Deep in the cold winter von Hana_no_Kon (Wenn ich in der Kälte gefangen bin, holst du mich dann und rettest mich?) ================================================================================ Kapitel 9: Wenn Ruhe vor dem Sturm herrscht ... ----------------------------------------------- Ein kühler Wind weht durch die Ritzen und engen Gassen der Stadt. Die Dunkelheit der Nacht hat sich wie ein Mantel um die Atmosphäre gelegt. Ein leichter Nebel umhüllt die Umgebung und verschleiert die Sicht auf Alles. Trotz Müdigkeit findet Marisa keinen Schlaf. Nichts hilft ihr beim Einschlafen. Leise seufzend richtet sie sich auf. Sie schaut durch das Fenster auf den Himmel. "... dämmlicher Vollmond ...", flüstert die Blonde nur. Dann richtet sie ihren Blick auf die friedlich schlummernde Person, die neben ihr auf dem Bett liegt. Marisa schmunzelt. Wenigstens ist Youmu nicht so anfällig auf den Vollmond wie sie, denkt sie sich. Das ältere Mädchen berührt zart die Schulter ihrer Freundin. Tastet mit Vorsicht die Fasern ihres Körpers ab. Zeichnet behutsam mit ihrem Finger ein Herz auf die Haut. Dann hüllt Marisa die Schulter in die Decke ein und küsst leicht Youmus Haar. Nach diesen kleinen Gesten steht die Blonde auf. Sie schleicht sich leise aus dem Zimmer und wandert ins Wohnzimmer. Vielleicht hilft ein langweiliger Film ihr beim Einschlafen. Mit diesem Plan in Gedanken setzt sie sich auf die Couch. Sie nimmt die Fernbedienung in die Hand und drückt den roten Knopf zum Einschalten des Fernsehers. Sie erschrickt leicht, als beim Einschalten ein Monster der Kamera entgegen springt. "Ich guck definitv keinen Horrorfilm..." Marisa wechselt mehrmals die Kanäle. Sucht nach etwas, was Müdigkeit hervorruft. Doch fast alle Sender müssen genau jetzt in irgendeiner Weise etwas Aufregendes oder Adrenalinhebendes zeigen. Sei es nun Comedy, Action oder sogar Erotik. Nichts eignet sich zum Entspannen. Marisa ist schon dabei, aufzugeben. Doch dann erwischt sie eines dieser Kanäle, welche rund um die Uhr Nachrichten senden müssen. Jeden Tag so gut wie ein und dasselbe, ohne Veränderung. Perfekt. Nach einer Weile auf den Bildschirm starren, setzt sogar tatsächlich die Müdigkeit ein. Noch bevor Marisa allerdings einschlafen kann, verändert sich die Tonlage des Nachrichtensprechers. Eine Eilmeldung. Wahrscheinlich wieder was von irgendwelchen Anschlägen, ganz weit weg von hier. Die Blonde will wieder versuchen, ins Reich der Träume einzutauchen. Schließt ihre Augen. Doch ein Name zwingt sie wieder in die Wachsamkeit. Ein Name, von der sie dachte, ihn niemals wieder zu hören. Ihre Aufmerksamkeit gilt jetzt der Eilmeldung. "Richard Marl wurde heute des Nachts von der Polizei überrascht und es kam zu einer Verfolgungsjagd bis zu den Müllanlagen der Stadt. Es herrschte schon seit Jahren der Verdacht auf Betäubungsmittel- und Menschenhandel auf ihn. Während der Flucht wurden in der Zwischenzeit die Rauschmittel beschlagnahmt und die Mädchen, die als Sklavinnen verkauft werden sollten, für nähere Untersuchungen ins Krankenhaus gebracht. Marl wurde beim Einsatz der Polizei in der Müllanlage getötet. Weitere Details werden nach Beenden der Zeugenbefragung bekanntgegeben." Jeder einzelne Satz, jedes einzelne Bild ... Marisa ist sprachlos. Sie hat alles erwartet, aber nicht das. Wie betäubt schaltet sie den Fernseher wieder aus. Dann herrscht Stille. Und Dunkelheit kehrt ins Wohnzimmer zurück. Der Nebel, der sich über der Stadt verbreitet hat, lichtet sich. Dunkle Wolken verzieren den Himmel. Doch der Mond scheint noch durch die großen, freien Stellen der Wolken. Neben den Straßenlaternen die einzige, natürliche Lichtquelle in der Dunkelheit. Marisa sitzt immernoch auf der Couch im Wohnzimmer. Lässt das gerade Erfahrene durch den Kopf gehen. Wie ein leises Krächzen entflieht ihr nur ein Satz aus der Kehle. "... er ist tot ... und ich bin frei ..." ~~ Ein leichter Schneefall. Die Schneeflocken schweben leicht wie Federn auf die Erde. Vereinzelt und ungestört. Kein Wind lässt sie tanzen. Entsprechend kümmern sich die Menschen nicht weiter um den Schnee und ziehen genauso sorglos durch die Straßen. Marisa sitzt Gedankenverloren in ihrem Zimmer auf dem Bett. Die Nachricht von Richard Marls Tod, welche sie letzte Nacht erfahren durfte, lässt ihr keine Ruhe mehr. Zuviele Gedanken wandern in ihrem Kopf rum. Außer dem leisen Prasseln von Wasserstrahlen nebenan, verursacht durch die Dusche, nimmt sie sonst nichts um sie herum wahr, oder kann sie durch ihre Gedankengänge nicht wahrnehmen. Das Geräusch von prasselnden Regenschauern oder etwas, was dem gleichkommt, hilft der Blonden meistens beim Denken. Vielleicht liegt es an ihrem Namen. Eigentlich kann sie es dabei belassen. Eigentlich kann Marisa es einfach akzeptieren. Der Tod dieses Mannes. Aber es gibt etwas, was ihr keine Ruhe lässt. Etwas, was sie nicht nachvollziehen oder verstehen kann. ... Das Prasseln des Wassers hört auf. Die Dusche ist ausgeschaltet. Nach einigen Minuten der Stille öffnet sich die Tür zum Zimmer. Doch Marisa, in Gedanken versunken, bemerkt es nicht. Auch nicht, dass sich jemand neben sie setzt. "Marisa?" Überrascht schaut die Angesprochene auf. Mit fragendem Blick und noch feuchten Haaren von der Dusche mustert Youmu ihre Freundin. Halbherzig versuchend, ihr Problem runterzuspielen, schmiegt sich Marisa kichernd an die Silberhaarige. "Hmm, du riechst so gut." "Hmm, danke", entgegnet Youmu mit leicht gerötetem Gesicht, "aber ... stimmt was nicht? Du sahst bedrückt aus ..." War klar, dass sie das merkt, denkt sich Marisa, ich kann nichts vor ihr verbergen. Sie kehrt in eine normale Haltung zurück und lässt ihren Blick ins Leere gehen. "Ist was passiert?", fragt die Jüngere besorgt. Das blonde Mädchen seufzt leise. Dann schließlich erzählt sie es ihr. Die Nachricht, die sie aus der Bahn geworfen hat. "Mein Meister, der mich ausgesetzt hat, ... er ist tot." Mit geweiteten Augen starrt Youmu Marisa an. "Was?" "Ja, hab es gestern in den Nachrichten gehört ... die Polizei hat ihn erwischt, er floh ... und fand nur seinen Tod." Völlig emotionslos erklärt sie ihrer Freundin die Umstände von Marls Ableben. Dann stellt Youmu eine schon berechtigte Frage. " Aber das heißt doch, dass du frei bist ... du wurdest gerächt. Freust du dich nicht?" Leise und kurz lacht Marisa auf, bevor sie wieder gedankenversunken antwortet: "Versteh mich nicht falsch, ich freu mich schon ... aber es fehlt was ... ich kann mich nicht zu hundert Prozent freuen, weil irgendwas noch fehlt ..." "Und darüber machst du dir jetzt Gedanken? Was es ist, dass fehlt zu deinem Glück?" Monoton nickt die Blonde. Mit leichten Schuldgefühlen murmelt ihre Freundin vor sich hin: "Tut mir Leid, ich wünschte, ich könnte helfen ..." Nach einer gewissen Zeit des Schweigens richtet Marisa ihren Blick auf Youmu. "Youmu?" Sie schaut auf. Die Blonde nimmt zart die Hand der Anderen. Ihr Gesicht ziert nun ein schiefes Lächeln. Ihre goldenen Augen spiegeln gewisse Emotionen wieder. "Mach dir keine Sorgen, ich komm schon noch drauf, was es sein könnte. Außerdem kannst du doch helfen ..." "Ja? Wie?" "Indem du mich von meinen Sorgen ablenkst." Die Augenlider der Mädchen fallen zu. Lassen wieder ihre Gefühle zueinander ihre Körper übernehmen. Ihre Lippen treffen aufeinander. Wie beim ersten Mal verteilt diese zarte Berührung in Beiden eine wohlfühlende Wärme. Etwas unbeschreiblich Schönes. So sanft wie möglich drückt Marisa ihre Partnerin während des Kusses in die Matratze. Nein, sie will nicht weitergehen. Sie will Youmu nur eine bequemere Position verschaffen. Und im Inneren will die Blonde sehen, wie ihre wunderschönen blauen Augen sie aus der Position heraus anschaut, sollten sie sich wieder voneinander lösen. Doch keiner von beiden möchte es zulassen. Nur leider braucht ein Mensch Luft zum Atmen. Für diese kurze Zeitspannen trennen sie ihre Lippen wieder. Dies nutzt Marisa auch aus, um ihren kleinen, inneren Wunsch zu erfüllen. Was sie sieht, macht sie sprachlos. Youmu schaut sie vollkommen verträumt an. Entgegen ihren Lippen flüstert die Blonde ihr zu, bevor der nächste Kuss entsteht: "Du bist ... so schön ..." Beim zweiten Kuss wurden die Gefühle und die Wärme der Mädchen noch intensiver. Ganz leise entsteht bei beiden die Sorge, ihre Herzen würde ihnen jeden Moment aus dem Körper springen, so stark wie sie schlagen. Doch die Emotionen gewinnen wieder die Oberhand, als Marisa was Neues ausprobiert. Sanft stubst ihre Zungenspitze gegen Youmus Unterlippe. Erbittet so um Eintritt. Kurz schlagen beide Augenpaare auf. Schauen sich an. Wie der Austausch von Gedanken. Die Augenlider fallen wieder zu, während der Mund der Silberhaarigen leicht geöffnet wird. Die Ältere von beiden nutzt die Chance und lässt ihre Zunge behutsam in die Mundhöhle gleiten. Findet schnell das Ziel. Stubst die Zunge ihrer Freundin an und bittet so um einen kleinen Tanz. Sie gibt der Bitte statt. Was folgt ist ein Überfluss an Hitze, Gefühle und Sehnsucht nach der Anderen. All das Ausgelöst durch einen Walzer zwischen zwei Zungen. Fast gleichzeitig entflieht beiden Mädchen ein wohliges, gedämpftes Seufzen. Erst durch Luftmangel müssen sie sich wieder lösen. Sie schauen sich glücklich an. Das Atmen fällt ihnen noch schwer, aber es ist ihnen egal. Sie haben einander. "Danke, Youmu, für deine Hilfe." "Keine Ursache." Der Schnee rieselt weiter. Nichts stört den Frieden und die Ruhe in der Atmosphäre. Die Stille wirkt etwas bedrückend. Fast schon unheimlich. Wie die Ruhe vor dem Sturm oder vor einem Schrecken. Mit einer mittelgroßen Tüte im Arm geht Marisa durch die Straßen. Sie hat sich bereit erklärt, kurz zum Supermarkt zu gehen, um einige Sache zu besorgen. Es ist nicht viel, weshalb das blonde Mädchen darauf bestand, allein zu gehen. Deswegen und weil sie noch ein kleines Geschenk für Youmu holen wollte. Es ist nicht besonderes. Nichts großartiges oder teures. Einfach etwas, was von Herzen kommt. Dieses Etwas ist nicht in der Tüte, sondern sicher in Marisas Manteltasche verstaut, unmittelbar neben einem Handy, welches ihr Youmu gab, damit sie sich bei Notfall erreichen können. Genau aus diesem Handy erklingtin diesem Moment eine Melodie, welches sich die Blonde als Klingelton ausgesucht hat, der unter dem Titel "Love-Colored Magic" gespeichert ist. Marisa weiß sofort, wer sie anruft. Sie holt ihr Handy aus der Tasche und nimmt den Anruf entgegen. "Hey, Youmu, hast du mich etwa vermisst?" "Nun, schon, und ich wollte wissen, ob alles in Ordnung ist." "Aber natürlich, es ist gerade Mal eine halbe Stunde vergangen. Ich bin schon auf dem Weg nach Hause. Nurnoch rechts abbiegen, der Straße folgen und voilá." Marisa bleibt neben einer dunklen Sackgasse stehen. Sie stellt die Tüte ab, um ihren Arm auszuruhen. Vom anderen Ende der Leitung hört sie Youmu nachdenklich murmeln. Die Blonde hakt nach. "Stimmt was nicht?" "Nein ... ich hab nur ein merkwürdiges Gefühl ..." "Ich bin ja gleich bei dir." "Ich meine es ernst, Marisa. Es ist wie eine böse Vorahnung ..." Marisas Blick wird trüber. Was könnte ihrer Freundin so eine Angst gemacht haben? Sie in so eine Sorge versetzen? Was es auch ist, die Blonde weiß, was zutun ist. Sie nimmt ihre Tüte wieder in die Hand. Geht einige Schritte weiter. "Youmu, mach dir keine Sorgen. Ich bin so schnell wie möglich wieder bei di-" Plötzlich erscheinen Hände von hinten. Der fremde Arm wickelt sich um Marisas Körper. Die andere Hand legt sich grob auf ihren Mund. Will sie so zum Schweigen bringen. Statt vernünftige Wörter kommen nur gedämpfte Hilferufe vom Mädchen. Vor Schreck lässt sie das Handy fallen. Die Leitung besteht noch. Entsprechend dem, was sie hört, fragt Youmu mehrmals, was gerade geschieht. Mit jedem Mal klingt sie immer panischer. Die fremde Gestalt versucht Marisa irgendwohin zu ziehen. Aus Reflex wehrt sich das Mädchen natürlich dagegen. Schlägt um sich. Als sie merkt, dass es nichts bringt, ergreift sie die Hand, mit der ihr der Mund zugehalten wird. Mit aller Kraft schiebt sie die Hand etwas weiter runter. Dann, nach Möglichkeit, beißt sie in das Fleisch des Fremden. Dieser schreit auf. Vom Schmerz betäubt, lässt er Marisa los. Sie muss fest zugebissen haben, denn sie schmeckt Blut. Sie versucht, das Handy zu ergreifen. Doch der Angreifer fängt sich wieder und läuft auf sie zu. Wirft sie zu Boden. Nimmt sie wieder in den Schwitzkasten. Mit einem Klebeband versiegelt er ihre Lippen. Und wieder ertönen nur gedämpfte Schreie aus der Kehle des blonden Mädchens. Während sie weiter versucht, sich aus dem Griff zu befreien, wird sie vom Peiniger in die dunkle Sackgasse geschleift. All dies wurde von einer geschockten Youmu mitangehört. Ihre Vorahnung wurde wahr. Marisa ist was zugestoßen. Und sie ist Zeugin. Vor Entsetzen hat sie ihr Handy fallen lassen. Ausgelöst durch einen Schrei. Nein, nicht der von Marisa, sondern die Stimme der anderen Person. Diesen Schrei hat sie schon einmal gehört. Eine Stimme, die sie niemals vergessen könnte. Eine Stimme, von der sie hoffte, sie nie wieder hören zu müssen. Doch jetzt ist nicht die Zeit dafür. Marisa ist in Gefahr. Wieder bei klarem Verstand, fällt Youmu einen Entschluss. So schnell sie kann, holt sie eines der Schwerter aus dem Schrank ihres Vaters. Im Mantel eingehüllt, in Schuhen und mit dem Schwert bewaffnet, rennt sie raus. Sie folgt jegliche mögliche Wege, die auf Marisas Beschreibung zuvor zutreffen. Sie stößt dabei ein schnelles Gebet gen Himmel. "Bitte ... lass mich nicht zu spät kommen ..." Von der Dunkelheit sicher vor fremden Augen versteckt, hat der Angreifer Marisa bis zur Wand der Sackgasse hinter einigen Müllcontainern gezerrt. Doch die Blonde denkt nicht daran, aufzugeben. Sie schlägt weiter um sich. Kämpft um ihr Leben. Doch spürt sie etwas Kaltes an ihrem Hals. Etwas Kaltes und Scharfes. Das Taschenmesser an Marisas Kehle haltend, flüstert der Fremde ihr ins Ohr: "Wenn dir dein Leben etwas wert ist, bist du jetzt ruhig, verstanden?" Der strenge Geruch von Alkohol steigt dem Mädchen in die Nase. So einer ist das also. Diese Sorte von Mensch ist am unberechenbarsten, soviel weiß sie. Eine falsche Bewegung und Youmu wäre wieder allein. Das ist das Letzte, was Marisa will. Früher wäre es ihr egal gewesen. Aber das ist vorbei. Sie will nicht sterben. Nicht nachdem sie Youmu das Versprechen gab, sie zu beschützen. Widerwillig gibt sie der Drohung des Peinigers nach. Hört auf, sich zu wehren. "Braves Mädchen", säuselt er ihr ins Ohr, wobei Marisa leicht schlecht wird, "jetzt werden wir etwas Spaß haben." Noch bevor das Mädchen sich fragen kann, was er meint, spürt sie seine Hand. Seine Hand auf ihrer Brust. Er massiert sie. Nimmt den Geruch ihrer Haare in sich auf. Aus Scham heraus errötet Marisas Gesicht. Ihre Augen werden glasig, doch sie unterdrückt jegliches Verlangen zu weinen. Sie zittert. Sie will nicht angefasst werden. Nicht so. Nicht von ihm. Aber sie hat keine Wahl ... Ohne Rücksicht auf das Mädchen, drückt der Fremde sie auf den Boden mit dem Gesicht gegen die Wand. So bekommt Marisa einen Blick auf denjenigen, der ihr das antut. Ein junger Mann, Anfang 20, kurze, blonde Haare mit schwarzer Strickmütze, unter seinen grünen Augen sind zwei schwarze Augenringe. Er leckt sich die Lippen. "Geil. Genau wie das Mädel mit den silbernen Haaren." Marisas Augen weiten sich. Voller Schock starrt sie ihn an. Er ist es. Er ist der Mann, der Youmu damals ... Und jetzt würde er ihr das Gleiche antun. Er greift unter ihren Rock. Sucht nach dem Stoff, welches in seinem Bild fehlen sollte. Das Mädchen kneift ihre Augen zu und wartet auf den bevorstehenden Schmerz. Doch bevor er sein Ziel erreichen kann ... "Lass sie sofort in Ruhe!" Marisa spürt, wie seine Hand sich von ihrem Körper entfernt. Verwundert schaut sie auf. Mit unerwartetem Entsetzen richtet sich der Angreifer auf und wagt sonst keine Bewegung zu unternehmen. Seinem Hals gefährlich nah wurde eine Klinge gerichtet. Die Klinge eines Schwertes. Von der Stimme und dem Schwert überzeugt, wer sie gerettet hat, steht Marisa auf. Dann nutzt sie die Unaufmerksamkeit des Mannes und schlägt ihm das Messer aus der Hand, so dass es zu Boden fällt. Sie gewinnt Abstand von ihm. Stellt sich zur zusätzlichen Sicherheit mit einem Fuß auf das Messer. Reißt das Klebeband von ihrem Mund. Sie warnt ihre Retterin mit bebender Stimme: "Youmu, sei vorsichtig. Er ist angetrunken." Das erste, was ihr an Youmu auffällt, ist die Art, wie sie den Peiniger anschaut. Eiskalt. Voller Qual. Angefüllt mit Verachtung und Zorn. Mehr als nachzuvollziehen. Nach all der Zeit trifft sie denjenigen, der sie damals verletzt hat, wieder. Und dieses Mal zieht sie die Fäden. Die Spitze des Schwertes ruht immernoch am Hals der betreffenden Person. Nervös starrt er die Silberhaarige nur an. "Erinnerst du dich wieder an mich?" Ihre Frage ertönt in einer monotonen Klangfarbe, doch steckt voller Hass. Erst jetzt fällt ihm wieder ein, wer sie ist. "Du? E-hey ... wie geht's?" "'Wie geht's?' Ist das alles?", platzt es erzürnt aus Marisa heraus. In Gedanken beschimpft sie ihn zusätzlich als Dreckskerl. "W-was regt ihr e-euch so auf? Ich meine, was hab ich denn getan?", stottert der junge Mann. Youmus Blick verfinstert sich noch mehr. Ihr Griff um die Waffe wird fester. Sie geht einen Schritt weiter auf ihn zu, versuchend die Fassung zu bewahren, dass sie ihn nicht mit dem Schwert den Kopf abschlägt. In Angst um sein Leben kneift er seine Augen zu. Auch Marisas Zorn steigt. Nur benutzt sie Worte als ihre Waffe. "Was du getan hast?! Spiel hier nicht das Unschuldslamm! Und hab wenigstens genug Eier in der Hose, um ihr in die Augen zu schauen! Du hast sie verdammt nochmal vergewaltigt!! Sie ist durch die Hölle gegangen wegen dir!! Und komm jetzt bloß nicht mit so einer dämmlichen Ausrede, dass zum Beispiel der Alkohol deinen Verstand so vernebelt hat, dass du nicht gemerkt hast, dass sie es nicht wollte!" Mit Schock im Gesicht schaut er beide Mädchen an. Glaub zuerst nicht, was die Blonde ihm gerade vor den Kopf geworfen hat. Dann hebt er seine Hände in eine Schutzposition hoch. Schweißgebadet und zitternd meint er: "So ... war das aber nicht geplant ... so wollte ich das nicht ... der Alkohol gab mir ... ein Gefühl von Freude ... das einzige was noch fehlte, war ein schönes Mädchen." Mit einem weiteren Schritt auf ihn zu, flüstert Youmu wütend: "Ist das etwa deine Entschuldigung? Ich sollte dich auf der Stelle umbringen." "Es tut mir Leid! Bitte töte mich nicht!" Er bricht zusammen und geht auf die Knie. Hält immernoch seine Hände in die Höhe. Lässt den Kopf hängen. Verzweifelt, fast schon weinerlich, redet er weiter: "Ich bin ein Loser, bloß Dreck unterm Fingernagel ... Ich muss mir extra Geschichten ausdenken, um das Interesse von Frauen zu kriegen, und das klappt auch nicht sonderlich oft ... Nach einer weiteren Abfuhr sah ich keine andere Möglichkeit mehr, um an das zu kommen, was ich wollte. Und weil es damals so gut klappte, wollte ich es nochmal probieren. Ich flehe dich an, hass mich ruhig, aber bitte, bitte, töte mich nicht. Ich stelle mich sogar der Polizei, wandere ins Gefängnis und all das ... nur bitte ... töte mich nicht ..." Der Schnee rieselt ohne jegliche Hast runter auf die Erde. Es herrscht kein Wind. Kein Sturm. Nichts stört die Ruhe in der Atmosphäre. An einem vergleichbaren Tag wurde Youmu auf furchtbare Weise verletzt. Und jetzt ist der Täter vor ihr. Sie kontrolliert das Geschehen. Hat nun die Macht über das Leben dieses Mannes. Während Marisa das Szenario gespannt verfolgt, kämpft ihre Freundin innerlich mit der Entscheidung. Tod oder Leben? Soll sie ihm ein neues Leben geben? Oder sein Jetztiges nehmen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)