Deep in the cold winter von Hana_no_Kon (Wenn ich in der Kälte gefangen bin, holst du mich dann und rettest mich?) ================================================================================ Kapitel 8: Wenn im Schnee ein Lächeln erstrahlt ... --------------------------------------------------- Es fällt kein Schnee vom Himmel. Dennoch ist der Himmel nicht voller Ruhe und Sorglosigkeit. Der Wind heult, die Wolken sind dunkel und es spiegelt eine unerträgliche Düsterkeit aus. Youmu windet sich mehrmals in ihrem Bett. Schweißperlen sind auf ihrer Stirn und sie zittert. Zudem kann man auch kleine Tränen auf ihrem Gesicht erkennen. Sie hat einen furchtbaren Alptraum. Sie sieht Marisa. Die Blonde und auch die Silberhaarige haben an ihrem ganzen Körper Blutflecken. Aber Wunden haben sie äußerlich nicht. Auf Marisas Gesicht hat sich ein gequältes Lächeln gebildet. Mit ihren leuchtenden goldenen Augen sieht sie Youmu an. Dann erscheinen plötzlich um den beiden schwarze Schattenähnliche Gestalten. Sie umschlingen die beiden Mädchen, fesseln sie, gewähren ihnen keine Flucht. Aber ... Nur Youmu wird bloß festgehalten. Die Schlingen um Marisas Körper, Armen und Beinen festigen sich allerdings immer mehr. Ein unerträglicher Schmerz scheint sie zu durchströmen, doch trotz der Qualen ... ... lächelt sie ... Panik bildet sich in Youmu. Sie versucht was zu rufen. Aber aus ihrer Kehle entflieht kein Laut. Kein Geräusch. Nichts ... nur Stille ... Die Fesseln werden fester, härter, enger ... ... bis mehrere laute Knackgeräusche erhallen und Marisas Knochen brechen. Die Blonde schreit vor Schmerzen. Youmu öffnet entsetzt den Mund, um auch zu schreien ... ... aber wieder ist nichts zu hören ... Immer mehr Tränen fließen ihre Wange entlang. Sie kann und will das nicht sehen. Wie das Mädchen, das in ihr Leben getreten ist ... ... das Mädchen, das bei ihr geblieben ist ... ... das Mädchen, was ihr zugehört hat, als sie von ihren Leiden erzählte ... ... mit jeder weiteren Sekunde mehr und mehr verletzt und gepeinigt wird. Voller Angst sieht die Silberhaarige in Marisas Gesicht. Die Blonde lächelt wieder ... Als will sie ihr sagen: "Mach dir keine Sorgen. Mir geht's gut ..." Hinter Marisa erscheint ein weiterer Schatten. Sie nimmt die Form von riesigen, schwarzen Scherenklingen an. Die gespreizten Klingen positionieren sich um Marisas Hals. Immer mehr Angst und Panik steigt in Youmu auf. Der nackte Horror ist in ihren Augen zu lesen. ... Die Schere schneidet ... ... und sie sieht Blut ... Mit einem lauten, angsterfüllten Schrei erwacht Youmu aus ihrem Alptraum. Schwer atmend und mit rasendem Herzen sitzt sie nun aufrecht auf ihrem Bett. Es war ein Traum ... Ein furchtbarer Traum ... ... Marisa ... Die Tränen fließen wieder in Strömen. "Youmu!" Die Silberhaarige schaut auf. Auf ihren Schrei hin, ist Marisa zu ihr gerannt. "Was ist-" Weiter kommt die Blonde nicht. Durch den Traum verängstigt und zitternd schlingt Youmu ihre Arme um Marisas Körper. Krallt sich an ihr fest. Will sie nicht wieder gehen lassen. Marisa vernimmt das furchtvolle Schluchzen ihrer Freundin. "Was ist los?" Unter den Tränen entgegnet das silberhaarige Mädchen mit bebender Stimme: "... Schatten ... Schere ... Blut ..." Es fällt ihr zu schwer ... Es fällt ihr zu schwer, zu erzählen, was sie gesehen hat. Mit anzusehen, wie das Mädchen, was ihr inzwischen so viel bedeutet, gefoltert und dann umgebracht wird. Marisa seufzt. Sie streichelt Youmu sanft und beruhigend über den Rücken. "Es war nur ein Traum ..." Ja, es war ein Traum ... Nichts, als ein furchtbarer Traum ... Ein Traum, mit einer Bedeutung. Doch diese Bedeutung soll fürs Erste unter Verschluss bleiben ... ~~ Es ist ruhig draußen, eigentlich zu ruhig. Keine Wetterumschwünge geschehen, weder Schnee, noch Regen. Es ist fast wie die Ruhe vor dem perfekten Sturm ... Eine vergleichbare Stille herrscht am Küchentisch. Keiner der anwesenden Mädchen sagt ein Wort, sondern schauen in Gedanken versunken auf ihre leeren Teller. Marisa erinnert sich an das Versprechen, welches sie ihrer Freundin gegeben hat. Youmu denkt über ihren Alptraum nach und die bestehende Bedeutung. Während Marisa, motiviert durch das Versprechen, bereit ist, dem Mädchen, welches sie mag, zu helfen und zu beschützen, hat Youmu eine Art böse Vorahnung, dass in ferner Zukunft was Schlimmes mit der Blonden passieren könnte. Zeitgleich richten sich die Mädchen auf und schauen die jeweils andere an mit den Worten: "Sag mal ..." Sie kichern. "Du zuerst, Youmu." "Nein, war nicht so wichtig ... und du?" Verlegen und mit puderroten Gesichtern schauen sie zur Seite. Um zu verhindern, dass sich wieder eine unangenehme Stille im Raum ausbreitet, meint Marisa: "Naja ... du kannst mich ruhig für bescheuert halten, aber ... ich hab mich gefragt, ob ... kann man uns eigentlich als ein Paar bezeichnen?" Während sich Marisa vor Verlegenheit am Hinterkopf kratzt, wird die Röte in Youmus Gesicht noch stärker. Sie antwortet leise: "Ich ... ich denke schon ... ja." "Gut ... gut, das freut mich." Das blonde Mädchen fängt an zu grinsen. Eine breites Lächeln, welches nicht nur Freude ausstrahlt, sondern auch Freude verbreitet. Denn Youmu muss sie nur ansehen, und sie vergisst ihre Sorgen. Vergisst ihre Befürchtung, dass der Alptraum ein böses Omen ist. Anstelle der Furcht bleibt nurnoch Freude und Glück. Die Silberhaarige lächelt. Sie steht auf und geht zu ihrer Freundin. Sie kniet sich vor der Anderen hin und legt ihre Stirn auf derren Schulter und ihre Hände auf Schlüsselbeingegend. Sanft flüstert sie gegen Marisas Haut: "Ich bin froh, dass ich dir meine Geschichte erzählt habe ... es ist, als wäre mir eine Last endlich vom Rücken genommen worden ..." Marisa versteht, was das Mädchen vor ihr meint. Ein warmer Ausdruck ist nun in ihrem Gesicht bemerkbar. Sie legt ihre Arme um Youmus schmalen Körper. Nimmt dabei ihren Duft wahr. Niemand sagt was. Die Mädchen spüren die wohltuende Wärme der Anderen. In diesem Moment der Ruhe und des Glücks fällt Marisa eine Idee ein. Sie löst ihre Umarmung und sagt: "Mir ist gerade etwas eingefallen. Etwas, was erledigt werden sollte. Komm mit mir." Verwundert schaut Youmu die Blonde vor ihr an. Nach einer Weile der Überlegung nickt sie. ~~ Noch immer herrscht ruhiges Wetter. Es gibt nichts, was die angenehme Stille um die Atmosphäre herum zerstören könnte. Kein Regentropfen fiel vom Himmel. Keine Schneeflocke suchte ihren Weg auf die Erde. Nur ein sanfter Wind wehte durch die Straßen und Häuser. "Wir sind da." Durch diesen angenehm ruhigen Tag führt Marisa Youmu zu dem Ort, von der sie meint, dass dort was Wichtiges erledigt werden muss. Irritiert schaut die Silberhaarige zuerst den Platz und dann ihre Freundin an. "Der Friedhof? Wieso bringst du mich hierher?" Marisa festigt ihren Griff auf Youmus Hand. Sie traut sich nicht, die Andere in die Augen zu schauen. Nachdenklich und mit einem Ausdruck in der Stimme, der zeigt, dass sie Angst hat, sie hätte was Falsches gemacht, antwortet sie: "Nun ... ich hab mir bloß gedacht ... dass dir vielleicht ein klärendes Gespräch mit ihr ganz gut tun würde ... Ich meine, ich kann dich nicht zwingen, also wenn du nicht willst, dann können wir natürlich wieder gehen." In Gedanken versunken richtet Youmu wieder ihren Blick auf den Friedhof. Auch ihr Griff um Marisas Hand wird fester. "Nein, Marisa ... du hast Recht." An sie gewendet fügt sie hinzu: "Bitte, begleite mich ..." Marisa dreht ihr Gesicht zu Youmu. Lächelnd entgegnet sie: "Klar doch." Hand in Hand betreten sie das Friedhofsgelände. Außer ihnen ist heute niemand anwesend. Mit jedem Schritt wird der Herzschlag der Jüngeren schneller. Sie ist nervös. Das merkt Marisa. Dann schließlich bleiben sie stehen. Sie stehen vor einem Grab. Yuyukos Grab. Die Nervosität in Youmu wird größer. Sie traut sich kaum zu atmen, geschweige denn zu sprechen. "Nur Mut. Du schaffst das", flüstert Marisa ihrer Freundin zu. Wieder bei Sinnen schaut das angesprochene Mädchen sie an und nickt schließlich. Dann richtet sie ihren Blick wieder auf das Grab. Sie atmet tief ein und aus. Versucht sich so zu beruhigen. Dann fängt sie schließlich an zu sprechen. "Hallo, Yuyuko-sama ... es ist lange her ... natürlich, seit ich dich so angeschrien habe, kam ich auch nicht mehr zu Besuch. Genau deshalb bin ich auch jetzt hier ... Ich ... wollte mich für damals entschuldigen ... ich meine, du konntest am Wenigstens was dafür, was mir passiert ist ... Als du noch lebtest, du warst immer so gut zu mir. Als wäre ich deine leibliche Tochter gewesen. Und wie bedanke ich mich dafür?" Bevor sie weitersprechen kann, fällt Youmu vor dem Grab ihrer Stiefmutter auf die Knie und lässt ihren Kopf sinken. Wie vereinzelte kleine Regentropfen fallen ihre Tränen auf die lehmige Erde. "Aus reiner Verzweiflung heraus ... ließ ich dich dafür büßen ... Du hattest es nichtmal verdient. Ich wollte das nicht! Bitte, verzeih mir, Mutter!" Das bisher so ruhige Wetter wandelt sich. Wo vorher noch alles still war, fallen nun vereinzelte kleine Schneeflocken vom Himmel. Wie kleine, sanfte Wesen schweben sie runter auf die Erde. Kein Wind versetzt sie in Schwingungen. Youmu schaut vom Boden rauf auf den Himmel. Für einen Moment hatte sie ein seltsames Gefühl. Etwas Warmes, welches sie zart berührte. Es kommt ihr so vor, als hätte Yuyuko sie gehört und geantwortet. Es war, als hätte sie ihr verziehen. Marisa, die alles schweigend beobachtet hat, legt mitfühlend eine Hand auf die Schulter ihrer Freundin. Dann spürt sie selber etwas Eigenartiges. Eine Art kurzer Stubser auf ihre Schulter von vorne. Als will etwas oder jemand, dass die Blonde nach vorne schaut. Das macht sie schließlich auch. Bei dem, was sie vor sich sieht, weiten sich Marisas Augen. Nun fällt sie auf die Knie. Sie kann nicht glauben, was in ihrem Blickfeld steht. Verwundert wendet sich Youmu an ihre Freundin und fragt, was passiert ist. Marisa fehlen die Worte. Sie kann nur als Antwort ihren Finger nach vorne richten. Die Silberhaarige begutachtet das, auf das Marisa zeigt. Es ist ein Grab. Ein Grab, der unmittelbar neben dem von Yuyuko steht. Der Name, der auf dem Stein gemeizelt war ... Mona Kirisame. "Mama ..." Wie ein leises, heiseres Krächzen kommt dieses Wort aus Marisas Kehle. Überrascht fragt Youmu nochmal nach: "Das ist deine Mutter?" Ihre Freundin nickt nur. Sie streckt ihren Arm nach dem Stein aus. Will die eingemeizelten Buchstaben unter ihren Fingerkuppen spüren. Will prüfen, ob das nicht nur Halluzination ist. Aber es ist keine. Das Grab von Marisas Mutter liegt wirklich neben der von Youmus Stiefmutter. "Das kann kein Zufall sein ...", sagt Marisa schließlich, es ist als ob ... als ob ..." "Sie gemeinsam auf uns aufpassen wollen und uns schließlich zusammen gebracht haben", beendet Youmu den Gedankengang ihrer Freundin. Die Mädchen schauen sich an und fangen schließlich an zu lächeln. Lächeln, die Freude und Glück ausstrahlen. Reine Freude und reines Glück. Der Schnee fällt weiter. Sie fallen vom Himmel und malen Bilder auf dem Boden. Weder Marisa noch Youmu werden es je wissen. Aber an diesem Tag, in diesem Moment ... Da bildeten die Schneeflocken hinter den beiden Grabsteinen Bilder. Kleine Symbole. Und diese sehen so aus wie zwei lächelnde Gesichter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)