bett, in dem sich G-Dragon befand. Völlig regungslos lag er da, die Augen geschlossen. Der Jüngste war sich jedoch nicht sicher, ob er wirklich schlief oder nur verhindern wollte, dass ihn jemand ansprach. Seungri knipste die Nachttischlampe an und durchsuchte das Zimmer nach Hinweisen dafür, dass der Ältere wach war. Das Frühstück lag unberührt auf dem Tischchen. Lediglich aus der Teetasse waren allem Anschein nach ein paar Schlücke getrunken worden und in der Schachtel mit den Beruhigungsmitteln, die geöffnet neben der Kanne lag, fehlten einige Tabletten. Es könnte also ziemlich schwer werden, den Schlafenden zu wecken. “Sorry Ji-Yong… Aber du musst aufstehen. Hörst du? Du kannst nicht ewig hier liegen, wir haben nachher ein Live-Interview. Bitte, steh auf…” Ein sanftes Schütteln riss den Schlafenden aus seinem traumlosen Schlummer. Was sollte dieser Aufstand? G-D fühlte sich, als wäre er in Watte eingewickelt. Nur dumpf nahm er die Weckversuche wahr. Sollte er die Augen öffnen? Das Rütteln an seiner Schulter wurde fordernder. Schlaftrunken blinzelte er einige male. Der Griff lockerte sich und das Schütteln ließ ebenfalls nach. Der Kopf des Anführers sank zurück auf sein Kissen. “Nicht wieder einschlafen! Du musst aufstehen! Wir müssen bald los…” Wovon redete Seungri überhaupt? Konnte er ihn nicht einfach schlafen lassen? Er konnte hören, wie der Rollladen geöffnet wurde. Helles Sonnenlicht fiel in sein Gesicht. Noch ehe G-Dragon sein Gesicht mit der Wolldecke schützen konnte, wurde ihm diese vom Körper gezogen. Resigniert blinzelte er ein weiteres mal. “Steh auf! Bitte Ji-Yong… Du bist doch der Bandleader - wir können nicht ohne dich fahren! Seung-Hyun, er hört nicht auf mich!” Nicht einmal eine Minute später erschien der Älteste im Raum. Er war bereits umgezogen und sichtlich irritiert, als er den Leader noch immer im Bett liegend auffand. Ohne Vorwarnung griff er sich den Körper des Jüngeren, zerrte ihn in eine aufrechte Position und schüttelte ihn. Verständnislos sah dieser ihn an. “Reiß dich mal zusammen! Was soll Seungri von dir denken, wenn er seinen Anführer so sehen muss?! Steh jetzt auf!” Einige Sekunden lang trafen sich ihre Blicke, dann ging ein Zucken durch den bisher regungslosen Körper. Unendlich langsam erhob er sich. Der Bandleader wusste, dass sein Freund recht hatte. Er musste sich beherrschen - für Big Bang! Träge setzte er einen Fuß vor den anderen, während der Älteste hektisch irgendwelche Klamotten aus dem Schrank zog. Ohne zu protestieren schlüpfte G-D in einen grauen Kapuzenpullover und die erstbeste Jeans, die T.O.P finden konnte. “Na also, geht doch… Noch ein bisschen Make Up und du siehst aus wie neu!” Der junge Rapper betrachtete sein Gesicht im Spiegel. Ein bleicher Junge mit müden, geröteten Augen starrte zurück. Der sonst leicht gebräunte Teint wirkte fahl und unter den Augen zeichneten sich tiefe, dunkle Ringe ab. Kein Make Up dieser Welt würde das überdecken können. Auch Seungri war dies klar. Dennoch versuchte er zu retten, was zu retten war. Eilig verteilte er mehrere Schichten der bräunlichen Creme im Gesicht des Bandleaders. “Kommt, wir müssen los…!” Mit einem mahnenden Blick auf die Uhr betrat Taeyang das Badezimmer. In der Hand hielt er bereits die Jacken der beiden Jungs und die Wagenschlüssel. Ein Blick in G-Ds Gesicht genügte ihm, um zu wissen, dass es noch ewig dauern würde, bis der Jüngste so viel Make Up verteilt hätte, dass G-Dragon wieder halbwegs normal aussehen würde. Mit einem tiefen Seufzer nahm er seine Sonnenbrille ab, setzte sie dem Rapper auf und zog ihn am Arm aus der Wohnung. “Los Beeilung! Diese Lahmarschigkeit ist ja unerträglich…” Strafend blickte Daesung den Älteren an. Eilig murmelte Taeyang eine kurze Entschuldigung und drückte G-D auf den Beifahrersitz. Wie mechanisch gurtete dieser sich an, legte seinen Kopf gegen die kühle Scheibe und schloss die Augen. Er öffnete sie erst wieder, als T.O.P ihm vom Fahrersitz aus einen großen Pappbecher und einen Cookie reichte. Eigentlich verspürte der Jüngere weder Hunger noch Durst. “Du musst doch mal was essen… Oder trink zumindest den Kaffee!” Lediglich, um wieder in Ruhe gelassen zu werden, nahm er einige große Schlücke aus dem Becher. Der Rest der Fahrt verlief bis auf die vereinzelten Kaugeräusche der anderen und dem gelegentlichen Schlucken des Bandleaders schweigsam. Erst, als der Wagen in der Parklücke stand, ergriff Daesung das Wort. “Und jetzt? Das merkt doch jeder, dass da was nicht stimmt.” “Sagen wir halt, er ist erkältet…?” “Na hoffentlich geht das gut…” “Ich kann auch für mich selbst sprechen.” Keiner hatte Notiz davon genommen, dass G-Dragon ebenfalls das Auto verlassen hatte. Abwartend blickte er in die Runde. Der Kaffee hatte ihm gut getan. Er fühlte sich nicht mehr so träge wie noch vor einer knappen Stunde. Auch dieses Gefühl, dass alles, was um ihn herum passierte, weit weg war, hatte stark nachgelassen. » Was sollte das denn jetzt? Wessen blöde Idee war das mit dem Kaffee überhaupt?! Wofür bin ich extra mitten in der Nacht aufgestanden, um G-Dragons Toilettengang dafür zu nutzen, ihm die Tabletten ins Getränk zu mischen? Ein herber Rückschlag. « “Einen wunderschönen Vormittag hier bei ‘Radio Rainbow’! Heute zu Gast sind fünf bezaubernde junge Männer! Na, wollt ihr euch nicht vorstellen?” Es dauerte nur wenige Sekunden, bis G-D den Kopf Richtung Mikrofon wandte und den Zuhörern erzählte, wer diese heute durch die Sendung führen würde. Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. Der Bandleader wusste selbst nicht, wo plötzlich die ganze Energie herkam. Er hörte erst auf zu sprechen, als er unter dem Tisch einen Tritt gegen das Schienbein spürte. “Was ist er doch für ein süßes Plappermäulchen…” Die Moderation lachte überdreht in ihr Mikrofon und drückte anschließend einen Knopf. Das ‘on air’-Schildchen an der Wand hörte auf zu leuchten und Musik ertönte. Unbewusst wippte der Fuß des Anführers im Takt dazu. Er fühlte sich, als wäre er ein Teil des Liedes. Seine Finger klopften zum Beat der Musik gegen den leeren Kaffeebecher. “Und hier sind wir wieder! Mit an Bord die Jungs von Big Bang. Sagt mal, wann kommt endlich was Neues von euch?” Abwartend lächelte die Sprecherin in die Runde. Keiner antwortete - solche Fragen beantwortete eigentlich immer G-Dragon. Doch der lächelte nur verträumt vor sich hin, bewegte seine Finger noch immer im Takt der längst vergangenen Musik und starrte wie gebannt auf das Leuchtschild, das immer im Sekundentakt zwischen Rot- und Blaulicht wechselte. “Ähm… also jetzt gehen wir dann ja erst einmal auf Tour. Nicht war, G-D?” Ein leichtes Pieksen in seine Seite ließ ihn aus seiner Trance erwachen. Schnell nickte er mit dem Kopf, ehe Daesung für ihn einsprang und ausführlich von ihren Songs, den anspruchsvollen Tänzen und den vielen Lichteffekten berichtete. Es fiel G-D sichtlich schwer, dem Gespräch zu folgen. Beinahe durchgehend schien er anderweitig abgelenkt zu sein: mal wippte er auf dem Stuhl, dann spielte er mit dem Pappbecher und schließlich summte er auch noch den Refrain von ‘Tell me’. Der Bandleader konnte sich selbst nicht erklären, warum er so aufgeregt war. Alles lief doch gut, es gab keinen Grund, nervös zu sein. Also warum raste sein Herz dann so? “Sollen wir dir ein Glas Wasser bringen lassen?” Mit besorgter Mine beugte sich T.O.P zu ihm hinüber. Der Angesprochene nickte. Ein Glas Wasser wäre jetzt sicher genau das Richtige. Ihm war sowieso total heiß. Auf seinen Händen, die seit einigen Minuten pausenlos damit beschäftigt waren, unter dem Tisch mit den Reißverschlüssen seiner Hosentaschen zu spielen, hatte sich bereits ein Schweißfilm gebildet. Als ein Praktikant ihm das gewünschte Getränk reichte, wäre es ihm beinahe aus der Hand gerutscht. In hastigen Zügen leerte er das Glas. Das Hitzegefühl blieb. “Ist alles okay bei dir?” Fragend blickte die Moderatorin ihn an. Erst jetzt fiel ihr auf, dass der Bandleader noch immer Kapuze und Sonnenbrille trug. Außerdem wirkte er ziemlich angespannt. Wenn man genau hinsah, fiel einem auf, dass seine Hände zitterten, als er das Glas auf den Tisch stellen wollte. “Alles in Or-…” “G-D ist nur ein bisschen erkältet!” Um ein Lächeln bemüht blickte G-Dragon die Moderatorin an. Beruhigt wandte sich die Frau wieder ihrem Mischpult zu. Ein kurzes Drücken auf einen der Knöpfe ließ erneut die ‘on air’-Anzeige blinken. Alle Gesichter wandten sich wieder den Mikrofonen zu. “Wie ich soeben erfahren habe, ist G-D leider ein bisschen krank… Da müssen wir ihn natürlich aufmuntern! Wie wäre es, wenn wir deinen neuen Song ‘Gossip Man’ spielen, der nächste Woche in die Läden kommt?” Ohne eine Antwort abzuwarten, beendete sie die Live-Aufnahme und ließ das angekündigte Lied laufen. Wahrscheinlich erwartete sie wirklich, dass G-D ihr für die Schleichwerbung dankbar war, doch dem war es im Moment herzlich egal, ob sie sein Lied oder das der ‘Wonder Girls’ abspielen ließ. In seinen Ohren rauschte es und der Rhythmus seines Songs mischte sich mit seinem Herzschlag. Um das Zittern zu unterdrücken, klammerte er sich an das bereits geleerte Glas. “’Gossip Man’ von G-Dragon. Ab Montag im Handel - kaufen Leute! Na, geht es dir jetzt besser?” Der Angesprochene beeilte sich, die Frage positiv zu beantworten und blickte auf die Uhr. Noch etwa eine Stunde, ehe sie endlich nach Hause fahren konnten. Er versuchte, das Rauschen zu ignorieren und tief durchzuatmen. Ein flaues Gefühl breitete sich in seinem Bauch aus, als er die frische Luft einatmete. Würde er sich gleich wieder übergeben müssen? Schweißperlen glänzten auf der Stirn des Bandleaders. Sein Herz drohte, aus dem Brustkorb zu sprengen. Er durfte es seinen Bandmitgliedern nicht antun, live im Radio zu erbrechen. “Ich… ich glaube, mir ist schlecht…” “Ihr habt es gehört, Mädels! G-D muss mal eben einen Moment raus - dann machen wir eine kleine Pause und hören uns solange T.O.Ps neuestes Meisterwerk an!” Irritiert versuchte die Moderatorin, die Situation zu retten. Normalerweise wäre es dem Rapper peinlich gewesen, diesen Satz in einer Live-Sendung zu erwähnen aber momentan war es ihm egal. Er wartete noch, bis die ersten Takte von ‘Turn It Up’ anliefen und stützte sich dann am Tisch ab, um sich zu erheben. Sein Herz klopfte schneller als der Beat des Liedes. Das rauschende Geräusch in seinen Ohren vermischte sich mit dem Sprechgesang seines Bandmitgliedes. “Soll einer von uns dich nach drau-…” Den Rest von Taeyang’s Frage verstand G-D nicht mehr. Ohne Vorwarnung schwand plötzlich jegliche Kraft aus seinem Körper. Das letzte, das er wahrnahm, war das dumpfe Geräusch, das den Raum erfüllte, als sein Kopf gegen die Tischplatte prallte, ehe er regungslos auf dem Boden liegen blieb. » Was war passiert? Ich hatte nichts damit zu tun. Nicht, dass es mir nicht gelegen kam… aber geplant war es nicht. G-Dragon wird doch wohl nicht schlapp machen, ehe ich zum finalen Schlag ausgeholt hatte? « Auf einmal ging alles ganz schnell. Mitarbeiter des Radiosender riefen verstört durcheinander. Ein Krankenwagen passierte mit Blaulicht und lauter Sirene die Einfahrt. Männer in weißen Uniformen luden den leblosen Körper auf eine Trage. Der Krankenwagen passierte die Einfahrt erneut - dieses mal jedoch in die andere Richtung. Zurück blieben vier geschockte Mitglieder von Big Bang. Sie waren keine Familienangehörigen und die Sanitäter hatten sich geweigert, auch nur einen von ihnen mit ins Krankenhaus zu nehmen. Alles Bitten war sinnlos, selbst Seungris weinerliches Flehen konnte an den strengen Vorschriften nichts ändern. „Los! Wir müssen hinterher! Ji-Yong braucht uns doch…“ Eilig rannten die vier Freunde auf den Hof und stiegen in ihr Auto. Taeyang brauchte mehrere Anläufe, um den Wagen anzulassen. Immer wieder starb ihm der Motor ab, ehe sie endlich das Radio-Gelände hinter sich lassen konnten. So schnell es dem Zweitältesten möglich war, fuhr er durch die Stadt, während Daesung versuchte, am Handy Informationen darüber zu erhalten, wo im Krankenhaus sich ihr Freund aufhalten könnte. „Na hören sie mal… Wir leben alle zusammen! Wir sind praktisch eine Fam-… Nein, wir sind nicht blutsverwandt… Wissen sie was? Wir finden ihn schon selbst!“ Mit einem wütenden Aufschrei landete das Mobiltelefon im Fußbereich der Rückbank. Eher schlecht als recht parkte der Zweitälteste das Fahrzeug in eine Parklücke, ehe sie so schnell sie konnten in das riesige Gebäude stürzten. Wie sollten sie ihn hier nur finden? „Entschuldigen Sie… Wir suchen einen Jungen. Er müsste gerade eben erst eingeliefert worden sein. Er war bewusstlos… Wo finden wir ihn?“ Ohne Notiz von T.O.P zu nehmen, eilte die Krankenschwester an ihm vorbei. Auch den anderen Bandmitgliedern erging es nicht anders. Alle Mitarbeiter waren damit beschäftigt, sich um die Patienten zu kümmern. Keiner von ihnen hatte Zeit und Lust, sich nebenbei auch noch mit den Problemen der Gesunden abzugeben. Eine ältere Dame gab sich schließlich einen Ruck und hörte sich Seungris Frage an. Sie hatte allerdings nichts von einem bewusstlosen Jungen mitbekommen, war sich aber ziemlich sicher, dass er so wie praktisch alle Patienten, die mit dem Krankenwagen angefahren kamen, in der Notaufnahme zu finden sei. Ohne sich eine Minute Zeit dafür zu nehmen, sich für die Auskunft zu bedanken, rannte der Bandjüngste los, um seinen Mitglieder die Information zu überbringen. Der Beschilderung folgend rannten die vier Jungen durch das Krankenhaus. „Halt! Sie dürfen hier nicht rein! Halt!“ Ein älterer Herr mit Stethoskop um den Hals hielt Taeyang am Arm zurück. Auch die restlichen Mitglieder mussten abrupt abbremsen. Misstrauisch begutachtete der Arzt die gehetzt wirkenden Personen, die soeben versucht hatten, die Notaufnahme zu betreten, die für unautorisierte Personen strikt verboten war. Aus den Augenwinkeln sah er, dass sich einer von ihnen an ihm vorbei drücken wollte. „Ich muss Sie bitten, diesen Bereich zu verlassen…“ „Unser Freund ist da drin!“ „Sie helfen Ihrem Freund nicht, wenn Sie die Ärzte von der Arbeit abhalten. Bitte gehen Sie in den Wartebereich.“ „Sagen Sie uns doch wenigstens, wie es ihm geht…!?“ Ein Seufzen verließ die Kehle des älteren Herren. Er war kein Unmensch. Auch er hatte Familie und Freunde und würde sich genauso verhalten, wenn er in der Situation dieser jungen Männer wäre. Aber Vorschrift war Vorschrift. Es könnte ihn seinen Job kosten, wenn er die Regeln missachtete und ihnen Einlass gewährte. Freundlich aber bestimmt schob er Taeyang, den er noch immer am Arm hielt, einige Meter rückwärts und schaute dann bedauernd in die Runde. „Geben Sie mir Ihre Handynummer… Sobald wir Ihren Freund auf eine öffentliche Station verlegen, lasse ich Sie von einer Krankenschwester benachrichtigen. Aber jetzt muss ich Sie wirklich bitten, diesen Bereich zu verlassen…“ Eilig kritzelte T.O.P seine Nummer auf den Notizblock des Arztes, ehe dieser eiligen Schrittes in einen der Räume eilte. Mit hängenden Schultern machten sie sich auf den Weg zurück in den Eingangsbereich, in welchem sie den Wartebereich vermuteten. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, machte sich Vorwürfe oder fragte sich, wie es zu diesem Vorfall überhaupt kommen konnte. Die wenigen Stunden, die sie damit verbrachten, immer wieder die selben Zeitschriften durchzublättern oder im Zimmer auf- und abzugehen, kamen Daesung vor wie eine Ewigkeit. Lustlos las er einen Artikel über die Aufzucht von Karpfen, als T.O.Ps Handy klingelte. Schon nach wenigen Sekunden hielt sich dieser das Gerät an das Ohr und lauschte der Stimme am anderen Ende der Leitung. „Zimmer 283? Haben Sie vielen Dank…“ Eilig winkte er seine Bandmitglieder zu sich. Achtlos ließ Daesung sein Heft auf den Boden fallen und folgte den anderen. Mehrmals waren sie falsch abgebogen und mussten erneut nach dem Weg fragen, ehe sie vor einem Zimmer mit der Aufschrift ‚283‘ standen. Konnten sie einfach eintreten? Sollten sie anklopfen? Die Entscheidung wurde ihnen von einer Krankenschwester abgenommen, die soeben den Raum verließ. „Oh, Besuch?“ „Ja… ähm… könnten wir vielleicht kurz rein?“ „Das tut mir aber leid… Ihr Freund ist noch nicht wieder bei Bewusstsein…“ „Wir stören auch nicht!“ „Wir möchten doch nur wissen, wie es ihm geht…“ „Naja… ein kleiner Moment kann sicher nicht schaden. Aber falls es Ärger geben sollte - ich weiß von nichts!“ Höflich nickend verabschiedete sich die junge Pflegerin und eilte den Flur entlang. Leise öffnete T.O.P die Türe und betrat den Raum. Ein intensiver Geruch nach Desinfektionsmittel kam ihm entgegen. Hinter sich hörte er Seungri unterdrückt husten. Langsam und darauf achtend, keinen unnötigen Laut zu verursachen, schlichen die vier Jungen näher. Wie verloren der Bandleader in dem großen, mit weißen Laken bezogenen Bett wirkte. Seine Hände, von denen eine durch einen Schlauch mit einem Tropf verbunden war, lagen ruhig auf der Bettdecke und seinen Kopf zierte ein schmaler, an einigen Stellen rot verfärbter Verband. Bis auf die rötlich-blaue Schwellung an der Stirn und den dunklen Schatten unter den Augen hatte jegliche Farbe das Gesicht des Jungen verlassen. „Wir hätten ihn niemals überreden dürfen, uns zu begleiten…“ Weiter kam Taeyang nicht. Die Krankenschwester von vor wenigen Minuten öffnete die Türe und streckte ihren Kopf in das Zimmer. In der Hand hielt sie Verbandsmaterialien und eine frische Infusion. „Ich will Sie wirklich nicht hinauswerfen aber der Tropf ist fast leer und der Verband müsste auch erneuert werden. Sie können ja morgen wieder kommen…? Ihr Freund braucht momentan sowieso vor allem viel Ruhe.“ Sie gab den Jungen noch einige Minuten Zeit um sich zu verabschieden, ehe sie diese freundlich aber bestimmt aus dem Raum schickte. Schweigend machte der übrig gebliebene Teil von Big Bang sich auf den Weg zu den Parkplätzen, um sich auf die Suche nach einem Hotel im engsten Umkreis zu machen. Falls sich etwas am Zustand des Bandmitglieds ändern sollte, wollten sie auf jeden Fall innerhalb weniger Minuten an Ort und Stelle sein. » Hätte man es nicht besser gewusst, hätte man G-Dragon auch für tot halten können. Bleich wie eine Leiche, die tiefen Augenringe, die Schläuche - kein schöner Anblick… Zum Glück kam die Pflegerin in den Raum und hat uns aus dem Raum geworfen. Noch viel länger hätte ich es nicht ausgehalten, ihn so zu sehen. Ich wollte nicht, dass das passierte! Das alles hier war nicht geplant - so sollte es nicht laufen! G-Dragon sollte mir lediglich das geben, was mir zusteht. Aber wer weiß, vielleicht spielte mir dieses Unglück ja auch in die Hand? « Erneut tauschte die Krankenschwester die Infusion aus, die den ausgetrockneten Körper des Patienten mit Flüssigkeit versorgen sollte. Behutsam entfernte sie die alte Kanüle, um sie gegen eine frische auszutauschen. Vorsichtig führte sie die dünne Nadel in die Haut ein. Ein leichtes Zucken ging durch die Hand, die bis eben noch still auf der Bettdecke geruht hatte. „Oh, das tut mir leid… Habe ich Sie gepiekst?“ Einige Sekunden wartete die Pflegerin auf eine Antwort, ehe sie mit den Schultern zuckte und ihre Arbeit vollendete. Stetig tropfte die trübe Flüssigkeit wieder durch die Schläuche. Mit flinken, einstudierten Handgriffen schüttelte sie das Kopfkissen auf und prüfte den Verband. Ein heiseres Stöhnen entwich der Kehle des Bandleaders, als die Frau seine Stirn befühlte. „Oh, Sie sind ja doch wach… Da wird sich der Doktor aber freuen, das zu hören!“ Eilig verließ die Krankenschwester das Zimmer. G-D könnte hören, wie die Schritte immer leiser wurden und schließlich eine Türe geschlossen wurde. Langsam öffnete er seine Augen und sah sich um. Vier weiße Wände, ein großes Bett mit weißer Bettwäsche und ein Nachttisch, auf dem sich eine Flasche Wasser und eine Bibel befanden. In seiner Haut steckte eine Nadel und an ihr hing ein Schlauch, der an einen Tropf mündete. Die Hand, die nicht eingeschränkt war, tastete sich an seine Stirn. „Lassen Sie lieber die Finger davon. Wenn Sie einmal kratzen, juckt es nur noch mehr!“ Erschrocken fuhr der Anführer von Big Bang herum. Er hatte gar nicht bemerkt, dass der etwa 50-jährige Mann, um dessen Hals ein Stethoskop hing, sein Zimmer betreten hatte. Das Lächeln, mit dem der Doktor seinen Patienten bedachte, wirkte aufgesetzt. „Kwon Ji-Yong… ‚Big Bang‘, nicht wahr? Meine Tochter hört ihre Musik den ganzen Tag!“ Noch immer wirkte die freundliche Mine des Arztes unecht. Man konnte ihm ansehen, dass er nur versuchte, eine lockere Atmosphäre aufzubauen. „Wie geht es Ihnen?“ Was für eine dämliche Frage. Er war live im Radio in Ohnmacht gefallen, hatte eine Nadel im Arm und einen Verband um den Kopf, lag im Krankenhaus und jetzt versuchte dieser Trottel auch noch, Smalltalk mit ihm zu machen. Um nicht unhöflich zu wirken, versuchte der Anführer ein Lächeln aufzusetzen und möglichst überzeugend zu erzählen, dass es ihm den Umständen entsprechend gut gehen würde. „Ihnen ist klar, dass wir über das, was vorgefallen ist, sprechen müssen…?“ Entnervt rollte der Angesprochene mit den Augen. Er wusste schon jetzt, worauf der Arzt anspielen wollte. Dieses Gespräch schien in die übliche ‚Ruhen Sie sich mal aus! Machen Sie ein paar Tage Pause!‘-Moralpredigt zu münden, die er sich in letzter Zeit häufiger anhören musste. Woher nahmen sich all diese Menschen das Recht, über sein Leben bestimmen zu wollen? “Es hat keinen Sinn, sich stumm zu stellen. Wir haben Ihnen den Magen ausgepumpt - reine Vorsichtsmaßnahme bei Jugendlichen, die grundlos kollabieren… Es ist wahrscheinlich nicht nötig, Ihnen das Ergebnis mitzuteilen…?” Die Augenbraue des Angesprochenen zuckte irritiert. Woher sollte er wissen, was sich in seinem Magen befand? In den letzten Tagen hatte er nicht sonderlich viel gegessen… Er setzte sich ein bisschen auf, um sich auf Augenhöhe mit dem älteren Herren zu befinden. Sein Interesse war geweckt. „Ich war - wie Ihnen vielleicht aufgefallen ist - bewusstlos und hatte leider keine Möglichkeit, mal eben meine Patientenakte durchzublättern. Es wäre also sehr nett von Ihnen, wenn sie mir das Ergebnis sagen…“ Es fiel G-D sichtlich schwer, zumindest einigermaßen höflich zu bleiben. Es nervte ihn, dass der Arzt so lange um den heißen Brei herumredete. Ungeduldig spielten seine Hände mit der Bettdecke, während sein Gegenüber durch die Patientenakte blätterte, bis die vorletzte Seite erreicht war. Wortlos überreichte der Doktor ihm das Blatt. Eilig überlog G-D die wenigen Zeilen. „W-was meinen Sie damit?“ Erneut las er sich das Untersuchungsergebnis durch, doch die Worte blieben unverändert. Fragend blickte er den Arzt an, doch dieser seufzte nur leicht genervt aus. „Bitte ersparen Sie uns den ‚Ich weiß von nichts‘-Teil.“ „Aber ich… ich weiß wirklich nicht, wie das sein kann! Ich hab nur eine, vielleicht auch zwei Tabletten eingenommen. Mir ging es nicht so gut… Ich wollte nur schlafen - aber mich doch nicht umbringen!“ G-D fühlte sich wie in einem Albtraum. Auf dem Blatt, das der Arzt ihm gereicht hatte, war von einer beinahe tödlichen Dosis die Rede. Wie konnte das sein? „Wir sprechen hier nicht von einer oder zwei Tabletten… Sie müssen in den letzten 48 Stunden mindestens sechs bis acht davon eingenommen haben, um diesen Effekt zu erzielen. Auf nüchternen Magen… und dann noch diese starken Mittel - wissen Sie, dass Sie das umbringen hätte können?!“ Im Kopf des Bandleaders drehte sich alles. Da war es wieder: dieses Gefühl, die Kontrolle über sein Leben langsam aber sicher immer mehr zu verlieren. Er konnte sich nicht daran erinnern, so viele Tabletten eingenommen zu haben. Mühsam versuchte er, seine Erinnerungen an die vorangegangenen Nächte zu sortieren. Er war völlig fertig, wurde ins Bett gebracht und lag die ganze erste Nacht wach. Keine Tabletten - da war er sich sicher, oder? Hatte er am nächsten Morgen eine eingenommen? Er war sich nicht mehr wirklich sicher. In der zweiten schlaflosen Nacht - zumindest das wusste er sicher - hatte er sich dafür entschieden, das Beruhigungsmittel einzunehmen. Er war noch eben auf die Toilette gegangen und hatte anschließend die Tabletten mit dem Tee, der auf seinem Nachttisch stand, hinunter gespült. Hatte er danach noch eine weitere eingenommen? Oder davor? „Ich… ich kann mich nicht daran erinnern… Warum kann ich mich nicht erinnern?!“ Je angestrengter er versuchte, die Erinnerungen klarer werden zu lassen, desto verschwommener wurden sie. Er war sich nicht einmal mehr sicher, ob er nicht vielleicht schon in der ersten Nacht zu den Tabletten gegriffen hatte. Lag er wirklich die gesamte Nacht wach? Oder spielte ihm sein Gehirn einen Streich…? Und war es möglich, dass er vor und nach dem Toilettenbesuch zur Schachtel gegriffen hatte? G-D kniff die Augen zusammen und versuchte, den Schleier, der sich immer dichter um die Erinnerungen legte, auszublenden. „Ist alles in Ordnung?“ Skeptisch betrachte der Arzt seinen Patienten. Es gefiel ihm nicht, dass dieser immer bleicher wurde. Auf keinen Fall wollte er, dass der soeben erst Erwachte sich überanstrengte. Beruhigend legte er eine Hand auf die des Jungen. Sie war eiskalt und dennoch von einem leichten Schweißfilm überzogen. Der Arzt hatte lange genug Medizin studiert, um solche Symptome des Körpers deuten zu können. Der junge Mann vor ihm hatte Angst. „Warum kann ich mich nicht daran erinnern?! Warum ist mein Leben in letzter Zeit ein einziger scheiß Albtraum?!“ Eigentlich hatte der Arzt befürchtet, dass nun ein Wutanfall folgen würde, doch schon nach wenigen Sekunden verschwand der zornige Ausdruck aus dem Gesicht des Rappers und verwandelte sich in eine traurige und zugleich ängstliche Mine. Er hatte Angst davor, verrückt zu werden. Angst davor, beim nächsten mal nicht so viel Glück zu haben. Angst vor sich selbst. „I-ich… … ich brauch Hilfe…“ » Heute Nachmittag hat uns das Krankenhauspersonal endlich darüber informiert, dass G-Dragon aufgewacht ist. Sie haben gemeint, dass er großes Glück gehabt hätte, dass er keine bleibenden Schäden davongetragen hat. Vor ein paar Stunden haben wir ihn besucht. Er hat fast keine Notiz von uns genommen, hat sich im Bett zusammengerollt und aus dem Fenster gestarrt. Wir hatten ihm von den Trainingsfortschritten erzählt und davon, dass viele Fans ihm Besserungs-Grußkarten geschickt haben, doch es schien ihn nicht zu interessieren, also wollten wir wieder gehen. Der Arzt hat uns beim Verlassen des Zimmers aufgehalten und gemeint, dass er sich große Sorgen um die Psyche von G-Dragon machen würde. Scheinbar hatte er kurz nachdem er aufgewacht war, eine Art Zusammenbruch. Am liebsten würde ihn der Doktor noch einige Zeit zur Beobachtung im Krankenhaus behalten, doch körperlich ging es ihm bis auf die Wunde am Kopf den Umständen entsprechend gut und die Patientenbetten waren knapp. Diese Nacht sollte er noch im Hospital bleiben und morgen könnten wir ihn dann abholen. Ich glaube, ich bin kurz vor dem Ziel. « „Nun iss doch was… Nur ein paar Löffel voll…?“ T.O.P wusste gar nicht, zum wievielten mal er heute diesen Satz gesagt und dem Bandleader die Müslischüssel hingehalten hatte. Auch Seungri, Daesung und Taeyang hatten schon wiederholt versucht, G-D zu überreden, zumindest ein bisschen feste Nahrung zu sich zu nehmen. Doch jedes mal erhielten sie die selbe Antwort. „Keinen Hunger…“ Erneut winkte der Angesprochene ab, wickelte sich fester in die Wolldecke ein, die Daesung vor einiger Zeit über ihm ausgebreitet hatte und drehte sich demonstrativ mit dem Gesicht Richtung Wand. Es war ihm egal, ob ihm nun der Blick aus dem Fenster verwährt blieb - die letzten Stunden hatte er damit verbracht, sich immer die gleichen Bäume, Wolken und Dächer anzusehen. Es hatte sich nichts geändert und es würde sich auch in den nächsten Minuten nichts ändern. „Du musst etwas essen! Lass dich doch nicht so hängen…“ Einige Minuten verweilte der Älteste vor dem Bett, ehe er seufzend die Schüssel auf dem Nachttisch abstellte. Schulterzuckend und mit ratlosem Blick wandte er sich Taeyang zu, der auf seinem Bett saß und eine Zeitschrift durchblätterte. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass immer jemand im Zimmer sein sollte und bei dem Zweitältesten war es am unauffälligsten, da ihm schließlich die Hälfte des Zimmers gehörte. „Daesung und Seungri kochen heute Abend für uns alle. Sie geben sich große Mühe und würden sich sicher freuen, wenn du zumindest ein paar Bissen essen würdest…“ Langsam verließ T.O.P den Raum. Er war sich ziemlich sicher, dass auch diese Bitte am Gehör des jungen Rappers abgeprallt war. Umso überraschter waren die Vier, als pünktlich zum Abendessen ihr Bandleader langsam und mit schlurfenden Schritten die Küche betrat. Ohne auf die irritierten Blicke einzugehen, nahm er auf seinem Stuhl Platz. „Guten Appetit.“ G-D wusste, dass acht Augen auf ihn gerichtet waren. Er wusste, dass alle erwartet hatten, dass sein Platz am Tisch leer bleiben würde. Es hatte ihn auch einiges an Überwindung gekostet, sein warmes Bett zu verlassen. Die letzten Wochen hatten Spuren hinterlassen. Er hatte einiges an Gewicht verloren, fühlte sich abgeschlagen und fror ständig. Dazu kam die ständige Angst, einen Fehler zu machen. „Lass es dir schmecken! Wir haben uns auch extra viel Mühe gegeben!“ Seungri strahlte den älteren Freund an. Dieser bemühte sich, dem Jüngeren ebenfalls ein kurzes Lächeln zu schenken und führte den mit wenigen Reiskörnern bestückten Löffel Richtung Mund. Er konnte spüren, wie ein erleichtertes Aufatmen durch die Runde ging, als das Essen seinen Mund erreicht hatte. Nach und nach konzentrierten sich die Bandmitglieder auf ihr eigenes Essen. Sein Vorhaben war also geglückt. Vielleicht würden sie jetzt endlich damit aufhören, ihn wie ein rohes Ei zu behandeln und ihn zu bemuttern. Er brauchte einfach nur Ruhe. Darauf bedacht, sich jedes mal, wenn einer der anderen Jungen ihn anvisierte, einen kleinen Bissen in den Mund zu schieben, verbrachte G-D die nächste halbe Stunde am Tisch, bis seine Bandmitglieder satt waren. Er selbst hatte nur einen Bruchteil seines Tellerinhalts gegessen aber an den Blicken seiner Freunde konnte er sehen, dass ihnen das erst einmal genügte. Nachdem sich Daesung erhoben hatte, um die Teller in die Geschirrspülmaschine einzuräumen, tat G-Dragon es ihm gleich. Er sehnte sich danach, sich in sein Bett zu legen, das Licht löschen zu können und einfach nur Ruhe zu haben. Doch sein Zimmergenosse machte ihm einen Strich durch die Rechnung. „Wir haben uns den ‚Simpsons‘-Film ausgeliehen. Den wolltest du doch unbedingt sehen… Seungri und ich wollten uns den jetzt ansehen, kommst du mit?“ Seungri ließ dem müden Rapper gar keine Möglichkeit, sich eine Ausrede einfallen zu lassen. Ohne eine Antwort abzuwarten, hakte er sich bei ihm unter und zog ihn ins Wohnzimmer, wo er ihn einfach auf das Sofa drückte. Als ob er verhindern wollte, dass der Ältere einfach wieder aufstand, ließ er sich daneben sinken und breitete eine Decke über ihnen beiden aus, ehe er den ‘Power‘-Schalter der Fernbedienung betätigte. „[…] zunächst ziemlich bedeckt. Das Management schweigt zu den aktuellen Vorfällen und auch die Bandmitglieder waren im Krankenhaus zu keiner Stellungnahme bereit. Jetzt allerdings meldet sich ein Mitarbeiter von ‚Radio Rainbow‘, der den schrecklichen Vorfall mit einer Handykamera aufgezeichnet hat - sehen Sie exklusiv auf K-TL bisher unveröffentlichte Bilder!“ G-Dragon traute seinen Augen nicht. Ganz Südkorea konnte sich gerade live ansehen, wie er immer bleicher im Gesicht wurde, aufstand, vornüber kippte und schließlich blutend am Boden liegen blieb. Wie gebannt starrte er auf das verwackelte Video, während er spürte, dass Seungris Hände das Sofa nach der Fernbedienung abtasteten. Der junge Bandleader versuchte, seinen Blick vom Fernseher loszureißen, doch es gelang ihm nicht. „Gerüchten zufolge sollen sich in letzter Zeit häufiger merkwürdige Zwischenfälle ereignet haben. Erst vor wenigen Tagen wurde der Bandleader von ‚Big Bang‘ dabei gesichtet, wie er - scheinbar in Schlafklamotten - völlig orientierungslos durch die Stadt geirrt war. Fans berichteten außerdem, dass die Band in letzter Zeit nicht mehr in der Trainingshalle gesichtet wird. Wird der Erfolgsdruck zu groß für G-Dragon? Unsere Reporterin Yun Mi-Yeon hatte das Glück, eine Praktikantin aufzuspüren, die mit der Betreuung des Rappers beauftragt war. Schalten wir nun live zu ihr und hören wir uns an, was sie zum aktuellen Gesundheitsstand sagen kann… […]“ Ein junges Mädchen wurde eingeblendet. G-D erkannte sie - sie war häufig in seinem Zimmer gewesen und hatte unnötigerweise das Kissen aufgeschüttelt, das Zimmer gelüftet oder gefragt, ob sie ihm etwas zu Essen bringen sollte. Er hatte gedacht, dass es sich wohl um einen Fan handelte, der möglichst viel Zeit mit ihm verbringen wollte und sie deshalb geduldet. Hätte er gewusst, dass das Mädchen nur auf den richtigen Moment gewartet hatte, um sein allerheiligstes Privatleben preiszugeben, hätte er sie niemals das Zimmer betreten lassen. Ohne etwas dagegen unternehmen zu können, musste G-Dragon zuhören, wie die junge Praktikantin der Reporterin mit falschen Tränen in den Augen erzählte, dass sie sich große Sorgen um ihn machen würde. Schluchzend gab sie Auskunft auf die Fragen, die die Reporterin ihr stellte. „[…] sich umbringen wollte. Ji Yong hatte Unmengen an Tabletten geschluckt und später, als er wieder wach war, hatte er eine Art Zusammenbruch - hat total geweint und gemeint, er hätte Angst, dass er verrü-…“ Plötzlich wurde der Bildschirm schwarz. Noch immer spürte G-Dragon die suchenden Hände Seungris, die das Sofa abtasteten. Erst langsam begriff G-D, dass er es Daesung zu verdanken hatte, dass er diese öffentliche Bloßstellung nicht länger ertragen musste. Dieser stand vor dem Fernseher, den Finger noch immer auf dem ‘Power‘-Knopf. In der anderen Hand trug er eine kleine Schüssel - ebenso wie Taeyang, welcher noch Cola, Schokolade und Gummibärchen aus der Küche geholt und sich beim Tragen der Süßigkeiten von dem Jüngeren helfen lassen hatte. Beide hatten sich gewundert, warum Seungri scheinbar völlig panisch die Fernbedienung suchte und das Gesicht des Bandleaders noch eine Spur fahler wirkte, als es in letzter Zeit sowieso schon war. Einige Sekunden hatten genügt, um zu begreifen, worüber das Mädchen gerade live vor einem Millionenpublikum sprechen musste. Geistesgegenwärtig war Daesung für den Jüngsten eingesprungen und hatte für diesen den Fernseher ausgeschalten. „D-das hab ich mir gerade eingebildet… oder? Sagt, dass ich mir das nur eingebildet hab! Na los… s-sagt es!“ Die Lippen des jungen Anführers bebten und die Stimme hörte sich verdächtig brüchig an. Man musste kein Hellseher sein, um zu wissen, dass es jeden Moment um die Beherrschung G-Dragons geschehen sein würde. Ein angespanntes und betretenes Schweigen herrschte im Zimmer. Nervös spielte der Bandjüngste mit den Ecken eines Kissens, während sich die Augen seines Nebenmannes langsam mit Tränen füllten. „W-warum… w-warum hat sie…? Jeder… j-jeder weiß jetzt… Jeder w-wei-…“ Weiter kam er nicht. Ein Schluchzer verließ seine Kehle und unterbrach sein Gestammel. Er konnte seine Gefühle nicht länger zurückhalten. All die Scham, die Angst und die Verzweiflung brachen aus ihm heraus. Er bemühte sich gar nicht mehr, die Tränen zurückzuhalten - ganz Südkorea hielt ihn nun dank der Reportage für ein nervliches Wrack, warum sollte er überhaupt noch versuchen, seine Bandkollegen vom Gegenteil zu überzeugen? G-D spürte, wie sich zaghaft Seungris Arme um ihn legten. Man konnte ihm ansehen, dass die gesamte Situation ihn überforderte. Hilfesuchend blickte sich der Jüngste im Wohnzimmer um, doch Taeyang war verschwunden und Daesung schien nicht zu wissen, wie er sich zu verhalten hatte. So blieb ihm nichts anderes übrig, als den Älteren in den Armen zu halten und darauf zu warten, dass dieser sich beruhigen würde. Er konnte spüren, wie sich das Gesicht des Älteren in sein T-Shirt vergrub und dessen Hände sich Halt suchend an ihn klammerten. Er fühlte die Tränen, die beinahe im Sekundentakt auf seine Schultern tropften und hörte das tränenerstickte Schluchzen, dass die ansonsten im Wohnzimmer herrschende Stille durchbrach. Seungri wusste nicht, wie er sich verhalten sollte und war heilfroh, als Daesung endlich aus seiner Starre erwachte und ebenfalls einen Arm um den Leader legte. Der Jüngste hatte gehofft, dass sich einer der beiden Bandältesten dem Weinenden annehmen würde, doch laute Stimmen auf dem Flur ließen ihn verstehen, dass diese wohl gerade telefonisch alle Hebel in Bewegung setzten, um zumindest zu verhindern, dass das Video auch auf anderen Sendern gezeigt wurde. Er konnte T.O.Ps dunkle Stimme hören und Taeyang, der scheinbar gerade versuchte, Kontakt zu der Praktikantin aufzunehmen. » Ich glaube nicht nur, dass ich kurz vor dem Ziel bin - ich weiß es! Das war zuviel für G-Dragon. Es ist bereits über zwei Stunden her, dass die Reportage live auf K-TL übertragen wurde und ganz Korea sich davon überzeugen konnte, dass der Bandleader von ‚Big Bang‘ scheinbar schwere psychische Probleme hatte. Zwei Stunden, in denen er sich von dem Schock hätte erholen können - aber ich kann ihn immer noch weinen hören. G-Dragon war nicht länger der strahlende Anführer - er war nichts weiter als ein zitterndes, wimmerndes und verstörtes Häufchen Elend. « Stundenlang hatten das Festnetztelefon und die Handys der fünf Bandmitglieder beinahe pausenlos geklingelt. Verwandte, Freunde und Reporter wollten wissen, wie es wirklich um den Bandleader stand. Anfangs hatten die beiden ältesten Jungen versucht, einige der Anrufe anzunehmen und die Fragen zu beantworten, doch nach einiger Zeit hatten sie resigniert den Stecker aus dem Telefonanschluss entfernt und die Mobiltelefone ausgeschalten. Es hatte keinen Sinn. Die gerissenen Pressemitarbeiter drehten ihnen die Worte im Mund um und das verzweifelte Schluchzen ihres Bandleaders, das gedämpft aus dem Wohnzimmer drang, trug nicht gerade dazu bei, dass ihre Beteuerungen, dass es G-D gut ging, glaubhaft wirkten. Also hatten sie es aufgegeben und waren stattdessen dazu übergegangen, die beiden Jüngeren dabei zu unterstützen, sich um den Anführer zu kümmern, der sich noch immer schluchzend an den Jüngsten klammerte. Weder beruhigende Worte noch das sanfte Ziehen T.O.Ps konnte ihn dazu bringen, seinen Griff zu lockern. Er hatte das Gefühl, vollständig zusammenzubrechen, sobald er sich von seinem Freund lösen würde. Es kam den Mitgliedern von Big Bang endlos vor, bis das verzweifelte Weinen schließlich endlich in ein leises Wimmern abebbte und die Tränen sich nur noch vereinzelt den Weg über G-Ds Gesicht bahnten. Entweder schien sich der Bandleader langsam zu beruhigen oder er war einfach zu erschöpft, um noch länger zu weinen. „Können wir dir irgendwie helfen?“ Resigniert schüttelte G-Dragon den Kopf. Wie sollten sie ihm helfen? Konnte T.O.P die Zeit zurückdrehen? Konnte Daesung dafür sorgen, dass alle Menschen auf dem Planeten vergaßen, was sie eben im Fernsehen gesehen hatten? Konnte Taeyang dafür sorgen, dass er nicht immer mehr die Kontrolle über sein Leben verlor? Konnte Seungri ihm helfen, nicht völlig durchzudrehen? „Wie denn…?!“ Er könnte den Zweitjüngsten seufzen hören. Ihm war klar, dass ihm seine Bandmitglieder alle helfen wollten, doch er wusste nicht, was diese für ihn tun könnten. „Vielleicht solltest du einfach eine Nacht darüber schlafen… Wer weiß, vielleicht kräht morgen kein Hahn mehr nach den Nachrichten von heute.“ Dem Bandältesten war klar, dass sich die neugierige Presse auch morgen noch brennend für diesen Vorfall interessieren würde, doch er versuchte, für den Jüngeren zuversichtlich zu wirken. G-D war immer noch stark angeschlagen, verwirrt und sichtlich erschöpft vom vielen Weinen. Ihm wäre am meisten damit geholfen, wenn er sich einige Stunden hinlegen und den Stress vergessen könnte. „Daesung, geh in G-Ds Zimmer und hol ihm sein Kissen… Und du holst ein paar Taschentücher!“ Nickend folgten die beiden Jüngsten T.O.Ps Aufforderungen. Auch Taeyang erhob sich, um die Wolldecke, die achtlos auf dem Boden lag, erneut über G-D auszubreiten. Anschließend entschloss er sich dazu, die Stereoanlage einzuschalten, damit der Bandleader Musik hören konnte, achtete allerdings darauf, dass der Ton gerade so laut war, dass er ihn auch gut ignorieren konnte, falls er lieber schlafen wollte. Nachdem sich die vier Freunde sicher waren, dass sie es ihrem Bandleader so bequem wie möglich gemacht hatten, verließen sie das Zimmer. G-D wusste nicht, wie lange er schon hier lang und einfach nur der leisen Musik lauschte, die aus der linken Zimmerecke ertönte. Nach dem Zusammenbruch von vor wenigen Stunden fühlte er sich seltsam leer und verbraucht. Er war noch immer aufgewühlt, doch ihm fehlte die Kraft, erneut zu weinen. Also lag er einfach nur auf dem Sofa und starrte aus dem Fenster ins Dunkle. Klopf. Klopfklopf. Klopf. Das pochende Geräusch irritierte den Bandleader. Im Hintergrund lief ‚Lies‘ - ein Lied, dass er selbst geschrieben hatte. Den Rhythmus dieses Liedes kannte er auswendig und er wusste, dass dieses Geräusch nicht dazu gehörte. Nervös schaute er sich um. Bildete er sich das ein? War das Geräusch real? Woher kam es? Mühsam und in die Decke eingewickelt erhob sich G-Dragon. Noch immer ertönte das monotone Geräusch. Es musste aus der Richtung des Fensters kommen - wenn er es sich nicht nur einbildete. Langsam schlich er sich immer näher, als ihn plötzlich ein greller Blitz blendete. Wohl ein Gewitter… G-D trat an das Fenster heran, um das Naturspektakel besser verfolgen zu können. Plötzlich wurde das Klopfen lauter und energischer. Die Scheibe, an der er sich abstützte, bebte unter seiner Hand und erneut erhellte ein helles Licht das Wohnzimmer. Für den Bruchteil einer Sekunde war der Rapper sich sicher, ein hämisch grinsendes Gesicht auf der anderen Seite der Scheibe zu sehen. Ein lauter Schrei ließ Daesung zusammenschrecken. Es war nicht die Art von Schrei, die man ausstieß, wenn man stolperte und sich erschreckte, sondern die Art von Schrei, die man von sich gab, wenn man pure Todesangst verspürte. Auch seine Zimmergenossen hatten sich in ihren Betten aufgerichtet und sahen sich irritiert um. Wie auf Kommando stürzten sie nach wenigen Sekunden aus ihrem Zimmer und folgten dem Geräusch, das sie geweckt hatte. Auf dem Flur stieß Taeyang, der scheinbar ebenfalls gerade aus dem Schlaf gerissen worden war, beinahe mit Seungri zusammen. Man musste kein Genie sein, um zu erraten, wer der Auslöser des nächtlichen Lärms war. Gefolgt von den restlichen Dreien stürzte der Zweitälteste ins Wohnzimmer, in welchem er den Bandleader zusammengekauert in einer Ecke vorfand. Eine Hand hatte er auf sein linkes Ohr gepresst, während die andere sein halbes Gesicht bedeckte, fast so, als müsse er sich vor Jemandem oder Etwas schützen. „Oh Gott, was ist los?!“ Als Antwort auf die Frage hob G-Dragon nur zitternd den Arm und deutete auf das Fenster. Es dauerte einige Sekunden, bis die Jungen die schemenhaften Gestalten erkennen konnten, die vor diesem standen und immer wieder den Auslöser ihrer Kamera betätigten. Geistesgegenwärtig zog T.O.P den Vorhang zu, um zu verhindern, dass noch weitere Fotos geschossen werden konnten, während die beiden Jüngsten ohne eine Erklärung eiligen Schrittes den Raum verließen. Bereits wenige Sekunden später wurde klar, was die Beiden vorhatten. Wütende Schreie und wüste Beschimpfungen drangen gedämpft durch das geöffnete Fenster und vermischten sich mit den letzten Klängen von ‚Lies‚. Man konnte hören, wie etwas - höchstwahrscheinlich eine der Kameras - laut klirrend auf dem harten Asphalt zersprang. Allen war klar, dass das, was die beiden Jugendlichen gerade taten, äußerst rufschädigend war, doch keiner hielt sie auf. T.O.P und Taeyang verstanden, dass diese ihren Freund und ihr Vorbild nur schützen wollten und somit mussten sie sich vor den Älteren auch nicht für ihr Verhalten rechtfertigen, als sie wenige Minuten später mit verdreckten Klamotten und Seungri sogar mit einer leichten Blessur an der Augenbraue wieder das Zimmer betraten. » Das war nun wirklich unnötig. G-Dragon war bereits am Boden, warum ließen die Idioten von der Presse ihn nicht in Ruhe? War es wirklich nötig, Fotos davon aufzunehmen, wie er verängstigt und weinend in der Ecke saß? Welche kranken Menschen wollten solche Aufnahmen sehen? Ich wollte nie, dass es so endet! Ich war viel zu weit gegangen… Ich wollte alles - in Wirklichkeit habe ich nur alles zerstört. « „Was denkt ihr, will er uns sagen?“ „… muss ja ziemlich wichtig sein. Ich hab gefragt, ob es reicht, wenn ich ein paar Minuten später komm aber er hat gemeint, dass es besser wäre, wenn ich alles von Anfang an hören würde.“ Nervös saßen Seungri, Daesung, Taeyang und T.O.P in der Küche. Der Älteste klopfte ununterbrochen mit den Fingern auf den Tisch, während die drei anderen Jungen sich die Zeit damit vertrieben, darüber zu spekulieren, welche Nachricht ihnen ihr Anführer wohl unterbreiten würde. Er hatte heute Morgen nicht am gemeinsamen Frühstück teilgenommen und war lediglich kurz am Esstisch erschienen, um seine Bandmitglieder darum zu bitten, ihn heute nicht zu stören und um 18 Uhr in der Küche zu warten, da er ihnen etwas mitzuteilen hätte. Seit geschlagenen zehn Minuten warteten sie nun schon auf ihn. Er hatte gesagt, dass sie pünktlich um 18 Uhr in der Küche auf ihn warten sollten. G-Dragon legte eigentlich großen Wert auf Pünktlichkeit. Wie oft hatten sie sich schon von ihrem Anführer eine Moralpredigt anhören müssen, weil sie sich wenige Minuten verspätet hatten oder auch nach seiner zweimaligen Aufforderung zur Eile noch nicht alle abfahrtbereit am Wagen standen. „Denkt ihr, ich sollte mal an seine Türe klopfen?“ „Ja, vielleicht hat er uns ja vergessen?“ „… oder er schläft?“ Taeyang schüttelte mit dem Kopf und Seungri, der sich schon erhoben hatte, nahm seufzend wieder auf seinem Stuhl Platz. „Wenn er schläft, sollten wir ihn schlafen lassen. Geben wir ihm einfach noch bis 18:30 Uhr Zeit und wenn er bis dahin nicht gekommen ist, können wir immer noch nachsehen, was er gerade macht…“ Mit diesem Kompromiss waren die drei Bandmitglieder einverstanden. Während Daesung zusammen mit T.O.P ein Kreuzworträtsel versuchte, tippte Taeyang auf seinem Handy herum. Seungri starrte aus dem Fenster und ließ seinen Blick nahezu alle zehn Sekunden auf die große Wanduhr schweifen, um anschließend genervt aufzustöhnen. „Hauptstadt von Deutschland… sechs Buchstaben und der vierte davon ist ein ‚L‘. Los Seungri, das kriegst sogar du hin!“ Eigentlich hatte T.O.P überhaupt keine Lust, das langweilige Kreuzworträtsel einer Fernsehzeitschrift, das Daesung vor ihm ausgebreitet hatte, zu lösen. Lediglich, damit die beiden Jüngsten beschäftigt waren, hatte er sich dazu durchgerungen, einen Stift in die Hand zu nehmen und zu versuchen, die Lücken zu füllen. Erleichtert stellte er fest, dass sein Plan zu funktionieren schien. Seungri kam näher, beugte sich über das Heftchen und schien zu überlegen. „Ähm… …“ „Berlin, du Pfosten!“ Taeyang‘s Hand schlug liebevoll gegen den Hinterkopf des Jüngsten. Dieser zog eine beleidigte Schnute und strich mit gespielt schmerzverzerrtem Gesicht über die Stelle, an der der Schlag ihn getroffen hatte. Um den älteren Freunden zu beweisen, dass er schlauer war, als sie alle dachten, schnappte er sich den Stift aus T.O.Ps Hand und kritzelte eifrig in einige Kästchen. „Wow, du bist nur halb so dämlich, wie du aussiehst…!“ Die nächsten Minuten verbrachten die Wartenden damit, sich gegenseitig nicht wirklich erst gemeinte Schimpfwörter an den Kopf zu werfen, sich zu kabbeln und die letzten Lücken des Kreuzworträtsels zu füllen. Erst Daesung beendete mit einem erstaunten Aufschrei das rege Treiben. „Oh! Es ist schon Viertel vor Sieben…“ Auch die Blicke der anderen schweiften zur Uhr. Jetzt hatten sie wirklich lange genug gewartet. Doch wer von ihnen sollte G-Dragon holen? Stumm schwebte diese Frage im Zimmer. Keiner von ihnen wollte derjenige sein, der den geschwächten Anführer im schlimmsten Fall wecken würde. Daesung beendete die Überlegungen schließlich damit, dass er den Bandältesten am Arm von seinem Stuhl hochzog. „Du gehst! Du bist der Älteste!“ Ein säuerliches Lächeln zierte das Gesicht des Aufgeforderten. ‚Der Älteste‘! Taeyang war gerade mal ein paar Monate jünger. Und wenn es um Dinge wie den letzten Pudding, die Wahl des Fernsehprogramms oder das Aufteilen der Süßigkeiten ging, hatte sein Alter auch keinen Vorteil. Den letzten Pudding nahm sich generell G-D, das Fernsehprogramm bestimmten die beiden Jüngsten - je nachdem, wer von ihnen den Kampf um die Fernbedienung gewann und Süßigkeiten wurden - insofern eben diese beiden sie nicht alleine gegessen hatten - gerecht geteilt. Er bekam keine größere Portion, nur weil er älter war. „Ach bitte… Bei dir wird er es verstehen. Du machst dir Sorgen… Wenn Seungri oder ich kommen, wirkt es nur neugierig…“ Bekräftigend nickte Seungri. Er hätte auch genickt, wenn Daesung als Argument angeführt hätte, dass sie zu dumm dafür wären, den Weg in das Zimmer des Anführers zu finden. Jede Ausrede war ihm recht. Noch immer dachte er mit Schrecken an das letzte mal, als er nach G-D sehen sollte. Er fragte sich, ob er diese Szenen jemals wieder aus seinem Kopf kriegen würde. „Okay…“ Der Älteste gab sich geschlagen. Wahrscheinlich hatte Daesung sogar recht. Es war besser, wenn er nach dem Jüngeren sehen würde. Außerdem stimmte es: Er machte sich Sorgen. Es war einfach nicht die Art des Bandleaders, sich dermaßen zu verspäten. Seufzend machte er sich auf den Weg in das Zimmer von G-Dragon. Er klopfte einige male an die Türe und lauschte in die Stille. „Hey, bist du wach?“ Keiner antwortete ihm und keiner bat ihn herein. » Was war es, das G-Dragon uns erzählen wollte? War ich aufgeflogen? Hatte er meinen Plan durchschaut? Wollte er vor der gesamten Band erzählen, dass ich versucht hatte, sein Leben zu ruinieren? Hoffentlich ist keinem aufgefallen, wie nervös ich war. « [Einige Stunden vorher - gegen 11 Uhr] Würde alles nach Plan verlaufen? Hatte er an alles gedacht? Fieberhaft sah sich G-Dragon in seinem Zimmer um. Es schien alles vorhanden zu sein, was er brauchte. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er auch gut im Zeitplan lag. Ein zufriedenes Gefühl durchströmte seinen Körper - er hatte die volle Kontrolle. Es war sein Plan und sein Zeitfenster. Er konnte alles steuern, genau so, wie er es auch früher immer getan hatte. „Nicht mit Alkohol einnehmen…“ Mit einem ironischen Lächeln schraubte er den Verschluss der Rumflasche ab und füllte ein großes Glas mit der bräunlichen Flüssigkeit. Mit großen Schlücken leerte er den Inhalt und füllte gleich nach. Wenn sein Plan aufgehen sollte, hatte er noch einige Gläser zu trinken. Sein Blick schweifte die bereits angefangene und die noch verschlossene Rumflasche. Nicht weit davon entfernt befand sich eine kleine Flasche Sekt. Diese würde er sich für zuletzt aufheben. Sein Blick fiel auf den bereits fast vollendeten Brief, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Er würde sich beeilen müssen, sonst wären seine Gedanken nicht mehr klar genug, um all das aufzuschreiben, was er seinen Bandkollegen sagen wollte. Auf keinen Fall sollten sie denken, dass er es sich leicht gemacht hätte. Das hatte er sicher nicht! Die ganze Nacht hatte er einen Ausweg gesucht, hatte sich überlegt, wie er Big Bang von der Schande, die er über die Band gebracht hatte, befreien könnte. Doch selbst, wenn es ihm gelungen wäre, die Presse davon zu überzeugen, dass es ihm gut ging, wie lange würde es dauern, bis er erneut ausrasten würde? Er war eine tickende Zeitbombe, eine Gefahr für sich selbst und vor allem für seine Bandkollegen. Hatte er das Recht, ihnen die Karriere durch sein Verhalten zu ruinieren? War es nicht seine Pflicht, als Bandleader dafür zu sorgen, dass es seinen Bandmitgliedern gut ging? Er sollte sie zum Erfolg führen und nicht dafür sorgen, dass Big Bang zu einer traurigen Lachnummer wurde. Eilig schrieb er die letzten Zeilen, setzte seine Unterschrift darunter und platzierte das Blatt Papier gut sichtbar auf seinem Kissen. Er hoffte, dass seine Bandkollegen den Zettel fanden, ehe sie ihn entdecken würden. Es würde die ganze Sache erleichtern, würde ihnen Zeit geben, sich auf ihren Fund vorzubereiten und es ihnen möglich machen, ihn vielleicht sogar zu verstehen. Der letzte Tropfen der ersten Flasche wurde in das geleerte Glas gefüllt. Noch immer lag er gut in der Zeit. Schon leicht wankend bewegte sich G-Dragon durch den Raum. Wo sollte er sich hinsetzen? Auf keinen Fall sollten seine Bandmitglieder, wenn sie nach ihm suchen würden, sofort auf ihn stoßen. Es wäre zu schockierend für sie, ihn einfach mitten im Raum liegen zu sehen, womöglich inmitten seines Erbrochenen, merkwürdig verkrümmt oder mit einem verzerrten Gesichtsausdruck. Erst jetzt fiel dem Rapper auf, dass er gar nicht wusste, wie es sich wohl anfühlen würde, zu sterben. Natürlich, in Filmen sah das immer so einfach aus: Die Person nahm zwei, drei Tabletten ein, trank einen großen Schluck aus einer Weinflasche, legte sich ins Bett und schlief seelenruhig ein - wachte allerdings nie wieder auf. War es in der Realität genauso? Würde er Schmerzen haben? Würde ihn jemand verfrüht finden, ihn ins Krankenhaus schaffen und er würde den Rest seines Lebens mit einem Hirnschaden im Bett liegen und die Wand anstarren? Entsetzt schüttelte er den Kopf. An so etwas durfte er nicht denken. Es hatte keinen Sinn mehr - der Brief war geschrieben, der Plan stand fest und G-Dragon hatte nicht vor, von seinem Vorhaben abzuweichen. Er würde diesen Wahnsinn beenden. Hier und jetzt, ehe er nicht in der Lage sein würde, klar genug zu denken. Ein altes Sprichwort, das seine Großmutter immer benutzt hatte, fiel ihm ein. „Ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende…“ Erneut zierte ein säuerliches Grinsen das Gesicht des Bandleaders. Warum fiel ihm nur dieser Schwachsinn ein? Es musste wohl am Alkohol liegen. Er trank sonst fast nie und fühlte sich schon ziemlich wackelig auf den Beinen. Wenn er die zweite Flasche auch noch trank, würde er sich übergeben müssen. Damit wäre die Wirkung der Tabletten gleich null. Er würde sich darauf verlassen müssen, dass eine Flasche Rum reichen würde, um die Dosis so sehr zu erhöhen, dass sie ihm einen endlosen Schlaf bescheren würde. Mit zittrigen Fingern öffnete er die kleine Sektflasche, die er sich für das große Finale aufgehoben hatte. Wenn er diese Welt schon verlassen würde, dann mit Stil. Darauf bedacht, auch trotz des hohen Alkoholpegels keinen Tropfen zu verschütten, füllte er das Sektglas, das er auf dem Nachttisch bereitgestellt hatte. Eilig drückte G-Dragon die einzelnen Tabletten aus ihrer Verpackung. Er würde die gesamte Schachtel aufbrauchen - sicher war sicher. „Na dann… auf euch, Jungs. Lasst es krachen!“ Sein Blick fiel auf das Poster, dass an der gegenüberliegenden Wand des Zimmers hing. Alle sahen lachend in die Kamera, wirkten so glücklich. So sollte es sein - und so würde es wieder werden, wenn er nicht mehr hier war und Unglück über Big Bang bringen konnte. Er hatte noch 16 Tabletten und vier Bandmitglieder. So schnell es seinem langsam arbeitenden Gehirn möglich war, teilte er sie in vier gleich große Häufchen. Er würde immer vier auf einmal nehmen, das sollte mit einem großen Schluck Sekt kein Problem darstellen. Nachdem er sich die erste Ration in den Mund gesteckt hatte, erhob er prostend sein Hand in Richtung des Posters. „Pass auf sie auf… Sie werden jemanden brauchen, der über sie wacht. Sei ihnen der große Bruder, der du für mich auch immer warst.“ Erneut wiederholte er die Prozedur. Er spürte einen Kloß im Hals, der es ihm nahezu unmöglich machte, die Medikamente zu schlucken. Erst nach einigen Versuchen gelang es ihm, die vier Pillen in seinen Magen zu befördern. „Es tut mir so Leid. Wir haben so hart trainiert, unsere Jugend dafür geopfert, berühmt zu werden. Ich wollte dir den Traum nicht ruinieren. Ich hoffe, du verzeihst mir, wenn du den Brief liest…“ Er kam sich so schäbig vor. Wie oft hatte Taeyang darum gebeten, Bandleader von Big Bang werden zu dürfen? Wie hart hatte dieser trainiert, um ein besserer Tänzer zu werden als er? Wie viele Gesangsstunden hatte er zusätzlich genommen, um diese wunderbar sanfte Gesangsstimme zu bekommen? Und doch hatte der Präsident von YG ihn - G-Dragon - mit diesem Posten belegt. Welch Fehlentscheidung… Während er diesen Gedanken nachhing, schluckte er die vorletzten vier Tabletten. „Und du, Daesung? Wer bringt dir jetzt die Choreographien bei? Wer hilft dir jetzt, wenn du nur wie ein Hampelmann hin- und herspringst, ohne den Takt zu beachten? Es tut mir Leid, dass ich es niemals geschafft habe, dir ein besseres Taktgefühl zu vermitteln. Ich bin ein erbärmlicher Leader…“ Die letzte Ration an Beruhigungsmitteln passierte seine Speiseröhre. Er füllte den Rest der Sektflasche in das Glas und nahm einen weiteren Zug, nachdem er auch Seungris Ebenbild zugeprostet hatte. „Oh Gott, Seungri... Du wirst es nicht verstehen, das weiß ich. Ich sehe schon vor mir, wie du so lange an mir herumzerren wirst, bis dich einer der Älteren von meinem Körper trennen wird… Warum musstest du dir ausgerechnet mich als Vorbild nehmen? Hättest du nicht versuchen können, T.O.P nachzueifern?“ Mühsam richtete G-Dragon sich auf, um sich in der Nische zwischen Balkonfenster und Schrank niederzulassen, in der er oft saß, wenn er Songtexte schrieb. Hier würde keiner zuerst nachsehen, wenn sie das Zimmer betraten, doch wenn sie ihn suchten, würden sie ihn schnell finden und müssten nicht erst die halbe Stadt durchkämmen. Beinahe zufrieden strich er sich die Bluse glatt. Alles lief nach Plan, es war kurz nach 12 Uhr und die Tabletten würden bald wirken. Er hatte am Morgen im Internet nach Informationen zu diesem Thema gesucht und gelesen, dass es wohl nach etwa drei Stunden zu spät sein würde, seinen leblosen Körper zurück ins Leben zu holen. Sein Herz würde zu lange aufgehört haben, zu schlagen. Er hatte den Jungs gesagt, dass sie ihn erst um 18 Uhr treffen würden, also hatte er noch fast sechs Stunden Zeit. Seine Bandmitglieder würden keine Chance haben, ihrem Leader diesen letzten, großen Plan zu durchkreuzen. Die nächsten Minuten verbrachte der Leader damit, sich vorzustellen, wie es wohl ablaufen würde, wenn seine Freunde ihn fanden. Würden sie weinen? Wären sie erleichtert? Würden sie ihn verstehen? Ein leises Klirren läutete ein, dass die Überlegungen des Anführers geendet hatten. Die Hand, die das noch halb gefüllte Sektglas noch immer fest umklammert gehalten hatte, lockerte den Griff und das Glas glitt zu Boden. Die klare Flüssigkeit suchte sich ihren Weg über den Parkettboden. Langsam drückte T.O.P den Türknauf nach unten und betrat leise das Zimmer. Sein Blick schweifte durch den Raum, traf auf das Poster an der Wand, das leere Bett von Taeyang, das ebenfalls leere Bett ihres Leaders und blieb letztlich an dem roten Briefpapier hängen, das auf dessen Kissen lag. Neugierig griff der Suchende nach dem Papier. War es richtig, den Brief zu lesen? Was, wenn er an G-Dragon gerichtet war? Die Neugierde siegte und langsam faltete er das Blatt auseinander. Der Brief konnte unmöglich an seinen Freund adressiert sein, da dieser ihn verfasst haben musste. Er hatte schon oft von G-D geschriebene Einkaufslisten, Songtexte oder Notizzettel gesehen. Unter tausenden von Schriften hätte er diese hier erkannt, auch wenn der Bandleader hier scheinbar ziemlich in Eile gewesen war und einige Wörter nicht ganz so säuberlich geschrieben hatte, wie es sonst bei ihm üblich war. Sollte er seine Freunde zu sich rufen? Oder sollte er erst lesen, was der Leader geschrieben hatte? Er hatte nicht die Geduld, darauf zu warten, bis die drei Jungen das Zimmer betreten würden. Ohne Bescheid zu geben, ließ er sich auf das Bett sinken und überflog die ersten Zeilen. Hallo Großer! Woher ich weiß, dass du den Brief zuerst lesen wirst? Nenn mir eine unangenehme Sache, bei der die Kleinen dich nicht vorschicken - sucks tu be yu, T.O.P. In krakeliger Schrift standen die zumindest einigermaßen englischen Wörter zwischen all den Schriftzeichen. Unwillkürlich musste der Angeschriebene grinsen. Warum hatte er sich eben solche Sorgen um den Bandleader gemacht? Scheinbar ging es ihm wieder besser - auf jeden Fall gut genug, um sich wie so oft über ihn lustig zu machen. Ich hoffe, dass du alleine bist, wenn du diese Sätze liest. Ich hoffe, dass du sie vielleicht verstehen wirst. Du bist reifer als der Rest. Wer weiß, vielleicht hast du es schon geahnt und bist jetzt außerplanmäßig viel zu früh im Zimmer…? Irritiert wanderte der Blick des Rappers zur Wanduhr. 18:53 Uhr - er war definitiv nicht zu früh. Überhaupt verstand er nicht, was der Jüngere mit diesen Sätzen meinte. Wofür sollte er zu früh sein? Hatten sie nicht 18 Uhr ausgemacht? Und was meinte G-Dragon damit, dass er es vielleicht geahnt haben könnte? Ich hoffe einfach, dass alles so läuft, wie ich es mir ausgemalt habe. Zumindest diese eine Sache soll klappen… Wie auch immer. Ich hoffe einfach, ihr habt noch ein letztes mal auf euren Bandleader gehört und bis zum Abend gewartet. Ein unangenehmes Gefühl beschlich den Lesenden. Das Grinsen, das bis gerade eben noch sein Gesicht geschmückt hatte, war, während er die letzten Zeilen überflogen hatte, immer weiter verblasst, bis es schließlich vollends verschwunden war. In seinem Gehirn ratterte es und er versuchte, die für ihn sinnlosen Sätze zu verarbeiten. “Ein letztes mal…?” Diese Worte ergaben keinen Sinn. Versuchten sie nicht immer, den Anweisungen ihres Anführers Folge zu leisten? Hatte G-Dragon etwa das Gefühl, dass sie seine Autorität missachteten? Natürlich hatten sie versucht, ihn in den letzten Wochen zu schonen aber auf keinen Fall wollten sie ihm damit das Gefühl geben, dass sie ihn und seine wichtige Rolle nicht mehr respektieren würden. Ich wünschte, ich wüsste, wie ich das, was ich ausdrücken möchte, in Worte fassen kann. Wie soll ich euch erklären, dass ich es nicht mehr ausgehalten habe? Dass ich mich nicht mehr ausgehalten habe? Könnt ihr euch überhaupt vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn man die Kontrolle über sich selbst verliert? Konntet ihr sehen, wie ich den Kampf um mein eigenes Leben mehr und mehr verloren habe? Die Schriftzeichen tanzten vor den Augen T.O.Ps. Er könnte hören, wie sein Herz schneller schlug und sich ein leichter Schweißfilm auf seinen Händen bildete. Das alles klang wie ein Abschiedsbrief. Sollte G-Dragon sich etwa dazu entschlossen haben, die Band zu verlassen? Hatten sie es mit ihrer Fürsorge übertrieben? Hatten sie ihrem Leader das Gefühl gegeben, unnütz zu sein? “Hey, wo bleibt i-… Hä?” Taeyang stand im Türrahmen und sah sich irritiert in seinem Zimmer um. Sein Bett war leer, in dem von G-Dragon saß T.O.P. Doch wo war der jüngere Rapper? Und was hielt der Ältere in den Händen? Neugierig betrat er den Raum und ließ sich neben dem Lesenden nieder, um auch einen Blick auf das Papier zu erhaschen. Kennst du das Sprichwort ‘Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende’? Meine Großmutter hat es oft benutzt. Und sie hat Recht. Lieber verliere ich den Kampf auf diese Weise, als dass ich immer wieder aufstehe, nur um erneut zusammenzubrechen. Hier und jetzt wird es enden - auf meine Weise. Der Bandälteste hatte gar nicht mitbekommen, dass Taeyang den Raum betreten hatte. Es gelang ihm nicht, sich von den inzwischen immer undeutlicher geschriebenen Worten loszureißen. Immer schneller glitten seine Augen über die Zeilen. Er hatte inzwischen keinen Zweifel mehr daran, dass es sich hier um einen Abschiedsbrief handelte. Allerdings befürchtete er nunmehr, dass ihr Bandleader nicht nur Big Bang, sondern dieses gesamte Leben hinter sich lassen wollte. In seinem Kopf rotierte es. Es mag feige sein. Es mag dumm sein. Aber es fühlt sich so richtig an. Zum ersten mal seit Wochen habe ich das Gefühl, ein guter Leader zu sein. Es wird keine Negativschlagzeilen mehr über Big Bang geben, keiner wird euch mehr am Telefon terrorisieren und danach fragen, wie es eurem schwächlichen Anführer geht. Ihr werdet wieder Spaß haben können, so wie früher. Keine Panikattacken, keinen Stress, nur weil ich nicht in der Lage war, die Termine zu verwalten, alles wird wieder seinen gewohnten Lauf nehmen. “Das… Seung-Hyun, ist das…? Wo ist Ji-Yong…?” Das Gestammel Taeyangs riss T.O.P aus seiner Erstarrung. Nur langsam gelang es ihm, den Blick von dem roten Briefpapier zu lösen. In seinen Augen hatten sich Tränen gesammelt, ohne dass er es bemerkt hatte. Warum war ihm nicht aufgefallen, wie schlecht es wirklich um den jungen Rapper stand? Hätte er als Älterer nicht merken müssen, dass dieser an der Last zerbrach? Er musste einige male blinzeln, ehe es ihm möglich war, durch den Tränenschleier die Worte zu entziffern. Oh Gott, ich bin so müde… Ich glaube, ich hab nicht mehr viel Zeit. Aber es gibt noch so vieles, das ich aufschreiben will. Du musst mir versprechen, dass du dich um die Kleinen kümmerst, wenn ich nicht mehr da bin. Pass gut auf sie alle auf - besonders auf Seungri und sorg dafür, dass Daesung fleißig seine Tänze übt. Aber bitte pass auch auf dich selbst auf. Du musst nicht alles alleine bewältigen. Ich möchte auf keinen Fall, dass es dich genauso zerstört, wie es mich zerstört hat. Lass dir von Taeyang helfen. Er ist ein wunderbarer Freund und wird dir sicher gerne einige Aufgaben abnehmen. Schon immer war es sein Traum, Leader von Big Bang zu sein. Vielleicht kannst du bei YG ein gutes Wort für ihn einlegen… Vielleicht hatte er von Anfang an recht. Er war schon immer viel stärker als ich - wer weiß, ob alles anders gelaufen wäre, wenn ich damals nicht so stur gewesen wäre. Es fiel T.O.P schwer, die Schriftzeichen zu entziffern. Die Schrift war nur noch undeutlich und scheinbar gehetzt aufs Papier gebracht worden und die Tränen, die sich in seinen Augen sammelten, ließen sich nicht mehr einfach hinwegblinzeln. Eilig wischte er sich mit dem Ärmel seines Pullovers über das Gesicht, um auch die letzten Zeilen lesen zu können. Es tut mir so leid… Ich hoffe, ihr verzeiht mir - oder versteht mich zumindest. Big Bang, fighting! Kwon Ji-Yong Er hatte alle Zeilen gelesen, doch es gelang ihm nicht, den Blick abzuwenden. Noch immer starrte T.O.P auf die gekritzelte Unterschrift, lediglich ein gelegentliches Augenzwinkern unterbrach ihn dabei. “Oh mein Gott… Wir… Wir… wir sollten…?” Auch Taeyang war es trotz den zitternden Händen T.O.Ps gelungen, den Brief vollständig zu entziffern. Totenbleich sah er den Älteren an, der noch immer wie in Trance auf das rote Briefpapier starrte. Plötzlich ging ein Zucken durch den Körper des Bandältesten. Ohne eine Vorwarnung sprang er vom Bett auf und stieß einen gequälten Laut aus, während er wütend das Blatt zerknüllte. Erschrocken über die plötzliche Gefühlsregung des älteren Freundes war auch Taeyang vom Bett aufgesprungen. Mit eiligen Schritten lief er an das Fenster und riss es auf. Vielleicht war ihr Anführer noch gar nicht allzu lange weg und hörte ihn noch. In seinem Inneren wusste er, dass diese Überlegung der reinste Schwachsinn war. Doch er würde immerhin das Gefühl haben, irgendetwas versucht zu haben, um G-Dragon zu retten. “Ji-Yooooong!? Ji-Yong, wo bist du?!” Ein gellender Schrei durchbrach die Stille, die bis vor wenigen Sekunden den Raum beherrscht hatte. T.O.P zuckte zusammen. Langsam wendete er sich dem Jüngeren zu, welcher seinen gesamten Oberkörper aus dem Fenster lehnte, um einen besseren Überblick über den Hof zu haben. Seine Hände krallten sich in den Fensterrahmen und die sonst so sanfte Stimme des Sängers hatte einen unangenehm schrillen Ton angenommen. Auch die beiden Wartenden wurden durch die Rufe aufgeschreckt und liefen so schnell es ihnen möglich war in das Zimmer, aus dem sie diese vermuteten. Eilig und irritiert versuchten sie zu verstehen, was sich hier soeben abspielte. In der einen Ecke stand T.O.P, völlig abwesend, noch immer das rote zerknüllte Papier in der Hand haltend. Am Fenster stand der Zweitälteste, schreiend. “D-da… Taeyang, da…” Taeyang verstand nicht, was Daesung ihm mit seinem Gestammel erklären wollte. Er musste sich erst zu diesem umdrehen und der Armbewegung des Jüngeren mit seinem Blick folgen. Die zitternde Hand zeigte in die Ecke neben ihm. Erschrocken wich Taeyang zurück. Warum war ihm die zusammengekauerte Gestalt nicht aufgefallen, als er ans Fenster gestürzt war? Er fühlte sich, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Kraftlos sank er neben dem leblosen Körper zu Boden. “Ji-Yong…?” Das alles kam dem Jüngsten auf eine erschreckende Weise bekannt vor. Zitternd sank er neben seinem Anführer auf die Knie und schüttelte ihn sanft. Als auch nach mehreren Sekunden keine Reaktion von diesem ausging, wurde das Rütteln fordernder. Verzweifelt flehte er den Leblosen an, die Augen zu öffnen. Von der heftigen Reaktion des Jüngsten aufgerüttelt, erwachte T.O.P aus seiner Starre. Es zerriss ihm fast das Herz, dabei zusehen zu müssen, wie der Jüngste versuchte, sein Vorbild zum Aufwachen zu bewegen. Dieser hatte schließlich den Brief nicht gelesen, für ihn musste es so aussehen, als hätte G-Dragon nur einen weiteren Zusammenbruch erlitten. “Seungri… Es… es wird nicht helfen…” Sanft versuchte er, die Hände des Jüngsten von dem T-Shirt des Anführers zu lösen. Auch Taeyang hatte die Kontrolle über seinen Körper wiedererlangt und versuchte, einen Hinweis dafür zu finden, dass der Bandleader noch am Leben war. Immer wieder presste er seine Hand auf den Brustkorb von G-Dragon oder prüfte, ob noch Luft durch die Nase ausgestoßen wurde. Daran, dass er es immer und immer wieder versuchte, war bereits ehe er langsam mit dem Kopf schüttelte für jeden im Raum klar, dass er keine Atmung feststellen konnte. Traurig wandte T.O.P den Blick ab, während er versuchte, den Jüngsten aus dem Raum zu schieben, welcher mit großen Augen auf den Körper starrte. Es war nicht ersichtlich, ob sein Gehirn die schreckliche Wahrheit schon verarbeitet hatte. Auch Daesung wirkte geschockt. Während der Zweitälteste dazu übergegangen war, den Bandleader durch verzweifeltes Drücken auf den Brustkorb zurück ins Leben zu rufen, hatte er hektisch das Zimmer nach G-Dragons Handy durchsucht und versuchte nun aufgebracht, einen Krankenwagen anzufordern. Tief in ihrem Inneren wusste alle vier Bandmitglieder, dass diese Aktion keinen Sinn mehr hatte, doch keiner hielt ihn auf. Nein… Nicht so! So soll es nicht enden! Ich habe ihn getötet. Nicht direkt, aber ich weiß, dass es alles meine Schuld ist. Ich habe ihn systematisch in den Selbstmord getrieben. Habe dafür gesorgt, dass ich meinen Traum einen kleinen Schritt näher komme - aber zu welchem Preis?! War es das wert? Ist die Erfüllung meiner Wünsche es wert, dass G-Dragon sein Leben lassen musste? Wie sollte ich mit dieser Schuld leben? Wie sollte ich mir selbst verzeihen, meinem besten Freund so etwas angetan zu haben? Epilog: -------- Nervös zupfte Daesung an seiner Krawatte. Alles hier fühlte sich so unwirklich an. Diese vielen Leute, von denen er eigentlich niemanden kannte. Wo waren nur seine Bandkollegen? Der Wartende stieß einen tiefen Seufzer aus. Er vermisste seine Freunde. Wie ging es ihnen? Hatten sie den Tod G-Dragons verkraftet? Er hatte sich wirklich vorgenommen, sich bei ihnen zu melden, doch nie erschien ihm der Zeitpunkt dafür passend. Hätte er nach einigen Tagen einfach bei Seungri anrufen sollen und ihn fragen sollen, wie es ihm gehen würde? Hätte er die Antwort nicht sowieso gewusst? “Hallo Daesung…” Eine Welle der Erleichterung durchströmte den Jüngeren, als er die tiefe Stimme hinter sich vernahm. Der Tonfall war einmalig, es stand völlig außer Frage, dass es sich um T.O.P handeln musste. Es tat so gut, endlich wieder seine Stimme zu hören, zu wissen, dass der Ältere hier war und notfalls die Kontrolle übernehmen konnte, wenn es nötig war. Die letzten zwei Wochen waren der reinste Horror für den Sänger. Ständig riefen ihn Reporter an, Fans fielen ihm weinend um den Hals, sobald er für wenige Sekunden das Haus seiner Eltern verließ und fremde Menschen beteuerten, wie sehr er ihnen leid tun würde. Er spürte, wie sehr er dem Jüngeren gefehlt haben musste. Beinahe hatte er das Gefühl, dass Daesung vorhatte, die Umarmung, die eigentlich nur als Begrüßung gedacht war, nie wieder zu lösen. Halt suchend klammerten sich die Arme um seinen Hals. T.O.P konnte spüren, wie hart die letzten zwei Wochen für diesen gewesen sein mussten. Auch ihn hatten weder die Reporter noch die Fans in Ruhe trauern lassen, doch er war älter, wusste besser mit der Trauer und der Verzweiflung umzugehen. Er hätte für den Rest der Band da sein müssen. Hatte er es G-Dragon nicht versprochen? War es nicht der letzte Wunsch des verstorbenen Bandleaders gewesen, dass er sich um die Kleineren sorgte? Wäre es nicht auch seine Pflicht gewesen, wenn ihn dieser nicht darum gebeten hätte? Doch er hatte es nicht getan. Bereits einen Tag, nachdem die Sanitäter die Leiche aus der Wohnung getragen hatten, verließ auch er diese. Er hatte es nicht mehr ausgehalten. Es hatte ihm beinahe das Herz gebrochen, sehen zu müssen, wie seine Freunde litten. Anfangs hatte er noch versucht, die Tränen der Jüngeren zu trocknen, ihnen beruhigende Phrasen zuzuflüstern, doch irgendwann hatte er es aufgegeben. Er konnte nicht mit ansehen, wie Seungri in der Ecke kauerte, in der bis vor wenigen Stunden noch ihr Anführer lag, wollte ihr Weinen nicht mehr hören und fühlte sich außer Stande, noch länger zu beteuern, dass alles wieder gut werden würde. “Hast du… weißt du, wo die anderen sind?” Endlich lösten sich seine Arme vom Hals des Größeren. Daesung schüttelte den Kopf und senkte den Blick. Sollte er zugeben, dass auch er die Wohnung nur wenige Stunden später verlassen hatte? Dass er, nachdem auch Taeyang aufgebrochen war, Seungri einfach alleine zurück in der Wohnung gelassen hatte? Dass er diesen einfach in seiner Trauer alleine gelassen hatte? “Sollen wir schon mal in die Kapelle gehen? Vielleicht sind die beiden ja scho-…” T.O.P stockte, als er sah, wie ein brauner Van die Einfahrt passierte. Er kannte den Wagen. Schon öfters hatte er ihn in der Einfahrt der Bandwohnung stehen sehen. Wie oft hatte er sich darüber lustig gemacht, dass auf der Heckscheibe des Wagens noch immer ein Aufkleber mit der Aufschrift ‘Baby on tour’ klebte und die Eltern sich auch jetzt, da ihr Sohn schon über 18 Jahre alt war, weigerten, die Kindersicherung an den hinteren Türen zu deaktivieren? Jetzt allerdings war er erleichtert darüber, zu sehen, dass Seungri, die Hand seiner Mutter haltend, den Hof betrat. Es war gut, zu wissen, dass der Jüngste bei seinen Eltern den Halt finden konnte, den ihm seine Bandmitglieder nicht geben konnten. Liebevoll strich die ältere Dame ihrem Sohn über die Wange, ehe sie dessen Hand los ließ und ihn sanft in Richtung seiner Bandkollegen schubste. “Seungri, wie schön… Wie geht es dir…?” Vier Arme fielen dem Jüngsten zur gleichen Zeit um den Hals. Seungri schloss die Augen und genoss einfach das Gefühl der Sicherheit, dass ihm die Nähe der Älteren gab. Er wollte dem Ältesten antworten, doch seine Kehle war wie zugeschnürt. Doch eigentlich war es auch gar nicht nötig, die Frage zu beantworten. Sein Gesicht war blass, die Augen gerötet und geschwollen - es war für jeden ersichtlich, dass es Seungri in den letzten Tagen alles andere als gut ergangen sein musste. Einige Minuten verharrten sie schweigend in der engen Umarmung, ehe sie das Läuten der Glocken aufschreckte. Ratlos sahen sie sich auf dem Hof um. Wo war der Zweitälteste? Hatte dieser den Schock noch nicht verarbeitet? War er noch nicht bereit, seinen besten Freund los zu lassen? Ihnen blieb keine Zeit, nach einer Antwort für diese Fragen zu suchen, wenn sie die Zeremonie nicht verpassen wollten. Eilig betraten sie den nach Weihrauch riechenden Raum. Ein Raunen ging durch die Menge. Menschen wandten sich um, um einen Blick auf die Mitglieder von ’Big Bang’ werfen zu können. Einige senkten mitleidig den Blick, andere tuschelten nervös und wieder andere riefen ihnen lauthals ihre Beileidsbekundungen zu. Eilig schritten die drei Jungen durch die Kapelle, bis sie die erste Reihe erreicht hatten, die für enge Freunde und Familienmitglieder reserviert worden war. “Oh, du bist ja doch da… Wir hatten uns schon Sorgen gemacht…” Um den weiteren Ablauf nicht herauszuzögern, umarmten die drei Jungen ihren Zweitältesten jeweils nur kurz, ehe sie sich auf ihre Plätze sinken ließen. Daesung ging durch den Kopf, dass dieser schon seit Stunden hier sitzen musste. Er selbst war zwei Stunden zu früh hier eingetroffen, in der Hoffnung, auf seine Bandmitglieder zu treffen und da in dieser Zeit niemand, der seinem Freund geähnelt hatte, die Kapelle betreten hatte, musste dieser noch früher eingetroffen sein. Mit hängenden Schultern verfolgte Taeyang die Trauerzeremonie. Schon seit Stunden saß er auf der unbequemen Bank, die Hände in das Blatt mit den Liedtexten gekrallt und den Blick starr auf den weißen Sarg gerichtet, der vor ihm aufgebahrt worden war. Wie oft hatte er sich überlegt, ob er aufstehen und einen Blick hineinwerfen sollte? Wie oft hatte er sich erhoben und sich gleich darauf wieder hingesetzt? Wie oft hatte er tief durchgeatmet, einige Schritte in die Richtung des Sarges gemacht und sich erneut auf die Bank fallen gelassen? Hinter ihm hörte er ein Mädchen weinen. Er wusste nicht, ob es sich um eine Freundin, eine Verwandte oder nur einen verzweifelten Fan handelte. Auch in seinen Augen funkelten Tränen. Immer wieder betraten Personen die Empore, um den Trauergästen zu erzählen, was für eine wunderbare Person Kwon Ji-Yong gewesen war. Er selbst hatte keine Rede vorbereitet, obwohl er immer wieder versucht hatte, seine Gefühle auf ein Blatt Papier zu bringen. Das, was er fühlte, konnte er nicht mit Worten ausdrücken. Als jeder, der etwas über den Toten sagen wollte, seine Rede vorgetragen hatte und leise ‘Haru Haru’ eingespielt wurde, erhoben sich die Menschen in der Kapelle. Einige verließen eiligen Schrittes den Saal, andere wirkten wie erstarrt und schafften es nur schwer, sich von dem Anblick des weißen Sarges loszureißen. Auch T.O.P hatte alle Mühe, Seungri hochzuziehen. Zusammengesunken wie ein kleines Kind hing er auf der Bank, die Schultern im Takt zu den Schluchzern zuckend. Erst durch die Hilfe des Zweitältesten gelang es ihm, diesen aus der Kapelle zu ziehen, wo er ihn in die Arme seiner Mutter übergab, welche ihm ihren Sohn mit einem traurigen Lächeln abnahm. Eigentlich hatte T.O.P damit erreichen wollen, dass die Eltern Seungri auf dem Weg zum frisch ausgehobenen Grab begleiteten. Sie hätten ihn stützen und trösten sollen, wenn der Abschied zu hart für diesen gewesen wäre. Doch als sich der Älteste umdrehte, sah er nur noch, wie der Jüngste mit hängenden Schultern auf den Rücksitz des Wagens sank, ehe dieser leise und unauffällig den Hof verließ. Seufzend sah der Älteste dem Auto nach. Schweigend lauschten die Trauergäste den Worten des Pfarrers, während der Sarg langsam in die Erde hinabgelassen wurde. Nach und nach traten einige Personen näher an das Erdloch, um Blumen, geliebte Gegenstände oder ähnliche Dinge in die Grube fallen zu lassen. Viele Fans ließen weinend Stofftiere, Fanartikel und gemeinsame Fotos in das Loch fallen, während die meisten Familienmitglieder sich auf eine schlichte Rose und einige letzte liebevolle Worte beschränkten. Daesung blieb einige Meter entfernt stehen. Er hatte nichts, das er seinem Bandleader mit auf diesen letzten Weg mitgeben konnte. Auch T.O.P machte keine Anstalten, sich dem Loch zu nähern. In seiner Hand hielt er schon seit er auf dem Grundstück angekommen war, ein Foto. Er hatte lange überlegt, welches Bild er dem Toten ins Grab werfen wollte und hatte sich schließlich für das erste Foto entschieden, dass es von ihnen allen gemeinsam gab. Schon immer war G-Dragon eifersüchtig auf dieses besondere Foto gewesen. Doch nun, da es der Zeitpunkt war, erschien es ihm falsch, das geliebte Erinnerungsstück in die Erde zu werfen. Sein Blick fiel auf die unbeschwerten Gesichter, das ausgelassene Lachen, das ihre Münder schmückte. Wäre es nicht falsch, dieses Bild in das dunkle Loch zu werfen? Seufzend steckte er das Bild in die Tasche seiner Hose. Einzig Taeyang trat näher an das Loch heran. Der verschlossene Deckel machte es ihm möglich, sich dem Sarg endlich zu nähern. Er hätte es nicht verkraftet, in das bleiche Gesicht seines Freundes blicken zu müssen. Er hatte keinen Gegenstand in der Hand, ging lediglich in die Hocke und murmelte unter Tränen einige kurze Sätze, ehe er zurück zu seinen Freunden ging. Auch die letzten Trauergäste hatten ihre Geschenke fallen gelassen und nach wenigen Worten des Abschieds verließen sie nach und nach gruppenweise den Friedhof. Nur noch die engsten Verwandten und die restlichen drei Mitglieder von ‘Big Bang’ standen um das noch nicht zugeschüttete Loch herum. Eine unangenehme Stille herrschte, bis sich Daesung leise räusperte und verkündete, dass er es hier nicht länger aushalten würde. Verständnisvoll nickten die beiden Älteren. T.O.P bot an, den Jüngeren noch zu dessen Wagen zu begleiten. Taeyang umarmte die beiden zum Abschied kurz und sah ihnen dann dabei nach, wie sie langsam das Grundstück verließen. Sie hatten ausgemacht, in Kontakt zu bleiben, doch ihre traurigen Blicke sprachen eine andere Sprache. Noch längere Zeit stand er regungslos vor dem ausgehobenen Grab, ehe auch die letzten Angehörigen den Friedhof verlassen hatten. Erst da erwachte er aus seiner Starre und trat erneut an das Loch heran. Tränen füllten seine Augen, während seine Hand die Hosentasche nach einem Gegenstand absuchten. “Das wollte ich nicht…” Mit einem leisen Klirren landete das Fläschchen auf dem weißen Sarg. Beim Aufprall löste sich der Deckel und während Taeyang mit eiligen Schritten den Friedhof verließ, tropfte die klare Flüssigkeit, mit der alles angefangen hatte, langsam und geräuschlos auf die Erde. E N D E Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)