To Be Royal von _Kima_ (Final Fantasy IX) ================================================================================ Kapitel 1: OneShot ------------------ Es ist zu hell. Das war alles, woran sie an diesem Tag denken konnte. Es hätte regnen sollen, wie in Burmecia. Oder neblig sein, wie am Baum Iifars. Stürmisch wie in Cleyra oder dunkel wie in den Minen, die zum Äußeren Kontinent führten… aber es war hell. Der Himmel tat ihr keinen Gefallen und war seit Tagen blau. Zu blau. Keine Wolke hatte sie gesehen, keine Brise hatte ihr Erleichterung verschafft. Es ist zu hell. Ihre Gedanken hätten voll von anderen Dingen sein sollen. Ihrer bevorstehenden Krönung. Den Dingen, die sie in Madain Sari erfahren hatte. Dem Tod ihrer Mutter… aber an diesem Tag war ihr Kopf völlig leer. Leer war auch ihr Inneres, völlig hohl fühlte sich ihr Brustkorb an, dort, wo einmal ihr Herz gewesen war, schien nun ein einziges Loch zu klaffen. Es tat nicht weh… es höhlte sie nur von innen aus. War sie vielleicht gestorben, als man versucht hatte, ihre Eidolons zu rauben? War sie dem Tod in die Arme gesunken, als der Waldtyrann sie in seine knorrigen Hände bekommen hatte? Oder war ihr Lebenslicht erloschen, als sie vom östlichen Turm des Schlosses gesprungen war? Sie konnte nicht lebendig sein, dazu fühlte sie sich zu leer. Zu taub. Zu schwer, zu blind. Zu sprachlos. Sie hörte dem Priester nicht zu, dessen Worte in ihren Ohren völlig bedeutungslos waren. Sie hörte den Adligen aus Treno nicht zu, die sich leise unterhielten. Und erst recht hörte sie der Baronin neben sich nicht zu, die gerade ihr Beileid aussprach, die nächste in einer Reihe von viel zu vielen, deren Gesichter allmählich zu einem verschwammen. Ihre Aufmerksamkeit galt dem großen, glattgeschliffenen Block aus weißem Marmor, unter dem ihre Mutter ruhte. Aber eigentlich sah sie ihn nicht einmal richtig. Ein Sonnenstrahl blendete sie und wieder war da dieser Gedanke. Es ist zu hell. Wieso schien die Sonne…? Um sie herum verklangen die Stimmen der Adligen, Stille trat ein. War sie endlich allein? Nur langsam kehrten die Geräusche in ihre Welt zurück, sie hörte Vogelzwitschern und das Rascheln des Winds in den Blättern der Bäume, die um den kleinen Pavillon herumstanden. Sie blinzelte. Sie fühlte sich, als wäre sie aus einem tiefen Schlaf erwacht. Wie lange hatte sie hier gestanden? Sie sah sich um und stellte fest, dass sie tatsächlich allein war. Sie tastete nach ihrer Silberkette und vergewisserte sich, dass sie noch um ihren Hals hing. Dann betrachtete sie noch einmal nachdenklich den Grabstein ihrer Mutter. Es ist zu hell. Es war nicht der Marmor, der sie störte, nicht die weißen Rosen, die auf dem Grab lagen, und auch nicht die Tauben, die gerade von einem Baum zum Grab flatterten. Was sie wirklich störte, war die Abwesenheit ihrer Freunde. Kein Wort hatte sie mit ihnen wechseln können, als sie in Alexandria angekommen waren, weil Steiner und Beatrix sie sofort in ihr Zimmer geführt hatten. Sie hatte fragen wollen, wann sie die anderen wiedersehen konnte, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt gewesen. Vielleicht, weil sie seit Brahnes Tod nicht besonders viel gesprochen hatte. Sie hatte keine Worte gefunden, als sich Steiner auf der Überfahrt besorgt nach ihrem Wohl erkundigt hatte. Sie war stumm geblieben, als Vivi versucht hatte, sie aufzumuntern. Sie hatte geschwiegen, als Zidane ihr eine seiner unzähligen Abenteuergeschichten erzählt hatte. Er war der einzige gewesen, der sie auf der Seereise zurück nach Alexandria nicht wie ein rohes Ei behandelt hatte, er hatte sich verhalten, als sei nichts gewesen. Vielleicht war das seine Art, Trauer zu verarbeiten, sie wusste es nicht. Aber sie wusste, dass es das einzige Verhalten war, das sie in den letzten Wochen nicht genervt gemacht hatte. Und jetzt… wo war er? Waren er, Vivi und die anderen noch in Alexandria? Warteten sie darauf, dass sie endlich zu ihnen kam? Oder waren sie längst gegangen, weil sie sie ohnehin nicht brauchen konnten? Es ist zu hell. Sie stellte fest, dass das Loch in ihrem Inneren weh tat, wenn sie an ihre Freunde dachte. Fast, als ob sich die Ränder der unsichtbaren Wunde entzündet hätten. Plötzlich fröstelte sie und schlang die Arme um ihren eigenen Körper. Plötzlich verspürte sie das dringende Bedürfnis, sich vor dem Licht zu verbergen. Es war zu hell! Viel zu hell… wie konnte es so hell sein, wenn es in ihrem Inneren so dunkel war? Sie seufzte leise und schloss kurz die Augen. Durfte sich eine zukünftige Königin so benehmen? Sie war eine Prinzessin… und ihre Freunde – er – waren gewöhnliche Menschen. Unter normalen Umständen hätten sie sich niemals kennen gelernt. Sie war nicht Dagger. Sie war Garnet, musste es sein, weil ihre Mutter zu Tode gekommen war. Sie war die zukünftige Königin von Alexandria… und sie musste sich so verhalten. Das Loch in ihrem Inneren würde sich irgendwann schließen, ganz bestimmt. Es musste einfach! Ein letzter Blick auf den Grabstein, dann wandte sie sich langsam ab und schritt die paar Stufen zum Steg hinunter, der zu dem kleinen Garten – und nun auch die letzte Ruhestätte ihrer Mutter – führte. Am Ende des Stegs blieb sie stehen, lauschte dem sanften Rauschen der Wellen und blickte zum Schloss. Sie würde eine Königin sein. Sie würde Alexandria regieren und alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Schäden, die Brahne den umliegenden Reichen zugefügt hatte, auszubessern. Und sie würde ihn bestimmt irgendwann vergessen, allein schon deshalb, weil… eine Prinzessin und jemand wie er keine Zukunft hatten. Der Wind fuhr ihr durchs Haar und sie spürte wieder das Ziehen in ihrem Inneren. Doch damit musste sie fertig werden… Sie fuhr herum und blickte zurück zum Grabstein. „Ich verspreche es dir, Mutter“, flüsterte sie und spürte endlich die langersehnten Tränen auf ihren Wangen. „Ich werde eine gute Königin sein.“ … Es ist zu hell. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)