Deep in the cold winter von Hana_no_Kon (Wenn ich in der Kälte gefangen bin, holst du mich dann und rettest mich?) ================================================================================ Kapitel 3: Wenn der Wind heult ... ---------------------------------- "So ... alles verheilt." Außnahmsweise schneit es nicht draußen. Es ist alles ganz ruhig, die Straße ist vollkommen weiß vom letzten Schneefall. Nur ein eiskalter Wind bläst durch die im Winter ruhende Stadt. Geschützt vor der Kälte des Winters sitzt Marisa im Wohnzimmer und betrachtet ihren Arm. Der gerade noch am Arm befestigte Verband wurde von Youmu gelöst. Bis vor wenigen Tagen zierrten noch schlimme Wunden den Arm der Blonden. Doch nun ist fast nichts mehr von ihnen zu sehen. Auch an allen anderen Körperteilen sind keine blauen Flecken oder Kratzer mehr zu entdecken. Das bis vor kurzem noch verletzte Mädchen grinst über beide Ohren. "Als wäre ich nie verletzt gewesen. Vielen Dank." "Gerngeschehen." Auf Youmus Gesicht hat sich ein leichtes Lächeln gebildet. Sie legt den Verband ins Badezimmer und setzt sich neben Marisa auf das weiche Sofa. Es herrscht Schweigen im Wohnzimmer. Einzig und allein der Fernseher und der Wind, der gegen die Fensterscheiben des Hauses pustet, sorgen für Geräuschkulisse. Im Fernsehen läuft nur eine Dokumentation über den Pazifischen Ozean und die vielen unterschiedlichen Fische und Lebensformen, die dort leben. Sonst war nichts Interessantes in den verschiedenen Kanälen. So mussten sich die beiden Mädchen entscheiden zwischen dieser Doku und einem kitschigen Liebesfilm. Marisa muss mit dem Gedanken ankämpfen, vor Langeweile nicht einzuschlafen. Allerdings war es nicht besonders einfach. Ihre Augenlieder sind sehr schwer und würden jeden Augenblick zusammenfallen. Die Blonde stößt ein leises Gähnen aus. Wenn sie weiterhin auf den meist blauen Fernsehbildschirm schaut, würde sie auf jeden Fall einnicken. Ablenkung muss her. Marisa lässt ihren Blick auf Wanderschaft gehen. Dabei erspäht sie zwei Blumenvasen, drei Schränke, mehrere eingerahmte Fotos ... Bei eins der Fotos erwacht Marisa aus ihrer Trance. Auf ihm erkennt man drei Personen. Die eine ist ein kleines, schüchtern lächelndes, silberhaariges Mädchen. Es ist nicht schwer zu sehen, dass das Mädchen Youmu ist. Als sie ein Kind war. Die zweite Person ist ein älterer Mann mit silbernen, langen Haaren, einem langen Bart und einer stolzen, sicheren Körperhaltung. Und zu guter Letzt ist noch eine wunderschöne Frau auf dem Foto abgebildet. Sie trägt ein blaues Kimono mit Kirschblütenverziehrung, hat leicht gelockte, rosa Haare und ihr Lächeln strahlt eine tiefe Wärme aus. Beim Anblick des Bildes kommen Marisa Erinnerungen in ihren Kopf. An den Tag, als sie das Foto zum ersten Mal gesehen hat. Als sie Youmu gefragt hat, wer die Leute auf dem Bild sind. ... als sie den traurigen, glasigen Blick der Silberhaarigen sehen musste ... "Youmu ... wegen letztens ... mit dem Bild ..." Marisa dreht sich zu dem Mädchen neben ihr und will sich wegen dem Vorfall nochmal entschuldigen. Allerdings verwirft sie ihre Idee wieder. Youmu liegt zusammengekauert neben der Blonden auf dem Sofa. Sie ist eingeschlafen. Der Wind hat entzwischen aufgehört zu wehen. Es ist vollkommen still und friedlich auf den Straßen. Marisa ist etwas überrascht. Doch je länger sie die Silberhaarige beim schlafen zuschaut, desto herzlicher lächelt sie. Ist wohl besser so, denkt sich Marisa. Besser sie erinnert Youmu nicht nochmal an das Foto. Sie nochmal so traurig zu sehen würde Marisa nur Schuldgefühle einbläuen. Der Mann auf dem Foto ist Youmus Vater und die schöne Frau ihre Stiefmutter. Ihre richtige Mutter hat sie nie kennen gelernt. Ihre Eltern ... ihre Familie ... ... Als Marisa fragte, wo sich die beiden momentan aufhalten, gab Youmu keine Antwort. Stattdessen wurde ihr Blick trüb und ihre Körperhaltung verkrampfte sich zunehmend. Mit diesen traurigen Augen verharrte die Silberhaarige einige Zeit lang. Als die Blonde fragte, was los sei, torkelte ihre Retterin, weiterhin mit dem Blick, an ihr vorbei, ging ins Gästezimmer und verriegelte die Tür. Erst am nächsten Tag zeigte sie sich wieder. Marisa hat sich mindestens tausendmal bei Youmu entschuldigt, dass sie sie nicht in irgendeiner Weise kränken wollte. "Entschuldige dich nicht ... du konntest es nicht wissen ...", war immer die Antwort. Das Zimmer wird dunkler, als Marisa die Fernbedienung nimmt und den Fernseher ausschaltet. Ja, es ist doch besser, sie spricht das Thema nicht nochmal an. Einsamkeit tut entsetzlich weh, das weiß die Blonde nur zu gut. Das war ja das erste, was sie nach ihrem Gedächtnisverlust gespürt hat ... Einsamkeit ... Sanft nimmt Marisa die friedlich schlafende Youmu und trägt sie vorsichtig in ihr Zimmer. Die Blonde ist überrascht, wie leicht das Mädchen in ihren Armen ist. Sie braucht nicht großartig Kraft. Behütet legt sie die Schlummernde in ihr Bett und deckt sie zu. Leicht, ohne sie zu wecken, streicht Marisa über die weiche Wange der Silberhaarigen. In ihrem Körper sammelt sich Wärme die sich auf ihrem Gesicht verteilt und einen roten Schimmer auf ihren Wangen bilden. Bevor Marisa den Raum verlässt, nähert sie sich Youmus Gesicht. Sie stoppt vor ihrem Ohr und flüstert ihr leise zu: "Es tut mir Leid." ~~ Es weht ein kühler, kräftiger Wind draußen. Schnee fällt langsam vom Himmel runter auf den bereits weißen Asphalt. Marisa ist völlig in Gedanken versunken. Sie erinnert sich die ganze Zeit an den gestriegen Abend. Sie erinnert sich an den Vorfall mit dem Foto. Sie erinnert sich an ihre Rettung vor dem Kältetod. ... und an die Person, die immer da war, seit sie ihr Gedächtnis verloren hat ... Wer hat sie vor der Kälte gerettet und ins Warme gebracht ... Youmu. Wen hat sie an das Foto erinnert und sie damit sehr verletzt ... Youmu. Wen hat sie gestern ins Bett getragen ... Youmu. Sie ist immer da ... Und jetzt ... jetzt geht das Mädchen nicht mal mehr aus Marisas Kopf heraus. Selbst wenn sie ihre Erinnerung noch nicht zurück bekommen hat ... Marisa ist der Silberhaarigen jetzt schon mehr als nur dankbar. Alles, was die Blonde machen könnte für sie, wäre nur ein Minimum ihrer Dankbarkeit. Am liebsten würde sie ihre Retterin in den Arm nehmen und nie wieder gehen lassen. ... Moment, was denkt sie da? "Autsch! Himmel, Herr Gott nochmal!" Marisa flucht so laut, dass selbst die Spatziergänger draußen den Ausbruch hätten hören können. Zum vierten Mal nun hat sich die Blonde beim Zubereiten des Mittagessen mit dem Messer verletzt. Aufgeregt nimmt sie den angeschnittenen Finger in den Mund, um die Blutung zu stillen. Danach geht sie zum vierten Mal ins Badezimmer, um sich auf den Finger ein Pflaster zu kleben. Auch wenn Marisa ihr Gedächtnis noch nicht zurück hat, scheint eins schon klar zu sein: Kochen ist nicht ihre Stärke. Seufzend kehrt sie in die Küche zurück. Dabei nimmt sie auch noch einpaar weitere Pflaster mit, weil sie langsam keine Lust mehr hat, jedes Mal aufs Neue ins Bad zu stürmen. Ein erneuter Seufzer. Die Blonde hat sich ein Ziel genommen. Mit diesem Festmahl, wenn man es so nennen kann, will sie Youmu schonmal einen kleinen Teil ihrer Dankbarkeit präsentieren. Auch wenn es nicht viel ist ... "Marisa?" Überrascht dreht sich die angesprochene Blonde zu der Stimme um. Sie grinst. "Hallo, Youmu, bist ja wieder da." Youmu ist nach dem Frühstück nach draußen verschwunden mit der Erklärung, sie wolle spatzieren gehen. Nun, sieht sie Marisa verwirrt an. Das bemerkt die Blonde und erklärt: "Ich bin am kochen. Naja, klappt allerdings nicht wie es sein soll." Sie kratzt sich verlegen am Kopf. Dabei erkennt die Silberhaarige die vielen Pflaster an den Finger des Mädchens vor ihr. "Das hättest du nicht machen müssen ...", meint sie leicht gerührt. Marisa stellt sich genau vor Youmu und erklärt strahlend: "Ich meine doch. Es ist das Mindeste, was ich tun kann, nachdem du so viel für mich gemacht hast." Eine leichte Röte bildet sich auf den Wangen der Silberhaarigen. Zudem zierrt ihr Gesicht ein warmes, schüchternes Lächeln. "... Ich schätze, ich muss mich dann wohl bedanken ... Danke ... Marisa." Ihre blauen Augen starren gebannt auf das goldene Augenpaar der Blonden. Der Wind ist stärker geworden, wirbelt den fallenden Schnee wild hin und her. Zieht den Schnee, der schon auf dem Boden liegt, mit sich. Draußen tobt nun ein Schneesturm. Schon wieder ... In Marisa macht sich dieses Gefühl wieder breit ... Dasselbe Gefühl wie am Vorabend, als sie die schlafende Youmu ins Bett getragen hat. Als sie sie so friedlich liegen sah. Ein warmes, nicht definierbares Gefühl ... Der Verstand der Blonden schaltet sich vollkommen ab, ihre Körperteile entwickeln ein Eigenleben. Ihre Hand hebt leicht das Kinn der Silberhaarigen hoch ... Ihr Gesicht nähert sich dem der Anderen ... Die Augenlieder fallen zu ... Der Schneesturm tobt, lässt keine Sicht auf die Straße zu. Der Wind heult. Marisa hat keine Kontrolle mehr. Sie legt ihre Lippen auf die von Youmu und küsst sie zärtlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)